- ipreöcnteC) to
- Che Xibrar?
- ot tbc
- üntvereit? of Toronto
- Mrs. Whetham, Westfield, N.Y.
- from the books of her husband
- CHAHLSS ^AfHJiTHüft
- B.A., Toronto. 18e^4; U.A., ISS5.
- J'eilow in the ködern langua^e ■
- Department, U.C., 1893-1894.
- ÄkÄi^r^^'
- '^';.%A.-^Ä.Ar
- i»;:'^^^^'^.^*i^^i
- . *v'Sfl5r5,t'-'-T
- :^^^^Ä^^
- tÄ.r'.:,5C>'?
- >M».
- f'^.'s ->:
- A/«''!^
- .B.;»«:
- DEUTSCHE OLASSIKER
- DES
- MITTELALTERS.
- MIT WORT- UND SACHERKLÄRUNGEN.
- BEGRÜNDET
- VON
- FRANZ PFEIFFER.
- SIEEENTEE BAND.
- OOTTFRIED'S VON STRASSBURGi TRISTAN.
- ERSTER THEIL.
- LEIPZIG:
- F. A. BROCKHAUS.
- 1873.
- GOTTFEIED'S VON STMSSBUEG
- /
- TRISTAN.
- U^^
- HERAUSGEGEBEN
- VON
- HEINHOLD BECHSTEI]^r.
- ERSTER THEIL
- ZWEITE AUFLAGE.
- LEIPZIG:
- F. A. B R 0 C K H A ü S
- IST.}.
- * f
- •a
- EINLEITUNG.
- Anraiithig und von künstlerischer Schönheit wie keine
- zw eite Romanclichtung des deutschen Mittelalters ist der Tri-
- stan Gottfried's von Straßburg; in keiner waltet ein solch
- wunderbarer und seelenvoller Einklang zwischen Inhalt und
- Form. Mangelt diesem Dichter die schlichte Einfachheit und
- €dele Klarheit seines Genossen und Vorbildes Hartmann von
- Aue, ist er weit entfernt von der sittlich ernsten Strenge und
- großartigen Hoheit seines Widersachers AVolfram von Eschen-
- bach, so ist er einzig und unübertroffen im leichten Flusse
- der Piede, im geistreichen und zierlichen Spiele der Worte,
- Gedanken und Bilder, in der einschmeichelnden und zaube-
- risch ergreifenden Kunst der Seelenmalerei. Schon von den
- Zeitgenossen und nächsten Nachkommen wird sein Genius be-
- wundert und gepriesen, und über ein Jahrhundert lang findet
- seine Dichtersprache bewusste und unbewusste Nachahmung.
- Mit dem sinkenden Mittelalter wird sein Name vergessen, aber
- mit dem Erwachen der deutschen Studien feierte auch Gott-
- fried nach langem Schlummer seine Wiedergeburt. Nicht
- nur aus literargeschichtlichem Interesse und um der Beleh-
- rung willen vertiefen wir uns in sein Gedicht. Wer vor-
- urtheilslos sich ihm nähert, aber empfänglich ist für die Poesie
- unserer Vorzeit, der wird unwillkürlich in hohem Maße ge-
- fesselt und findet reichen ästhetischen Genuß. Ja Gottfried
- ist auch lebendig für die Gegenwart gewonnen; denn mancher
- Dichter hat sich ihn zum Vorbild auserkoren.
- Daß es dem Dichter des Tristan mit seiner ausgeprägten
- Eigenart zu seiner Zeit nicht an feindseligen Gegnern gefehlt
- habe, das dürfen wir auch ohne bestimmte äußere Zeugnisse
- annehmen und schließen es aus einzelnen Andeutuncren. Auch
- VI EINLEITUNG.
- in imseni Tagen ist er nicht ohne Anfechtung geblieben. Seine
- Lebensanschaimng fand Tadel, der sittlich bedenkliche Stoflf
- seines Liebesromans gab vor allem Anlaß zu verwerfendem
- Urtheil. Auch philologische Bedenken wurden laut wider seine
- Verskunst. Solchen immer nur vereinzelten Ausstellungen
- gegenüber, die noch dazu meist einem grämlichen Gemüthe
- entstammten, hat die Literaturgeschichte doch ihr Urtheil dahin
- festgestellt, daß Gottfried von Straßburg als einer der her-
- vorragendsten Dichter, den Deutschland je geboren, in Ehren
- zu halten ist, als ein wirklicher Classiker unseres Alterthums.
- Wenn der Tristan auch auf heutige Leser noch einen wirk-
- lich ästhetischen Eindruck zu machen vermag, so verdanken
- sie dies gewiss vorzugsweise der unnachahmlichen Kunst des
- Dichters. Einigermaßen wird auch das unbekannte franzö-
- sische Original solches Verdienst beanspruchen dürfen. Ein
- gut Theil aber dieser A^ irkung kommt zugleich den allgemein
- menschlichen Motiven der Erzählung zu, welche uns das mittel-
- alterliche und insbesondere höfisch-ritterliche Costüm in Stoif
- und Darstellung fast ganz vergessen lassen. Gottfried's Ge-
- dicht war zu seiner Zeit gewiss ein echt modernes. Macht es
- aber mit Abrechnung einiger Einzelheiten in der Erzählung
- und einiger geschichtlich charakteristischen Anschauungen
- nicht auch heute noch den Eindruck des Modernen? Auch
- daß die Handlung im fernen Lande vor sich geht, stört uns
- nicht; diese Fremde blickt uns nicht fremd und seltsam an.
- Für die ästhetische Würdigung wird der jeweilige Ge.
- schmack immer maßgebend sein. Beim Tristan können wir
- aus den angedeuteten Gründen ziemlich mühelos zu einer
- lebendigen Nachemptindung gelangen ähnlich wie bei Hart-
- mann's Gregor und Armem Heinrich, während bei Schöpfungen
- wie z. B. bei Hartmann's Erec und Iwein, es vorerst der Ver-
- tiefung bedarf, ehe wir dem Gegenstande und der Kunst des
- Dichters gerecht werden. Erfüllt eine solche Anschauung that-
- sächlich die weiteren Kreise, so wird selbst der Fachmann sich
- ihrem Banne nicht ganz entziehen können, sobald er auf dem
- Standpunkt des genießenden Lesers steht. Aber an sich,
- wissenschaftlich betrachtet, darf dies das literargeschichtliche
- Urtheil nicht bestimmen. Gedichte wie die zuletzt genannten
- hören darum nicht auf, Blüten der Kunst zu sein, weil sie
- vielleicht dem heutigen Geschmacke nicht ohne weiteres zu-
- sagen wollen. In dieser Beziehung werden die Erzeugnisse
- des Mittelalters gar zu leicht unterschätzt. Aber es will mich
- bedünken, als habe auch in der Behandlung der Literatur-
- EINLEITUNG. VI!
- geschiclite Jas historische ürtheil öfters unter dem Drucke
- von Vorliebe und Abneigung gelitten.
- Die Literaturgeschichte scheidet bekanntlich in der erzäh-
- lenden Dichtung des Mittelalters das Volksepos, die dichte-
- rische Verherrlichung der heimischen Heldensage, vom Kunst-
- epos oder, wie es mit Beschränkung auf seine kurze Blütezeit
- auch genannt wird, vom höfischen, vom ritterlichen Epos.
- Eine solclie systematische Scheidung ist wohl nöthig, ja auch
- zweckmäßig, aber sie kann weder hinsichtlich der Form noch
- auch hinsichtlich des Inhaltes genau bis ins Einzelne durch-
- geführt werden. Ein Gegensatz zwischen der heimischen Dich-
- tung und der von außen eingeführten, nach fremden Vor-
- bildern geschaffenen bestand allerdings und wird nie völlig
- geschwunden sein. Er war begründet in den gesellschaftlichen
- Verhältnissen und Unterschieden, ja er tritt auch historisch
- nach den Landschaften hervor. Allein so schroff, wie er oft
- dargestellt und unter Rubriken gebracht wird , Avar dieser
- Gegensatz niemals; die Zeit milderte ihn, sie glich ihn aus
- mit Hülfe des universalen, des kosmopolitischen Geistes,
- welcher das mittelalterliche Leben durchdrang und erfüllte.
- Wenn fremde Stoffe ebendeshalb, weil sie nicht vaterländisch
- w^aren, zunächst auch keine Volksthümlichkeit besaßen, so
- wurden sie doch volksthümlich durch das allgemeine Bedürf-
- niss nach poetischer Anregung und Unterhaltung, sowie durch
- die Kunst hervorragender Meister. Gilt dies vor allen von
- den christlichen, biblischen Erzählungen, so wurden auch
- antike, romanische und keltische, selbst einzelne orientalische
- Sagenstoft'e zu einem Gemeingute der abendländischen AVeit
- und fanden namentlich in unserm Vateriaude, wo schon früh
- das Aneignungsvermögen dem fremden Geiste willig entgegen-
- kam, eine neue Heimat und ihre dichterische Verklärung, wie
- auch hinwiederum manche Dichtungen, die unserm heimischen
- Boden erwachsen waren, ihren Weg in andere Lande ge-
- nommen haben. Sagengestalten wie König Alexander, König
- Artus, Parzival und Tristan sind in der Blütezeit mittelalter-
- licher Poesie und noch lange darüber hinaus nahezu so volks-
- thümlich und in gewissem Sinne so national wie Siegfried und
- Dietrich von Bern.
- Die Sage von Tristan ist eine keltische, ihre Heimat
- Britannien und Irland. In England wird sie frühzeitig dich-
- terisch verwerthet, von da gelaugt sie nach Frankreich, wo
- X EINLEITUNG.
- Dagegen finden sich mehrere Stellen, in welchen der Dich-
- ter sein kritisches Missfallen an bereits vorhandenen Versionen
- der Sage unverhohlen und mitunter nicht ohne Schärfe kund-
- gibt. So sagt er gleich im Eingange (V. 131 — 134), daß viele
- die Geschichte Tristan's gelesen, aber nur wenige sie in der
- rechten Weise erzählt hätten. Er deutet somit auf die allge-
- meine Bekanntschaft der Sage im Volke hin und zugleich auf
- seine literarischen Vorgänger. Diese erste Bemerkung ist all-
- gemein, sie sagt uns nicht, in welcher Sprache jene Erzählungen
- verfasst wurden. Wenn Gottfried dann ferner (V. 146 — 154) sein
- Urtheil dahin erläutert, daß die Erzähler sich nicht nach dem
- Vorbilde des Thomas von Britannie gerichtet hätten, so braucht
- auch hieraus nicht geschlossen zu werden, daß die Getadel-
- ten ausschließlich Deutsche seien, wohl aber ergibt der ganze
- Zusammenhang der Stelle, daß Gottfried hier auch an deutsche
- Vorgänger gedacht, ja daß er diese vorzugsweise im Auge ge-
- habt habe.
- Gleich im Beginne der Erzählung (V. 322 — 328) bietet sich
- dem Dichter Gelegenheit, auf eine Abweichung seiner Quelle
- von der andern populär gewordenen Tradition aufmerksam zu
- machen. Riwalin gilt als ein Lohnoissere, als ein König über
- das Land zu Lohnois, dagegen war er nach sicherer Über-
- lieferung des Thomas ein Parmenier. — Sodann verwirft Gott-
- fried die entschieden poetische Erzählung von der Schwalbe
- und dem Frauenhaar und von Tristan's zielloser Fahrt (V. 8605
- — 32). In dieser für unsern Sinn etwas nüchternen Auslassung
- des Dichters regt sich allerdings, wie Jakob Grimm treffend
- bemerkte, bereits das Gefühl der modernen Kritiker. — Ebenso
- leugnet Gottfried, daß Marke und Isolt den Minnetrank koste-
- ten (V. 12655 — 60), während ihn Brangasne in die See gewor-
- fen habe, wie uns auch Gottfried vorher (V. 11G98 fg.) er-
- zählte. — Der Zwerg Melot war nach dem allgemeinen Glau-
- ben befähigt, Geheimnisse aus den Sternen zu lesen, dagegen
- schildert ihn die Quelle des Dichters nur als gewandt und
- listig (V. 14241 — 53). — Daß in gleicher Weise, wie Gottfried
- es thut, auch andere die Überlieferung der Tristansage mit
- kritischen Augen ansahen, darüber belehrt uns die polemische
- Äußerung (V. 16913 — 26) gegen diejenigen, welche ein bloßes
- Liebeleben in der Wildniss ohne materielle Nahrung nicht
- glaubhaft und unsinnig finden. Zugleich ist die Stelle gegen
- vorliegende Versionen gerichtet, in welchen Tristan als Jäger
- und Fischer geschildert wird, der durch seine Geschicklich-
- keit sich und seiner Geliebten das Leben fristet.
- EINLEITUNG. XI
- Wirklich ist auch eine deutsche Erzählung von Tristan
- vorhanden, welche einmal zeitlich der Gottfriedischen voraus-
- geht, und sodann inhaltlich von dieser abweicht, aber dies
- nicht nur in den von Gottfried berührten Stellen, sondern
- auch noch in gar vielen Einzelheiten. Diese andere Tradition
- stimmt im Allgemeinen mit der französischen des Berox. In
- ihr «hängt die Fabel», wie Jakob Grimm wider ein abfälliges Ur-
- theil von Gervinus bemerkte (Göttingische gelehrte Anzeigen,
- 1835, GG2; jetzt auch Kl. Schriften ä, 186), gegenüber der
- Erzählung von Gottfried «noch in festerer Fuge». Es ist dies
- der Tristan des Eilhart von Oberge, eines niedersächsischeuy
- aus dem Hildesheimischen stammenden Ritters und Dienst-
- mannen Heinrich's des Löwen. Er erscheint urkundlich in den
- Jahren 1189 — 1207. Sein Gedicht ist wahrscheinlich nach
- einer französischen (Quelle gearbeitet. Es ist in dem ein-
- fachen Erzählerton abgefasst, wie er vor Heinrich von Vel-
- deke allgemein war. Man setzt es daher um das Jahr 1170.
- Die Sprixche des Dichters ist nicht das Niederdeutsch, son-
- dern das Hochdeutsch der mittleren Lande, das sogenannte
- Mitteldeutsch. Leider besitzen wir eine alte, noch dem
- 12. Jahrhundert angehörende Gestalt des Gedichtes nur in
- Bruchstücken. ^) Dagegen hat sich das ganze Werk erhal-
- ten in einer jüngeren Bearbeitung, welche in zwei Hand-
- schriften des 15. Jahrhunderts, einer Heidelberger, früher
- Vaticanischen, und einer Dresdener vorliegt. Im Einzelnen
- weichen beide Handschriften formal voneinander ab. Bisjetzt
- kennen wir von der Bearbeitung selbst nur einzelne kürzere
- oder längere Proben. -) Es ist hohe Zeit, daß sie vollständig,
- wo möglich in einer Gegenüberstellung der beiden Texte
- sowie mit Berücksichtigung der alten Bruchstücke zur Ver-
- öffentlichung gelange.
- Daß es außer diesem einen Gedichte von Eilhart vor Gott-
- 1) I. In: Gottfried's von Strasburg Werke von v. d. Hagen 2, 315 (1^23),
- mitgetheilt von Hoffmann von Fallersleben mit den Ergänzungen aus der
- (Dresdener) jüngeren Bearbeitung; wiederholt in Hoffmann's Fundgruben
- 1, '-'32 (1830), — II. In: Bruchstücke aus Jansen's des Enenkels gereimter
- Weltchronik, S. 37 (1854) von Karl Roth. — III. In Pfeiffers Germania
- ', 155 (18 mitgetheilt von K. A. Barack.
- -') I. In Jakob Grimm's genannter Recension über das Buch der Liebe^
- Spalte 500 fg. (isi2) aus der Dresdener Handschrift. — II. In v. d. Ha-
- gen's und Büsching's literarischem Grundrisse, S. 127—130 (18l2) aus der
- Dresdener Hs. — III. In Groote's Ausgabe des Tristan (1821), S. XXIX
- Heidelb. Hs., S. 41f, Dresdener Hs. — IV. S. obige Anmerkung 1) I (1S23).
- — V. In einem Aufsatze Rcinhold Köhlcr's in Pfeiffer's Germania 11, 389 fg.
- (186'")) Heidelb. und Dresdener Hs. —VI. In einer Mittheilung R. Köliler's
- in Pf. Germania 14, 24<; (1 '-•;!<; Dresdener Hs.
- XII EINLEITUNG.
- fried's Zeit bei uns nocli andere gegeben habe , dürfen wir
- schon daraus schließen, daß Gottfried öfters geradezu mehrere
- nennt. Sollten aber nicht auch einzelne seiner polemischen
- Äußerungen dies bestätigen? Gottfried spricht in jener Stelle
- nur von einer Scliwalbe, die Bearbeitung von Eilhart's Ge-
- dichte meldet von zwei Schwalben, die sich über den Besitz
- eines Frauenhaares stritten. Dort wird uns ferner erzählt,
- Tristan habe während seiner Verbannung gejagt und gefischt.
- Also kann diese Yersion nicht Anlaß zu den spöttischen Be-
- merkungen gegeben haben, gegen welche Gottfried eifert. Es
- muß vielmehr eine Erzählung vorhanden gewesen sein, welche
- bei aller sonstigen Verschiedenheit von Gottfried's Quelle min-
- destens in diesem einen Punkte mit ihr zusammenstimmte.
- Um das Jahr 1210 dichtete, was hier in Kürze voraus-
- genommen werden soll, Gottfried von Straßburg sein un-
- sterbliches Werk, hinterließ es aber unvollendet. Fort-
- setzung und Schluß lieferte um 1240 Ulrich von Türheim,
- einen ähnlichen Versuch wagte dann später um 1300 Hein-
- rich von Freiberg.
- Aus der jüngeren Bearbeitung von Eilhart's Gedichte gieng
- das prosaische Volksbuch hervor, welches zuerst 1498 in
- Augsburg erschien, in der Folgezeit öfters wiederholt wurde,
- dann auch im «Buch der Liebe;) (zuerst Frankfurt 1587) Auf-
- nahme fand. ^) Keuerdings wurde das Volksbuch wiederholt
- und zum Theil modernisiert in Büsching's und v. d. Hageivs
- Buch der Liebe und in den Volksbüchern von Simrock und
- JNIarbach.
- Aus dem Volksbuche schöpfte hinwiederum Hans Sachs
- bei Abfassung seiner Tragödie: Tristrant mit Isalde, vom
- 7. Februar 1553.
- Der neueren Versuche, die Tristansage episch oder dra-
- matisch zu bearbeiten, können wir hier nicht im Einzelnen
- gedenken. Es mag genügen, wenn an Immermann's herr-
- liches, leider unvollendetes Epos, an die schwungvolle Fort-
- setzung des Gottfriedischen Gedichts von Hermann Kurtz
- und an Richard Wagner's geistreiche, aber spröde Opern-
- dichtung erinnert wird. -')
- ') Bibliographische Nachweise der beiderlei Ausgaben in Jakob Grimm's
- Eecension, Sp. 491; in v. d. Hagen's Minnesingern 4, 588, Anmerk. 2; in
- Goedeke's Mittelalter, S. 781, und Grundriß 1, 115. 11(5.
- '^) Eine zusammenfassende Besprechung dieser neueren Versuche gedenkt
- der Herausgeber zu geben in einer Schrift, betitelt: Tristan und Isolt in
- deutschen Dichtungen der Neiizeit.
- EINLEITUNG. XIII
- Nicht allein die vorhandenen Denkmäler und diese in ver-
- schiedenen Handschriften, Bearbeitungen und Ausgaben geben
- uns vollwichtiges Zeugniss von der Beliebtheit der Tristan-
- sage in Deutschland während des Mittelalters und im Beginne
- der neuen Zeit, es stehen uns auch zur Ergänzung litera-
- rische Zeugnisse zu Gebote, welche auf die Vertrautheit
- mit der Sage und mit ihren Hauptfiguren schließen lassen.
- Ein Theil derselben beziehen sich nur auf Gottfried's Tristan
- und sind daher besser an anderer Stelle zu berücksichtigen.
- Andere, die allgemein gehalten sind, wurden bisweilen, wie
- mir scheint zu voreilig, auch auf Gottfried gedeutet. Wenn
- nun auch nicht geleugnet werden soll, daß sein Gedicht
- wesentlich zur Verbreitung der Erzählung beigetragen hat, so
- kann doch im einzelnen Falle diese Kenntniss ebenso gut
- durch die andern Bearbeitungen vermittelt worden sein, ja
- manchmal beziehen sich die Anspielungen bei den Dichtern
- entschieden auf eine dieser letzteren.
- Besäßen wir ein leicht zugängliches und handliches Werk,
- V hes, wie es Wilhelm Grimm für die deutsche Heldensage
- geui;(n, die Zeugnisse über die außerdeutsche Sagenwelt in
- den deutschen Dichtungen des Mittelalters in knapper und
- kritisch sichtender Weise zusammenstellte, dann würde hier
- eine einfache Verweisung wohl am Platze sein. Wer diesen
- Dingen näher nachgehen will, muß im vierten Theile von
- V. d. Hagen's Minnesingern sich die Stellen zusammensuchen.
- Eine vollständige Sammlung dieser Zeugnisse kann natürlich
- nicht in der Aufgabe einer einleitenden Betrachtung zu einer
- Ausgabe des Gottfriedischen Tristan liegen, doch möchte, weil
- dieselben auch noch in anderer Beziehung nicht unwichtig
- sind, wenigstens auf einige, auf die ältesten oder bezeichnend-
- sten ausdrücklich hinzuweisen sein.
- Vor Gottfried finden wir auf die Tristansage angespielt in
- einem Liede Heinrich's von Veldeke. Tristan musste un-
- freiwillig der Königin treu sein; ihn zwang der Minnetrank
- mehr als die Kraft der Minne; ich aber, setzt der Dichter
- hinzu, bedarf eines solchen Zaubers nicht, ich minne sie, die
- Cieliebte, doch mehr als er die seine. (Minnesangs Frühling,
- 58, 35.)
- Wahrscheinlich ebenfalls noch vor Gottfried finden wir
- fast dasselbe Bild benutzt in einem Liede des Bernger von
- Horheim, eines schwäbischen Ritters, welcher 1190 mit Hein-
- rich VI. nach Apulien zog. Die betreffende Strophe ist er-
- weislich einem französischen Liede nachgebildet, nichtsdesto-
- XIV EINLEITUNG.
- weniger wird dadurch die Bekanntschaft der Sage in Deutsch-
- land bezeugt. (Minnes. Fr. 112, 1.)
- In einem Gedichte des von Gliers in der Pariser Hand-
- schrift heißt es, es sei eine Noth, der Minne zu dienen.
- Mancher leide den Tod durch sie, der ihrer doch mit herzlicher
- Treue pflege; «so Tristan, der mich jammern muß», (v. d. Ha-
- gen's Minnesinger 1, 105, Strophe 7.)
- An den Minnetrank knüpft ebenfalls Reinmar von Zwe-
- ter, der bekannte Spruchdichter, an. Um der Treue willen zu
- einem geliebten Weibe litt Tristan den Tod; er trank diese
- Liebe aus einem Glase. Auch ich habe das getrunken aus
- meiner Herrin Augen. (Hagen, Minnes. 2, 181, Strophe 25.)
- Der Marner, ein Schwabe bürgerlichen Standes (f 1287),
- benutzt ein ähnliches Motiv in einem Wächterliede. Troja
- ward einst zerstört, dem Tristan geschah viel Liebesweh um
- Isalden willen; auch jetzt noch hält die Minne manchen wer-
- then Mann gefangen. (Hagen, Minnes. 2, 237, Strophe 2.)
- In einem eingestreuten Liede, einer Tanzweise, in Ulrich's
- von Liechtenstein Frauendienst bittet der Dichter seine Ge-
- liebte, daß sie ihn wie Isalde den Tristram trösten möge.
- Die Stelle ist auch formal wichtig:
- Min hend' ich välde mit triuwen algernde üf ir füeze,
- däz s'als isalde Tristrämen getrdesten mich müeze.
- (Lachmann 394, 16, Strophe 3.)
- Die Form Isalde, welche hier durch den Reim gesichert ist,
- stammt aus der nieder- oder mitteldeutschen Tradition, die
- auch in Oberdeutschland allgemein war, während Gottfried im
- Nominativ nur Isolt oder Isot sagt und in den andern Casus
- auch nur o und 6, niemals a verwendet.
- Auch Tristan's Altern werden erwähnt in einem Liede
- Konrad's von Würzburg. Der Dichter klagt, Amor sei
- durch Mars verdrängt worden. Liebende wie Riwalin und
- Blanscheflur gebe es nicht mehr. (Hagen, Minnes. 2, 312,
- II, Strophe 3.)
- Wie in Liedern, so wird auch in epischen Dichtungen
- auf die Tristansage angespielt. Wir gedenken nur der Stellen
- bei Wolfram von Eschenbach. Tristan wird in seinen Ge-
- dichten nicht genannt, dagegen erwähnt er den Morolt von
- Irland im Parzival (I, 1445. II, 263. 442. 705. 828), doch ohne
- Beziehung auf seine Schicksale in der Tristanerzählung. Riwalin,
- der minne gernde^ wird ausdrücklich als König von Lohneis
- bezeichnet (II, 440), was wahrscheinlich schon in der Vorlage
- EINLEITUNG. XV
- Stand. Von Parzival wird gesagt, er sei nicht von einem
- Kurvenal erzogen worden, er verstehe sich nicht auf Cour-
- toisie (III, 85G). Parzival's Gattin, Konduiramur, heißt es
- (IV, 247), überstrahle an Schönheit die beiden Isolden.
- AVichtiger sind aber einige Stellen in didaktischen Ge-
- dichten, weil diese das wirkliche Leben berühren. — Tho-
- masin von Zirclaria kommt in seinem Lehrgedichte, der
- wälsche Gast genannt (verfasst 1216), auf die Lektüre der
- Jugend zu sprechen (V. 1023—1078) und empfiehlt aus dem
- Gebiete der höfischen Dichtung eine Anzahl Personen als gute
- Vorbilder. Den Jungfrauen nennt er unter andern auch
- Blanscheflör ; wahrscheinlich meint er die Mutter Tristan's,
- nicht die Geliebte Flore's. Die Jungherren erhalten folgende
- Lehre:
- Juncherren suln von Gäwein 1041
- hoeren, Clies, Erec, Iwein,
- und suln rihten sin jugent
- gar nach Gäweins reiner tugent.
- volgt Artus dem künege her, 1045
- der treit iu vor vil guote 1er,
- und habt ouch in iuwerm muot
- künic Karin den helt guot.
- lät niht verderben iuwer jugent.
- gedenket an Alexanders tugent, 1050
- an gevuoc volgt rr Tristande ,
- Seigrimos , Kälogriande.
- Ohne Zweifel hat hier Thomasin den Charakter Tristan's im
- Sinne, wie er von Gottfried geschildert ist.
- In Hugo's von Trimberg Renner, dem bekannten und
- einst vielgelesenen Lehrgedichte (verfasst um 1300), wird uns
- bei Gelegenheit einer Herzensergießung des Dichters, daß man
- es unmöglich allen Leuten recht machen und alle V\''ünsche
- erfüllen könne, auch von der Verschiedenheit und Manig-
- faltigkeit des literarischen Geschmacks erzählt. Da heißt es
- von einem, er höre gern von Dietrich von Bern und von den
- alten Recken, ein anderer wolle von Herrn Ecken, ein dritter
- von der Reußen Sturm , der vierte wolle Siegfried's Wurm,
- der fünfte kU kern Tristerant u. s. w. (IG 154 — 70).
- 1043 Sin altertbümlich für ir; vgl. zu Tristan bbO. — 104tj treit = trägt.
- vor tragen, zeigen. — he dat. pl.:=euch. — 1051 gevuoc st. niasc, Schick-
- lichkeit, Anstand.
- XVIII EINLEITUNG.
- einem Akrostichon verewigte. So erfahren wir seine Autor-
- schaft zunächst nur durch die Fortsetzungen der genannten
- jüngeren Dichter, üh'ich's und Heinrich's, welche in mehreren
- Handschriften sich an das Hauptwerk unmittelbar anschließen.
- Vom älteren dieser Fortsetzer ist der von der Welt geschie-
- dene Dichter nur Meister Gottfried genannt, der jüngere fügt
- seinen Beinamen hinzu und nennt ihn Meister Gottfried von
- Straßburg.
- Seltsamerweise fehlt in den Handschriften, welche wir bis-
- jetzt vom Tristan kennen, irgendwelche Überschrift, irgend-
- welcher Titel u. dgl., durch welche der Name des Verfassers
- auch ohne dessen Bekenntniss im Gedichte selbst und ohne
- die Angabe in der folgenden Fortsetzung kundgegeben würde.
- Dafür erscheint er ein paarmal als Autor in andern Hand-
- schriften, sogar auch mit Unrecht. Die Betrachtung dieser
- Zeugnisse führt uns zugleich auf eine andere Seite von Gott-
- fried's Dichterthätigkeit, auf seine Lyrik.
- In der großen Pariser Liederhandschrift, die früher ohne
- Grund die Manessische genannt wurde, stehen drei Gedichte
- unter dem Namen Gottfried von Straßburg; das Register fügt
- diesem Namen «Meister» hinzu. Diese Gedichte sind: ein Früh-
- lings- und Minnelied von 6 Strophen, ein umfangreicher Lob-
- gesang auf die heilige Jungfrau (63 Strophen) und ein Gedicht
- von der Armuth (13 Strophen). Außer dem letzteren Stücke,
- welches bisjetzt nur in der Pariser Handschrift vorliegt, finden
- sich die Gedichte auch anderwärts. Die ältere Heidelberger
- Handschrift enthält das Frühlingslied ebenfalls und zwar unter
- dem Namen Gottfried von Straßburg. Hier sind es aber nur
- 5 Strophen. • Der Lobgesang findet sich auch in der Wein-
- gartner Liederhandschrift, hier ohne Namen und nur in 36
- Strophen und diese in anderer Ordnung. Elf Strophen aus
- diesem Lobgesange, darunter zwei bisher unbekannte, haben
- sich später in einer Karlsruher Pergamentsammeihandschrift
- des 14. Jahrhunderts gefunden, aber ebenfalls ohne Namen.
- Das Frühlings- und Minnelied ist uns zweimal unter dem
- Namen des Dichters überliefert. Diese Überlieferungen diffe-
- rieren, wie angedeutet, um eine Strophe; ich glaube, daß nicht
- allein die sechste der Pariser Handschrift, sondern auch die
- fünfte, doppelt überlieferte unecht ist, kann aber die Gründe,
- welche R. Heinzel in seinem Aufsatze «Über Gottfried von
- Straßburg)) (Zeitschr. f. d. österr. Gymn., 1868, VH. u. VIIL Heft,
- S. 559 fg.) gegen die Echtheit des ganzen Liedes vorbringt,
- nicht für stichhaltig finden.
- EINLEITUNG. XIX
- Der Lobgesaiig wurde von Moriz Haupt auf Grund der
- drei Handschriften kritisch herausgegeben in seiner Zeit-
- schrift 4, 513 fg. (184:4). Dem allgemeinen Glauben folgend
- hegte er nicht den mindesten Zweifel an der Echtheit. Franz
- Pfeiffer wies aber in einem glänzenden , auch noch in vielen
- andern Dingen hochwichtigen Aufsatze in seiner Germania
- 3, 59 fg. (1858) ') unwiderleglich nach, daß weder der Lob-
- gesang noch auch das Lied von der Armuth von Gottfried
- verfasst sein können. Beide gehören einer jüngeren Zeit an,
- ihre Verfasser sind wohl Klostergeistliche gewesen.
- Hätte der Schreiber und Künstler der Pariser Handschrift
- diesen kritischen Scharfblick besessen, dann würde das allein
- übrigbleibende Frühlingslied für ihn sicher nicht Anlaß genug
- gewesen sein, Gottfried auch im Bilde darzustellen.
- Wird somit die lyrische Production Gottfried's auf ein sehr
- geringes Maß beschränkt, so wird für die abgesprochenen um-
- fangreicheren Gedichte doch ein ganz kleiner Ersatz gewährt,
- indem, wie wir sehen werden, dem Dichter, auf ein glaub-
- würdiges literarisches. Zeugniss hin, zwei Strophen zuerkannt
- werden dürfen, welche die handschriftliche Überlieferung unter
- einen andern Autor stellte.
- Wie in der Pariser Handschrift, so erscheint auch in einer
- Straßburger Sammelhandschrift Gottfried's Name mit Unrecht.
- Unter einer Anzahl kleiner Erzählungen befindet sich dort
- eine Märe von der Minne mit der Angabe in der Über-
- schrift, daß sie von Meister Gottfried von Straßburg gemacht
- sei. Auch im Texte zu Anfang wird dieser Name genannt.
- Es hat sich aber herausgestellt, daß jene Stelle verdorben
- ist, daß vielmehr Konrad von Würzburg diese Erzählung ver-
- faßt hat, welche gewöhnlich unter dem Name «das Herzmäre» ^)
- geht; der Dichter beruft sich hier auf die Autorität Gottfried's
- und bekennt sich als seinen Schüler.
- Jener Irrthum in der Pariser Handschrift und dieser in
- der Straßburger, der allerdings schon mehr das Gepräge ab-
- sichtlicher Fälschung trägt, sind gleichwohl historisch bedeut-
- sam in Hinblick auf Gottfried's Namen und Geltung.
- Die äußern literarischen Zeugnisse über Gottfried und
- sein Hauptwerk sind nicht in so großer Anzahl vorhanden
- ') Jetzt auch aufgenommen in : Freie Forschung. Kleine Schriften
- zur Geschichte der deutschen Literatur und Sprache von Franz Pfeififer
- (Wien 18(;-1, Nr. IV).
- -) Herausgegeben von Franz Roth (Frankfurt a. M. 184G) und von
- Hans Lambel, Nr. VII der «Erzählungen und Schwanke» (12. Band dieser
- Sammlung, 1872).
- b*
- XXII EINLEITUNG.
- wie ist so gar meisterlich 20
- sin Tristan! swer den ie gelas,
- der mac wol beeren, daz er was
- ein schroeter süezer worte
- und wiser sinne ein jDorte.
- wie kuude er so wol tihten, 25
- getiliten krümbe slihten,
- prisen beider bände lip ,
- beide man und werdiu wip!
- wie truoc im so höbe gunst,
- in tiutsclier zungen rebte kunst, 30
- got, der kunst wol gunde,
- daz er sie so wol künde.
- In Rudolfs Alexander findet sieb ferner noch eine Be-
- ziehung auf Gottfried, welche zuerst von Docen nachgewiesen
- wurde (v. d. Hagen's Museum 1, 163). Die Stelle lautet:
- Der wise metster Gotfrit sanc
- daz veste si blcede unde kraue;
- daz glesine gelücke
- ez breche in kleiniu stücke u. s. w.
- Daß unter dem Meister Gottfried nur Gottfried von Straß-
- burg und kein anderer Dichter des Namens Gottfried, wie
- G. von Neifen, G. von Dotzenbach, G. von Hohenlohe, ge-
- meint sei, bedarf keiner näheren Auseinandersetzung. Wichtig
- ist in dem Citate, daß es heißt kscdig»; es ist also von
- einem lyrischen Gedichte die Rede. Wirklich findet sich
- in der Pariser Handschrift eine Strophe über das gläserne
- Glück, dessen Wortlaut mit der Anführung in Rudolfs
- 21 swer correl. ^=nlid. wer. — ie adv. =je. — gelas = gelesen )iat. —
- 23 scliroeter stm., Schneider, der die Worte fein zuschneidet. — 24 ein (statt
- eine) poi'le, eine Pforte, Thor, bildlicli , etwa wie unser: Mund gebraucht
- wird. Oder sollte der Dichter im Bilde bleibend ein borte swm., Kleider-
- besatz gemeint haben? — 26 die Überlieferung wohl verdorben. — krümbe
- sl,i/iten, eine Krümmung gerade maolieu. — getihten ist zu fassen als gen.
- pl. oder auch als dat. pl. von getilite stf., (nicht stn.), Dichtung. Worauf
- soll diese Bemerkung gehen? War Gottfried ein Bearbeiter älterer un-
- modern gewordener Gedichte? Die Fähigkeit besaß er gewiss wie kein
- anderer. (Fedor Bech vermuthet einen Fehler für: gerillten oder berihten
- swv. ; in rtnie gerillten sage Rudolf öfter; alsdann vor krümbe Komma.) —
- 27 beider hande lip, beider Arten Leiber, d. h. beiderlei Personen. —
- 28 beide — w/id= sowohl — als auch. — man pl., Männer. — iverJiu irip,
- werthe Frauen. — einem gumf fragen, für einen günstige Gesinnung hegen.
- — 30 vorausgenommenes Object von V. 32 (=Ai>). — 31 gunnen mit dat.
- (kunst), einen begünstigen.
- 2 blcede adj., ängstlich, kraftlos. — kranc adj., schwach. — 3 glesin
- adj., gläsern.
- EINLEITUNG. XXIIl
- Alexander fast ganz übereinstimmt. Die Strophe ist dort
- unter die Lieder Ulrich's von Liechtenstein eingereiht, fehlt
- aber in dessen Fraueudienst. Jedenfalls besitzt das Zeugniss
- Rudolfs mehr Gewicht als das des viel jüngeren Schreibers
- der Pariser Handschrift, der auch sonst in den Namen der
- Dichter sich vielfach geirrt hat. Die Strophe vom gläsernen
- Glück ist eine freie Bearbeitung eines Spruchs von Publius
- Syrus. Die Wahl einer solchen dichterischen Aufgabe ist eher
- von Gottfried als von Ulrich von Liechtenstein vorauszusetzen.
- Überdies hat Gottfried auch im Tristan einen Spruch des
- Publius Syrus paraphrasiert (vgl. zu 18047 fg.). Daß hier
- stücke mit gelücke reimt, während im Tristan stucke durch
- zucke, dat. von zuc, erwiesen ist (V. 7060), scheint mir nicht
- gegen die Autorschaft Gottfried's zu sprechen. Die Dichter
- bedienen sich eben der Nebenformen. — Mit dieser Strophe
- verbunden ist eine zweite in gleichem Tone über Mein und
- Dein, welche auch ähnlichen Charakter trägt. Wir können
- sie ohne Bedenken ebenfalls als Eigenthum Gottfried's an-
- erkennen.
- Ein weiteres Zeugniss über Gottfried aus einer etwas jün-
- geren Zeit, aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, findet
- sich im Eingange von Konrad's von Stoffeln Epos Gauriel
- von Montavel, der Ritter mit dem Bocke. Der Dichter be-
- klagt sich, daß seinen Helden keiner der bekannten Erzäh-
- ler, meister Gotfrit und her Wolfram und von Oiiive her
- Hartman^ bisjetzt genannt habe, deshalb wolle er das Ver-
- säumte nachholen (Pfeiffer's Germania 6, 390).
- Wieder wärmer als diese einfache Erwähnung sind zwei
- Zeugnisse aus dem Ende des 13. Jahrhunderts. Gottfried's
- talentvollster Nachahmer, Konrad von Würzburg (f 1287),
- hat in seinen zahlreichen Erzählungen nur einmal seines
- Meisters gedacht, in dem erwähnten «Herzmaere». In einem
- seiner letzten Gedichte, in der sogenannten goldenen Schmiede,
- einem Lobgedichte auf die Jungfrau Maria, ist ihm durch die
- lyrische Haltung des Ganzen noch mehr Anlaß und Gelegen-
- heit gegeben, den Meister voll Dankbarkeit und Begeisterung
- zu preisen. Ähnlich wie es Rudolf von Ems im Wilhelm
- gethan, bekennt Kourad seine Schwäche gegenüber der Meister-
- schaft Gottfried's. «Nachdem Konrad den Wunsch aus-
- gesprochen, der hohen Himmelskönigin in der Schmiede seines
- Herzens ein Lied aus Gold und Edelsteinen zu würken, ge-
- steht er, nicht diejenige Kunst und Meisterschaft zu besitzen,
- um sie nach voller Würdigkeit loben und preisen zu können.
- XXIV EINLEITUNG.
- Das wäre selbst dann unmöglich, wenn seine Rede wie ein
- Adler sich in die Höhe zu schwingen vermöchte. Nun sei
- aber seine Wortfügung ungelenk, er sei fremd in dem Früh-
- lingsgarten der Kunst, wo die (Rede-)Blumen gebrochen wer-
- den, wie sie zu einem ihrer würdigen Kranze gehören; der
- Glanz erhabener Gedanken lasse ihn ungeblendet, seltene
- Reime kommen bei ihm nicht zur Blüte und ebenso wenig
- klinge in ihm der ununterbrochene leise dahinrauschende
- Strom klarer Erfindung» [Worte Pfeiffer'sJ. Dann fährt Kon-
- rad fort:
- Ich sitze ouch niht üf grüenem kle
- von süezer rede touwes naz, 95
- da wirdeclichen üffe saz
- von Strasburg meist er Götfrit,
- der als ein weeher houbetsmit
- guldin getihte worhte.
- der het an' alle vorhte i(»o
- dich gerüemet, vrouwe, baz
- denn' ich, vil reinez tugentvaz,
- immer künne dich getuon.
- Man hat diese Stelle früher fälschlich auf das Vorhandensein
- einer geistlichen Dichtung von Gottfried bezogen und dann
- insbesondere auf den Lobgesang. Nach Pfeiffer's Nachweise
- in dem gedachten Aufsatze bezieht sie sich vielmehr auf eine
- Stelle im Tristan (V. 4851 fg.). Die Wiederholung des Bildes
- vom Klee (Tristan, V. 4919) deutet sicher darauf, daß dem
- Konrad diese Stelle vorgeschwebt habe.
- Aus dem 15, Jahrhundert liegen zwei Zeugnisse vor. In
- dem bekannten Ehrenbriefe des Jakob Püterich aus Reicherz-
- hausen, einem dichterischen Verzeichnisse von Ritterbüchern,
- heißt es unter anderm in der 101. Strophe: von Strasshurg
- 95 touwes nu2, naß vom Thaue. — 96 wirdeclichen adv., würdig, erhaben.
- — Cife adv., mit da zu verbinden : darauf, worauf, auf welchem. — 99 gul-
- din getihte = ein ff. (goldenesj get. — ivorhte prset. von würken swv., wirken,
- verfertigen. — 100 fiet ist conj. = hätte. — an' alle vorhte (FurchtJ erklärt
- Wilhelm Grimm; «mit Ziiversicht, ohne, wie ich, an seinen Gaben zu
- zweifeln.)) Das ist nur hinter der Voraussetzung richtig, daß hei Indi-
- cativ ist, wie früher allgemein geglaubt wurde. Vielmehr ist an' alle corhte
- eine auf Ellipse beruhende formelliafte Wendung; ich sage es ohne Furcht,
- ohne Scheu, es ist wahr, und insofern == ohne allen Zweifel, wie auch
- Pfeiffer erklärt Germ. 3, 78. — 101 baz compar., besser. — 102 tugentvaz stn.,
- eigentlich: Gefäß der Tugend, Vollkommenheit; vaz wird häufig bildlich
- so gebraucht; es entspricht unserm: Inbegriff, — 103 immer adv., jemals.
- — künne conj. pr£es.= könne, im Stande sei. — getuon, verst. tuon , ver-
- tritt hier das Verbum : rüernen.
- EINLEITUNG. XX 7
- (iotffit Tfistram hat hesachei (d. L. geschaffen) ohne wei-
- teren Zusatz (Haupt's Zeitschrift 6, 50).
- Schließlich gedenken wir zweier Stellen in Ulrich Fiirte-
- rer's großem cyklischen Gedichte von der Tafelrunde, welches
- er im Auftrage Herzog Albrecht's von Baiern (147[> — 1508)
- vorfasste. Zuerst heißt es :
- von Straspiirg her Gotfrides kunst
- man mag mit warheit wol geriimen.
- Später wird gesagt: Gotfrid von Straspurg und Hartman
- von Awe, Rudolf (d. h. Rudolf von Ems), Wirrich (d. h. Wirnt
- von Grafenberg) und von Türlin Herr Albrecht seien mit dem
- Thau der Kunst benetzt gewesen, (v. d. Hagen's Minnes. 4,
- ()20. 88G.)
- Gegenüber dem schwärmerischen Lobe aus dem Munde
- zweier Dichter, die selbst Tüchtiges geleistet, wie Rudolf und
- Konrad, sind diese Zeugnisse weniger gewichtig, sie zeigen
- uns aber doch die nachhaltige Theilnahme, welche Gottfiied
- und seinem Werke geschenkt wurde.
- Den betrachteten literarischen Zeugnissen reihen sich die
- beiden Fortsetzungen insofern an, als ihre Verfasser nicht
- ohne weiteres die Erzählung wieder aufnehmen, sondern
- vorerst des großen Verlustes gedenken, welcher das unvollen-
- dete Werk betroifen hat durch des Dichters Tod, und ihres
- Vorgängers hohe Meisterschaft bewundernd preisen. ^)
- Gottfried ist nicht nur von den Vertretern der Literatur
- auf lange Zeit gekannt und geschätzt gewesen, sein unvoll-
- endetes Werk wurde nicht nur abzuschließen gesucht, son-
- dern er wirkte auch lebendig ein auf die Dichterwelt. Er
- hatte eine Schule. Den Einfluß, den seine Dichtersprache,
- seine Technik, sein zierlich spielender Stil auf die Kunst-
- jünger, auf Erzähler und Liederdichter ausübte, lässt sich
- bis ziemlich weit in das 1-1. Jahrhundert verfolgen. Es wird
- sich dies noch schärfer nachweisen lassen, wenn erst Gott-
- fried's Dichtersprache namentlich nach ihrer rhetorischen
- Seite hin im Zusammenhange dargestellt ist. Die Dichter,
- die ihn priesen und fortsetzten, waren auch seine Nachahmer;
- selbst in geistlichen Dichtungen, wie z. B. im Passional. ist
- Gottfried's Art herauszufühlen. Es ist hier nicht der Ort,
- diesen lebendigen Einfluß darzulegen. Nur eins soll bemerkt
- werden. Der nun autorlos gewordene Lobgesang ist ein treff-
- ') Vgl. den Wortlaut der ytellen iin zweiten Bande.
- XXVI EINLEITUNG.
- liches Beispiel einmal von der Verzerrung des Gottfriedischen
- Stiles, sodann von dem Bewusstscin, welches diesen stilistischen
- Charakter anerkannte. Der Schreiber der Pariser Handschrift
- verfuhr nicht gedankenlos, aber er verwechselte unkritisch das
- Original mit der verunglückten Copie. Und desselben Fehlers
- haben sich die Neueren schuldig gemacht, auch Pfeiffer nicht
- ausgenommen, denn es gab eine Zeit, wo auch er den allge-
- meinen Glauben von der Autorschaft Gottfried's theilte (s.
- Stuttgarter Ausgabe der Weingartner Liederhandschrift Nr. 30),
- bis die nähere Einsicht zum Zweifel und schließlich zur Wahr-
- heit führte. Entlehnungen einzelner Wendungen werden
- wir immer bei den Epigonen finden, Gottfried's Tristan ist
- aber auch bisweilen geradezu geplündert worden (vgl. die
- Anmerkungen zu 842 fg. 10966 fg. 10991 fg ).
- Aber nicht nur bei den Kunstgenossen fand Gottfried
- Theilnahme und Anerkennung, er hatte auch trotz einer Ccn-
- currenz Halt im Volke, in der Lesewelt. Das beweisen uns
- die Handschriften, die damaligen Bücher. Sie sind uns jetzt
- Quellen, sind das Material, welches uns befähigt, unsere
- alten Literaturdenkmäler in erneuter Gestalt wieder erstehen
- zu lassen, sie sind aber ebenso gut auch literarische Zeug-
- nisse von dem Einflüsse eines Autors oder eines Werkes auf
- die Zeitgenossen und nächsten Nachkommen, und zwar recht
- sprechende.
- Die Zahl der Tristanhandschriften erreicht bei weitem
- nicht die von den Nibelungen und die vom Parzival, allein sie
- ist immer verhältnissmäßig eine ganz stattliche. Und wie
- manche mögen verloren gegangen oder vernichtet worden sein!
- Erhalten haben sich sechs vollständige Pergamenthandschrif-
- ten, von denen vier als Haupthandschriften zu gelten haben,
- dazu kommen zwei Papierhandschriften und vier größere oder
- kleinere Bruchstücke. Zu diesem Material sind noch zwei
- Handschriften ideell zu rechnen, die nach zuverlässiger Nach-
- richt ehedem vorhanden waren. Von der andauernden Be-
- liebtheit des Tristan gibt uns das Alter der Handschriften den
- Beweis. Mehrere gehören in das 14. und 15. Jahrhundert.
- Und fragen wir nach der örtlichen Verbreitung, so belehrt
- uns hierüber die Sprache oder vielmehr der Dialekt der Schrei-
- ber. Wir finden nicht allein oberdeutsches Idiom, sondern
- auch mitteldeutsches und niederdeutsches vertreten. Also in
- ganz Deutschland ist der Tristan zur Lektüre begehrt worden.
- EINLEITUNG. XXVII
- Ein so vielgenannter, gepriesener und einflußreicher Dich-
- ter wie Gottfried von Straßburg, in dessen Schöpfung zudem
- eine scharf ausgeprägte Individualität hervortritt, v^ird immer
- auch ein ])ersönliches Interesse erwecken. Aber leider sind
- wir auch hier wie bei so vielen Dichtern des Mittelalters
- ohne bestimmte historische Zeugnisse. Bei Walther von der
- Vogelweide hat es nahezu gelingen können, eine Biographie
- aus den eigenen Andeutungen herauszulesen und aufzubauen;
- bei Gottfried ist es nicht möglich. Der Tristan, soviel er auch
- lyrische Elemente enthält und Persönliches hindurchschimmern
- lässt, ist immer ein episches Gedicht, in welchem die Indivi-
- dualität des schaifenden Künstlers zurücktritt und in welchem
- kein Raum ist für Beziehungen auf äußere Lebensschicksale,
- und der lyrischen Stücke sind es nur wenige, auch ist ihr
- Inhalt nicht politischer Natur.
- Der Ertrag, welchen uns die Dichtungen Gottfried's und
- mit ihnen die literarischen Zeugnisse für die Biographie ge-
- währen, ist nur ein geringer. Der Name Gottfried von
- Striißburg ist für den Dichter gesichert. Daß wir hier zu-
- nächst an die alte berühmte Bischofsstadt am Rheine denken
- werden, liegt auf der Hand. Man hat auch die Benutzung
- des Rheins zu einem dichterischen Bilde (Y. 19439 fg.) auf
- (üf rheinische Heimat beziehen wollen; allein jenes ist auch
- von andern Dichtern geschehen, die erweislich aus anderer
- Gegend stammten. Geeigneter würde die Erwähnung des Sie-
- bengebirges (V. 12220) erscheinen, wenn diese Stelle über-
- liaupt sicher wäre (s. die Anmerkung).
- Die literarischen Zeugnisse nennen den Dichter Meister
- Gottfried, oder mit dem vollen Namen Meister Gottfried von
- Straßburg, Rudolf von Ems auch den weisen" Gottfried von
- Straßburg. Niemals wird er in den älteren Zeugnissen «Herr»
- genannt. Nur bei dem späten Ulrich Fürterer heißt es her
- Gottfried. Hieraus hat man geschlossen, Gottfried sei nicht
- adelichen, sondern bürgerlichen Standes gewesen. Und daß
- er auch wirklich für einen Bürgerlichen gegolten habe, soll
- sein Bild in der Pariser Handschrift bezeugen, weil es ibm
- kein Schwert, keinen Helm und keinen Wappenschild als
- Kmbleme beilegt.
- Aber der Titel Meister bezeichnet auch den gelehrten
- Stand. Und daß der Dichter wirklich gelehrt war, bezeugt
- sein Tristan zur Genüge. Er sagt selbst, daß er nach seiner
- Quelle in lateinischen und wälschen Büchern gesucht habe
- (155 fg.). In Stelleu, die er nicht der Vorlage entlehnte, son-
- XXVIII EINLEITUNG.
- dern die sein volles Eigenthum sind, zieht er die antike My-
- thologie heran (4851 fg.). Er benutzt, wie wir gesehen, ein-
- mal im Tristan den Publiiis SyruS; ebenso in dem ihm zu-
- erkannten Spruchgedichte.
- Dem geistlichen Stande kann Gottfried nicht angehört
- haben. Zwar die Wahl einer Liebessage für die dichterische
- Bearbeitung würde dies nicht unbedingt beweisen, aber sie
- macht es doch wahrscheinlich. Im Einzelnen kommen Äuße-
- rungen vor, welche nur ein Laie thun konnte (vgl. V. 17947 fg.).
- Die oft angeführte Stelle im Gottesgericht vom tugendhaften
- Christ (V. 15736 fg.) ist keineswegs ein Zeugniss von des
- Dichters Gottlosigkeit und einer frevelhaften Gesinnung, son-
- dern richtet sich mit unerhörter Freisinnigkeit gegen die
- Hierarchie, welche mit dem Aberglauben spielte und heilige
- Handlungen zu bloßen Farcen herabwürdigte und in solcher
- Weise ausnutzte. *)
- Über seine äußern Verhältnisse erfahren wir nichts im
- Tristan; aber aus der behaglichen Stimmung, die dort herrscht,
- aus dem Mangel an Klagen über persönliche Bedrängniss und
- über Kargheit der Gönner, die uns sonst so oft entgegen-
- tönen, dürfen wir schließen, daß sich Gottfried in günstiger
- Lebenslage befunden habe.
- Der Dichter war nach seinem eigenen Bekenntnisse schon
- herangereift, als er sich zum Tristan rüstete (V. 21 fg.). Er
- offenbart sich in bewunderungswürdiger Weise als ein Kenner
- des menschlichen Herzens; aber auch nur der, welcher der
- Liebe Lust und Leid genossen und erduldet hat, kann sie
- so ergreifend schildern. Überdies sagt uns Gottfried selbst,
- daß auch ihm die Liebe genaht sei (vgl. V. 16925 fg. 17104—
- 40). Aber wie sollen wir es deuten, wenn der Dichter be-
- kennt, daß er das Ziel nicht erreicht habe? Stellt er sich
- dadurch in einen Gegensatz zu Tristan und Isolt? oder will
- er sagen, daß er ehelos geblieben sei?
- Eine persönliche Beziehung finden wir ferner in einem
- Akrostichon, mit welchem das Gedicht anhebt. Mit Aus-
- nahme der allerersten ergeben die Anfangsbuchstaben der
- neun Eingangsstrophen den Namen Dieterich. Da der Name
- i) Vgl. deu Aufsatz von Hermann Kiirtz : .(Gottfried von Straßbiirg
- und das Grottesurtheil seiner Zeit» in der Wochenausgabe der Aug8burger
- Allgemeinen Zeitung (II. Jahrgang, 1868, Nr. 31—33), dann mit einem zwei-
- ten früher veröffentlichten (s. unten S. XXXI) vereinigt unter dem Titel:
- «Zum Leben Gottfried's von Straßburg», in der Germania, 15. Jahrg. (1870),
- S. 207 fg. 322 fg.
- EINLEITUNG. XXIX
- des Dichters anderwärts belegt ist, so kann dieser Dietericli
- nur einen Gönner bezeichnen, welchem der Tristan gewidmet
- wurde. Der erste Buchstabe ist G; man bezieht ihn auf Gott-
- fried; sollte er nicht zugleich auch den Titel des Gönners,
- also vielleicht grilve ausdrücken?
- Die folgenden Anfangsbuchstaben sind T und I, gewiss vom
- Dichter auf Tristan und Isolt bezogen.
- Welcher Zeit der Dichter und sein Werk angehört, lässt
- sich mit ziemlicher Sicherheit bestimmen. Schon die Sprache
- weist auf die gute, die classische Zeit des Mittelhochdeutschen
- hin. Genaueres ergibt die berühmte literarische Stelle in
- Tristan's Schwertleite (Abschnitt A'III). Yon Hartmann von
- Aue wird gesprochen als von einem noch lebenden Zeit-
- genossen. Hartmann ist, wie wir wissen, um 1220 bereits
- todt; also fällt der Tristan früher. Bliker von Steinahe
- dichtete schon vor 1193. Diese Jahrzahl rückt die Abfassung
- des Tristan von 1220 schon näher an den Anfang des Jahr-
- hunderts. Heinrich von Yeldeke ist bereits geschieden, auch
- die Nachtigall von Hagenau, unter welcher verhüllenden Be-
- zeichnung wir ohne Zweifel Reinmar den Alten zu verstehen
- haben. Nach dem Zusammenhang der Stelle kann Reinmar
- noch nicht lange gestorben sein; die Nachtigall von der Yogel-
- weide soll an ihrer Statt von nun an das Banner tragen.
- Reinmar widmet noch im Jahre 1194 oder 1195 ein Klagelied
- seinem Gönner, dem Herzog Leopold VI. von Osterreich (f 1194).
- Also kann der Tristan nicht in das 12. Jahrhundert mehr ge-
- hören, wenigstens nicht tief hinein. Nach aligemeiner Berech-
- nung würde also die Abfassungszeit sich auf die ersten Jahre
- des 13. Jahrhunderts begrenzen lassen. Nehmen wir die An-
- nahme als gesichert an, daß Gottfried mit seiner Polemik
- gegen die vindcpre v.iilder m/rre auf Wolfram von Eschenbach
- und seinen Anhang und nicht, wie man wohl auch vermuthen
- könnte, auf die P^rzähler der volksthümlichen abenteuerlichen
- Heldengeschichten hinziele, so fällt der Tristan nach 1203,
- um welche Zeit Wolfram den Parzival begann. Im Wilhelm
- hat Wolfram öfters sich polemisch geäußert, und diese Be-
- merkungen wurden dahin gedeutet, daß sie Antworten auf
- die Angriffe Gottfried's seien (s. die Einleitung zur Über-
- tragung von H. Kurtz, S. LXXXIX fg.). Ich bekenne, daß ich
- in diesen Dingen skeptischer Natur bin. Nur einer Stelle
- möchte ich eine directe Beziehung zuerkennen, nämlich der
- Äußerung 4, 19 — 24:
- XXX EINLEITUNG.
- Ich Wolfram von Eschenbach,
- swaz ich von Parziväl gesprach, 20
- des sin äventiur mich wiste,
- etslich man daz priste:
- ir was euch vil, die'z smaehten
- und baz ir rede wsehten.
- Wolfram spricht von vielen Tadlern; er wird auch persönlich
- von seinen Kunstgenossen bittere Bemerkungen vernommen
- haben.
- Wolfram's Wilhelm ist um 1215 gedichtet. Der Tristan
- wird einige Jahre nach 1203 und einige Jahre vor 1215 zu
- setzen sein; in runder Summe erhalten wir somit als Ent-
- stehungszeit das Jahr 1210.
- Stellt sich für den Dichter Gottfried von Straßburg eine
- bestimmte Zeit heraus, so werden wir keinen Augenblick Be-
- denken tragen, einen urkundlichen Nachweis, welchen wir der
- Schrift E. H. Meyer's : «Walther von der Vogelweide identisch
- mit Schenk Walther von Schipfe» (Bremen 1863) verdanken,
- auf ihn zu beziehen. Dort nämlich (S. 5) wird auf eine Ur-
- kunde des Königs Philipp vom 18, Juni 1207 hingewiesen,
- deren Zeugenreihe ein Godofredns Bodelaritts de Argentina
- beschließt. Demnach wäre Gottfried rotularius, Notar, Schrei-
- ber der Stadt Straßburg oder des dortigen Bischofs gewesen.
- Letzteres wohl weniger v/egen seiner ungescheut an den Tag
- gelegten antihierarchischen Gesinnung. Der Stand eines Stadt-
- schreibers würde sich trefflich in Einklang bringen lassen
- mit der Gelehrsamkeit des Dichters. Vielen mag dieser Nach-
- weis zugleich ein weiterer Beleg gewesen sein für Gottfried's
- Bürgerthum. Auch stimmt der Besitz eines Amtes zu der
- Innern Befriedigung, welche aus den Worten des Dichters
- herauszulesen ist.
- Neuerdings sind mit Anknüpfung an diesen urkundlichen
- Nachweis weitere Studien über Gottfried von Straßburg an-
- gestellt worden, welche zum Theil das Bild, welches wir uns
- von ihm machen durften, vervollständigen, zum Theil aber
- einigermaßen verändern.
- 20 swaz correl. = was. — gesprach:= gesTprochen habe. — 21 wUen swv.
- mit ace. {mich) und gen. (des), einen zu etwas weisen (stv.), veranlassen.
- — ävent/'ar, äoentiure stf., die in der Quelle vorgefundene Greschichte. —
- 22 etslich riuoi, (etlicher Mann), mancher Mann, mancher. — prisen swv. =
- nhd. preisen stv. — 23 ir was vit, ihrer war viel (s. zu Tristan 9. 29), ihrer
- waren viele. — 24 ba:: adv. compar., besser. — wcehen swv., verschönen, baz
- ■woehen. schöner einrichten.
- EINLEITUNG. XXXI
- Hermann Kurtz, der Übersetzer und Fortsetzer des Tri-
- stan, hat die Ergebnisse seiner Forschungen zuerst an einem
- Orte niedergelegt, wo sie der Fachmann nicht suchen und
- wohl auch nicht immer finden würde ^) ; um so dankenswerther
- ist die Veröffentlichung an einem zugänglicheren Orte. Wir
- verweisen auf die Ausführung des Einzelnen und heben nur
- die Hauptpunkte hervor.
- Auch nach der Ansicht von Kurtz ist jener Godefredus
- Rotularius de Argentina mit unserm Dichter ein und dieselbe
- Person. Er ist der Stadtschreiber, steht aber nicht im Dienste
- des Bischofs. Denn der vorletzte Zeuge in der Urkunde ist
- ein Rodulphus de Argentina und dieser erweist sich aus
- andern Zeugnissen als Schultheiß von Straßburg.
- Im Gegensatze zu der allgemeinen Annahme, daß der bür-
- gerliche Gottfried von Straßburg seinen Zunamen habe, weil
- er von oder aus Straßburg stamme oder in Straßburg an-
- sässig sei, wird nun die Ansicht aufgestellt, daß Gottfried
- einem straßburgischen Adels- oder Patriciergeschlechte von
- Straßburg angehöre.
- In Schöpflin's Alsatia illustrata ist in den Jahren 1219
- und 1220, also zu Gottfried's Zeit oder doch dieser Zeit
- höchst nahestehend, ein Angehöriger einer familia nobilis
- nachgewiesen, der sich abwechslungsweise Waltherus de Ar-
- gentina und Waltherus de Strazburg schrieb. Hier könnte
- immer der Beisatz de Argentina oder de Strazburg ein Mit-
- glied der Stadt Straßburg bezeichnen. Nun findet sich aber
- in den alten Straßburger Rathsverzeichnissen, welche Schilter
- in seiner Vorrede zu Königshofen's Chronik mittheilt, beim
- .)ahre 1220 ein Rathsherr Waltherus de Strazburg. «Es wird
- einleuchten, daß das Vorkommen dieses Namens im Schöße
- einer Versammlung, die aus lauter Straßburgern im strengsten
- Sinne des Wortes bestand, jede andere Erklärung ausschließt:
- der Name kann nur ein Familienname sein.»
- In elsässischen Urkunden kommt seit den achtziger Jahren
- des vergangenen Jahrhunderts bis 1215, theils mit einem Bru-
- der Waltherus zusammen, theils allein, ein Rudoli'us unter
- dem Titel Scultetiis oder Causidicus, d. h. Schultheiß, vor.
- Im Jahre 1219 erscheint ein Waltherus de Argentina, der
- ') Feuilleton der Wochenaussabc der Augsburger Allgemeinen Zei-
- tung, II Jalirgang (1868), Nr. 23. 'J4, 25. 3') (vom 28. August), unter dem
- Titel: .Zum Leben (Jottfried's von Straßburg» (vgl. die Anmerkung auf
- H. XXVIII); im nnuen Abdrucke hat der Verfasser an einzelnen Stellen
- Zusätze gemacht oder leise geändert.
- XXXII EINLEITUNG.
- weiterhin in einer Urkunde von 1220 und in der gleichzeitigen
- Rathsliste bei Schilter Waltherus de Strazburg heißt, da-
- zwischen aber, in einer Urkunde vom Anfang des Jahres 1220
- Waltherus filius sculteti quondam genannt wird.
- «Der Name», sagt Kurtz weiter, «gehört somit einer schon
- vor dem 13. Jahrhundert in Straßburg ansässigen Familie an.
- Daß es in Basel damals eine Familie dieses Namens gegeben,
- hat man längst gewusst, wie denn Wilhelm Wackernagel
- (Pfeiffer's Germania 3, 260) dieselbe für unsern Dichter ins
- Auge fasst, mit rühmlicher Entsagung jedoch zugibt, daß seine
- Sprache nicht gestatte, in Gottfried einen Baseler zu erkennen.
- Um so merkwürdiger, daß noch niemand darauf gekommen
- ist, eine Verzweigung dieser Familie nach Straßburg zu ver-
- muthen; denn die wahrscheinlichste Annahme ist doch wohl
- die, daß ursprünglich ein Straßburger Geschlecht in Basel
- einwanderte, wo es den Namen de Argentina erhielt, und daß
- ein Zweig dieses Geschlechts später mit dem feststehenden
- Familiennamen von Basel nach Straßburg zurückkam, dort
- also, nach neuerem genealogischem Brauch zu reden, eine Linie
- Straßburg-Straßburg bildete. »
- Dürfen wir annehmen, daß unser Gottfried von Straßburg
- dieser Familie angehörte und daß er das Amt eines Stadt-
- schreibers bekleidete, so können wir vielleicht mit Kurtz aus
- einer urkundlichen Nachricht schließen, daß er 1216 nicht
- mehr am Leben war. In einer Urkunde nämlich von diesem
- Jahre 1216 über den Verkauf eines stiftischen Zehntens an
- eins der herrschenden Geschlechter sind die Zeugen, vielleicht
- auch die Bürgen, lauter Collegen des Käufers, nämlich Raths-
- herren, und unter ihnen erscheint zuletzt ein Waltherus nota-
- rius, unter welchem wohl der Stadtschreiber zu verstehen ist.
- Wenn Godefredus de Argentina nicht häufiger in Urkun-
- den erscheint, so sucht Kurtz den Erklärungsgrund in dem
- Umstände, daß des Stadtschreibers Zeugniss immer als selbst-
- verständlich mit eingeschlossen gewesen sei, indem er es war,
- der für alle städtischen Zeugen das gemeinsame Stadtsiegel,
- das ihn stillschweigend repräsentierte, an die Urkunden
- hängte.
- Das Amt eines Stadtschreibers war in älterer Zeit viel
- bedeutender als heute und oft in den Händen des städtischen
- Adels.
- Schon in der Einleitung zu seiner Tristanübersetzung wies
- Kurtz in höchst sinnvoller Weise auf den charakteristischen
- Zug hin, wie der bürgerliche Meister Gottfried in stolzem
- EINLEITUNG. XXXIII
- Sclbstbewusstsein mit soinen Brüdern in Apollo, die sämmt-
- licli Edelleiite waren, wenig Umstände macht imd sie einfach
- mit Namen nennt, ohne sie mit her zu titulieren. Dies hat
- auch jetzt noch seine Geltung, nur ist es anders aufzufassen,
- (iottfried als städtischer Edelmann und im Besitze einer hohen
- Stellung, die ihn von den Fahrenden scheidet, steht dem
- ritterlichen Adel ebenbürtig gegenüber.
- Den Gönner Dietrich findet Kurtz in einer dem Geschlechte
- (Jottfried's verwandten burggräflichen Familie von Straßburg.
- Von dfn Beziehungen zu historischen Vorfällen, welche
- Kurtz aus dem Tristan herauszufinden geneigt ist, scheint
- mir nur die eine einigermaßen begründet zu sein, deren in
- d(>m späteren Aufsatze über das Gottesgericht gedacht wird.
- Es ist wohl möglich, daß der Dichter bei Erzählung des
- Gottesgerichtes an die Kanonisation der heiligen Kunigunde
- vom 3. April l^JOO und an das grausame Ketzergericht zu
- Straßburg vom Jahre 1212 gedacht hat und namentlich durch
- b'tzteres zu dem heftigen Ausfalle getrieben worden ist. Be-
- halt diese Vermuthung Geltung, dann würde der Tristan nach
- 1212 vollendet oder vielmehr abgebrochen worden sein.
- Weshalb der Dichter das begonnene Werk nicht zu Ende
- liihrte, darüber besitzen Avir keine gleichzeitigen Nachrichten.
- Ulrich von Türheim sagt uns, der Tod habe den Meister vor
- der Zeit hinweggerufen. Und in gleicher Weise äußert sich
- Heinrich von Freiherg. Wir sind wohl gerne geneigt, einen
- Seelenconflict des Dichters anzunehmen oder eine äußere A'er-
- anlassung, die ihm Halt gebot; so lange wir aber nicht näher
- be'ehrt werden, müssen wir die Nachricht der beiden Fort-
- setzer gelten lassen.
- Die Beweise für das Bürgerthum Gottfried's könnten wider
- seinen Adel geltend gemacht werden. Der Titel «Meister»
- verträgt sich gewiss mit einem städtischen Amte, welches ge-
- lehrte Bildung bedingt und voraussetzt. Allein, wird man
- einwenden, bei einem ailelichen Stadtschreiber wäre nichts-
- destoweniger der Titel «Herr» angewendet worden. Darauf
- möchte allerdings mit Kurtz zu erwidern sein, daß mit den
- «Meistern» des 13. Jahrhunderts säuberlich verfahren werden
- müsse. Das Wort liatte zu Gottfried's Zeit keinen so be-
- schränkten Sinn, wie jetzt allgemein angenommen zu werden
- scheint. Tristan wird von Isolt mit «Meister» angeredet, als
- er das Amt des Schiffskapitäns und ihres Kammerherrn ver-
- waltete (V. 11574. llG()3j, und vom Dichter selbst öfters so
- GOTTFBIED VON STHA88BUBO. I. 2. Aufl. C
- XXXIV EINLEITUNG.
- genannt (V. 11658. 11685), und Tristan war nicht bloß ade-
- licher, sondern fürstlicher Abkunft. Wir können hinzufügen,
- daß selbst heute noch in Zusammensetzung das Wort Meister
- zur Bezeichnung von hohen Ämtern dient, welche fast nur mit
- Adelichen besetzt zu werden jjflegen, wie Forstmeister und
- Jägermeister. Diese Titel hätten nicht entstehen können, wenn
- nicht auch das einfache Meister der hohen Geburt gemäß
- wäre. Der Jägermeister heißt im Tristan auch wirklich
- einmal einfach meister (3056). Die Charge einer Hofmeisterin
- oder in doppelter Zusammensetzung einer Oberhofmeisterin
- kommt auch heute nur einer Adelichen zu; im Tristan wird
- dafür einfach meisterinne gesagt (V. 4798), welches in die-
- sem Zusammenhange nicht abstract für leitcerinne (V. 48lo),
- sondern concret für ze hove kamerfsrhi steht. — Es werden
- sich gewiss noch anderwärts geschichtliche und literarische
- Belege finden lassen, daß das Wort «Meister« als Titel nicht
- bloß auf das Bürgerthum beschränkt war.
- Der Mangel eines Wappens auf dem Bilde Gottfried's in
- der Pariser Handschrift wird von Kurtz dahin gedeutet: der
- Künstler habe auf dem figurenreichen Bilde nicht gut die
- Wappen aller Dargestellten, die wohl Ebenbürtige des Dich-
- ters waren, anbringen können und so habe er lieber auch das
- der Hauptperson weggelassen. Das ist wohl möglich, aber
- ebenso denkbar ist, daß der Schreiber der Handschrift, den
- beinahe ein Jahrhundert von Gottfried trennt, in dem Dich-
- ter eben wegen seines Titels «Meister« einen Bürgerlichen
- sah und sich darum nicht bemühte, sein Wappen zu erlangen.
- Das Bild beweist nicht gegen den Adel Gottfried's, ebenso-
- wenig als die Angabe bei Fürterer für ihn in Anspruch ge-
- nommen werden kann.
- Erneuter Forschung oder glücklichem Zufalle wird es
- hoffentlich noch gelingen, über Gottfried, über sein Leben
- und seine Lebenslage Genaueres zu erkunden. Die dankens-
- werthen Entdeckungen von Hermann Kurtz, die zum minde-
- sten den Stempel der Wahrscheinlichkeit tragen und gegen
- welche bisjetzt nichts Erhebliches eingewendet werden konnte,
- verändern die Gestalt des Dichters nur insoweit, als sie ihn
- bestimmt einem Geschlechte zuweisen und ihn zu einem
- de Argentina machen, ohne ihn der alten Stadt am Rheine
- zu berauben und ohne ihm seine Geburt als Argentinensis
- abzusprechen. Der feine Kenner des Ritterthums und der
- Courtoisie steht auf der Höhe des gesellschaftlichen Lebens,
- aber er hört darum nicht auf, ein Bürger zu sein
- EINLEITUNG. XXXV
- Der Tristan ist Gottfried's letztes Werk. Der Tod hin-
- derte ihn an der Vollendung. Gering an Zahl und Aus-
- dehnung sind die andern sichern Erzengnisse seiner Dichter-
- kraft. Aher gewiss hat Gottfried mehr geschaffen. Kudolf
- von Ems sagt, er habe Männer nnd werthe Frauen ge-
- priesen. Das deutet auf lyrische Production. Lieder und
- Sprüche würden mehr von ihm bekannt und in die große
- Sammlung aufgenommen worden sein, wenn er der Dicht^r-
- zunft der Fahrenden angehört hätte. Der Schreiber der Pa-
- riser Handschrift ließ sich von der Nachahmung des Gott-
- friedischen Stiles im Lobgesange täuschen und hielt ihn fiir
- des Meisters eigenes Werk. Liegt hierin nicht aber zugleich
- auch eine Andeutung, daß Gottfried sich auf dem Gebiete
- der geistlichen Liederdichtung versucht habe? Auch jene
- Fälschung in der Würzburger Handschrift führt auf die V^r-
- muthung, daß Gottfried auch kleine Erzählungen, Novellen
- ohne seinen Namen verfasste. Ebenso weist hierauf die Ent-
- lehnung ganzer Stellen aus dem Tristan in einer solchen
- Novelle. Auch die etwas dunkele Aussage des Rudolf von
- Ems, daß Gottfried es verstanden habe, getihten krümle za
- slihteit , bezieht sich auf eine Thätigkeit, von der wir die
- sichern Belege noch entbehren müssen. Aber der Tristan
- selbst belehrt uns, daß wir es mit keinem Anfänger zu thun
- baber. Eine solche Sprache, ein solcher Stil reift nicht ohne
- jahrelange Übung heran. Und der Eingang mit seiner etwas
- herben Erörterung über Publikum und Kritik sieht nicht da-
- nach aus, als habe ein Dilettant, der dem literarischen Trei-
- ben bisjetzt fern gestanden, nun plötzlich den Entschluß ge-
- fasst, sich auch einmal dichterisch zu versuchen.
- Es wird eine Aufgabe der Forschung sein, wenn auch
- keine leichte, Gottfried's Werke aus ihrer Namenlosigkeit
- hervorzusuchen. Nach meiner Überzeugung, die aber hier
- nur als Vermuthung ausgesprochen sein soll, ist z. B. Hart-
- mann's von Aue zweites Büchlein eine Jugendarbeit Gottfried's.
- I Findet die Dichterthätigkeit Gottfried's mit dem Tristan
- I ihren Abschluß, so ist dieses letzte Werk, auch ohne daß
- wir die vorausgegangenen alle kennen, ganz ohne Zweifel auch
- j als sein Meisterwerk anzuerkennen. Nur der Tristan, der
- noch dazu ohne Verfassernamen in die Welt gieng, wird von
- I den bewundernden Kunstjüngern genannt oder berührt.
- Mit künstlerischem und kritischem Bewusstsein schritt der
- I Dichter an seine letzte große Aufgabe. Er wählt einen schon
- XXXVI EINLEITUNG.
- bekannten Stoff. Aber er will auch stofflich etwas Neues
- bringen, er hat Gründe, mit der landläufigen Erzählung von
- Tristan und Isolt unzufrieden zu sein. Er hätte es gewiss
- vermocht, das vorhandene unmodern gewordene Gedicht des
- Eilhart in eine neue Form umzugießen. Ein Dichter unserer
- Tage würde , wenn ihm auch der Stoff nicht mehr zeitgemäß
- erschien, nach durchaus freiem Ermessen verändern, weglassen
- und zusetzen, verschiedene Traditionen vermischen, neue Mo-
- tive erfinden können. Das war für einen mittelalterlichen
- Dichter unmöglich. Auch Gottfried musste der Sitte folgen;
- er suchte nach einer Quelle, die ihm die bessere, die rechte
- schien. Er suchte nach der Erzählung eines Thomas von Bri-
- tannie in wälschen und lateinischen Büchern (V. 150 fg.). Der
- Dichter ist so glücklich, endlich auch die äventiure, daz
- wäre mccre zu finden. In seiner Polemik gegen die andere
- von ihm verschmähte und verworfene Tradition beruft er sich
- öfters auf seine Quelle, ja er nennt auch den Thomas noch-
- mals ausdrücklich (V. 326).
- Die Vorlage, nach welcher Gottfried arbeitete, war wälsch,
- französisch, d. h. nordfranzösisch. Als unmittelbare Beweise
- sollten früher die zahlreichen französischen Fremdwörter, die
- auch sonst in unserer ritterlichen Poesie vorkommen, sowie
- die nicht selten eingestreuten den Vers füllenden Redewen-
- dungen in französischer Sprache gelten. Dagegen hat sich,
- wie mir scheint mit Recht, Richard Heinzel erklärt^); er
- sieht in diesen fremden Elementen nur einen Ausdruck des
- Zeitgeschmacks, der Mode und weist nach, daß insbesondere
- die französischen Verse bei Gottfried nicht dem Metrum des
- französischen Kunstepos entsprechen und darum vom deut-
- schen Dichter selbständig verfasst sein müssen. Dagegen möchte
- ich doch den Beweis für ein französisches Original, welches
- das Wortspiel mit lameir (V. 11986 fg.) darbietet, nicht preis-
- geben.
- Wie Hartmann bei seinem Erec und bei seinem Iwein dem
- Chrestien von Troyes nachdichtete, so könnte man auch Chre-
- stien's verlorenen Tristan als die Quelle vermuthen, wenn
- nicht der Thomas von Britannie als Gewährsmann genannt
- wäre. Das englische Gedicht in Strophenform Sir Tristrem ^),
- 1) Zu Anfang seines Aufsatzes ((Tristan und seine Quelle» in Haupt'a
- Zeitschrift 14 (1869), 272 fg.
- ■) Zuerst von Walter Scott 1811 veröffentlicht, wiederholt in v, d. Ha-
- gen's Tristanausgabe 2, 123.
- EINLEITUNG. XXXVII
- welches sich auf einen Thomas von Erceldonne beruft, kann
- aus verschiedenen Gründen, die hier nicht näher zu ent-
- wickeln sind, nicht die Quelle Gottfried's gewesen sein; es
- ist aber insofern für uns wichtig, als es trotz manigfacber
- Abweichungen im Einzelnen doch im Großen und Ganzen mit
- der Tradition der Sage stimmt, zu welcher sich Gottfried be-
- kannte.
- Von den erhaltenen französischen Tristangedichten sind
- namentlich zwei zu beachten. Leider sind beide nur in
- Bruchstücken vorhanden. Das eine Gedicht trägt den Autor-
- uamen eines Berox und stimmt im Großen und Ganzen mit
- der Tradition Eilhart's. Das zweite beruft sich auf einen
- Thomas (bei Michel ') als erstes Stück des zweiten Bandes
- und als erstes und drittes Stück des dritten Bandes). Mit
- Gottfried's Tristan lassen sich diese Fragmente nicht ver-
- gleichen, wie man früher annahm, denn die Erzählung beginnt
- durch einen tückischen Zufall gerade da, wo Gottfried ab-
- bricht. Wohl aber stimmen die Fragmente des Thomas,
- wiederum im Großen und Ganzen, mit dem Schlüsse des eng-
- lischen Tristrem. Der Rückschluß lag nahe, daß das fran-
- zösische Gedicht in seinem nicht erhaltenen vorderen Theile
- mit Gottfried's Tristan übereingestimmt haben werde.
- Somit konnte der Schluß gezogen werden, daß das fran-
- zösische Gedicht des Thomas, welches in seiner Ganzheit nur
- ideell vorhanden ist, wahrscheinlich die Vorlage Gottfried's
- war. Man könnte dies schließen, auch wenn kein Autorname
- genannt wäre, auch wenn sich der Dichter nicht auf einen
- Thomas beriefe. Die Übereinstimmung beider Namen aber,
- zu denen sich noch ein dritter Thomas, der Thomas von Er-
- celdonne gesellt, erschien bedeutungsvoll. Sie erhöhte die
- Wahrscheinlichkeit der Vermuthung. Das Verhältniss übrigens
- des Thomas von Erceldonne zu dem französischen Thomas ist
- noch nicht völlig aufgeklärt, auch nach einer neueren Unter-
- suchung noch nicht, doch berührt dies nicht weiter die Frage
- nach der Quelle des Gottfriedischen Tristan.
- Neuerdings ist die Lösung der Quellenfrage um einen Schritt
- weiter gefördert worden. Ein junger französischer Gelehrter,
- ') Der Titel der wichtigen Sammlung ist: Tristan. Recueil de ce qui
- reste de poüms r^latil's ;v ses aventures, composes eu fiaiK^ais, cu auglo-
- normand et eu grcc daus les XII et XIII siecles, publiö par Francisque
- Michel (Londres I, II, 183fi; III, k-M).
- XXXVIII EINLEITUNG.
- A. Bessert, uiiternabm es, jene französischen Bruchstücke
- des Thomas mit dem Ende des Gottfiiedischen Tristan noch
- einmal genauer zu vergleichen ^j, und er fand, daß ein Stück,
- wenn auch nur ein geringes, wirklich gemeinsam sei, soweit
- nämlich eine freie ümdichtung mit einer Vorlage überhaupt
- übereinstimmen kann. Es entspricht die Stelle bei Gottfried
- V. 19478 bis zu Ende den Versen bei Thomas 5—20. 24—26.
- 83 — 90 im ersten Fragment des dritten Bandes der Michel'schen
- Sammlung.
- Hierauf stellte Richard Heinzel eine umfassende Unter-
- suchung an über die Quelle des Tristan.^) Die sorgsame Ver-
- gleichung der verschiedenen Traditionen liefert nur ein geringes
- Endergebniss, sie zeigt uns weniger wie die Quelle beschaffen
- gewesen sei, als wie sie nicht gewesen sei. Der Abweichungen
- auch in den sonst verwandten Überlieferungen sind so viele
- und bedeutende, daß es ganz unmöglich ist. sich die wirk-
- liche Gestalt der Quelle zu construieren. Besonders wichtig
- erscheint in Heinzel's Aufsatze der Nachweis, daß sich in den
- französischen Bruchstücken des Thomas Äußerungen und Be-
- ziehungen finden, welche sich mit der Gottfriedischen Sagen-
- gestalt nicht vereinigen lassen. Sodann glaubt Heinzel aus
- einzelnen Wendungen in jenem Bruchstücke schließen zu
- müssen, daß der Dichter nicht die ganze Tristaugeschichte,
- sondern nur den letzten Theil derselben, der anhebt mit der
- Ankunft Tristan's in der Bretagne (bei Gottfried in Arun-
- del), verfasste; somit habe von vornherein der französische
- Thomas nur einen Theil der Quelle Gottfried's ausmachen
- können. Hat diese Annahme Bestand, so fallen alle auf ein
- größeres und vollständiges Tristangedicht des Thomas bezüg-
- lichen Vermuthungen zu Boden. Die neue und seltsame
- Hypothese, mit welcher Heinzel seine Vergleichung der Sagen-
- traditionen einleitet, daß Gottfried im Allgemeinen zwei Quellen
- gefolgt sei, einem lateinischen Chronikwerke des Thomas von
- Britannie und einer französischen Dichtung, wird sich schwer-
- lich der Zustimmung erfreuen können.
- Daß Gottfried seiner Quelle nicht sklavisch folgte, sondern
- ') Tristan et Iseult, poeme de Gotfrit de Strasbourg compare ä d'autres
- poemes sur le meme sujet. These presentee ä la facuUe des lettres de
- Paris par A. Bessert (Paris, Franck, 1865).
- '-) lu der vorher S. XXXVI Anmerk. ') genannten Abhandlung. —
- Diese flrifiige und ausführliche Ai'beit wird leider durch eine allzugroße
- Breite und durch den fühlbaren Mangel an Übersichtlichkeit beeinträchtigt.
- EINLEITUNG. XXXIX
- (laß er, ähnlich wie Hartmann von Aue sich an Christian von
- Troyes anschloß, die Vorlage nur zu einem Wegweiser be-
- nutzte, (las konnten wir von vornherein annehmen. So spricht
- und (lichtet niemals ein Übersetzer, sondern nur ein freier
- Künstler. Jetzt nach ßossert's Entdeckung sehen wir selbst
- an den wenigen Zeilen, wie Gottfried dichterisch schaffte.
- Er ist ausführlicher, selbst redseliger als sein Original, aber
- auch unendlich schwungvoller; er überragt den Franzosen
- himmelhoch.
- Dem unbekannten Originale danken wir in Gottfried's Ge-
- dichte in den Hauptzügen die dramatisch lebendige Compo-
- sition und die lebenswahre, seelenvolle Charakteristik. Na-
- mentlich an der Charakteristik hat aber auch der deutsche
- Dichter gewiss wesentlichen Antheil.
- Eine ästhetische Würdigung des Gedichtes kann hier
- nicht bezweckt werden, auch muß der Herausgeber sich ver-
- sagen, die ethische Seite zu berühren. Nur das eine mag
- bemerkt werden, daß das Mittelalter in Tristan und Isolt kein
- verabscheuungswürdiges Liehespaar erblickte. Die beige-
- brachten Zeugnisse über die Beliebtheit der Tristansage sowie
- die über Gottfried's Tristan mögen auch hierfür beweisen.
- Namentlich gewichtig ist hier des strengen Sittenrichters Tho-
- masin von Zirclaria charakteristische Empfehlung des Tristan
- zur Jugendlektüre. Wenn es hier einmal gilt, historisch zu
- fühlen und das ewig junge Kunstwerk und seinen Schöpfer
- mit den Augen eines Zeitgenossen zu betrachten, so möge
- daran erinnert werden, daß der Tristan in den Tagen des
- Minn(jsanges und des Frauencultus entstand, daß er zunächst
- für die vornehme "\\ elt bestimmt war, welche bis auf den heu-
- tigen Tag eine größere Unbefangenheit und Duldsamkeit be-
- währt als jene beengteren Kreise, in welchen das Princip
- der Ehrbarkeit und Wohlanständigkeit nur zu leicht den
- Blick trübt bei der Anschauung der Kunst und bei Beurthei-
- lung des Genius. Erst ziemlich spät werden verdammende
- Urthcile laut, aber nicht gegen Gottfried, sondern gegen die
- Träger und den Inhalt des Romans.
- Auch bei jedem andern Epos würden wir die NichtvoUen-
- dung beklagen, hier aber ist sie doppelt beklagenswerth. Was
- seinen mittelalterlichen Fortsetzern nicht gelingen wollte, würde
- der beredte und seclenkundige Gottfried gewiss erreicht haben:
- die Lösung des Conflicts, die Sühne nach der tragischen und
- verhängnissvollen Schuld.
- XL EINLEITUNG.
- Haben wir in Gottfried's Tristan auch nur einen Torso
- erhalten, so ist er doch so mächtig und reich, daß wir an
- ihm den Künstler völlig erkennen und bewundern können.
- Schönheiten der Darstellung lassen sich mehr fühlen als zer-
- gliedern und beschreiben. Darum hier nur einige Andeu-
- tungen über Gottfried's Dichtersprache, vor allen für die
- Leser, welche vielleicht zum erstenmal an den Tristan
- herantreten.
- Gottfried hat einen bestimmten Stil. Wir finden diesen
- Stil schon vorbereitet in der vorausgehenden Zeit, namentlich
- bei Hartmann von Aue. Wir finden ihn aber noch ausgepräg-
- ter in der französischen Dichtung. Von beiden Seiten ist
- Gottfried die Anregung geworden, aber er bildete das Über-
- lieferte aus und erhob es zu seiner eigenen, zu einer origi-
- nalen Schöpfung. Dieser Stil besteht in der künstlerischen
- Verwendung und Bevorzugung des grammatischen und rühren-
- den Reimes, ferner der Wiederholung, der Antithese und des
- Wortspiels. Meist findet diese Dichtungsweise ihren Platz in
- den Betrachtungen, so namentlich im Eingange, aber sie er-
- streckt sich auch auf die Erzählung. Mitunter, das ist nicht
- zu leugnen, streift dieses zierliche Spiel an die Spielerei. Und
- darin liegt die Gefahr für diesen Stil, der unter der Hand
- der Nachahmer allzu leicht ausarten kann und wirklich auch
- ausgeartet und selbst zum Unschönen verzerrt worden ist.
- Ist dieser Stil ein künstlerisches Element und musste der
- Herausgeber schon um seiner selbst willen bei der Erklärung
- darauf aufmerksam machen, so ist er immer auch wesentlich
- für das Verständniss. Fast durchgängig findet bei dem Spiele
- gleicher Formen und Worte Verschiedenheit der Function
- und der Bedeutung statt. Natürlich konnten nicht alle und
- jede Fälle in den Anmerkungen berührt werden, der Leser wird
- sich des Dichters Eigenthümlichkeit ohnehin bald einprägen,
- Gottfried's stilistische Originalität besteht ferner unter
- anderm in der Wahl und Bildung von Worten, in der Vor-
- liebe für das Participium prsesentis, in der Anwendung be-
- stimmter Phrasen und Formeln , in der Verbindung verschie-
- dener Tempora und in einer weit ausgedehnten Synonymik.
- Aber Gottfried's Stil ist nicht nur rhetorischer, er ist auch
- technischer Natur. Zunächst ist der «grammatisch correcte»
- Bau seiner Verse wenigstens zu erwähnen , seine Anwendung
- voller ungekürzter Formen. Auch von der verschiedenen Gat-
- tung der Reime und von ihrer Reinheit, die bei Gottfried ge-
- EINLEITUNG. XLT
- radezu bewunderungswürdig ist , soll hier nicht näher gehan-
- delt werden. Wichtiger scheint mir ein Princip, welches zuerst
- durch Gottfried in unserer erzählenden Poesie mit ßewusstsein
- zur Anwendimg kam, das ist das lyrische Princip, die be-
- stimmte Abwechselung von Hebung und Senkung, oder die An-
- erkennung der Nothwendigkeit der Senkung. Noch aber ist die-
- ses Princip nicht systematisch streng durchgeführt, noch kann
- die Senkung, namentlich in zusammengesetzten Worten, fehlen.
- Später erst wird, was wir hier in seinen Anfängen sehen, zur
- festeren Regel, wie vor allen bei Konrad von Würzburg. Dann
- war es nur ein Schritt noch zur Silbenzählung, welche als
- metrisches Princip eine gar lange Zeit bei uns geherrscht hat.
- Gottfried brach nicht vollständig mit der Metrik seiner Vor-
- gänger und Zeitgenossen, aber sein Neues wandte er mit dem
- Alten an gleichsam wie Nebenformen. Er vermied durch die
- Auslassung der Senkungen nicht bloß die ermüdende Weich-
- lichkeit der sonst regelmäßig gebauten Verse, sondern außer
- der Malerei im einzelnen Ausdrucke benutzte er auch die bei-
- den Principien zur stilgemäßen Charakteristik ganzer Stücke.
- Man lese die Betrachtungen, die Reden der einzelnen Perso-
- nen, man lese die Erzählung von Riwalin und Blanscheflur
- und vergleiche diese Abschnitte mit ihren leicht dahinschwe-
- benden Versen mit dem Drachenkampf, mit der Episode von
- Rotte und Harfe und man wird bald in der ganzen Art des
- Vortrags einen Unterschied herausfühlen. Daß öfters keine Ma-
- lerei und kein besonderer Stil bezweckt wird, sondern daß die
- Senkungen rein zufällig fehlen, versteht sich von selbst.
- Ein zweites Princip in Gottfried's Metrik ist der jam-
- bische Rhythmus. Aber der Dichter vermeidet auch nicht
- trochäische Verse, sondern er wechselt mit ihnen ab und ver-
- fällt so nicht in die Eintönigkeit, an welcher der moderne
- Vers leidet.
- Eine Eigenthümlichkeit Gottfried's besteht ferner in der
- häufigen Anwendung des zweisilbigen Auftaktes. Auch da-
- durch wird der eintönige Silbenfall vermieden. Zugleich
- hängt der zweisilbige Auftakt zusammen mit dem Princip des
- jambischen Rhythmus, indem dadurch ein trochäisch angelegter
- Vers zu einem jambischen wird. Dieser Fall tritt namentlich
- ein in den dreimal gehobenen Versen mit klingendem Aus-
- gang, die öfters viermal gehoben und trochäisch sein würden,
- wenn nicht der zweisilbige Auftakt die Wandlung veranlasste.
- Kein einzigesmal kommt es bei Gottfried vor, daß drei-
- XLII EINLEITUNG.
- und viermal gehobene Verse miteinander gebunden werden,
- was sich sonst auch gute Dichter gestatteten, und jeder
- scheinbar viermal gehobene Vers lässt sich leicht in einen
- dreimal gehobenen verändern.
- Diese Wahrnehmungen mussten natürlich bei der Text-
- herstellung sowie in dieser auch für weitere Kreise beabsich-
- tigten Ausgabe bei den Fingerzeigen zur Erleichterung des
- Lesens berücksichtigt und zur Anschauung gebracht werden.
- Die wissenschaftliche Begründung dieser Fälle sowie die
- Darlegung noch anderer Einzelheiten der metrischen Technik
- Gottfried's behält sich der Herausgeber an einem andern
- Orte vor.
- Gottfried hat sein Gedicht, welches wie die meisten Roman-
- dichtungen in den kurzen Reimpaaren abgefasst ist, mit
- einer Reihe von Strophen eröffnet. Und solche Strophen
- kehren bei Beginn größerer Abschnitte oder als Ruhepunkte
- in der Erzählung öfters wieder. Gegen das Ende hin werden
- sie seltener. Die Strophen bestehen aus vier Zeilen, eine
- jode ist viermal gehoben und hat stumpfen Ausgang. Der
- Rhythmus ist jambisch. Die Reime sind alle materiell gleich,
- je zwei sind als gleiche Worte sogenannte gleiche oder rüh-
- rende Reime. Diese Form ist eine volksthümliche, sprich-
- wortähnliche, welche der Dichter zu künstlerischem Spiele be-
- nutzte. Ohne Zweifel hat Gottfried durch diese Strophen dem
- lyrischen Charakter seines Werkes einen äußern sichtbaren
- Ausdruck verleihen wollen. —
- Diese Ausgabe enthält den fünften Abdruck von Gott-
- fried's Tristan. Zuerst wurde das Gedicht veröffentlicht im
- Jahre 1785 im zweiten Bande der Sammlung deutscher Ge-
- dichte aus dem 12., 13. und 1-4. Jahrhundert von Christoph
- Heinrich Müller (Myller) , und zwar nach einer Züricher Ab-
- schrift des Florentiner Codex. An den Tristan schloß sich
- die Fortsetzung Heinrich's.
- Im Jahre 1821 folgte die Ausgabe E. von Groote's mit
- Ulrich, 1823 die von der Hagen's mit Ulrich und Heinrich,
- 18-43 die Maßmann's mit Ulrich. Franz Pfeiffer, der nun
- dahingeschiedene Herausgeber dieser Sammlung, wünschte und
- bestimmte anfänglich, daß ich auch einen der Fortsetzer be-
- arbeiten und anfügen solle und zwar den poesiereicheren Heinrich
- von Freiberg. Ich erklärte mich dagegen. Einmal hätte sich
- diese umfänglichere Fortsetzung nicht in den beiden für den
- Tristan bestimmten Bänden unterbringen lassen, sodann schien
- EINLEITUNG. » XLQI
- es mir auch aus Innern Gründen nicht füglich zu sein. Wie
- hoch ich auch den Heinrich und sein Gedicht schätze, und
- ich halte es für weitaus das beste aus der Epigouenzeit, so
- wenig scheint es mir doch in eine Sammlung zu gehören,
- welche unsern mittelalterlichen «Classikern» gewidmet ist. ^)
- Ich habe daher mit Bewilligung meines verstorbenen Freundes,
- damit der Leser dichterisch nicht herabzusteigen brauche und
- doch sachlich einen Abschluß finde, eine schlichte Nacherzäh-
- lung beider Fortsetzungen auf Gottfried's unvollendetes Werk
- folgen lassen.
- Der von mir dargebotene Text ist völlig neu bearbeitet;
- in der zweiten Auflage ist er nicht wesentlich geändert, son-
- dern nur in Einzelheiten verbessert worden. Wenn man ver-
- hältnissmäßig wenig Unterschiede mit den vorausgehenden
- Ausgaben bemerken wird, so hat dies seinen Grund in der
- im Ganzen trefflichen und einheitlichen Überlieferung. Ist
- dieser günstige Umstand für den Herausgeber im Allgemeinen
- eine Erleichterung seiner Arbeit, so bietet er im Einzelnen
- und Feinen gerade recht viele Schwierigkeiten. Durch Pfeiffer's
- Güte erhielt ich seine werthvollen, die Originale völlig er-
- setzenden Collationen der Münchener, Heidelberger und Wiener
- Handschrift. Für die Florentiner Handschrift benutzte ich
- aus von der Hagen^s Nachlasse eine Collation des Müller'schen
- Abdrucks mit dem Florentiner Original. Für die Nebenhand-
- schriften verglich ich, wie mein Vorgänger Maßmaun, die
- Lesarten bei Groote. Das umfangreichere, von Zingerle in
- den «Findlingen» veröffentlichte Bruchstück war für die Ver-
- gleichung wenigstens nicht unwichtig. Über mein kritisches
- Verfahren gedenke ich in Pfeiffer's Germania das Nähere bei-
- zubringen, nur das eine sei hier im Voraus und im Allgemeinen
- bemerkt, daß ich aus Gründen die älteste Münchener Hand-
- schrift, welche Groote nicht kannte, von der Hagen unkritisch
- benutzte, Maßmann allzu sehr vernachlässigte, wieder mehr
- in den Vordergrund gestellt habe. Noch ehe ich dazu gelangen
- konnte, mein Verfahren theoretisch zu entwickeln, erschien eine
- verdienstvolle, die Tristankritik betreffende Abhandlung von
- Theodor von Hagen, aufweiche ich unter «Berichtigungen und
- Zusätze» am Schlüsse des 2. Bandes noch hinweisen konnte. ''=)
- ') Heinrich'3 Gedicht wird nun in der zweiten Sammlung oDeutache Dicli-
- tungen des Mittelalters. Herausgegeben von Karl Bartsch- Aufnahme finden.
- -) Kritische Beiträge zu Crottfried's von Straßburg Tristan ('Mühl
- hauseu i. Th. 186S), Göttinger Doctordissertation.
- XLIV EINLEITUNG.
- Sie liegt jetzt auch in theilweise umgearbeiteter Gestalt an
- einem zugänglicheren Orte vor. ') Th. von Hagen versucht eine
- Classificierung der Tristanhandschriften und gelangt zu dem
- Ergebnisse, daß zwei Textrecensionen anzunehmen seien, nach
- welchen die Kritik bestimmt werden müsse. Sowohl gegen
- mein Verfahren wie gegen v. Hagen's Ausführungen ist eine
- nicht minder lobenswerthe Schrift von Hermann Paul gerichtet,
- in welcher eine wesentlich andere Norm für die Textkritik
- aufgestellt wird, indem drei verschiedene Handschriftenklassen
- nachgewiesen werden -) In beiden Schriften sind neben den
- kritischen Erwägungen auch Beiträge zur Stellenerklärung ge-
- geben, namentlich in der Schrift von Paul. Nach beiden Rich-
- tungen, nach der kritischen wie nach der hermeneutischen hin,
- werden mir diese zwei Arbeiten willkommenen Anlaß zur Dis-
- cussion bieten.
- Wenn auch nach der Anlage dieser Ausgaben kritische
- Fragen unberücksichtigt bleiben müssen, so boten sich doch
- bisweilen Fälle dar, wo auch hier zu Gunsten der Erklärung
- die handschriftlichen Überlieferungen heranzuziehen waren.
- In der äußern Einrichtung schließt sich meine Ausgabe
- an die vorhergehenden in dieser Sammlung an. ^) In manchen
- Einzelheiten bin ich meinen eigenen Weg gegangen. Ich habe
- genau zwischen den beiden Mitteln, den Vocal schwächer zu
- machen oder zu tilgen, zwischen Punkt und Apostroph unter-
- schieden. Den Punkt wende ich an bei Synkope, wenn der
- Vocal im ersten Theile einer Senkung steht, den Apostroph
- bei Apokope, wenn der Vocal unmittelbar einer Hebung vor-
- ausgeht. Ausnahmen von dieser Regel kommen allerdings vor.
- An die gekürzte Negation oder vor dieselbe ist kein Apostroph
- gesetzt worden, also ern nicht efn. Nach meinem Systeme
- ist e7'''n=r-er in (acc. von er). Nur wenn ein Missverständ-
- ') In Bartsch's Germ, Studien I, (1872), 31 fg.: Die Handschriften des
- Tristan und ihre Bedeutung für die Kritik.
- -) Zur Kritik und Erklärung von Gottfried's von Straßburg Tristan
- (Wien 1872), Leipziger Habilitationsschrift [Sonderabdruck aus der Ger-
- mania, 17. Jahrgang]. — Diese Schrift kam mir leider erst während des
- Druckes dieser Einleitung zu.
- ■*) In der Verszählung stimmt meine Ausgabe mit der von der Hagen's.
- Da vielfach nach Maßmann citiert wird, der sich nach der zufälligen
- Spalten- und Verszahl richtet, so ist hierauf Rücksicht genommen vmd die
- Spaltenzahl der Maßmann'schen Ausgabe links in Klammern gesetzt wor-
- den. Die Verse sind danach leicht zu finden. MaÜmann hat auf jeder
- Spalte 40 Zeilen, auf der ersten und zweiten Spalte je 20 Zeilen, auf den
- letzten Spalten (Spalte 589 und 590) je 37 Zeilen.
- EINLEITUNG. XLV
- iiiss eintreten könnte, ist der Apostroph gesetzt worden, z. B.
- sin'':^sine, weil sin auch^nhd. Sinn ist.
- Der Punkt ist ein treffliches Zeichen, die handschriftliche
- Überlieferung zu wahren und doch eine Hülfe für das Lesen
- zu bieten, sodaß häßliche Kürzungen wie ivdrn, wtdr (die
- allerdings geboten sind, wenn sie bei ungewandten Dichtern
- unmittelbar vor einer Hebung stehen) vermieden werden können.
- In gleicher Weise der Accent, wenn er den zweisilbigen Auf-
- takt bezeicbnet. Kürzungen wie iur anstatt iiiicer, umh'' (vor
- Consonant) statt umbe sind nicht nöthig, zumal bei einem
- Dichter, der den zweisilbigen Auftakt so sehr bevorzugt.
- Der Gravis wurde gesetzt bei der sogenannten schweben-
- den Betonung. Man hat gegen diese schwebende Betonung
- mancherlei eingewendet, sie ist aber durch die Lyrik erwiesen.
- Wenn z. B. geschrieben steht h er re sprach er (5119), alle mit
- einem namen (G0G8), so ist nicht damit die Anweisung ge-
- geben, nun zu lesen herre^ aUe^ sondern es hat die Stamm-
- silbe ihre Betonung und die Endsilbe gleichfalls, weil es der
- Rhythmus verlangt. . Ein guter Declamator wird auch niemals
- den öfters citierten Vers aus Schiller's Teil anheben: Sterben
- ist nichts, sondern er wird auch die jambische Betonung
- durchschimmern lassen: Sterben ist nichts.
- Die Anwendung des Accents zur Bezeichnung des jambi-
- schen und trocbäischen Rhythmus, des zweisilbigen Auftaktes
- sowie der Hebungen bei fehlender oder zweisilbiger Senkung
- geschah zunächst, um das Lesen zu erleichtern. Zugleich
- sollten dadurch äußerlich diejenigen Verse Gottfried's hervor-
- gehoben werden, die nicht in unserm Sinne regelmäßig sind,
- in denen sich sein Festhalten an dem überkommenen und zeit
- geuössischen Gebrauche offenbart. Im ersten Bande wurde
- (leshalb die Accentbezeichnung durchgeführt, im zweiten Bande
- dagegen kam sie nur im Interesse der Lektüre und nur spar-
- sam zur Anwendung, da vorauszusetzen ist, daß bis dahin
- der Leser sich hinlänglich geübt haben wird.
- Drei Worte, die anceps sind, wurden je nach Hebung und
- Senkung als Länge oder als Kürze genommen, nämlich 6? und
- si (nhd. s?e, nicht sc/), nu und mi (nhd. Jtirn^ Nu [im Nuj, nicht
- na7(), du und du (nhd. d2(, nicht dau). Ein Zugeständniss an den
- Gebrauch der Herausgeber ist es, wenn ich um der Metrik
- willen l-ei)i für dehein in beiden Bedeutungen für: ein und
- für: kein angesetzt habe. Der Anfänger möge sich durch
- dieses kein nicht irre machen lassen.
- XLVI EINLEITUNG.
- War es beim Beginn der Sammlung nöthig, auch Formen-
- erklärung unter dem Texte zu geben, so war nunmehr im
- Allgemeinen davon abzusehen. Pfeiffer hat schon in seinem
- 'ö
- Walther solch rein materielle Dinge in das Wortverzeichniss
- verwiesen, wie z. B. öre, daz, Ohr; siüiiie^ diu, Sonne, ohne
- jegliche Stellenangabe. Dies habe ich weiter ausgedehnt und
- die Worte und Formen, welche nur in ihrer äußern Erschei-
- nung von der jetzigen Sprachgestalt abweichen, hinten in das
- Verzeichuiss gebracht. Auch auf die Unterschiede im Ge-
- schlechte ist dort Rücksicht genommen. Eine vollständige
- alphabetisch geordnete Grammatik wird man aber natürlich
- nicht erwarten dürfen.
- Im Allgemeinen war mein Grundsatz bei der Erklärimg,
- das nicht zu berücksichtigen, was auch ein moderner Dichter
- sagen könnte. Pfeiifer's Wunsch war es auch, daß seine Mit-
- arbeiter mit dem Fortschreiten der Sammlung in den Erklä-
- rungen enthaltsamer sein sollten. Ich meine, man muß den
- Lesern auch etwas zutrauen.
- Nach der Einrichtung dieser Ausgaben, die eines Glossars
- entbehren, ist die Erklärung zunächst auf die erste Stelle
- hingewiesen, in welcher das betreffende Wort mit seiner
- vom Neuhochdeutschen abweichenden Bedeutung vorkommt.
- Damit ist ein Übelstand verknüpft. Die erste Stelle ist näm-
- lich nicht immer auch die geeignetste für die Erklärung.
- Deshalb schien es mir nöthig, öfters Verweisungen auf Parallel-
- stellen zu geben. Ein Wort wird durch ein anderes beige-
- setztes Wort, durch ein Synonym, durch seine Stelle im Reime
- u. dgl. öfters schärfer gezeichnet als da, wo es zufällig zuerst
- begegnet. Wer zunächst um des literarischen und ästhetischen
- Interesses willen den Tristan lesen und genießen will, der
- möge sich um meine Verweisungen nicht weiter kümmern. Ich
- hoffe aber denen, welche tiefer eindringen wollen, damit einen
- Dienst geleistet zu haben, auch werden die Fachgenossen in
- dieser Zugabe die zusammenhangende Arbeit nicht verkennen.
- Wie von einer Stelle auf eine spätere verwiesen wird, so
- musste auch öfters an vorhergehende erinnert werden.
- Ist auf solche Weise öfters das Gedicht gewissermaßen
- aus sich selbst heraus erklärt worden, so habe ich von Parallel-
- stellen aus andern AVerken ahgesehen und nur ganz ver-
- einzelt bei schwierigen oder charakteristischen Worten und
- Stellen solche beigefügt.
- Silberhell ist Gottfried's Sprache. Kein epischer Kunst-
- EINLEITUIS'G. XLVII
- dichter aus der classischen Zeit unseres Mittelalters erschließt
- sich so leicht wie er dem Verständnisse des heutigen Lesers
- oder scheint sich zu erschließen. Daher auch ist die An-
- sicht weit verbreitet, und auch ich habe sie einst getheilt, als
- sei Gottfried überhaupt ein leichter Schriftsteller, sein Tristan
- ein durchaus klares Gedicht. Das aber ist keineswegs der
- Fall. Seine Betrachtungen namentlich , seine lyrischen Er-
- güsse sind reich an Schwierigkeiten, auch in die Erzählung
- trägt seine gewählte Sprache bisweilen tiefere Beziehungen,
- die nicht auf der Oberfläche liegen. Nicht immer, dess bin ich
- mir wohl bewusst, ist es mir gelungen, den Schleier zu heben.
- Die zu Gebote stehenden Hülfsmittel habe ich nach Mög-
- lichkeit benutzt. Von den älteren Herausgebern bot nament-
- lich Groote öfters schätzeuswerthe Fingerzeige. Bin ich vor
- allen dem mittelhochdeutschen Wörterbuche, in welchem auf
- Gottfried's Tristan in ausgedehnter Weise Rücksicht genom-
- men ist, dankbar, so fehlte es doch auch nicht an Gelegen-
- heit, seinen Angaben eine andere Auffassung entgegenzuhalten.
- Auch die Übersetzer, Kurtz und Simrock, sind mitunter heran-
- gezogen worden, theils um ihnen irgend einen schönen dichte-
- rischen Ausdruck zu entlehnen, theils um ihnen zu wider-
- sprechen. Auf die neueren Bemühungen, auf die Arbeiten
- Heinzel's und v. Hagen's habe ich für diese zweite Auflage
- nicht minder Kücksicht genommen; die Erklärungen Paul's,
- welche unabhängig sind von der Textherstellung, sollen für
- den zweiten Band benutzt werden, soweit ich ihnen beipflichten
- kann.
- Leider entbehrte ich bei meiner Arbeit nach der kritischen
- wie nach der hermeneutischen Seite hin den Rath und den
- Beistand des Mannes, welcher diese Sammlung begründet und
- eröffnet und in ihrem Fortschreiten mit seiner Fürsorge be-
- gleitet hat. Nur einen geringen Theil der Textbearbeitung'
- konnte er noch prüfen und mit seinen Bemerkungen versehen.
- Dem begonnenen Drucke vermochte sein ermüdetes Auge nicht
- mehr zu folgen. Nun ist er geschieden, und sein Blick fällt
- nicht mehr auf den Dichter in seiner Sammlung, dem er,
- nächst Walther von der Vogelweide, vor allen zugethan war,
- den er wie kein anderer kannte und verstand, für dessen
- Ehre er ein so gewichtiges Wort gesprochen hatte.
- Von Herzen sei auch hier meinem Freunde Fedor Bech
- Dank gesagt für die aufopfernde Hülfe, w^^dche er auch dieser
- meiner letzten Arbeit angedeihen ließ, nachdem er schon
- XLVIII EINLEITUNG.
- meine vorhergehende, mein Evangelienbuch, mit seinen lexi-
- kalischen Schätzen ausstattete. Die Fachgenossen werden
- später noch näher erfahren, wie viel nicht allein der Heraus-
- geber, sondern überhaupt die Erklärung des Tristan der
- freundlichen Theilnahme Bech's verdankt.
- Zum Schlüsse sei mir vergönnt, den Wunsch, mit welchem
- ich die erste Auflage hinausgehen ließ, zu wiederholen, daß
- meine Bemühungen für dieses goldene Gedicht dazu beitragen
- möchten, seine Freunde ihm noch näher zu verbinden und
- neue Bewunderer ihm zu gewinnen.
- Rostock, im October 1872.
- Reinhold Bechstein.
- INHALT
- Seite
- Einleitung V
- I. Eingang 3
- ir. Ri walin und Blanscheflur . IG
- III. Rual li foitenant 69
- IV. Die Entführung 81
- V. Die Jagd 102
- YI. Der junge Künstler 122
- VII. Wiederseilen. 135
- VIII. Tristan's Schwertleite 158
- IX. Heimfahrt und Rache " .178
- X. Morold 203
- XI. Tantris 245
- XII. Die Brautfahrt 275
- XIII. Der Kan)]>f mit dem Drachen 296
- GOTTFiilED VON STß.\SSBL'KG. I. 2. Aufl.
- TRISTAN.
- OOTTFBIBD VON STBASSBUBG. I. 2. Aufl.
- I.
- In der Betrachtung, mit welcher Gottfried seine Erzählung von Tristan
- eröffnet, berührt er zuerst das Verhältniss des Dichters zur Lesewelt und
- zur Kritik. Nur im dankbaren Angedenken findet das Verdienst seine
- Dauer, und Unrecht ist es, das Verdienst nicht wohlwollend zu schätzen.
- Mehr als die Tadelsucht, die selbst dem begehrten Werke entgegentritt,
- ziemt Lob und Hingabe. Das abwägende Urtheil ist von Wertii, aber nur
- durch Anerkennung gedeiht die Kunst. Der Vergessenheit fällt anheim, was
- nicht Anerkennung findet. Absprechende oder beschönigende Beurthei-
- lung schadet mehr als sie nützt, und gehässige Verkleinerungssucht er-
- tüdtet vollends die Gabe des Urtheils. "Wohl dem, der in solch schwie-
- riger Lage zur Bedeutung gelangt ist! Ich will, fährt der Dichter auf seine
- Person übergehend fort , bei meiner Lebensreife und Erfahrung nicht
- müßig bleiben. Der Welt, aber nur der edeln, nicht der leichtlebigen
- Welt zu Liebe habe ich mir eine Aufgabe gestellt: ich will mit einer Er-
- zählung denen, welche der Kummer der Liebe bedrückt, Zerstreuung und
- Erleichterung gewähren. Zwar heißt es, dafj die Vertiefung in einen Lie-
- besroman den Kummer mehren helfe. Jedoch in diesem Weh liegt so
- viel Herzensfreude, daß ein edeles Herz nicht darauf verzichten mag.
- Wer rein und edel liebt, der wünscht sich solche Dichtung. Und die-
- sen Genuß will ich den Liebenden bieten in meiner Erzählung von Tri-
- stan und Isolt. Es gibt Erzählungen von Tristan , die nicht die rechten
- sind, ich aber habe die rechte gefunden , ich folge dem Thomas von Bri-
- tannie. Dieser Boman soll edele Herzen erfreuen und veredeln und
- ihnen ein leuchtendes Vorbild sein. Diese Liebenden haben mit den
- Freuden der Liebe auch der Liebe Leid gekostet, ja selbst um der Liebe
- willen den Tod erlitten. Darum leben sie fort in unserer Erinneriing.
- (l) Gedsehte mau ir ze guote niht,
- von den der werlde guot geschiht,
- s6 wsere ez allez alse niht,
- swaz guotes in der werlt geschiht.
- 1 — 4 Auf die stilistischen Eigenthümlichkeiten in den Eingangs-
- stropben soll zuerst aufmerksam gemacht werden: 1 nild Negation; 3 niht
- sabst. = nichts. — 2 werlt stf., Menschheit; 4 werlt, Erde. — 1 ze guote
- (Ton guot stn.), im Guten, in Güte, mü Wohlwollen [vgl. zu Gute thun,
- halten]; 2 guot stn., Gutes. — ?> alse {=^als6, als) adv. Partikel, wie. —
- 4 swaz ( = .sö war), wenn etwas, correlativ = nlid. was: was, wie viel auch
- des Guten.
- 1*
- I. EINGANG.
- Der guote man, swaz der in guot 5
- und niwan der werlt ze guote tuot,
- swer daz iht anders wan in guöt
- vernemen wil, der missetuot.
- Ich hoere es velschen harte vil,
- daz man doch gerne haben wil: 10
- da ist des lützelen ze vil,
- da wil man, des man niht enwil.
- Ez zimet dem man ze lobene wol,
- des er iedoch bedürfen sol,
- und läze ez ime gevallen wol, 15
- die wile ez ime gevallen sol.
- 5 — 8: 5 in yuot ( = in yuote), in Güte, aubjectiv: in guter Absicht;
- 7 in guot , objectiv und elliptisch : in Güte gothan , für etwas Gutes. —
- 6 tuon transitiv, schaffen, wirken; 8 tiion in Zusammensetzung misse-
- tuon intrans., übel thun, unrecht handeln. Die Bildung nässe- liebt Gott-
- fried. — 5 der guote man, der wackere Mensch, nicht, wie unser: guter
- Mann, auf die Herzensgüte zu beziehen. — Solche Inversionen finden sich
- im Tristan sehr häufig, vgl. z. B. 33. 39. 103. 111. 1383. 3147. 3211. —
- 6 niwan (niwan einsilbig) adv. (daneben niuu-an, niu'dn), nur. — ze guote
- = unserm: zu Gute, zum Besten. — 7 swer (s. zu V. 4) correl. , wer. —
- — iht anders (adv. gen.), in irgendeiner Weise sonst. — ivan adv., außer,
- als. — 8 vernemen stv., auf-, hinnehmen, anerkennen.
- 9 — 12: 10 inl in Verbindung mit haben; 12 ^cil selbständig. —
- 9 es gen. neutr. von ez , nhd. ersetzt durch den Gen. von da:: dessen,
- abhängig von vil. — velschen swv., für vahch, schlecht erklären, ganz
- wie unser: schlecht machen, herb und ungerecht kritisieren. — harte
- adv. zur Verstärkung von Adject. und Adverb., gar, sehr. — vil, im Mhd.
- nicht adjectivisch, sondern immer substantivischer Singular. — 10 da de-
- monstr. pron. adv., im Mhd. immer örtlich (vgl. 303). da — da, hier — da.
- — 11 iützel adj., hier subst, neutr., klein, wenig. — 12 des gen. abh. von
- niht. — en- proklitiscbe Negationspartikel. Zwei Negationen {niJit und en-)
- verstärken einander, heben sich nicht auf. — Der "VTortlaut der 3. Strophe
- ist klar, aber die beiden letzten Zeilen lassen verschiedene Deutung zu.
- Auch das ersehnte "Werk verschont die Kritik nicht. Hier ist des Unbe-
- deutenden zu viel, urtheilen die einen, d. h. da hat der Dichter zu viel
- Mühe auf einen interesselosen Gegenstand gewandt ; oder heißt es : auch
- das kurze Gedicht ist ihnen zu lang? — 12 auf der andern Seite will man
- (der eine) , was man (der andere) niciit will ; oder soll gesagt werden :
- heute ist der Geschmack so, morgen anders? oder endlich: sind hier ver-
- steckt die sittlich bedenklichen Stoße gemeint? man begehrt sie im Grunde
- des Herzens, gibt sich aber den Anschein, sie verwerflich zu finden.
- Kämen die Worte aus eines heutigen Dichters Munde , so würde man
- ebenfalls zu rathen haben.
- 13 — 16: 13 wol adv., gar wohl, sine dubio; 15 v:ol adv., direct zu
- gevallen gehörig, hene. — 14 soZ = muß; 16 sol auxiliar = wird, mag. —
- 15 ime, ihm reflexiv = sich; 16 ime rein demonstrativ^ihm. — 15 gevallen
- stv. = nhd.; 16 gevallen, zufallen, zu Theil werden. — 13 ziinet 3. pers.
- prses. von zernen stv. = ziemen swv., geziemen (obgleich diese Worte eine
- mehr ethische Bedeutung gewonnen haben) , anstehen , schön stehen ;
- vgl. 711. — 14: iedoch adv., nicht: jedoch, sondern: doch, ja doch, doch ein-
- mal. — 15 idze conj., elliptisch = /a2e er, möge er lassen. — 16 die wile adv,
- acc, die Zeit, dieweil, so lange. Einem literarischen Bedürfnisse freund-
- lich entgegenzukommen, ist anständig; man soll sich ein neues Werk so
- lange gefallen lassen, als es angeht; d. h. so lange, als es nicht durch ein
- neueres abgelöst und überboten wird.
- I. EINGANG.
- Tiur' unde wert ist mir der man,
- der guot und übel betrahten kan,
- der mich und iegelichen man
- nach sinem werde erkennen kan. 20
- (2)fi
- r' unde lop diu schephent list,
- da list ze lobe geschaffen ist:
- swä er mit lobe geblüemet ist,
- da blüejet aller slahte list.
- Reht' als daz dinc ze unruoche gät, 25
- daz lobes noch ere niene hat,
- als liebet daz, daz ere hat
- und sines lobes niht irre gät.
- Ir ist so vil, die des nu pflegent,
- daz si daz guote z' übele v/egent, 30
- daz übel wider ze guote wegent:
- die pflegent niht, si widerpflegent.
- 17 — 20: 17 man subst. uom.; 19 man halb pronominal und acc. iege-
- lichen man, jeglichen Mann, jeden Mann, jedermann. — 17 wert adj.;
- 20 werde von icert stn. (nhd, stm.) — IS betrahten swv., mit trahte (Be-
- dacht) erwägen.
- 21—24 : 21 list acc. ; 24 Hat nom. — 21 diu pl. neutr. bezogen auf die Subst.
- verschiedener Geschlechter ; vgl. 34. — ■ichephen swv., schaffen, schöpferisch
- hervorbringen, befördern. — li-^t stm., nur selten im Sinne von unserm :
- List stf. (vgl. 2032 u. zu 13742), Klugheit, Weisheit, insbesondere: Kunst,
- Kunstbetrieb (die Zusammensetzungen mit lint brauchen nicht alle ange-
- führt zu werden). — 22 da hier relativ: wo, wenn, sobald, vorausgesetzt
- daß. — list ist hier wohl innerlich zu fassen: Kunstbegabung. — ze lobe,
- auf lübenswerthe Weise. Wenn wirkliches Talent von der Natur beschie-
- den ist, dann regt die Anerkennung zu dichteiischer Production an. —
- 23 sicä {^=so ivc'i) coiTel., wenn wo=nhd. wo. — er (nicht o', ere) d. h. list.
- — 24 slafif, auch slahfe sti., Art; aller slahte (gen. sing.) jede Art; a,n{ aller
- liegt ein Nachdruck. Der Dichter will die Einschränkung in V. 22 auf ein
- weites Gebiet ausdehnen. Wenn das Talent ftiit Lob geblümt , wie mit
- Blumen geschmückt wird, dann ist eine allgemeine Kunstblüte möglich.
- 2-1 — 2S : 2.T als hier relativ; rehf als. ganz in derselben Weise wie. —
- 'ine stn. öfters durch das Synonjnn: Sache zu übertragen. — unruodi
- •:tm., Vernachlässigung (wie 4(iu2), dann Gleichgültigkeit; se unruozho gan,
- zur Bedeutungslosigkeit gelangen, vergessen werden. — 2f; niene doppelte
- Negation (ob aus niht und nc oder aus nie und nc noch fraglich), ent-
- spricht ziemlich unserm nicht localen : nirgends. — 27 als := also, ganz so,
- ebenso. — lieben swv. intrans. (ahd. liobem), belieben, behagen, gefallen;
- vgl. das andere lieben in V. 174. — irre (hier wohl adverbial) gdn eines
- Hny-'<, eines Dinges verlustig gehen, es (wie durch irre gehen) verfehlen
- verlieren.
- 29 — 32: 29 pflegen trans.; 32 pflegen in Zusammensetzung und in-
- trans. — 29 ir ist eil 3. zu V. 9, nhd. : ihrer sind viel oder viele. — nu
- adv., nun, jetzt, in unsern Tagen. — pflegen gtv. mit gen., etwas betrei-
- ben, darauf aus sein. — 30. 31 wegen stv., abwägen. Gemeint sind die ab-
- -prcchenuen und unterschätzenden, auf der andern .Seite dio allzu milden
- iiid iberschätzondpn Beurtheiler. — ?,2 pfli'rjen inti-ans., hier in etwas spc-
- oiellerer Bedeutung als in Y. 2;»: pflegen, Fürsorge liaben. — widerpfl^^gen,
- das (lOgentheil von pfl'.g-'n, entgegenwirken. Solche ungerechte und un-
- zuverlässige Beurtheiler meinen es nicht wohl mit der Kunst, sie vorderben
- aie. "Der troibt'g nicht wohl, der hintertreibt.^^ Hermann Kurtz.
- 1. EINGANG.
- Ghunst iiüde nähe sehender sin,
- swie wol diu schinen under in,
- geherberget danne nit zuo z'in, 35
- er leschet künst imde sin.
- Hei, tugent, wie smal sint dine stege,
- wie kumberlich sint dine wege!
- die dine stege, die dine wege,
- wol ime, der si wege und stege! 40
- (^) irib' ich die zit vergebene hin,
- so zitec ich ze lebene bin,
- sone vare ich in der werlt sus hin
- niht so gewerldet, alse ich bin.
- 33 — 3t>: 33 sin nom. ; 36 sin acc. — 34 in dat. pl. reflexiv: sicli;
- 35 m demonstrativ. — 33 chunst=ikunst stf., Können und Wissen, ent-
- spricht hier unserm : Kunst im Sinne von: Kunstübung. — nahe adv., in
- der Nähe, genau, nähe seilender sin, genau zusehender, aufmerksamer
- Sinn, strenge Kritik; vgl. nähe merkende spehe 6510. — 34 swie ( = s6 toie),
- adv. correl., wie auch. — sdnnen conj. prses. von sdnnen stv., scheinen,
- sich zeigen. — under in, untereinander. Kunst und Kritik vertragen sich
- wohl miteinander. — 35 herberge.n swv., Wohnung nehmen, sich gesellen,
- ye- ist hier wie so oft in Gottifried's Sprache Verstärkung des einfachen
- Zeitworts, hier mit der bestimmten Function von: mit (vgl. cutii, con-),
- zusammen, doch kann auch i/e- die Function des Perfects oder besser des
- Aorists haben: hat sich gesellt; s. zu 145. — danne adv., dann, alsdann,
- aber dann; im Keime {-.manne) 11618. — nit stra., Verkleinerungssucht,
- kritische Schelsucht. — znu s' (in), verstärkte Prseposition. — 36 leschen swv.,
- löschen, vertilgen, zerstören. — kunst, hier im andern Sinne als V. 33, näm-
- lich: Verständniss. — sin stm., ein Liebliugswort Gottfried's; sin, wie unser:
- Sinn vieldeutig, ist öfters durch Synonymen wie Verstand, Inhalt u. dgl.
- zu geben, sin, hier: Fähigkeit der Beurtheilung. Wird die Kritik persön-
- lich, dann ist sie keine Kritik mehr.
- 37—40: 37 stege pl. von stec, Steg, wenn nicht im Gegensatz zu stege
- in V. 39 zugleich ein Wortspiel gesucht ist: stege pl. von stege stf. (sonst
- auch swf.). Stiege, Treppe, steile Bahn; 40 stege conj. praes. von siegen
- swv., einen Steg bereiten, dann bildl. : erstreben. — 38. 39 V)ege pl. von
- wec; wege in V. 38 vielleioht auch zugleich pl. von wege stf., Bahn (aller-
- dings seltenes Wort); 40 wege conj. prses. von ivegen swv., einen Weg
- bereiten, zugleich ist wege conj. von wegen wie V. 30. 31, abwägen, schätzen.
- Nicht eine Bedeutung ist in diesen Fällen anzunehmen, sondern die Worte
- haben bei unserm Dichter wirklich den Doppelsinn; es sind eben Wort-
- spiele, die wir leider nicht nachahmen können. — 37 hei interj. hat niclit
- immer die Bedeutung des fröhlichen Aufjauchzens , sondern auch die der
- Klage^=ach. — tugent stf., vieldeutiges Wort: Tüchtigkeit, Vollkommen-
- heit. Eine Eeminiscenz an Matth. 7, 14 ist hier wohl anzunehmen. —
- 38 luruberLldi adj., (kümmerlich), kummervoll, beschwerlich. Zur.^ Voll-
- kommenheit, zur Größe zu gelangen, ist schwer und nur wenigen vergönnt. —
- 39 die dine: im Mlid. vor dem Possessivpron. auch der Artikel. — Glücklich
- der, welcher zu den Auserkorenen, allgemein Anerkannten gehört.
- 41 — 44: 41 hin gehört zu trtbe: hintreiben, hinleben, verbringen;
- 43 hin nicht zu vare zu ziehen (hinfahren, hinleben), sondern ist mit sus
- (synonym von so, vgl. 670) ein Begriff; sus /i/« = sodann. fernerhin, wie in
- V. 4393. 6::03. — 41 Dieser Vers benutzt als Anfang des Schwanks vom
- Häslein, Hagen's Gesammtabenteuer Nr. XXI. — trW und vare in V. 43
- prjBS. in der Function des Conj, prset. ; vgl. 135 fg. — zit in der Regel wie
- nhd. stf, ; vgl, zu 18892. — vergebene adv. hat wie das nhd. : umsonst die
- doppelte Bedeutung frustra ( = nhd. vergebens) und gratis; hiev frustra,
- ohne etwas zu schaffen; vgl. zu 12398. — 42 sitec adj., zeitig, reif. — so
- I. EINGANG. 7
- Ich hall mir eine unmüezekeit 45
- der vverlt ze liebe vür geleit
- und edelen herzen z'einer hage,
- den herzen, den ich herze trage,
- der werlde, in die min herze siht.
- ich meine ir aller werlde niht 50
- als die, von der ich hoere sagen,
- diu deheine swsere müge getragen
- lind niwan in fröuden welle sweben:
- die läze ouch got mit fröuden leben!
- Der werlde und diseme lebene 55
- enkumt min rede niht ebene:
- ir leben und minez zweient sich,
- ein ander werlt die meine ich,
- diu sament in einem herzen treit
- ir siieze sür, ir liebez leit, 60
- ir herzeliep, ir senede not,
- ir liebez leben, ir leiden tot,
- ir lieben tot, ir leidez leben:
- dem lebene si min leben ergeben,
- der werlt wil ich gewerldet w^csen, 65
- mit ir verderben oder genesen.
- relat., wie sehr. — 43 .tone^^so-ne enklit. Negation. — varen stv., gehen,
- leben. — 44 ijeirerUlet, eine Gottfriedische Bildung wie noch in V. 65,
- ahnlich wie: geschult; etwa: welterfüllt.
- 4ö annuiezekeit stf., Unmiiße, Arbeit, Aufgabe. — 4ö vür legen, vor-
- setzen, auferlegen. — 47 /ia{je stf., Behagen, Freude. — 48 herze tragen
- mit dat., einem Herz, Neigung entgegentragen, für einen Neigung hegen,
- ehen&o friJude ir. 2.')1; naiot (r. 3404; vgl. zu 77;). — 50 ihrer aller Welt, die
- allgemeine Welt meine ich nicht; werkle ist wohl nicht = der toerlde gen.
- sing. abh. von nUit (alsdann = uichts), sondern entweder = (//e werlde j^lur.
- acc, wie tcerlt öfter gebraucht wird, wogegen freilich V. 58 spricht, oder
- die werlde sing. acc. Nebenform von werlt: s. zu 10868. — 51 als=als6,
- wie zum Beispiel. — die ich nur von Hörensagen, nicht aus eigener
- llrfalirung kenne. — .12 dehein , daneben einsilbig kein, adj. pron. = lat.
- >tUii!f, irgendein oder kein; hier: kein. — swccre s,ti., Beschwerde, Kununer.
- — 'j'-tratjen stv., verstärktes tragen, ertragen. — r)4 schalkhafte Bemerkung :
- diese Leichtlebigen und Vergnügungssüchtigen sind zwar nicht nach meinem
- «ieschmacke, aber meinethalben : möge es ihnen nur immer gut gehen. —
- iiiitfrnuden, hier im stilistischen Gegensatz zu in fröuden nicht = nhd. mit
- Freuden, sondern =^ ?/(// Iiulden: vgl. zu 1*51.
- .')(3 rede stf. ist hier wohl noch nicht bestimmt die dichterische Rede,
- die Erzählung, sondern im Allgemeinen die Sache, die in Rede steht, das
- Vorhaben. — etieiif adv., be(iuem , passend, gelegen. — hl zweien swv.,
- trennen [noch in : entzweien]. — 59 .■iamcnt (Nebenform saviet s. zu 3170)
- adv., zusammen. — <;o derselbe Vers in Rudolfs von Ems Barlaam V. 5156
- (13(t,lt;), — süeze^^süezez. — si'r adj. subst. stn., das Saure, Bittere. —
- <>l herzfUe}) stn., Herzensfreude, wie in V. 185. 232 dorn herzeleit entgegen-
- gesetzt. — senede \>a.Ti. ^= senendc; v. not, Sehnsucht, Liebesnoth. — 62 leit
- adj., leid, selten mehr attributiv, dafür: leidig; trüb; vgl. I7.i0. — 65 ge-
- werldet muß hier den Begriff haben : der Welt zugesellt, darum dabei der
- Dativ. — vexcn stv., sein. — 6»; genesen stv., am Leben bleiben.- verderben
- Wt geneien=^\\n?,cvn\: leben oder sterben. —
- 10 I. EINGANG.
- wan ein dinc, daz mir widerstät:
- swer innecliclie liebe hat,
- doch ez im we von herzen tuo,
- daz herze stet doch ie dar zuo. 110
- der iunecliche minnenmuot,
- so der in siner senegluot
- ie mere und mere brinnet,
- so er ie serer miunet.
- diz leit ist liebes alse vol, 115
- daz übel daz tuot so herzewol,
- daz es kein edele herze enbirt,
- Sit ez hie von geherzet wirt.
- ich weiz ez wärez alse den tot
- und erkenne ez bi der selben not: 120
- (5) der edele senedaere
- der minnet senediu maere.
- von diu swer seneder maere ger,
- derne vär niht verrer danne her:
- ich wil in wol bemseren 125
- von edelen senedseren,
- 107 wan conj., nisi, eUiptisch: wenn ein Ding, ein Umstand nicht wäre. —
- u-iderstän, hier nicht im nhd. Sinne: zuwider sein oder Widerstand leisten,
- sondern: entgegenstehen, einen Gegensatz bilden, etwa: dagegen sprechen.
- — Iü9. 110 das erste doch relativ wie noch in V. 11G77. 14236, wenn auch,
- obgleich (mhd. im Ganzen nicht häufig, bei Gottfried nur vereinzelt, nhd.
- abgekommen), das zweite cZocä demonstr.= nhd. — 110 te adv., immer. Das
- Herz hält doch immer daran, an der Liebe fest. — 111 minnenmuot fasse ich
- als Zusammensetzung : Liebesjnuth, Liebessinn. — 112 senegluot stf., Sehn-
- suchtsglut, Liebesglut. — 113 brinnen stv.=nhd. brennen swv. , entzündet
- sein, glühen. — 114 serer compar. von si/re, heftiger. — 115 liebes, wohl nicht
- gen. von liep adj. subst., des Erfreuenden, sondern von liep stn. (dem leit
- entgegengesetzt), die Freude wie in V. 221.— 116 herzeicol, herzlich wohl. —
- 117 enbern stv. mit gen. (es), (etwas entbehren), auf etwas verzichten. —
- 118 Sit conj., (seit), nachdem, sobald einmal. — gelierzet part. von herzen,
- geherzen wie in V. (31.t2, ermuthigeu, erfrischen. Die reiche Freude, welche
- zugleich im Liebesschmerze liegt, stärkt das Herz, läßt es nicht brechen.
- Man kann aber auch gelierzet im Stile Gottfricd's als direct von herze abge-
- leitet ansehen, dann wäve geherzet part. defect. soviel wie: herzerfüllt (vgl.
- gerierldet V. 44). — 119 warez starke Flexion, wörtlich : als etwas so Wah-
- res, Gewisses. Diese betheuernde Wendung bei Gottfi-ied ziemlich häufig
- z. B. 5837. 9432. 10492. 17751; veränderte Formel in V. 14417: dieselben
- oder ähnliche Ausdrücke aucli bei andern Dichtern, vgl. Haupt zu Engel-
- hard 2102 und Sommer zu Flore 3756. — 120 ich erkenne es. d. h. ich
- habe es kennen gelernt bi, an derselben Noth; ich weiß eä aus eigener
- Erfahrung. — 121 auf edele liegt der Nachdruck. — 123 von diu (instru-
- mentalis), deshalb. — 124 varen, varn stv., (fahren), überhaupt: gehen. —
- verrer compar. von verre adv., ferner, weiter. — danne adv. hier nach compar.,
- denn, als. — lier adv., bis hierher. Der suche nicht weit herum. — ■ 125 be-
- mccren swv. findet sich ferner in V. 17231 im Sinuc von: besprechen, er-
- zählen, ähnlich in Ulrich's von Tiirheim Tristan in V. 2115 (550,15); steht
- dasselbe Wort auch hier, dann ist in nach dem Sinne dat. pl. : icli will
- ihnen erzählen. Gottfried's Eigenart gemäßer ist hier bemceren mit acc.
- (ihn), einen mit mcvre, mit einer Erzählung, versehen. —
- I. EINGAKG. 11
- die reiüe scne vvol täten schin:
- ein senedaere, ein senedserin,
- ein man, ein wip; ein wip, ein man,
- Tristan, isot; Isot, Tristan. 130
- Ich M-eiz wol, ir ist vil gewesen,
- die von Tristande haut gelesen;
- und ist ir doch niht vil gewesen,
- die von im rehte haben gelesen.
- Tuen aber ich diu geliche nuo 135
- und schephe miniu wort dar zuo,
- daz mir ir iegeliches sage
- von disem maere missehage ,
- so wirbe ich anders, danne ich sol.
- ich entüon es niht: si sprächen wol 140
- und niwan üz edelem muote
- mir unde der werlt ze guote.
- benamen si täten ez in guot:
- und swaz der man in guot getuot,
- daz ist ouch guot und wol getan. 145
- aber als ich gesprochen hän,
- daz si niht rehte haben gelesen,
- daz ist, als ich iu sage, gewesen:
- sine sprächen in der rihte niht,
- als Thomas von Britanje gibt, 150
- 127 se7ie stf., (Sehnsucht), Liebespein, oft geradezu synonym mit lieOe und
- minne. — schtn adj., offenbar, sclnn tuon mit acc, klar machen, offen-
- baren, zeigen. — 12S seneda'rin stf. s. zu 98.
- 1.32. l.'U beide lesen stÜRemäß verscbieden; das er8te = nlid. lesen,
- das zweite = vortragen, berichten, erzählen; vgl. si sprächen in V. 140
- und lese» iu V. 230. Vgl. auch ^u 2t55ü. — 1.34 rehte adv., aufrechte "Weise;
- im Worte liegt der Doppelsinn : richtig und gut, den Gottfried gleich nach-
- her in V. 14t) fg, aufklärt. — haben (im Gegensatz von hänt 132) conj.,
- haben mögen.
- 1.35 iliu (instruraent. wie in V. 123) geltche (adv.), desgleiclicn, glei-
- cher Maßen. Die Worte an sich sind klar; bezichen sie sich auf das
- vorhergehende Urtheil: fahre ich iu gleicher Weise mit meinem Tadel
- fortV oder: erwähle ich ebenfalls den Koman von Tristan, werde ich
- Concurrent meiner Vorgänger V — 13(! schrphen swv., hier bestimmter als
- in V. 21: bilden, gestalten. Spräclie ich mich außerdem sogar dahin aus.
- — 137 sacie stf.. Aussage; die Darstellung (aller Erzäliler). — 138 rnisse-
- hagen swv. = missbehagen. — 13'.) werben stv., handeln. — 144 in getuot ist
- ge- wobl das Perfect : getban hat; öfters kann man schwanken, ob ge-*
- 80 zu erklären ist, oder ob es das Verbum verstärkt. Der Herausge1)er
- wird ni)ch einige derartige Fälle berühren, im Übrigen dem Leser die Be-
- urtheilung der rerfect-Function überlassen; vgl. zu .3.'). — 143 benamen
- (aus 6i nnrnen) adv., in Walirheit, eigentlich; hat hei Gottfried öfters wie
- hier ziemlich den Charakter einer Betheuerung. — 149 rihte stf., Rich-
- tung, rechte Weise. — l.'<0 gilit 3. pers. pra;s. von jehen stv., spreclien. —
- 12 I. EINGANG.
- der äventiure meister was
- und an britünschen buochen las
- aller der lantherren leben
- und ez uns ze künde hat gegeben.
- Als der von Tristände seit, 155
- die rihte und die warheit
- begunde ich sere suochen
- in beider hande buochen
- waischen und latinen,
- und begunde mich des pinen, 160
- (6) daz ich in siner rihte
- rihte dise tihte.
- sus treip ich manege suoche,
- unz ich an einem buoche
- alle sine jehe gelas, 165
- wie dirre äventiure was.
- waz aber min lesen do wsere
- von disem senemaere:
- daz lege ich miner willekür
- allen edelen herzen vür, 170
- daz si da mite unmüezic wesen:
- ez ist in sere guot gelesen,
- guot? ja, innecliche guot:
- 151 äventiure stf., eines der vieldeutigsten Worte, hier : Erzählung, Koman.
- — meister stm., hier : Dichter, äventiure kann gen. plur. sein , dann all-
- gemein: Dichter von Romanen; oder gen. sing., dann: Dichter der vorliegen-
- den Erzählung, der äventiure meister ist aber nicht, wie Heinzel in Haupt's
- Zeitschr. 14, 272 will: Chronist. — 152 an prsep. bei lesen=nhd. in. — lesen,
- hier höchst wahrscheinlich wieder: erzählen. — britünsch, britunisch adj.,
- hretonisch. — 151-i der ist wohl nicht bloßer Artikel, sondern Demonstrativ:
- aller jener (der bekannten) Landherren, Landesfürsten, einheimischen Ade-
- lichen. Die Zusammensetzungen mit lant-=nhd. Land- oder = nhd. Lan-
- des-, Lands-, nie im Gegensatz zur Stadt oder zum Meer und öfters die
- Allgemeinheit bezeichnend, sind bei Gottfried recht häufig. — Ibi ze künde
- stf. (nhd. Kunde) yeben, bekannt machen.
- 156 wär/ieit stf., die rechte Quelle. — 15S hande gen. pl. von Jtant in
- der Bedeutung: Art (während die regelmäßige Form hende lautet); beider
- hande. beider Arten, beider Art; ferner zweier hande 1332, welcher hande
- 3540 (s. die Bemerkung), sogar jaemerllcher hande 7277 [nhd. erhalten in:
- allerhand]. — 159 valach (auch välsch) adj., wälsch, romanisch. — Latin
- adj., lateinisch. — IfiO beginnen im Mhd. neben ze mit Infinitiv auch mit
- bloßem Infinitiv, bei Gottfried wiegt letzteres vor; vgl. Gr. 4,95. 108. —
- ptnen swv. refl. mit gen., (peinigen), sich um etwas bemühen. — 162 rihte
- ^Tpnet. = rihtete (nicht prjes. ) von rihten swv.. einrichten, ausführen. —
- tihte stf., Dichtung, aber nicht körperlich zu fassen; getihte stn. ist da-
- gegen meist das fertig vorliegende Gedicht. — 163 suoche stf., das Suchen,
- Nachsuchung, Forschung. — 164 anze, unz adv. conj. und prpep., bis. —
- 165 gelesen, verst. lesen. — 166 dirre äceniiure {gen.): wie es um diese Ge-
- schichte stand. — 169 väner luilleiür adv. gen., nach meinem freien Ent-
- schlüsse. — 172 nach ez ist mir guot. ließ steht mhd. in der Eegel das Partie,
- prset., wo wir Infinitiv mit zu setzen; vgl. Gr. 4,129. —
- 1. EINGANG. 13
- ez liebet liebe und edelt muot,
- ez staetet triuwe und tugendet leben, 175
- ez kan wol lebene tugende geben;
- wan swä man beeret oder list
- daz von so reinen triuwen ist,
- da liebent dem getriuwen man
- triuwe und ander tugende van: 180
- liebe, triuwe, stseter muot,
- ere und ander manic guot,
- daz geliebet niemer anders wa
- so sere noch s6 wol so da,
- da man von herzeliebe saget 185
- und herzeleit üz liebe klaget.
- lieb' ist ein also sseiec dinc,
- ein also sseleclich gerinc ,
- daz niemen äne ir lere
- noch tugende hat noch ere. 190
- so manec wert leben, so liebe frumet,
- so vil so tugende von ir kumet,
- owe daz allez, daz der lebet,
- nach herzeliebe niene strebet,
- daz ich so lützel vinde der, 195
- 174 lieben ewv., hier traus. (ahd. liuhjit), lieb, angeuchm macheu wie noch
- in V. 8297. (Das Wort erhalten nur in der andern Bedeutung amare, lieb
- haben , und dieses bei Gottfried nur mit dem Acc. der Sache wie in
- V. 123Ö1. 18982; eine Person lieben ist rninnen; vgl. zu 27. 492.) — eclelen, edeln
- 8WV., veredeln. — 175 stosten swv., stätigen, stätig machen. — tutenden
- 8WV., mit Tugenden zieren, werthvoll machen; das Wort, auch sonst ver-
- einzelt gebraucht, passt recht in Gottfried's Redeweise; vgl. 17975. —
- 176 tu'jent steht häufig im Plural; tiiyende liier: Vorzüge, Zierden. —
- 179 lieben swv. intrans. (wie in V. 27) hier mit dat. der Person. — 180 da
- im vorhergehenden Vers gehört zu vati. va7i = vo>i , eine Alterthümlich-
- keit (keine dialektische Besonderheit), bei Gottfried sehr häufig, aber nur
- als Abverb und im Keime. — 181 atcete adj., beständig, fest, synonym mit
- triuwe; vgl. 12941. 16404. — 183 yeliebet perf., liat beliebt, ist lieb geworden.
- — niemer — noch (184)=nhd. nimmer — und. — 184 su — äo — so = so — so
- — wie. — 185 lierzeliebe nicht dat. von -liebe stf., was schon liebe (186) sti-
- listisch verbietet, sondern von herzeUep stn. ; vgl. zu 61. — 186 hier ist
- klai/en swv. mit acc. nicht: beklagen, sondern: etwas klagen fnhd. von
- Krankheiten gesagt], innerlicher und passiv gefasst: etwas sclimerzlich em-
- pfinden; vgl. zu 198. — 187 sdiiec adj., (selig), gesegnet. — 188 sceleclich adj.,
- synouyme Bildung von sa-lec, hier im Gegensatze subjectiv zu fassen : segen-
- bringend, beglückend. — yerinc stm., Ringen, Bemühen. — 190 noch — noch
- ^nhd. weder — noch. — 191 wert adj. unflect. = ut';-rfei, werth, glücklicli.
- — liebe ist nom. — frurnen swv., schaffen, bewirken. — so vertritt das
- Object: wie es die L. schafft oder: welches u. s. w. — 192 = so vil tugende
- (gen. pl.) so ... — 193 der aus dar pron. adv., da, noch jetzt nach dem
- Belativum, namentlich in der Bibelsprache. Dieselbe Wendung in V. 1410;
- coUecti" für: aUe, die da leben. — 195 ^«7?^/ adj., wenig, klein; hier neutr.
- Bubst. (ähnlich wie vil), wenig. —
- 14 I. EINGANG.
- die lüterliche herzeger
- durch friunt ze herzen wellen tragen
- niwan durch daz vil arme klagen,
- daz hie bi z'etelicher zit
- verborgen in dem herzen lit. 200
- (7) War umbe enlite ein edeler muot
- niht gerne ein übel durch tüsent guot ,
- durch manege fröude ein ungemach?
- swem nie von liebe leit geschach,
- dem geschach ouch liep von liebe nie. 205
- liep unde leit diu waren ie
- an minnen ungescheiden.
- man muoz mit disen beiden
- er' unde lop erwerben
- oder ane si verderben. 210
- von den diz senemaere seit,
- und hseten die durch liebe leit,
- durch herzewunne senedez klagen
- in einem herzen niht getragen,
- sone waere ir name und ir geschiht 215
- so manegem edelen herzen niht
- ze sselden noch ze liebe komen.
- uns ist noch hiute liep vernomen,
- süeze und iemer niuwe
- ir inneclichiu triuwe , 220
- ir liep, ir leit, ir wunne, ir not;
- 196 lüterllch adj., lauter. — herzeger stf., Herzenssehnsucht , Herzensnei-
- gung. — 198 wir sagen: und nur. — vil adv. zur Verstärkung, gar, sehr.
- — arra adj., gering (wohl nicht: erbärmlich, wie es Benecke zu fassen
- scheint zu Iwein 2847). — klagen subst. inf. stn., hier nicht das laute Kla-
- gen, der Schmerzausdruck, sondern die Sclimerzemiifindung, das Leid. —
- 199 hie bi nämlich bei der herzeger. — eteltch, auch etealich = etlich,
- manch ; z'etelicher zit, bisweilen. — 191 — 200 Der Dichter beklagt, daß trotz
- des Glückes der Liebe und ihrer schönen Wirkungen doch so wenige
- lieben wollen und zwar nur um das ganz geringe Leid, welches unmerk-
- lich mit der Liebe verbunden ist, zu vermeiden.
- 202 guot ist Plural; Wohlthaten, wohlthuende Empfindungen. — 207 un-
- gescheiden part. adj., ungeschieden: in, bei der Minne vereint. — 211 ab-
- hängig von die in V. 212. — 212 und mit folg. Conj. conditional; wir
- können dieses und vielfach gerade so setzen, in der Regel reicht der Con-
- junctiv aus: hätten die u. s. w. Gottfried liebt dies conditionale und,
- vgl. z. B. V. 222. 2.376. 6062. 13724. — 215 geschieht stf., Geschichte, Schick-
- sal. — 217 scelden dat. pl. von soelde stf.. Glück, Heil; häufig wie hier
- im Plural gebraucht. — 218 vernomen s. zu 172; ähnliche Wendung in
- V. 517.5. — 219 Apposition zu liep in V. 218. — niuwe adj., frisch und er-
- frischend, etwa: anziehend. —
- I. EINGANG. 15
- al eine und sin si lange tot,
- ir süezer name der lebet iedoch,
- und sol ir tot der werkle noch
- ze guote lange und iemer leben, '225
- den triuwe gernden triuwe geben,
- den ere gernden ere:
- ir tot muoz iemer mere
- uns lebenden leben und niuwe wesen;
- wan swä man noch gehöret lesen 230
- ir triuwe, ir triuwen reinekeit,
- ir herzeliep, ir herzeleit,
- Deist aller edelen herzen bröt.
- hie mite so lebet ir beider tot.
- wir lesen ir leben, wir lesen ir tot: 235
- und ist uns daz süez' alse brot.
- Ir leben, ir tot sint unser bröt.
- sus lebet ir leben, sus lebet ir tot.
- sus lebent si noch und sint doch tot,
- und ist ir tot der lebenden brot. [240]
- (8) Und swer nu ger, daz man im sage
- ir leben, ir tot, ir fröude, ir klage, 240
- der biete herze und ören her:
- er vindet alle sine ger.
- 222 al eine adv. coiij., (allein), obgleich, und als Conditioualpart. tritt
- verstärkend hinzu [vgl. nhd. wenn aucli, obgleich aucli]. — 230 noch adv.,
- noch fernerhin, in Zukunft. — ge/imren, verstärktes hoeren; bei Grottfried
- öfter.
- 233 — [24ii]. In Hagen's Ausgabe sind 2 Verse nicht mitgezählt. —
- JJieso beiden Strophen mit der spielenden Wiederholung derselben Keime
- machen keinen künstlerischen Eindruck. Sie auf eine zu reducieren, macht
- Schwierigkeiten. Ich gebe Hermann Kurtz recht, wenn er in seinen An-
- merkungen S. ").^G sagt: ('Sollten diese Zeilen je von (lottfried herrüliren,
- 80 müsste man doch annehmen, daß sie versuchsweise auf den ersten
- Wurf in sein Manuscript kamen und der späteren Überarbeitung beson-
- dere vorbehalten blieben. »
- 24(1 k-luf/e stf., hier (wie klagen in V. 198) der fröude entgegengesetzt:
- der Schmerz. — 242 f/rr stf., Kegehren, Wunsch; hier objectiv: was er
- wünscht; vgl. zu 4.")2.
- n.
- RIWALIN UND BLANSCHEFLUR.
- Eiu juuger Fürst in Parmenien, Kiwalin mit Namen und mit dem
- Beinamen Kanelengres, zieht gegen den bretonischen Herzog Morgan, von
- dem er ein Lehen besaß, zu Felde. Mit -wechselndem Glücke wird der
- Krieg geführt. Endlich schließen sie auf ein Jahr lang Friede; und Ri-
- walin kehrt voll Befriedigung in sein Land zurück.
- Kanel rüstet sich zu einer neuen, aber friedlichen Fahrt an den Hof
- Marke's, des jungen weitberühmten Königs von Kurnewal und Engeland.
- Parmenien vertraut er der Obhut seines Marschalls Enal li foitenant.
- König Marke empfängt den Gast mit allen Ehren. Beim lieblichen
- Maienfeste Ün Tintajoel's Nähe werden Eitterspiele gehalten, in welchen
- sich Eiwalin glänzend hervurthut und aller Frauen "Wohlgefallen erregt.
- Er sieht Marke's schöne Schwester Blanscheflur und begrüßt sie. Bald
- vereint beide eine glühende Neigung.
- Nach Beendigung des Festes bricht ein Feind in Marke's Land. Ei-
- walin im Heere der Landesvertheidiger wird auf den Tod verwundet. Nie-
- mand trägt größeres Leid als Blanscheflur. In Verkleidung sucht sie den
- Todtwunden in seiner Einsamkeit auf und ergibt sich ihm in inniger Um-
- armung, nicht ahnend, daß sie mit dem empfangenen Kinde den Tod em-
- pfangen sollte. Eiwalin gesundet, und die Liebenden genießen in traulichem
- Umgange des höchsten Erdenglücks.
- Nicht lange danach kommt Eiwalin die Kunde, Morgan bedrohe sein
- Land, und er rüstet sich zur Heimkehr. Sein Scheiden betrauert Blansche-
- flur aufs tiefste. Beim Abschiede gesteht sie ihm ihre drohende Schande.
- Eiwalin tröstet und überredet sie, mit ihm das Land zu verlassen. Nach
- der Ankunft in Parmenien entbietet er seinen Marschall Eual zu sich, auf
- dessen Eath er sich mit Blanscheflur ehelich verbindet. In sicherer Obhut
- lägst er sein "Weib zurück und zieht mit Eual gegen den Feind. In har-
- tem Kampfe findet Eiwalin den Tod. Blanscheflur wird vom Schmerze
- überwältigt, gebiert ein Söhnlein und stirbt.
- II. RIWALIN UND BLANSCHEFLUB. 17
- Ein herre in Parmenie was,
- der järe ein kint, als ich ez las:
- der was, als uns diu wärheit 24.5
- an siner äventiure seit,
- M'ol an gebürte künege genoz,
- an lande fürsteu ebengroz,
- des libes schoene und wunneclich,
- getriuwe, küene, milte, rieh; • 250
- und den er fröude solte tragen,
- den was der herre in sinen tagen
- ein fröude berndiu sunne.
- er was der vrerlde ein wunne,
- der ritterschefte ein lere, 255
- siner mäge ein ere,
- sines landes zuoversiht:
- an ime brast aller tugende niht,
- der herre haben solde,
- wan daz er ze verre wolde T 260
- in sines herzen lusten sweben 1
- und niwan nach sinem willen leben; •
- daz ime ouch sit ze leide ergie.
- wan leider diz ist und was ie:
- üf gendiu jugent und voUez guot , 265
- diu zwei diu füerent übermuot.
- 243 hvrre swra. mit t : die Kürze bei G. nicht erwiesen. Das vieldeu-
- tige Wort kann in den meisten Fällen durch : Herr wiedergegeben wer-
- den, indem aucli im neuen AVorte, poetisch gefasst, die Begriffe wie Gott,
- Ritter, Fürst u. s. w. enthalten sind. Erklärungen im Einzelnen daher
- nicht geboten. — 244 ein kint, überhaupt: jung, ein Jüngling, Knabe. —
- 246 äventiure stf. synonym mit gesdiilit, hier : Geschichte. — 24S ebenyruz adj.,
- gleich an GröCe, Macht [vgl. ebenbürtig] : G. liebt diese Bildungen mit eben ;
- 8. auch zu lü"<74. —247. 248 künec geht hier auf die Geburt, //irA^e auf die
- Herrschaft, darum folgt der letztere Vergleich als Steigerung an zweiter
- Stelle. — 250 stilgemäßer ist vtilfe, rieh , als milte rieh, mildreich, reich an
- Milde, sehr freigebig (vgl. vier Bezeichnungen ohne Copula in 6iner Zeile
- z. B. in V. 2915 1. — milte adj., mild oder; freigebig. — unter rieh (volle
- Form riehe in V. 745) adj. kann nicht reich, mächtig verstanden sein, was
- schon vorher gesagt ist, und weil hier Tugenden genannt werden; man
- könnte denken: charaktervoll, von mächtiger Persönlichkeit; wahrschein-
- licher ist rieh im Sinne von freigebig, Steigerung von milte, und dieses
- wäre in unserm Sinne mild, voll Herzensgüte; vgl. zu 4469. — 251 friiude
- steht hier synonym mit juuot, huLde; vgl. zu ■)4. 773. — 2.')3 bern stv., bringen,
- auch hervorbringen, gewähren; ein edeles, poetisches, bei G. besonders
- beliebtes Wort, fröude bernde, freudebringend, erfreuend. — 25t) mdc stm.,
- gen. maf/es. Verwandter. — 258 bresten stv. mit gen., hier in übertragener
- Bedeutung: gebrechen, an etwas fehlen. — 259 Attraction möglich = rff;'
- fügende die; eher der gen. part., quartnn; vgl. 2543. — hi'rre=ein herre. —
- 260 v:an daz, nur daß. — ze verre adv., zu weit, allzusehr. — 263 sU adv.,
- seitdem, einst. — 266 ähnlich V. 8406. — bei übermuot wie in V. 340 nicht
- ersichtlich, ob stm. oder stf.; b. zu 297. 582. —
- GOTTFRIED VOX STEASSBURG. I. 2. Aufl. 2
- 18 II. RIWALIN UND BLANSCHEFLUR.
- vertragen, daz doch vil manic man
- in michelem gewalte kan,
- dar an gedähte er selten;
- übel mit übele gelten, 270
- kraft erzeigen wider kraft:
- dar ziio was er gedanchäft.
- Nune löufet ez die lenge niht,
- der allez daz, daz ime geschiht,
- mit Karies lote gelten wil. 275
- weiz got, der man muoz harte vil
- an disem borge übersehen
- oder ime muoz dicke schade geschehen.
- (9) swer deheinen schaden vertragen kan,
- da wahsent dicke schaden an, 280
- und ist ein yeiclicher site: ;Si't''-"
- hie vähet man den beren mite, "■
- der riebet einzele schaden,
- unz er mit schaden wirt beladen,
- ich waene, ouch ime alsam gescbach, 285
- . wan er sich alse vil gerach,
- 267 vertragen inf. subst. , verträglich geschehen lasseu. — 268 selbst bei
- großer Gewalt, Macht. — 269 selten adv. [das Adj. neueren Ursprungs]
- könnte jetzt ebenfalls in solcher Verbindung gesagt werden ; ebenso V. 4421.
- seZie« hat meist die Bedeutung : niemals; vgl. 4418. 12819. Eine Ironie liegt
- aber hierin keineswegs, wie vom Begriff des modernen Adjectivs aus gelehrt
- wird, sondern selten ist einfach schwächer geworden und hat den Charakter
- der Negation eingebüßt; vgl. zu 322. — 270 gelten atv., vergelten. — 271 kraft
- stf., Gewalt, Gewaltthat. — 272 gedanchäft adj., auf etwas denkend, be-
- dacht ; ein von G. gern gebrauchtes Wort , sonst äußerst selten.
- 27.3 G. liebt die Fortführung der Erzählung mit nu, demonstrativ und
- relativ, mit folgendem Praesens w^ie mit folgendem Prset. ; vgl. z. B. 534.
- 1636. 3251. 3377 und zu 333. 435. — die lenge loufen=nh.d. die Länge, auf
- die Länge, Dauer gehen. — 274 der = svjer. — 275 wörtl.: mit Karl's (des
- großen Kaisers) Loth (Gewicht) vergelten (abwägen), eine im Mhd. beliebte
- formelhafte Wendung : «etwas nach der größten Strenge erwidern , dem
- Andern nicht das Geringste übersehen oder zu Gute halten.» Benecke. —
- 276 weiz got oder weizgot gehört zu den häufigsten Betheuerungen im
- Tristan. — der man, hier wie man ; vgl. Gr. 4, 459. — 277 bore stm., das Er-
- borgte, dann überhaupt: das Zugefügte (vgl. das übertragene vergelten);
- bore als Wort von Kurtz gut gegeben durch: «Handel». — 280 an wahsen,
- daraus erwachsen. — dicke adv., oft: compar. dicker 6440, superl. dickest 5076.
- — schade swm. hier im Plural (wie in V. 283), Schäden, Verluste; ähn-
- liche Wendungen in V. 1065. 1239. — 281 veiclich adj., (eigentlich: zum
- Tode bestimmt), unselig. — site stm., Sitte stf., Brauch, im Allgemeinen
- auch: Art und Weise; site bei G. iin Ganzen nicht häufig, mit Vorliebe
- dagegen in Compositionen angewandt wie bastsite , hovesite u. s. w. —
- 283 gemeint sind die einzelnen Bienenstiche. — 285 wcenen swv. , über-
- haupt : glauben, meinen. — alsam (al-sarn b. zu 8490) adv., ganz so, eben-
- so. — 286 wan=wande conj. im Nebensatze, weil; s. zu 77. — gerach
- wohl nicht praet. von gerechen wie in V. 10213, verstärktes rechen, son-
- dern ge- drückt die Gewohnheit aus: sich zu rächen pflegte; das Plus-
- quamperfect dagegen in V. 18932. —
- II. RIWALIN UND BLANSCHEFLÜR. 19
- biz er den schaden dar an genam.
- daz aber er ie ze schaden kam, - -^^Lx^
- daz enköm von archeite niht,
- da von doch manegem schade geschiht: 290
- ez kom von dem geleite
- siner kintheite,
- daz er in siner blüenden jugent
- mit jugentlicher herren tugent
- wider sin selbes saelden streit. ' 295
- daz geschüof sin spilndiu kintheit,
- diu mit ir übermuote
- in sinem herzen bluote.
- er tete vil rehte als elliu kint,
- diu selten vorbesihtec sint: 300
- er nam vür sich niht sorgen war,
- wau lebete und lebete und lebte et dar.
- do sin leben ze lebene vienc,
- uf alse der tagesterne gienc
- und lachende in die werlde sach, 305
- dö wände er, des doch niene geschach,
- daz er iemer also solte leben
- und in der lebenden süeze sweben.
- »
- Nein sines lebenes begin
- der gie mit kurzem lebene hin; 310
- diu morgenliche sunne
- siner werltwünne,
- dö diu von erste spiln began,
- do viel sin gaeher äbent an,
- der ime vor was verborgen, 315
- und laschte im sinen morgen. i
- 387 'jenemen=^neiiien. — 289 archeit stf., Bosheit, arge, übele Gesinnung. —
- 291 geleite stn, mit gen. poetisch umschreibend — von seiner Jugend (s. zu
- 244); vgl. 2068. — 293 da: conj., indem, weil. — 294 tugent, hier: Strebsam-
- keit (die sich in Thatenlust zeigt). — 295 loider prsep. im Mhd. vorzugs-
- weise mit dat. ; erwiesen im Reime z. B. in V. 14051. — stn selbes, sui ipsius ;
- ■wir sagen: sein eigen. — 296 g e seh äff en^= schaffen. — spiln swv. , (spielen),
- sich erfreuen; spilnde part. , vergnügt, heiter. — 297 übermuote dat. von
- übermuot stra., Hochgefühl, stolzer Sinn; vgl. zu 582. — 300 vorbesihtec
- »dj., vorsichtig, vorsorglich. — 302 wan adv. conj., hier nach Negation:
- sondern. — 'H (aus eht) adv., eben, einmal, dem oberd. halt, halter ent-
- sprechend, von G. wirksam angewandt. — dar adv., dahin. — 303 do
- conj .= da (immer zeitlich und causal); in V. 300 do adv.; vgl. zu 11.470.
- — vähen stv., hier: anfangen. — 304 tagesterne 3wm.= Morgenstern. —
- 308 in der lebenden Süßigkeit, im süßen Dasein.
- 313 von f'rste, zuerst. — yjifn swv., hier: funkeln. — 314 goefte adj.,
- jfth, plötzlich. — an oallen , hereinfallen, anbrechen. — 315 vor adv., vor-
- her- vgl. zu 2070. —
- 2*
- 20 II. BIWALIN UND BLANSCHEFLUE.
- wie er aber genennet wsere,
- daz kündet uns diz maere;
- (10) sin äventiure tiiot ez schin:
- sin rehter name was Riwalin, 320
- sin änam was Kanelengres.
- genuoge jehent und w^enent des:
- der selbe herre er wsere
- ein Lobnoissere,
- künec über daz laut ze Lobuois: 325
- nu tuot uns aber Thomas gewis,
- der ez an den äventiuren las,
- daz er von Parmenie was
- unde haete ein sunderz laut
- von eines Britünes bant 330
- und solte dem sin Untertan:
- der selbe hiez liduc Morgan.
- Nu daz der herre Riwalin
- wol und nach grozen eren sin
- wol driu jär ritter was gewesen 335
- und hsete wol hin heim gelesen
- ganzliche kunst ze ritterschaft,
- i ze iirliug' vollecliche kraft, «
- ^* er hsetT'fant, liut' unde guot.
- weder ez do not ald' übermuot 340
- geschüefe, des enweiz ich niht,
- wan als sin äventiure gibt,
- 321 änam, änavie swm., Beiuame, Spitzname. — 322 genuoc adj. flect., wäh-
- rend nhd. genug nur im Singular unflectiert steht ; mhd. genuoc selten =
- hinreichend, meist = viel, groß. Eine Ironie ist ebenso wenig wie bei
- selten (s. zu 269) vorhanden; der moderne Begriff verleitete zu der An-
- nahme. — des nicht direct abhängig von den Verben (jehen mit gen.,
- wcenen mit acc), sondern= deshalb, darüber, in dieser Sache. — 326 geivis
- tuon=^ge-wiss machen, versichern. — 329 ei>i sunderz laut, ein besonderes
- Land, abgesondert vom Stammsitz Parmenien, insofern ein Lehen, was
- die folgenden Verse erläutern; vgl. sunderlant 5623. — HO Britun stm.,
- Breton. — 332 li französischer Artikel; vgl. 467. 3752. f?wc = neufran-
- zösisch ; liduc hier gewissermaßen als Name aufgefasst.
- 333 Nu daz, nachdem, sehr häufige relative Satzverbindung zur Weiter-
- führung der Erzählung bei G.; vgl. z. B. 407. 731. 2786. 5742. 6626 und zu
- 273. 435. — 336 hin heim, hin nach Hause, eine beliebte Wendung Gott-
- fried's. h. h. lesen, einheimsen, zu seinem Besten erwerben. — 337 ganz-
- lich adj., (gänzlich), vollkommen; bei G. nur adj. — 338 urliuge stn.,
- Krieg. — 340 weder — aide (Nebenform von oder), ob — oder. — 342 wan
- hier elliptisch: das weiß ich nicht, aber nur so viel weiß ich, daß . . .
- so in V. 343 fasst zusammen; dieses ivan etwa unserm: genug ent-
- sprechend, mit dem wir bei ausgesprochenem Zweifel die Behauptung fol-
- gen lassen, wenn wir mit: nur, aber, jedoch nicht ausreichen; vgl. 3170. —
- II. RIWALIN ü.ND BLANSCHEFLÜR. 21
- SO greif er Mörga'neu an
- als einen schuldigen man.
- er kom geriten in sin lant 345
- mit alse kreftiger haut,
- daz er im mit gewalte
- genuoge bürge valte;
- die stete muosen sich ergeben
- und Icßsen ir guot unde ir leben, 350
- reht' alse liej) als ez in was,
- nnz er zesamene gelas
- gült' unde güotes die kraft,
- daz er sine ritterschaft
- so stärke gemerte, 355
- swar er mit her gekerte,
- ez waeren bürge oder stete,
- daz er vil sines willen tete.
- (11) ouch nam er dicke schaden dar an.
- er galt mit manegem biderben man; 360
- wan Morgan was an siner wer,
- der bestüont in ofte mit her
- nnd tete in dicke schadehaft;
- wan z' urliug' und ze ritterschaft
- beeret verlüst unde gewin: 365
- hie mite so gänt urliuge hin;
- Verliesen unde gewinnen
- daz treit die kriege hinnen.
- ich wsene, im Morgan alsam tete;
- er valte im ouch bürg' unde stete 370
- und brach im underwilen abe
- sine liute und sine habe
- und tete im, swaz er mohte,
- daz doch niht vil entohte,
- 351 8. zu 6896. — 35li giilte stf., Zahlung, Zins. — kru/t stf., hier: Menge. —
- 354 fg. Constrnction : 354. 355 (so). :inS((l(iz). 356.357 (swar, ez tvccren b. o.
- St., er mit h. gek.). — 3.55 i/e» swv., verst. meren, vermehren. — 356 swar
- (sö-war) adv. correl., wohin. — keren swv. , sich wenden, ge- Function
- des Plusquamperf. — 'dCO [jiUen stv. , hier: entgelten, büßen. — hlderbe adj.,
- tüchtig, tapfer. — 361 auf seiner Hut, zu seiner Wehr, Vertheidigung bereit.
- — HV.\ schadehaft , schadhaft machen [nhd. nur noch von Sachen], in
- Schaden bringen; vgl. 762. — 365 h(erca swv. r-^ gehören. — 368 hinnen
- tra;ie lieißt wohl: hinziehen, verlängern. — 371 underwilen (=under teilen
- dat. pl. von teile) adv., zu Zeiten, bisweilen, öfters. — abe brechen mit dat.
- und acc, einem an etwas Abbruch thun. — .373 mohte nicht=nhd. mochte,
- wünsci.te, sondern^^vermochte , konnte; raugen nur selten mit: mögen zu
- geben. — :;74 tagen anom. v., taugen, nützen. —
- 22 II. RiWALlN UND BLANSCHEFLUR.
- wan in tet iemer Ri walin 375
- mit grozem schaden wider in
- und treip des mit im alse vil,
- unz er in brähte üf daz zil,
- daz er sich nihtes künde erwern
- noch sich niender trüte ernern 380
- niwan in sinen vesten ,
- den Sterkesten unde den besten,
- die selben besäz Riwalin
- und gap im üz voller hant dar in
- bataljen unde striten. 385
- er tete in z'allen ziten
- strackes rehte unz in diu tor.
- ouch hsete er dicke da vor
- turneie und riche ritterschaft.
- alsus lac er im obe mit kraft 390
- und herte in in dem lande
- mit roube und mit brande,
- unz sich Morgan ze tage do bot
- und daz erwarp mit aller not,
- daz ez getaget wart under in zwein 395
- und ein jär fride getragen enein,
- und wart der von in beiden
- mit bürgen und mit ei den
- (12) gestaetet, alse er solte sin.
- hie mite so kerte Riwalin 400
- mit den sinen heim rieh unde fro.
- üz milter hant lont' er in do
- 375 in tiion, hinein (in die Burgen zurüclc) treiben, einschließen. — 378 ü/
- daz zil, an das Ende, endlich dahin. — 379 nihte>> adv. gen., durchaus
- nicht, keineswegs; bei G. selten; subst. gen. =nhd. nichts z. B. in V. 9504,
- — 380 niender adv., nirgend. — trüwen (vgl. 9534) swv. = getrauen, sich
- getrauen, sich gehört zu ernern swv., (ernähren), erretten. — 383 besitzen
- stv. , belagern. — 384 geben nhd. zu übersetzen: bieten, liefern. — 385 ba-
- taljen swv. subst. inf. Fremdwort, Scharmützeln. — 389 turneie pl. von
- turnei stm. , Turnier, Ritterspiel. — riche adj., allgemein: herrlich. —
- 390 obe ligen mit dat., einen besiegen. — 391 heren swv. mit acc, einen
- mit einem Heer, mit Krieg überziehen [erhalten in: verheeren], sodann:
- einem durch den Krieg Schaden zufügen (rauben und brandschatzen). —
- 393 sich ze tage bieten, sich zu einer Frist erbieten oder stilgemäßer tac^^
- Unterhandlung? — 39.') tagen swv., vertagen. — 396 ein jär /nrfe=:nhd.,
- d. h. ein , auf ein Jahr lang Friede ; Zusammensetzung järfride nicht ge-
- boten. — enein {;=in ein) s. zu 820. enein trauen mit acc, etwas zusam-
- men, zu Stande bringen; vgl. 10507. — 399 stceten swv., bestätigen. —
- 400 hie mite , auch liie mite so liebt unter den Epikern besonders G. zur
- Weiterführung der Erzählung, namentlich am Anfang neuerer größerer
- Abschnitte, z. B. 2551. 3440. 4021. 4211. — 401 rieh und V. 403 nicht: reich
- (etwa mit Beute beladen), sondern: glücklich; vgl. zu 745. —
- II. RIWALIN UND BLANSCHEFLUR. 23
- und machte s' alle riebe.
- er lie si froliche
- und wol nach sinen ereu 405
- wider z'ir heimuote keren.
- Nu daz Kanele alsus gelanc,
- nu was da nach vil harte unlanc,
- unz daz er aber einer vart
- durch banekie eneine wart 410
- und er sich aber üz reite
- mit grözer ri'cheite,
- also der eregire tuot.
- al daz geriete und al daz guot,
- des er bediu'fen wolte 415
- und ein jär haben solte,
- daz wart im an ein schif getragen.
- er hgete vil gehoeret sagen,
- wie hövesch und wie erbsere
- der junge künic wsere 420
- von Kurnewäle Marke,
- des ere wuohs do starke:
- der haete do ze siner haut
- Kumewal und Engelaut.
- Kurnewäl was aber sin erbe do. 425
- umb' Engelande stuont ez so:
- daz haete er sit des mäles,
- daz die Sähsen von Gäles
- die Britüne da vertriben
- und si da herren beliben, 430
- von den ez ouch den namen verliez
- 406 heimuote dat. von heimuot stu. oder heimuote stf. uud stn. , Heimat;
- von heimuot stf. müsste wie iu Handschr. W heiinüete stehen.
- 4(J7 iiiir gelinget unpers., nhd. mir gelingt etwas, ich habe Glück. —
- 4u8 eil harte inilanc , nicht gar sehr laug, bald. — 409 aber adv., wiederum.
- — 410 eneine (nach den beiden ältesten Hss.) ausnahmsweise für enein (s.
- zu S20). enein verden mit gen. fV. lü.ifi i/ruhe) , einig werden übe'r etwas,
- beschlieüen. — banekle stf. Fremdwort, Ergötzung, etwa unser: Amüsement.
- — 411 reite =: reitete. nz reiten, ausrüsten. — 412 richeit stf., Reichthum,
- Pracht. — 413 eregir adj. subst., ehrbegierig, ehrgeizig. — ^V.^ hijvesch adj.,
- vieldeutiges Wort im Mhd., (höfisch), fein gesittet. — erbccre adj., (ehr-
- bar), auf Ehre bedacht, edel. — 422 vre ist hier: Ansehen , Macht. — 427 sit
- dex mäles, (sintemal), seit der Zeit, seitdem. — 42U s. Namenverzeichniss.
- — 431 verläzen stv. , von G. in den verschiedensten Bedeutungen und
- Wendungen gebraucht, hier: zurücklassen, aufgeben, nicht länger be-
- halten. —
- 24 II. KIWALIN UND BLANSCHEFLUE.
- daz lant, daz e Britanje hiez,
- und wart ouch iesa do genant
- nach den von Gäles Engelant.
- Ku die daz lant besäzen 435
- und ez ünder sich gemäzen,
- dö weiten s' alle künegelin
- und herren von in selben sin:
- (13) diz wart ir aller imgewin.
- sus begünden si sich under in 440
- slahen ünde morden starke
- und befülhen ouch dö Marke
- sich und daz lant in sine pflege:
- Sit her dient' ez im alle wege
- so sere und so vorhtliche, 445
- daz nie kein künicriche
- einem künege me gediente baz.
- ouch saget di istorje von im daz,
- daz allen den bilanden,
- diu siuen namen erkanden , 450
- dehein künec so werder was als er.
- da hin was Riwalines ger.
- aldä däht' er beliben,
- ein jär mit ime vertriben
- und von im werden tugenthaft 455
- und lernen niuwe ritterschaft
- und ebenen sine site baz.
- sin edelez herze seite im daz:
- erkaude er fremeder lande site,
- da bezzerte er die sine mite 460
- und würde selbe erkant dervan.
- 433 iesd (ic-sd) adv., sogleich.
- 435 jVu (ohne daz) hier relativ ; auch diese Satzverbindung bei G. häufig;
- vgl. 471.1449. 1583.^2129 und zu 273. 333. — besitzen stv. , hier: in Besitz
- nehmen. — 436 ff einäzen = gemessen hatten. — 442 befülhen praet. pl. von be-
- velhen stv., befehlen, empfehlen, in den Schutz eines übergeben. — 443 pflege
- stf., mehr als unser: Pflege; Obhut, Schirm und Schutz. — 44.5 vorJäliche
- adv., mit Furcht, Gehorsam. — 447 baz compar. zu icol , besser (öfters
- auch: mehr, weiter). — gediente = geA\ent hat. — 448 istorje stf., Historie,
- verwendet der Dichter einigemal (V. .5884. 15919) neben äventiure, wdrheit,
- geste. — 449 bUant stm. , Nebenland, Nachbarland. — 450 name steht hier
- umschreibend für die Person, aber geistig gefasst •, sinen n. = ihn; vgl. zu
- 1058. — iirkennen swv, , kennen, kennen lernen. — 451 werder starke
- Flexion. — 452 j^^r stf., hier subjectiv : wünschte er; vgl. 242. — 455 tugent-
- haft adj., wohl erzogen, fein gebildet; vgl. zu 11164. — 457 ebenen swv.,
- gleichmäßig machen, glätten, ausbilden [vgl. feilen, Schliff]. — 461 erkant
- part. steht nahezu adjectivisch im Sinne von V. 451 : bekannt, berühmt. —
- II. BIWALIN UND BLANSCHEFLUR. 25
- mit disen sinnen huob er an:
- er bevälch sin liut und sin lant
- an sines märschälkes hant,
- eines herren von dem lande, ■ 465
- an dem er triuwe erkande,
- der hiez Rüal li foitenant.
- sus kerte Riwalin zehant
- mit zwelf gesellen über se:
- er bedörfte do deheines me, 470
- er hjete her hie mite gennoc.
- Nu sich diu zit also getruoc,
- daz er ze Kurnewäle kam
- und üf dem mer aldä vernam,
- daz Märke der m^ere 475
- ze Tintajole wsere,
- da kerte er sine reise hin.
- da stiez er üz, da vant er in
- (14) und wart des innecliche fro.
- sich und die sine kleite er do 480
- riliche und alse im wol gezam.
- nu daz er dö ze hove kam,
- Marke der tugenderiche
- der enpfieng in tugentliche
- und mit im al die sine. 485
- man bot da Riwaline
- den antphanc und die ere,
- daz ez ime da vor nie mere
- ze deheinen ziten anderswä
- so werde erboten wart so da 490
- 4ü2 tnit disen sinnen, in solcher verständigen Weise. — 463 W«< stn., Volk. —
- 467 foitenant Fremdwort, (der Treue haltende), der Getreue: ständiger
- Beiname Rual's; vgl. 1588 fg. .')nO; wirkliclier Name Foitenant in V. 1640
- und öfters. — 46S zehant adv. , (zur Hand), sogleich. — 470 do , hier wie in
- V. 306 demonstr. , aber rein adverbial = jetzt ; vgl. zu 11. 303. — 471 her
- 8tn., (Heer), Schaar, Mannschaft, Gefolge; ebenso von einer kleinen Zahl
- in V. 1S372.
- 472 getrafjen, sicli zutragen, sich fügen. — 475 niccre adj. , be-
- rühmt. — 477 hin gehört zunächst zu da. — 478 üz stozen (elliptisch ge-
- dacht : ans Land stoßen , um auszusteigen ?) , landen. — 480 die sine ( : Ri-
- waline 4S.'i) stark flect. ^^nhd. schwach: die Seinen. — 481 rtltche = r2ch-
- itche adv., kostbar. — 487 c'nifphanc {='M, anphanc H W) stm. , Empfang,
- speciell Temiinus aus dem Hoflcben, die feierliche Begrüßung der Gäste;
- vgl. 18628. — ere stf., Ehrenbezeugung, die Honneurs. — 488 da vor s. zu
- 315. — nie mn-e , niemals, noch niemals. — 490 ruerde adv., werth, Avür-
- dig, herrlich; oder seht es auf den Eindruck d«s Empfangs: so wohl-
- thuend? —
- 26 II. RIWALIN UND BLANSCHEFLUR.
- hie sputen sine gedanke mite.
- diz liebete ime den hovesite.
- er dähte dicke wider sich:
- «benamen, got selbe der hat mich
- ze diseme lantgesinde bräht! 495
- min sselde hat mich wol bedäht:
- swaz ich von Markes tugenden ie^
- gehorte sagen, deist allez hie.
- sin leben daz ist höfsch unde guot.)'
- sus Seite er Marke sinen muot, 500
- war umbe er kernen waere.
- nu Marke siniu maere
- und sinen müot haete vernomeu,
- er sprach: «got und mir willekomen!
- lip unde guot und swaz ich hän, 505
- daz sol ze iuwerm geböte stän.»
- Kanelengres der was da wol
- des hoves, der hof der was sin vol:
- arm' unde riche hseten in
- liep unde werden under in, 510
- und wart nie gast geminnet baz.
- euch künde er wol geschulden daz:
- der tugenthafte Riwalin
- der was und künde wol gesin
- mit libe und mit guote, 515
- mit geselleclichem muote
- ze ir aller dienste bereit.
- 492 lieben (vgl. 174) hier mit dat. der Person, acc. der Sache, einem etwas
- angenehm machen. Das Prset. liebete (in allen alten Hss. statt liebte)
- eigentlich nicht grammatisch correct; doch ist übei-haupt zu Gottfried's
- Zeit die schwache Conj. schon in Unordnung gerathen ; vgl. Lachmann
- zu Iwein 45. — hovesite stm. , Hofgebrauch, überhaupt: Hofleben. —
- 495 lantgesinde stm. (wie Hausgesinde), das Gesinde, die Bewohnerschaft
- des (dieses) Landes. — 496 bedenken [wie unser: einen mit einem Ge-
- schenke bedenken], für etwas sorgen: mein Glück (hier soelde halb perso-
- nificiert) hat es wohl mit mir gemeint ; völlig vom Nhd. abweichende Bedeu-
- tung von bedenken in V. 14803. — 500 rnuot stm., hier: Absicht. Dieses viel-
- deutige Wort bei Gottfried sehr häufig und unmöglich an allen Stellen in
- seinen Schattierungen zu erklären; es bieten sich Synonyma, falls Muth
- nicht passt, Gemüth, Sinn, Gesinnung, Gedanke und dgl. und erklärt sich
- vielfach durch beigesetzte Adjectiva und synonyme Substantiva.
- h07 V!ol roesen (stn) mit gen., erfreut sein über etwas. — 508 vol wesen
- mit gen. (sin sui, ejus), von einem voll, erfüllt sein [vgl. von seinem Lobe,
- seines Lobes voll sein]. Die Wendung kehrt öfters wieder, z. B. 16409. .
- — 512 ge schulden swv. , verschulden, verdienen. — 514 gesin öfters im
- Interesse des Verses für das einfache sin. — 516 geselleclich adj., freund-
- schaftlich. —
- 11. RIWALIN UND BLANSCHEFLUR. 27
- als lebete er in der werdekeit
- (15) und in der rehten güete,
- die er iu sin gemüete 520
- mit tägelichen tilgenden nam,
- unz Markes hohgezit dö kam.
- die hühzit haete Marke
- besetzet also starke,
- so mit geböte so mit bete: 525
- swenn' er in siiien boten tete,
- so kom diu ritterschaft zehant
- von dem künicriche z' Engelant
- in dem jare z'einem male
- gevarn ze Kurnewäle. 530
- die selben brähten mit in dar
- manege süeze frouwen schar
- und ander manege Schönheit.
- Nu was diu hohgezit geleit,
- benennet unde besprochen 535
- die bliienden vier wöchen,
- so der vil süeze meie in gät
- unz an daz, da er ende hat,
- bi Tintajöl so nahen
- daz si sich undersähen, 540
- in die schoensten ouwe,
- die deheines ougen schouwe
- filS uerdekeit stf., Würde, ehrenvolles Ansehen. — 521 nemen stv., aufneh-
- men, fassen. — r)22 hohgezit stf. = h6hztt , hochztt , Fest, insbesondere das
- Maifest. — .'>24 besetzen swv. , eigentlich: mit Gästen besetzen, dazu ein-
- laden oder in der andern Bedeutung: festsetzen, anberaumen? — 525 so
- — so = so — wie, sowohl — als auch; steht gerne iu Formeln; vgl. z. B.
- 1342. — mit geböte und (so) mit bete , öfters angewandte formelhafte Wen-
- dung, in der gebot nicht als strenger Befehl aufzufassen ist; vgl. zu
- t)252. — bete stf. = nhd. Bitte (bite mhd. äußerst selten). — 526 boten
- tuon wie V. 18163; unser: einen Boten senden trifft den Begriff nicht
- ganz, die Wendung ist abstracter; eher: Botschaft senden; boten tuon ^
- bieten, entbieten, kund thun. — ."i29 mal stn. bei G. nur mit einer Aus-
- nahme (V. 4.')32) von der Zeit gebraucht; z' einem male, zu einer Zeit,
- unser: einmal. — 533 sch6nli<;it stf. ist hier wohl collectiv zu fassen =
- achaene pl. ; es bezielit sich auf die Schönheit der Damen des Gefolges
- (frouiren in V. 532 die edeln Frauen, die Herrinnen); wir würden es pro-
- saisch ausdrücken : und manch andere Schönheiten ; vgl. zu 627.
- 534 h'gen stv.. verlegen, festsetzen; vgl. tac legen 9262. — 535 benennen
- 8WV., bestimmen, anberaumen. — i>esprechen stv. = nhd., verabreden; vgl. V.
- 6463, in V. 15:il.i dagegen gesprochen. — 536 nicht Obj. von V. 535, sondern
- adverb. Acc, auf die vier Woclien. — 537 gün öfters mit Synonymen zu ver-
- tauschen; in g.=an g., einziehen. — 540 sich undersehen, sich unter ein-
- ander, wechselseitig sehen [vgl. sich unterhalten, unterreden]; diese Zu-
- sammensetzungen mit linder- in verschiedenen Functionen bei G. häufig.
- — 541 abhängig von V. 534. 535. — 542 schoiave stf., Anschauen, Blick. —
- 28 II. RIWALIN UND BLANSCHEFLUR.
- ie überlühte e oder sit.
- diu senfte süeze sumerzit
- diu hsete ir süeze unmüezekeit 545
- mit süezem fiize an si geleit.
- diu kleinen waltvögelin ,
- diu des oren fröude sulen sin,
- bluomen, gras, loup unde bluot
- und swaz dem ougen sanfte tuot 550
- und edele herze erfröuwen sol,
- des was diu sumerouwe vol:
- man vant da, swaz man wolte,
- daz der meie bringen solte:
- den schate bi der sunnen, 555
- die linden bi dem brunnen,
- die senften linden winde,
- die Markes ingesinde
- (16) sin wesen engegene macheten.
- die liebten bluomen lacheten 560
- üz dem betöuwetem grase.
- des meien friunt, der grüene wase,
- der hsete üz bluomen ane geleit
- so wunneclichiu sumerkleit,
- daz si den lieben gesten 565
- in ir öugen widerglesten.
- diu süeze boumbluot sach den man
- so rehte suoze lachende an,
- daz sich daz herze und al der muot
- wider an die lachende bluot 570
- mit spilnden ougen machete
- und ir ällez widerlachete.
- daz senfte vogelgedoene ,
- daz süeze, daz schoene,
- daz ören unde muote 575
- vil dicke kumet ze guote,
- daz fulte da berc unde tal.
- 543 überliuhten swv. , überstrahlen, überblicken. — 558 — 559 die relat. be-
- zogen auf die drei vorhergehenden Subst. — ingesinde dat. — sin steht
- hier, worauf Fedor Bech aufmerksam macht, nachdem es kein Erklärer
- bis jetzt erkannt hat, in alter Weise neutral für jedes Geschlecht und für
- jeden Numerus; hier insbesondere für ir in der Bedeutung suum quidque:
- die jedes in seiner Art (we^en) entgegenkamen, sich darboten; vgl. Gr. 4,
- 341 (nur zwei Beispiele). Frommaun zu Herbort 2202. Rückert zu Tho-
- masin 33. — 562 wase swm., Rasen. — 566 widerglesten swv., zurückglänzen.
- ^— 572 allez adv. acc. , durchaus, immer. — wider-, re-, entgegen. —
- II. RIWALIN UND BLANSCHEFLUR. 29
- diu sselige nahtegal,
- daz liebe süeze vogelin,
- daz iemer süeze müeze sin, 580
- daz kallete üz der blüete
- mit sollier übermüete,
- daz da manc edele herze van
- fröud' unde höhen muot gewan.
- Da hsete diu geselleschaft 585
- fro unde sere fröudehaft
- gehütet üf daz grüeue gras,
- als iegeliches wille was.
- da nach, als iegeliches ger
- ze fröuden stuont, da nach lac er: 590
- die riehen lägen riebe,
- die höveschen hövischliche.
- dise lägen uuder siden da,
- jene ünder bluomen auderswä.
- diu linde was genuoger dach; 595
- genuoge man gehütet sach
- mit löupgrüenen esten.
- von gesinde noch von gesten
- (17) wärt geherberget nie
- so wunneclichen alse hie. 600
- euch vant man da rät über rät,
- als man ze höhgeziten hat,
- an si)ise unde an wsete,
- des iegelicher haste
- ze wünsche sich gewarnet dar. 605
- dar zuo so nam ir Marke w^ar
- so groze und also riebe.
- 578 sujulic adj. als Epitlieton meist in schwäclicrcr Bedeutung als : glücklich,
- glückbringend; unser: lieb passt dafür, wenn es auch sodic nicht erreicht;
- ▼gl. zu 1218. 1452. — 5S0 in Wunschsätzen mhd. 7««c';6'n = nhd. mögen ; vgl.
- Gr. 4,80. — 581 hallen swv. , laut schwatzen und singen, schmettern. —
- 582 übervi9etc dat. von zi/zermt/ol stf. oder übermüete stf.; vgl. zu 297.
- 51*^6 fr<">udeliaft adj. , frühlicli. — 587 hüten (mit einfachem t nach o
- Hss. wie biten und bitten) swv., eine Hütte aufsciilagen, unter Hütten,
- Zelten Wohnung nehmen, sich lagern. — r)'.»2 die hnce.ichen, hier vielleicht
- nicht abstract: die Feinen, sondern die zum Hofe Gehörigen , im Gegen-
- satz zu den riehen in V. 591, die Mächtigen, die Herreu. — huvischltche
- adv. , hofgemäß. — .')9.i itnder siden (wohl dat. plur. ; vgl. zu 667), unter
- Seidenstoffen , unter aufgespannten Seidentüchern. — 596 gehütet , hier
- wegen des folgenden >//i7 = mit Hütten versehen. — 599 herbergen hier
- unpers.: ward gewohnt. — 601 rat stm. , Vorrath , Zurüstung. — 603 = V.
- 8(j01. — 605 ze vunsche, nach Wunsch, nach Kräften. — icat'nen swv.,
- vorbereiten, rüsten. — 607 'jrozc adv. zu r/ro: , in hohem Maße; im Ganzen
- selten gebraucht. —
- 30 II. KIWALIN UND BLANSCHEFLUK.
- (laz si alle ri'liche
- lebeten unde wären fro.
- sus huop diu höhgezit sich dö: 610
- und swes der gerne sehende man
- ze sehene guoten muot gewan,
- daz lie diu State da wol geschehen;
- man sach da, swaz man wolte sehen:
- dise füoren sehen frouwen, 615
- jene ander tanzen schouwen;
- dise sahen buhurdieren;
- jene ander justieren.
- swä zuo den man sin wille truoc,
- des alles vant er da genuoc. 620
- wan alle , die da wären ,
- von fröudebseren jären,
- die flizzen sich enwiderstrit
- ze fröuden an der höhgezit.
- und Märke der guote, 625
- der hövesche hohgemuote
- I an' ander frouwen Schönheit,
- die er hsete an sinen rinc geleit,
- so hsete er doch besunder
- ein sunderlichez wunder, 630
- [ Blanscheflür sin swester da:
- ein maget, daz da noch anderswä
- schoener wip nie wart gesehen.
- wir beeren von ihr schcene jehen,
- sin' gestehe nie kein lebende man 635
- mit inneclichen ougen an,
- ern minnete da nach iemer me
- wip unde tugende baz dan e.
- (510 sich heben stv. , aubebeu, beginnen. — 613 State stf., Gelegenheit. —
- 617 buhurdieren swv. Fremdwort deutschen Stammes, denBuhurt reiten; s.
- zu 650. — 618 justieren swv. Fremdwort =;fjo;.7jerew, die Tjost kämpfen; s. zu
- 9214. — ^22 fröudeboere adj., erfreuend. ^— 623 sich fitzen stv. mit gen, = nhd.
- (V. 8540), hier mit ze, sich befleißigen, bedacht sein. — eniuiderstrlt adv.,
- um die Wette; öfters mit enwette (s. zu 16897) verbunden. — 626 hohgemuot
- adj., hochgesinnt [wie noch jetzt in poetischer Kede zulässig]; von G.
- sparsam verwendet. — 627 äne prsep., ohne, außer. — Schönheit^ hier
- wieder collectiv wie V. 533 für: au/Jer den andern schönen Frauen. —
- 628 Tino stm., Gesellschaftskreis, Umgebung, synonym mit hof (vgl. V. 4985).
- — legen swv. im Mhd. ausgedehnter als heute; hier in ähnlicher Bedeu-
- tung wie unser: die Besatzung wohin legen, etwa: versammeln; vgl. be-
- setzen in V. 524. — 629 besunder adv., besonders, namentlich. — 630 suyi-
- derlich adj., besonders, ausgezeichnet. — 635 gesehen öiteTs= sehen:, hier
- ge- wohl pluequaraperf. : kein Mann hätte sie angesehen, ohne u. s. w. —
- 637 iemer rrn', hier: immer fort, fortan.
- II. RIWALIN UND BLANSCHEFLUR. 31
- (18) Diu sselege ougenweide
- diu machete üf der heide 640
- vil manegen man frech uiide fruot,
- manec edele herze höchgemuot.
- dar zuo was in der ouwe
- manec ander schceniu frouwe,
- der iegelichiu mohte sin 645
- von schcene ein richiu künigin,
- die muot und fröude ouch hären
- den allen, die da wären,
- und macheten raanic herze frö.
- hie mite huop sich der buhurt do 650
- von gesinde und ouch von gesten:
- die werdesten und die besten
- die riten da zuo wä unde wä.
- ouch was der werde Marke da
- und sin geselle Riwalin 655
- an' ander ingesinde sin,
- die sich ouch getiizzen hseten,
- wie si'z da so getaeten,
- daz ez da sageb^re
- und wol ze lobene waere. 660
- man sach da ze dem male
- von pfelle und von zendäle
- manec örs bedact ze flize,
- manege decke snewi'ze,
- gel, brün, rot, grüen' unde blä, 665
- so sach man ander anderswä
- von edelen siden wol gebriten,
- jene ander manegen wis zesniten,
- gcvehet und geparrieret,
- 641/rcc/( adj., kühn, lebendig. — ]ruot adj., munter, fröhlich. — 642 lioch-
- 'jeinuot, hier: hochgestimrat, freudig. — Ml die pl. nach dem Sinne auf den
- Sing, manec fr. folgend. — <)50 buhurt stm., Turnierspiel von Schaar gegen
- Schaar. — 653 wä unde vm, hier und da, überall, auch je nach dem Zusammen-
- hange: hierliin und dorthin; im Mhd. häufige Wendung, insbesondere zu
- Gottfried's Stile passend; s. zu 12214. — ß.iS ijetuon^=tuon. — ^b'd sageboare adj.,
- (erzählbar), lobenswerth; von U. in verschiedener Nüancierung angewandt.
- — 6 ze dem tnäle, zu der Zeit, damals. — 662 pfelle stm., kostbarer Seiden-
- atoff. — zendäl , auch :i7iiläl {anB sindon?) etm. , ebenfalls ein Seidenstoff. —
- 663 ors stn. = /-OA', namentlich das Streitross. — ze ßize, mit Fleiß, Sorgfalt. —
- 665 brün adj.. niclit immer unsere dunkele braune Farbe gemeint, sondern:
- dunkelroth und violett; vgl. 1112.') fg. und purpur brün 15S41. — 667 Sitie stf.
- und 8wf., bei G. nach den Hss. swf. 2199; hier deutlich Plural, Seidenstoffe
- (vgl. 593). — briten stv. , weben. — 668 manegen wU , manege wts 4615, in
- manege wU 2350, auf manche Weise. — zesntden stv. s. zu 673. — 669 vehen
- swv., bunt machen. — parrieren swv. Fremdwort, abstechend machen. —
- 32 II. BIWALIN UND BLANSCHEFLUR.
- sus und SO gefeitieret. 670
- diu ritterschaft diu fuorte kleit
- mit wunderliclier ri'cbeit
- zersniten und zerhouwen.
- ouch lie der sumer wol schouwen,
- daz er da mit Marke wolte sin: 675
- manec wünneclicli schapelekin
- von bluomen sach man an der schar,
- diu er im ze stiure brähte dar,
- (19) lö dirre silezeu sumerkraft
- huop sich ein süeziu ritterschaft: 680
- diu schar sich da dick' underwar.
- si zogeten sich her unde dar
- und triben des vil und so genuoc,
- biz sich der buhurt dar getruoc,
- da Blanscheflür diu werde, 685
- ein wunder üf der erde,
- und manc ander schoeniu frouwe
- säzen an ir schouwe;
- wan dise die riten so riebe,
- so rehte keiserliche, 690
- daz ez manc ouge gerne sach.
- swaz aber von iemen da geschach,
- so was der hövesche Riwalin
- und muose ez ouch benamen sin,
- der ez des tages und an der stete 695
- ze wünsche vor in allen. tete.
- ouch nämen sin die frouwen war
- ^li) f eitleren swv. Fremdw. , schmücken. — 672 wunderlich adj., wunder-
- bar. — 673 hier die Synonymen zersntden und zerhouiven zusammengestellt :
- sie bezeichnen das Aufschneiden, Schlitzen des Kleides, d. h. des Ober-
- kleides, wie es in verschiedenen Perioden Mode war, zersntden in V. 668
- scheint dagegen auf die ausgeschnittenen Zacken in den Pferdedecken zu
- gehen, deren Enden öfters mit Schellen geziert waren, — 676 scliai)elekin
- stn. demin. (niederd. , insbesondere flämische Form) von sckapel (3149),
- Kränzlein (zur Zierde des Hauptes.) — 678 stiure stf., Beisteuer, Gabe.
- 679 sumerkraft stf., etwa: Sonimerfülle. — 680 ritterschaft stf., hier:
- Eitterleben, ßitterspiele. — 681 underwerren stv. refl., sich untereinander
- wirren (swv.), hin- und hertreiben. — 682 zogen swv., verstärktes ziehen. —
- %M sich getragen, sich hinziehen. — 688 schouwe stf., hier: Schauplatz. —
- 689 rxche adv. , reich, kostbar (äußerlich), köstlich (innerlich); hier wohl
- das letztere. — 690 keiserliche adv. hier vereinzelt, das Adjectiv häufiger:
- s. zu 708. — 695 an der stete (dat. von stat) , auf der Stelle, sogleich, wie
- V. 7428 ; könnte hier nicht im Gegensatze zu des tages der Ort gemeint
- sein: zur Stelle, hier? — 696 vor (prtep.) in allen tete, wir sagen: ihnen
- allen vor (adv.) that; derartige Vertauschungen von Prsep. und Adv. sind
- öfters nöthig bei der Übertragung; s. zu 730 und vgl. 997. —
- IL RIWALIN UND BLANSCHEFLUR. 33
- und jähen des, daz in der schar
- nieman nach ritterlichem site
- also behendecliche rite, 700
- und lebeten alle siniu dinc.
- «seht», sprächen si «der jungelinc
- der ist ein sseliger man:
- wie sselecliche stet im an
- allez daz, daz er begät! 705
- wie gar sin lip ze wünsche stät!
- wie gänt im so geliche enein
- diu siniu keiserlichen bein!
- wie rehte sin schilt z'aller zit
- an siner stat gelimet lit! 710
- wie zimet der schaft in siner haut!
- wie wol stät allez sin gewant!
- wie stät sin houbet und sin här!
- wie süeze ist aller sin gebär!
- wie saelecliche stät sin lip! 715
- 6 wol si sseligez wip,
- der fröude an ime beliben sol!»
- nu marcto ir aller msere wol
- {•20) Blanscheflür diu guote,
- wan si in euch in ir muote, 720
- swaz ir deheiniu tsete,
- • ze hohem werde ha^te;
- si ha'te in in ir muot genomeu,
- er was ir in ir herze komen;
- er truoc gewaltrcliche 725
- 700 behendecliche adv., bebend, geschickt. -- 7U1 alle siniu dinc, häufige
- formelhafte Umschreibung = alles an, von ihm, sein ganzes Wesen; vgl.
- zu l'iüs. — 70G ze n-unsche. hier: auf erwünschte Weise, erwünscht. — xtän,
- beschatten sein, ebenso V. 71.'). — 707 geliche enein gän, auf gleiche Weise
- zusammengehen, d. h. zusammenstimmen, gleichmäßig gewachsen sein ;
- vgl. das Gegentlieil in V. 19304. — lOS keiserlich adj. (das Adv. in V. 690) wen-
- det Gottfried öfters an in der Bedeutung: gleich einem Kaiser, wie sonst
- göttlich, königlich, fürstlich steht, hier sogar in durchaus übertragener
- Weise von den Beinen gesagt. Beispiele von keiserlic// bei andern, auch
- althochd. Diclitern, zumal aber bei Gottfried's Nachahmer, Konrad von
- Würzburts'. sind von Haupt zusammengestellt zu Engelhard 863. Unhöfisch
- ist das Wort nicht, sondern im Gegentheil ein höfisches Modewort, welches
- wieder abkam , sich aber beim Volke lange erhielt. Sollte es nicht durch
- ilen schönen König Philipp und die glänzende Krönung zu Mainz im Jahre
- 119S in Scliwang gekommen sein? — 710 gcllmet part. adj., geleimt, bild-
- lich wie unser: angegossen; dasselbe Bild in V. 662;'). — 714 gebar stm.,
- Gebahren, Benehmen. — 716 si personalpron. vor subst. (wie heute noch
- bei ich und (///), wofür nhd. das Demonstrativpr. eintritt; Gr. 4, .349. —
- 71S ma:re stn., hier : (besprach. — 722 in hohem Werthe hielt, sehr werth
- hielt, ha'ien öfters durch: halten (aestimare) zu geben; vgl. z. B. ^417.
- l."»413. —
- r.OTTFRIKD VOK STEASSBCKG. I. 2. Aufl. 3
- II. RIWALIN UND BLANSCHEFLUR.
- in ir lierzen künicriclie
- den zepter und die kröne:
- daz si doch also schöne
- lind also toiigenlichen hal,
- daz si'z in allen vor verstal. 730
- Nu daz der bnhiirt dö zergie
- nnd sich diu ritterschaft zerlie
- und iegelicher kerte,
- dar in sin muot gelerte,
- nu köm ez von aventiure also, 735
- daz Riwalin gekerte dö,
- da Blanscheflür diu schcene saz.
- hie mite gesprancte er näher baz
- und als er ir under ougen sach ,
- vil minnecliche er zuo ir sprach: 740
- «ä, de vüs sal, la bele!»
- <(merzi!)) dit la buzele
- und sprach vil schämeliche:
- «herre got der riche,
- der elliu herze riche tuot, 745
- der riche iu herze unde niuot!
- und iu si grö'ze genigen,
- und aber des rehtes unverzigen,
- des ich an iuch zo redene hän.» ^
- 729 tougenllchen adv., heimlich. — 73u verstelen , verhehlen, in allen vor
- (adv.) v€rstal:=vox (prasp.) ihnen allen verhehlte; auch diese Art der Ver-
- tauschung von Adv. und Prasp. öfters geboten; s. zu G9G und vgl. 2078.
- 7.31 zergän, auseinandergehen, aufhören. — 732 zerläzen stv. rcü.,
- sich trennen, sich zerstreuen; ähnliche Wendung 1117 fg. — 734 yeleren=^
- leren; fast derselbe Vers 2344. — 735 von aventiure, von ungefähr, zu-
- fällig; vgl. (jeschilit 2421. — 736 ge'keren=^'keren , sich wenden. — 738 'je-
- sprengen = sprengen. — 739 minder ougen splien = ins Antlitz sehen. —
- 741 de = deus, dien [erhalten im volksthüml. Ade, s. V. 3856]; andereFor-
- men sind deus und deü. — vüs = vos , vous. — sal=^ salue, lat. salveat ; vgl.
- 2679 fg. und zu 13301. — bele-= belle. Der Artikel la beim Vocativ wie
- auch im Mhd. ; vgl. zu 744. — 742 merzi^^merci. — dit = dixit , neufr.
- dit. — buzele = nenfr. 2J»celle. — 743 sc//«me;ic7/e adv., verschäint. — 744 der
- Artikel Ijeim Vocativ im Mhd. zu beachten: vgl. Gr. 4, 564 [vgl. das alter-
- thümliche jüdische: Gott der Gerechte]. — 745 riche, auch hier: glücklich,
- froh; vgl. 401. 5199. — tuon^= machen, wie überhaupt der Gebrauch von
- tuon durch das Synon. maclicn sehr beschränkt ist; vgl. 363. — 746 riehen
- swv. trans., (bereichern), beglücken; vgl. 5676. Hier das Wortspiel nicht
- im Wechsel der Bedeutung, sondern in dem der Form, abges. von V. 744
- {riche adj., mäclitig, grofi) , V. 745 ricÄe adj., 746 riche conj. optat. —
- 747 nigen stv. mit dat., einem sich verneigend Dank sagen. — 748 nnd aber,
- wiewohl, jedoch; vgl. 1170. 10317. — unverzigen part. adj., (unverziehen),
- unversagt, unverzichtet: ohne auf das Kecht zu verzichten. Solche Wen-
- dungen öfters bei Gottfried. — 749 reden swv. mit gen. d. S. a7i einen, von
- einem etwas in Anspruch nehmen. —
- II. RIWALIN UND ELANSCHEFLUK. 35
- «ach. süeze, waz hau ich getan?» • 750
- sprach aber der hövesche Riwalin.
- si sprach: «an emem friimde min,
- (lern besten, den ich ie gewan,
- da habet ir mich beswjeret an. »
- «ja herre», dähte er wider sich 755
- «waz mxve ist diz? od waz hän ich
- begangen wider ir hulden?
- waz git si mir ze schulden?»
- (21) -ind wände, daz er etewen
- ir mage, disen oder den, 760
- unwizzende an der ritterschaft
- gemachet hiote schadehaft,
- da von ir herze swan'e
- und ime erbolgen wa^re.
- Nein, der friunt, des si gewiioc, 765
- daz was ir herze, in dem si truoc
- von sinen schulden ungemach,
- daz was der friunt, von dem si sprach,
- iedoch enweste er niht hie mite,
- nach sinem älli'chem site 770
- sprach er vil minnecliche z'ir:
- «schoen', ich enwil niht, daz ir mir
- haz oder argen willen traget;
- wan ist ez war, als ir mir saget,
- so rihtet selbe über mich: 7 75
- swaz ir gebietet, daz tuon ich.o
- 754 besu-ai-n swv., in Eeschwerniss versetzen, beleidigen. — löö ja h'rrc!
- Ausruf wie : ach Gottl solche Interjectionen bei Gottfried beliebt z, B. 10804.
- ■: h'-rrc -''ti?. nu ln-rre lOTOs, einfach htrre 12893. 17768. — 7ö») mwre
- 1. pl. abhuiij;"ig von waz, wörtlich: was der Geschichten, der Dinge ist
- . -, ; was der J.'inge sind das; was ist das. Gottfried braucht diese Wen-
- dungen öfter'*, vgl. 10^)7. 7f;26. 8690. 922;^ und zu 1668. — 7')7 huhh' stf., Huld,
- Gnade, im Mhd. oft im Plural. — 7.58 -n ■•, wir sagen einfach:
- schuld. — 7'>;« eteu-er pron., etwelcher, irgend wer, irgend ein. — 761 un-
- wizzend-' i)art., unwissentlich, aber verbaler: ohne ihn) zu wissen, zu ken-
- nen; vgl. ."^■^78 ohne (es) zu wissen. — an der ritterscliaft, nicht: unter den
- Kittern, sondern wie in V. 'i^o beim Ritterspiel, im Turnier. — 7('.2 vgl. ?,&?,.
- — 764 i-rb'bf'n stv. mit dat., zornig werden über einen; das Part, prast.
- steht hier adjectivisch, etwa: gram.
- 76.') yriruoc prret. von ii':>i:ahe>i (kommt bei Gottfried im Infin. und
- Prses. nicht vor) stv. mit gen., erwähnen [dies aus 'jcu-äfienen swv. in V.
- 13774] , gedenken. — 767 von sineri schulden , um seinetwillen. — 769 Iiie
- mite (selten bei iri:2''n) = davon. — 770 äulc/i (von al) adj., allgemein,
- gewöhnlich. — 77.T u-ille swm. ist im Nhd. oft unsorm: Gesinnung ent-
- sprechend, insofern Synon. von muot; vgl. 4.''i36. — trayn, auch hicr =
- hegen wie in V. 48. —
- 1 :5*
- OÖ II. EIWALIN UND BLANSCHEFLUR.
- diu süeze sprach : c durch dise geschiht
- enhazze ich iuch ze sere niht;
- i'ne minne iuch euch niht umbe daz.
- ich wil iuch aber versuochen baz, 780
- wie ir mir ze buoze wellet stän
- umbe däz. daz ir mir habet getan. »
- Sus ueig er ir und wolte dan ,
- und si, diu schoene, ersüfte in an
- vil tougenlichen unde sprach 785
- üz inneclichem herzen: «ach,
- friunt lieber, got gesegene dich!»
- do alrerste huob ez sich
- mit gedanken under in.
- Kanelengres der kerte hin 790
- in maneger slahte trahte:
- er trahte maneger slahte,
- waz Blanschefliure swsere
- und dirre msere wsere.
- ir gruoz, ir rede betrahte er gar, 795
- ir süft, ir segen, al ir gebär
- daz marcte er al besunder
- und begünde iedoch hier under
- (22) ir siuften unde ir süezen segen
- üf den wec der minne wegen: 800
- er kom benamen an den wän,
- diu zwei diu wseren getan
- durch niht niwan durch minne.
- daz enzünte ouch sine sinne,
- daz si sä wider fuoren 805
- und nämen Blanschefluoren
- und fuorten si mit in zehant
- 779 umbe daz, darum, deslialb. — 781 ze buoze stän mit dat., ciucin Kläger
- gegenüber Buße, Genugthuung leisten, sich rechtfertigen.
- 783 ntgen mit dat., hier ursprüngl. Bedeutung: sicli vor einem ver-
- neigen. — dan (= danne, doJinen) adv., von dannen, weg : Gottfried wech-
- selt zwischen dan und von dan. — 784 ersiu/ten swv. =nhd. erseufzen;
- an ers. fehlt nhd., nur: anseufzen. — 787 gesegenen=^segenen; vgl. 10628.
- — 788 alrerste (^=aller erste) adv., nun erst. — 791 trahte stf., Ti-achten,
- Betrachtung, Grübelei. — 792 trahten swv., (betrachten), bedenken. —
- 79.3 swcere., wohl nicht gen. (52) abhängig von waz, sondern conj. von swern
- stv., (schwären swv.), wehe thun, schmerzen. — Blanschefliure ist wohl
- dat., nicht acc; vgl. zu 12250. — 795 r/ar adv., gänzlich, durchaus (sonst
- auch garwe s. zu 1297). — 796 svft stm., Seufzer. — 798 liier under. hierbei,
- während dem; vgl. zu 1606. — 799 siuften subst. infin., das Seufzen oder
- auch acc. von siufte swm., Seufzer. — 800 wegen stv., erwägen, deuten. —
- 801 wärt stm., überhaupt: Glaube, Gedanke. — 805 sä adv., sogleich. —
- II. RIWALJN UND BLANSCHEFLUK. 37
- in Riwaliiies herzen lant
- und kronden si dar inne
- im /'einer küniginne. 810
- ja Blanscheflür und Riwalin,
- der künec, diu süeze künigin,
- die teilten wol geliche
- ir herzen künicriche:
- daz ir wart Riwaline, 815
- da wider wart ir daz sine;
- und wiste iedoch dewederz niht
- umbe des anderen geschiht.
- si hieten sich wol under in zwein
- einmüetecliche und rehte enein 820
- mit ir gedanken undernomen.
- da was wol reht ze rehte komen:
- si lag ouch ime ze herzen
- mit dem selben sraerzen,
- den si von sinen schulden leit. S2b
- und wände er aber gewisheit
- ir willen niene h?ete,
- in welher wis si'z tiete,
- durch haz od aber durch minne,
- daz machete sine sinne 830
- in zwiVele wanken:
- er wancte mit gedanken
- wilen abe und wilen an.
- iezuo wolt' er benamen dan
- und al zehant so wolte er dar, 835
- uuz er sich alse gar verwar
- in den stricken sinor trabte,
- daz er dännen niene mähte.
- (2:3) Der gedanchäfte Riwalin
- . der tete wol iin im selben schin, 840
- 817 dcwcdtr: neutr. von deweder pron., keiner von beiden. — 819 ander
- in zwt'in (neben ander in) bei Gottfried sehr häufig, untereinander, beider-
- seitig. — 820 entin (= in ein) adv., zusammen, übereiii; häufig eng mit
- Verben verbunden (vgl. 396. 41(i), seltener wie hier in selbständig adver-
- bialer Weise; hier wie unser: einig. — S2l undernemen stv. refl., sich
- untereinander nehmen; d. h. gegenseitig fesseln. — ,s27 //■ u-illen gen.
- abh. von .jcwis/ieit. — ,^33 iviten (eigentlich dat. pl. von u-tle ; vgl. undrr-
- UiWn :wi) adv., zuweilen, w. — w., bald — bald. —a6<' und an, ab und zu,
- hm und her; vgl. 890. ir.ir)4. — .s34 iezuo (ie-zuo) adv., jetzt (jetzo). —
- i^ib ocrwerren stv. [nhd. nur noch part. verworren] = verwirren swv., ver-
- wickeln; vgl. zu las^f). — vV38 dünnen adv., nhd. nur: von danncn.
- 38 11. EIWALIN UND BLANSCHEPLUK.
- däz der minuende muot
- reht' alse der frie vogel tuot,
- der durch die friheit, die er liät,
- üf daz gelimde zwi gestät;
- als er des limes danne entsebet 845
- und er sich üf ze flühte hebet,
- so klebet er mit den füezen an.
- sus reget er vedern und wil dan.
- da mite gerüeret er daz zwi
- an deheiner stat, swie küm ez si, 850
- ezn binde in unde mache in haft;
- so sieht er danne üz aller kraft
- dar unde dar und aber dar,
- unz er ze jüngeste gar
- sich selben vehtende übersiget 855
- und geli'met an dem zwige liget.
- reht' in der selben wise tuot
- der unbetwüngene muot:
- so der in senede trabte kumet
- und liebe an ime ir wunder fruinet 860
- mit senelicher sw?ere,
- so wil der senedsere .
- ze siner fri'heite wider:
- so ziuhet in diu süeze nid er
- der eelimeten minne. 865
- 841—851 fast wörtlich entlehnt vom Dichter des bchwaukcs von Ari-
- stoteles und Phillis. Ges.-Abent. Nr. II. V. 8u9 — 319. — SU ztci stn.,
- gen. zu'iges, Zweig stm. da: yelinule, yeli/nete zv:i, die Leirarutlie. — (lestan
- = sich stellen, sich niederlassen. — 845 eniseben stv. mit gen., merken. —
- 848 vedern, vederen sw. pl., (die Federn), die Fittige, Flügel. — 849 gerüereriy
- verstärktes rüeren , berühren. — 850 deliein=^'ke\n: an keiner Stelle, nir-
- gends. — ku'ia adj. (zu adv. kume, unser: kaum), schwach; seltenes Wort. —
- 851 haft adj., haftend, fest. — ezn binde = ezne binde, ez enbinde: wir wenden
- für solche beschränkende Sätze am besten: ohne daß an. 849 — 851 damit
- (mit den Flügeln; berührt der Vogel die Euthe an keiner Stelle, ohne daß
- sie, die Ruthe, wie schwach und dünn sie auch sei, ihn nicht fessele
- (durch den Leim); positiv gefasst: überall, wo der Vogel mit den Flügeln
- die Euthe berührt, fesselt sie ihn trotz ihrer Schwäche. Die Erklärung
- im mhd. Wb. unter Icuin I, 9()S «wiewohl es beinahe unmöglich ist. daj es
- ihn nicht binde» trifft den Sinn nicht. Die Übersetzer beziehen f:vie Ivm
- ez sl auf die Schwäche der Berührung, was mit der Natur des Vogels nicht
- zusammenstimmt. — 854 ze jüngeste, auch ze jungest adverbiale Wendung,
- zuletzt. — 855 übersigen swv., überwältigen, schwächen. Die Zusammen-
- setzungen mit über- in Verben, Adj. und Subst. und hier in vericiiiedenen
- Functionen liebt der Dichter; in der 2. Hälfte sind sie häufiger. — Sri5 dieses
- Bild würde uns jetzt sehr trivial klingen, aber in alter Zeit war itmen. in
- der allgemeinen Bedeutung: befestigen, fesseln durchaus edel. Ob hier
- diu gel'imete ininm' auf diese allgemeine Bedeutung zurückgelit oder das
- Bild von dem Vogel auf der Leimrutlie zu Grunde liegt, wie Bcuecke zu
- Iwein 532S glaubt, ist fraglich; vgl. zu 11814. —
- 11. KIWALIN UND BLANSCHEFLUR. 39
- verwirret er sich inne
- so sere, daz er sich von daii
- noch sus noch so verrihten kan.
- iils ergieng ez Riwaline,
- den ouch die trahte sine 870
- vcrwiirren in der minne
- sines herzen küniginne.
- in hiute wol beworrenheit
- in wunderlich parat geleit;
- wan er cnwiste, weder ir niiiot 875
- wider in WtTr' übel oder guot;
- orn erkände dannoch diz noch daz,
- weder ir minne noch ir haz.
- (•24) ern sach noch tröst noch zwivel an,
- daz enliez ouch in noch dar noch dan. 880
- trost unde zwLvel fuorten in
- unendeclicheir under in :
- trost Seite im minne , zwivel haz.
- durch disen kriec und umbe daz,
- sone mohte er sinen vesten wan 885
- an ir dewederez verlän,
- au haz noch ouch an minne.
- sus swebeten sine sinne
- in einer ungewissen habe:
- tröst truog in an und zwivel abe. 890
- orn vant niht staetes an in zwein.
- si gehüllen so noch sus enein:
- so zwivel kom und seite im, daz
- sin Blanschefiür wser' ime gehaz,
- so wancte er unde wolte dan. 895
- zehant kom tröst und truog in an
- ^ü!s verrihten swv. vetl., sich wieder in die richtige Verfassung hringen;
- liier das Loswiuden gemeint; ähnliches Bild in V. ltJ502. — 873 öeworren-
- heit stf., Verwirrung. — ts74 /Jrt/äf stf. Fremdw., AV'echsel; hier wohl ähn-
- lich wie zu-ictl in V. ^iU. — s82 unendedichen adv., unentschieden. —
- sst) arlän stv. , hier: au etwas hingeben. — 88S sweOen swv., nicht bloß
- von der schaukelnden Ecwegunu in der Luft, von Gang und Flug, son-
- dern auch vom Schwimmen, Fließen (9082; gebraucht, dient den Dichtern
- iifters zum Bild; bei Gottfried vereinzelt. — :s,s9 /laOe stf., Hafen, gerne
- im Bild gebraucht; vgl. l.Vja. — 890 das Bild von den Wellen genommen:
- Trost trug, brachte ilin ;im Schiffe sitzenden) heran (ans Ufer, ans feste
- Land der Gewissheit , Zweifel entfernte ihn, trieb ihn weiter in die See
- hinaus. — ^i»2 (jehellcn stv., zusammentönen, zusammenstimmen, enei»
- ;ieh., ül)erciii8timmen; in V. lls4s under in geh., untereinander zusammen-
- stimmen. — s9.') wancte swv. pra-t. von wanken {: gedanken s;il) oder auch
- von wenken {: brdenken 15117). — 896 an tragen stv. mit doppeltem Acc.
- '■>ftcrs bei Gottfried, einem etwas bringen; vgl. 25So und zu 2142. —
- 40 II. RIWALIN UND BLANSCHEFLUR.
- ir minne und einen lieben wän:
- sus muose er aber da bestän.
- mit disem kriege enwiste er war:
- ern mohte weder dan noch dar. 900
- so er ie serer dannen ranc,
- so minne ie mere wider twanc.
- so er ie harter dannen floch,
- so minne ie vaster wider zöch.
- sus treip ez minne mit im an, 905
- biz doch der tröst den sige gewan
- und er den zwivel gar vertreip,
- und Riwalin gewis beleip,
- sin Blanscheflür diu minnet' in :
- des was sin herze und al sin sin 910
- einb^ereliche an si geleit,
- daz niemen do da wider streit.
- Nu daz diu süeze minne
- sin herze und sine sinne
- al nach ir willen haete bräht, 915
- dannoch was ime vil ungedäht,
- daz herzeliebe wsere
- so nähe gende ein swaere.
- (25) do er da sin äventiure
- von siner Blanschefliure 920
- von ende her betrahte
- und allez sunder ahte:
- ir här, ir stirne, ir tinne,
- ir wange, ir munt, ir kinne,
- den fröuderichen östertae, 925
- der lachende in ir ougen lac,
- \ do kom diu rehte minne,
- 1 diu wäre fiuraerinne
- I und stiez ir senefiuwer an ,
- 897 u-än in der Bedeutung von Hoffnung meist mit liep verbunden ; bei
- Gottfried einmal noch saelecltcher lu. 6201. — 899 ivar adv., wohin, relativ
- zu dar. — 903 harter compar. adv., mehr, entschiedener. — 904 vaster compar.
- adv, (vgl. 8869), fester, stärker. — 911 einbcereliche adv., übereinstimmend,
- durch und durch.
- 916 dannoch (=unserm: dennoch) adv., hier: noch damals, noch. —
- ungeddht part. adj., unvermuthet. unbewusst. — 922 sunder adv., beson-
- ders, im Einzelnen; häufig bei Gottfried. — ahten swv. mit acc, beach-
- ten. — 923 tinne stn., Schlaf (an der Stirne), hier wohl plur. — 928 fiurop-
- rmne stf., wörtlich etwa : Anfeurerin ; ein Gottfriedisches Wort. — 929 atozfn
- stv. wird wie hier in vielen Wendungen durch unser: stecken ersetzt; ein
- anderes an stözen in V. 1.581. — senefiuwer stn., Liebesfeuer. —
- 11. ßlWALIN UND ELANSUHEFLÜR. 41
- daz fiur, da von siu herze cnbran, 930
- daz sinem libe sä zestunt
- schinbiereliche tete kunt,
- waz nähe geiidiii swaere
- ' und senediu sorge waere.
- wan er greif in ein ander leben: 935
- ein niuwe leben wart ime gegeben.
- er verwandelte da mite
- äl sine sinne und sine site
- und vi^art mitalle ein ander man-,
- wan allez daz, des er began, 940
- daz was mit wunderlichen siten
- und mit blintheit undersniten.
- sin ane geborne sinne
- die wären von der minne
- als wilde und alse unstcTte, 945
- als er si erbeten ha^te.
- sin leben begunde swachen
- von rehtem herzelachen:
- des er da vor was wol gewon, y
- da zocli er sich mitalle von. 9^
- swigen unde wesen unfro
- daz was sin beste leben do,
- wan elliu sin gemüotheit
- was gar in senede not geleit.
- Ouch vergie sin senelich geschiht 955
- die seneden Blanschefliure niht:
- diu was ouch mit dem selben schaden
- durch in, als er durch si, beladen.
- (26) diu gewältaerinne Minne
- 932 sddnbcxreliclie adv., sichtbar, deutlich. — 935 •jr'tfen stv. mit prscp.
- in c. acc, etwas angreifen, ergreifen, beginnen. — 939 mitalle adv., gänz-
- lich. — 942 undersnlden stv., bunt, manigfaltig machen (zunächst von der
- Tracht gesagt). Wir können in ähnlichem Bilde etwa übersetzen : ver-
- l)rämt; vgl. 212H. 4H94. — 94G Tbcten der Hss. gibt keinen Sinn, xxud Er-
- klärungen von : erbitten befriedigen nicht. Vielleiclit erweten in der Be-
- fleutung von e/i^jre^en (vonvc// cn^wi^e), aus dem Joclie gelassen; daseinfache
- jeweten in V. l.')243. Zur Bestätigung meiner Vermnthung weist F. Bech
- auf Pseudo-Conrad Troj. Krieg 47(i32. Meine Conjectur, welcher aucli Lexer
- im mhd. Handwb. 2, (il*; eine Stelle angewiesen, scheint vielseitige Zustim-
- mung gefunden zu haben; dennoch ist sie nicht in den Text zu setzen. —
- 947 swacjipn swv., schwacli werden. — 94^ an rechter Herzensfreude. —
- 953 ijemnotheit stf., Frolisinn.
- 9.").T midi vfrgät i;(eu\, mich flieht, mir entgeht etwas, bleibe von etwas
- verschont. — 9.i9 {/evaltcerinne stf., Gewalthaberin; ein Gottfriedisclies
- Wort. — Minnf swf. hier personificiert. —
- 42 II. RIWALIN UND JJLANSCHEFLUR.
- diu was ouch iu ir sinne 9C0
- ein teil ze sturmeliclie komen
- und Löete ir mit geiY:a,lte genomen
- den besten teil ir mäze.
- sine was an ir geläze
- ir selber noch der weit nibt mite 9G5
- nach ir gewonli'chem site :
- swaz si sich fröiiden an genam,
- swaz Schimpfes ir e wol gezam,
- daz missestiiont ir allez do.
- ir leben enschuof sich niiiwan so, 970
- als ez ir an der not gewac,
- diu nähen an ir herzen lac.
- und alles des, des si geleit
- von senelicher arebeit,
- sone wiste si niht, waz ir war. 975
- wan si wart nie da vor gewar,
- waz sus getäniu swsere
- und herzesorge wfere,
- und sprach vil dicke wider sich:
- aowe got herre, wie leb ich! 980
- wie unde waz ist mir geschehen?
- ich han doch manegen man gesehen,
- von dem mir nie kein leit geschach ;
- und Sit ich disen man gesach,
- Sit wart min herze niemer nie 985
- noch fri noch fröudehaft als e.
- i*61 ein teil ndwaoc, etwas. — sturmelicJie aclv., atürmiscli. — 'Jü3 7/iß^e stf.,
- die gleichmälöige Stimmuag und gleicbinäßige Haltung und Gebärde, galt
- als ein besonderer Vorzug und wird bei den Dicbtern öfters gepriesen
- und empfohlen und wie andere Tugenden auch personificiert; bei Gottfried
- vgl. 18012 fg. 2737 fg. Hier ist luuze der Gleicbmuth, die Seelenruhe. —
- 964 gelaz stm., Benehmen. — 9(5.5 mite wesen mit dat., einem zugesellt sein
- wie in Y. 13479; sie gehörte sich und der "Welt nicht mehr an. — 966 ge-
- ironlich adj., gewöhnlich, gebräuchlich. — 967 sic/t an ne/nen {genam plus-
- quamperf.) einen oder eine.'i oder aucli von Sachen sidi an neiuen ein dinc
- oder eines dingen häufiger und ausgedehnter als unser : sich annehmen
- (nur mit gen.), öfters durcli andern Ausdruck zu ersetzen; hier: sich hin-
- geben. — 96S schtjiqjf stm., Scherz, Kurzweil. — Auch gezam plusquamperf.
- von zemen. — 969 missestän, übel anstehen. — 970 ■■ichaßen refl., sich ge-
- stalten. — 971 geinegen stv. intrans., Gewicht haben , ausschlagen , sich
- fügen, angemessen sein. — 973 gelUlen stv., verst. llden , erleiden. —
- 974 orrbeit , arbeit stf., Mühe, Trübsal. — 975 ^car prffit. von 7verren stv.
- mit dat. der Person, Kummer verursachen, meist entsprechend unserm:
- fehlen; öfters die Frage: u-az wirret dir z. B. 11969. — 977 sus getan part.
- adj., so beschaffen, solcli [vgl. das veraltete sothan]. —
- 11. HIVVALIN UKD BLANSCHEFLUß. 43
- diz sehen, daz ich in hän getan,
- daz ist ein dinc, da von ich hän
- erworben nähe gendiu leit.
- min herze, daz nie not geleit, 990
- daz ist da von verseret;
- ez hat mich gar verkeret
- an muote unde an libe.
- sol iegelichem wibe,
- diu in gehoeret unde gesiht, 995
- geschehen, alse mir geschiht,
- und ist ez danne an ime geborn,
- so ist michel schoene an ime verlorn
- (27) und ist unnütze lebende ein man.
- ist aber, daz er von lere kan 1000
- deheiner slahte zouberlist,
- da von diz fremede wunder ist
- und disiu wunderliche not,
- so wsere er maneges bezzer tot
- und ensölte in niemer wip gesehen. 1005
- durch got, wie'st mir von ime geschehen
- so leide und also swärel
- nun' gesäch ich doch zewäre
- noch in noch nie deheinen man
- mit vientlichen ougen an 1010
- nocli getruoc nie manne haz:
- wä mite mac ich geschulden daz,
- daz mir von iemen leit geschehe,
- den ich mit friundes ougen sehe?
- Waz wize ich aber dem guoten man? 1015
- er ist hie lihte unschuldec an.
- swaz herzesorge ich mir von im
- 'S7 tuon hier Verbura vertreteud , darum der Acc. in (von sehen); daz
- fasse ich nicht als Kelativ zu sehen subst. Inf. stu., sondern als Conj.|:
- der Anblick (das heißt, setzt sie erklärend hinzu), dalj icli ihn gerade
- erblickt habe, das ist u. s. w. —991 verseren swv., in edelcr Sprache noch
- gebräuchlich: verletzen. — 997 an ime yeborn^=ime an geborn wie iu V.
- 17936 = nhd. — 99H verlorn part., vergeblich; die Wendung etwa — an,
- auf ihn verscliwendet. — 999 nhd. Schachtelung nöthig: ein uniitzel. vi. —
- i'nniiizr adv. , hier mit gesteigertem Begriff: schädlich. — 1002 fremede,
- tretiide adj., seltsam. — li)04 iuanenea adv. gen., um manches, viel; vgl.
- 1474. — I0ü7 sväre adv., scliwer, schmerzlich. — \0^?> zeware (:e wäre),
- :wdre adv., in "Wahrheit [zwar, ijuidem jünger].
- 101.1 iri:en stv. mit dat., einem einen Verweis ertheilen , einen schel-
- ten. —
- 44 II. RIWALIN UND BLANSCHEFLUR.
- lind ouch durch sinen willen nim,
- daz wizze got, deist allermeist
- min selbes herzen völleist. 1020'
- ich sach da manegen man und in:
- waz mag er mir des, daz min sin
- vor den andern allen
- an in einen ist gevallen?
- do ich so vil manc edele wip 1025
- den sinen keiserlichen lip
- und sinen ritterlichen pris
- mit lobe gehorte in ballen wis
- als umbe triben unde tragen
- und sines lobes so vil gesagen, 103O
- und ich mit ougen selbe sach
- die tugende, der man von im jach,
- und allez in min herze las,
- swaz lobeliches an im was:
- da von ergouchete mir min sin, 1035
- hie von geviel min herze an in.
- entriuwen, daz erblante mich,
- daz was daz zouber, da von ich
- (28) min selber sus vergezzen hän.
- ern hat mir leides niht getan, 1040-
- der liebe man, von dem ich klage,
- den ich mit klage ze maere trage.
- min tumber meisterlöser muot,
- der ist, der mir da leide tuot,
- der ist, der minen schaden wih 1045
- 1018 nemen stv. im Mhd. und namentlich von Gottfried in Verbindung mit
- Subst. sehr häufig angewandt; datur nhd. annehmen und Synon. fassen,
- finden u. dgl. oder die zu den Subst. gehörigen Verben; hier: wie viel
- ich mich um ihn herzlich absorge; vgl. 18575. — 1020 volleist stm. stf.,
- (völlige Leistung), Hülfe, Ursache; hier unentschieden, stf. in V. 19409. —
- 1022 mugen mit gen. der Sache (des) und öfters mit gemüthl. Dativ =
- dazu, dafür können; vgl. 9932. 17786 (wer kann für diese seine Blindheit
- was?). — 1028 in ballen wis, nach Art eines Balles; "Walther v. d. Vogelw.
- Pfeiffer 176, 2: in balles wis. Oallen gen. \or\ balle swm. (=nhd. Ballen) in
- der Bedeutung: Ball. — 1035 eryouchen swv. intrans., gouch (Narr, eigentl.
- Kukuk) werden, sich bethören. — 1036 gevallen, verst. vallen, verfallen auf
- (an) einen, sich neigen zu einem; ein Lieblingswort des Dichters. —
- 1037 entriuwen i = in triuwen) adv., in Treuen, traun (aus trüiven, trän). —
- erblante prset. von erblenden swv., verblenden. — 1041 von, die Ursache be-
- zeichnend. — klagen, hier wohl wie in V. 186, aber intrans.: durch den
- ich Schmerz empfinde. — 1042 klage stf. dagegen =5M^rda. — ze mmre
- tragen, eigentlich zur Sprache bringen, erwähnen, gedenken. — 1043 tump
- adj., unverständig [dumm, stuUus jünger], — meisterUh adj., führerlos, un-
- gezügelt. — 1044 vgl. zu 12409. —
- II. RIWALIN UND BLANSCHEFLUR. 45
- er wil und wil joch alze vil,
- des er niht wellen solte,
- ob er bedenken wolte.
- waz fuoge wsere und ere.
- nune siht ab er niht mere 1050
- niwan sin selbes willen an
- an disem sceligen man,
- an den er in so kurzer frist
- so rehte gar gevallen ist.
- und semir got, ich wsene wol, 1055
- ob ich es mit eren wsenen sol,
- und sol ich mich der rede niht schämen
- durch minen magetlichen namen,
- so danket mich, diu herzeklage,
- die ich durch in ze herzen trage, 1080
- diu ensi' niwan von minnen :
- des wirde ich hier an innen,
- daz ich im so gerne wsere bi.
- und swaz so dirre msere si,
- mir wahset etewaz hier an, 10G5
- daz minne meinet unde man.
- wan swaz ich allen minen lip
- umbe rehte minnendiu wip
- und umbe liebe han vernomeu,
- daz ist mir an min herze kernen: 1070
- der süeze herzesmerze,
- der vil manc edele herze
- quelt mit süezem smerzeu,
- der liget in minem herzen.»
- Nu daz diu hövesche guote 1075
- mit gänzlichem muote
- 1046 >oc/( adv., auch, aber auch. — lOiS obe, ob, op conj. wie noch in dich-
- terischer Si)rache = wenn. — lOVJ fnoye stf., Schicklichkeit, Austaud ; das
- Wort auch im Plural in V. 1261. 525H. — 105.') semir {=seiu. sam iitir) gel,
- ei(?entlich so mir Gott (vgl. so dir got 7070), hinzugedacht: lielfe. IJiese
- aus einem Schwur gekürzte Betheuerung ziemlich häufig bei Gottfried. —
- lUJS magetlich adj. (zu viaget, Mädchen), jungfräulich. — nanie swra., liier
- nicht Name, Ehre, guter Ruf, sondern die Person und Eigenschaft um-
- schreibend: m. n. =magetuo7a, Jungfräulichkeit in Bezug auf die Scl.ain-
- haftigkeit. — 1062 innen = nh.d. inne; ferner im Reime 10447. — 10G7 Itp
- 8tm. synon. von leben: mein Lebtag. — lü6S ?/iribe praep., in l^etreff, über,
- Ton ; im Mhd. von bedeutenderem Umfang als das nhd. um.
- 101*] ganzl'rl, adj., hier: ganz. —
- 46 ir. RIWALIN UND BLANSCHEPLUR.
- sich in ir herzen des entstuont,
- als die minnenden alle tiiont,
- (29) daz ir geselle Kiwalin
- ir herzen fröude müese sin, 1080
- ir meister trost, ir beste leben:
- si begünde im ouge und oiige geben
- und sach in, swä s'in mohte sehen.
- swenn' ez diu fuoge lie geschehen,
- so gruozte si in vil tougen 1085
- mit inneclichen ougen.
- ir seneliche blicke
- die sähen in vil dicke
- lang' unde minneclichen an.
- do daz der minnende man, 1000
- ir friunt, begunde merken,
- alrerste begunde in Sterken
- diu minne und ouch sin trost an ir;
- alrerste enbran sin herzegir,
- und sach der süezen allez sider 1095
- baltlicher unde süezer wider,
- dan er ie da vor getaete.
- swenn' er die State haete,
- so gruozte ouch er mit ougen dar.
- nu sin diu schcene wart gewar, 1100
- daz er si meinde als si in,
- do was ir meistiu sorge hin;
- wan si wand' allez e, daz er
- hin z'ir enh^ete deheine ger.
- ]iu wiste ab si wol, daz sin muot li05
- hin z'ir was süezo und alse guot,
- als liebes muot ze liebe sol.
- 1077 entstein, auch cntstän refi. mit gen. der Sache, sicli auf etwas ver-
- stehen, etwas verstehen, merken. — 1082 die Wiederholung von onyi;
- drückt die fortgesetzten Elicke (wie in V. 10S6) aus, bezieht sich nicht
- körperlich auf die heiden Augen, das eine und das andere ; solche Wieder-
- holungen zur Verstärkung des Ausdrucks gehören zu Gottfried's Stile ;
- vgl, zu 12214. ou'je ist liier wohl Plural statt des regelmäßigen ougen.
- 0. (/6?« = Blicke schenken [vgl. Winke geben]. — 1084 üioenm; ( = $0
- wenne) correl. conj., sobald. — fi'ofje stf., hier: schickliche Zeit , Gelegen-
- heit. — lOS.') tougen adv., heimlich. — 1092 alrerste adv., hier: nun erst
- recht. — 109.1 sider (compar. zu sit) adv., danach. — 1090 baulicher adv.
- compar., kühner. — wider zu sehen, der süezen ist dat. : sah ihr entgegen,
- sah sie an. — 1101 meinen swv., im Sinne haben, hier synonym mit
- minnen; vgl. 7501. — 1107 liebes gen. und liebe dat. von liep stn., das Lieb,
- Liebchen, der Geliebte. —
- 11. RIWALIN UND ELANSCHEFLUK. 47
- claz selbe wiste er an ir wol.
- (laz selbe euzunde ir beider sin.
- da von begunden s' iiiidcr in 1110
- sich meinen unde minnen
- mit herzenliclien sinnen.
- ez ergienc in relite, also man gibt:
- swä liep in liebes enge siht,
- daz ist der minnen fiure. 1115
- ein wähsendiu stiiire.
- Nu Markes hobgezit zergie
- und sich diu herschaft gar zerlie,
- (30) do komeu Marke maere,
- daz ein sin vient wsere, 1120
- ein küncc, geriten in sin lant
- mit also kreftiger hant,
- der in niht schiere t?ete wider,
- er brseche im allez daz dernider,
- daz er beriten künde. 1125
- zehant und an der stunde
- besande Marke ein michel her
- und kom in an mit starker wer.
- er valit mit ime und sigete im an
- und sluog und vienc so manegen man . 1130
- daz ez von grozon söelden was,
- der dannen kom od da genas.
- 'da wart der werde Kiwalin
- mit einem sper zer siten in
- gestochen und so sere wunt, 1135
- daz in die sine sä zostunt
- 1111 meinen unde minnen beliebte allittorieroiulc Tautologie; aucli minnen
- und (nucfi) meinen bei Gottfried in V. 191.'')4. — IIU fg. Paraphrase eines
- Spriclxwortes. — 111") /iure ist dat. — 111C> stiure stf., hier: Beihülfe.
- 111> hi':rschaf( stf., die üesellschaft der Hehren, der Adel, der Hof
- [uhd. pl. Herrscliaftenj. — 112u ein Feind von ihm; mhd. das Possessivpr.
- eigentlich gen. des Personalpr.) öfters zwischen Artikel und Subst. ; vgl.
- uns. — 112:^ der = sirer, wenn der, wenn einer, wenn man. — achiere adv..
- bald. — willer iuon mit acc., einen zurückbringen, vertreiben. — 1124 freie
- Construction in Folge dos eingeschobenen Satzes V. 1128; -v briuche für
- daz er hrcKdn-, abh. von cüiu. — im = Marke. — 112.1 henten .stv., (zu Rosse;
- erreiclien. — 1127 hesenden swv., durch entsendete lioten aufbieten lassen,
- eine Art Terminus für J^inbcrufung des Heeres und der Vasallen, dann
- überliauiit : holen lassen. — ll2s an komcn mit acc. = aw einen koiifn.
- «1. h. einem i^freuiullich oder fcindlicli) entgegentreten; hier: einen an-
- greifen; vgl. 2172. — 1129 an sigen mit dat., an einem, über einen den
- Sieg ^e.vinnen. — 11.3<'. zesiunt (zf stunde) adv.. zur Stunde, sogleich, oft
- mit X(t (so.'i) verbunden. —
- 48 II. ßlW'ALIN L'ND BLANSCHEFLUR.
- vür einen hälptoten man
- mit manegem jämer fuorten dan
- hin heim ze Tintajole wider.
- da leiten si'n totsleken nider. 1140
- zehant erschullen msere,
- Kanelengres der wsere
- tötwunt und in dem strite erslagen:
- des wart ein jfemerlichez klagen
- in dem hove und in dem lande. , 1145
- swer sine lügende erkande,
- dem was sin schade von herzen leit.
- si klageten, daz sin frumekeit,
- sin schoener lip, sin süeziu jugent,
- sin wol gelobetiu herrentugent 1150
- so schiere solte an ime zergän
- und ein so früejez ende hän.
- sin friunt der künic Marke
- der klagte in also starke,
- daz er durch nie deheinen man 1155
- so nähe gende klage gewan.
- in weinde manic edel wip,
- manec frouwe klagete sinen lip;
- (31) und swer in ie da vor gesach,
- den erbärmete sin ungemach. 1160
- swaz aber ir aller swa^re
- umbe sihen schaden waere,
- so was ez iemer eine
- sin Blanscheflür, diu reine,
- diu hövesche, diu guote, 1165
- diu mit durnähtem muote,
- mit ougen und mit herzen
- ir herzeliebes smerzen
- 114u totsleken nach Hs. M; Hs. H totsiegen; totsiechen, wie nach Hs. W
- und F in der 1. Auflage geschrieben wurde, ist doch gewagt, stehen fiect.
- a,cc. von einem Adj. slec=slac, wie es im Alts, heißt und im Ahd. u. Mhd.
- in der Form stalu stach vorkommt, mit der Bedeutung: schwach, schlaff.
- Wahrscheinlich liatte die Vorlage von M totslahen, welches für siechen ge-
- lesen und worin ch für k genommen wurde, was dem bairischen Schreiber
- nicht fremd war, denn die Form mit k ist als eine bairische nachgewiesen.
- Gottfried schrieb wohl totslachen, was aber nicht in den Text zu setzen ist.
- Zusammensetzungen mit tot bei G. sind toticunt 1143. totsiech 12S7. — 1143 er-
- slagen nicht = nhd. todtgeschlagcn (denn er lebt ja nocli), sondern nieder-
- geschlagen, verwundet; in V. 1675 = nhd. — IHS frumekeit stf., Tüchtig-
- keit, Tapferkeit [Frömmigkeit, pietas jünger]. — 11. i4 klagen trans., hier:
- beklagen. — 1157 tveinen mit acc. =r beweinen. — 11H3 eine adj., öfters in der
- Bedeutung: allein, ganz besonders. — 116(\ dnrnähte (ahd. durulmohti) adj.,
- eigentlich: durch und durch genügend, dann : ..vollkommen, aufrichtig. —
- 1168 herzeliep stn. s. zu 1107. —
- 11. RIWALIN UND BLANSCHEFLUR. 49
- beklagete und ouch beweinete
- und aber, do si vereinete 1170
- und si ze klage State gewan,
- so gie si sich mit banden an:
- die sluoc si tüsent stunde dar
- und niuwan dar, da ez ir da war,
- da engegene, da daz herze lac, 1175
- dar tete diu scboene manegen slac.
- sus quelte daz vil süeze wij)
- ir jungen, schoenen, süezen lip
- mit alse klägelicher not,
- daz si einen andern tot, 1180
- der niht von minnen wsere komen,
- do hsete vür ir leben genomen
- und waere iedocb verdorben
- und in dem leide erstorben,
- wan daz si der trost labete 1185
- und der gedingc.iif habete,
- daz si in benamen wolte sehen ,
- swie so ez mühte geschehen ;
- und als si in gessehe,
- swaz ir dar nach geschsehe, 1190
- daz si daz allez gerne lite.
- hie friste si daz leben mite ,
- unz daz si wider ze sinnen kam
- und in ir trabte do genam,
- wie si in gesehen mühte, 1195
- als ez ir leide tobte.
- Sus kom ir in ir sinne
- umb' eine ir meisterinne,
- {'62) diu si alle zit und alle wege
- haet' in ir lere und in ir pflege 1200
- und si uz ir huote nie verlie:
- inO^vereinen swv. intrans. , vereinsamen, allein sein. — 1172 an gän
- mit aoc, einen angreifen, Hand an einen legen. — 1186 swm. (s.
- 9182 außer Reim) , Hoffnung. — /ia>>en swv., pnct. habete [vgl. sich ge-
- haben], halten, vf A. = unserm: aufrecht erhalten. — 1188 swie so Ver-
- stärkung der correl. Conj. (s. zu 34), wie auch dann. — 1196 leide dat.
- von leit 8tn. oder von leide stf.: ihrem Leide taugte, angemessen wäre.
- 1197 Unpersönliche Construction : (ez) kam ihr in ihren Sinn (mhd.
- plur.). — 1198 umbe prfep. , in betreff (wie lOCS), wie wenn vorher ein ein-
- ziges Verbuni, etwa gedenken, stünde. — meisterinne (mcistcrin 1215) stf.,
- Erzieherin, wie aus dem Folgenden hervorgeht. —
- GOTTFRIED VON STBASSBURO. I. 2. Aufl. 4
- 50 11. KIWALIN UND BLANSCHEFLUR.
- die nam si sunder iinde gie,
- da niemen was niwan si zwo,
- und huop ir klage bin z'ir also,
- als si ie täten und noch tuont, 1205
- den ir dinc stät, als ez ir stuont.
- ir ougen über wielen,
- die beizen träbene vielen
- gedibteclicbe und ange
- über ir vil liebtiu wange; - 1210
- ir bende si zesamene vielt,
- fleblicbe si die vür sieb bielt:
- «ach mines libes!« si dö spracb,
- «acb», spracb si «mines libes, acb,
- acb, berzeliebiu meisterin, 1215
- nu tuo mir dine triuwe scbin,
- der vil und wunder an dir ist!
- und Sit du nu so sselic bist,
- daz al min sselde und al min rät
- niwan an dinem rate stät, 1220
- so klage icb dir min berzeleit
- üf alle dine saelekeit:
- dune belfes mir, so bin icb tot.»
- «nu, frouwe, waz ist iuwer not
- und iuwer klägelicbez klagen?» 1225
- «ei, trüt, getar icb dir'z gesagen?»
- «ja, liebiu frouwe, sprechet an!»
- «micb toetet dirre tote man,"!
- von Parmenie Riwalin:
- den ssebe icb gerne, möbte ez sin, 1230
- und weste ich wie icb'z erwürbe.
- 1202 sunder adv., liier: abgesondert, bei Seite. — 1206 ir dinc hier Singu-
- lar, ihre Sache, Angelegenheit. — 1209 gedthteclic^ie adv., dicht; vgl. 13054.
- — atige adv., eigentlich: enge (wie iu V. 18201), dicht, öfters wortspieleud
- mit ancltche verbunden; ein Lieblingswort des Dichters. — 1210 wange
- starker Plural statt v-angen. ebenso dat. sing. st. in V. 1304, demnach das
- Wort bei Gr. stn. statt swn. (nhd. sing, stf.) — 1212 ßehliche, fleheltche ady.,
- flehentlieh. — 1217 wunder stn. steht öfters gleichsam adverbial, eine
- wunderbare Menge, sehr viel. — 1218 scelic adj. hat hier deutlich die Be-
- deutung: lieb und gut; ebenso scelekeit V. 1222 Gnade, Güte; vgl. zu 578.
- — 1219. 1220 rat in Gottfried's Weise in beiden Versen verschieden:
- 1) Eettung, 2) guter Eath, consilium, doch kann auch hier: Hülfe ver-
- standen sein wegen V. 1223. — l226 trut subst. zu trat adj., traut, lieb;
- das Geschlecht wechselt zwischen masc. (V. 1308) und neutr. ; hier in der
- Anrede an ein Weib natürlich neutr. (wie das Lieb , Trautchen) , Freun-
- din. — geturren anom. v. , verst. tiirren, wagen, dürfen. — gesagen = sagen.
- — 1227 sprechet a« = saget an. — 1231 erwerben stv. , erlangen, durch-
- setzen. —
- II. RIWALIN UND BLANSCilEPLUR. 51
- e (lanne er volle erstürbe;
- wan leider ern mac niht genesen.
- mäht du mir dar zuo guot gewesen,
- ich engan dir niemer nihtes abe, 1235
- die wile und ich daz leben habe.»
- Diu meistcriune gedahte do:
- "gestate ich dirre dinge also,
- (33) -svaz mac da schaden gewahsen an?
- wan dirre hälptote man 1240
- der stirbet morgen oder noch:
- so hän ich miner frouwen doch
- gefristet lip und ere
- und bin ir iemer mere
- lieber danne ein ander wip.» 1245
- «trüt frouwe», sprach si «lieber lip,
- iuwer klage ist mir von herzen leit
- und swä ich iuwer arebeit
- mit minem libe erwenden kan,
- da gezwivelt niemer an. 1260
- ich sei selbe gän dar nider
- und in gesehen und iesä wider.
- ich sol die State erkunnen da,
- 1232 volle adv. (zu vol), völlig, vollends. — ersterben stv., absterben, über-
- haupt: sterben. — 1234 guot, hier in der Bedeutung: nützlich, hülfreich;
- vgl. 5029. — geioesen. verst. wcsen wegen des erweiterten Keimes wie noch
- V. 44'-7. — I23ö ahe gän mit dat. der Person, gen. der Sache, einem etwas
- versagen; fast dieselbe Wendung in \'. (;'JC>4. — 123(3 unde steht öfters iu
- Vertretung des Relativs, namentlich in dieser Wendung: die Zeit, in der;
- BD lange als; vgl. z. B. 1755. 1870. 11433. 13515.
- 123b gextaten in der Regel mit gen. , nhd . gestatten mit acc. — dirre
- dinge gen. pl. ; wir begnügen uns oft mit dem Singular, dinc sing, und pl.
- im Mhd. in Verbindung mit Adjectiven und adject. Pronomen umschreibt
- Substantiva und subst. Pronomina; öfters bieten sich dafür Adverbia.
- Nicht alle diese Wendungen brauchen im Einzelnen berücksichtigt zu wer-
- den; vgl. zu Ttil. — 1239 gewahsen stv., \&x?,t. u-ahsen, erwachsen; vgl. 280.
- — 1241 derselbe Vers 7(555. Die Wendung ist nicht ohne Weiteres zu er-
- klären; steht noch elliptisch für : noch heute? oder ist hier eine bestimmte
- Redensart mit oder auzuuehmcnr=unserm : morgen noch, noch morgen?
- oder ist auch hier der (iebrauch Gottfried's wirksam, die specielle Angabe
- der allgemeinen vorausgehen zu lassen: erstirbt morgen oder (überhaupt)
- noch statt: er stirbt noch, vielleicht schon morgen? vgl. zu 2510. 3039.
- 3320. — 1243 fristen swv., hier: Frist geben, erhalten (V. 1192 = nhd). — Irp
- (Leben; und ere (Glück) stellt formelhaft. — 1244 iemer viere s. zu 037. —
- 1'_'49 erwenden swv., abwenden. — 1250 gezwit>eln = ziciveln. — 1251 sidn im
- Mhd. das hauptsächl. Hülfsverbum für das Futurum, nhd. vielfach beizu-
- behalten oder zu vertauschen wie hier mit: wollen oder mit: werden. —
- 1252 und iesä nider an gän anzuschließen. — 1253 erkunnen swv., kennen
- lernen, erforschen. — state stf., hier überhaupt: die Verhältnisse , die Ge-
- legenheit (in weitcrem Siune), wie wir aucli noch sagen, —
- 4*
- 52 11. KIWALIN UND BLANSCHEFLUR.
- wie er da lige oder wä,
- und euch der Hute nemen war.» 1255
- sus körn si in den gebserden dar,
- als si sin angest wolte Idagen
- und begünde im tougenliche sagen,
- ir frouwe wolte in gerne sehen,
- daz er ez lieze geschehen 1260
- nach fuogen und nach eren.
- sus begünde si do keren
- mit disen mseren wider dan.
- si nam die maget und leite ir an
- eines armen betewibes kleit. 1265
- ir antlützes Schönheit
- mit dicken risen si verbaut
- und nam ir frouwen an die hant
- und kom ze Riwaline.
- nu hsete ouch er die sine 1270
- al besunder üz getriben
- und was al eine beliben.
- er sagete in allen unde jach,
- einoede wasre sin gemach.
- ouch jach diu meistcrinne, 1275
- si brsehte ein arzätinne,
- und erwärp, daz man si zuo im liez.
- daz sloz si vür die tür do stiez:
- (34) «nu frouwe», sprach si «sehet in!»
- und si, diu schcene, diu gie hin 1280
- und do si im under ougen sach,
- «ach», sprach si «hiute und iemer ach,
- owe daz ich ie wart geborn:
- wie ist min trost alsus verlorn!»
- 1257 ah conj., hier: als, wie wenn. — angest (G-eschlecht bei G-. unbe-
- stimmt), hier nicht: Angst in unserm Sinne, sondern: der beängstigende,
- gefahrvolle Zustand, Leid und Schmerz. — 12bd /rouwe swf., hier die eigent-
- liche Bedeutung: Herrin. — 1264 s. zu 1058. — 1265 betewip (you beten, bit-
- ten, betteln"* stn., Bettelweib. — 1267 die Bedeutungen von dicke, dick und
- dicht kommen hier nah zusammen. — rtse fem. (st. u. sw.), Schleier,
- Kopftuch. — verbinden stv. , s. zu 16283. — 1271 al besunder adv. , eigentl. :
- ganz abgesondert, besonders, jedes für sich, hat im Mhd. öfters die Be-
- deutung: jedes einzelne, dann: alle nacheinander. — 1272 al eine, ganz
- einsam, unser: allein. — 1274 eincede (Geschlecht unbestimmt), Einsam-
- keit. — gemach stn. (s. V. 16356), Gemächlichkeit, Buhe (4430), Erholung
- (gemach ist hier nicht und überhaupt nicht: Wunsch, wohl aber steigert
- sich der Begriff zu: Vergnügen; vgl. 15803. 16356; synonym mit fröudc
- 15785). — 1278 5^02 stn., nicht: Schüsselschloß, sondern: der beschließende
- Biegel. — stozen stv., hier: schieben.
- II. RIWALIN ÜNJJ BLANSCHEFLUR. 53
- Alsus neic ir dö Rivvalin 1285
- vil küme, als ez dö mohte sin
- von einem totsiechen man.
- ouch sach si daz vil lützel an
- und nam es harte kleine war,
- wan saz et blintlichen dar 1290
- und leite Riwaline
- ir wange an daz sine,
- biz daz ir aber do beide
- von liebe und ouch von leide
- ir libes kraft da von gesweich: 1295
- ir rösevarwer munt wart bleich,
- ir lieh diu kora vil garwe
- von der vil liebten varwe,
- diu da vor an ir libe lac;
- ir klären ougen wart der tac 1300
- trüeb' unde vinster als diu naht,
- sus lac si in der ünmäht
- und äne sinne lange,
- ir wange an sinem wange
- geliche als ob si waere tot. 1305
- nu daz si do von dirre not
- ein lützel wider ze krefte kam,
- ir trüt si an ir arm dö nam
- und leite ir munt an sinen munt
- und kuste in hundert tüsent stunt 1310
- in einer kleinen stunde ,
- unz ime ir munt enzunde
- sinn' unde kraft zer minne,
- wan minne was dar inne:
- ir munt der tete in fröudehaft, 1315
- ir munt der brähte im eine kraft,
- daz er daz keiserlichc wip
- an sinen halptötcn lip
- 1286 kutne adv. (zu ktiin 850), kaum (aber nicht zeitlich); viL k., nur
- mit großer Mühe. — 129u .>t»7if« stv., sich setzen. — blintlichen adv., blind-
- lings. — 1293 öe/rfe (auch st. flect. bcidiu) — und = engl, both — and, sowohl
- - als auch. — 1290 geswiclifn stv., entweichen, verloren gehen. — 1297 Itch
- rhalton in Leiche) stf., der Leib, dann: körperliches Aussehen, namcnt-
- . !i wie hier: die Gesichtsfarbe, welclie Bedeutung bei G. vorherrscht;
- > u'l. zu 10914. — fjarwe adv. (zu f/(ir adj. 595(;) , ganz und gar, durchaus;
- :,'!. gar adv. 79.'), ber/arirc 7773. — l.'{04 = Ver8 18202. — 1308 an den arm
- lieh an dem arme) =in den Arm (im Arme). — 1310 stunt (auch volle
- rm stunde) stf., hier=:raal, 1311 st:inde=Zeit , Zeitraum. —
- 54 II. KIWALIN UND ELANSCHEFLUR.
- (35) vil nähe und innecliclie twanc.
- da nach so was vil harte unlanc, 1320
- luiz daz ir beider wille ergie:
- und daz vil süeze wip enpfie
- ein kint von sinem libe.
- ouch was er von dem wibe
- und von der minne vil nach tot; 1325
- wan daz im got half üz der not,
- sone künde er niemer sin genesen:
- sus genas er, wände ez solte wesen.
- Sus was, daz Kiwalin genas;
- und Blanscheflür diu schoene was 1330
- von ime entladen unde beladen
- mit zweier bände herzeschaden:
- groz leit lie si bi dem man
- unde truoc daz groezer dan;
- si lie da senede herzenot 1335
- und truoc mit ir von dan den tot:
- die not si mit der minne lie,
- den tot si mit dem kinde enpfie.
- und iedoch, swie so si genas,
- in swelher wise so si was 1340
- von ime entladen unde beladen
- so mit frumen so mit schaden,
- sone säch si doch niht anders an
- wan liebe liebe und lieben man.
- weder kint noch tödes ungeschiht 1345
- enwiste s' an ir libe niht:
- minn' unde man wiste s' wol
- und tete, reht' alse der lebende sol
- I und alse der minnende tuot:
- l ir herze, ir sin, ir gernder muot 1350
- lac niwan an Riwaline.
- da wider lac ouch der sine
- 1319 twingen stv., zwingen, drücken, wird häufig von der Umarmung und
- vom Kusse gesagt; vgl. 12599. 12669. — 1321 der i(,'<7ie (Wunsch) ergöt (qe-
- schieht, wird erfüllt), eine edele dichterische Wendung für die Erreichung
- des Liebesziels. — 1327 wir sagen: so hätte er nimmer genesen können.
- 1329 Sua tt'«s = so war es, so geschah es. — 1339 swie so conj. correl.
- (s. zu 34), wiewohl auch. — l'ii2 fr unte , froine swm. (vgl. 10475, sonst
- auch bei G. stf. 5842), Frommen, Nutzen, Gewinn; vgl. zu 3040. — 134i
- ungescMht stf., Unheil, Missgeschick. —
- II. EIWALIN UND BLANSCHEFLüR.
- 55
- aii ii\uucl au ir minnen.
- si lia3teu in ir sinnen
- beid' eine liebe und eine ger:
- sus was er si, und si was er,
- er was ir, und si was sin;
- da Blanscheflür, da Riwalin,
- (3G) da Riwalin, da Blanscheflür:
- da beide j^ da leal amiir.']
- ir leben was vil gemeine du,
- si wären mit ein ander fro
- und hüllten ir gemüete
- mit vil gemeiner güete.
- und swenne si mit fuogen
- ir State enein getruogen,
- so was ir werltwünne vol,
- so was in sanfte und alse wol,
- daz si enhagten niht ir leben
- iimbe kein küuicriche gegeben.
- Doch werte daz unlauge,
- wan in ir anevange,
- do si allerbeste lebeten
- und in dem wünsche sw^ebeten,
- du komen Riwaline boten:
- Morgan sin vient haete geboten
- ein starke samenung' in sin lant.
- mit disem maere und al zehant
- wart Riwahne ein schif bereit
- und al sin dinc dar an geleit,
- spis' unde ros, daz allez wart
- zohant bereitet an die vart.
- 1355
- 1360
- 1365
- 1370
- 1375
- 1380
- 1360 Iml adj. Fremdwort, lat. legalis, ncufr. loyal, treu, innig; deutlicher
- iu V. 37Ö2. — amur (: Blan.-ichejlür) subst. Fremdwort, lat. ainor , Aus-
- sprache =neufr. aiiioi/r. — Die Kürze des a beweist das AVortspiel mit
- litmeir 119itO fg. — 13t!l getneine adj., gemeinsam; das Wort wendet Cr.
- namentlich im -Ji. Theile des Gedichts mit Vorliebe an. — i;{G3 hohen swv.,
- erhohen, freudig erheben. — VM\h .u , die Liebenden, ist Subject. — 136G State
- stf., hier speciell : die (Gelegenheit der Zusammenkunft, Umgang. — getragen
- — tragen, enein getragen: vgl. zu 396. — 1368 san/te adv., angenehm, wohl.
- (1370 in der Lesart kein ander {künicrtche , himelriche) ist ander nicht=:
- nhd. ander, sondern das ander der Vergleichung; vgl. zu 6683.)
- 1373 allerhexte adv. , am allerbesten. — 1374 wünsch stm. . die höclistc
- Vollkommenheit, Seligkeit. — 1376 gebieten stv., durch Befehl entbieten,
- aufbieten. — 1377 samenungc stf., Versammlung, Heeresmacht. — 1382 an
- rrnr- mit acc.=auf, für.
- 56 II. RIWALIN UND BLANSCHEFLUß.
- Diu minnecliche Blanschefluor,
- do si diu leiden mcere erfuor
- umbe den vil herzelieben man, 1385
- alrerste gieng ir kumber an:
- von herzeleide ir aber geschach,
- daz sine gehorte noch gesach.
- ir lieh wart an ir libe
- als einem toten wibe. 1390
- üz ir munde gie niht me
- wan daz vil arme wort «owe!»
- daz eine sprach si und ouch niht me.
- «Owe!» sprach si vil lange «owe!
- owe nu minne und ouwe man! 1395
- wie Sit ir mich gevallen an
- mit also maneger arebeit !
- minn', al der Averlde unsfelekeit,
- so kurziu fröude als an dir ist,
- so rehte unstsete so du bist, 1400
- waz minnet al diu werlt an dir?
- ich sihe doch wol, du lönest ir,
- (37) als der vil välschäfte tuot:
- din ende daz ist niht so guot,
- als du der wcrlde geheizest, 1405
- so du si von erste reizest
- mit kurzem liebe üf langez leit.
- din gespenstigiu trügeheit,
- diu in so valscher süeze swebet,
- diu triuget allez, daz der lebet: 1410
- daz ist au mir wol worden schin.
- daz al min fröude solte sin,
- da von hän ich nü niht mere
- wan totlich herzesere:
- min trost vert hin und lät mich hie.^) 1415
- In disem klagemsere gie
- ir trütgeselle Eiwalin
- 1396 an vollen raii a,cc.^ nhd. mit dat. (vgl. 5213), einem zufallen; hier
- bildlich: Minne und Geliebter werden wie ein Erbe, wie ein unfreiwilliger
- Erwerb aufgefasst, — 1398 unswlekeit stf., Unheil. — 1403 valschaft =
- valschhaft adj. subst. , mit valsch (9579) behaftet, trügerisch. — 1405 [/,<-
- heizen stv. , hier: verheißen. — 1406 reizen (lies reißen wie heißen) swv.,
- reizen, locken. — 1408 f/espensiic adj., zauberisch, verführerisch. —
- trügeheit, auch trügenheit stf., Trügerei, Falschheit. — 1414 herzesere stf.,
- Herzeleid.
- 1416 klagemccre stn., Klagerede [vgl. Klagelied]. — 1417 frut geselle,
- trauter, lieber Freund (vgl. 2835. 3741), hier eher trütgeselle, Trautgeselle
- II. RIWALIN V}iD BLANSCHEFLUR. 57
- mit weinendem herzen in
- und wolte nemen urloup von ir.
- ^;frouwe», sprach er «gebietet mir, 1420
- ich sol und muoz ze lande varn;
- iuch, schoene, müeze got bewarn:
- weset iemer sselec unde gesunt!»
- alsus geswant ir anderstuut,
- aber viel si von der herzenot 1426
- vor ime in unmaht und vür tot
- in ir meisterinne schoz.
- der ir getriuwe senegenöz,
- do der daz michel ungemach
- an sinem herzeliebe ersach, 1430
- er leiste ir wol gesellekeit;
- wan er uam sich ir senede leit
- vil innecliche mit ir an.
- sin varwe und al sin kraft began
- an sinem libe swachen. 1435
- nach klägelichen sachen
- gesaz er riuweclichen nider
- und erbeite küme, daz si wider
- (38) und alse vil ze kreften kam,
- daz er si do mit banden nam 1440
- und hielt daz fröudelöse wip
- vil suozecliche an sinen lip
- und kuste ie z' etelicher stunt
- ir wange, ir ougen unde ir munt
- und trüte si sus unde so, 1445
- biz si ze jüngeste dö
- (vgl. tiüthcrre 5860); ebenso trutgesellin 16774. G. liebt die Zusammen-
- setzuugen mit geselle. — 1418 ähnliche Persouification des Herzens in
- V. 116i<6: mit tüteni herzen, in V. 46S0: daz herze lache dar. — 1419 urloup
- 8tm., Erlaubniss (zu gehen), Urlaub, dann überhaupt die persönliche Ver-
- abschiedung. — 1420 gebietet mir, Hoflichkeitsformel beim Urlaub und
- Abschied: ich stelle zu Befehl, dann überhaupt: lebt wohl. — li21 ze
- lande, nach dem (Vater-) Lande, heim. — 1424 mir geswindet (stv.), mir
- schwindet das ISewusstsein [nhd. mir schwindelt]. — ayiderstunt adv. acc,
- zum anderninal, wiederum. — 1428 nenegenoz stm., Genosse in der Liebe
- und im Liebesleid, « Leidgenosse ». Simrock. — 14.'U gesellekeit leisten [vgl.
- Gesellschaft leisten], hier: Freundschaft, Liebe bewähren. — 14.36 nach
- prsep., den Umstanden nach, ficmäß. — sache stf. sing. u. pl., oft in Um-
- schreibung gebraucht (wie dinc, vgl. zu 1238). näcli klägelichen sachen,
- wie es in solchen traurigen Verhältnissen und Ausenblicken zu geschehen
- pflegt. — 1437 riuicecÜchr adv. , mit riutve (vgl. zu 1789), schmerzvoll. —
- 1438 erbritpii swv., erwarten. — 1442 suozecliche adv., süß, lieblich, mit
- Innigkeit. — 144."» trüte pra;t. von triuten swv., trüt, lieh haben, lieb-
- kosen.
- 58 II. KIWÄLIN UND BLANSCHEFLUR.
- ze ir selber kom baz unde baz
- und üfrelit von ir selber saz.
- Nu Blanschefiür ze ir selber kam
- und aber ir friundes war genam, 1450
- si sach in jsemerlichen an:
- «ach», sprach si «sselfger man,
- wie ist mir so leide an iu geschehen!
- herr^, wie hän ich iuch gesehen
- ze so vil maneger herzeklage, 1455
- als ich an minem herzen trage
- von iu, von iuwern schulden '.^
- getorste ich ez mit hulden
- hin z'iu gereden, so möhtet ir
- friuntlicher tuon und baz ze mir. 1460
- herr' unde friunt, ich hän von iu
- manec leit und vor den allen driu,
- diu toedec unde unwendec sint:
- daz eine ist, daz ich trage ein kint;
- des entruwe ich niemer genesen, 1405
- got enwelle min gehelfe wesen.
- daz ander deist noch merre:
- min bruoder und min herre,
- so der an mir dis ungeschiht
- und ouch sin selbes laster siht, 1470
- der heizet mich verderben
- und lästerliche ersterben,
- daz dritte ist aber diu meiste not
- und maneges erger danne der tot:
- ich weiz wol, obe daz wol ergät, 1475
- daz mich min bruoder leben lät
- und er mich nilit ersterbet,
- daz er mich aber enterbet
- (39) und nimet mir guot und ere.
- 1451 josmerlichen adv. , mit Jammer. — 1452 sctlic iu der Anrede
- häufig; vgl. zu 1218. — 145:^ an prsep., hier: durch, von. — 1454 wie adv.,
- hier in der Bedeutung: warum [nhd. beschränkter]; vgl. .3136 = nhd. —
- 1455 ze prsep. bezeichnet Ziel und Zweck; für: warum habe ich euch
- sehen, kennen lernen müssen, um so manigfachcs Herzeleid davon-
- zutragen , wie ich (wirklich) um euertwillen im Herzen trage. — 1459 ge-
- reden, verst. reden. — 1463 tcedec adj., todbringend. — unwendec adv., un-
- abwendbar. — 1466 Bedingungssatz mit Conjunctiv, nhd. Indicativ : will
- Gott nicht u. s. w. — gehelfe swm. , Mithelfer, Retter. — 1470 laster stn.,
- Schmach, Schande. — 1472 lästerliche adv,, schmählich. — ersterben swv.,
- sterben lassen, tödten. —
- II. RIWALIN UND BLINSCHEFLUR. 59
- SO muoz ich iemer mere 1480
- unwert und swaches namen siu.
- dar zuo muoz ich min kindelin,
- daz einen lebenden vater hat,
- ziehen äne vater rat.
- und enwölte ich nieraer daz geklagen, 1485
- seit' ich daz laster eine tragen,
- daz min vil hoch geslehte
- und der künic min bruoder mehte
- des itewizes unde min
- mit eren ledec und äne sin. 1490
- swenn' aber alle, die nu siut,
- diu msere sagent, ich habe ein kint
- erworben kebesliche,
- deist disem und jenem riche,
- Kurnewäle und Engelande 1495
- ein offenbseriu schände.
- und ouwe, swenne daz geschiht,
- daz man mich mit den ougen siht,
- daz zwei laut von den schulden min .
- genidert unde geswachet sin, 1500
- so wsere ich eine bezzer tot.
- seht, herre», sprach si «deist diu not,
- daz ist diu wernde herzeklage,
- in der ich alle mine tage
- mit lebendem libe sterben muoz. 1505
- herr', iuwer helfe diu entuoz,
- und got enfüege ez danne also,
- sone wirde ich niemer mere frö.»
- «Trüt frouwe», sprach er do ze ir
- ((habet ir deheine not von mir, 1510
- die sol ich büezeu, obe ich mac.
- li-Sl man kann schwanken, ob swac// = niedrig oder ethischer gefasst =
- geschändet ist; ähnlich birgt unser: verachtet den Doppelsinn. — name
- steht hier wohl wieder umschreibend (vgl. zu 1058), awachea namen=:
- swiicli, sonst bezeichnet nmne auch den Stand. — 1484 rät stm. , Beihülfe.
- — vater ist Genetiv. — 1485 'jeklagen, verst. klagen, beklagen. — 1486 eine
- adj., allein. — 1489 itewiz stm. , Vorwurf, Schande. — 1490 äne erscheint
- in solchen Wendungen als unflect. Adjectiv und Synonym von ledic^ frei,
- los [los und ledig]. — 1493 kefeslicfte adv. , nach Art eines Kebsweibes,
- unehelich. — 150(i niiiern swv. , erniedrigen. — sv-adten (vgl, 8299i swv.
- trans., su-ucli machen, beschimpfen. — 1503 wernde, teerende part. adj.,
- fortwährend, beständig; vgl. 11678. — 1506 entuoz = entuo^z, entuo ez.
- 1511 büezen swv., nicht: büßen, Strafe leiden, sondern: wieder gut
- machen, vergelten; öfters hezzern und i. ; vgl. 5'234. —
- 60 II.. EIWALIN UND BLANSCHEFLUK.
- und ouch bewarn vür disen tac,
- daz in durch mine schulde iht me
- leit oder laster üf erste.
- ich hän, swaz her nach süle geschehen, 1515
- so lieben tac an iu gesehen,
- daz ez unbillich wsere,
- ob ir deheine swsere
- (40) mit minem willen soltet tragen.
- frouwe, ich wil iu rehte sagen: 1520
- min herze und allen minen muot,
- leit unde liep, übel unde guot
- und allez daz, daz iu geschiht,
- da von enscheide ich mich niht:
- da wil ich iemer wesen bi, 1525
- swie kumberlich ez danne si;
- und biute iu zweier dinge kür,
- diu leget iuwerm herzen vür:
- weder ich belibe oder var.
- hier under nemet selbe war: 1530
- weit ir daz, daz ich hie beste
- und sehe, wie iuwer dinc erge,
- daz si. geruochet aber ir
- heim unde hinnen varn mit mir,
- ich selbe und allez, daz ich hän, 1535
- daz ist iu iemer undertän.
- ir erbütet mir ez hie so wol,
- daz ich es wol gedenken sol
- mit aller slahte guote.
- swes iu nu si ze muote, 1540
- frouwe, des bewiset mich,
- wan swaz ir weit, daz wil ouch ich.»
- 1512 bewarn swv., hier intrans. : abwenden, verhüten. — vür disen tac,
- von diesem Tage an, von nun an. — 1519 mit rrdnern vjillnn = durch m. w.,
- um meinetwillen. — 1520 reJite adv. , hier: gerade heraus, aufrichtig. —
- 1525 bi wesen , (hülfreich) nahe sein. — 1527 kür stf. , Wahl. — bie-
- ten stv. , anbieten , überlassen. . bieten ein Lieblingswort Grottfried's. —
- 1529 weder — oder hier in directem Satze (vgl. zu 340), entweder — oder;
- wir können auch weder sparen. — 1530 war stf., Acht, Aufmerksamkeit.
- xoar we/ne/i^wahrnehmen, hier: mit Aufmerksamkeit beachten. — 1531 bestän
- anom. v. , bleiben. — 1533 geruochen swv. = nhd. geruhen, wünschen, be-
- gehren. — 1537 erbieten mit dat. der Person, acc. der Sache {ez) , einem
- eine (gute oder übele) Behandlung angedeihen lassen, sich einem erweisen ;
- ebenso bieten in V. 1544. — 1541 bewisen swv. mit gen. und acc, belehren,
- bescheiden.
- II. RIWALIN UND ELANS CHEFLUR. Gl
- «Genäde, herre», sprach si dö
- «ir redet und bietet mir'z also,
- als in got Ionen müeze, 1545
- und alse ich iuwer füeze
- iemer gerne suochen sol.
- friunt uude herre, ir wizzet wol,
- belibeus mac hie niht gesin:
- min angest umbe min kindelin 1550
- die enmäg ich leider niht verheln;
- wan möhte et ich mich hin versteln:
- daz wsere nü der beste rät
- nach dem dinge, als ez mir stät.
- friunt herre, dar zuo ratet ir. » 1555
- «nu frouwe», sprach er «volget mir:
- ze naht, als ich ze schifte ge,
- so flieget ir daz, daz ir e
- (-41) vil tougenliche dar sit komen;
- biz daz hän ich urloup genomen, 1560
- daz ich iuch danne vinde
- bi minem ingesinde.
- sus werbet! also muoz ez sin.»
- Mit dirre rede kom Riwalin
- ze Marke und seite im msere, 1565
- waz ime enboten waere
- umb^ sin Hut und umbe sin lant.
- urloup uam er von ime zehant,
- da nach von al den sinen.
- die klageten Riwalinen, 1570
- daz er die klage e nie gesach,
- diu dö und da nach ime geschach:
- 1543 (tchikIp stf., aufjer Gnade, Huld aueli wie hier: Dank. — 15J5 a/.
- logisch ricbti;.; an also angeschlossen; wir lassen dalür: daß folgen. —
- 1Ö46 fg. HöHichkeitsfurmel [vgl. zu Füßen legen. Hand küssen]: innigst
- (in Gedanken fußfiillig) danken. — 15.50 nicht Angst um das Kindlein,
- sondern die (eigene droliende) (Gefahr wegen des (künftigen) Kindleins. —
- 1552 van stein öfters zur Eröffnung von Wunschsätzen wie utinain
- (Gr. 4, 7y); wir müssen unser: nur in die Mitte des Satzes nach dem Per-
- sonalpronomen steUen; bei G. selten: vgl. 2590. — 1553— .5.> hier wieder
- wie in V. 1219—20 verschiedene Bedeutung von räf und raten: 1, Eettung,
- Ausweg, 2j helfen. — 1555 friunt herre, nicht //•. h.=fr. unde h. wie in
- V. 1548, sondern = nhd. Herr Freund; herre in dieser Weise nachgesetzt
- ferner: yot h. 1715. 1726. 235S. — 1558 füegen swv. , einrichten, bewerk-
- stelligen.
- 1564 Mit prsep. gewinnt öfters die Bedeutung: sogleich nach; vgl.
- hie mite 400. — 1565 muere sagen, eine beliebte Wendung, überhaupt: mit-
- thellen. — 1572 hier do und da, jetzt und hier, nebeneinander. — nach
- v>/je = um ihn.
- 62 II. EIWALIN UND BLANSCHEFLÜE.
- manec segeu wart im näcli gegeben,
- daz got sin ere und sin leben
- geruochte in sinem schirme hän. 157.')
- nu ez an die naht begunde gän,
- und er ze sinem schüfe kam
- und al sin dinc dar an genam,
- do vander sine frouwen da,
- die schcßnen Blanscheflür : ie sä 1580
- so wart daz schif gestozen an.
- alsus so fuoren si von dan.
- Nu Riwalin ze lande kam
- und die vil grozen not vernam,
- die Morgan hsete üf in gewant 1585
- mit überkrefteclicher haut,
- sinen märschalc er besaude,
- an dem er triuwe erkande,
- an dem sin meister tröst do lac,
- der aller siner eren pfiac 1590
- über sin liut und über sin lant:
- daz was Eüal li foitenant,
- der eren unde der triuwe ein habe,
- der nie gewancte au triuwen abe:
- der Seite im aller hande, 1595
- als er ez wol erkande,
- waz ängeslicher swsere
- dem lande erstanden waere.
- (42) «doch», sprach er «sit daz ir enzit
- ze tröste uns allen komen sit 1600
- und iuch got wider gesendet hat,
- so sol sin alles werden rät,
- und mugen vil harte wol genesen;
- wir suln nu hohes muotes wesen,
- unser angest sol nu kleine sin.» 1605
- 1581 an stozen (elliptiscli an, in, daz ruer) , das Gegentheil vou üz stozen.
- ■ — 1586 überkreftecuch adj., übermächtig. — 1590 eines eren (gen. pl.) pflegen,
- ein bestimmter Terminus für die Repräsentation und Stellvertretung in
- der Herrschaft. — 1594 i/eicawc^e = gewankt war. — 1597 ängeülch , auch
- angeslich = anyestlich adj., (ängstlich), gefahrvoll. — 1599 enzit (■= in zit)
- adv., zur Zeit, zu rechter Zeit. — 1602 sin gen. neutr. = es. — rat werden
- mit gen., Eath, Hülfe in einer Sache geschafft werden. — 1603 im Mhd.
- wird oft das Personalpronomen gespart; vgl. 1628. — 1604 hohes inuotes =
- huchgerauot , fröhlichen Sinnes [vgl. gutes Muthes]. — 1605 sol im Gegen-
- satz zu suln (sollen, wollen) in V. 1604 Auxiliar des Futurums = wird.
- II. RIWALIN UND BLANSCHEFLUR. 63
- Hier under seitc im Eiwalin
- die lieben äventiure
- umbe sine Blanscheliiure.
- des wart er innecliche fro:
- «ich sihe wol, herre», sprach er dö 1610
- «imver ere wähset alle wis,
- iuwer werdekeit und iuwer pris,
- iuwer fröude und iuwer wunne,
- diu stiget als diu sunne.
- irne möhtet üf der erden 1615
- von wibe niemer werden
- so hohes namen als von ir.
- von danne, herre, volget mir:
- habe si wol ze iu getan,
- des sult ir si geniezen län. 16-20
- so wir unser dinc nu genden,
- die not von uns gewenden,
- diu uns nu so ze rucke lit,
- so gebietet eine höhgezit
- wol herlich unde riche: 1625
- da nemet si offenliche
- vor magen und vor mannen z'e.
- und rate zwäre, daz ir e
- ze kirchen ir geruochet jehen,
- da ez pfäffen unde leieu sehen, 1630
- der e nach kristenlichem site:
- da speleget ir iuch selben mite,
- und wizzet weerli'chen daz,
- iuwer dinc sol iemer deste baz
- ze eren und ze guotc ergän. o 1635
- Nu daz geschach, daz was getan,
- daz er des alles voUokam;
- 16CH) Hier under adv. (vgl. zu 798) dient öfters zur Anknüpfung iu
- der Erzählung; vgl. z. B. 21*)2. 3(>9S. — 1611 alle wis adv. acc. , auch //*
- •lUe uts 12943, auf alle Weise, in jeder Hinsicht; bei G. häufig. — 1617 na;««^,
- hier: Würde, Ansehen. — 1618 von danne adv., hier causal, verschieden
- von dem örtlichen von dan: deslialb ; von dannen 9362. — 1621 genden =
- 'jeenden swv., verst. enden, beenden, zu gutem Ende führen. — 1622 (/e-
- icenden-^wenden ; vgl. 4921. — 1623 ze rucke stm., auf dem Kücken (als
- schwere Bürde); [daraus: zurück]. — 1629 jehen stv. mit dat. der Person
- (ir) und gen. der Sache (der e V. 1631), einem etwas geloben. — ze kirchen,
- rein urtlicli: in der Kirche. Dieses Gelübniss ist aber noch nicht die
- Trauung; vgl. Grimm's Rechtsalterthümer, S, 434 fg. — 1632 scelejrn swv.,
- beseligen, beglücken. — 1633 iva-rHclien adv., wahrlich, fürwahr.
- 1637 volttkomen stv. mit gen. der Sache, (vollends kommen), etwas
- erreichen ; bei G. meist vollen, seltener vol. —
- 64: II. mWALlN UND BLANSCHEPLüB.
- und alse er si dö z'e genam,
- (43) er bevälcli si hant von hande
- dem getriuAven Foiteuande. 1640
- der fuorte si ze Kanoel
- üf daz selbe kastei,
- nach dem sin herre, als ich ez las,
- Kanelengres genennet was,
- Kanel nach Kanoele. 1645
- üf dem selben kästele
- hsete er do sin selbes wip,
- ein wip, diu müot ünde lip
- mit wiplicher staete
- der werlt gewirdet hsete. 1650
- der bevalch er sine frouwen dö
- und scliuof ir ir gemach also,
- als ez ir namen wol gezam.
- Nu Rüal wider zem herren kam,
- do wurden si zwen' under in' zwein 1655
- umbe ir ängest enein,"
- alse ez in do was gewant.
- si sanden über al ir laut
- und samenten ir ritterschaft-,
- alle ir State und alle ir kraft 1660
- die kerteu si niwan ze wer.
- alsus komea si mit her
- Morgäne engegene geriten.
- ouch wart ir harte wol gebiten
- von Morgane und von den sinen: 1665
- si enpfiengen Riwalinen
- mit einer herten vehte.
- hei waz da guoter knehte
- 1639 hant von hande ferner in Y. 11403, wie von hande ze hande 15038, von.
- Hand zu Hand, aus einer Hand in die andere, d. h. ohne Zwischenperson,
- unmittelbar. — 1650 iverlt dat. — wirden swv. trans. , würdigen, verehren
- [wie unser verehren im Sinne von: darbringen, weihen].
- 1657 ez ist Jiiir (oder auch wie in V. 5121 umbe mich) yeivant (^= ge-
- wendet), eine häufige und auch bei G. sehr beliebte Kedensart, welche in
- der modernen Sprache durch verschiedene Wendungen zu geben ist: es
- hat eine Bewandtniss mit mir, es entspricht meinen Verhältnissen, es ist
- mir angemessen, es gereicht mir, es steht mit mir u. dgl.; vgl. zu 1874. —
- 1660 State stf. hat auch öfters die Bedeutung: die augenblicklich zu Ge-
- bote stehende Macht; vgl. zu 7393. — 1661 'keren swv. trans., wenden, ver-
- wenden. — 1664 gebiten part. praet. von bit^n stv. mit gen., auf einen war-
- ten. — 1667 vehte stf., Gefecht stn. — 1668 waz mit gen., hier = wie viel.
- — guoter kneht ist eine Art Terminus, namentlich in Anreden, für : Ritter,
- ohne daß guot eine ethische Bedeutung hat; vgl. zu 5416. —
- il
- II. KIVVALIN UND BLANSCHEFLUR. C5
- gevellet unde geveiget wart!
- wie lützel der da wart gespart! 1670
- wie manic man kom da ze not,
- lind wie vil maneger lac da tot
- und wunt von ietwederm her!
- an dirre veigen läntwer
- wart der vil klageban-e erslagen, 1675
- den al diu werlt wol solte klagen,
- ob klägelichiu swsere
- nach töde nütze waere.
- (44) Kanelengres der guote,
- der ritterlichem muote 1680
- noch herren tugende an keiner stete
- nie fuoz noch halben wanc getete,
- der lac da jsemerlichen tot.
- iedoch in aller dirre not
- körnen die sine über in 1685
- und brähten in mit nceten hin:
- mit maneger klage si'n fuorten dan
- und bestatten in als einen man,
- der minner noch mere
- niwan ir aller ere 1G90
- mit ime do fuorte hin ze grabe.
- daz ich nu vil von ungehabe
- und von ir jamer sagete,
- waz iegelicher klagete,
- waz solte daz? es wsere unnot. 1695
- si wären alle mit im tot
- an eren unde an guote,
- an allem dem muote,
- der guoten Hüten solte geben
- sa^ld' unde ScTledichez leben. 1700
- 1669 veigen swv., veiye (1H74) machen, dem Tode weihen, tödten; vgl. zu
- 6456. — 1673 teticecler pron. adj., jedweder, jeder von beiden. — 1674 veiffe
- adj., dem Tode geweiht, dann: furchtbar, unglückselig [nhd. feige, f/m/c/^^s
- jünger]. G. liebt das Wort. — lantwer &t{., (Landwehr), abstract : Landes-
- vertheidigung ; vgl. zu 1S77, 1878. — liu-i kla[/eba're ndi. subst., beklageus-
- werth. — 1682 fuo: adv. acc, eine Malobezeichnung, einen Fuß breit;
- ▼gl. /uo: treten in V. 7373. Die "Wendung fuoz noch Italien elliptisch
- = (einen) fuoz noch halben (fuoz); vgl. wurt noch halOez in V. 11228. —
- icanc stm. tuen, eine zurückweichende oder seitwärts gerichtete Bewegung
- machen, wanken, weichen, — getete plusquainperf., gethan hatte. In der
- Kegel bei vayi'^ tuon die Pnop. von, hier der Dat., als stünde icanken oder
- wenken , nhd. wanken, weichen von..., entweichen mit dat. — 1686 mit
- nceten, nur mit großer Notb, kaum. — 16s9 ininner noch niere niwan (wan)
- = un8erm: nicht mehr und nicht weniger als. — 1692 ungehabe stf., Leid-
- wesen, Klage. — lt;9ö ?/«>i'j7 = unnothig, aber unnot ist wohl subst.
- r.OTTKRIED VOX STEASSBURG. I. 2. Aufl. 5
- G6 II. RIWALIN UND BLANSCHEFLUR.
- Diz ist geschehe!] , ez muoz nii sin :
- er ist tot der guote Riwalin;
- dane hderet nü niht mere zuo
- wan eine, daz man umbe in tuo,
- als mit rehte umb' einen toten man. 1705
- da enist doch nü niht anders an:
- man .sol und nuioz sich sin bewegen,
- und sol sin got von himele pflegen,
- der edeler herzen nie vergaz !
- lind Silin wir sprechen vürbäz, J710
- wie ez umb' Blanschefliure kam:
- dö diu vil schcfene vernam
- diu klagebseren meere,
- wie dö ir herzen wsere?
- got herre, daz solt du bewarn, 1715
- daz wir daz iemer suln ervarn.
- ich enhan da keinen zwivel an,
- gewan ie wip durch lieben man
- (45) totlichen herzesmerzen,
- derne wsere ouch in ir herzen. 1720
- daz was tötliches leides vol.
- si bewserte al der werkle wol,
- daz ir sin tot ze herzen gie.
- ir engen diu enwurden nie
- in allem disem leide naz. 1725
- ja, got herre, wie kern daz,
- daz da niht wart geweinet?
- da was ir herze ersteinet:
- dane was niht lebenes inne
- niwan diu lebende minne 1730
- und daz vil lebeliche leit,
- daz lebende üf ir leben streit.
- geklägete s' aber ir herren iht
- mit klageworten? nein si niht:
- si erstümmete an der stunde, 1735
- 1704 tuon umbe eirtew= verfahren mit einem. — 1707 beivegen stv. rcfl.
- mit gen., sich eines Dinges (oder auch einer Person) begeben , sich über
- etwas trösten. — 1708 sol im "Wunschsatz : möge. — 1710 vürbaz (baz vür,
- -weiter vorwärts) adv., weiterhin [unser: fürbaß fast nur noch örtlich]. —
- 1720 abhängig von V. 1717; die Negation (-ne) steht mhd. nach niht zwiveln
- ähnlich wie im Lat., wo wir nhd. sie sparen; in diesen Fällen mhd. meist
- conj., nhd. indic. — 1728 ersteinen swv., versteinen. — 17.31 lebelich adj.,
- im Gegensatz zu tötliches leides in V. 1720, lebendig, lebhaft. — 1732 üf
- prsep., gegen. — 1735 erstummen swv. = verstummen; die Zusammensetznnge»
- mit er- liebt der Dichter. —
- II. EIWALIN UND BLANSCHEFLÜR. 67
- ir klage starp in ir munde;
- ir zunge, ir munt, ir herze, ir sin,
- (laz was allez dö da hin.
- diu schoene enklagete do niht me:
- sine sprach dö weder ach noch we; 1740
- si seig et nider unde lac
- quelnde unz an den vierden tac
- erbärmeclicher danne ie wip ;
- si want sich unde brach ir lip
- BUS unde so, her unde dar 1745
- und treip daz an, biz si gebar
- ein sunelin mit maneger not.
- seht, daz genas und lac si tot.
- Owe der ougenweide,
- da man nach leidem leide 1750
- mit leiderem leide
- siht leider ougenweide!
- Der ere au Riwaline lac,
- der er nach grözen eren pfiac,
- die wile und ez got wolte, 1755
- daz er ir pflegen solte:
- der leit was leider alze groz
- und alles leides übergenoz;
- (46) wan al ir trost und al ir kraft,
- ir tuon und al ir ritterschaft , J760
- ir ere und al ir werdekeit,
- daz allez was do hin geleit.
- 1741 iigcn stv., sich niederwärts bewegen, sinken, nider algen^ Verstärkung :
- niedersinken. — 1742 quelnde part. nicht von quelen, queln swv., quälen
- trans., sondern von quelen stv. (quil, quäl) intrans. [nhd. aufgegeben], sich
- quälen, Schmerz erdulden ; vgl. 19390 und zu 5093. — 1743 erbärmeclicher
- compar. adj. (oder adv.), erbarmenswerther. — 1744 stnen lip brechen, wohl
- nicht gleichstehend mit: Bein brechen, sondern activer = sich brechen im
- Sinne: sich krampfhaft krümmen. — 1746 an triben stv., weiter treiben. —
- 1748 mhd. Wortstellung lac •sj = nhd. sie lag; vgl. 18555.
- 1749 ougenneide stf., überhaupt: Anblick. — llhlmit, zugleich mit. —
- leid*:r adj. compar. — 1752 leider niclit adv. interj., sondern adj. acc. cova-
- ^tLr.^= leidere. Noch deutlicher wäre die Steigerung, wenn der Superl.
- leideste stünde. Das leidige Leid (17.iO): Riwalin's Tod. Das traurigere Leirl
- (17.M): Blanschetiur's Tod. Der (noch) traurigere Anblick (1752): Tristan's
- Geburt, die ihn der Mutter beraubte.
- 1753 Der relat., ea cujus. — 1757 der demonstr. — 175S übergenoz
- stm., eigentlich der Genosse von höherem Ansehen; abstract und prosaisch
- ausgedrückt: Extrem oder die höhere Potenz; das Wort wird im Mhd.
- ziemlich häufig zu poetischen Vergleichen benutzt. — 1702 hin legen ^ bei
- Seile Irgcn, a-'ifgebon ; hier passivisch: zu Ende sein; vgl. l^fS. —
- ()3 II. EIWALIN UND BLANSCHEFLUR.
- siü tot was aber wol lobelicli,
- der ir ze sere erbärmeclich.
- swie schäclelicli diu swsere 1765
- liut' unde lande wajre,
- diu von ir herren tode kam,
- ez euwäs doch niht so klagesam,
- so daz man dise quelende not
- und den erbärmecliclien tot 1770
- an dem vil süezen wibe sach:
- ir jämer unde ir ungemach
- beklage ein ieclicli sselec man:
- und swer von wibe ie muot gewan
- oder iemer wil gewinnen, 1775
- der trahte in sinen sinnen,
- wie lilite misselinge
- an sus getanem dinge
- guoten liuten üf erstät,
- wie lihte ez in ze leide ergät 1780
- an fröuden unde an libe;
- und si dem reinen wibe
- genäden wünschende umbe got,
- daz sin güete und sin gebot
- ir helfe, ir trost geruoche sin! 1785
- und sagen wir umbe daz kindelin,
- daz vater noch muoter haete,
- waz got mit deme getaete.
- 1763 vgl. zu 1743. — lohelich adj., löblich, ehrenvoll (als Heldenthat). —
- 1768 klaoesara adj., beklagenswerth ; G. liebt die Bildungen mit -savi, vor-
- zugsweise; die Fälle bei ihm und andern Dichtern sind in großer Menge
- zusammengestellt von Haupt zu Engelhard 1185 ; unhöfisch scheinen mir
- diese Adjectiva nicht, sie machen im Gegentheil den Eindruck des Ge-
- wählten; bei G. zumal sind einige, wie dieses klagesam, sicher original,
- seiner ganzen Art angemessen, und Konrad von Würzburg hat es dem
- Meister abgesehen. — 1769 wie das war, daß man u. s. w. ; -wir können
- übersetzen : so wie. — quelende scheint part. von quelen swv. trans., die
- quälende, marternde Noth; es ist aber part. von (^we/ew stv. nach Analogie
- von Mojjende not, partic. prses. act. mit passiver Bedeutung; vgl. Gr.
- 4, 65 fg. — 1774 nvaot stm., hier alleinstehend mit der sichern Bedeutung :
- Frohsinn, Freude, Glück. — 1777 misselinge stf., Misslingen, Missgeschick.
- — 1783 genuden gen. pl., abh. von loünschen (sonst bei wünschen der Acc).
- genäde, hier: Segen, gnädige Aufnahme. — si vjünschende = wünsche; im
- Mhd. und insbesondere bei G. beliebte Umschreibung (Gr. 4, 6), günstig
- für den Dichter, in jüngerer Zeit ins Abgeschmackte ausartend; vgl. bei
- G. z. B. 1899. 5501. 13967 und zu 5511. — umbe pr8ep. = bei.
- III.
- RUAL LI FOITENANT,
- Nach Riwalin's Fall bestimmt der treue Kual die Laudcshcrren, mit
- Herzog Morgan Frieden zu schließen. Um Riwalin's und Blanscheflur's
- Söhnlein vor dessen Anschlägen zu sichern, gibt er das Kind für sein
- eigenes aus im Einverständnisse mit seiner Gemahlin Plorsete, welche die
- Wöchnerin spielt und nach der üblichen Frist ihren Kirchgang hält.
- Das Kind empfängt durch Kual in der Taufe den beziehungsreichen
- Namen Tristan. Die sieben ersten Jahre ist Tristan in seiner ]Mutter
- Pflege, dann wird er mit einem Erzieher in die Fremde gesandt, wo er in
- den Sprachen und in allen schönen und ritterlichen Künsten unterrichtet
- wird. Mit dem vierzehnten Jahre nimmt ihn Rual zu weiterer Ausbildung
- wieder nach Hause^
- Riiiw' imde staetiu triuwe
- nach friuüdes tode ie niuwe, 1790
- da ist der friimt ie niuwe:
- daz ist diu meiste triuwe.
- Swer nach dem friunde riuwe hat,
- nach töde triuwe an ime begät,
- daz ist vor allem lone, 1795
- deist aller triuwe ein kröne,
- mit der selben kröne was
- gekrcenet dö, als ich ez las,
- (47) der marschalc und sin saelec wip,
- die beide ein triuwe unde ein lip 1800
- gote linde der werlde wären,
- des si guot bilde baren
- 1789 Riuwe stf., nicht: Reue, sondern : Trauer (über einen Verlust). —
- 1790 — 91 das 1. njuice^ erneut, das 2. =fri6ch, unvergänglich.
- 1802 den gen. neutr. rel., davon. — bilde stn., Vorbild, Beispiel. —
- bem stv., hier: gewähren. —
- 70 HI RUAL LI FOITENANT.
- beidiu der werlde unde gote,
- wan si wol nach gotes geböte
- ganzlicher triuwe wielten 1805
- und ouch die wol behielten
- an' alle missewende
- unz an ir beider ende.
- solt' iemen üf der erden
- von triuwen halben werden 1810
- künic oder künigin,
- benamen daz möhten si wol sin,
- als ich iu von in beiden
- wserliche mac bescheiden,
- wie er gefuor und si gewarp. 1815
- tio Blanscheflür, ir frouwe, erstarp
- und Riwalin begraben was,
- des weisen dinc, der da genas,
- daz gefüor nach ungenäden wol
- als des, der vürbaz komen sol. 1820
- der marschalc und diu marschalkin
- nämen daz kleine weiselin
- und bürgen ez vil tougen
- (den liuten von den ougen.
- si sageten unde hiezen sagen, 1825
- ir frouwe hgete ein kint getragen;
- daz wsere in ir und mit ir tot.
- von der gedri'eten not
- wart aber des landes klage do me;
- ir klage wart aber do me dan e: 1830
- klage, daz Riwalin erstarp,
- klage, daz Blanscheflür verdarp,
- klage ümbe ir beider kindelin,
- an dem ir tröst do solde sin,
- 1805 wallen stv. [nhd. swv., im Gebrauch sehr beschränkt] mit gen., pfle-
- gen, besitzen. — 1807 mUsewende stf., (Misserfolg), Tadel, Schande, an'
- alle m. auch ane m. gehört zu den mhd. Formeln; bei Gottfried nur hier.
- — 1810 lialben dat. von halbe swf., Hälfte, Seite, von halben=:von Seiten,
- wegen, durch; vgl. von gotes halben 4128. — 1815 gevarn stv., verfahren,
- handeln. — geiverben, verst. tverben. — 1818 weise swm, (nhd. stf.), der
- Verwaiste. — 1819 gevarn stv., hier: ergehen, ausschlagen. — ungendde
- stf., ungünstiges Geschick, Unglück, nach ungenäden, nicht: zeitlich nach
- dem Unglück, das ihn betroffen, sondern: im Verhältnisse zu dem Un-
- glück seines Verwaistseins gestaltete sich sein dinc, sein Schicksal gün-
- stig. — 1820 als eines solchen, der vürbaz, vorwärts, emporkommen
- soll, dem ein günstiges Geschick bestimmt ist. — 1822 weiselin stn. dimin.
- von vjeise. — 1328 gedrlct part. adj., verdreifacht, dreifach. —
- III. ßUAL LI FOITENANT. 71
- daz daz verdorben wasre. 1835
- zuo aller dirre swaere
- gienc in diu starke vorlite,
- die Morgan an in worhte,
- (48) als nähen alse ir lierren tot.
- wan diz daz ist diu meiste not, 184
- die man zer werlde haben mac,
- swä so der man naht unde tac
- den totvint vor ougen hat,
- daz ist diu not, diu nähen gät
- und ist ein lebelicher tot. 1845
- in aller dirre lebenden not
- wart Blanscheflür ze grabe getragen.
- michel jämer unde klagen
- daz wart begangen ob ir grabe.
- ir muget wol wizzen, ungehabe 1850
- der was da vil und alze vil.
- nune söl ich aber noch enwil
- iuwer oren niht beswaeren
- mit z'erbärmeclichen maeren.
- wan ez den oren missehaget, 1855
- swä man von klage ze vil gesaget;
- und ist vil lützel iht so guot,
- ez enswäche, der's ze vil getuot.
- von diu so läzen langez klagen
- und flizen uns, wie wir gesagen 1860
- umbe daz verweisete kint,
- von dem diu maere erhaben sint.
- Sich treit der werlde sache
- vil ofte z' ungemache
- und aber von ungemache 1865
- ?e wider ze guoter sache.
- 1835 würken swv. anom., bewirken, verursachen. — 1855—58 wieder Para-
- phrase einer sprichwörtlichen Redensart. — 1857 vü lützel iht, gar wenig
- etwas, d. h. nichts. — 1858 ez'n swache (vgl. zu 947), ohne daß es gering
- werde, abnehme; wir wenden in diesem Falle Relativsatz an: das nicht ab-
- nehme, seine Wirkung verliere, wenn man u. s. w. — 1859 fg. läzen, vlizen
- conj. opt., lassen wir! bemühen wir! die ältere Sprache kann das Personal-
- pronomen entbehren ; vgl. Gr. 4, 206 fg. — 1862 erheben stv., anheben, be-
- ginnen, aber nicht in dem Sinne: von dem früher die Rede war (denn das
- Kind ist ja kaum erst erwähnt), sondern : welches dieses Gedicht veranlasst
- hat, welches der eigentliche Gegenstand des Gedichtes ist.
- ISeii tragen refl., sich wenden, fügen. — der ire7-ldc in der modernen
- Sprache concreter zu geben als in V. 2: der Menschen.
- 72 III. KUAL LI FOITENANT.
- Reht' in den noeteu sol der frume,
- ze swelhem ende ez danne kume,
- bedenken, wie sin werde rät:
- die wile und er daz leben hat, 1870
- so sol er mit den lebenden leben,
- im selben trost ze lebene geben,
- als tete der marschalc Foitenant:
- wan ez im ze sorgen was gewant,
- do bedähte er mitten in der not 1875
- des landes schaden, sin selbes tot;
- wan ime diu wer niht tohte
- noch sich mit wer enmohte
- (49) wider den vint gefristen,
- dö friste er sich mit listen. 1880
- er sprach die herren al zehant
- über ällez sines herren lant
- und brähte si ze suone.
- wan in was niht ze tuone
- wan flehen unde sich ergeben: 885
- si ergäben güot ünde leben
- an Mörgänes hulde.
- die häzlifchen schulde
- under Morgäne und under in
- die legeten si mit listen hin 1890
- und nerten ir Hut unde ir lant.
- Der getriuwe marschalc Foitenant
- fuor heim und sprach sin saelic wip
- und bevälch ir verre und an den lip,
- daz si sich iii leite 1895
- nach der gewoneheite,
- als ein wip kindes inne lit,
- 1867 fruia adj. subst., wacker, tüchtig; vgl. zu 1148. — 1874 wan =
- wände (Hs. W.), weil, da. — ze wegen des Begriffs der Bewegung in wen-
- den; wir übertragen solche Zusätze bei mir ist gewant (vgl. zu 1657) am
- besten durch ein entsprechendes Adverb : weil es mit ihm besorglich
- stand. — 1877 wer stf., hier abstract: Vertheidigung. — 1878 wer, hier
- concret: Heeresmacht; vgl. 1128 [vgl. unser: Landwelir]. — 1S79 gefrissten
- swv., verst. fristen. — 1880 list öfters im Plural, — 1881 sprechen stv. mit
- acc. der Person, sich mit einem besprechen und berathen; vgl. 1978 und
- zu 9303 (gleichgültiger = nhd. einen sprechen in V. 3939). — 1883 suone
- stf., (Sühne), Versöhnung, Friedensvertrag. — 1888 häzlich , hazlich adj.,
- gehässig, feindselig. — schulde stf., hier pl., Verschuldung, Vergehen. —
- 1891 neren, nern swv., (nähren), retten.
- 1895. 1897 sich in legen, sich zu Bette legen; inne ligen, zu Bette liegen ;
- beides speciell vom Wochenbette gesagt. — kindes gen. wie noch in V. 193U;
- wir sagen: mit einem Kinde; vgl. Gr. 4, 671.
- III. RÜAL LI rOITENANT. 73
- und daz si näcli der selben zit
- jaeh' unde jehende waere,
- daz si daz kint gebsere, 1900
- daz ir juncherre solte sin.
- diu sielige marschalkin ,
- diu giiote, diu staete,
- diu reine Flönete,
- diu wibes ere ein Spiegelglas 1905
- und reliter güete ein gimme was,
- diu was des li'hte gemant,
- daz ir doch z'eren was gewant:
- si stalte ir muot und al ir lip
- ze klage und relite alse ein wip, 1910
- diu eines kindes sol genesen,
- si hiez ir kamere unde ir wesen
- stellen unde machen
- ze heinlichen Sachen;
- und wände s' oucli erkande wol, 1915
- wie man hie zuo gebären sol,
- do nam si ir willeklage hier aber
- si geli'chsente groz ungehabe
- (50) an muote unde an libe,
- gelich einem wibe, 1920
- diu ze solhen noeten gät,
- diu al ir dinc gestellet hat
- ze sus getaner arebeit.
- sus wart daz kint zuo z'ir geleit
- vil tougenlichen unde also, 1925
- daz ez vil lützel iemen du
- an' eine ir ammen bevant.
- 1901 sin (wesen) suln , meist sin solle, eine Umschreibung, deren Gottfried
- sich öfters bedient für einen Begriff, der zwischen: sein und: nicht sein
- inne liegt; dieser neue Begriff gestaltet sich verschieden, je nachdem das
- Nichtsein in den Verhältnissen oder in der Vorstellung beruht, darum
- öfters in dem einen sin solte scheinbar das Gegentheil vom andern. Hier:
- das Bonst ihr Jungherr, Prinz, sein sollte, gewesen wäre; wir können
- übersetzen: das ('eigentlich» ihr Herr war; vgl. zu 1954. 2210. — 1906 gimme
- (lat. geruiiia) swf. , Edelstein. — 1907 manen swv., mahnen, hier mit gen.
- und der Bed. : um etwas bitten. — 1909 stalte pra;t. von stellen mit acc,
- richten, einrichten, gestalten. — 1912 wesen stu., hier: Leben, Aufenthalt,
- Aufenthaltsort [vgl. Anwesen, Heimwesen]. — 191«; 'jeharen swv., sich be-
- nehmen, sich anstellen. — 1917 hiervon, von ihrer Kenntniss des Kind-
- bettes, nahm sie ab, ahmte sie nach ihre willeklage, ihren freiwilligen, ver-
- stellten Schmerz. — 19 is gHichsenen, gelicfisen swv., heucheln. — 1927 be-
- oinden stv., erfahren.
- 74 III. RUAL LI FOITENANT.
- Hie wart ein maere sä zehant:
- diu guote marschalkinne
- la3g' eines sunes inne. 1930
- ez was oiicli war, si tete also:
- si lac des sunes inne do,
- der ir sunlicher triuwe pflac
- unz an ir beider endetac.
- daz selbe süeze kint truoc ir 1935
- als süezliche kindes gir,
- als ein kint siner muoter sol:
- und was daz billich unde wol.
- si leite ouch allen ir sin
- mit muoterlicher liebe an in 1940
- und was des alse staete,
- als ob si in selbe haete
- undör ir brüsten getragen,
- als wir daz maere beeren sagen,
- son' geschäch ez weder sit noch e, 1945
- daz ein man unde ein wip ie me
- mit solber liebe ir herren zugen,
- als wir her nach erkennen mugen
- an disem selben ma?re,
- wie väterliche swser e 1950
- und wie vil manege arebeit
- der getriuwe marschalc durch iu leit.
- Xu daz diu guote marschalkin
- der not genesen solte sin
- und nach ir sehs wöchen, 1955
- als den fröuwen ist gesprochen,
- des suns ze kirchen solte gän,
- von dem ich her gesaget hän,
- (51) si selbe in an ir arm näm
- und truog in suoze, als ir gezam, 1960
- 1933 sunlich [nhid. aufgegeben] adj., kindlich. — pflegen mit dat. der
- Person (ir), gen. der Sache (s. tr.), einem etwas gewähren ; vgl. 3733. —
- 1934 endetac stm., letzter Tag. Gottfried liebt das Wort ende in Bildungen
- und Zusammensetzungen, — 1936 süezlich adj., süß, zart, innig. — 1946 ie
- ine^ jemals wieder.
- 1954 (vgl. zu 1901) hier können wir solte = videbatur , dicebatur bei-
- behalten, um auszudrücken: (im Sinne, nach dem Glauben der Leute)
- wieder gesund war. (Fedor Bech dagegen: o. solte g. s. = nach dem Gang
- der Dinge musste wieder genesen sein«.) — 1956 gesprochen , ähnlich wie
- in V. 535 besprochen, zur Bedingung, zur Pflicht gemacht. — 1957 dieses
- solte stilistisch verschieden von dem in V. 1954; hier: pflichtgemäß sollte,
- musste. — des suns , vgl. zu 1897. — 1958 her adv., bisher. —
- III. ßUAL LI FOITKNANT. iO
- mit ir zem gotes liüse also.
- und als si ir inleite dö
- goteliche hsete eupfangen
- und von opfer was gegangen
- mit schoenem ingesinde, 1965
- do was dem kleinen kiude
- der heilige touf bereit,
- durch daz ez sine kristenheit
- in gotes namen enpfienge,
- swie'z ime dar nach ergienge, 1970
- daz er doch kristen wsere.
- nu daz sin toufaere
- alles sines dinges was bereit
- nach töuflicher gewoneheit,
- er frägete umbe daz kindelin, 1975
- wie sin name solte sin.
- diu hövesche marschalkin gie dan
- und sprach vil tougenliche ir man
- und fragte in, wie er wolte,
- daz man ez nennen solte. 1980
- der marschalc der sweic lange,
- er trahte ange und ange,
- waz namen ime gebsere
- nach sinen dingen wsere.
- hier under so betrahte er 1935
- des kindes dinc von ende her,
- reht' alse er hsete vernomen,
- wie sin dinc allez dar was komen:
- «seht», sprach er «frouwe, als ich vernam
- von sinem vater, wie ez dem kam 1990
- umbe sine Blanschefliure,
- ld62 inleite stf., wörtlich: Einführung (vgl. .-brülleite, swcrtleile), spcciell
- und terminologisch : der erste feierliche Kirchgang der Wöchnerinnen. >—
- 1%3 das mhd. Wörterbuch, I, 558 erklärt ^o^eii'c/c^ adv. ethisch: aufgottes-
- fürchtige Weise; ich ziehe vor: (göttlich), christlich, kirchlich, feierlich;
- vgl. zu 15()5y. — enpfangen: mit diesem Kirchgange ist zugleich Einsegnung,
- purißcatio, verbunden; daher die inleite enp/angen. — 1964 op/er stn., die
- Opferung, die übliche Opferspende (nicht die Messe). — 1968 kristenheit
- stf. = Cliri8tenthum. — 1971 kristen adj. (aus christianus, christlich) subst.
- inasc, Christ. — 1972 tovfcerp stm. = Täufer, der die Taufe vollziehende
- Geistliche (das Wort als Beiname des heil. Johannes lebendig und ge-
- läufig, scheint in der vom Diclitcr gebrauchten allgemeinen Anwendung
- auch früher nicht vorzukommen). — 1974 touäich adj., was zur Taufe ge-
- hört; vgl. 202."i. — 19S2 ange adv.. hier: mit sorgfältiger Mühe. — 1983 ge-
- fxrre adj. mit dat. (allein V. 113^8), angemessen; ein Lieblingswort Gott-
- fried's. — 1990 ntir kumet um'ic = e3 ergeht mir mit; vgl. 1711. —
- 76 III. RUAL LI FOITENANT.
- mit wie vil maneger triure
- ir gcrnder wille an ime ergie,
- wie si diz kint mit triure enpfie ,
- mit welher triure si'z gewan, 1995
- so nennen wir in Tristan. «
- nu heizet triste triure:
- und von der äventiure
- (52) so wart daz kint Tristan genant,
- Tristan getoufet al zehant. 2000
- von triste Tristan was sin nam.
- der name was ime gevallesam
- und alle Avis gebaere;
- daz kiesen an dem niisre:
- sehen wie trüreclich ez was, 2005
- da sin sin müoter genas;
- sehen wie fruo im arebeit
- und not ze rucke wart geleit;
- sehen wie trüreclich ein leben
- ime ze lebene wart gegeben; 2010
- sehen an den trüreclichen tot,
- der alle sine herzenöt
- mit einem ende beslöz,
- der alles todes übergenoz
- und aller triure ein galle was. 2015
- diz maere , der daz ie gelas ,
- der erkennet sich wol, daz der nam
- dem lebene was gehellesam:
- er was reht', alse er hiez, ein man
- und hiez reht', alse er was, Tristan: 2020
- und swer nu gerne h^ete erkant,
- durch weihe liste Foitenant
- daz hieze sagen ze maere,
- daz Tristan daz kint wsere
- 1992 triure (ferner: äventiure 14383. 1.V793) 8tf.=:, Trauer.^ 1997 triste
- franz., schriftgemäß zweisilbig ferner noch in V. 2001. — 2002 gevallesam adj.,
- schicklich. — 2004 kiesen stv., sehen, ersehen. kiesen-=kiesen wir, ebenso sehen
- in den folgenden Versen; vgl. zu 1859. — 2005 trüreclich adj., traurig. —
- 2013 rnit einem ende verstärkt den Begriif besliezen. — 2015 galle swf. vielfach
- bei mhd. Dichtern bildlich gebrauclit für Bitteres, Böses, Haß u. dgl.; vgl.
- bei Gottfried I29ö(;. 13900 und Zusammensetzungen wie herzegalle 10243,
- zorngalle 141b0, ntt galle 15G90. — 2017 erkennen refl., öfters bei Gottfried:
- einsehen, eine Überzeugung gewinnen [refl. nhd. aufgegeben , doch noch :
- sich auskennen]. — 2018 gehellesam adj., übereinstimmend, entsprechend.
- — 2019 — 20 die Nebensätze mit ahe in prosaischer Übertragung an das
- Ende zu stellen. —
- Hl. RUAL LI FOITENANT. 77
- von der geburteclichen not 2025
- in siner toten muoter tot,
- den sulen wir ez wizzen län:
- ez wart durch triuwe getan.
- der getriuwe tete ez umbe daz:
- er vorhte Morganes liaz: 2030
- ob er daz kint da wiste,
- daz er ez so mit liste
- so mit gewalte verdarbte,
- daz lant an ime entarbte.
- durch daz nam der getriuwe man 2035
- ze kinde sich den weisen an
- und züch ez alse schone,
- daz ime diu werlt ze lone
- (53) der gotes genäden wünschen sol:
- daz verdiente er an dem weisen wol. 2040
- Nu daz daz kint getoufet wart,
- nach kristenlichem site bewart,
- diu tugenderiche marschalkin
- nam aber ir liebez kindelin
- in ir vil heinliche pflege: 2045
- si weite wizzen alle wege
- und sehen, ob ime sin sache
- stüende ze gemache,
- sin süeziu muoter leite an in
- mit also süezem flize ir sin, 2050
- daz si im des niht engunde,
- daz er ze keiner stunde
- unsanfte nider getrsete.
- nu si daz mit im ha^te
- getriben uuz an sin sibende jär, 2055
- daz er wol rede und ouch gebär
- 2025 'jefjurteclic/i adj., die Geburt anlangend ; von der Noth bei der (.ieburt,
- infolge der Geburtswehen; vgl. 1974. — 2032 List stm., liier: Hinterlist. —
- 2034 pnterbcn swv., hier nicht das gewöhnliche enterben wie in \. 147S:
- des Erbes berauben, sondern: des Erben, des rechtmäßigen Herrn berau-
- ben. — 203() (vgl. zu it67) hier: annehmen (ohne sich) mit acc. ze kinde,
- als Kind, an Kindesstatt.
- 2u42 bewarn swv., hier: mit dem Sakrament versehen. — 2045 /lein-
- lich = fiewdicii adj., vertraut, liebevoll; vom Dichter gerne gebraucht. —
- 2047 fg. ob sein Befinden ein gemächliches, behagliches sei. — 2uöl gunncn
- swv. anom. mit gen. und dat. = gönnen, doch decken sich beide Wörter
- nicht; hier wäre gönnen nicht am Platze; wohlwollend gestattete sie ihm
- nicht. — 2053 getreten stv., verst. treten. — 2u.iH gebär ist wolil hier die
- äußere Haltung und Umgangsform . wie sie auch dem Kinde schon eigen
- ist, nicht die menschliche Gebärde in unserm Sinne; vgl. 3S14 und zu 8031. —
- 78 III. KUAL LI FOITENANT.
- verneinen künde und ouch vernam,
- sin vater, der marschalc, in do nam
- und bevälch in einem wisen man:
- mit dem sant' er in iesä dan 2060 j
- durch fremede spräche in fremediu lant, '
- und daz er aber al zehant
- der buoche lere an vienge
- und den ouch mite gienge
- vor aller slahte lere. 2065
- daz was sin erstiu kere
- üz siner fri'heite:
- do trat er in daz geleite
- betwungenlicher sorgen ,
- die ime da vor verborgen 2070
- und vor behalten wären,
- in den üf blüenden jären,
- do al sin wunne solte erstän,
- do er mit fröuden solte gän
- in sines lebenes begin, . 2075
- do was sin beste leben hin:
- do er mit fröuden blüen began,
- do viel der sorgen rife in an,
- (54) der maneger jugent schaden tuot, ,
- und darte im siner fröuden bluot. 2080 |
- in siner ersten friheit
- wart al sin friheit hin geleit.
- der buoche lere und ir getwanc
- was siner sorgen anevanc;
- und iedoch, do er ir began, 2085
- dö leite er sinen sin dar an
- und sinen fliz so sere,
- daz er der buoche mere
- gelernete in so kurzer zit
- dän kein kint e oder sit. 2090
- 2063 der buoche lere, zunächst: der Unterricht im Lesen, dann: Wisscn-j
- Schaft. — 2064 einem oder einem dinge mite ffän = init einem gehen, d. h.
- einem folgen, sich nach einem richten (wie V. 3617); Gottfried hat einef
- Vorliebe für diese Wendung. — 2066 kere stf., Wendung, Gang. — '.
- 2069 betwungenlich adj., erzwungen, unfreiwillig. — 2070 — 71 Spiel mit vor.[
- 1) vor zu da . davor, vorher. 2) vor zu behalten synon. mit verbergen , be-
- wahren, wie: vorenthalten. — 2083 getwanc stm.. Zwang, Last. — 2085 be-
- ginnen im Mhd. mit gen.; vgl. Gr. 4, 667. — 2089 gelernen swv., verst.
- lernen, erlernen, d. h. überhaupt: lesen, studieren.
- in. RUAL LI FOITENANT. 79
- Under disen zwein lernüngen
- der buoche unde der zungen
- so vertete er siner stunde vil
- au iegelichem seitespil:
- da kerte er späte unde fruo "2095
- sin emzekeit so sere zuo,
- biz er es wunder künde,
- er lernete alle stunde
- hiute diz und morgen daz,
- hiure wol, ze järe baz. 2100
- über diz allez lernet' er
- mit dem schilte und mit dem sper
- behendecliche riten,
- daz ors ze beiden siten
- bescheidenliche rüeren. 2105
- von Sprunge ez freche füeren,
- turnieren und leisiren,
- mit schenkelen sambelieren
- relit' und nc\ch ritterlichem site.
- hie bankete er sich ofte mite. 2110
- wol schirmen, starke ringen,
- wol loufen, sere springen,
- dar zuo schiezen den schaft,
- daz tete er wol nach siner kraft,
- ouch hoere wir diz m^ere sagen, 2115
- ez gelernete birsen unUe jagen
- 2091 lernunge stf., Studium. — 2092 zujige swf.=Sprache. — 2093 ver-
- tuoH, aufwenden. — 2100 ze järe, übers Jahr. — 2105 bescheidenliche adv.,
- verständig, kunstgcmäli. — rüeren swv., terminus teclmicus in der Reit-
- kunst, zunächst wohl vom Schenkeldruck und vom Sporn genommen;
- allgemein heißt es : antreiben, dann elliptisch und intransitiv: daher spren-
- gen; vgl. V. 873fi; einen an rtteren = ansprengen 6981. An unserer Stelle
- soll wohl gesagt werden , daß Tristan lernte das Eoss nach rechts und
- links zu dirigieren ohne Zügel. — 2106 von Sprunge, im Sprunge, d. h. im
- Hochsprung, nicht im Galop, der eine leichte Gangart ist. — freche adv.,
- kühn, dreist. — 2107 turnieren swv., Fremdwort vom franz. tourner, hier
- in ursprüngl. Bedeutung: wenden. — leisieren, laisiren (die Hss. wecliseln)
- Fremdwort vom franz. laissier = laisser, lat. laxare, das Ross mit ver-
- hängtem Zügel laufen lassen. — 2108 sambelieren swv., Fremdwort, mit
- gainba, gainbegla verwandt, dem Rosse die Schenkel (eigentlich das Knie)
- geben; mit schenkelen tritt verdeutlichend hinzu. — 2110 banken = buneken
- 9WV., sich erlustigen; vgl. banekie V. 410. — 2111 für schirmen haben wir
- das fremde : parieren eingeführt. — 2113 schuft stra., Lanze (einschließlich
- der Spitze); in V. 9172 = n]id. Speerstange. — 2116 birsen unde jagen , die
- beiden -Tagdarten ; die Wendung steht beinahe formelhaft, birsen, die
- Jagd mit dem Spürhund oder der einsame Jagdgang, und jagen , falls der
- Ausdruck niclit allgemein das Jagen bezeichnet, die Treibjagd. Die dritte
- Art, da: tfizen, die Falkenjagd, wird in Gottfried's Gedichte niemals ge-
- nannt. — •
- 80 III. EUAL LI FOITENANT.
- nie kein man so wol so er,
- ez wsere dirre oder der.
- (55) aller liande liovespil r
- diu tele er wol und künde ir vil. 2120
- euch was er an dem libe,
- daz jungelinc von wibe
- nie sseleclicher wart gcborn.
- sin dinc was allez üz erkorn
- beid' an dem muote und an den siten. 2125
- nu was aber diu saelde undersniten
- mit werndem schaden, als ich ez las,
- wan er leider arbeitsaelic was.
- Nu sin vierzehende jär vür kam,
- der marschalc in hin heim dö nam 2130
- und hiez in z'allen ziten
- varen unde riten,
- erkunnen Hute unde lant,
- durch daz im rehte würde erkant,
- wie des ländes site wjere. 2135
- diz tete der lobebsere
- so lobelichen unde also,
- daz in den ziten unde dö
- in allem dem riche
- nie kint so tugentliche 2140
- gelebete alse Tristan,
- al diu werlt diu truog in an
- friundes ouge und holden muot,
- als man dem billi'che tuot,
- des muot niwan ze tugende stät, 2145
- der alle untugende unmtere hat.
- 2119 hovespil atn. = Jiöresc?iez spU: gemeint sind die andern, nicht speciell
- ritterlichen, Künste und nobeln Passionen: Gesang, Waldliorn, (Saiten-
- spiel ist schon genannt V. 2094), Schachzabelspiel, Parlieren verschiedener
- Sprachen. — 2128 aröeitscelic adj., «bei steter Mühsal oder durch stete
- Mühsal selig«. Sommer; in einem Worte etwa: leidbeglückt. Ähnliche
- Bildungen mit -scclic vgl. Sommer zu Flore 1753.
- 2129 vür Ironien gebraucht Gottfried öfters in verschiedener Bedeutung;
- hier: herankommen; ähnlich in V. 4203 == unserm : auskommen; vgl. zu
- V. 6295. — 2136 lobebcjere adj. subst., lobenswerth, löblich. — 2138 formel-
- hafte öfters vriederkehrende Wendung ; vgl. 2147. — 2142 hier steht in der
- Wendung an tragen mit doppeltem Accus, (vgl. zu 896) wohl in an = an
- 2n=dem Dativ inte; vgl. zu 48. — 2l^& unma;re adj., unlieb, unwerth: un-
- moere hän wie liep hän (nhd. auch gerne h., dagegen werth halten); hier
- wegen des auslaut. e die Construction nicht sichtbar; vgl. zu 19160.
- IV.
- DIE ENTFÜHRUNG.
- Zu dieser Zeit landet ein norwegisches Handelsschiff bei Kanoel. Der
- Marschall geht mit Tristan und seinen andern Söhnen nach dem Schiffe,
- um die Waaren zu beschauen und um Einkäufe zu machen. Tristan er-
- blickt in dem Schiffe ein schönes Schachbret hangen und beginnt mit
- einem der Kaufleute ein Spiel. Vater und Brüder begeben sich wieder
- nach Hause, nur Kurvenal, sein Meister, bleibt bei ihm zurück. Die
- Kaufleute finden an dem schönen, hochbegabten und liebenswürdigen
- Knaben solches Gefallen, daß sie ihn zu rauben beschließen. Unmerklich
- wird das Schiff vom Lande abgestoßen. Wie Tristan und Kurvenal diese
- Entführung und den Entschluß der Fremden in Erfahrung bringen, er-
- heben sie laute Klage. Kurvenal darf zurückkehren; in einem Bote fährt
- er wieder heim und berichtet den trauernden und wehklagenden Altern
- den unglückseligen Vorfall. Die Norweger haben einen furchtbaren acht
- Tage währenden Sturm zu bestehen. Sie erkennen darin den Zorn und
- die Strafe Gottes und wollen Tristan an das Land setzen. Darauf be-
- ruhigt sich Meer und Wind. Tristan befindet sich in Kurneval. In ein-
- samer Wildniss sucht er einen Weg und gelangt endlich auf eine Straße.
- Dort gesellt er sich zwei Pilgern zu, mit denen er unter dem Vorgeben,
- er sei aus diesem Lande und habe sich auf der Jagd verirrt, eine Strecke
- zusammen wandert.
- In den ziten unde do
- kom ez von äventiure also ,
- daz von Norwaege über se
- ein koufschif unde deheinez me 2150
- in daz hint ze Parmenie kam
- und sin gclende da genam
- und üz gestiez ze Kanoel
- 2U9 SorwoE'je st. subst. (Geschlecht unbestimmt), Norwegen; vgl. Nor-
- UMBge Volksname 2400. — 2150 dichterische Wendung für: ein einzelnes
- Handelsschiff; ebenso 74S3 dehein me = einzig, 8597 =nur. — 2152 gelende
- «tn., Landung. — l>153 uz gest6:e>i, verst. u: stozen (V. 478). —
- OOTTPEIKD VON 3TBAS3BUEO. I. 2. Aufl. 6
- 82 IV. DIE ENTFÜHRUNG.
- vür Jaz selbe kastei ,
- da der märschalc ze staite 2155
- sin wesen üfe haete
- und sin juncherre Tristan,
- nu daz die fremeden köufman
- (56) ir market bieten üz geleit,
- vil schiere wart ze hove geseit, 2160
- waz da koufrätes wpere.
- hier under körnen msere
- Tristande ze unheile:
- da wseren valken veile
- und ander schoene vederspil; 2165
- und wart des maeres alse vil,
- bis zwei des märschalkes kint,
- wan kint der dinge flizec sint,
- under in zwein würden enein,
- daz si Tristanden zuo z'in zwein, 2170
- ir wänbrüoder, nämen
- und an ir vater kämen
- und bäten den behanden,
- daz er in durch Tristanden
- der valken koufen hieze. 2175
- der edele Rüal lieze
- und hsete ez note verlän ,
- ez enmüese allez vür sich gän,
- des sin friunt Tristan bsete,
- wan er in werder hsete 2180
- und bot ez baz im einem
- dan aller der deheinem
- von lande od von gesinde.
- 2155 se stcete, (in Beständigkeit), für gewöhnlich. — 2161 kou/rdt stm.
- (Vorrath zum Verkaufen), Waare. — 2165 vederspil stn. [vgl. Windspiel],^
- zur Jagd abgerichtete Vögel. — 2168 ßhec stn mit gen., sich einer Sache
- befleißigen, auf etwas Bedacht nehmen; auch persönlich wie in V. 2185:
- sich jemandem mit Aufmerksamkeit hingeben. — 2171 wänbrüoder stm.,
- vermeintlicher Bruder; vgl. vaterwän 4229. — 2172 an einen körnen {siimlich.
- wie einen an k. in V. 1128), wie unser : einen angehen, einem anliegen. —
- 1273 behanden ( = bt handen) adv., eigentlich: bei der Hand, sogleich (vgl.
- mhd. zehant, nhd. behend). — 2175 der valken gen. part. — 2176—78 Idzen
- hier synonym mit dem folgenden verläzen, unterlassen. — note adv., mit
- Noth, ungern; das Wort gewissermaßen Negation vertretend gehört auch
- zu lieze; ebenso ez. — nach idn und verlän wird der folgende Satz im
- Mhd. hypothetisch und negativ gewendet. Kual würde nicht im Stande
- gewesen sein, etwas zu lassen und zu unterlassen, was Tristan erbat, ohne
- daß es wirklich ausgeführt wurde (vgl. 6236). Jeden "Wunsch erfüllte er
- ihm. — 2180 werder compar. —
- IV. DIE ENTFÜHRUNG. 83
- siner eigeneii kinde
- was er so flizec niht so sin. 2185
- dar an tet er der werlde schin,
- wie Yollekomener triuwe er pflac.
- waz tilgende und eren an im lac.
- Er stüont üf unde nam zehant
- sinen sün Tristanden an die hant 2190
- nach vil vaterlichem site.
- sin ander süne die giengen mite
- lind da zuo hovegesindes vil,
- die so durch ernest so durch spil
- in volgeten unz an den kiel 2195
- und swäz iemanne da geviel,
- da in sin wille zuo getruoc,
- des vant er umbe kouf genuoc,
- (57) kleinoede, siden, edele wät:
- des was da rät über rät. 2200
- ouch was da schcene vederspil,
- valken bilgerine vil,
- smirlin und spärwsere,
- habeche (miiz^ere
- und ouch in roten vederen): 2205
- von disen ietwederen
- 2186 fg. diese Bemerkung bezieht sich nicht auf die Gegenwart, da das
- eigentliche Verhältniss zwischen Kual und Tristan der Welt verborgen war,
- sondern deutet im voraus auf die künftige Entdeckung des Geheimnisses.
- — 218S liijen an einem ^ häufige mlid. "Wendung, nur durcli Umschrei-
- bung wiederzugeben; hier: sich an einem, bei einem finden; vgl. zu 509S.
- 2198 umhe kouf, zum Kaufen, für Geld, feil. — 2199 kleinoede stn., zier-
- liches Kunstwerk, Bijouteriewaare. kl. hier pl., ebenso stden pl., Seiden-
- stoffe; vgl. zu 667. — wdt, hier collectiv : Garderobe. — 2202 hilgerin (lat.
- peregrinus. franz. pelerin) atm., hier wohl in directer Entlehnung adjecti-
- viech: valken pilyenne pl. gen. von vil abh., falcones peregrini , "Wander-
- falken. (Xuch pilgrimealke kommt vor.) — 2203 smirlin (falco smirillusy
- franz. emcrillon) stn. (hier pl.), Lerchenfalke. — 2204. 2205 die Klammer
- soll die Apposition zu den vorhergehenden Vogelnamen andeuten (nicht
- bloß auf habeche zu beziehen). Von zweierlei Art waren die zum Verkauf
- ausgestellten Vögel: müzuere stm. pl., Maußer, d. h. die die Maußer über-
- standen haben, also ausgewachsene, und zweitens welche in rothen Federn,
- also noch junge (s. Bech in Pf. Germania 7, 437). Heinrich Mynsinger in
- seinem Buch von den Falken, Pferden und Hunden schreibt im 2. Kapitel
- (S. 4): So ist dunckelfar der schwantz (bei den Falken), vnd darnach an
- der prust vnd an den andern stetten , so int er oeech , Also das ain taile,
- besunder in dem ersten Jar , ist gestreiffeit schwartz, vnd das ander iail
- üunkelrotr , vnd darnach so wirf die selb rotte von Jar zu Jar ije weißer nach
- dem vnd sich der falck ije vier maußet. — 2206 hier Plural von ietweder, von
- beiden Arten; Haupt zu Erec (2. Ausgabe) 8371 bezieht ietwederen nicht
- auf die Maußer und die rothgefiederten , sondern nimmt das Wort in all-
- gemeinerer, nicht auf zwei beschränkter Bedeutung: jeder, all, was aller-
- dings hier vorzuziehen ist. Der Ausdruck bezieht sich also wie die Be-
- merkung in der Klammer a-'if alle vorhergenannten Vogelarten. —
- 6*
- 84 IV. DIE ENTFÜHRUNG.
- vaiit man vollen market da.
- Tristande hiez man koufen sä
- valken unde smirli'n.
- die sine bruoder solten sin, 2210
- den wart gekoufet ouch durch, in.
- man gewan in allen drin,
- swes iegelicher gerte.
- Nu man si do gewerte
- alles, des si wolten, 2215
- und dannen keren solten,
- von äventiure ez do geschach,
- daz Tristan in dem schiffe ersach
- ein schächzäbel hangen,
- an brete und an den spangen 2220
- vil schöne und wol gezieret,
- ze wünsche gefeitieret.
- da bi hienc ein gesteine
- von edelem helfenbeine
- ergraben wol meisterliche. 2225
- Tristan der tugenderiche
- der sach ez flizeclichen an.
- «ei», sprach er «edelen köiifmän,
- so helfe iu got! und kunnet ir
- schächzäbelspil? daz saget mir!» 2230
- und sprach daz in ir zungen.
- nu sähen si den jungen
- aber noch flizeclicher an,
- do er ir spräche reden began,
- die lützel iemen künde da. 2235
- sus begünden s' an dem jungen sä
- merken elliu siniu dinc.
- nu gediihte si nie jungelinc
- 2210 sin suln hier = nhd.; hauptsächlich noch in Mundarten der bestimmte
- Ausdruck für : vorstellen (ebenso in V. 13534 : das sein Bette in der "Vor-
- stellung des Traumes war); vgl. zu 1901.
- 2214 geweren^ gewern mit acc. der Person, gen. der Sache = einem
- etwas gewähren. — 2219 schächzäbel (aus lat. tabula, Zwillingswort von:.
- Tafel) stn., Schachbret. — 2223 ein gesteine stn., collectiv für: Steine, die
- zum Brete gehörigen Spielfiguren. — 2225 ergraben part., eingegraben,
- graviert, geschnitten; der Ausdruck ist allgemein : wahrscheinlich soll bloß
- die kunstvolle Schnitzerei angedeutet werden, nicht die Gravierung der
- Details. — meisterliche adv., meisterhaft, künstlerisch. — 2227 flizeclichen
- adv., (fleißig), aufmerksam. — 222'^ so helfe iu got! (auch öfters gekürzt wie
- einmal in der Hs. M. seif iu got), häufiger Zuruf der Überraschung = wahr-
- haftig! bei Gott! oderunserm: wohlan! entsprechend; vgl. 4656. — 2238 ge-
- dunken anom. v., verst. dünken. —
- IV. DIE ENTFÜHRU>IG. 85
- (58) so saelecliche sin getan
- noch also schcene site hän. 2*240
- «ja», sprach ir einer «friunt, ir ist
- under uns genuoc, die disen list
- wo\ kimnen; wellet ir'z besehen,
- so mag ez harte wol geschehen:
- wol her, so wil ich iuch bestän!» 2245
- Tristan der sprach: «daz si getan!»
- sus säzen si zwen' über daz spil.
- der marschalc sprach: «Tristan, ich wil
- wider üf ze herbergen gän;
- wil du, du mäht wol hie bestän. 2250
- min ander süne die gen mit mir;
- so si din meister hie bi dir,
- der neme din war und hüete din.»)
- Sus gie der marschalc wider in
- und sin Hut al gemeine 2255
- wan Tristan al eine
- und sin meister, der sin pflac,
- von dem ich iu wol sagen mac
- vür war, als uns diz m?ere seit,
- daz knappe nie von hövescheit 2260
- und von edeles herzen art
- baz noch schöner gedelt wart;
- und was der Kurvenal genant,
- er hsete manege tugende erkant,
- als er dem wol ze lere kam, 2265
- der ouch von siner lere nam
- vil manegiu tugentlichiu dinc.
- der tugentriche jungelinc,
- der wol gezogene Tristan
- 2243 beseh'^n stv., versuchen, erproben. — 2245 wol her adv. inteij., wie
- unser: wohlan! wohlauf! bei Gottfried öfters auch wol hin z. B, 3077. —
- 2249 herberge stf. öfters im Plural; ze h. nach Hause; vgl. 1S409. —
- 2252 meister stm., hier im Sinne von : Lehrmeister , Hofmeister.
- 2255 gemeine hier adv, wie in V. 11613. al gem., eigentlich : durchaus
- gemeinsam; zusammen. — 2260 hövescheit (= Höfischheit) stf., feiner An-
- stand; Übertragung von courtoisie. — 2263 der nicht Artikel zu Kurvenal,
- aondem deraonstr. dieser, derselbe [nhd. und der war]; vgl. 3909, 16653.
- Gr. 4, 405. — 2264 tugent ist auch das, was zu einer guten Erziehung ge-
- bort; vgl. zu 11164. — 2265 aia vertritt hier Relativbegriff von ttigent abh.:
- mit welcher er demjenigen als Lehrer trefQich half, der u. s. w. — 2266 m-
- me» 8tv,, hier: annehmen, lernen; vgl. 3290. —
- 86 IV. DIE ENTFÜHRUNG.
- saz undc spilte vür sich an 2270
- so schöne und so hofliche,
- daz in gemeinliche
- die fremeden aber an sähen
- und in ir herzen jähen,
- j sin' gessehen nie deheine jugent 2275
- gezieret mit so maneger tugent.
- swaz fuoge er aber an der stete
- mit gebserden oder mit spil getete,
- (59) daz was in da wider alse ein wiut:
- si nam des wunder, daz ein kint 2280
- so manege spräche künde:
- die fluzzen ime ze munde,
- daz si'z e nie veruämen,
- an swelhe stat si kämen.
- der hövesche hovebsere 2285
- lie siniu hovemssre
- und fremediu zabelwortelin
- underwilen fliegen in:
- diu sprach er wol und künde ir vil,
- da mite so zierte er in sin spil. 2290
- euch sang er wol ze prise
- schanzüne und spsehe wise ,
- refloit und stampenie.
- alsolher cürtosie
- 2270 vür sie fi, nicht: still für sich , sondern: vorwärts, weiter; vgl. 10124, —
- an spiln (wie ansetzen, anheben), zu spielen beginnen, welche Function
- an namentlich bei Gottfried öfters hat. Tristan setzte sich (wieder) und
- begann weiter zu spielen, weil das Spiel durch Eual's Anaprache und
- Weggang unterbroclien worden war. — 2271 hofliche, hoveliche adv., hof-
- gemäß, artig, — 2272 gemeinliche adv., gemeinsam, zusammen. — 221b jugent
- stf., hier abstract für: Jüngling; ebenso V. 3126 in der Anrede; dem Fran-
- zösischen nachgebildet in Y. 3139. — 2279 da wider, nämlich gegen die
- im Folgenden erwähnte Sprachfertigkeit. — alse ein wint , poetische For-
- mel für: wie ein Xichts, gering und unbedeutend. — 2282 ze munde ■= im.
- Munde, dann dem Sinne nach := unserm : vom Munde. — 2285 hoveboei-e
- adj., höfisch, gesittet. — 2286 hovemoere stn. , Hofrede, feine Auadrucks-
- weise. — 2287 zabelwortelin stn., zierlicher Schachausdruck. — 2290 in dat.
- pl., für sie. — 2291 ze jjrise , mit dem Erfolg des Preises, lobenswerth,
- trefflich. — 2292 schanzüne pl. von schanznn (bei Gottfried nur im PL) stf.,
- Fremdwort, franz. chanson, Gesang, Lied, wahrscheinlich im Gegensatz zu
- spa;he vAse von einfachem Bau. — wise stf., gemeinhin: die Tonweise, Me-
- lodie; hier liegt der Nachdruck auf spcehe adj., kunstvoll. — 229;! ri^ttoit
- stn., Fremdwort, altfranz. reßet. mittellat. reflcctum, eine Liedergattung, ohne
- Zweifel mit Kefrain ; vgl. zu 19216. — stampenie stf., Fremdwort, altfranz.
- estampie, eine Liedergattung heitern Inhalts, gewöhnlich zur Fiedel ge-
- sungen; bei Hans Sachs heißt eine schwankähnliche Dichtung noch Stam-
- paney. — 2294 cürtosie (nach den ältesten Hss. statt cürtolsie) stf., Fremd-
- wort, courtoisie, hofgemäßes Benehmen. —
- IV. DIE ENTFÜHRUNG. 87
- der treip er vil und so vil an, 2295
- biz aber die werbenden man
- ze rate wurden under in:
- künden si in iemer bringen hin
- mit deheiner slahte sinnen,
- si möhten sin gewinnen 2300
- grözen frumen und ere.
- und biten ouch do niht mere,
- si gebüten ir ruodergeren,
- daz si bereite wseren,
- und zugen si selbe ir anker in, 2305
- als ez der rede niht solte sin. j
- si stiezeii an und fuoren dan:
- so lise, daz es Tristan
- noch Kurvenal nie wart gewar,
- unz si si hseten von dem var 2310
- wol eine groze mile bräht.
- wan jene die wären verdäht
- an ir spil so sere,
- daz si do nihtes mere
- niwan ir spils gedähten. 2315
- Nu si'z do Yollebrähten,
- so daz Tristan daz spil gewan,
- und er sich umbe sehen began,
- (60) do sach er wol, wie"z was gevarn.
- DU gesähet ir nie muoterbarn 2320
- so rehte leidegen als in:
- üf sprang er und stuont under in,
- «ach», sprach er cedelen köufmän,
- durch got waz get ir mit mir an?
- 2296 werben, hier: Handelschaft treiben, die w. ?«., die Kaufleute. —
- 2297 ze rate werden, übereinkommen. — 2299 sin und namentlich pl. sinne
- hat wie hier öfters die Bedeutung von unserm : List-, vgl. 9110 und zu
- ISSf^S. — 2300 sin=ies, damit, dadurch. — 2306 wie wenn es etwas Gleich-
- gültiges wäre. — 2307 an stozen hier intransitiv und doppelt elliptisch
- (vgl. zu 15>*1), entspr. unserm: in See stechen wie in V. 115:35; dann auch
- von den Schiffen, die als lebende Wesen gedacht werden, selbst gesagt in
- V. 11^79. — 2309 nie, öfters verstärkte Negation: durchaus nicht. — 2310 var
- 8tn., Fähre, Landungsplatz. - 2312 verdä/ä part. adj., (in Gedanken) ver-
- tieft. — 2319 .';^rarn = gegangen , geschehen. — 2320 viuoterharn stn.,
- (Mutterkind), häufige Umschreibung für: Mensch, jemand [vgl. Menschen-
- kind]. — 2321 leidec adj., in Leiden, schmerzvoll. — 2322 stan = üich.
- stellen, treten; under in alsdann = unter sie. — 2324 an fjän mit einem =
- anfangen mit einem. —
- 88 IV. DIE ENTFÜHRUNG.
- saget, wä wellet ir mich hin? 2325
- «seht, friunt», sprach einer imder in
- «diz enmäc nu niemän bewarn,
- ir enmüezet hinnen mit uns varn.
- gehabet iuch wöl und sit fro!«
- Tristan der arme der huop dö 2330
- so jsemerlichez klagen an,
- daz Kurvenal sin friunt began
- mit ime von herzen weinen
- und solhe klage erscheinen,
- daz al daz kielgesinde 2335
- von ime und von dem kinde
- unmuotic wart und sere unfro.
- Kurvenälen säzten si do
- in ein vil kleine schiffelin
- und leiten züo z'ime dar in 2340
- ein ruoder unde ein kleine brot
- ze der verte und ze der hungers not
- und sprächen, daz er kerte,
- swar in sin muot gelerte;
- Tristan der müese hin mit in. 2345
- mit der rede si fuoren hin
- und liezen in da swebenden,
- in manegen sorgen lebenden.
- Kurvenal swebete üf dem se.
- in manege wis so was im we: 2350
- we umbe daz michel ungemach,
- daz er an Tristande sach;
- we umbe sin selbes not,
- durch daz er vörhte den tot,
- wan er niht varen künde 2355
- noch es nie da vor begunde.
- und klagende sprach er wider sich:
- «got herre, wie gewirbe ich?
- (61) i-ne wärt alsus besorget nie.
- 2325 Verbalellipse, zu ergänzen: thun oder bringen [nhd. noch: wo wollt
- ihr mit mir hin?]; vgl. Gr. 4, 135 fg. — 2334 erscheinen swv., sehen lassen,
- zeigen, äußern. — 2341 für das Bedürfniss des Hungers, also: für den
- Hunger. — 2347 läzen häufig mit dem Part., statt mit dem Inf. verbunden,
- gewöhnlicher mit dem Part, prast. als prses. ; diese Construction in der
- Regel bei ■oinden und sehen; vgl. Gr. 4, 126.
- 2359 besorget sin, werden stärker als unser: besorgt sein; in Ängsten
- sein. —
- IV. DIE ENTFÜHRUNG. 89
- nu bin ich äiie liute hie 2360
- und kan ouch selbe niht gevarn.
- got herre, du solt mich bewarn
- und min geverte hinnen sin!
- ich wil üf die genäde din,
- des ich nie began, beginnen: 2365
- wis min geleite hinnen!»
- hie mite greif er sin ruoder an:
- in gotes namen fuor er dan
- und kom in kurzer stunde,
- als es im got gegunde, 2370
- wider heim und seite msere,
- wie ez gevaren wsere.
- der marschalc und sin sselic wip,
- diu beide leiten an ir lip
- so jaemerliche klagenot, 2375
- und wsere er vor ir ougen tot,
- daz in diu selbe swsere
- niht näher gangen waere.
- sus giengen si do beide
- in ir gemeinem leide 2380
- und al ir ingesinde
- nach ir verlornem kinde
- weinen üf des meres stat.
- manec zünge da mit triuwen bat,
- daz got sin helfe wsere. 2385
- da wart manc klagemsere:
- ir klage was sus, ir klage was so;
- und alse ez an den äbent do
- und an ein scheiden muose gän,
- ir klage, diu e was undertän, 2390
- diu wart dö gar einbsere:
- si triben da niwan ein msere,
- 2363 ijeeerte swm., hier im poetischen Ausdrucke ursprüngliche Bedeutung:
- Gefährte, Mitfahrender zugleich mit dem Anklänge an: Fahrender, Steuer-
- mann; deutlicher geleite swm., Führer. — 236(> hinnen adv. = von hinnen,
- von hier weg; vgl. 10737. — 2370 gegunnen anom. v. mit dat. und gen.,
- verst. gunnen: wie es Gott über ihn verfügte. — 2375 klagenot stf., schmerz-
- liche Trauer. — 2383 stat stm. u. stn. (nach vorwiegenden Lesarten bei
- Gottfried stn.), gen. Stades, Gestade, Ufer. — 23"^.'S ?ielfe vielleicht nicht
- stf., Hülfe, sondern swm., Helfer (vgl. gdielfe in V. 1466), was sich an ge-
- leite in V. 23»U; gut anschließen würde. — 2390 undertän part., eigentlich
- dazwischengethan , untermischt, verschieden. — 2391 einbcere adj., ein-
- hellig. —
- ^0 IV. DIE ENTFÜHRUNG.
- si riefen hie, si riefen dort
- niht anders wan daz eine wort:
- «beäs Tristant, cürtois Tristant, -2395
- tun cors, ta vie a de comant!
- din schcener lip, din süeze leben
- daz si hiute gote ergeben!»
- (62) In disen dingen fuorten in
- die Nörwsegen allez hin 2400
- und haeten ez also bedäht,
- si hseten an im voUebräht
- ir willen allen unde ir ger.
- do widerschuof ez allez der,
- der elliu dinc beslihtet, 2405
- beslihtende berihtet ,
- dem winde, mer und elliu kraft
- bibendo sint dienesthaft.
- also der wolte und der gebot,
- do huqp sich ein so michel not 2410
- von stürmwetere uf dem se,
- daz si alle samet in selben me
- enmohten niht ze staten gestän,
- wan daz si ir schif et liezen gän,
- dar ez die wilden winde triben 2415
- und si selbe äne tröst beliben.,
- umbe ir lip und umbe ir leben:
- si hseten sich mitalle ergeben-
- an die vil armen stiure,
- diu da heizet äventiure: 2420
- si liezen ez an die geschiht,
- weder si' genseren oder niht,
- 2395 beäs (auch beä oline Unterschied der Function in V. 10721) adj., lat.
- bellus, franz. beault, beau. — curtois adj. = neufr. courtois. — 2396 cors
- = Corps. — a de = ä dien, ■ — vie (lat. vita) = neufi., doch ie wohl nicht
- = i, sondern Diphthong mit hörbarem e, also = mhd. ie; vgl. 19218. —
- comant = covimendand . .mit Ellipse des Hülfsverbs.
- 2399 In (auch unter) disen dingen, öfters wiederkehrende "Wendung:
- währenddem (unterdessen). — 2400 Norwoege swm. , der Norweger. —
- 2401 hccten indic. — 2402 hceten conj. — 2404 widerschaffen stv., entgegen-
- wirken, rückgängig machen. — 2405 beslihten swv., schlichten, ausglei-
- chen. — 240fi berihten swv., einrichten, ordnen. — 2408 dienesthaft adj.,
- untergeben, ergeben, gehorsam. — 2407. 2408 Keminiscenz an Matth. 8, 27. —
- 2413 ze staten gestän mit dat. {in selben ^=%\c\\. selbst), häufige Kedewendung
- [vgl. zw Statten kommen] , einem zu Hülfe kommen, helfen. — 2419 stiure
- stf. kommt hier der Bedeutung: trost nahe. — 2421 geschiht stf. öfters =
- äventiure (vgl. zu 735), Zufall; vgl. von geschihte 2569. — läzen an einen
- oder an eleu-., einem überlassen, einem anheimgeben; vgl. 10651. —
- IV. DIE ENTFÜHRUNG. 91
- wände ir dinges was nie nie,
- wan daz si mit dem wilden se
- üf als in den himel stigen 2425
- und iesä wider nider sigen
- als in daz äpgründe.
- si triben die tobenden ünde
- wilen iif und wilen nider ,
- iezuo dar uud iesä wider. 2430
- ir aller keiner künde
- noch enmohte deheine stunde
- üf sinen füezen gestän.
- alsus so was ir leben getan
- wol ahte tage und ahte naht. 2435
- hie von so haeten s' alle ir mäht
- vil nach verloren unde ir sin.
- nu sprach ir einer under in:
- (63) «ir herren alle, semir got,
- mich dunket, diz si gotes gebot 2440
- umb' unser angeslichez leben:
- daz wir so küme lebende sweben
- in disen tobenden ünden,
- deist niuwan von den Sünden
- und von den üntriuwen komen, 2445
- daz wir Tristanden hän genomen
- sinen friunden roupliche.»
- «ja», sprächen s' al geliche
- «sich, du hast war, ez ist also.»
- Hie mite berieten si sich do: 2450
- möhten si stille vinden
- an wazzer unde an winden,
- daz si ze Stade gestiezen,
- daz si in vil gerne liezen
- friliche, swar er wolte, gän. 2455
- und iesä, dö diz was getan,
- 'Ji'il apffründe stn., Abgrund, insbesondere die Hölle (Gegensatz von hiinel
- 2425). — 2428 und« 8tf. = lat. rmrla., Welle, Woge. — 243« 7naf>f stf., Kraft
- ivgl. Ohnmacht] ; vgl. dOl'S. — 2447 roupliche adv., räuberisch. — 2448 al
- etliche adv., (ganz gleich), gemeinsam, zusammen; in der Bedeutung zwi-
- schen al gdiclte und alle (pl. aubst.) yelxche meist kein Unterschied. —
- 2449 war /m6«n = recht haben.
- 24r)l stille stf. [nhd. beschränkt], Ruhe. — 2455 friliche ^diX.. frei, un-
- oehindert. —
- 92 IV. DIE ENTFÜHRUNG.
- daz diz ir aller wille wart,
- do wart ir kumberlichiu vart
- gesenftet an der stunde:
- wint imde wac begunde 2460
- sich sä zerlcesen und zerläu,
- daz mer begunde nider gän,
- diu sunne schinen liehte als e.
- hie mite entbiten s' ouch do nime,
- wan der wint haete si geslagen 2465
- innerhalp den ahte tagen
- in daz länt ze Kurnewäle
- und wären ze dem male
- bi dem Stade so nähen,
- daz si bereite sähen, 2470
- und stiezen üz ze lande aldä.
- Tristanden nämen si sä
- und sazten den üz an daz lant
- und gäben ime brot an die hant
- und ander ir spise ein teil. 24-75
- «friunt», sprächen si «got gebe dir heil
- und müeze dines libes pflegen!»
- hie mite so buten s' im alle ir segen
- (64) und kerten iesä wider dan.
- Nu wie gewarp do Tristan? 2480
- Tristan der eilende? ja
- da saz er unde weinde aldä;
- wan kint enkunnen anders niht
- wan weinen, alse in iht geschiht.
- der tröstelose eilende 2485
- der vielt üf sine hende
- ^ ze gote vil innecliche:
- «ei», sprach er «got der riche,
- so riche du genäden bist,
- so vil so güete als an dir ist, 2490
- 2459 senften swv., hier: besänftigen, beruhigen. — 2461 zerlassen swv. refl.,
- sich auflöeen , aufhören. — 2464 nime (aus nie me, aber verschieden von
- diesem) adv., nicht mehr, nicht länger. — 2468 vgl. zu 661. — 2469. 2470 so,
- hier verstärkend [vgl. alsobald, alsbald, sogleich] und das folgende daz
- relat. — bereite adv., hier: nahe.
- 2481 eilende adj. und adj. subst., hier in der eigentlichen Bedeutung:
- von der Heimat entfernt, fremd; öfters streift der Begriff bei Gottfried an
- den heutigen an : verlassen , elend. —
- IV. DIE ENTFÜHRUNG. 93
- vil süezer got, so bite ich dich,
- daz du genäde wider mich
- und dine güete noch begast,
- Sit daz du des verhenget hast,
- daz ich alsus verfüeret bin; 2495
- und wise mich doch noch da hin,
- da ich bi liuten müge gesin.
- nu warte ich allenthalben min
- und sihe niht lebendes umbe mich,
- dise groze wilde die fürht'ich: 2500
- swar ich min ougen wende,
- da ist mir der werlde ein ende;
- swä ich mich hin gekere,
- dane sihe ich ie nimere .
- niwan ein toup gevilde 2505
- und wüeste unde wilde,
- wilde velse und wilden se.
- disiu vorhte tuot mir we;
- über daz allez so fürht'ich,
- wolv' unde tier diu frezzen mich, 2510
- swelhen ende ich kere.
- ouch siget der tac sere
- gegen der äbentzite.
- swaz ich nu me gebite,
- daz ich von hinnen niht engän, 2515
- daz ist vil übele getan:
- ich enile hinnen balde,
- ich benähte in disem walde
- (65) und wirt min danne niemer rät.
- nu sihe ich, daz hie bi mir stät 2520
- hoher velse und berge vil:
- 2495 terfüeren swv., irre führen [vgl. verschlagen]. — 2498 tvarten swv.,
- sich umschauen, umherijlicken. — irdn gen. nicht abh. von warten (wel-
- ches auch den Gen. nach sich hat wie in V. 13679), sondern von allent-
- halben adv. : auf allen Seiten von mir, überall um mich her; vgl. 11189. —
- 2500 wilde stf., "Wildniss. — 2504 nimere adv. 8. zu 24B4. — 2505 toup adj.,
- (taub), öde. — 2510 unter den Thieren haben wir hier keine besondere
- Gattung von Wild zu verstehen: "Wölfe und (überhaupt andere wilde)
- Thiere. Es ist diese Weise, die bestimmte Bezeichnung vorauszustellen
- und die allgemeine nachfolgen zu lassen , öfters bei Gottfried zu finden,
- und zwar ist sie der volksthümlichen Bede abgelauscht; vgl. zu 1241. —
- 2511 sicelhen ende (ebenso allen e., manigen e.) adv. acc, nach welcher
- Richtung hin (correlativ). — 2514 s^t•a^ pron. correl., hier: wenn irgend. —
- gebiten stv., verst. biten, warten, hinzögern. — 2517 Conditionalsatz : eile
- ich nicht. — 2518 dann übernachte ich, dann muß ich übernachten. —
- 2519 rät werden hier mit persönl. Gen. und in negativem Satze: und dann
- bin ich verloren; vgl. zu 1602. —
- 94 IV. DIE ENTiÜHBüNG.
- •
- ich wsene, ich üf ir einen wil
- klimmen, ob ich iemer mac,
- und sehen, die wile ich hän den tac,
- ob deheiner slahte bü hie si 2525
- eintweder verre od nähen bi,
- da ich liute vinde,
- ze den ich mich gesinde,
- mit den ich aber vürbaz genese,
- in swelher wise ez danne wese.» 2530
- Sus stuont er üf und kerte dan.
- roc unde mantel haete er an
- von einem pfelle, der was rieh
- und an gewürhte wunderlich:
- er was von Sarrazinen 2535
- mit kleinen bortelinen
- in fremdeclichem prise
- nach heidenischer wise
- wol underworht und underbriten,
- und was der alse wol gesniten 2540
- nach sinem schoenem libe,
- daz von manne noch von wibe
- enwurden edeler kleider nie
- baz gesniten danne die.
- dar zuo seit uns daz msere, 2545
- der selbe pfelle er wsere
- ingrüener danne ein meiesch gras,
- und da mit er gefüllet was,
- daz was so rehte wiz härmin,
- daz ez niht wizer künde sin. 2550
- 2525 bu stm., gen. büwes, Bau, Wohnung. — 2528 gesinden swv. refl., sich
- gesellen. — 2529 genesen stv., hier überhaupt: in gutem Wohlbefinden
- leben.
- 2534 gewürhte (von würken, wirken) stn., Gewebe. — 2535 Sarrazin
- stm., Sarazene, doch mit allgemeiner Bedeutung: Orientale, Heide, d. h.
- Mohammedaner. — 2b37 fremdeclich adj., fremdartig, insofern auch wunder-
- bar. — prts stm., hier objectiv: Vortrefflichkeit. (Zarncke's Erklärung im
- mhd. Wb. II, 1,532,43 : ,,80 wie man im Auslande Ehrenkleider verfertiget'^
- scheint mir zu viel in die Wendung zu legen); vgl. V. 6563. — 2538 hei-
- denisch adj., unchristlich, orientalisch; selten und nur bedingt dogma-
- tisch. — 2539 underwürken (-wirken) swv. anom., daz wischenwirken, durch-
- weben. — underbriten stv. hat ähnliche Bedeutung : durchsticken ; vgl.
- undersniden in V. 942. — 2547 ingrüene adj., sehr grün, echt grün. —
- meiesch adj. zu meie [nhd. aufgegeben]. Solche Adjectivwendungen statt
- der Substantivzusammensetzungen bei Gottfried öfters; vgl. Gr. 4, 258 fg. —
- 2548 füllen swv., der alte Ausdruck für unser: füttern, insbesondere vom
- Pelzfutter gesagt; vgl. vol 11124. — 2549 härmin adj. zu härm, von Hermelin.
- IV. DIE EXTi-ÜHRUNG. 95
- Hie mite bereite er sich do
- weinende unde sere unfrö
- üf sine kumberliclie vart.
- dö ime diu vart unwendic wart,
- linder s^nen gürtel zoher 2555
- sinen röc ein lützel hoher;
- den mantel wänt er enein
- und leite in üf sin ahselbein
- {Qß) und streich üf gegen der wilde
- durch walt und durch gevilde. 2560
- ern hsete weder wec noch pfat
- wan alse er selbe getrat.
- mit sinen füezen wegeter,
- mit sinen banden stegeter:
- er reit sin arme und siniu bein. 2565
- über stoc und über stein
- wider berc er allez klam,
- unz er üf eine hoehe kam:
- da vant er von geschihte
- einen waltstic äne slihte 2570
- mit grase verwahsen unde smal;
- den kerte er anderhalp ze tal:
- der trüege in eine rihte hin;
- in kurzer wile brähte er in
- üf eine schoene sträze, 2575
- diu was ze guoter mäze
- breit unde geriten hin unde her.
- an dem selben wcge saz er
- durch ruowe weinende nider.
- nu truoc in ie sin herze wider 2580
- 2557 enein winden, zusammenwickeln. — 2hb^ ahselbein sin., über-
- haupt: Achsel, Schulter. — 2559 strichen stv. wird häufig wie ziehen von
- der Bewegung, zumal der eiligen, gesagt, wie uz strichet balde 11579; bei
- Gottfried wie hier meist mit Adverbien, einfach z. B. in V. 3865, vf Str.,
- bergan eilen. — 2563 wegen swv., hier im eigentlichen Sinne: Weg berei-
- ten. — 2564 steyen swv., ebenso : Steg bereiten. — 2565 rtten stv. gilt nicht
- allein speciell vom Keiten: er bewegte gewaltsam Arme und Beine, ge-
- brauchte sie zum Vorwärtsdringen; eine Metapher: er brauchte "Statt
- Rosses ') u. s. w. liegt nicht in dem Ausdruck, ebenso wenig ein Scherz;
- vgl. zu 9173. — 2570 waltstic stm. s. zu 2700. — slihte stf., Geradheit:
- einen ungeraden, gewundenen Waldsteig. — 2572 anderhalp adv. acc,
- auf die andere Seite, jenseits. — 2573 trüege (nach den ältesten Hss.) conj.
- im Sinne Tristan's: der würde, wie er glaubte, wohl hinführen auf eine
- rihte stf.. auf einen geraden Weg, d. h. auf einen Hauptweg. — 2576 ze
- '•:r jnäzf, in gutem Verhältnisse, hinreichend; vgl. ze mäze 3191. —
- ' geriten part. adj. nicht bloß speciell vom Reiten, 8ondern = begangen,
- :anrbar, gebahnt.
- 96 IV. DIE ENTFÜHRUNG.
- zen friunden und zem lande,
- da er die Hute erkande:
- diz truog in grozen jämer an.
- vil jsemerliche er aber began
- ze gote klagen sin ungemach; 2585
- ze himel er innecliche sach:
- . «Got», sprach er «berre guoter,
- ' min vater und min muoter
- wie hänt si mich alsus verlorn!
- owe, wan haete ich verborn 2590
- min veigez schachzäbelspil ,
- daz ich iemer hazzen wil!
- spärwaere, valken, smirli'n
- die läze got unsselic sin!
- die hänt mich minem vater benomen. 2595
- von der schulden bin ich komen
- von friunden und von künden;
- und alle, die mir gunden
- (67) gelückes unde guotes,
- die sint nu swseres muotes 2600
- und sere trüric umbe mich.
- ach, süeziu muoter, wie du dich
- mit klage nu quelest, daz weiz ich wol;
- vater, din herze ist leides vol:
- ich weiz wol, ir sit beide 2605
- ser' überladen mit leide.
- und, ouwe herre, wiste ich doch,
- daz ir daz wistet, daz ich noch
- mit wol gesundem libe lebe,
- daz wöere ein michel gotes gebe 2610
- iu beiden unde da nach mir.
- wan zwäre ich weiz vil wol, daz ir
- küm' oder niemer werdet fro,
- ezn gefüege danne got also,
- daz ir bevindet, daz ich lebe. 2615
- 2590 verhern stv. (berührt sich mit enbern s. zu 117) mit acc, unter-
- lassen, vermeiden, einem entsagen; vgl. 17723. — ibdlveige adj., hier noch
- stärker als in V. 1674: unselig, verwünscht. — 2595 benernen stv., entziehen,
- entreißen. — 2597 künde adj. siibst. swm., der Bekannte, meist im Plural
- [nhd. Kunde beschränkter]. In V. 2817 die Awnden = die Einheimischen
- den gesten gegenübergestellt. — 2610 gebe stf., Gabe. —
- IV. DIE ENTFÜHRUNG. 97
- aller sorgaere rixtgebe,
- got lierre, nü gefüege daz!»
- Uiider diu, dö er so saz
- klagende, als ich gesaget hau,
- do gesäch er zuo von verre gan 2620
- zwen' alte wällnere,
- die wären gote gebcere:
- getaget unde gejäret,
- gebartet unde gebäret,
- also diu wären gotes kint 2625
- und wälbore dicke sint.
- die selben wällenden man
- die truogen unde halten an
- linkappen unde solhe wät,
- diu wälUi^ren relite stät, 2630
- und uzen an ir wa?te
- mermuschelen genahte
- und fremeder zeichen genuoc.
- ir ietwederre der truoc
- einen wällestap an siner hant. 2635
- ir liüete unde ir beingewant
- daz stuont wol nach ir rehte.
- die selben gotes knehte
- (GS) die truogen an ir schenkelen
- linhosen, die obe ir enkelen 2640
- wol einer hende erwunden.
- 2616 ratgebe swm., Rathgeber, Tröster. — aorgcere stm. = Sorger , [nhd.
- nur: Versorger], der Unglückliebe; fem. sorgcerin in Y. 14490.
- 2 l'nder (?m (instruiuentalis), unterdessen, während. — 2G"JI wallocre
- stm., Waller, Pilger [vgl. Wallfahrt, dagegen nur: Pilgerstab für n-olle-
- stap 263')]. — 2t>22 gote gpba're (s. zu 198o) , mit Gott, mit der Heiligkeit
- übereinstimmend, ihr Äußeres verrieth ihre heilige Stellung. — 2623. 2624 ge-
- taget part. adj. u. s. w. = be-tagt u. s. w. — 2G25 gotes kint häutiges Bei-
- wort (ebenso goies kneht in V. 2G38) für Geistliche, Pilger und Gottes-
- fürchtige; dagegen in V. 33.56 gotes /;/«; = Christus. — 2629 Itnkappi' swf.,
- Kappe, talaraitiges Oberkleid mit Kapuze, von Leinen. — 2632 genwte wird
- part. fiect. sein, dem Subst. nachgesetzt: angenähte Meermuscheln (acc),
- doch ist möglicherweise gemete stn. {=znät) anzunehmen: von Meer-
- muscheln (gen.) eine Stickerei, wenn nur das Wort überhaupt sonst vor-
- käme. Auf alten Bildern werden die Pilger auch stets mit Muscheln auf
- dem Kratjen dargestellt. — 2633 die Abzeichen, außer den Musclieln,
- welche die Fahrt in die Fremde oder die Rückkunft aus der Fremde an-
- deuten sollen. — 2637 rcht stn., hier: Stand. — 264u enkel stm., Fuß-
- !;n.ichel. — 2i")4l einer hende adv. gen. (Nominalellipse), eine Hand breit;
- rhaihfr hende 2902. — erwi/nden pl. prtet. von enrinden stv. intrans.,
- itlich: an einem bestimmten Punkte umwenden, aufhören. —
- '■OTTFBIED VOX STRASSrURG. T. 2. Aufl. 7
- 98 IV. DIE ENTFÜHRUNG.
- näh' an ir bein gebunden.
- füeze und enkele wären blöz
- vür den trit und vür den stuz.
- oucb truogen s' über ir ruckebein, 2645
- dar an ir riuwec leben schein,
- geistliche stende balmen.
- ir gebet ünde ir salmen
- und swaz si guotes künden,
- daz lären s' an den stunden. 2650
- Tristan, da mite und er si ersach,
- vorhtliche er wider sich selben sprach:
- «genredeclicher trehti'u,
- welch rät gewirdet aber nu min?
- jene zwehe man, die dort her gänt, 2655
- ist daz si mich ersehen haut,
- die mugen mich aber wol vähen.»
- nu si im begunden nähen
- und er ir dinc erkande
- an Stäben und an gewande, 2660
- zehaut erkande er wol ir leben
- und begünde im selben herze geben:
- sin gemüete wart ein lützel frö.
- üz vollem herzen sprach er do:
- «lop dich, herre trehtih! 2665
- diz mügen wol guote Hute sin;
- i'ne darf kein angest von in haben.»
- 2642 gebunden braucht nicbt wörtlicli genommen zu werden: mit einem
- Bändel zugebunden (wie Unter- oder Eeithosen), sondern näJie gebunden =
- nahe, fest anliegend. — 2645 ruckebein stn., Eückgrat, überhaupt: Bücken.
- — 2646 riuwec adj., reuig, bußfertig. — 2645—47 «sie trugen auf ihrem
- Eücken , zum Zeichen (dar an schein) daß sie Büßer waren {riuwec leben,
- bußfertiges Leben, Büßerleben), Palmen, die ihnen ein heiliges Ansehen
- gaben» (wörtlich: die geistlich standen^. Diese Erklärung Bech's ist die
- richtige; meine in der 1. Ausgabe geäußerte Ansicht gebe ich auf. —
- 264S saline swm. Lehnwort aus ^jsaimws, Psalm Fremdwort. — 2650 lesen,
- hier nicht: ablesen, vorlesen, sondern: hersagen. — an den stunden, zu
- der Zeit, damals, eben, gerade.
- 2651 da mite und (ahnl. relat, wie die wile und 1236), hiermit als,
- sobald. — 2653 genccdeclich aäj. = gena2dec [nhd. nur adverb.]. — frektin
- stm., Herr, hauptsächlich für Gott und Christus gebraucht. — 26.54 ge-
- iverden, verst. werden, von Gottfried öfters in solchen Fragen und in Ver-
- bindung mit rät gebraucht; vgl. 54S9. 14397. — 2661 leben stn. berührt
- öfters den Begriff: Stand. — 2662 im herze geben, sich Muth machen. —
- 2665 lop dich Pronominalellipse = ?c/i lobe dich (?) oder besser mit F. Bech:.
- alop dich wie got lop! neben gote lop! (ähnlich wol mich! neben wol
- mir!)y> — 2667 dürfen swv. anom., bedürfen, brauchen. —
- IV. DIE ENTFÜHRUNG. 99
- vil schiere wart, daz si den kuaben
- vor iu sitzen sähen.
- nu si im begimden nähen, 2670
- höfschliche er üf gein in spranc,
- sine schcene hende er vür sich twanc.
- nu hegünden in die zwene man
- vil flizecliche sehen an
- und nämen siner zühte war. 2675
- guotliche giengen si dar
- und gruozten in vil suoze
- mit disem süezen gruoze:
- (69) «den sal, beäs amis!
- vil lieber friunt, swer so du sis, 2680
- got müeze dich gehalten!»
- Tristan geneic den alten:
- «ei», sprach er «de benie
- si sainte companie!
- sus beilege geselleschaft 2685
- die gesegene got mit siner kraft!»
- aber sprächen ime die zwene zuo:
- «vil liebez kint, wannen bist duo
- oder wer hat dich da here bräht?»
- Tristan der was vil wol bedäht 2690
- und sinnesam von sinen tagen,
- er begi'inde in fremediu ma3re sagen:
- «söeligen herren», sprach er z'in
- «von diseme lande ich bürtic bin
- ■J66S iver(ien= geachehen. — 2672 die Hände vor sich, über die Brust fest
- zusammenzulegen, war die Stellung für den ehrerbietigen Gruß (bei den
- Geistlichen noch heute). — 2(176 guotliche adv. , gütig, freundlich. —
- 2679 (U'il CHs. 'M.) = de (vgl. zu 741). deü sal, im Folgenden übersetzt =
- Gott halte, behüte (dich); niclit elliptisch in V. 315S. — amis, lat. arnicus,
- neufranz . ami ; öfters auch als Fremdwort vgl. z. B. 8955. — 2681 ge-
- halten stv. , erhalten, behüten, segnen. — 2GS2 genigen. , verst. nigen. —
- 2683 6enie, benedicat; vgl. zu 2960. — 2684 si 5aiw^e = neufranz. — com-
- panie =rompagnie hier im franz. Satz, sonst cumpanie als Fremdwort
- z. B. 4S13. 9418 [vgl. Kumpan]. — 2688 loannen adv., von wannen, woher;
- die Betonung wannm findet Grund und Zulässiglieit im alten hwanän
- (sonst immer wannen z. B. in V. 2751); ebenso einmal innen in V. 10953.
- 2690 jcol bedäht part. adj. , sehr besonnen, vorsichtig [vgl. unbe-
- dacht]. — 2691 sinnesam adj., verständig, listig. — von sinen tagen, für
- sein Alter, trotz seiner Jugend, oder = ü. s. kindes tagen, von Jugend auf?
- Eine Änderung in vor, wie v. Hagen Germ. Studien 1, 55 vorschlägt, ist
- nicht geboten. — 2692 fremediu nuvre, sonderbare Geschichten, schalkhafter
- und edeler Ausdruck für: Lüge; etwa: ein wunderliches Märchen. —
- 2694 bürtic adj. = gebürtig. —
- 100 IV. DIE ENTFÜHRUNG.
- und solte riteu hiute 2695
- ich und ander liute
- jagen üf disem walde alhie.
- do entreit ich, i'ne weiz selbe wie,
- den jägeren unde den hundeu.
- die die waltstige künden, 2700
- die gefüoren alle baz dan ich:
- wan äne stic verreit ich mich,
- unz daz ich gar verirret wart,
- sus traf ich eine veige vart,
- diu truoc mich unz üf einen graben, 2705
- dane künde ich min pfärt nie gehaben,
- ez enwölte allez uider vür sich,
- ze jungest geläc pfärt und ich
- beide z'eiuem hüfen nider.
- done künde ich nie so schiere wider 2710
- ze minem stegereife komen,
- ez enhaete mir den zügel genomen,
- und lief allez den walt in.
- sus kom ich an diz pfädelin,
- daz hat mich unze her getragen. 2715
- nu enkän ich memänne gesagen,
- wä ich bin od war ich sol.
- nu guoten liute, tuot so wol
- (70) und saget mir, wä weit ir hin?»
- «friunt», sprächen si dö wider in 2720
- «gerüochet es unser trehtih,
- so welle wir noch hinaht sin
- ze Tintajole in der stat. «
- Tristan guotiiche si do bat,
- daz si in mit in dar liezen gän. 2725
- «vil liebez kint, daz si getan»,
- 2698 entnten stv. mit dat., einem (reitend, zu Pferde) entkommen. —
- 2700 kunnen anom. v. mit acc., sich auf etwas verstehen [unser: können
- passt hier nicht]. — 2701 die sind besser, glücklicher dahingezogen , oder
- = unserm: die sind besser gefahren, denen ist es besser ergangen? —
- 2702 sttc stm., im Mhd. nicht nur: Steig, Bergweg, sondern überhaupt:
- Pfad, Wegbahn. — 2704 vart stf., "Weg, Fährte. — 2706 gehaben swv., an-
- halten. — 2707 der Bedingungssatz mit der Negation (en) abhängig von
- einer Ellipse : dort konnte ich mein Pferd durchaus nicht bändigen (d. h.
- ich hielt das Pferd an ohne Erfolg, würde es aber vermocht haben), wenn
- es nicht immer weiter niederwärts gewollt hätte; die ganz ähnliche Wen-
- dung in V. 2710 fg. — 2710 .so seiner e = sogleich, alsbald. — 2711 stegereif
- stm., Steigbügel. — 2718 tuot so tüoZ = unserm: seid so gut. — 2721 ge-
- ruochen swv. mit gen., hier: geruhen, gestatten. — 2722 hinaht (alter In-
- strumentalis, vgl. hiute) diese, d. h. hier die bevoi-stehende, Nacht.
- IV. DIE ENTFÜHRUNG. 101
- sprächen die wällenden man
- «wil du da hin, so kere dan.»
- Tristan der kerte mit in hin.
- hie mite so hiiop sich linder in 2730
- maneger slahte mrere,
- Tristan der hovebaere
- der was mit rede also gewar,
- si frägeten her oder dar,
- daz er alles des antwürte bot 2735
- niwan ze staten und ze not.
- er hsete sine mäze
- an rede und an geläze
- so wol, daz es die wisen,
- die getageten und die grisen 2740
- ze grözen saelden jähen
- und aber ie baz besähen
- sine gebaerde und sine site
- und sinen schoenen lip da mite;
- siniu kleider,. diu er ane truoc, 2745
- diu gemareten si genuoc,
- durch daz si wären sere rieh
- und an gewürhte wunderlich;
- und sprächen in ir muote:
- «ä herre got der guote, 2750
- wer öder wannen ist diz kint,
- des Site so rehte schoene sint?»
- sus giengen si betrahtende
- und allez sin dinc ahtende:
- diz was ir kurzewile 2755
- wol eine willsche mtle.
- 2733 gaoar adj., (gewahr), vorsichtig. — 2741 jehen stv. hier mit gen.
- und pra;p. ze^ wie z. B. noch in V. 11239, eine Sache für etwas erklären,
- auslegen; sie sahen in Tristan einen begnadeten (ze scelden= salegen )
- Menschen [vgl. unser: begabt, Begabung] ; vgl. 3493. — 21 ^'o gerne rken svf^.,
- verst. merken, bemerken, beachten. — 275C die wülsche intle im Gegensatz
- zur grözen, zur deutschen (vgl. V. 2311) ist die kleine.
- DIE JAGD.
- In der Nähe der Straße hatten gerade die Hunde seines Oheims , des
- Königs Marlve von Kurnewal , einen Hirsch gejagt. Die Jäger kommen
- heran, und Tristan verabschiedet sich von den Pilgern : diese Leute eben
- habe er heute verloren. Er naht den Jägern im Augenblicke , als der
- Hirsch enthäutet und geviertheilt werden soll. Tristan erhebt Einsprache;
- in seinem Lande werde der Hirsch entbästet. Die Jäger ersuchen ihn,
- dieses hier unbekannte Eutbästen zu zeigen. Tristan A^ollführt meister-
- haft und mit Bewunderung der Jäger nacheinander den Bast, die Furkie
- und die Curie. Dann lehrt er , wie der zerlegte Hirsch in rechter Ord-
- nung nach Hause geschafft und übergeben werden solle. Beim Heimritt
- nennt er den Jägern seinen Xamen und gibt sich für den Sohn eines par-
- menischen Kaufmanns aus; mit fremden Kaufleuten sei er hierher ge-
- kommen. Vor Tintajoel angelangt, ordnet Tristan den Zug; mit Hörner-
- schall reiten sie ein. Tristan begrüßt den König, der sich unwiderstehlich
- zu ihm hingezogen fühlt. Man lobt vor Marke des Jünglings Sitten und
- Jagdkünste, und dieser ernennt ihn zu seinem Jägermeister.
- C^l) Nu kom ez in kurzer stunde:
- sines Geheimes huncle,
- Markes von Kurnewäle,
- die hseten ze dem male, 2760
- als uns daz wäre msere saget,
- einen zitegen birz gejaget
- zuo der sträze nähen,
- da liez er sich ergäben
- und stuont aldä ze bile: 2765
- 2757 Tiomen stv., öfters [wie noch in volksthümlicher Rede] geschehen,
- zufällig ijassieren. — 2763 nahen adv. ; vgl. 11902. — 2764 ergdhen swv.,
- ereilen. — 2765 bil stm., Jagdausdruck: der Augenblick, wenn das gejagte
- Wild steht, sich wendet und sich gegen Jäger oder Hunde zur Wehr setzt.
- Über die Abstammung mancherlei Yermuthungen, noch keine Gewissheit. —
- V. DIE JAGD. 103
- im htete fluht und ile
- alle sine kraft benomen.
- nu wären oucli die jägere komen
- mit michelem geschelle
- liürnende ze gevelle. 2770
- Tristan, dö er den bil ersach,
- wider die pilgerine er sprach
- wisliche, als er wol kimde:
- herren, dise liuude,
- disen hirz und dise Hute, 2775
- seht, die verlos ich hiute;
- nu hän ich s' aber funden:
- diz sint mine künden.
- gebietet mir, ze den wil ich.»
- akint», sprächen si «got segene dich; 2780
- ze Salden müezest du gevarn!»
- «genäde, got müez' iuch bewarn!»
- sprach aber der guote Tristan.
- sus neig er in und kerte dan
- gein dem liirze üf sine vart. 2785
- Ku daz der hirz gevellet wart,
- der da Jägermeister was,
- der stracte in nider üf daz gras
- üf alle viere alsam ein swin:
- «wie nu, meister, waz sol diz sin?» 2790
- sprach aber der hövesche Tristan:
- «lät sten! durch got, waz gät ir an?
- wer gesäch ie hirz zewirken so?»
- der Jäger stuont üf höher do;
- er sach in an und sprach im zuo: 2795
- «wie wiltu, kint, daz ich im tuo?
- hie ze lande enist kein ander list,
- wau alse der hirz entblutet ist,
- (72) so spaltet man in über al
- von dem houbete ze tal 2800
- 2769 gesehene stu. collect, zu schal, Getöse. — 2770 hürnen swv., auf dem
- Home blasen. — rjeveHe stn., Fällung (des Wildes), der G-enickfaug.
- 2792 lat «/«^"?j .' — lasst's gehn! hört auf, halt ein! — an gän; vgl. zu
- 2324. — 2794 vf hoher stän (auch blo(j hoher st.) sich weiter weg stelleu,
- zurücktreten. — 28o0 ze tal, hier bildlich, überhaupt: abwärts: wörtlich
- m V. 2572. —
- 104 V. DIE JAGD.
- und da nach danne in viere,
- s6 daz der vier quartiere
- deheinez iht vil groezer si
- dan daz ander da bi:
- diz ist in disem lande site. ' 2805
- kint, kanstu ihtes iht da mite?»
- «ja, meister», sprach er wider in
- «daz laut, da ich gezogen bin,
- da ist der site niht also.»
- «wie danne?» sprach der meister do. 2810
- «man enbestet da den hirz.»
- «entriuwen, friunt, dun' zeigest mirz,
- sone weiz ich, waz enbesten ist.
- ezn M^eiz niemen disen list
- in disem künicriche hie; 2815
- son' geh orte ich euch genennen nie
- von künden noch von gesten.
- trüt kint, was ist enbesten?
- als guot du sist, nu zeige mirz:
- gä her, enbeste disen hirz!» 2820
- Tristan sprach: «lieber meister min,
- sol ez mit iuwern huklen sin
- und mag iu liep dar an geschehen,
- so läze ich iuch vil gerne sehen,
- als verre als ich's gemerket han, 2825
- wie min lantsite ist getan,
- als ir da fraget umbe den hast.»
- der meister sach den jungen gast
- vil güotli'ch'e lachende an,
- wan er was selbe ein hövescher man 2830
- und erkände al die fuoge wol,
- die guot man erkennen sol.
- «ja», sprach er «lieber friunt, nu tuo!
- 2801 in viere elliptisch: in vier Theile; die Ellipse in V. 2789 = nbd. —
- 2802 quartier stn., Fremdwort, Viertheil. — 2806 Uties (gen.) iht, verstärktes
- /■///', irgend was [vgl. das mundartliche nichts nicht]. — da mite bei kunnen
- (Verbalellipse Gr. 4, 137), nhd. davon bei: verstehen; ebenfalls: damit bei:
- Bescheid wissen; vgl. zu 3043. — 2811 enbesten = entbesten swv., vom bast
- (s. zu 2827) entledigen , weidmännisch enthäuten.
- 2827 bast stm., Haut, (inwendige) Rinde wie in V. 2948 = nhd. ; ins-
- besondere ist bast auch die thierische Haut (nhd. selten), davon schließ-
- lich der weidmännische Kunstausdruck bast , die kunstmäßige Ablösung
- der Haut (nicht bloß des Felles). —
- V. DIE JAGD. 105
- wol her, bist du ze kraue derziio,
- triit geselle, liebez kint, 2835
- ich selbe und die hie mit mir siiit,
- wir helfen dir'ii mit hcnden
- legen und umbe wenden,
- swie so du vor gebiutest
- und mit dem vinger tiutest » 284:0
- Tristan der eilende knabe
- sinen mantel zoli er abe
- und leite den üf einen stoc:
- er zoch hoher sinen roc.
- sin ermel vielt er vorne wider; 2845
- sin schcene här daz streich er nider,
- üf sin öre leite er daz.
- nu besähen si"n baz unde baz,
- die da zem haste wären:
- sin geläz und sin gebären 2850
- daz nämen s' alle in ir muot
- und dühte si daz alse guot,
- daz si'z vil gerne sähen
- und in ir herzen jähen,
- sin dinc wser' allez edelich , 2855
- siniu kleider freraede unde rieh,
- sin lip ze wünsche getan,
- si begünden alle zuo z'im gän
- und siner dinge nemen war.
- nu gie der eilende dar, 2860
- der junge meister Tristan:
- er greif den hirz mit banden an
- und wolte in üf den rucke legen,
- done künde er in nie dar gewegen,
- wan er was ime ze swaere. 2865
- -834 kraue adj., schwach [nhd. krank, aef/or jünger]. — 2839 vor gebieten,'
- ■wie unser: vorschreiben. — 2840 verstärkter Ausdruck : andeutend zeigen.
- ■ii'^45 Hagen's Erklärung: »er knüpfte die ausgezogenen Ärmel vorn
- zusammen und schnürte damit den Kock auf» ist sehr gesucht. V. 2844
- stellt für sich; das Aufziehen des Rockes geschieht viel leichter durch
- den Gürtel; vgl. 25.').^ fg. Vielmehr ist der Sinn: Seine Ärmel, die an-
- liegenden Kockärmel (vgl. zu lä74ü) faltete er vorne zurück, schlug sie
- um, damit sie ihn bei seiner Arbeit nicht hinderten und damit er sie zu-
- gleich nicht mit Blut besudelte. — 2S.Ö0 i/ebären subst. inf. ; vgl. zu WK'k
- — 28.'i.'> eclelich = e(iell!c/i adj , edelartig, edel. — 2804 fjeivegen stv., be-
- wegen . wenden.
- 106 V. DIE JAGD.
- do bat der liovebsere,
- daz si'n im rehte leiten
- und iif den bast bereiten.
- Nu daz was schiere getan,
- ze dem hirze gieng er obene stän. 2870
- da begimde er in entwseten,
- er sneit in uude entnaeten
- unden von dem miüe nider.
- ze den buocbeinen kerte er wider,
- diu entrante er beide nach ir zit, 2875
- daz rehte vor, daz linke sit.
- diu zwei hufbein er dö nam
- unde beschelte diu alsam:
- (74:) do begimde er die hüt scheiden
- von den siten beiden, 2880
- do von den heften über al,
- al von obene hin ze tal,
- und breite sine hüt do nider.
- ze sinen büegen kerte er wider,
- von der brüst entbaste er die, 2885
- daz er die brüst da ganze lie.
- die büege leite er dort hin dan.
- sine brüst er do began
- üz dem rucke scheiden
- und von den siten beiden 2890
- ietwederhalp driu rippe da mite.
- daz ist der rehte bästsite:
- diu lät er iemer dar an,
- der die brüst geloesen kan.
- und al zehant so kerte er her, 2895
- vil kündecliche enbaste er
- 2S71 entwceten swv., eigentlich: entkleiden, enthäuten, synon. mit ent-
- besten. ■ — 2872 entnceten = entna'te in. entncejen swv., eigentlich: eine Naht
- auftrennen , aufschneiden. — 2874 buocbein stn. , Bugbein , der vordere
- Oberschenkel, das Vorderblatt (entgegengesetzt dem hufbein 2877). —
- 2875 entrennen swv., auseinander trennen, ablösen. — nach ir zit, nach
- ihrer zeitlichen Ordnung, regelrecht nacheinander. — 2876 vor adv. und
- sit adv. hier zusammen: vorher, zuerst; hierauf, nachher. — 2877 hufbein
- stn., Hüftbein, die Keule. — 2878 beschelen swv., beschälen, enthäuten. —
- 2881 heften dat. pl. von haft stf., Band oder von hefte stn., Heft? —
- 2884 buoG Btm. = buocbein 2874. — 2891 ietwederhal]) adv., auf jeder von
- beiden Seiten. — rippe stn. in der Form = nhd., Nebenform von riebe
- swf. — 2894 geloesen swv., verst. lotsen, ablösen. — 2896 kündecliche adv.,
- kundig, geschickt. —
- V. DIE JAGD. 107
- beidiu siniu hüfbein
- besunder uilit wan beide euein.
- ir reht er ouch den beiden liez :
- den braten, da der rucke stiez • 2900
- über lankeu gein dem ende
- wol anderhalber hende,
- daz die da ziraere uennent,
- die den bastlist erkennen!.
- die rieben er dö beide schiet, 2905
- beid' er si von dem rucke schriet,
- dar nach den panzen üf den pas:
- und M'an daz uugebaere was
- sinen schcenen banden, do sprach er:
- «wol balde zwene knehte her! 2910
- tuot diz dort hin danne baz
- unde bereitet uns daz!»
- sus was der hirz enbestet,
- diu hüt billiche entlestet;
- die brüst, die büege, siten, bein, 2915
- daz hajte er allez über ein
- vil schöne dort hin dan geleit:
- hie mite so was der hast bereit.
- (75) Tristan der eilende gast
- «seht«, sprach er «meister, deist der hast 2920
- und alse ist disiu kunst getan,
- nu gerüochet ir her näher gän
- ir und iuwer massenie
- und machet die furkie!»
- )uO breite swm., Braten, Fleisclistück. — 2901 lanke stf. und swf., (eigentl.
- enkung), Lende (franz. r/anc). über /. = über den Lenden. — ende stn.,
- ier speciell: der Schwanz. — 2903 zimere sing. (vgl. 2942) oder pl. von
- Hier (in einigen Hss. auch zimbre) Fremdwort, franz. ciniier, Ziemer masc.
- läufiger in: Hirsch-, Ochsenziemer]. — 2905 riebe (so in den beiden ältesten
- Las.) swf. im Geschlecht =: nhd. , Nebenform von rippe stn. (sonst der
- ocal kurz ribe). — 2906 schroten stv., schneiden, hauen. — 2^^0~i jjanze
- kvm., franz. pance , Wanst, Magen. — pas stm. Diese und die zweite
- teile in V. 3007 ergeben nicht, welches der Eingeweidestücke unter die-
- jm Worte zu verstehen sei; vielleicht der Mastdarm? Nach F. Bech:
- pas Fremdwort = jL>a>v.!,MÄ", dann vfohl = mazga7ic i. e. anus?)) — uf praep.,
- ier wohl = bis auf, den pas mit inbegriffen; vgl. zu 18331. — 2908 ziriffe-
- tre adj., unangemessen. — 2914 billiche adv., billig, nach der Ordnung. —
- 'Ulest'Ti 8WV., entlasten, losmachen. — 2918 bereit adj., fertig, abgemacht.
- 2923 iiiasseme stf., Fremdwort, altfranz. viaisnie von maison , mansio,
- igentlich: Gesellschaft, im ursprünglichen Sinne : Hausgenossenschaft;
- ann: Ingesinde, Gefolge; vgl. die franz. Form viehnie 32.J7. — 292 i für-
- te stf., Fremdwort, etwa: Gabelung oder Gabelei; die Erklärung gleich
- m Folgenden. —
- 108 V. DIE J/..'?D.
- cfurkie? triit kint, waz ist daz?
- du nennest mir vor, i'ne weiz waz.
- du hast uns disen jagelist,
- der fremde und guot ze lobene ist,
- wol meisterlichen her getan :
- nu läz in ouch noch vür sich gän,
- volfüere dine meisterschaft!
- wir sin dir iemer dienesthaft. »
- Tristan spranc enwec zehant:
- eine zwisele hiu er an die hant,
- daz die da furke nennent,
- die die furkie erkennent.
- doch ist niht sunders an den zwein;
- furk' unde zwisele deist al ein.
- sus kom er wider mit sinem stabe.
- die lebere sneit er sunder abe,
- netz' unde lumbele schiet er dan.
- die zimeren er abe gewan
- von dem lide, an dem si was.
- Sus saz er nider üf daz gras,
- diu stucke nam er elliu driu:
- an sine furken baut er diu
- mit sinem netze vaste;
- mit einem grüenen baste
- verstricte er'z sus unde so.
- anu seht, ir herren», sprach er do
- «diz heizent si furkie
- in unser jagerie;
- und wände ez an der furken ist,
- dur daz so heizet dirre list
- 292ti vor nennen wie vor zeln in "V. 306.5, nennen, mit Namen vorbringen:
- du bringst da einen mir unbekannten Xamen vor; oder sollte vor nennen
- im Sinne stehen wie vor benennen in V. 11383, verheißen? du machst mich
- neugierig? — 2929 her adv., bisher, bisjetzt, soweit; oder her tuon^ da.T-
- thun, mittheilen, zeigen? — 2933 enwec (=in wec) adv., weg; nhd. dafür:
- hinweg; vgl. zu 13691. — 2934 zwisele stf., Gabel, gabelförmiger Zweig. —
- Der Ausdruck ist knapp : Tristan hieb eine zwinele ab, die er in die Hand
- nahm. — 2935 Jurke swf., Fremdwort, lat. furca, franz. fourque, Gabel. — ;
- 2941 netze stn., das Netz um die Eingeweide; netze hier wohl pl. : die bei-
- den Netze, das große und das kleine. — lumbel stn.? stm. ? (andere Hss.'
- schwach lurnbelen), Theil der Eingeweide, wohl die Nieren (lat. lumbus). —
- 2942 hier erscheint ziraere (andere Hss. zimbern, zimberen') in. schwacher
- Elexion und deutlich als fem. Ist hier vielleicht der Ziemer gemeint
- oder ein Theil der Eingeweide? — gevjinnen stv., öfters allgemein : bekom-
- men, abe gew., herabnehmen. — 2943 lit stn., gen. Udes, Glied, Stück.
- V. DIE JAGD. 109
- furkie, und füeget ouch daz wol, . 2955
- Sit ez äu der furkeu weseu sol.
- diz neme ein kneht an sine hant!
- nu tälanc weset ir gemant
- (76) umb' iuwer ciine.»
- «curie? de benie! » 2960
- sprüchän si alle «waz ist daz?
- wir vernj^emeu sarrazinesch baz.
- waz ist curie, lieber man?
- swic unde sage uns nibt hie van:
- swaz es si, daz lä geschehen, 2965
- daz wir'z mit ougen an gesehen.
- diz tuo durch dine hövescheit ! »
- Nu Tristan der was aber bereit:
- den herzeric er dö gevienc
- (ich meine, an dem daz herze hieuc) 2970
- und enblüzte in aller siner habe,
- daz herze sneit er halbez abe
- hin gein dem spitzen ende
- und nam ez in sine hende
- und begüude ez teilieren, 2975
- in kriuzewis ze vieren
- und warf daz üf die hut nider.
- ze sinem ricke kerte er wider,
- milz unde hingen loste er- abe ;
- do was si hin des rickes habe. 2980
- nu daz lac üf der hiute da,
- ric unde gorgen sneit er sä
- obene, da diu brüst erwant.
- daz houbet loste er al zehant
- mit dem gehürne von dem kragen 2985
- 2\)bb fliegen swv., passend, entsprechend sein. — 2956 stt conj., hier
- .usal: weil. — 2958 tcüanc {=ta;/etanc) adv., für diesen Tag, heute, noch.
- manen swv. hier mit prtep. /^?/;6e = bitten um [mahnen an]. — 2959 c/n-tc
- f., Fremdwort, franz. cuire; die Erklärung ebenfalls gleich im Folgeu-
- •D- — 29tJ0 du benie Ausruf (Pronominalellipse) wie >jot segene 13694.
- 2969 herzeric stm. gen. -rickes, das Band, an dem das Herz und die
- idern Eingeweide hängen, das Geschling (Hs. M herzer ine, danach also
- ?r Herzbeutel). — gecä/icn stv., \evst. vähen, körperlich: erfassen, ergrei-
- n; vgl. zu 7s:i5. — 2971 /laOe stf., hier: was drum und dran hängt; cdie
- üllen". Simrock. — 2975 teilieren Fremdwort, franz. tailler, wenn nicht
- ilieren 15ildung von teil wie ivandelieren von vandel. — 2976 in kriuzewis
- Iv.. nhd. nur: kreuzweis. — 2978 hier allgemein )'ic ; vgl. 2969. —
- '■ge swm. (vgl. 92ia), Gurgel stf., überhaupt: Schlund, Kehle. —
- 'lünie stn. collect, zu hörn, Gehürn, Geweih. — krage swm., (Kra-
- ' *:m.), Hals; vgl. 15S49. —
- 110 V. DIE JAGD.
- • und hiez daz ziio der brüste trcageii.
- «nu wol her balde!» sprach er z'iii
- «nemet balde disen rucke hin;
- kome iemen armer Hute her,
- der es geruoche oder ger,
- dem teilet disen rucke mite,
- oder tüot dermite nach iuwerm site:
- so mache ich die curie.»
- Dar gie diu cumpanie
- und nam siner künste war.
- Tristan hiez ime bringen dar,
- daz er im e bereiten bat.
- nu daz lac allez an der stat
- (77) wol gemachet unde bereit,
- als er in hsete vor geseit.
- nu wären der quartiere
- von dem herzen viere
- vier halben üf die hüt geleit
- nach jägelicher gewoneheit
- und lägen üf der hiute also:
- milz unde lungen sneit er dö,
- dar nach den panzen unde den pas
- und swaz der hunde spise was
- in also kleiniu stuckelin,
- als ez ein fuogemohte sin,
- und spreite ez allez uf die hüt.
- hie mite begunde er überlüt
- den hunden ruofen: «za za zä!»
- vil schiere wären s' alle da
- und stuonden ob ir spise.
- «seht)), sprach der wortwi'se
- 2991 rucke (so lesen die besseren Hss.): an den Eücken ist wolil niclit zu
- denken, und ricke als Nebenform von ric passt ebenfalls nicht. Bech hält
- rucke für den vorderen, weniger werthvollen Theil des Hirschrückens. Ade-
- lung 3, 1189 (Wien ISll) : « bei den Jägern werden die kleinen hornigen
- Theile , welche den Hunden und allem Wildbrete zu beiden Seiten unten,
- an den Läufern gleich über den Ballen herausgewachsen sind, die Eücken
- oder Oberrücken genannt. » Aber auch das will nicht passen. i
- 3003 halben dat. pl. von kalbe swf. : nach den vier Seiten hin. — 1
- 3004 jägelich adj., jagdmäßig. — 3010 wie es passend war. — 3011 spreiten <
- swv., hinstreuen. — 3012 überlüt (=züber lüt wie über al), eigentlich: offen-
- bar, klar; vgl. zu 15051; hier = laut (über hat im Mhd. viel seltener als
- jetzt den Begriff des Übermäßigen wie er im heutigen: überlaut hervor-
- tritt). — 3013 der Ruf za za zä ! ist das in sprachliche Form gebrachte
- Schnalzen der Zunge. — 3016 ivortwtse adj. subst., der Wortkundige, Be-
- redte; vgl. 4708. —
- V. DIE JAGD. 111
- «diz heizent si curie
- da heime in Parmenie,
- und wil in sagen nmbe waz:
- ez heizet curie umbe daz, 3020
- durch daz ez üf der cuire lit,
- swaz man den hunden dannc git;
- als hat diu jägerie
- den selben namen curie
- von cuire funden unde geuomen. 3025
- von cuire so ist curie komen.
- und zwäre ez wart den hunden
- ze guoten dingen funden
- und ist ein guot gewoneheit,
- wan swaz man in dar üf geleit, 3030
- daz ist in süeze durch daz bluot
- und machet ouch die hunde guot.
- nu sehet an disen bästsite,
- da enist kein ander spsehe mite:
- nemet war, wie'r iu gevalle.« 3035-
- «ä herre!» sprächen s' alle
- «waz seistu, siieligez kint?
- wir sehen wol, dise liste sint
- (78) bracken unde hunden
- ze grozen frumen funden.» 3040
- Aber sprach der guote Tristan:
- «nu nemet iuwer hüt hin dan,
- wan ich enkan hie mite niht baz.
- und wizzet wterliche daz ,
- künd' ich iu baz gedienet hän, 3045
- daz hit'te ich gerne getan,
- der man der houwe sine wit
- und widet üf sunder iuriu lit,
- i02l, cuire stf., Fremchvort, franz. cuir, Haut, carte demgemäß wörtlich
- etwa: Lederei (Häutung würde den Sinn verrücken), aber mit dem Sinne:
- Speisung der Hunde mit den Eingeweiden , die auf der Haut liegen. —
- 3030 'jelcit von 'jele(/en, verst. lec/en. — 3034 spcche stf., Kunst. — 303;) brache
- 8wra., Leithund, Spürhund. — die hunde wohl nicht speciell die Jagd- und
- Hetzhunde zu verstehen, sondern überhaupt: Hunde. — ZdiO frurae hier
- pl. ; ohne Adject. ze frumen 6003 [vgl. zu Nutz und Frommen]; nach fru-
- men 5147.
- 3043 hie mite bei kunnen (vgl. 2S06); hier die Ellipse zu ergänzen: ich
- weiß damit nichts weiter anzufangen. — 3047 wit (auch 2vide) stf., (Wiede),
- Reis, Zweig zum Binden und Hängen, Strang. — Die Construction wech-
- selt im folgenden Verse: der //(a?i := jedermann (von euch) für das 2. Per-
- Bonalpron., mit welchem dann fortgefahren wird. — 3048 vf xciden swv.,
- mit Wieden aufbinden; vgl. 344s fg. —
- 112 V. DIE JAGD.
- daz houbet füeret an der hant
- und bringet iuwern pri'sänt 3050
- ze hove nach liovelicbem site:
- da liovet ir iuch selben mite.
- so wizzet oucb ir selbe ^Yol,
- wie man den birz prisanten sol:
- prisantet in ze relite!» 3055
- Den meister und die knehte
- die uam aber dö wunder,
- daz in daz kint besunder
- und mit bescheidenlieite
- so manc jägerebt vür leite oOßn
- und daz ez so vil wiste
- von sus getanem liste,
- «sich», sprächen si <'Sceligez kint:
- diu wunderlichen underbint,
- diu du uns vor zelst und hast gezalt, 3065
- diu dunkent uns so manicvalt.
- wir sehen si noch baz z'ende gän:
- swaz du biz da her hast getan,
- daz ahten wir ze nihte.»
- sus zugen si'm enrihte 3070
- ein pfärit dar und bäten in,
- daz er durch sine tugent mit in
- nach siner kunst ze hove rite
- und er si sinen läntsite
- uuz an ein ende lieze sehen. 3075
- Tristan sprach: «daz mac wol geschehen,
- nemet den hirz üf und wol hin!»
- sus saz er üf und reit mit in.
- (79) ]S^u si also mit ein ander riten,
- nu hseten jene vil küme erbiten 3080
- .3050 prisant stra., Fremdwort, Präsent, Ehrengabe. — 3052 hoven swv., ähn-
- lich wie eren, Dienst erweisen. — 3054 prisawfe« swv., Premdwort, präsen-
- tieren, ehrerbietig darbringen.
- 3059 bescheidenheit stf.^ (Unterscheidungsgabe), Verstand, Geschick-
- lichkeit. — 3060 jagereht stn. , .Tägerpflicht, richtiger Jägerbrauch. —
- 3064 underbint stn., (Unterbindung), Unterschied: Bast, Furkie, Curie im
- Gegensatz zu der gewohnten Enthäutung und Viertheilung. — 3065 vor
- zeln swv., aufzählen, überhaupt: mittheilen. — 3069 ze ni/tte = für nichts;
- vgl. 7255 und zu 12393. — 3070 enrihte (= in rihte) adv., alsbald, sogleich;
- bei Gottfried meist zeitlich, ferner z. B. in V. 7256. 14968; vgl. zu 6840. —
- 3073 bezieht sich nicht auf die Keitkunst, sondern auf das kunstgemäße
- Nachhauseschaffen des zerlegten Hirsches.
- 3080 erbiten part. von erbiten stv., erwarten. —
- V. DIE JAGD. 113
- (1er State iinde der stunde:
- ir iegelich begunde
- entwerfen siniii msere,
- von welhem laude er waere
- und ^vie er da bin woere komcn. 3085
- si bseten gerne vernomen
- sin dinc und sin ahte.
- diz uam in sine trabte
- der sinnesame Tristan.
- vil sinneclicbe er aber began 3090
- sin äventiure vinden.
- sin rede diu enwas kinden
- nilit gelicb nocb sus noeb so.
- vil sinneclicbe spracb er dö:
- «jensit Britanje lit ein laut, 3095
- deist Parmeni'e genant:
- da ist min vater ein köufmän,
- der wol näcb siner abte kan
- der werkle leben scbon' unde wol,
- icb meine ab, alse ein koufman sol. 3100
- und wizzet endelicbe:
- ern ist docb nibt so riebe
- der babe unde des guotes
- so tugentlicbes muotes:
- der biez micb leren, daz icb kau. 3i05
- nu komen dicke koufman
- von fremeden künicricben dar:
- der dinges uam icb so vil war
- beid' an ir spriicbe und an ir siten,
- unz mich min muot begunde biten 3110
- und scbünden stseteclicbe
- in fremediu küuicricbe;
- und wände icb gerne baete erkant
- unkunde liute und fremediu laut,
- du was icb späte unde fruo 3115
- 30S3 entwerfen stv. = nhd. , bestimmte Vorstellungen sich machen Ver-
- muthungen aufstellen über xtiÜK ina;re, über Tristan's Geschichte, Verhält-
- nisse. Müllers Erklärung im mhd. Wb. III, 737l^, 11 «jeder theilte seine
- besonderu Vorstellungen darüber mit» scheint mir nicht in den Zusam-
- menhang zu passen. — 3087 ahte stf., Stand. — 30S8 in trahte nemen, in
- Erwägung zielien. — 30;>i) sinnecliche adv. , besonnen, listig. — aber =
- wiederum; er bringt zum zweitenmal Erdichtetes vor. — 3091 vinden stv.
- = erfinden, erdichten; derselbe Ausdruck von der musikalischen Produc-
- tiou in V. 19200. 19204. — 3101 endeliche adv., schließlich; um eucli alles
- genau zu sagen: vgl. zu 1365.'-). — 3111 schünden svw., antreiben, reizen —
- GOTTFF.IED VON STBASSBURG. I. 2. Aufl.
- 114 V. DIE Jagd.
- also beträhtic dar zuo,
- biz daz ich minem vater cntran
- und fuor mit köufliuten dan:
- (80) als bin ich her ze lande komen.
- nu habt ir al min dinc vernomen. 3120
- i'ne weiz, wie'z iu gevalle.»
- «ä trüt kint», sprächen s' alle
- «ez was an dir ein edeler muot.
- imkünde ist manegem herzen guot
- und leret maneger hande tugent. 3125
- trüt geselle, süeziu jugent,
- gebenediet si daz lant
- von gote, da ie dehein marschant
- erzoch so tugentlichez kint!
- alle die künege, die nu sint, 3130
- dien' erzügen alle ein kint niht baz.
- nu, liebez kint, nu sage uns daz:
- din hövescher vater, wie nante er dich?»
- «Tristan», sprach er «Tristan heiz' ich.»
- « deus adjüt», sprach einer do 3135
- «durch got, wie nante er dich do so?
- du wserest zwäre baz genant
- juvente bele et la riant,
- diu schoene jugent, diu lachende.»
- sus riten s' ir msere machende, 3140
- dirre sus und jener so.
- ir kurzewile diu was do
- niwan mit disem kinde.
- sus frägete daz gesinde,
- swes iegelichen do gezam. 3145
- In kurzen ziten ez do kam,
- Tristan daz er die burc gesach.
- von einer linden er do brach
- 3116 beträhtic adj., bedacht, dar zuo, darauf. — 3124 unkünde stf., Fremde,
- Leben in der Fremde. — 3128 marschant stm., Fremdwort, Kaufmann. —
- 3135 deus 3. Form, die älteste (vgl. zu 741) nach allen Hss. — adjüt franz.
- conj. von adjouster, adjustare, beistehen; [vgl. unser: Gott bewahre, Gott
- behüte]. — 3138 fg. wird wieder gleich deutsch gegeben mit Ausnahme
- von et, welches übrigens in einer Hs. fehlt. — 3140 ncoire machen, Gespräch
- führen. — 3145 iegeltchen ist acc. sing., nicht dat. pl. mich gezimt eines
- dinges, es steht mir an, es passt für mich, ebenso in V. 7976. 10069. 17594;
- dagegen braucht G. den Dativ bei zemen, yezemen in V. 13. 3546.
- 3147 Nach Maßmann fasst auch von Hagen (Germ. Studien 1,55) Tristan
- als dat., abh. von kam und will dafür schreiben Tristande der (=daz er).
- Tristan ist vielmehr nom. : Tr. daz e/- Inversion = c^aJ Tristan; vgl. 3211 u.
- zu Y. 5. —
- V. DIE JAGD. 115
- zwei schapel wol gelouLet:
- eiuez säzte er iif sin houbet, 3150
- daz ander er do witer maz,
- dem Jägermeister bot er daz:
- «ei», sprach er («lieber meister min,
- saget waz bürge mac diz sin?
- diz ist ein küniclich kastei» 3155
- der meister sprach : u (deist) Tintajoel. »
- «Tintajoel? a welch kastei!
- de te sal, Tintajoel
- (81) und allez din gesinde!»
- «a wol dir süezem kinde!» 3160
- sprachen sine geverten dö
- «wis iemer stelle imde frö
- und dir müez' alse wol geschehen,
- also vil gerne wir'z gesehen I»
- Sus körnen si zem bürgetor: 3165
- Tristan gehabete dö da vor.
- «ir herren», sprach er aber dö z'in
- ((ich enweiz, wan ich iu fremede bin,
- wie iuwer keiner ist genamet:
- wan varn ie zwene und zwene samet, 3170
- und ritet rehte ein ander bi,
- also der hirz geschaffen si!
- daz gehürne daz ge vor,
- diu brüst da nach in sinem spor,
- die rieben nach den büegen! 3175
- dar nach so sult ir füegen,
- däz daz jüngeste lit
- iesä den rieben volge mit!
- da nach so sult ir nemen war,
- daz allerjüngeste var 3180
- diu cuire und diu furkie:
- deist rehtiu jägerie.
- und lazet iu niht sin ze gäch.
- 3149 schapel atn., Kranz von Laub. — [/cloubet part. adj. := belaubt. — 3151 er
- machte das Maß des andern größer.
- 316Ü gehaben swv., hier intrans. (durch Ellipse), anhalten. — 3170 s. zu
- 342. — surftet adv., Nebenform von sament (vgl. 59), hier im Reime, ferner
- COKT; samet und sunder = \\h(i. s. u. sonders 1314S. — 3174 spor stn., Spur
- ' ' . in seiner Richtung. — 3177 jungest superl. adj., letzt. — 3180 aller-
- i'i3te=^ze ailerj., zu allerletzt. — 3183 mir ist gäch = ich bin eilig, habe
- ....0 (vgl. 13841); die Wendung mit luzen: seid nicht zu eilig. —
- 8*
- 116 V. DIE JAGD.
- ritet schone ein ander nach:
- min meister hie und ich sin kneht 3185
- wir riten samet, dunk' ez iuch reht
- und obe ez iu gevalle.»
- «ja, trüt kint», sprächen s' alle
- ((swie so du wilt, als wellen wir.»
- «diz si!» sprach er «nu lihet mir 3190
- ein hörn, daz mir ze mäze si,
- und Sit ouch des gemant da bi,
- swenn' ich an hebe, so beeret mir,
- und alse ich hürne, als hürnet ir!»
- der meister der sprach ime do zuo: 3195
- «vil lieber friunt, hürn' unde tuo
- reht' alse dir gevalle:
- des volgen wir dir alle,
- (82) ich unde die hie mit mir sint. »
- (ca böneüre» sprach daz kint 3200
- «mit guote, daz lät also sin.»
- ein kleine hellez hornelin
- daz gäben si'm an sine hant.
- «nu hin!» sprach er «allez avant!»
- Sus riten si gerotieret in 3205
- zwen' unde zwene: als solte ez sin.
- und als diu rotte gar in kam,
- Tristan sin hornelin dö nam
- und hürnete also riebe
- und also wunnecliche, 3210
- jene alle, die da mit im riten,
- daz die vor fröuden küme erbiten,
- daz si'm ze helfe kämen
- und alle ir hörn nämen
- und hürneten vil schöne 3215
- mit ime in sinem done.
- er fuor in vor ze prise,
- si nach in siner wise .
- 3191 ze mäze, angemessen, passend. — 3193 hoeren mit dat., einem zuhören,
- auf einen hören. — 3200 a boneure, eigentlich: zur guten Stunde wie noch
- heute: d la bonne heure, ein Ausruf: wohlan! — 3201 mit guote. Übers, von
- a boneure; vgl. 3375. — 3204 allez franz. imper. = neufranz. — avant =
- neufranz.
- i2(ib rotieren =^rottieren Fremdwort, in Rotten eintheilen; gerotieret
- nach V. 6895 u. 7005 vier Mann hoch; hier aber: paarweise. — 3207 rotte
- stf., Schar [vgl. Rottenfeuer].
- V. DIE JAGD. 117
- besclieideulichen imde wol:
- diu biirc diu Avart gedcenes vol. 3220
- Der künec und al diu hovediet,
- do si daz fremede jageliet
- gehorten unde verMamen,
- si erschräken unde erkämen
- vil inuecliche sere, 3225
- wan ez da vor nie mere
- da ze hove wart vernomen.
- nu was diu rotte iezuo koraen
- vür den palas an die tür:
- da waz vil ingesindes vür 3230
- geloufen durch den hörnschäl ,
- si nara groz wunder über al,
- was des geschelles wsere.
- ouch was der lobebajre
- Marke selbe komen dar, 3235
- nemen*dirre mcere war,
- und mit im nianic cürtois man.
- nu Tristan den künic sehen began,
- (83) er begünde im wol gevallen.
- vor den andern allen 3240
- sin herze in sunder üz erlas,
- wan er von sinem bluote was:
- diu natiure zoh in dar.
- er nam sin mit den ougen war
- und begüude in grüezen schone. 3245
- in fremedem horndone
- ein ander wise huob er an:
- so lüte er hürne* began,
- daz im nieraen an der stunde
- wol gevolgen künde. 3250
- 3221 hovediet stf., Hofbevölkerung. Hofgesellschaft. — 3224 erkoinen
- stv., erschrecken. — 3229 pnlas stm., (Palast, Palais) Hauptgebäude der
- Burg. — 3236 das Mhd. kann das ze beim Inf. nach Verben der Bewegung
- entbehren. — 3242 fg. es war im Mittelalter allgemeine Ansicht, daß die
- Blutsverwandtschaft auch die Herzensneigung bewirke, z. B. im Märchen
- von deu sieben Schwänen Altd. Blätter 1, l;U : zuhant bewegete sich das blut
- in im con natürlicher Übe. — 3240 horndon stm. : don nicht der materieUe
- Klang des Tons, sondern die Art des Blasens. — 3249 an der stunde, hier
- wohl: damals wie in V. 13373; oder soll gesagt werden, daß ihm niemand
- «sogleich > (vgl. zu 3Sl!S) in richtiger Weise folgen konnte?
- 118 V. DIE JAGD.
- Nu des was schiere ein ende:
- der wol gezogen eilende
- der lie sin hürnen iinde sweic.
- vil schone er gein dem künege neic
- und sprach mit süezem munde 3255
- vil suoze, als er wol künde:
- «deus säl roi et sä mehni'e:
- künec und sin massenie
- die gehälte got der guote!»
- Marke der wol gemuote 3260
- und al sin ingesinde
- die danketen dem kinde
- vil tugentlichen unde wol,
- als man dem tugenthaften sol.
- «ä!» sprächen s' al gemeine 3265
- groze unde kleine,
- «de duin duze äventiire
- si duze creatilre: >
- got gebe Suez' äventiure
- so süezer creatiure!» • 2270
- Der künec der nam des kindes war:
- den Jäger den besande er dar
- «sage an», sprach er «wer ist diz kiut,
- des wort so wol besniten siut?»
- «ä herre, ez ist ein Parmenois, 3275
- so wunderlichen curtöis
- und alse rehte tugentsam,
- daz ich'z an kinde nie vernam,
- (84) und gibt, er heize Tristan,
- und si sin vater ein köufmän. 3280
- i'n geloube ez aber niemer:
- wie hsete ein koufman iemer
- in siner ünmüezekeit
- so gröze muoze an in geleit?
- 3257 mehnie fem., eine frauz. Form vom Fremdwort massenie. —
- 3266 solche Formeln zur Bezeichnung der Allgemeinheit bei Gottfried
- selten. — 3267 (iwm = conj. donne. — düze:=dulce, neufr. douce. — 3269 der
- Dichter behält das franz. Wort äventiure bei in der Bedeutung: Glück-
- seligkeit, Heil, die noch öfters hervortritt, z. B. ere und ävcnt. 18938. llnge
- und ä. 17061.
- 3274 besniten part. adj., (in Eeden und Wort) fein, zierlich [vgl. ge-
- feilt, zugespitzt]. — 3284 legen mit acc. und prsep. an c. acc, auf einen,
- für einen etwas verwenden. —
- V. DIE JAGD. 119
- solt' er die muoze mit im liän, 3285
- der sich unmuoze sol began?
- ä lierre , er ist so tugenthaft ,
- seht, dise niuwe meisterschaft,
- also wir nü ze hove sin komen,
- die hall wir gar von ime genomen. 3290
- und ho3ret wunderlichen list :
- relit' alse der hirz geschaffen ist,
- als ist er her ze hove bräht :
- wä wart ie list so wol bedäht?
- nu sehet, daz houbet daz gat vor, 3295
- diu brüst da nach in sinem spor,
- büeg' unde bein, diz nnde daz,
- daz wart schöner nnde baz
- ze hove geprisantet nie.
- seht dort, gesähet ir ie 3300
- sus gemächete furkie?
- i'n vernam von jägerie
- solher liste nie niht me.
- dar zuo liez er uns sehen e,
- wie man den hirz enbesten sol: 3305
- diu kunst gevallet mir so wol,
- daz ich niemer hirz noch tier
- gehouwen wil in vier quartier,
- und solte ich iemer mere jagen.»
- sus begünde er sinem herren sagen 3310
- von ende siniu ma^re,
- wie vollekomen er wsere
- an hövescher jagerie
- und wie er die curie
- den hunden vür leite; 3315
- und swaz der Jäger seite,
- des nam der künec vil guote war
- und hiez dem kinde ruofen dar,
- (85) die jägere ze herbergen varn,
- ir ambet unde ir dinc bewarn. 3320
- 32S6 began refl. mit gen., sich mit etwas beschäftigen, in einem Verhält-
- nisse leben. — 3307 tier ist speciell und im Gegensatz zu ////•; die Hirsch-
- kuh [wie noch heute], dann auch das Reh. — 330S gehouwen stv., verst.
- fiouiren. — 3309 wenn ich wieder jagen werde. — 3311 von ende = von An-
- fang; von ende z'ende 34<)1. von ende unz ende 1004.^. — 3317 guote adj. zu
- v:ar (s. zu 1530); dem schenkte der König gar groDe Aufmerksamkeit; vgl.
- 13l7"<. 1430."). — 3320 hier wieder der specielle Begriff vorausgenommen : um
- ihr Geschäft (avibet) und ihre Sachen (din:) zu "besorgen (tjcv:arn). —
- 120 V. DIE JAGD.
- die kerteii umbe und riten daii.
- der Jägermeister Tristan
- der gap sin liornelin da wider
- und erbeizete zuo der erde nider.
- Daz junge hovegesinde 3325
- daz lief engegen dem kinde
- und condewierte ez schöne
- under armen vür die kröne,
- ouch künde er selbe schöne gän.
- dar zuo was ime der lip getan, 3330
- als ez diu Minne gebot:
- sin munt was_rehte_rösenröt^_,
- «TUT varwe liehtT^sfn ougen klär;
- brimreideloht was ime sin här,
- gekrüspet bi dem ende; 3335
- sin arme und sine hende
- wol gestellet unde blanc;
- sin lip ze guoter niäze lanc;
- sine füeze und siniu bein,
- dar an sin schoene almeistec schein, 3340
- diu stuonden so ze prise wol,
- als man'z an manne prisen sol.
- sin gewant, als ich iu hän geseit,
- daz was mit grözer hövescheit
- nach sinem li'be gesniten. 3345
- an gebserden unde an schoenen siten
- was ime so rehte wol geschehen,
- daz man in gerne mohte sehen.
- 3324 erheizen swv., absteigen (vom Pferde).
- 3327 condewieren swv., Fremdwort, franz. conduire, geleiten. — 332S under
- armen y zwischen, an den Armen (vgl. 17ö27), am Arm. Das ist franzö-
- sische Sitte, die aber zur Zeit des Dichters schon eingeführt gewesen sein
- muß, sonst hätte er gegen die Vorlage die Situation geändert; vgl. Eudolf
- Hildebrand in Pf. Germania 10, 130 Anmerk. — vür die kröne, vor den König.
- [Wir brauchen Krone, Thron, Cabinet auch für die Person des Regenten,
- aber nur abstract, nicht für die leibhaftige Erscheinung; jener Brauch
- ähnelt unserm : vor die Majestät, Hoheit.] Vgl. V. 18454, wie noch ge-
- sagt werden könnte, und zu 11162. — 3331 gebieten stv., hier = wünschen;
- vgl. zu 525. — 3334 reideloht adj., lockicht. brün nicht als selbständiges
- Wort aufzufassen, sondern Zusammensetzung brünreideloht , braungelockt
- [vgl. unser häufiges: blondgelockt]; vgl. mit brünreidem häre 3919. —
- 3335 gekrüspet part. adj. von kruspen swv.; häufiger ist krispen^= crispare,
- kräuseln. Dieser Vers keine unnötiiigc Wiederholung. Tristan hatte
- krause Locken, während z. B. Wate und Frute lange mit Goldschnüren
- durchflochtene Locken trugen; Kudrun 355, 3. — 3337 gestellet jjart. adj.
- von stellen, gestaltet, gebildet; vfel. 4077. 10899 und zu 15.349. — 3340 al-
- meistec adv., allermeist, ganz besonders ; das nur einmal erscheinende ein-
- fache meistec in V. 12223.
- V. DIE JAGD. 121
- Marke sach Tristanden an:
- «friunt«, sprach er «heizest du Tristan?) 3350
- «ja, herre, Tristan; deü sal!«
- «deü sal, beäs vassal!»
- «merzio, sprach er ageutil röis,
- edeler künic Kürnewalöis ,
- ir lind iur gesinde 3355
- ir Sit von gotes kinde
- iemör gebenedietl»
- do wart ge merztet
- (86) wunder von der hovediet.
- si triben niwan daz eine liet: 3360
- «Tristan, Tristan li Parmenois,
- cum est beäs et cum cürtois!»
- Mark^ sprach aber Tristande zuo:
- «ich sage dir, Tristan, waz du tuo:
- du solt mich einer bete gewern, 3365
- der wil ich von dir niht enbern.»
- «swaz ir gebietet, herre min.»
- «du solt min Jägermeister sin!»
- hie wart ein michel lahter van.
- hier under sprach do Tristan: 3370
- «herre, gebietet über mich.
- swaz ir gebietet, daz bin ich:
- iuwer Jäger und iuwer dienestman,
- daz bin ich , alse ich beste kan. ■>
- »mit guote, friunt», sprach Marke dö 3375
- ((diz ist gelobet, nu si also!»
- 3352 vassal franz., hier nicht iu unserm Sinne: Lehusträger, sondern:
- Ritter, Junker. — 3353 gentil rois (hier Nomin., sonst roi in V. 3257) wie-
- der im Folgenden verdeutscht. — 3358 mei'zien swv., Fremdwort, merzt
- sagen, danken. — 33G2 c///n = franz. comme. — 3364 iuo ist nicht prses.=
- ttiost, sondern imper. : was du thun sollst. — 3366 s. zu 117; hier mit praep.
- oon. — 3369 lahter stn., Lachen, Gelächter. — 3374 beste acc. ueutr. in
- adverb. Anwendung: aufs beste; alse beste = nhd. so gut. — 3476 gelobet
- part. von geloben = iih(l. oder auch von loben in der Bedeutung: geloben,
- zusagen; vgl. 5150.
- VI.
- DER JUNGE KÜNSTLER.
- König Marke sucht dem fremden Jüngling das Leben an seinem
- Hofe so angenehm wie möglich zu machen. Tristan zeigt dem neuen
- Herrn seine Jagdkünste, den Bast, die Farkie und die Curie, ganz in
- derselben Weise wie vorher den Jägern. Am Hofe macht er sich bei allen
- beliebt. Als ein walisischer Harfner vor Marko spielte, offenbart sich
- auch Tristan als des Harfenspiels und des Gesanges kundig, und erregt
- dadurch allgemeine Bewunderung. Auch bekennt er, daß er noch andere
- Saitenspiele und fremde Sprachen verstehe. Hierauf dringen die Fremden
- am Hofe herbei, um Tristan in ihren Zungen auf die Probe zu stellen,
- und allen weiß er zu antworten. Auch dies erregt Staunen und Bewun-
- derung, und Marke trägt dem jungen Künstler seine Freundschaft an.
- Nu Tristan der ist ze liuse komen
- imwizzende, alse ir habet vernomen,
- und wände docli eilende sin.
- der unverwände vater sin, 3380
- Marke der tugendericlie
- der gewärj) vil tugentliclie;
- oucb was des dö vil michel not:
- er bat besunder unde gebot
- al dem hovegesinde, 3385
- daz si dem fremeden kinde
- guot unde geusedic waeren,
- und daz si'm ere baeren
- mit rede und mit gesellekeit.
- des wären s' alle samet bereit 3390
- mit willeclichem muote.
- 3380 unverwanf part. adj., unvermuthet. — vater, weil Marke mit dem
- Tode von Tristan's Altern als nächster Blutsverwandter in aufsteigender
- Linie Vaterstelle zu vertreten hätte. — 3389 gesellekeit stf., hier: freund-
- schaftlicher Umgang. —
- VI. DER JUNGE KÜNSTLEK. 123
- sus was Tristan der guote
- des küneges ingesiude dö.
- der sach in gerne und was sin fro,
- wan in truoc oucb sin herze dar, 3395
- und nam sin gerne und ofte war,
- wan er was z'allen ziten
- höfschliclie an siner siten
- (87) und truog in sinen dienest an
- als ofte, als er sin State gewan. 3400
- swä Marke was od swar er gie,
- da was Tristan der ander ie,
- und uam daz Marke wol vür guot:
- er truog im harte holden muot,
- und tete im wol, swenn' er in sach. 3405
- In den dingen ez geschach:
- innerhalp den ahte tagen
- reit Marke selbe mit im jagen
- und hovegesiudes vil da mite,
- schouwen sinen jagesite 3410
- und siner künste nemen war.
- nu hiez im Marke bringen dar
- sin jagephärt und gap im daz.
- Tristan wart nie geriten baz,
- wan ez was starc, scho3n' unde snel. 3415
- ein hornelin süez' unde hei
- hiez er im geben an sine hant.
- «Tristan», sprach er «nu wis gemaut,
- daz du min jagemeister bist,
- und zeige uns dinen jagelist; 3420
- nim diue hunde unde var
- und schicke diue warte dar,
- da, si dich rebte dünken stän.»
- «nein, herre, ezn mac so niht ergän; »
- sprach aber der hövesche Tristan 3425
- 33i^:i ingesinde hier swm., Dienstmaun. — 339Ö vgl. 3241 fg. — 3405 ellip-
- tisch = ez tete.
- 3414 geriten part. adj. = beritten , mit einem Rosse versehen; hier
- wegen vart mehr wirkliches l'articipium, gewöhnlich ivas. — 3419 jage-
- meister (hier nicht Jägermeister), Jagdmeister im Wortspiel mit jagelist. —
- 3422 varte stf., hier und im Folgenden Jägerausdruck: in V. 3427 eigent-
- liche Bedeutung, hier übertragen: die zur v:arte gehörige Mannschaft;
- darum im folgenden Verse in natürlicher Coustruction der Plural. —
- 124 VI. DER JUNGE KÜNSTLER.
- «heizet die jägere keren dan,
- die sulü die warte säzen
- und suln von ruore läzen:
- die erkennent hie ze lande sich
- und wizzent michel baz dan ich, 3430
- wä der hirz hin ziuhet
- und vor den hunden fliuhet;
- die erkennent die gelegenheit.
- so bin ich, der hie nie gereit,
- und bin mitalle ein fremede kneht.» 3435
- «daz weiz got, Tristan, du hast reht:
- dune känst dich hier an niht bewarn,
- die jägere müezen selbe varn
- (88) und sich verrihten under in.»
- Hie mite kerten die jägere hin 3440
- und kuppelten ir hunde
- und stalten an der stunde
- ir warte, als si wol wisten wä,
- und liezen z'einem hirze sä
- und jageten den ze strite 3445
- unz gein der äbentzite;
- do erliefen in die hunde.
- und an der selben stunde
- kom Marke und sin Tristan
- und mit in zwein manc hoveman 3450
- gerant ze dem gevelle.
- da wart gr6z horngeschelle
- in maneger slahte done:
- 3426 keren dan-, sich von dannen wenden (vgl. V. 356. 468), dann über-
- haupt: gehen. — 3427 warte^ hier: der Anstand, der Hinterhalt, wo das
- aufgespürte und gejagte Wild in die Schußlinie kommen soll. — sazen
- swv. mit acc, besetzen. — 3428 ruore stf., ebenfalls Jägerausdruck, viel
- besprochen und bestritten (vgl. Zarncke im mlid. Wb. II. 1, 816, wo Ver-
- weis auf die einzelnen Schriften). Wie bei allen .Kunstausdrücken die
- ursprüngliche Bedeutung zum Tlieil oder ganz verwischt und vergessen
- wird und je nach den Umständen die verschiedensten Bedeutungen mög-
- lich sind (erinnert sei an warte und curie), so auch bei ruore. Hier ruore
- die Koppel, von r. läzen elliptisch: (die Hunde) von der Koppel lassen;
- vgl. 3444 und zu 17294. — 3433 gelegenlieit stf., Lage (eigentl. wie hier:
- Ortsbeschaffenheit, und übertragen: Beschaffenheit, Umstände). — 3437 be-
- warn refl. , hier: sich vorsehen, Fürsorge zeigen, dem Sinne (nicht dem
- Wortlaute) nach: sich bewähren; vgl. Parzival VII, 1014. — 3439 verrihten
- refl., hier: sich einrichten, die nöthigen Anstalten treffen.
- ,3442 stellen swv., hier: aufstellen. — 3444 doppelt elliptisch: sie ließen
- (die Hunde) auf einen Hirsch (los zum Verfolgen); Gr. 4, 133. 641. vgl.
- 3428 und zu 17294. — 3445 ze strite = um die Wette, — 3447 erloufen stv.
- [wie erjagen], durch Laufen erreichen.
- VI. DER JUNGE KÜNSTLER. 125
- si hürneten so schone,
- daz ez Marken sanfte tete 3455
- und mit im niancgem an der stete.
- Nu si den liirz gevalteu,
- ir meister si dar stalten
- Tristanden, den heinlichen gast,
- und bäten, daz er si den hast 3460
- von ende z'ende lieze sehen.
- Tristan sprach: «daz sei geschehen!»
- und mit der rede bereite er sich,
- nu woene ich wol und dunket mich,
- daz ez undurfte waere, 3465
- ob ich iu zwir ein msere
- nach ein ander vür leite,
- reht' alse ich iu e seite
- von jenem hirze, rehte also
- enbaste er aber disen dö. 3470
- den hast und die furkie,
- die kunst von der curie,
- do si den begunden sehen,
- si begunden eines mundes jehen,
- daz uiemen von dem liste * 3475
- niht bezzers enwiste
- noch niemer künde ervinden.
- der künec der hiez dö binden
- (89) den hirz üf unde kerte dan,
- er und sin jägere: Tristan 3480
- und al sin massenie.
- mit gehürne und mit furkie
- riten si do ze hüse wider.
- Als was der guote Tristan sider
- ein lieber hoveman under in. 3485
- künec ünde gesinde hoeten in
- in güoter geselleschaft.
- euch was er alse dienesthaft
- 3437 hier wieder plusquamperf. : gefällt hatten. — 3459 heinltch adj.
- hier mit yast zusammengestellt: vertraut, lieb geworden. — 3465 undurfte
- = H8. M und II (wohl dat. von undurft), unnöthig; vgl. undurften 14804.
- 14954. — 3460 zwir adv., zweimal. — 3474 eines mundes = mit einem Muude,
- emstimmig; vgl. 4166. — 3482 s^e//ir«e stn., hier wohl nicht wie in V. 2935,
- sondern subst. eu hürnen (2770): Geblase, Hornschall.
- 34>7 geselleschaft stf., freundscliaftlicher Verkehr. —
- 12G VI. DER JUNGE KÜNSTLER.
- dem armen imde dem riehen;
- möht' er ir iegelicben 3490
- üf siner hant getragen han,
- daz hsete er gerne getan.
- die saelde hsete im got gegeben,
- er künde und wolte in allen leben:
- lachen, tanzen, singen, 3495
- riten, loufen, springen,
- zuhten imde schallen:
- daz künde er mit in allen.
- er lebete, swie man wolte,
- und als diu jugent solte, 3500
- swes ir deheiner began,
- daz huob er iemer mit im an.
- Xü gefüogte sich daz,
- daz Marke an einem tage saz
- ein Kitzel nach der ezzenzit, 3505
- so man doch kurzewile pflit,
- und losete sere an einer stete
- einem leiche , den ein harphaere tete ,
- ein meister siner liste,
- der beste, den man wiste; 3510
- der selbe was ein Gäiöis.
- nu kom Tristan der Parmenois
- und saz ze sinen füezen dar
- und uam so flizecliche war
- des leiches unde der süezen noten, 3515
- 3490 fg. hätte er tragen können; ebenso V. 3517. — 3493 saclde stf., hier:
- Begabung; vgl. 2741. — 3497 zuhten swv. intrans., sich mit zuJit beneh-
- men, fein und sittsam sein im Gegensatz zu schallen swv., lärmen (Hs.
- M liest iuhten: hat der Schreiber an ein "Wort gedacht wie: jauchzen?);
- vgl. Bech im Zeitzer Osterprogramm 1868, S. XXIV.
- 3503 gefüegen, verst. füeyen; hier sich p?/. =:nhd. sich fügen; vgl. zu
- 15795. — 3507 losen swv., lauschen, zuhören. — an einer stete, an einer
- Stelle, auch auf saz in V. 3504 zu beziehen oder = aw der stete, so-
- gleich? oder will die "Wendung besagen: in einem fort, mit gespannter
- Aufmerksamkeit? — 3508 leich stm. ist hier wie in Y. 13325 ein In-
- strumental-Tonstück ohne Gesang (über leich s. Müller im mhd. Wb. I,
- 959, ferner Franz Pfeiffer's Vorbemerkung zum Leich "Walther's von der
- Vogelweide in seiner "Walther- Ausgabe). Im Tristan hat leicli auch andere
- Bedeutung: s. insbesondere zu 3524. ZeicÄ ^? [vgl. Spiel machen] = Leich
- spielen; vgl. 3607. 3610 tmd zu 526. 745. — 3511 Gälois Fremdwort masc,
- einer aus "Wales. — 3512 Parmenois Fremdwort masc. , Parmenier. —
- 3515 note swf., nicht bloß Tonzeichen, sondern auch der lebendige Aus-
- druck des Tones, der Ton selbst; die noten dann: die Melodie, der Satz;
- insbesondere scheint aus den Stellen, wo von noten und noteltn die Eede,
- hervorzugehen, daß im Gegensatz zu don und wise das Wort vorzugsweise
- das Figurierte des Instrumentalspieles bezeichnen soll, die von der Me-
- lodie nicht gebotenen Verzierungen. —
- VI. DER JUNGE KÜNSTLER. 127
- wser' ez im an den lip geboten,
- ern möhte cz niht verswigen hän.
- sin muot begunde im ii'f gan.
- (90) sin herze daz wart muotes vol.
- «meister», sprach er «ir harphet wol: 3520
- die noten sint rehte vür braht
- seneli'che und alse ir wart gedäht.
- die macheten Britime
- von minem hern Gurime
- und von siner friundinne.» 3525
- Diz nam in sine sinne
- der harphier' und lost' allez dar,
- als er der rede niht nseme war,
- unz er den leich volante.
- gein dem kinde er sich dö wante: 3530
- «waz weistu'), sprach er «liebez kint,
- von wannen dise noten sint?
- kanstu ihtes iht hier an?«
- «ja, schoener meister», sprach Tristan
- «ich haete hie von meisterschaft; 3535
- nu hat ez aber so kleine kraft,
- daz ich vor iu niht engetar.»
- «nein, friunt, se dise harphen dar,
- lä beeren, welher bände
- kan man in dinem lande?» 3540
- «gebietet ir daz, meister min,
- und söl ez mit iurm urloube sin,
- daz ich iu harphe?» sprach Tristan.
- «ja, trüt geselle, se, harph' an!»
- 3516 hier im strengsten Sinne: tei Todesstrafe gebieten oder verbieten,
- sonst überhaupt: ernstlich gebieten; vgl. I!s94. — 3517 versaigen trans.
- 8. zu 15495. — 3522 scnellchc adv., innig; geht auf den guten Vortrag. —
- alse ir wart (/eciaht = {so) wie ihrer gedacht wurde, wie sie der Componist
- gewollt und vorgeschrieben hatte; hier wird das correcte Spiel belobt. —
- 3524 /lern hier gekürzt vor dem Namen = Afr/ve/i ; min /icr=^monsieur, bei
- G. nicht häufig; vgl. 14282. — 3524 fg. zeigen, diaß der leich des Harfners
- die Melodie eines Gesangstückes, einer Ballade war.
- 3534 scficene adj., hier nicht in unserm Sinne: (äathetiscli) schön, auch
- wohl nicht = vornehm, als ehrendes Beiwort in der Anrede (mhd. Wb. II 2,
- lyi), sondern, wie aucli öfters das altfranz. bei: lieb. — 3535 kein Selbstlob :
- meistcrscfiaß stf., hier wie in V. 32s8: Kunstübung, Geschicklichkeit. —
- 3536 kleine kraft haben, poetische Wendung für: gering sein; vgl. arme
- (schwache^ kr. 13972. — 3537 gcturren anom. v., hier : wagen, sich getrauen. —
- 3538 se ein Imper. von sehen, verschieden von sich, sieh, iu der Bedeutung
- ecce,voilci, sieh da! da! hat also mehr die Geltung einer Interjection. Nach
- Pfeiffer zu Walther 66, 4 in der Schweiz noch jetzt als Lockruf gebraucht.
- se — dar, da, nimm hin! — 3539 welher hande ohne Substantiv = welcherlei,
- was alles. — 3542 urlvup stm,, hier eigentliche Bedeutung: Erlaubniss.
- 128 VI. DER JUNGE KÜNSTLER.
- Als er die harphen do genam, 3545
- sinen händeu si vil wol gezam-,
- die wären, alse ich hän gelesen,
- daz si nilit sclioener künden wesen,
- weich unde linde, kleine, lanc
- und rehte alsam ein härm blänc; 3550
- mit den so ruorte er unde sluoc
- ursuoche und notelin genuoc
- seltssene, süeze, guote.
- hie mite wart ime ze muote
- umbe sine leiche von Britün. 3555
- sus nam er sinen plectrün,
- nagel unde selten zoher,
- dise nider, jene hoher,
- (91) rehte als er si wolte hau.
- nu diz was schiere getan: 3560
- Tristan, der niuwe spileman,
- sin niuwez ambet huob er an
- mit flizeclichem ruoche.
- sine nöten und sine ursuoche,
- sine seltssene grüeze 3565
- die harj)hte er also süeze
- und machete si so schoene
- mit schoenem seitgedoene,
- daz iegelicher dar zuo lief,
- dirre jenem dar näher rief. 3570
- 3546 gezeruen stv. mit dat., für etwas passen. — 3549 Unde, häufig im
- Mhd. von der Weichheit und Zartheit der Haut und des Fleisches ge-
- braucht. — kleine Si^i.-i hier: fein, zart, zierlich. — Zanc adj., langgestreckt,
- schlank, schmal ; vgl. 10898. — 3550 liarm stm., das große Wiesel, Hermelin
- (statt Härraelein). — 3551 rüeren swv., harfen, mit Fiugergriffen spielen;
- dagegen slahen das Spielen mit allen Fingern oder mit einem Instrumente.
- Beide Ausdrücke dann formelhaft (wie etwa: singen und sagen). — 3552 ur-
- suoche stf. (wenn nicht pl. von ursuoch stm.), eigentlich: Untersuchung,
- Versuch; gemeint ist das übliche Präludieren zum Versuch des Instru-
- ments und der Stimmung. — 3553 seltsccne adj., seltsam, wunderbar. —
- 3554 hie mite, während des Vorspiels. — mir wirt ze muote umbe . . . =
- ich gedenke an . . ., mir fällt etwas ein. — 3555 Britün, xa-:' £c,o/7iv König
- Artus. — 3556 jjlectrün stm., Fremdwort, lat. plectruin, das bekaniite Werk-
- zeug, der Griffel, um die Saiten zu schlagen. Zarncke fasst das Wort im
- mhd. Wörterbuche II 1, 523 in Beziehung auf die folgenden Zeilen nur
- als: Stimmschlüssel, Saitenzieher. Nach Diefenbach 441*" hat plectrurn
- allerdings vorzugsweise diese Bedeutung , daneben auch percussorium ci-
- thare, sogar werbet (Wirbel), unter andern auch rottenhamer, richthemerlin
- u. s. w., also ähnlich wie unsere Stimmhämmer Schlüssel und Hämmer zu-
- gleich sind. — 3557 nagel pl. (selten negele) , Stimmschrauben, Wirbel. —
- 3558 dise und jene auf seilen zu beziehen: die einen, die andern. —
- 3565 grüeze werden die Eingangssätze, das Anschlagen genannt; denselben
- Terminus weist Bech nach im J. Titurel 2512, 1. 35i4, 1. — 3570 einem dar
- 7iäher r«o/^K = einem zurufen, herbeizukommen. —
- VI. DER JUNGE KÜNSTLER. 129
- vil schiere kom diu liovescliar
- almeistec löufeude dar
- und wände niemer komen ze fruo.
- Nu Marke der sacli allez zuo
- und saz allez trahtende, 3575
- sinen friunt Tristanden alitende
- und wunderte in des sere,
- daz er so liövesclie lere
- und alse guote liste.
- die er an im selben wiste, 3580
- also verhelen künde,
- nu Tristan der begunde
- einen leicli da läzen klingen in
- von der vil stolzen friundi'n
- Gräländes des schoenen. 3585
- do begunde er suoze dornen
- und harphen so ze prise
- in britunsclier wise,
- daz maneger da stuont unde saz,
- der sin selbes namen vergaz: 3590
- da begünden herze und oren
- tumben unde toren
- und üz ir rehte wanken:
- •da würden gedanken
- in maneger wise vür braht. 3595
- da wart vil ofte gedäht:
- «ä, saelic si der köufmän,
- der ie so höveschen sun gewan!»
- (92) ja sine vinger wize
- die giengen wol ze flize 3600
- walgende in den selten,
- si begünden doene breiten,
- daz der palas voller wart.
- 3573 niemer ze fruo, nicht bald genug.
- ib'^h 8. Nameuverzeichniss, — 35Sfi dcvnen swv., Töne hervorbringen
- singen [uUd. tönen nur intrans. und nicht subjcctiv = klingen]. — 3590 sin
- ■telOes namen (wie sin selbes llbes Gr. 4, 296) Umschreibung für: sich selbst.
- — 3592 tniiiben swv., tump , unverständig werden. — toren swv., tore, thö-
- richt werden. — 3593 rehte. dat. von reJd stn., hier: Art und Weise wie in
- V. 4541. 169S4; oder vielleicht dat. von relde stf. in der Bedeutung = r//<^<?,
- gerade Richtung? oder wortspielend beides zusammen? — 3594 ijedanken
- ('.tranken) schw. Plural statt gcdanke, von Vortheil für den Dichter.
- DisBe dem Nhd. gleiche Nebenform vorzugsweise in mitteldeutschen Denk-
- inftlern. — 3001 lealgen swv. intrans., sich wälzen, «wühlen». Simrock;
- 'Wogen». Kurtz. — 3'>02 breiten swv., ausbreiten. — 3603 voller nicht
- ' "mpar., sondern starke Flexion; vgl. z. B. V. 3S67. 10739. —
- GOTTFRIED VON STKASSBUKG. I. 2. Aufl. 9
- 130 VI. DER JUNGE KÜNSTLER.
- dano wart oucli oiigen uiht gespart,
- der käphete vil manegez dar 3605
- und nämen siner hende war.
- Nu dirre leicli der was getan:
- nu liiez der guote künec dar gän
- lind sprach, daz man in b^ete,
- daz er noch einen trete. 3610
- «mü volimtiers!» sprach Tristan,
- riliche hiiob er aber an
- einen senelichen leich als^e
- de la cürtoise Tispe
- von der alten Bäbilone. 3615
- den harphete er so schone
- und gie den noten so rehte mite
- nach rehte meisterhchem site,
- daz es den harphcer wunder nam;
- und alse ez ie ze staten kam, 3620
- so lie der tugenderiche
- suoz' unde wunnecliche
- sine scliänzüne fliegen in:
- fr sanc diu leichnotelin
- britunsche und gälöise, 3625
- latihsche und franzoise
- so suoze mit dem munde,
- daz niemen wizzen künde
- wederz süezer w£ere
- oder baz lobebsere, 3630
- sin harphen oder sin singen,
- sich huop von sinen dingen
- und von siner fuoge
- rede ünde zal genuoge:
- si jähen al geliche, 3635
- sin' vernsemen in dem richo
- 3604 sparen swv, in der Bedeutung: unterlassen öfters in solchen passi-
- vischen Wendungen: da wurde nicht unterlassen, Blicke zu werfen, da
- fehlte es nicht an Blicken. — 3605 kaphen swv. =^ gaffen (aber ohne tadeln-
- den Nebensinn), überhaupt: eifrig auf etwas schauen.
- 3611 md=^mou, moult, lat. viultum, viel, sehr. — voluntiers = -a.ex\ir:Q,nz.
- nolontiers. — 3615 aus dem alten Babylon. ■ — 3623 der Leich bestand als(<
- abwechselnd aus reinem Instrumentalsatz und aus G-esang mit Begleitung.
- — 3625 galols hier adj., walisisch. — 3626 franzois (aus franziscus oder
- noch wahrscheinlicher aus franciensis) adj., französisch [dies eigentlich
- ein doppeltes Adjectiv]. — 3629 wederz neutr. von weder pron. interr.,
- welcher von beiden. — 3G33 fuoge stf., hier: Geschicklichkeit, Kunst. —
- 3634 zal stf., Erzählung, Erwähnung, Gespräch. —
- VI. DER JUNGE KUNSTLER.
- 131
- an einem man die fuoge nie.
- der sprach dort und dirre hie:
- (93) «ä, waz ist diz von kinde?
- waz hän wir ze gesinde?
- ez ist allez umbe den wint,
- elliu diu kint, diu nu sint,
- wider ünserm Tristände. »>
- 3G40
- Tristan dö der verande
- sinen leich nach siner ger,
- Marke sprach: «Tristan, gä her:
- der dich da hat geleret,
- der si vor gote geeret
- und du mit ime! daz ist vil wol.
- dine leiche ich gerne hoeren sol
- underwilen wider naht,
- so dii doch uiht gesh\fen mäht,
- diz tuostu wol mir unde dir.»
- «ja, herre, wol.» «nu sage mir,
- kanst du kein ander seitspil noch?»
- «nein, herre» sprach er. «nü iedoch,
- reht' alse lieb als ich dir si,
- Tristan, da frage ich dich es bi.»
- «herre,» sprach Tristan al zehant
- «irn dorftet mich niht hän gemant
- so verre , ich seite ez iu doch wol ,
- sit ich ez iu doch sagen sol
- und ir ez wellet wizzen:
- herre, icli lian geflizzen
- au iegelichem seitespil,
- und enkän doch keines alse vi),
- i'ne künde es gerne mere.
- 1645
- 3650
- .jooü
- 3600
- 3665
- 2639 eon kinde steht für den Gen.: waz kinde.i ist diz, was für ein Kind ist
- dies; 9. zu 75<>. — 'ii^40 geainde stn., hier in ursprüngliclier Bedeutung: Ge-
- sellechaft, oder (/ainde dat. von yesint stm., Genosse? — 3641 tonbe den
- wint, um Nichts, soviel wie Nichts; ähnliche Wendungen bei Gottfried
- Bind: uinbe ein loup I<;0s8, umbe ein ijlänn ointjeriln 1(5874; vgl. zu 8673.
- 3644 ehrenden swv. trans. = beenden ; vgl. 8352. — 3651 wider naht,
- gegen Abend. — 3652 gosläfen stv., verst. ulafen, einschlafen. — 3657 wii-
- t:agen : wenn ich dir lieb bin, im Vertrauen auf deine Zuneigung. — 3658 da
- vieUeicht nicht zu bi geliürijj, sondern das satzbeginnende däf vgl. zu 3971.
- — bi frä'jen mit acc. und gen., einen um etwas Ijefragen, bei einem Nach-
- frage halten liber etwas , seltene Wendung [auch befragen in älterer Zeit
- ungemein selten]. Kher da bi mit Bezug auf V. 3557: unter der Voraus-
- aeUung (daß ich dir lieb bin; bei deiner Liebe). — 3664 flUcn stv. hier
- nicht reflexiv, aber dieselbe Bedeutung: sich bemühen ; an, um. — 3*)67 daß
- ich 6B nicht «^orne noch besser verstünde. —
- 9*
- 132 VI. DER JUNGE KÜNSTLER.
- euch hän ich dise lere
- niht vil manegen tac getriben,
- und zwäre ich bin derbi beliben 3670
- under malen küme siben jär
- oder lützel mere, daz ist war.
- mich lerten Parmenien
- videln ünde Symphonien:
- harphen iinde rotten 3675
- daz lerten mich Gälotten,
- zwene meister Galoise.
- mich lerten Britünoise,
- (94) die wären üz der stat von Lüt,
- rehte li'ren ünde sämbiüt.» 3680
- «sarabiiit, waz ist daz, lieber man?»
- «daz beste seitspil, daz ich kan.»
- aseht», sprach daz gesinde
- {(got der hat disem kinde
- üf rehte wunneclichez leben 3685
- siner genäden vil gegeben.»
- Marke der fragte in aber do me:
- «Tristan, ich horte dich doch e
- britiinisch singen und gälois,
- guot latine und franzois: 3690
- kanst du die spräche?» «herre, ja,
- billiche wol.» nu kom iesä
- der hüfe dar gedrungen;
- und swer iht fremeder zungen
- von den bilanden künde, 3695
- der versüochte in sä zestuude:
- dirre sus und jener so.
- 3671 under malen {underwUen ist adverbialer) = mitunter , bisweilen, kann
- hier nur die Bedeutung haben: zwischen hindurch, mit Unterbrechung. —
- 3673 Farmenie swm. = Parmenois, Parmenier. — 3674 Lymphomen swv., auf
- der Symphonie, einem musikalischen. Instrumente , spielen; es wird eine
- Art des Geigenspiels gemeint sein. — 3675 rotten swv., auf der rotte (s. zu
- 13123) spielen. — 3676 Gälotte sv^m. = Galoix, Waliser; vgl. 16276 fg. —
- 3678 Britunois adj. subst. %iva.. = Britun, Bretone. — 3680 llren swv., die
- lire (s. zu 7995) spielen. — sambiut (Geschlecht?) Fremdwort, franz. sam-
- huque, lat. sarnbuca , ein Saiteninstrument und Saitenspiel, wohl eine Art
- Harfe. — 3685 uf praep., für.
- 3690 latine ist subst. stf., Latein (aus latina sc. lingua) wie in V. 11953.
- Die vorhergehenden "Worte wie das folgende sind auch substantivisch zu
- fassen, nicht adverbial, wie wir sagen: Deutsch, das Deutsche. — 3691 spräche
- plur. — 3692 billiche adv., hier: ziemlich, b. tcol, ziemlich gut, ao ziem-
- lich. —
- VI. DER JUNGE KÜNSTLER. 133
- hier uuder antwürte er do
- hofsliche ir aller maeren:
- Norwaegen , irlandreren , 3700
- Alamanjen, Schotten imde Tenen.
- da begünde sich mauc herze senen
- nach Triständes fuoge.
- da wölten genuoge
- vil gerne sin gewesen als er. 3705
- im sprach vil maneges herzen ger
- siioz' unde minneclichen zuo:
- «ä Tristan, wsere ich alse duo!
- Tristan, du mäht gerne leben:
- Tristan, dir ist der wünsch gegeben 3710
- aller der fuoge, die kein man
- ze dirre werlde gehaben kan.»
- ouch macheten si hier under
- mit rede michel wunder:
- '«hörä!» sprach dirre «horä!» sprach der 3715
- «elliu diu werlt diu hoere her:
- ein vierzehenjaerec kint
- kan al die liste, die nu sint!»
- (95) Der künec sprach: «Tristan, hoere her:
- an dir ist allez, des ich ger; 3720
- du kanst allez, daz ich wil :
- jagen, spräche, seitespil.
- nu suhl ouch wir gesellen sin,
- du der min und ich der din.
- tages so suln wir riten jagen, 3725
- des nahtes uns hie heime tragen
- mit höveschlichen dingen:
- harphen, videlen, singen,
- daz kaustu wol, daz tuo du mir:
- so kan ich spil, daz tuon ich dir; 3730
- des ouch din herze lihte gert,
- schceniu kleider unde pfert,
- 3701 Alamanje swm., Deutscher. — 3710 wunach stm. , das Höchste, die
- größte Meisterschaft; vgl. A*M^. — .Mlh horä = h<£rä imper. mit der ver-
- stärkenden Partikel «; vgl. Gr. 3, 29o. Zingerle in Pf. Germania 7, 257.
- 3723 o«:A zu ge%t>Uen. — 372ö tages adv. gen. = des Tags [wie nachts].
- — 3726 hie hehne adv., daheim. — tragen stv. refl. mit f-tew., sich mit etwas
- beschäftigen. — 373(t der König maclit einen Scherz mit den Worten spü,
- und spikn (3734), er fasst sie im Gegensätze zu dem musikalischen Spiele
- TriBt«n'8 aligemeiner: Unterhaltung, Ergötzung , und Unterhaltung bieten.—
- 134 VI. DER JUNGE KÜNSTLER.
- der gibe ich dir, svvie vil du wilt:
- da mite hän ich dir wol gespilt.
- sich, min swert und mine sporn, 3735
- min armbrust und min guldin hörn,
- geselle, daz bevilhe ich dir:
- des underwint dich, des pflic mir
- und wis du hövisch unde fro!»
- Sus was der eilende do 3740
- da ze höve ein trüt gesinde.
- ezn gesäch nie man von kinde
- die s?elde, die man an im sach:
- swaz er getete, swaz er gesprach,
- daz dühte und was ouch alse guot, 3745
- daz ime diu werlt holden muot
- und inneclichez herze truoc.
- hie mite si der rede genuoc.
- wir suln diz msere legen nider
- und grifen aber an jenez wider, 3750
- sin vater, der marschalc dan Rüal
- li foitenant et li leal,
- waz der nach ime getrete,
- do er in verlören haete.
- ^^738 pfleyen stv. mit dat. der Person, gen. der Sache, hier etwas anders
- als in V. 1932: sich für einen eine Sache angelegen sein lassen.
- 3749 nider legen [vgl. nhd. niederschlagen] gebraucht Gottfried neben
- hin l. öfters im Sinne von: bei Seite legen, aufgeben, auf sich beruhen
- lassen; vgl. 9743. 15023 und zu 4410, 9604. — 'SlbO r/rifen an . . . öfters ge-
- sagt von mcere, liet = iinserm: aufnehmen; steht auch elliptisch z. B. 7235.
- — 3751 dan Fremdwort, dominus, neuspanisch Don. — 3753 nach praep.,
- eigentlich : hinter her [wie bei senden, suchen auch näcfi steht] ; nur durch
- Umschreibting zu geben: was der, um nach ihm zu suchen, unternahm.
- Yll.
- WIEDERSEHEN.
- Rual li Foitcnant begibt sich auf die Keise, um nach dem verlorenen
- Tristan zu suchen. Er verarmt, geht zu Fuße und muß sein Brot erbet-
- teln. Im vierten Jahre seiner Wanderung begegnet er in Dänemark jeneu
- beiden Pilgern und wird von ihnen auf Tristan's Spur geleitet. Er fährt
- nacli Kurnewal, und in Tintajoel findet er den Ersehnten, der seineu
- Vater mit herzlicher Freude begrüßt und ihn trotz seines ärmlichen Ge-
- wandes und Übeln Aussehens vor den König führt. Dieser heißt den
- vermeintlichen Kaufmann als den Vater seines jungen Freundes will-
- kommen. Rual wird gebadet und neu gekleidet, und speist an des Königs
- Tische. Nach dem Essen erzählt er mit Rührung und unter schmerzliclier
- Theilnahme Marke's und der Ritterschaft seine Fahrt und die Geschichte
- Tristan's und seiner unglücklichen Altern. Tristan ist die neue Kunde,
- er nicht der Sohn Rual's sei, nicht erfreulich zu hören. Marke er-
- klärt, seinem Neffen Erbvater sein zu wollen, und Rual rüth, Tristaix möge
- sich von seinem Olicim zum Ritter machen lassen.
- Dan Küal li foitenant 3755
- der schiffcte über mer zeliaiit
- mit nnchelem guote ,
- wan ime was wol ze niuote,
- (96) ern wolte niemer wider komen,
- ern haete etewaz vernomen 3760
- endeclicher m»re,
- wä sin juncherre wsere,
- und stiez ze Korwjege zuo.
- da vorsclite er späte unde fruo
- in allem dem lande 3765
- nach sinem friunt Tristande.
- ^ 3761 endeclich adj., zum Ziel fahrend, voUbtäadig, sicher. — 3763 zuo
- slo'.en, anlanden. —
- 13G VII. WIEDERSEHEN.
- waz half in daz? ern was da iiiht:
- al sin siiochen was ein wiht.
- imd alse er sin da niht envant,
- dö kerte er Avider Irlant. 3770
- seht, däne künde er iht me
- von ime ervorschen danne als e.
- hie mite begunde er an der habe
- so swachen und so nemen abe,
- daz er sich nider ze fuoze liez 3775
- und siniu phärt verkoufen hiez
- und mit dem guote sande
- sine Ifute wider ze lande.
- sich selben liez er in der not,
- wan er gie betelen umbe bröt 3780
- und treip daz stsetecliche
- von riebe ze riche
- von lande ze lande,
- vorsehende nach Tri stände
- wol driu jär oder mere, 3785'
- biz daz er also sere
- von sines libes schoene kam
- und an der varwe als abe geiiam,
- swer in da vor htete gesehen,
- dern hsete niemer gejehen. 3790-
- daz er ie herre würde.
- die schameliche bürde
- die truoc der werde dan Rüalt
- geliche alsam ein art ribalt,
- daz ime dehein sin armüot, ' 3795
- als ez doch weizgot manegem tuot,
- sinen giioten willen nie benam.
- Nu ez in daz vierde jär do kam ,
- (97) do was er ze Tenemarke
- und vorschete euch da starke 380O
- von stete ze stete, hin unde her:
- 3767 h'A/en im Mhd. auch mit acc. [nhd. seltener]. — 376S ein wiJit = ein
- Nichts, umsonst; vgl. 8185. — 3775 (vom Pferde) herabstieg. — 3781 stce-
- tecilche adv., beständig. — 3792 schamelich adj., schimpflich. — 3794 ein
- arf, nicht: eine Art, Gattung, sondern: in der Art; etwa = unserm: seines
- Zeichens ; vgl. 7595. — ribalt stra., Fremdwort, Landstreicher, Vagabund. —
- 3795 armiwt stn. (vgl. 4454), Armuth stf. — dehein sin: im Nhd. diese und
- ähnliche Verbindungen nicht mehr möglich; dehein ist je nach ümständerk
- durch Negation zu geben oder wegzulassen; vgl. 17266.
- VII. WIEDERSEHEN. 137
- von gotcs genädeu cid vant er
- die zwoiie wällende man,
- die sin juncherre Tristan
- uf der wältstraze vant. 3805
- die selben frägete er zehant;
- die Seiten ime oucli mcere,
- wenn' und wie lange es waere,
- daz si einen knaben hseten gesehen
- reht' als si in da hörten jehen 3810
- und wie si'n mit in liezen gän,
- wie sin dinc allez was getan
- au antlütz' unde an häre,
- an rede und an gebäre,
- an libe und an gewande, 3815
- und wie maneger hande •
- sprach' unde fuoge er künde.
- zehant und an der stunde
- bekande er wol, im wierc also.
- die wälljere bat er do 3820
- däz si'z durch got tceten,
- swä si'n geläzen haeten,
- ob si die stat erkanden,
- daz si si'm rehte nanden,
- sus Seiten si Rüäle, 3825
- ez wi3ere in Kurnewäle
- ze Tintajöle in der stat.
- die stat er ime dö nennen bat
- aber und aber und sprach dö z'in:
- cnu wä lit Kurnewäle hin?» 3830
- ' stozet» sprächen jene zehant
- «jensit Britanje an daz lant.»
- «A!» dähte er «herre trehtih,
- diz mac wol din genäde sin:
- ist Tristan, also ich hau vernomen, 3835
- alsus ze Kurnewäle komen,
- so ist er rehte komen hin heim;
- wan Märke der ist stn ddieim.
- 3S18 vgl. V. 419»;. an der a'unde, hier entschieden in der Bedeutung:
- sofort; an manchen Stellen zweifelhaft, ob diese Bedeutung oder = da-
- mals, da; vgl. «477. 0.'>4l. 7102. 12918 und zu .3249. — 3819 bekennen swv.,
- erkennen, merken.
- 138 VII. WIEDERSEHEN.
- (98) da wise mich hin, süezer got!
- ä herre got, durcli din gebot 3840
- nu lä mir noch so wol geschehen,
- daz ich Tristanden müeze sehen!
- diz msere, daz ich hän vernomen,
- daz müeze mir ze fröuden komen!
- ez dunket mich und ist ouch guot: 3845
- ez hat mir minen swieren muot
- erwecket unde gemachet fro.
- sseligen liute«, sprach er do
- «der megede sim m.üez' iuch bewarn!
- ich wil üf mine sträze varn 3350
- und sehen, ob ich in vinde.»
- «nu gewi'se iuch nach dem kinde,
- der al der werlde hat gewalt!»
- «genäde!» sprach ab dö Rüalt,
- «gebietet mir, hie'st bite nime.» 3855
- «friunt», sprächen jene «a de, a de!»
- Rüal dö sine sträze gie,
- so daz er sinem libe nie
- ruow' einen halben tac genam,
- unz daz er zuo dem mere kam. 3860
- da ruowete er, daz was im leit:
- wan schif diu wären unbereit;
- und alse er dö schiffunge vant,
- er fuor ze Britanje in daz lant.
- durch Britanje streich er do 3865
- so striteclichen unde also,
- daz nie kein tac so langer wart,
- daz des iht würde gespart,
- ern striche in iemer in die naht,
- da zuo gap ime muot unde mäht 3370
- der gedinge, der im was geseit.
- ez machete ime sin arebeit
- senft' unde harte lihtesam.
- 3847 erwecken swv. , erquicken , erbeitern. — 3849 der megede sun wie
- in V. 5167, Umsclireibung für Christus. — 3852 gewisen swv., verst. wisen,
- führen. — 3855 bite stf., Warten, Verweilen; vgl. 8860.
- 3859 ruoioe nemen, genemen sinei/i Itbe, sich Buhe nehmen, ausruhen. —
- 3862 unbereit aclj. = nicht bereit; Gottfried hat eine Vorliebe für diese Zu-
- sammensetzungen mit tm-. — 3863 schiffunge stf., Einschiffung, Schiffs-
- gelegenheit. — 3866 striteclichen adv., (streithaft), tapfer, eifrig. —
- 3873 lihtesam adj., leicht; vgl. zu 1768. —
- VII. WIEDERSEHEN. 139
- iiu er ze Kurnewäle kam,
- zehant (16 fragte er nifere, 3875
- wa Tintajoel wsere;
- vil schiere er des bewiset wart.
- (00) sus kerte er aber üf sine vart
- und kom ze Tintajole zuo
- eines sunnen äbendes fruo, 3880
- do man ze messe solte gän.
- sus gieng er vür daz münster stän;
- da gie daz volc her unde dar,
- und er nam allenthalben war
- und spehete wä unde wä, 3885
- obe er iemen fuude da,
- der ime reht unde gebaere
- ze siner frage waere,
- wan er däht' allez wider sich:
- «diz volc ist allez baz dan ich; 3890
- swen ich mit rede bevähe,
- ich fürhte, ez in versmähe,
- daz er mir gebe antwürte umb' in,
- Sit ich als armer fuore bin:
- rät, herre got, waz ich getuo!» 3895
- Nu gie der künic Marke zuo
- mit einer wunneclichen schar,
- der getriuwe der nam aber war
- und ersäch niht, des er wolte.
- und alse der künec do solte 3900
- von messe wider ze hove gän,
- Rüal gie von dem wege stän
- und nam sunder dort hin dan
- einen getageten hoveman:
- « ä herre», sprach er «saget mir 3905
- durch iuwer güete, wizzet ir,
- ob ein kint hie ze hove si?
- mau seit, ez wone dem künege bi
- 3'
bevähen stv., mit acc, wie unser: einen in Anspruch nehmen, oder:
- angehen; mit rede 0er., einen anreden; vgl. 4112. — 3892 in nach den
- Has. Btatt j//( , darum wolil altcrthümlich venntälicn 8wv. trans. = r^r-
- ■<)iu'lien in der Bedeutung: beleidigen; vgl. zu 7554. Übrigens kommt
- auch, v;\Q Bech nachweist, versmäfien, verächtlich dünken, mit dem Acc.
- vor in einigen alten Hss. der Kaiaerchronik 2:{r»8. 14121 und Walther (L)
- CO, ö Hs. A und E. — 3894 /«ore stf., Lebensweise, dann auch wie hier:
- Auesehen , Erscheinung.
- 3908 l/i uonrn mit dat. = bei einem wohnen, einem zugesellt sein, iu
- Beziehung zu einem stehen. —
- 140 VII. WIEDERSEHEN.
- und ist daz Tristan genant.»
- «ein kint?)) sprach jener al zehant 3910
- "i'ne säge iu niht von kinde:
- ein knappe ist hie gesinde,
- der sol schiere nemen swert
- und ist dem künege harte wert,
- wau er kan kunst geuuoge 3915
- und erkennet manege fuoge
- und manege höveschlichiu dinc:
- der ist ein starker jimgelinc
- (100) mit brünreidem häre,
- mit schcenem gebäre 3920
- und ist ein eilende man:
- den heizen wir hie Tristan.»
- «Xu herre», sprach Rüal iesä
- «sit ir hie hovegesinde?») «ja.))
- «herre, durch iuwer ere 3925
- so tuot ein Ititzel mere,
- wan ir tuot harte wol dar an.
- saget ime, hie si ein armer man,
- der welle in sprechen unde sehen,
- euch muget ir ime des wol verjehen, 3930
- ich si von sinem lande.»)
- sus Seite jener Tristande,
- ein sin lantman waere da.
- Tristan der kerte dar iesä;
- und äl da mite daz er in gesäch, 3935
- mit herzen und mit munde er sprach:
- «Nu müeze unser trehtih
- iemer gebenediet sin,
- vater, daz ich dich sehen mnoz!*)
- daz was sin aller erster gruoz; 3940
- da nach lief er in lachende an
- und kuste den getriuwen man,
- als ein kint sinen vater sol :
- daz was vil billich unde wol.
- er was sin vater und er sin kint. 3945
- 3913 swert nemen, Terminus für: Ritter werden (durch Empfang und An-
- legung des Schwertes). — 3919 reit adj., gen. reides, gelockt; brunreit,
- braungelockt; vgl. zu 3334.
- 3930 verjehen stv. mit dat. und gep., einem etwas sagen.
- VII. WIEDERSEHEN. 141
- alle die viitere, die iiu sint
- oder die vor uns Avurden ie,
- dien' getaten alle ir kinde nie
- väterlicher danne er im tete.
- ja Tristan der ha3t' an der stete 3950
- vater, muoter, mäge, man,
- alle die friunt, die'r ie gewan,
- enzwischen sinen banden da.
- vil innecliclie sprach er: Ȋ,
- getriuwer vater guoter, 3955
- sage an, min süeziu muoter
- und mine bruoder, lebent die noch?»
- «i'ne weiz», sprach er «trüt sun, iedoch
- (101) lebeten s', do ich s' nähest sach,
- wan daz si michel ungemach 3960
- von dinen schulden hseteu.
- wie si aber sit her getseten ,
- desu kan ich dir niht gesagen,
- wan ich gesach in manegen tagen
- nieman, den ich erkande; 3965
- sone köm ich ouch ze lande
- Sit der veigen stunde nie,
- daz mir an dir so missegie. »
- «ä», sprach er aber «trüt vater min,
- waz sol dirre m?ere sin? 3970
- din schoener lip, war ist der komen?»
- «sün, da hästu mir'n genomeu.»
- «so wil ich dir'n wider geben.»
- «sun, daz muge "vvir ouch gelebeu.»
- «nu vater, gä dan ze hove mit mir.» 3975
- «nein, sun, dar gän ich niht mit dir:
- du sihest wol, ich wsere
- alsus niht lioveba;re. »
- «nein, vater», sprach er «diz muoz geschehen,
- der künoc, min herre sol dich sehen.» 3980
- Rüal der hövesche, guote,
- der gedä'hte in sinem muote:
- 39:)3 enzwischen (—inzwischen nhd. nur adv.) prscp. mit dat. := zwi-
- schen, iu. — 3959 nähest adv., jüngst, zuletzt. — 8961 s. zu 767. —
- 3968 v,issp;ian mit dat., einem übel ergehen: ««, mit. — 3972 da steht
- öfters satzbeginnend, namentlich in Antworten; vgl. 8695 und zu 365S,
- Benecke zu Iweiu 490. — 3974 'jelcbcn, verst. Ichcn, erleben. — 3973 hove-
- lixre adj., hier in ursprüngl. Bedeutung: dem Hofe angemessen, [vgl. hof-
- fähig], überhaupt: anstandsgemäß. —
- 142 VII. WIEDERSEHEN.
- «min nackotage enwirret uilit,
- swie mich der küiiec nu varnde siht,
- er wirt mich gerne sehende, 3985
- und wirde ich ime verjehende
- iimbe si'nen neven, der hie stat;
- swenn' ich im alle mine tat
- von anegenge her gesage,
- ez wirt vil schoene, daz ich trage.» 3990
- Tristan der nam in an die hant.
- sin bereitschaft nnde sin gewant,
- daz was, als ez do mohte sin,
- ein vil armez rockelin
- beschaben nnde verslizzen, 3995
- wä unde wä zerizzen:
- daz truog er äne mantel an.
- diu kleider, diu der guote man
- (102) under sinem rocke truoc,
- diu wären armeclich genuoc , 4000
- vernozzen unde verselwet gar.
- von ünrüoche was sin här
- an houbet unde an harte
- verwalken alse harte,
- als obe er wilde wa^re. ' -1005
- euch gie der sagebrere
- an füezen unde an beinen bar.
- dar zuo was er so wetervar,
- als alle die von rehte sint,
- den hunger, frost, sunn' unde wint 4010
- ir varwe und ir lieh hat benomen.
- alsus was er vür Marken komen,
- daz er im under ougen stich.
- Marke ze Tristande sprach:
- :J9S3 nacketage swm., Xacktheit. — werren stv., ihier = unserm: schaden;
- vgl. 12490. — 3985 fg. altes Beispiel vom ruturura mit dem Hülfswort wer-
- den (nebst partic. prses., iihd. scheinbar infin.); vgl. Gr. 4, 7. — 3989 aa-i-
- 'jenfje stn. , Angehen, Anfang.
- 3992 bereitschaft stf., Ausrüstung (wie unser: Equipierung), Tracht. —
- 3995 beschaben part. von beschaben stv., abschaben swv. • — verslizzen part.
- von versitzen stv., (eigentlich: verschleißen), zerreißen, abnutzen. —
- 4000 armeclich adj., ärmlich. — 4001 vernozzen part. von verniezen stv,,
- verzehren , verbrauchen. — verselwen swv. , verschmuzen. — 4004 ver-
- walken part. von verwalken stv., zusammenwalken swv., verfilzen. —
- 4006 sageba:re adj., hier subst., der Löbliche. — 4008 w/^ryar adj., (wetter-
- farbig), vom Wetter gekennzeichnet. — 4009 von rehte, mit Recht, von
- rechtswegen , etwa: natürlicl).
- VII. WIEDERSEHEN. 143
- «sage du, Tristan, wer ist der mau?» -4015
- «min vater, herre», sprach Tristan.
- «hast du war?») «ja, lierre min.»
- «der sol uns willekomen sin!»
- sprach aber der tugenderiche.
- Küal neig ime hofliche. 4020
- Hie mite so kom diu ritterschaft
- zuo geloufen herhäft
- und da mit al diu hoveschar,
- und riefen alle sunder dar:
- «sire, sire, deu sal!» 4025
- nu wizzet doch daz, daz Rüal,
- swie unhovebsere
- gewandeshalp er waere,
- er was iedoch zeware
- an libe und an gebäre 4030
- vollekomen unde rieb,
- er was des libes edelicb,
- an geliden und an geliuno
- gewahsen alse ein hiune:
- sin arme und siniu bein wol lanc; 4035
- schoen' unde herlich was sin gauc;
- sin lip was aller wol gestalt.
- ern was weder ze junc noch z'alt,
- (103) wan in der aller besten tugent,
- da daz alter und diu jugent 4040
- dem lebene gebent die besten kraft.
- er was an rehter herschaft
- aller keiser genoz.
- sin stimme alsam ein hurn doz,
- sin rede diu was vil wol besuiten. 4045
- man sach in mit herlichen siten
- vor al der heVschefte stan:
- er biete euch r alsam ffetan.
- 4022 Iierliajt adj., scharenweise. — 402.') sire Frenulwort (lat. senior),
- Herr; einsilbige Nebenform in V. 10721. — 4027 tcnhoveba're adj., vgl. zu
- 3978. — 4028 f/ewandes/ialp adv. , wegen, in Betreff des Gewandes. —
- 4033 geliiine stn., Bescliaffenheit , Gestalt. — 40;{4 hiuno swm., Heune
- (Hunne), unser: Hüne, Kiese. — 4o;i7 aller starke Flexion = sein Leib war
- ganz, durchaus u. s. w., oder: sein ganzer Leib; vgl. 45t>3. — 4042 her-
- scha/t stf., ein Lieblingswort des Dichters, hier innerlich: die Herrlichkeit,
- Hoheit. — 4044 du: prait. von diezen (4H(;j) stv. , tosen, schallen. —
- 4047 hü-ichaft, hier wortspiclcnd in anderer Bedeutung als in V. 4042.
- üußcrlicli: die Herren, der Hof wie in V. 1118,
- 144 VII. WIEDERSEHEN.
- Ilie liuop sicli micliel rünen
- von rittern und barünen: 4050
- si redeten hin, si redeten her:
- «ja», sprächen s' alle «und ist daz der?
- ist daz der hövesche köufman,
- von dem uns sin sun Tristan
- so manege tagende hat geseit? 4055
- "wir haben von siner frumekeit
- maer' unde maere vil vernomen.
- wie ist er alsus ze hove komen?»
- und spelleten sus unde so.
- der guote kimec der hiez in do 4060
- füeren ze kemenäten
- und hiez in da beraten
- mit ri'li'cher waete.
- Tristan in schiere hsete
- schone gebadet und wol gekleit. 4065
- ein hüetelin was da bereit:
- üf sin houbet sazte er daz],
- und gestüont ouch daz niemanne baz,
- wan er was under ougen rieh,
- sin geschepfede diu was herlich. 4070
- Tristan der nam in an die haut
- liepliche, als ez im was gewant,
- und fuorte in wider ze Marke,
- nu begündß er in do starke
- und sere wol gevallen. 4075
- si sprächen under in allen:
- «nu kieset, wie schiere edeliu wät
- den man ze lobe gestellet hat!
- (104) diu kleider stänt dem köufman
- wol unde lobelichen an. 4080
- ouch ist er selbe herli'ch.
- wer weiz, ern si vil tugenderich:
- er gebäret diu geliche wol,
- ob man der wärheit jehen sol:
- 4049 rvnen infin. subst. stn., Kaunen, Zuflüstern, heimliches Ge-
- spräch. — 4059 spellen swv. , erzählen, plaudern. — 4061 kemenäte swf.
- (14255), heizbares Gemach, dann: Frauengemacli , hier ohne Zweifel ins-
- besondere = Garderobe. — 40G2 beraten stv., ausrüsten. — 4069 under ougen
- (dat.), im Antlitze. — rtcli adj., hier: herrlich, schön; vgl. 6659. — 4070 ge-
- schepjfede stf., Beschaffenheit, Gestalt; vgl. 11102.
- 4078 stellen swv., gestalten", bilden. —
- I
- VII. WIEDERSEHEN. 145
- jui seht, wie herli'che er gät, 4085
- wie schcene gebaerde er hat
- in eclclem gevvande,
- und niuwan an Tristande
- da kieset sine tugende an:
- wie künde ein werbender man 4090
- sin kint so schone erzogen hän ,
- ez enmüese üz edelem herzen gän?»
- Xu haete man wäzzer genomen,
- lind was der künec ze tische komen.
- sinen gast Rüäleu sazte er sä 4095
- ze sinem tische und hiez im da
- l>öfschliche dieneu unde wol,
- 4ils man dem böveschen dienen sei.
- <• Tristan», sprach er «gä balde dar,
- iiim selbe dines vater war!» 4100
- deiswär, ich weiz wol, daz geschach:
- elliu diu ere und daz gemach,
- daz er'm erbieten künde,
- daz tete er, alse er'm gunde.
- ouch az Rüal der guote 4105
- mit willeclichem muote,
- wan Tristan tete in fröudehaft.
- Tristan der was sin Wirtschaft:
- daz er Tristanden ane sach,
- daz was sin meiste gemach. 4110
- und als man do von tische gie,
- der künec den gast mit rede bevie
- und fragte in aller hande
- beidiu von sinem lande
- unde ouch umbe sine vart. 4115
- und alse er in fragende wart,
- diu ritterschaft lost' elliu dar
- und nam Rüäles maere war.
- (105) «H^rr^», sprach er «ez ist vür war
- vil nach wol vierdehälp jar 4120
- Sit des, daz ich von lande schiet;
- 4088 niuican hat hier wahrscheinlich, ausgehend von der Bedeutung: nur,
- aasgenommen, den Begriff: besonders aber, vor aUetu.
- 410S xcirtschaft stf., Bewirthung, Mahlzeit, bildlich gebraucht, etwa:
- seine beste Kost. — 4116 Um8chreibung=/röy('e, von Vortteil für den Dichter.
- 4121 sff (/cj = Seitdemi vgl. 4J7. —
- OOTTFBISD VON STBASSB^RG. I. 2. Aufl. 10
- 146 VII. WIEDERSEHEN,
- und swar ich sider hin geriet,
- (lane fragte ich keines mseres nie
- wan des, da ich mit nrabe gic
- und daz mich her geleitet hat.» 4125
- «waz was daz?» «Tristan, der hie stat.
- und zwäre, herre, ich hän noch kint,
- diu min von gotes halben sint,
- und gan den guotes alse wol,
- als dehein man sinen kinden sol: 4130
- dri süne, wser' ich gewesen bi in,
- ' daz eteslicher under in drin
- iezuo wol ritter wsere;
- hset' ich die halben swsere
- erliten durch si alle dri, 4135
- swie fremede so mir Tristan si,
- die ich durch in erliten hän,
- es waere vil und vil getan.»
- «fremede?» sprach der künic do
- «saget an, wie'st disem msere so? 4140
- er ist iur sun doch, alse er gibt?»
- «nein, herre, er bestät mich niht,
- wan alse vil ich bin sin man.»
- t5
- I
- Tristan erschrac und sach in an.
- aber sprach der künec: «nu saget uns daz, 4145
- durch weihe schulde und umbe waz
- habet ir die not durch in erliten,
- iuwer wi'p und iuwer kint vermiten,
- als ir da jehet, so lange frist,
- Sit daz er iuwer sun niht ist?» 4150
- «herre, daz weiz got und^ch.«
- «nu, friunt, bewi'set ouch mich!»
- sprach aber der guote Marke
- « es wundert mich vil starke.»
- «wesf ich», sprach der getriuwe 4155
- «ob ez mich niht geriuwe
- und obe ez mir hie wsere
- ze sägene gebaere,
- 4142 mich bestät, mir kommt zu, mich geht an; von Gottfried öfters an-
- gewandt; vgl. 12323 u. zu 4580.
- 4148 vermiden stv., verlassen. — 4152 bewtsen hier ohne Genitiv; vgl.
- 1541. — 4156 (/er iuwen stv. (12857), nicht: reuen, sondern: schmerzen; vgl.
- zu 1789. —
- VII. WIEDERSEHEN. 147
- (lOG) hCn'YOj ich möchte iu wunder sagen,
- wie sich diz dinc hat her getragen 4160
- und wie ez sich gefüeget hat
- nmbe Tristanden, der hie stät. »
- Mark' und sin barünie
- und al diu massenie,
- die baten an der stunde 4165
- alle üz einem munde:
- «säget an, s^oliger man,
- getriuwer man, wer ist Tristan?»
- Der guote Rüal der sprach dö:
- «herre, ez kom hie vor also, 4170
- als ir wol wizzet unde die,
- die bi den ziten wären hie,
- daz min herre Riwalin,
- des man ich was und solte sin,
- ob ez got also wolte, 4175
- daz er noch leben solte,
- dem wart von iuwer frumekeit
- s6 vil und also vil geseit,
- daz er mir sin liut und sin laut
- allez bevalch in mine haut. 4180
- sus kom er her ze lande,
- wan er iuch gerne erkande,
- und wart ingesinde hie:
- so wizzet ir wol, wie ez ergie
- umbö die äventiure 4185
- der schoencn Blanschefliure ,
- wie er die ze friunt gewan
- und si mit ime von hinne entran.
- im si dö heim kämen, ,
- ein ander z'e genämen, 4190
- (in minem hüse daz geschach,
- daz ich'z und manic man gcsach)
- do bevalch er mir si in mine pflege:
- Sit her pflac ich ir alle wcge,
- so ich iemer beste künde. 4195
- zehant und an der stunde
- 4160 her trage n = z\itTageii.
- 4172 bi den ziten, damals. — 4187 ze friunt, nhd. zur Freundin; vgl.
- 10487. 10506. —
- 10*
- 148 VII. WIEDERSEHEN.
- warb er unde besaiide
- eine reise in sinem lande
- (107) mit mägen und mit mannen
- und fuor ouch iesä dannen 4200
- und wart in einem strite erslagen,
- als ir wol habet geliceret sagen.
- und als daz msere vür kam
- und diu vil schoene frouwe vernam,
- wie ez gevaren waere, 4205
- diu totli'che swsere
- so sere ir in ir herze sluoc,
- (Tristan hie stat, den si do truoc)
- daz si den von der not gewan
- und lac si selbe tot dervan. » 4210
- Hie mite gie den getriuwen man
- als inneclicher jämer an,
- als er ez wol bescheinde,
- wände er saz und weinde,
- als ob er ein kint waere. 4215
- ouch begünden von dem msere
- den änderen allen
- ir ougen über wallen,
- der guote künic Marke,
- dem gieng ez also starke 4220
- mit jämer in sin herze,
- daz ime der herzesmerze
- mit trähenen üz den ougen floz
- und ime wang' unde wät begöz.
- Tristande was daz maere 42 2i
- vil inneclichen swaere
- von anders nihte wan von dan,
- daz er an dem getriuwen man
- vater unde vaterwän
- also verloren solte hän. 4230
- Sus saz Rüal der guote
- mit trüreclichem muote
- 4198 reise stf., Kriegazug; vgl. 18841.
- 4213 bßscheinen awv., (bescheinigen), kund geben. — 4227 von dan., h.ier=
- von danne in V. 1613, deshalb. — 4229 vaterwän atm,, Vaterglaube, Glaube,
- einen Vater zu besitzen.
- I
- VII. WIEDERSEHEN. 149
- und Seite dem gesindo
- von dem vil armen kinde,
- wie starke er des liiez uemen war, 4235
- dö ez diu müoter gebar,
- wie er'z an tougeuliclier stat
- verbergen unde verlielen bat;
- (108) wie er ze msere werden liez,
- den läntliuten sagen hiez, 4240
- ez waere in siner muoter tot;
- wie er sinem wibe gebot,
- alse ich iu e seite,
- daz si sich in leite,
- als ein wip kindes inne lit, 4245
- und daz si nach der selben zit
- der werkle jehende wasre,
- daz si daz kint geb?ere;
- wie si mit ime ze kirchen gie,
- und wie er da die toufe eupfie: 4250
- war umbe er Tristan wart genant;
- wie er in sante in fremediu laut,
- und swaz er fuoge künde
- mit banden und mit munde,
- wie er in daz leren hiez; 4255
- wie er in in dem schiffe liez ,
- und wie er ime da wart genomen,
- und wie er nach im dar was komen
- mit maneger arebeite.
- Sus saz er unde seite 4260
- diz nvc^re gar von ende her.
- daz weinde Marke, daz weinde euch er,
- daz weinden s' al gemeine
- niwan Tristan al eine,
- derne mohte es niht beklagen, 42Gj
- swes er da gehörte sagen :
- in kom diu rede ze gahes an.
- swaz aber Rüal der guote man
- dem gesinde erbarmekeite
- von den gelieben seite, 4270
- 42b7 'jafirs a-lv. gen.. jäh, plötzlich. — 4209 erban/fkeit stf., Erbärm-
- licbe», Mitleid Erregendes. — 4270 gpli^p adj. (vgl. zu 108 2.-. ) , zusammen,
- äcgenseitig heb, hier subst. pl.; die Geliebten, unser: die Liebenden. —
- 150 VII. AVI«DER SEHEN.
- Kanele und Blanschefliure:
- elliu diu äventiure
- diu was hie wider kleine
- niwan diu triuwe al eine,
- die er nach tode an ime begie, 421
- als ir wol habet gehoeret wie ,
- an ir beider kinde :
- daz was dem ingesinde
- (109) diu meiste triuwe, die kein man
- ze siner herschaft ie gewan. 4280
- Xu disiu rede alsus geschach,
- Marke zuo dem gaste sprach:
- «nu herre, ist diser rede also?»
- Rüal der guote bot im do
- ein vingerlin an sine hant: 4285
- anu herre», sprach er «Sit gemant
- miner rede und miner mgere.»
- der guote und der gewsere
- Marke nam ez und sah ez an.
- der jämer, den er do gewan, 4290
- der wart aber do vester.
- «ä», sprach er «süeziu swester,
- diz vingerlin daz gab ich dir,
- und min vater der gab ez mir,
- do er an sinem tode lac. 4295
- disem msere ich wol gelouben mac
- Tristan, gä her und küsse mich!
- und zAväre, soltu leben und ich,
- ich wil din erbevater sin.
- Blanschefliure der muoter din 4300
- und dinem vater Kanele,
- den geuäde got zer sele
- und ruoclie in beiden samet geben
- daz ewecliche lebende leben.
- Sit ez alsus gevaren ist, . 4305
- daz doch du mir worden bist
- 4273 J: leine — nicht so groß, darum niivan. — 4280 htrachaft , ]iier=iilKl.
- coucret im Sinne von: Obrigkeit für: Herr und Herrin.
- 4285 vinyerlin stn., Fingerring. — 4288 gcivcere adj., wahrhaft, treu;
- vgl. 5180. — 4299 erbevater, Pflegevater, der den blutsverwandten Pflegesohn
- zugleich zum Erben annimmt, entsprechend unserm: Adoptivvater. —
- 4.!02 den genäde got noch im Nhd. erhalten; genäden swv., gnädig sein,
- synonym von helfen (vgl. 12125). — zer sele, für die Seele, zum Besten der Seele.
- VII. WIEDERSEHEN. 151
- 0
- von der vil lieben swester min,
- i^eniochet es min trehti'n,
- so wil ich iemer wesen fro.»
- Zem gaste sprach er aber (16: 4310
- «nu lieber friunt, nu saget mir,
- wer Sit ir oder wie heizet ir?»
- «Rüal, herre.» «Rüal?» «ja.»
- liie mite versan sich Marke sä,
- wan er ouch e in sinen tagen 4315
- von ime vil ha^te gehoeret sagen,
- wie wise und wie erb?ere
- und wie getriuwe er wsere,
- (HO) und sprach: «Rüal li foitenant?»
- cjä herre, also bin ich genant.» 4320
- nu gie der guote Marke hin
- und kuste in unde enpfienc in
- herliche und alse im wol gezam.
- diu herschaft al zehant do kam
- und kusten in besunder: 4325
- si begünden in ze wunder
- mit armen enbrazieren,
- liöfschliche saluieren :
- "willekömen, Rüal der werde,
- ■ein wunder üf der erde ! » 43i»0
- Rüal was da willekömen.
- nu hi^te ouch in der künec genomen
- an sine haut und leite in hin;
- vil liepli'che sazte er in
- ze sich an sine siten nider, 4335
- und griffen an ir maere wider
- und redeton aller hande
- beidiu von Tristande
- und ouch von Blanschefliure
- ulle die aventiure , 4340
- waz Kanel unde Morgan
- ein ander bieten getan,
- und wie daz ouch ein ende natn.
- vil schiere ez an daz ma^rc kam ,
- daz der künec Rüäle seite, 4345
- 4327 enbrazieren swv., Freradwoit, franz. eiuhra^si^r , uniarinen.
- 4328 salüierrn swv., Fremdwort, grü&en, öfters bei Gottfried; vgl. :)204.
- 152 VII. WIEDERSEHEN.
- %
- mit welher kündekeite
- Tristan dar komen wsere
- und wie er seite m.'ere,
- sin vater waere ein köufmän.
- Rüal der sacli Tristanden an: 4350
- «friunt», sprach er «ich hän lange
- vil anclich und vil ange
- mine marschandise
- in armeclicher wise
- dur dinen willen her getriben; 4355
- deist aber allez nü beliben
- an einem guoten ende,
- dar iimbe ich mine hende
- (111) iemer ze gote bieten sol.*)
- Tristan sprach: «ich hoere wol, 436 0
- sich machent disiu maere also,
- daz ich ir späte wirde fro.
- ich bin, also ich hän vernomen,
- ze wunderlichen m^eren komen:
- ich hoere minen vater sagen, 4365
- min vater der si lange erslagen.
- hie mite verzihet er sich min,
- sus muoz ich äne vater sin,
- zweier väter, die ich gewannen hän.
- ä, vater unde vaterwän, 4370
- wie Sit ir mir alsus benomen!
- an den ich jach, mir waere komen
- ein vater, an dem selben man
- da verliuse ich zwene vätere an,
- in unde den ich nie gesach.» 4375
- der guote marschalc aber dö sprach:
- «wie nü, geselle Tristan,
- lä dise rede, dän' ist niht an.
- ja bistu von der küufte min
- 4346 künrlekeit stf., Klugheit, List. — 4352 ancltdi , ancliche , andicken
- adv. = an.'7e adv. (19S2), eifrig; diese Verbindung Lei Gottfried öfters, vgl.
- 13089. 17803. 18294. — ,4353 marschandise stf., Fremdwort, Kaufmann-
- schaft. — 4856 fg. nhd. hat ein gutes Ende genommen. — 4367 verzihen
- 8tv. refl. mit gen. (min)., auf etwas verzichten, sich von etwas lossagen. —
- 4368 äne vater, scheinbar dne prsep. mit acc; der folgende als Apposition
- stehende Genetiv zweier väter beweist, dafi dne hier adj. mit gen. ist, wenn
- CS auch dem Subst. vorangeht; vgl. 5158. 6662. 15278 u. zu 1490. — ^^12 jehen
- stv. an einen, sich zu einem bekennen, von einem voraussetzen; oder hier
- einfacher: von einem aussagen? die jüngere Lesart an dem verwischt den
- stilgemäßen Wechsel und verbindet einfacher an dem mit komen: an dem
- ich glaubte einen Vater gewonnen zu Jiabeu, in dem verliere ich u. s. w. —
- 4379 kunft stf.; Ankunft. -
- VII. WIEDERSEHEN.
- 153
- werder, dan du wändest sin,
- und bist ir geret iemer me,
- und liäst doch zwene väter als e,
- hie minen herren unde mich:
- er ist din vater, also bin icii.
- \olge et miuer lere
- und wis iemer mere
- allen künegen ebenher.
- läz alle rede und tuo niht mer.
- minen herren, diuen cieheim,
- den bit, daz er dir helfe heim
- und dich hie ritter mache,
- wan du mäht diner sache
- sus hin wöl selbe ncmen war.
- ir herren, sprechet alle dar,
- daz cz min herre gerne tuo!»
- Sus sprächen s' alle samet derzuo :
- «herr'j ez hat guote fuoge:
- Tristan hat kraft genuoge
- (112) und ist ein wol gewahsen man.»
- der künec sprach: cneve Tristan,
- sage an, wie stät din muot hie zuo?
- ist ez dir liep, daz ich ez tuo?»
- "trfit lierre, ich sage iu minen muot.
- h?et' ich so ri'li'chez guot,
- daz ich wol nach dem willen min
- und also ritter mölite sin,
- daz ich mich ritterliches namen
- noch er sich min niht dörfte schämen;
- und ritterlichiu Averdekeit
- an mir niht würde iiider geleit,
- s6 wolte ich gerne ritter sin,
- die müezigen jugende min
- lieben unde kercn
- zo werltlichen eren;
- wan ritterschaft, also man seit,
- diu muoz ie von der kintheit
- ncmen ir anegenge
- 4380
- ■138{>
- 4390
- •4395
- •4400
- 4405
- 4410
- 4415
- 3S1 ir gen., durch sie, durch die Ankunft geehrt. — 4387 ebenher adj.,
- •leich helir, gleich an Holieit; vgl. zu 24.s. — 4',VM — ze ritter, z' einem ritter
- lache wie noch in V. 12744 ; vgl. Gr. 4, 823.
- 4.399 ivol gewa/ixen, nicht: scliün von Wuchs, sondern: vollkommen
- rwachscn. — 4410 ni'ler logen, hier: erniedrigen; vgl. öGG2 und zu 374',).
- 154
- VII. WIEDERSEHEN.
- (ii;
- oder si' wirt selten strenge.
- daz ich min unversuoclite jugeut
- iif wcrdekeit ünde üf tugent
- so relite selten güebet liän,
- daz ist vil sere missetän
- und hän es an niicli selben liaz.
- nu weiz ich doch nu lange daz,
- senft' imde ritterlicher pris
- diu missehellent alle wis
- und mugen vil übele samet gewesen.
- ouch hän ich selbe wol gelesen,
- daz ere wil des libes not.
- gemach daz ist der ereu tot,
- da man's ze lange und ouch ze vil
- in der kintheit pflegen wil.
- und wizzet wol zewäre,
- haet' ich vor einem järe
- oder e min dinc so wol gewist,
- als ez mir hie gesaget ist,
- ez enwsere niht unz her gespart.
- Sit ez ab do gesümet wart,
- so ist reht, daz ich mich noch erhol,
- wan min dinc stät billiche wol
- an libe unde an muote.
- got rate mir zem guote,
- daz ich dem muote vollevar!»
- 4420
- 4425
- 4430
- 4435
- 4440
- Marke sprach: «neve, nim selbe war,
- sich, wie du werben weitest, 4445
- ob du künic wesen soltest
- und herre übr allez Kurnewal.
- so sitzet hie din vater Rüal,
- der ganze triuwe zuo dir hat,
- der si din rätgeb und din rät, 4450
- daz di'n dinc also vollege,
- daz ez nach dinem willen ste.
- I
- 4418 strenge adj., stark, fest. — 4423 und habe deshalb wider mich selbs;
- einen Unwillen, mache mir selbst Vorwürfe. — 4425 senfte stf., hier: ru-
- higes, behagliches Leben. — 442G missehellen stv., eigentlich: verschieden
- lauten, dann : nicht übereinstimmen. — 4428 fg. vgl. den ähnlichen Gedanken
- in V. 12511 — 16. — 4438 sümen swv., hier trans. : versäumen. — 4439 erholn
- swv. refl. = unserm : nachholen; in V. 12026 = nhd. — 4442 raten stv.,
- helfen, verhelfen. — 4443 vollevarn stv. mit dat., etwas vollziehen, aus-
- führen, einer Sache genügen; vgl. zu 4519.
- 4451 voUegen, in Erfüllung gehen. —
- VII. WIEDERSEHEN, 155
- vil lieber iieve Tristan,
- liiiii dicli niht ärmuotes an;
- wall Parnieiiie daz ist din 4455
- und muoz din eigen iemer stn,
- sol ich und din vater Rüal leben,
- dar zuo wil ich dir stinre geben:
- nun lant, min Hut und swaz ich hän,
- trüt neve, daz si dir üf getan. 4460
- \\i\ du din herze keren
- ze vorderlichen eren,
- und ist din wille also getan,
- als ich von dir vernomen hän,
- sone spar des minen niht dervor: 4465
- Kurncwal daz si din ürhor,
- min kröne si din zinsoerin.
- wil dii zer werkle gewirdet sin,
- so schaffe et umlie riehen muot:
- ich gibe dir richlichez guot. 4470
- sich, dCi hast keiserliche habe,
- nune ganc dir selbe nihtes ahe.
- bist du dir selbem alse hoH
- und hästu muot, also du solt
- und also du mir hast verjeben, 4475
- daz hän ich schiere an dir gesehen.
- sich, vinde ich herren muot an dir,
- du vindest iemer mere an mir
- (114) dines willen vollen schrin:
- Tintajoel muoz iemer sin 4480
- din triskämere und din trisor.
- gesprengest du mir rehte vor
- ■1454 sei um Armuth nicht besorgt; oder: lialte dich uicht für arm; (die
- Erklärung im mhd. Wurterbuche II, 1, 3^56'*, olcbe nicht wie ein armer
- MauD». scheint mir nicht in den Zusammenhang zu pasbcn). — 4460 vf
- (uon, Terminus aus dem Lehnrecht, eröffnen, zur Verfügung stellen. —
- 4462 vorderlich adj., (förderlich), vorzüglich. — 446j dervor adv., deshalb,
- mit Kücksicht darauf (daß es mein ist). — 44 urlor stf., Zinsabwurf,
- Rente. — 44(17 zinsa;r1n stf., Zinszahlerin; ein Gottfriedisches Bild. — ■
- 44B!S wirden swv., liier: würdigen, ehren; bei Gottfried öfters; vgl. 18045.
- ISOS'J und zu l()öO. — 44t;9 schaßi'u stv. umbe . . ., sorgen für ... — r'icher
- muot, freigebiger Sinn (der nur durch Besitz zu erlangen und zur That zu
- machen ist). — 4471 keiserlicfi adj., hier nicht abstract (vgl. zu 70S) ; ein
- neuerer Dichter könnte ebenso sagen. — 447.'! holt adj., hier: treu; vgl.
- Hech zu Gregor 127^. — 4476 han ist hier wie vereinzelt noch heute
- .Vuxiliar für das Futurum exactum. — 4471» sv-rhi stm. , insbesondere
- rotier sc/iroi , öfters bei uihd. Dichtern bildlich gebraucht. - 44^1 tris-
- Jainere stf., Schatzkammer. — trhcr stm., Fremdwort, franz. (rhor, Schatz.
- — 44!S2 geaprenrien swv., verst. sprengen; hier bildlicli vor fff sprengen =
- vorangehen.
- 150 VII. WIEDERSEHEN.
- mit ri'lichcm muoto,
- volg' ich dir nilit mit guoto,
- so müeze mir allez daz zergän, 4485
- daz ich ze Kurnewäle häii.o
- Hie wart genigen riche:
- si nigeii al geliche,
- die bi dem m?ere Maaren.
- si buten im unde baren 4490
- er' imde lop mit schalle:
- .«künec Märke», sprächen s' alle,
- "du sprichest, als der hövesche sol.
- diu Wort gezement der kröne wol.
- din zunge, din herze und din hant, 4495
- die gebieten iemer über diz lant !
- wis iemer künic über Kurnwal!»
- der getrmwe marschalc dan Rüal
- und sin juncherre Tristan,
- die griffen ir geschäfede an 4500
- nach solher ri'cheite,
- als in der kün^c vür leite
- und in diu mäze was gegeben.
- Nu strite ich umbe ir beider leben
- beidiu des vater unde des suns. 4505
- wan eteswer der fraget uns
- durch daz, daz alter unde jugent
- selten gehellent einer tiigent,
- und jugent daz guot unruochet,
- da ez daz alter suochet, 4510
- wie si sich under in beiden
- ie künden so bescheiden ,
- daz letwederre besunder
- siner ger hier under
- und sines rehtes wielte, 4515
- so daz Rüal behielte
- 4485 zerfjaii. liier juit dat., einem verloren gehen.
- 4487 riche adv., hier: in reicliem Maße, sehr viel. — 44!tl mit schalle,
- mit Freudenachall, mit Jubel. — AhOO geschäfede stn., Geschäft, Sache. —
- 4503 rnäze, hier : MaI5, Kichtschnur.
- 4504 strtten stv. umbe . . ., hier wohl nicht bildlich: gegenüberstellen,,
- vergleichen, sondern: ich bin im Streit (mit mir), im Zweifel wogen . . .
- [vgl. unstreitig, unbestritten]. — 4508 gchellen stv. hier mit dat._ (oder
- gi^Ai.!:), in einer Sache zusammenstimmen. — 4509 unruocheu swv. mit acc,
- unbeachtet lassen. — 4512 bescheiden stv. refl., sich einrichten , überein-
- kommen. — 4515 fg. Conjunctive, nhd. Indicative. —
- VII. WIEDERSEHEN. 157
- die mäzG an dem guote,
- und Tristan sinem muote
- 11')) mit vollem guote voUezüge?
- diz prüeve ich schiere siinder lüge. 4520
- lliial uude Tristan
- die truogcu beide ein ander an
- als ehenwilligen muot,
- daz ir dcwedere übel noch guot
- weder riet noch raten solte, 4525
- wan alse der ander wolte.
- Rüal, der tugende erkande,
- der geloubete Tristände
- und sach die jugcnde an im an;
- so entweich ab Tristan 4530
- den tugenden an Rüäle.
- diz truoc si z'einem male
- und z'einem zil gemeiner ger,
- daz dirre gerte alse der.
- alsus so wären s' under in zweiu 4535
- mit willen und mit muote al ein.
- hie von wart alter unde jugent
- gehellesam an einer tugent;
- alhie viel höher muot in sin,
- hie mite behielten s' under in 4540
- Tristan sin reht an muote,
- Piüal die mäzc an guote,
- daz ir ietwedere an der stete
- niht wider sinem rehte tete.
- 4519 toil'.'zlehen stv. mit dat., (vollzieheu), ctwa = uuscrm: gcnügeu. —
- 4520 prüeven swv., beurtlieilen, erklären. — sunder lüge, formelhafte Wen-
- dung und niclit wörtlich zu nehmen, etwa entsprechend unserm: ohne Kück-
- halt; oder noch gleichgültiger als Betheuerung= cur loär? — 4523 eben-
- irillic adj.. gleich willig, gleichgestimmt. — 4528 (idouben swv., (glauben),
- Zutrauen hegen. — 4529 jagende (=Hs. M und H) Plural oder Neben-
- fonnV — 4ö3ü . conj., dagegen. — entwichen stv., nachgeben. — 4532 7näl
- 8tn., hier: Zielpunkt. — 4536 al ein, ganz eins, zusammen eins; vgl. 13015.
- 14342. — 4538 gehellesam adj., übereinstimmend. — 4539 vallen stv. in . . .,
- sich neigen zu . . ., gelangen [vgl. zufallen]. — sin stm., hier: Verstand,
- Besonnenheit. Der Jugendmuth gesellte sich allhicr zu der Besonnenheit
- (des Alters).
- VIII.
- TRISTAN'S SCHWERTLEITE.
- Tristan und seine dreißig Genossen sind zur Schwertleite bereit und
- ausgerüstet. Der Dichter getraut sich nicht, den Glanz dieses Festes
- würdig und mit Erfolg zu beschreiben, nachdem solche Sceuen schon so
- manigfache dichterische Bearbeitung gefunden haben , und so nimmt er
- Gelegenheit, zeitgenössische oder erst kurz dahingeschiedene Dichter zu
- erwähnen und ihre Vorzüge zu preisen. Zuerst nennt er Hartmann
- den Auer; ihm gesteht er den Dichterlorber zu, indem er zugleich ainen
- strafenden Seitenblick wirft auf Wolfram von Eschenbach und seine An-
- hänger, auf die > Finder wilder Mären » , ohne aber einen Namen zu nen-
- nen. Weiterhin jireist er unter den u Färbern», den erzählenden Dich-
- tern, den Bliker von Steinahe, den Dichter des «Umbehanges ». Den
- Heinrich von Veldeken hat Gottfried selbst nicht mehr gesehen, er
- erinnert aber voll Dankbarkeit an ihn, weil er das erste Reis in deutscher
- Zunge impfte. Von den ('Nachtigallen», von den Liederdichtern, will Gott-
- fried nicht sprechen , aber er gesteht zu , daß ohne ihren Sang die Welt
- arm an Freuden wäre. Seit die Nachtigall von Hagen au (Reinmar
- der Alte) verstummt ist, soll die von der Vogel weide das Banner
- votantragen. Der Dichter wünscht, daß seine Worte ebenso wie die an-
- derer Erzähler beschaffen sein möchten, darum richtet er seine Bitte zum
- Helikon, dem Sitze Apollo's und der neun Musen, daß sie ihm die Gabe
- der Worte und Gedanken spenden. Aber wenn er auch mit seiner Rede
- die Herzen zu erfreuen vermöchte, so will er doch darauf verzichten,
- einen Gegenstand zu behandeln, an dem sich mancher vergeblich bemüht
- habe. — Mit einer Vergleichung Tristan's mit seinen Gesellen , denen er
- äußerlich gleiche, die er aber an inneren Vorzügen überstrahle, lenkt Gott-
- fried wieder in die Erzählung ein.
- Nachdem Tristan und die andern Jünglinge im Münster den Segen
- empfangen haben, legt Marke seinem Neffen Schwert und Sporen an und
- ermahnt ihn zu allem Guten. Auch den Schild reicht er ihm dar mit
- Kuß und Segensspruch. In gleicher Weise rüstet Tristan seine Genossen
- mit Schwert und Sporn und Schilde aus. Nach dieser Feier eilen sie zum
- Ritterepiel.
- VIII. tristan's schwertleite. 159
- Sus greif Rual und Tristan 4545
- ir dinc bescheidenlichen an,
- als ez in beiden was gewant.
- si gewünnen liarnasch unde gewant
- innerhalp den diizec tagen,
- daz drizec ritter selten tragen, 4550
- die sich der hövesclie Tristan
- ze gesellen wolte nemen an.
- swer mich nu fraget unibe ir kleit
- und umbe ir kleider ri'cheit,
- wie diu zesamene wurden bräht, 4555
- des bin ich kürze bedälit,
- dem sage ich, als daz maere gibt,
- sage ich ime anders iht,
- (IIG) so widertribe er mich dar an
- und sage er selbe baz dar van : 4560
- ir kleider wären üf geleit
- mit vier bände ri'cheit,
- und was der viere iegelich
- in ir ambete rieh:
- daz eine daz was hoher muot; 4565
- daz ander daz was voUez guot;
- daz dritte was bescheidenheit,
- diu disiu zwei zesamene sneit;
- daz vierde daz was hövescher sin,
- der naete disen allen drin. 4570
- si worhten alle viere
- vil rehte in ir maniere:
- der hohe muot der gertc,
- daz volle guot gewerte,
- 454'J innerlial]/ adv. prsep. mit dat. (und gen. , nhd. luir mit gen. —
- 4356 vgl. unsere Wendung : icli bin hierin nicht lange bedenklich, ra,sch(kurzc
- adv. selten) entschlossen; vgl. 5394 (die Erklärung im mhd. Wörterbuch I,
- 345'' «darauf brauche ich mich nicht lange zu besinnen» passt nicht). —
- 4559 iciileitrtOen stv. mit acc, einen widerlegen. — 4561 v/ legen, häufig
- angewandt bei Gottfried und in verschiedenen Bedeutungen, hier: aus-
- denken; vgl. 11441 [vgl. aufstellen]. — 4564 ambct stn., hier bildlich: Be-
- stimmung.— 4568 jffa??*««^ •i«i'(/?n, bildlich: im Schnitte zusammenbringen,
- zusammenfügen, zusammenhalten; der Dichter wiederholt den in V. 4504 fg.
- und namentlich in 4539 ausgesprochenen Gedanken. — 4570 noejen 8wv.,
- nähen, hier mit dat., also intrans. (dagegen transit. in V. 4576): der hü-
- fische Sinn war für diese alle drei die Nadel; er vereinte sie zu einem
- ganzen Kleide. — 4572 mauirre stf., Fremdwort, Manier, Art und Weise,
- ▼gl. 12672. —
- 160 VIII. TRISTAN'« SCHWEETLEITE.
- besclieidenlieit schiiof unde sncit; 4575
- der sin der noote ir aller kleit
- und ander ir feitiure,
- baniere und covertiure
- und anderen der ritter rät,
- der den ritter bestät. 4580
- swaz so daz ros und ouch den man
- ze rittere geprüeven kan,
- der geziuc was aller sere rieh ,
- und alse^ rieh , daz iegelich
- einem künege wol gezaeme, 4585
- daz er swert dar inne nseme.
- Sit die gesellen sint bereit
- mit bescheidenlicher ri'cheit,
- wie gevähe ich nü min sprechen an,
- daz ich den werden houbetman 4590
- Tristanden so bereite
- ze siner swertleite,
- daz man ez gerne verneme
- und an dem msere wol gezeme?
- i'ne weiz, waz ich da von gesage , 4595
- daz iu geliche und iu behage
- und schone an disem mgere ste.
- wan bi minen tagen und e
- (117) hat man so rehte wol geseit
- von ritterlicher werdekeit, 4600
- von richem geraete,
- ob ich der sinne hajte
- zwelve, der ich einen hän,
- mit den ich umbe solte gän.
- 4575 schaffen stv., hier: ins Werk setzen, einrichten. — 4577 feitiure stf.,
- Fremdwort, lat. factura, Einrichtung, Schmuck; vgl. zu 670. — 4578 baniere
- stf. (4797)-, banier^=-n.'h.d., Sanier stn., Fahne. — cocertiure sti., Fremdwort,
- Decke, insbesondere: Pferdedecke; vgl. zu 1S794. — 4580 bestän, hier ein
- wenig anders als in V. 4142: einem zukommen, zu einem gehören; vgl.
- 4935. — 4581 swäz so verstärktes CorreL, was auch, was alles. — 4582 ze
- rittere = ritterlich, rittermäßig. — geprüecen swv., yex?,t. prüeven, darstellen,
- zurecht machen.^ — 4583 geziuc stm., Ausrüstung; das Wort tritt erläu-
- ternd zu sv:az so: die ganze Ausrüstung nämlich war u. s. w.
- 4587 die gesellen, Genossen, hier Tristan wohl mit einbegriffen; vgl.
- 4552. — 4589 an gevähen=an vähen. — ^h^Q houbetman, die Hauptperson. —
- 4592 schu-ertleite stf., eigentlich: Schwertführung, technischer Ausdruck für
- den feierlichen Act der Wehrhaftmachung, der Erhebung zur Kitterwürde.
- — 4594 elliptisch = ^3 gezeme; a« = passen zu; vgl. 4651. — 4596 geliehen
- swv., gefallen; dieselbe Wendung in V. 9496. — 4600 daneben die Lesart:
- von weritlicher zierheit ; vielleicht wertlicher zierheit? vgl. jedoch Y. 4409. 5085.
- VIII. tkistan's schwertleite. IGl
- und ^v8ere daz gefücge, 4605
- daz ich zwelf zuugen trüege
- in min eines munde,
- der iegelichiu künde
- sprechen, alse ich sprechen kan,
- i'ne weste, Avie gevähen an, 4610
- daz ich von richeite
- so guotes iht geseite,
- maue hiete baz da von geseit.
- ja ritterlichiu zierheit
- diu ist so manege wis geschriben 4615
- und ist mit rede also zetriben
- daz ich niht kan gereden dar abe,
- da von kein herze fröude habe.
- Hartman der Ouwa}re,
- ahi, wie der diu msere 4620
- beid' uzen unde innen
- mit Worten und mit sinnen
- durchvärwet und durchzieret I
- wie er mit rede figieret
- der aventiure meine! 4625
- wie Kiter und wie reine
- sin kristalli'niu wortelin
- beidiu sint und iemer müczen sin !
- si koment den man mit siten an,
- si tuont sich nahe zuo dem man 4630
- und liebent rehtem muote.
- swer guote rede ze guote
- und ouch ze rehte kan verstau,
- der muoz dem OuwiGre lan
- 46Ü5 'jefüerie adj., passend, streift liier an den Begriff: möglich. — 4i)lU ine
- tceste , da(o ich nicht wüsste, abh. von so in V. 45^1». Die Verse 4602—9
- sind Zwischensätze. — 4t)13 mane nach Hs. M = man Me = daß man nicht
- liiitte. — 4614 zierheit stf., Zierde, Schmuck. — 4616 zetriben stv., eigent-
- lich: auseinander treiben, zerstreuen; hier bildlich: abnutzen; vgl. 122SS.
- — 4617 dar abe adv., davon.
- 4619 s. Namenvcrzeichniss: vgl. Eecli's Einleitung zu Hartmanu von
- Aue, I. — 4620 aZ/tinterj. wie unser: ei; hier freudig, dagegen vorwurfsvoll in
- V. »S60. — 4622 fg. vgl. Bech's Einleitung zu Hartmann von Aue, I, viii.
- — 4G24 figieren swv. Fremdwort, lat. jigere , treffen; vgl. zu 10847. —
- -' meine stf., INleinung, Gedanke, Bedeutung; vgl. 12000. — 4629 an
- ■•II mit acc, sich einem nähern. — mit siten, mit Anstand, Sanftheit. —
- «Kl nicli nahe tuon zuo, sich ansclimiegen an; hier bildlich, wörtlich in
- V. 10914, mit praep. an in V. 1112s. _ 4631 lieben swv. (vgl. zu 27) hier
- mit dat. — \ i> >
- COTTIKIED VON STKASSBUBG. I. 2. Aufl. 11
- 162 viii. tristan's schwertle^te.
- sin schapel uiide sin lorzwi. 4035
- — swer nü des liasen geselle si
- — und üf der wörtheide
- -Hiüch Sprünge und ^Yitweide
- (118^)-Tiiit bickelwerten welle sin
- und üf daz lorschapelekin 4640^
- wän ane volge welle hän ,
- der läze uns bi dem wäne stän,
- .wir wellen an der kür euch wesen:
- wir, die die bluomen helfen lesen,
- mit den daz selbe loberis 4645
- 4635 lurzwi stn., Lorberzweig, Lorber. — 4G36 des liasen ;/esdle , wie ein
- Hase; hier nicht von der eigeutlicLen Furchtsamkeit, sondern von der
- Flüchtigkeit, Unruhe gesagt. Man hat den Vergleich, da der ganze Augriff
- höchst wahrscheinlich auf Wolfram von Eschenbach geht, für eine directe
- Anspielung gehalten auf den Anfang des Parzival, insbesondere auf 1, 19:
- diz vlie'jende bispel ist tuinben Hüten gar ze snel, sine niugen' s nilit ^denken:
- uand' ez kan vor in wenken relde alsani ein schellec (scheu) }tase. Groote
- fasst des hasen geselle als: Mitbewerber Hartmann's von Aue (weil die Aue
- des Hasen Aufenthalt ist), was aber die folgende Ausführung des Bildes
- verbietet. Mit der Annahme einer ausdrücklichen Anspielung auf den
- Parzival kann ich mich nicht befreunden ; es ist einfach ein Bild, bei dem
- in erster Reihe die Worte hochsprünge und uttweide stehen, die ihrerseits
- die Wahl des Hasen veranlasst haben. — 4637 wort/ieide im Bilde; /teide,
- der Tummelplatz des Hasen; ohne Bild; da wo es sich um Worte, um den
- dichterischen Ausdruck handelt. — 4638 hSdisprünge adj., wörtlich etwa:
- hochsprüngig, hochspringend (wie der Hase) [vgl. unser: hochtrabend].—
- wUiveide adj. (swm. anzusetzen ist nicht iiöthig), wörtlich: weitweidig, der
- weit umher weidende, d.h. nach dem mlid, Wörterbuche: «der nacli Gott-
- fried's Ansicht seine Worte und Bilder weither zusammenholt. » Oder
- sollte Witweide nicht vielmehr unserm: weitschweifig entsprechen, da die
- ungewöhnlichen Worte durch das folgende mit bickelworten charakterisiert
- werden? — i^'dd bickelwort, welches nur hier erscheint und wahrscheinlich
- vom Dichter eigens gebildet ist, hat verschiedene Deutungen gefunden;
- Groote: «scherzhafte, anzügliche Narrenreden (von /^/AÄren, hacken)«; Hagen:
- " «wörtlich Würfelworte, von bikkeln , werfen, würfeln; bikkelspiel, Würfel-
- spiel, jetzo Peilkenspiel» ; zweifelnd das mhd. Wörterbuch: «Stichelrede
- (oder zusammengewürfeltes Wort?).» Stichelrede gewiss nicht, das würde
- in den Augen des humoristischen und vielfach auch sarkastischen Dich-
- ters kein Fehler sein. Und zusammengewürfelte, also ungehörige, un-
- zusammenhängende und unklare Worte können auch nicht gemeint sein,
- da es sich hier weniger um den Sinn als um den Ausdruck handelt. Mit
- Hagen fasse ich bickclwort = bickelspilwort wie zabtiworteün in \. 2287 =
- zabelspilwortelin; die fremden und technischen, sonst ungewöhnlichen Aus-
- drücke, wie sie sich an jedes Spiel halten, hat der Dichter im Sinne, und
- •wählt hierzu bickelwort bildlich für die Ausdrücke, die innerhalb der
- dichterischen Sp^rache das Gegentheil von rein und krystallklar sind. — |
- 4640 lorschapelekin stn., Lorberkränzlein ; vgl. zu 676. — 4641 u-än haberiy i
- Hoffnung haben, sich Hoffnung machen, beanspruchen. — äne volge, ohne
- Zustimmung, d. h. hier : auch gegen die Ansicht anderer, — 4642 wän, hier
- im stilistischen Gegensatze zu wän im vorhergehenden Verse: Meinung;
- der lasse uns wenigstens bei unserer Meinung bleiben, der verwehre bei |
- seiner Eitelkeit uns nicht zu kritisieren. — 4643 wellen, hier wohl im Sinne
- von: meinen, glauben, also nicht: wir wollen, wir wünschen auch beider
- Prüfung zu sein, sondern: wir glauben auch unter den Beurtheilern zu
- sein, zur Kritik berechtigt zu sein. — 4645 7-is stn., Zweig [Reis nhd. be-
- schränkter]. — loberis, Ehrenzweig, Ehrenkranz. —
- VlII. TIUSTAN's SCHWEKTLEITE. 163
- uiiderfluhteii ist in bluomeu wis,
- wir wellen wizzen, wes er ger:
- wan swer es ger, der springe her
- und stecke sine bliiomen dar.
- so nemen wir an den bkiomen war, 4650
- op si so wol dar an gczemen ,
- daz wir'z dem Oüwsere nemen
- und geben ime daz lorzwi.
- Sit aber noch niemen komen si ,
- der ez billicher süle hän, 4G55
- so helfe iu got, so läze wir'z stän.
- wirn' suln ez niemen läzen tragen ,
- siniu wört ensin vil wol getwagen,
- sin rede ensi ebene i'mde sieht,
- op iemcn schone unde üireht 4660
- mit ebenen sinnen dar getrabe,
- daz er dar über iht besnabe-
- "Tindoare wilder mrere ,
- -der masre wildenajre,
- die mit den ketenen liegent ' 4665
- und stumpfe sinne triegent,
- 464^) untcrri eilten stv., dazwisclieiifiechten , diirchflechtcn. — 4644 fg. unter
- vir versteht der Dichter sich und seine Dichtergenossen, nicht das gc-
- sammte Publikum. — bluoiia-n lesen helfen ist zu bezielien auf die gemein-
- same Dicliterthätigkeit; wir Dichter, die wir ebenfalls Blumen lesen, d. h.
- Dichtungen schaffen und dadurch zum Plechteu jenes Ehrenkrauzes hel-
- fen und beitragen, wir wollen (hier «T//»'«=nhd.) u. s. w. Die Concurrenten
- verhelfen gerade dem sie überragenden Dichter zu seiner Größe, aus ihren
- Werken bestellt gewissermaßen erst dessen Kuhm, aber darum haben sie
- auch ein Anrecht auf die freie Zuerkennung des Preises. — 4658 getwagen
- part. von tuahen stv., waschen, getivagcn adjectivisch , rein (gewaschen),
- sauber. — 4659 ebene und sieht, eljen und gerade, werden im Mhd. gerne
- verbunden. — 4iW;i getruben swv., verst. traben. — 4662 besnaben swv.,
- straucheln. — 4663 vindoere stm., Erfinder, Dichter. — wilde adj., hier:
- seltsam, wunderbar; das Wort scheint uns tadelnder als es in früherer
- Zeit w.ir; es steht ähnlieh wie Jreiurde ; Kudolf von Ems spricht in der
- literarisciien Stelle seines Alexander ebenfalls von den wilden äccntiuren
- des Wolfram von Eschenbach , lobt sie aber als kurzweilig. — nia're pl.
- muß nacli Gottfried's Art hier und im folgenden Verse verschieden ge-
- faset werden; den Doppolsinn würde bei uns: Geschichten ziemlich er-
- reichen; hier allgemein: Dinge. — 4664 moere, hier dagegen : Erzählungen.
- — irUderticre, Wilderer, Wildschütz, Jäger; in dieser Bedeutung in V. 17463,
- bildlich drr minnen wildrnai Q li;i34 ; hier kann es auch nichts anderes als:
- .lüger bedeuten an Wildsihütz in uuserra Sinne, an Wilddieb ist aber
- nicht zu denken): Geschichtenjäger wohl in dem Sinne: die Jagd auf Er-
- z4hlung88toffe machen: die ohne gosclimackvolle Auswahl alles Mögliche
- behandeln. Hier richtet sich Gottfried gegen die Anhäufung von Aben-
- teuern und Episf)den. — 4665 — Tu hier siaingt der ])ichter über zu einem
- andern Bilde, welches er von den Künsten der Gaukler, der Taschenspieler
- entlehnt. — \>'<*'>ö liegen stv.. lügen, betrügen, täuschen. — mit den ketenen,
- mit den Zauberketten. .Solche Kunststücke mit Ketten sind heute noch
- ▼ielfach im Gebrauch. —
- 11*
- 164 Vlll. TRISTAN's tJCHWEKTLEITE.
- die golt von swachen Sachen
- den kinden kunnen machen
- und üz der bühsen giezen
- stoubme mergriezen: 4670
- die bernt uns mit dem stocke schate,
- niht mit dem grüenen meienblate,
- mit zwigen noch mit esten,
- ir schate der tuet den gesten
- vil selten in den ougen wol. 4675
- op man der wärheit jehen sol,
- dane gat niht guotes muotes van,
- dane li't niht herzehistes an:
- (119) ir rede ist niht also gevar,
- daz edele herze iht lache dar. 4680
- '^die selben wilden^ere
- *~Bi müezen tiut^ere
- 'mit ir maeren läzen gän :
- wir enmügen ir da nach niht verstän,
- als man si hoeret unde siht: 4685
- sone hän wir ouch der muoze niht,
- daz wir die glöse suochen
- Jn den swarzen buochen.
- Noch ist der värwaere mer:
- von Steinähe Bliker 4690
- diu siniu wort sint lüssäm,
- si worhten frouwen an der ram
- von golde und ouch von siden,
- man möhte s' undersniden,
- mit kriecheschen borten. 4695
- 4667 swach adj., hier: gering, werthlos (von Stein, Holz u. dgl. ). —
- 4669 bühse swl, Büchse sg. stf., zunächst ein Futteral; Groote denkt an
- den Glückstopf (die Pandorabüchse) ; sollte hier bühse nicht den hohlen
- Zauberstab der G-aukler bezeichnen, aus dem sie Gegenstände kleinerer]
- Umfangs schütten (giezen) und schütteln oder auch Flüssigkeiten gieiSen':
- — 4670 stoubin adj., von Staub. — mergrieze swf., Perle. — 4671 stoc stm.
- Baumstock, Stamm (vgl. 2843), Pfahl. — 4672 lueienblat (nach Hs. M u
- H, die andern in Übereinstimmung mit V. 4912 lindenblat), nicht zu fasser
- als Blatt der Meie, der Birke, sondern: das im Maien, im Lenz grünende
- Blatt. — 4679 gevar adj. = 2>ar (6592), beschaffen. — 46S0 = ein edelez h. —
- 4682 tiutcere^ stm., Deuter, Ausleger; poetisch personificiert für: Deutungen. -^'
- 4684 für da nach ist vielleicht zu lesen dannoch. — 4687 glose stf.. Glossej
- Auslegung. — 4688 unter den swarzen buochen haben wir zu verstehen
- Bücher der schwarzen Kunst, Zauberbücher.
- 4689 Der Dichter nennt die epischen Dichter im Gegensatz zu den
- nahtegalen 4749 fg. hier Färber, Maler. — 4690 s. Namenverzeichniss. — |'
- 4691 lussam (= lustsam) adj., tust erweckend, anmuthig; öfters bei Gott-
- fried. — 4692 ram stf. {ramc swm.:=Eahmen stm.), (Sticlcrahmen), Gestel
- zum Bortenwirken. —
- .VIII. TRISTAX'S SCHWERTLEITE. 165
- er hat den wünsch von worten:
- sinen sin den reinen,
- ich waene daz in feinen
- ze wandere haben gespunnen
- und haben in in ir brunnen -iTOO
- geliutert unde gereinet:
- er ist benamen gefeinet.
- sin zuuge, diu die harphen treit,
- diu hat zwo volle sselekeit:
- daz sint diu wort, daz ist der sin: 4705
- diu zwei diu harpheut under in
- ir mjere in fremedem prise.
- der selbe wörtwi'se,
- nemet war, wie der hier under
- an dem ümbehange wunder 4710
- mit sp?eher rede entwirfet;
- wie er diu mezzer wirfet
- mit behendeclichen rimen.
- wie kan er rime limen,
- als ob si da gewahsen sin! 4715
- ez ist noch der geloube min,
- daz er buoch ünde büochstäbe
- vür vedern an gebunden habe;
- (120) -Avau, weit ir sin nemen war,
- sin wort diu sweiment alse der ar. 4720
- K)9s jeine sonst auch feie) swf., Fee. — 4099 ze vundere, auf wunderbare
- iVeise; vgl. 494. — 4701 reinen swv., reinigen. — 4102 feinen {auch feien)
- wv., durch die Feen schützen und begaben (erlialten : gefeit] ; vgl. 495^
- allgemeiner) und zu löSlO. — 4710 innhelianr stm. (auch stn.), Vorhang;
- •gl. 15142-, s. auch Namenverzelchniss. — 4712 « das Messerwerfen war ein
- gefährliches Kampfspiel, das z. B. Wolfdietricli gegen einen Heiden be-
- lebt; da hierzu große Geschicklichkeit geholte, so gebraucht Gottfried
- m Tristan das Bild von der Kunst des Blikers », :Mhd. Wörterbuch 11,
- , J63'' 'nach Hagen). Sollte das Bild nicht vielmehr wieder von der
- iaukelkunst genommen sein wie 4665? Würde das nicht eher passen zu
- ler leicliifen und spielenden Sprache Bliker's, wie sie der Dichter uns
- icliildert y — 4713. 4714 unter rhu dürfen wir nicht immer nach dem mo-
- lernen Spracligebrauche das Reimwort, den Endreim verstehen, sondern
- lie Reimzeile, den ganzen Vers. Auf der andern Seite ii*ren die gewiss,
- velche neuerdings die letztere Bedeutung ausschließlich gelten lassen
- vollen; rhu hat eben beide Bedeutungen [wie Vers nach populärer An-
- •chauung bald Verszeile, bald Strophe bedeutet]. Nach Gottfried's Rede-
- veise werden hier beide Bedeutungen anzunehmen sein. V. 4713=Reim
- die scliwierigsten Reime behandelt er wie der Gaukler sein Messerspiel
- nit Leichtigkeit und Sicherheit, oder geht, wie Bech vermuthet, das Messer-
- .vcrfen auf den geflügelten Dialog, auf das Spiel mit Frage und Antwort,
- mf die Sticboraythie wie z. B. im Erec 7492 fg. und im 1. Büchl. 1170 fg.?),
- V. 4714 = Vers. — rtme limon ist ein oft gebrauchter bildlicher Ausdruck,
- ler sich auf den metrisch gleichmäßigen und correcten Bau der gereimten
- i'.eilen bezieht ; vgl. Fedor Bech in Pfeiffer's Germania 7, 79 fg. — 4720 tv^ei-
- '/(«-n swv., schweben, schweifen; das Wort wird hauptsächlich von dem
- majestätifchen Fluge der Raubvögel gebraucht.
- 166 VIII. tristan's schwertleite.
- "Wen mac ich nü mer iiz gelesen?
- ir ist und ist genuoc gewesen
- vil sinnec und vil rederich.
- von Yeldeken Heinrich
- der sprach üz vollen sinnen : 4725
- wie wol sanc er von minnen!
- wie schöne er sinen sin besneit!
- ich waene, er sine wi'sheit
- üz Pegases urspringe nam,
- von dem diu wisheit elliu kam. 4730
- i'ue hän sin selbe niht gesehen;
- nu hoere ich aber die besten jehen,
- die do bi sinen jären
- und Sit her meister wären,
- die selben gebent im einen pris, "4735
- er impete daz erste ris
- in tiutescher zungen:
- da von sit este ersprungen,
- von den die bluomen kämen,
- da si die spashe üz nämen 4740
- der meisterlichen fünde;
- und ist diu selbe künde
- so wi'ten gebreitet,
- so manege wis geleitet,
- daz alle, die nu sprechent, 4745
- daz die den wünsch da brechent
- von bluomen und von risen
- an Worten unde an wisen.
- 4723 sinnec adj., (sinnig), sinnreich, gehaltvoll. — redericit aclj., der
- Kede mächtig, beredt. — 4725 uz vollen sinnen bezieht sich wohl auf die
- vollendete Klarheit der Ausdrucksweise. — Zu beachten ist sprechen=^\ox-
- tragen, erzählen im Gegensatz zu sanc im folgenden Verse, wo Heiurich's
- lyrische Poesie gepriesen wird. — 4728 wisheit stf., nicht ethisch zu fassen,
- sondern: Kenntniss, Fertigkeit, Kunst. — 472d Feffases, s. Namenverzeich-
- niss. — ursprinc stm., Quelle; vgl. zu 17988. — 4734 hier liegt in ruei-^ter
- der Begriff der Meisterschaft, der Autorität. — 4736 impete n (alte Form
- Hs. M), >impfeten swv., impfen, pfropfen. Die bildliche "Wendung geht nicht
- auf den Stoff, auf die Einführung französischer Eittergedichte in die deut-
- sche Poesie, sondern auf die Form, auf die künstlerisch vollendete Hand-
- habung des Metrums und des Reimes, in welcher Yeldeke vorausgieng. —
- 4738 ers] ringen swv., hervorspringen, entsprießen. — 4741 fünde gen. pl.
- \on funt stm., Fund (dichterische) Erfindung, dann überhaupt: Dichtung;
- vgl. 19200 fg. — 4742 künde stf., hier = Kunde, Kenntniss. — 4743 iL-iten =
- witene, verschieden von ivtte adv., weit, weithin. — 4746 hier liegt wohl in
- viinsch ein "Wortspiel ; zunächst bedeutet das Wort wie in V. 1374. 3710
- und wie kurz vorher in V. 4696 abstract die höchste Vollkommenheit,
- das Schönste; zugleich klingt wünsch (wegen brechen) an die Bedeutung:
- "Wünschelruthe , mit deren zauberischer Kraft "Wort und "Weise erlangt
- werden. — 4747 rUen dat. pl. von ri^ ; hier deutlich: daß wir uns das
- Keis nicht kahl, sondern belaubt und blühend zu denken haben.
- VIII. tkistan's schwertleite. 167
- Der nahtegalen der ist vil,
- von den ich nü niht sprechen wil: 4750
- sine ha'rent niht ze dirre schar.
- dur daz sprich' ich niht anders dar,
- wan daz ich iemer sprechen sol:
- * si kunnen alle ir ambet wol
- und singcnt wol ze prise 4755
- ir süeze sumerwise;
- ir stimme ist lüter unde guot,
- si gebeilt der werkle hohen muot
- (121) und tuont reht' in dem herzen wol.
- diu weiit diu wrere uuruoches vol 4760
- und lebete rehte als äne ir danc,
- wan der vil liebe vogelsanc:
- der ermant vil dicke den man,
- der ie ze liebe muot gewau,
- beidiu liebes unde guotes 4765
- und maneger hande muotes,
- der edelen herzen sanfte tuot :
- -ez wecket friuntli'chen muot.
- hie von kumt inneclich gedanc,
- so der vil liebe vogelsanc 4770
- der wcrlde ir liep beginnet zalen.
- uu sprechet umbe die nahtegaleu;
- die siut ir dinges wol bereit
- und kunnen alle ir senede leit
- so wol besingen unde besagen. 4775
- welhiu sol ir baniere tragen,
- Sit diu von Hagenouwe,
- ir aller leitevrouwe
- der wcrlde alsus geswigen ist,
- 4749 nahtegalen neuut Gottfried die Liederdichter, weil die lyrische
- L'oesic stets mit dem Gesäuge verbunden ist. — 475'5 suiiiencisi' stf., nicht:
- äommerweise im engen Sinne, sondern : Frühlingsweise, Frühlingsmelodie ;
- iU)iier in der alten Sprache umfasst auch die Lenzmonate [nhd. auch bis-
- kveilen, aber viel beschränkter]. — 476U unruoch stm., hier: Sorglosigkeit,
- Apathien (Zarucke), Freudlosigkeit. — 47m äne danc, ohne Willen, uu-
- rreiwillig, interesselos. — 47G2 wan, vgl. zu 107. — 4769 innedk/i ffedanc, innig-
- liches Denken, Innigkeit. — 4771 zalen, zaln swv., erzählen, verkünden. —
- 4775 besagen swv., besprechen, doch decken sich beide Wörter nicht, he-
- "iinrjen und besagen steht formelhaft wie das liüufigere singen und sagen. —
- 4777 8. Namenverzciclmiss. - -illS leitevrouwe swf., (Leiterin), Anführerin;
- vgl. 4M0. — 4771) wird im Mhd. Wörterbuclie II, 2, 788 zu den seltenen
- Fällen gestellt, wo bei swujen der Dativ stellt; es soll aber nicht gesagt
- werden: die vor der Welt verstummt ist, ihr etwa schweigend zuhört; ich
- fasse vielmehr d''r irffldc als selbständigen Dativ = für die Welt ver-
- ;tumrat iit; vgl. zu ^79:]. —
- 168 VIII. TRISTAN's SCHWEKTLEITF.
- diu aller doene lioubctlist -fTSO
- versigelt in ir zungen truoc?
- von der denk' ich vil iinde genuoc,
- (ich meine ab von ir doenen
- den süezen, den schocnen),
- wä si der so vil na^me, ' 4785
- wannen ir daz wunder kasme
- SU maneger wandelunge.
- ich w^ne, Orpbees zunge,
- diu alle doene künde,
- diu doenete üz ir munde. 4790
- Sit daz man der nu niht enhät,
- so gebet uns etelichen rät!
- ein sselic man der spreche dar:
- wer leitet nu die lieben schar?
- wer wiset diz gesinde? 4795
- ich wsene, ich si wol vinde,
- diu die baniere füeren sol :
- ir meisterinne kan ez wol,
- (122) diu von der Vogelweide.
- hei, wie diu über beide 4800
- mit hoher stimme schellet!
- waz Wunders si gestellet!
- wie spaehe s' organieret!
- wi si ir sanc wandelieret!
- (ich meine ab in dem done 4805
- da her von Zitheröne,
- da diu gotinne Minne
- geblutet üf und inne).
- •47S1 vgl. zu 7818. — 4783 hier erklärt der Dichter wie hernach in V. 4805^
- daß er nur die eigentlichen Lieder, die Minnelieder, nicht die sogenannten
- Sprüche im Sinne habe. — 4785 der^ derer, bezogen auf dcewe, und zwar, da
- V. 4783. 4784 Zwischensatz ist, auch auf dcene in V. 4780. Die Übersetzer
- haben sich in der etwas verwickelten Construction nicht zurechtgefun-
- den. — 4787 wandelunge stf., Wechsel, Variation. — 4788 Orphees, s. Na-
- nienverzeichniss. — 4790 dcenen swv., auch hier nicht = tönen (vgl. zu 3586),.
- sondern: singen.
- 4793 dar sprechen, dazu sprechen, sich (beirathend) erklären; vgk
- 11309. — 4797 vgl. zu 4809. — 4801 schellen swv., schal machen, scliallen,
- schmettern. — 4802 gesf eilen, verst. stellen, anstellen, verrichten. —
- 4803 spcche adv. ( = adj. 2292; spähe in Hs. M nicht maßgebend), kunst-
- voll. — organieren swv., Fremdwort, eigentlich: orgeln, dann überhaupt:
- pfeifend musicieren; vgl. 17359. — 4804 wandelieren swv., Fremdwort (in
- der Form, Stamm aber deutsch), wandeln, wechseln (12072), variieren; vgl.
- 47S7. — 4806 s. Namenverzeichniss. — 4807 hier die Personification spe-
- cieller als in V. 959, hier: die Venus. —
- VIII. tristan's sciiwertleite. 169
- diu ist da z' Iiöve kamerrorin:
- diu sol ir leitcerinne siul 4810
- diu wiset si ze wünsche wol,
- diu weiz wol, wä si suochen sol
- der minnen melodie.
- si unde ir cumpänic
- die müezen su gesingen, 4815
- daz si ze fröuden bringen
- ir triiren unde ir senedez klagen:
- und daz geschehe bi minen tagen!
- Nu han ich rede gcnuoge
- von guoter Hute fuoge 4820
- getuegen liuten vür geleit.
- ie noch ii:t Tristan umbereit
- ze siner swertleite.
- i'ne weiz wie'cli in bereite:
- der sin wil niender dar zuo; 4825
- sone weiz diu zunge, waz si tuo,
- al eine und äne.des sinnes rät,
- von dem si ir ambet allez hat.
- waz aber werre in beiden,
- des wil ich iuch bescheiden. 4830
- Si zwei hat daz verirret,
- daz tusendcn wirret:
- dem man, der niht wol roden kan.
- 4S0a diu = (liu (nahtegal) von der VoyeJiveide 479*,). — da ze hooe nicht auf
- /it/ierone zu beziehen, sondern da ze hove stellt hiei* wie öfters formelliaft
- für das einfache ze hove ohne örtlichen Hinweis. — kamercerln stf., niciit :
- Kammcrfv-iu (vgl. zu 776."^), sondern etwa eutspi-echend der Charge: Ober-
- hofmeistcrin {=jneistcrinne in V. 4798). Pfeiffer erklärt in der Einleitung
- zu Walther, S. xvi: die ist am «Hofe der Minne» Hofnieisterin (also mit
- Beziehung auf die Zwischenerklärung ; ich fasse den Satz: die ist über-
- hofmeisterin , welcher diu banicre zukommt, welche am Hofe die Schaar
- der (natürlich hier gedacht: weiblichen) Gäste anführt und anweist. Sollte
- die baniere fiieren nicht concreter zu nehmen sein als bildlich: anführen?
- .Sollten nicht die IMeisterinnen einen mit einem Fähnlein geschmückten
- Stab getragen liaben, wie noch heute der Oberkammerherr den Stab führt?
- — 4815 'je.singcn, verst. singen. — müezen hier Aiixiliar des Futurums mit
- iraperativischem Charakter.
- 4821 gi'jüege adj., fuoge habend; liier aber kann das Wort niclit: kunst-
- fertig sein ; erstens verbietet es stilistisch fuoge 4820= Kunst; daiin hat
- der Dichter auch seine literarische Abschweifung zunächst nicht den
- Kunstgenossen bestimmt, vielmehr: fügsam; die mir gerne gefolgt sind,
- Interesse nehmen. — 4>!2(; so — dann, alsdann.
- 4s:il .s'i zuri, die beiden : zunge und sin. — verirren swv., irre machen,
- irre führen. —
- 170 VIII. tristak's schwertleite.
- kumt dem ein redelicher man,
- im erlischet in dem munde 4835
- daz selbe, daz er künde,
- ich wsene, mir ist alsam geschehen:
- ich sihe und hän biz her gesehen
- ^123) so manegen schone redenden man,
- daz ich des niht gereden kan, 4840
- ezn dunke m.ich da wider ein wint,
- als nü die liute redende sint:
- man sprichet nü so rehte wol,
- daz ich von grozem rehte sol
- miner worte uemen war 4845
- und sehen, daz s' also sin gevar,
- also ich wolte, daz si wseren
- an fremeder liute maeren
- und alse ich rede geprüeven kan
- an einem änderen man. 4850
- Nunc weiz ich, wie's beginne:
- min zunge und mine sinne
- dien' mugen mir niht ze helfe komen;
- mir ist von worten genomen
- enmitten üz dem munde 4855
- daz selbe, daz ich künde,
- hie zuo enweiz ich, waz ich tuo,
- ich entüo daz eine dar zuo ,
- dciswär, daz ich noch nie getete:
- mine flehe und mine bete 4860
- die wil ich erste senden
- mit herzen und mit henden
- hin widere z' Elikone
- ze dem niunvalten trOne,
- von dem die brunnen diezent, 4865
- üz den' die gäbe fliezent
- der Worte unde der sinne,
- der wirt, die uiun wirtinne,
- -1S34 redeiich adj. wechselt in den Hss. oft mit redertch (dieses auch hier als
- Lesart vorkommend); hier redeiich passender; der mit Kede begabte (der
- noch nicht rederich zu sein braucht); sonst hat redeiich andere Bedeu-
- tung. — 4840 des gen. neutr. abh. von niht: das nicht, nicht so. — 4S49 'je'
- prüeven swv., verst. prüeven, hier: prüfen, beurtheilen.
- 4855 enmitten adv., (inmitten), mitten. — 4860 ßehe stf., (flehende)
- Bitte. — 4864 niunvalt adj., neunfaltig, neunfach. — 4865 diezen stv., rau-
- schen. — 4866 gäbe, wenn überhaupt ilas "Wort richtig überliefert ist, hier;
- Gaben im Sinne von: Begabung, Talente (in V. 4871. 4894 = Geschenke). —
- 4S68 wirt stm., Hausherr. — wi.iinae stf., Hausfrau. —
- VIII. tristan's schwertleite. 171
- Apolle und die Camencn,
- der ören niiiii Sirenen, 4870
- die da ze liove der gäbe pflegent,
- ir genadc teilent unde wegent,
- als si ir der werkle giinnen ,
- die gebent ir sinne brunnen
- so vollecliche manegem man, 4875
- daz si mir einen traben da van
- mit eren niemer mugen versagen,
- und mag euch icb den da bejagen ,
- (124) so behalte ich mine stat da wol,
- da man si mit rede behalten sol. 4880
- der selbe traben der eine
- der ist ouch nie so kleine,
- erne müezc mir verrihten,
- verrihtende beslihten
- beide zungen unde sin, 4885
- an den ich sus eutrihtet bin.
- diu minen wort muoz er mir län
- durch den vil liebten tegel gän
- der camenischen sinne
- und muoz mir diu dar inne 4890
- zc fremedem wunder eiten,
- dem wünsche bereiten
- als golt von Arabe.
- die selben gotes gäbe
- des wären illikones, 4895
- des oberisten trones,
- von dem diu wort entspringent,
- diu durch daz öre klingent
- und in daz herze lachent,
- 487U scheint mir unrichtig überliefert. Nacli dem einheitlich (nur B,
- Nebenhs. von M, hat der eren) vorliegenden Text ist der Vers als Appo-
- sition zum vorhergehenden zu fassen: die Karaueneu, die neun Sirenen
- der Ohren, die neun Ührenberückerinneu. Sirene (bei Gottfried swf.),
- kann hier nur in übertragener Bedeutung genommen werden, aber die
- ijrklärung befriedigt nicht. — 4S71 da ze hove bestimmt bezogen auf
- Klikon 4863. — 4872 teilen swv. , austheilen. — werjen stv. , hier: zu-
- w&gcn. — 4873 gunnen mit dat. und gen. (ir^=gendde) , hier nicht bloß
- wie in V. 2598 : einem etwas gönnen , sondern : einem etwas zuwen-
- den. — 4874 bei Gottfried's Redeweine und Vorliebe für Zusammen-
- setzungen vielleicht sinnebrunnen'i — 487t) trahen stm., Tropfen; vgl. zu
- 749. — 4878 bejagen swv., erjagen, bekommen, erlangen; vgl. zu 12298. —
- 4883 verrihten swv., einrichten, in rechter Weise herstellen. — 4886 ent-
- rihtrn swv., in Verwirrung bringen. — 4889 camenisc/i adj., (kamrenisch),
- den Musen oigenthümlicb ; das Wort von Gottfried wohl eigens gebildet
- im Stile von meiisch, fruuwlii; vgl. zu 2.347. — 4891 eiten swv. Irans., bren-
- nen, schmelzen. —
- 172 Vlll. TRISTAN's SGIIWERTLEITE.
- die rede diirliulitcc maclient 490O
- als ein erweite gimme,
- die gerüochen mine stimme
- und mine bete erhoeren
- oben in ir himelkoeren
- und rehte, als ich gebeten liän. 4905
- Nu diz Kit allez sin getan,
- daz ich des alles si gewert,
- des ich von Worten hän gegert,
- und habe des alles vollen hört,
- senft' allen oren miniu wort, 4910
- ber iegelichem herzen schate
- mit dem ingrüenen lindeublate ,
- ge miner rede als ebene mite,
- daz ich ir an iegelichem trite
- rüm' unde reine ir sträze •4-915
- noch an ir sträze enläze
- deheiner slahte stoubelin,
- ez enmüeze dan gescheiden sin,
- (125) und daz si niuwan üf dem kle
- unde üf liebten bluomen ge; 4920
- dannoch gewende ich minen sin,
- so kleine als ich gesinnet bin,
- küm' oder m'emer dar an,
- dar an sich alse manic man
- versuochet unde verpriset hat. 4925
- deiswär, ich sol es haben rät;
- und kerte ich alle mine kraft
- 4900 durlluhtec adj., (durchlauchtig), durchsichtig, glänzend klar. — 4901 er-
- weit part. adj., erwählt, ausgesucht, kostbar,
- 4906 Wörtliche Übersetzung halbwegs im Nhd. verständlich, idzen
- öfters in solchen Wendungen, wo wir: angenommen, gesetzt gebrauchen»
- — 4907 passivische Construction von geivern (vgl. zu 2214), mir wird etwas
- gewährt, ich erlange etwas. — 4909 hört stm., Schatz, Fülle. — 4918 ez,
- das Stäublein. — dan sclieiden stv. , wegschaffen. — 4919 si = rede, —
- 4922 kleine adv., wenig, gering. — gesinnet part. adj., (mit Sinn) begabt;
- 9886 = nlid. — 4925 wegen ver- kann versuoclien refl. allerdings die Be-
- deutung haben : sich vergeblich versuchen, « sich suchend verirren» (Mhd.
- Wörterbuch); es ist aber nicht unbedingt nöthig; versuochen sonst bei
- Gottfried = nhd. in V. 3696. 14182. — verprisen swv. dagegen muß ein un-
- rechtes oder verfehltes prisen bedeuten. Zarncke weist mit Kecht Mhd.
- Wörterbuch II, 1, 535 Hagen's Erklärung von fiich verprisen : sich Preis
- erwerben zurück, entscheidet sich aber nicht für eine hier bestimmt gel-
- tende Bedeutung. Groote: sich überschätzen ; Zarncke's zweite Erklärung
- (nach Wackernagel) : «seinen Preis verscherzen» scheint mir die treffendste;
- das Wort entspricht etwa unserm prosaischen: blamieren. — 4926 rat haben,
- mit gen., etwas oder auch eine Person entbehren müssen, einer Sache oder
- Person entsagen , verzichten. —
- VIII. TRISTAN'» SCHWERTLEITE. 173
- ze ritters bereitscliäft.
- als ^^•eizgot maneger bat getan;
- und Seite iu daz, wie Vulkan -4930
- der wi'se, der msere,
- der guote listwürkaere
- Tristande sinen lialsperc
- swert unde hosen und ander werc,
- daz den ritter sol bestan , 4935
- durch sine hende lieze gän
- schön' und nach meisterlichem site ;
- wie er'm entwürfe unde snite,
- den kuonheit nie bevilte,
- den eher an dem schilte; 494.0
- wie er'm den heim betihte
- und oben dar üf rihte
- al nach der minneu quäle
- die fiurihen sträle;
- wie er im al besunder 4945
- ze wünsche und ze wunder
- bereite ein und ander.
- und wie min frou Cassander
- diu wise Trojerinne,
- ir liste und alle ir sinne 4950
- dar zuo heete gewant,
- daz si Tristande sin gewant
- berihte unde bereite
- nach solher wi'sheite,
- so si'z aller beste 4955
- von ir sinnen weste,
- der geist ze himele, als ich ez las,
- von den goten gefeinet was:
- i'.>2S bereilsc/ioft stf., Ausrüstung (3992), hier mit speciellcT IJezicluiiigauf die
- Waffen [vgl. die noch geltende specielle Bedeutung von: Eüstung= Panzer].
- — 49.12 listwürkccre stm., Künstler, insbesondere der Schmiedekünstler. —
- 4933 lialsperc (halsbcrc) stm., Küstung (von Ringen), bis zum Knie rei-
- chend; vgl. 6546. — 4934 hosen pl., hier die Bekleidung der beiden Unter-
- beine bezeichnend; zwo hosen in V. 6540. Die Hosen der Küstung bestan-
- den ebenfalls aus Ringen. — werc stn., Kunstwerk; künstlerisch gearbeitete
- Rüstuugsstücke; vgl. 6545.6629. — 4937 »«m/fWicA adj., meisterhaft, künst-
- lerisch; vgl. 2225. — 4939 den eher zu beziehen auf eher als auf Tristan. —
- mich beeilt mit gen. (kuonheit), eigentlich: mir wird etwas zu viel, ich
- werde eines Dinges müde, ich lasse von etwas ab. — 4941 betihten swv.,
- mit Überlegung herstellen. — 4943. 4944 die Wendung mit 7iäch ist durch
- das Adjectiv a;^; i'rt veranlasst: gemäß, entsprechend der Liebesqual, wie
- die Liebe feurig. — strale stf., Pfeil. Als Heinischmuck und Zeiclien
- koninien Pfeile öfters vor. — 4957 der abhängig von V. 4949. —
- 174 Viil. TKISTAIS'S SC'clWEKTLElTE.
- (12G) waz hsete daz iht ander kraft
- dan, alse ich die geselleschaft -4960
- Tristandes e bereite
- ze siner swertleite?
- mac ich die volge von iu hän,
- so ist min wän also getan,
- und weiz daz wol, muot unde guot, 4965
- swer zuo den zwein geraeten tuet
- bescheidenheit und höveschen sin,
- diu vieriu würkent under in
- als wol als iemen ander.
- ja, Yulkän und Cassander, 4970
- diu zwei bereiten ritter nie
- baz ze prise danne ouch die.
- Sit nü die vier richeite
- riliche swertleite
- SQS kunnen geprüevieren, 4975
- so bevelhen wir in vieren
- unsern friunt Tristanden.
- die nemen in ze banden,
- bereiten uns den werden man,
- Sit ez niht bezzer werden kan, 4980
- mit dem geziuge und mit dem snite,
- da sine reitgesellen mite
- so schone sint bereitet,
- sus si Tristan geleitet
- ze hove und ouch ze ringe, 4985
- mit allem sinem dinge
- sinen gesellen ebengelich,
- ebenziere und ebenrich:
- ich meine ab an der wsete,
- die mannes hant da nsete, ' 4990
- niht an der an gebornen wät,
- diu von des herzen kamere gät.
- 4959 hier erst der Nachsatz zu Y. 4927. — kraft, hier in anderm Sinne
- als in V. 4927: Wirkung; vgl. 13003. — 4966 gereute stn., hier mit Be.
- Ziehung auf V. 4601 bildlich: Ausstattung, förderliche Dinge.
- 4974 riliche sivertleite ist acc. und zwar wohl sg. = eine r. s. —
- 4975 geprüevieren swv., Fremdwort (in der Form, Bildung aus geprüeven
- 4582), zurechtmachen. — 4978 ze landen nemen entspricht ziemlich un-
- serm: vornehmen (von Personen und Sachen). — 4981 snit stm., Zuschnitt,
- Fagon. — 4982 reitgeselle swm. (von reite, Kriegszug, Fahrt) Kriegs-
- genosse, Kamerad. — 4987 ebengelich adj., durchaus gleich. — 4988 eben-
- ziere adj., gleich schmuck. — ebenrich adj., gleich ausgestattet, —
- VIII. TRISTAN 's SCHWERTLEITE. 175
- die si da heizent edelen miiot,
- diu den man wolgemuoten tiiot
- und werdet li'p ünde leben: 4996
- diu wät wart den gesellen geben
- dem lierren ungeliche.
- ja weizgot , der muotrichc ,
- (127) der eregire Tristan
- truoc sunderlicliiu kleider an, 5000
- von gebare und von gelaze
- gezieret üz der mäze.
- er ha3te s' alle an scbosnen siten
- unde an tugenden tibersnitcn.
- und iedoch an der waete, 5006
- die mannes bant da nsete,
- dane was niht underscheidung' an,
- der truoc der werde boubetman
- in allen gelicbe.
- Sus was der muotes riebe 5010
- der voget von Parmenie
- und al sin massenie
- ze münster mit ein ander komen
- und liseten messe vernomen
- und oucli enpfängen den segen, 5015
- des man in da solte pflegen:
- Marke nam dö Tristanden
- sinen neven ze banden,
- swert unde sporn strict' er im an.
- «sich», sprach er «neve Tristan, 5020
- Sit dir nu swert gesegenet ist
- und Sit du ritter worden bist,
- nu bedenke ritterlichen pris
- und oucb dich selben, wer du sis;
- diu gebürt und din cdelkeit ^02 6
- si dinen ougen vür geleit:
- 4995 werden swv. trans. , wert machen (synonym von tt/rf/e«), vervoll-
- kommnen; vgl. 5031. — 4997 ungeliche adv. mit dat., nicht in Überein-
- stimmung mit ... — 4998 muotriche adj. subst. (in V. 5010 j/iuotes iichc),
- freudenreich, wohlgemuth. — b002 uz der inäze ^ über die Maßen, vor-
- züglich; vgl. 9991. — 5004 übersnulen stv., im Schnitte übertreffen, dann
- überhaupt: übertreffen. — 5007 iinderscheidun'je (=Hs. H, dagegen W und
- F undenc/ii'lunge, M underscheiden) stf. = Unterschied.
- 5019 an stricken swv., anschnüren, anbinden, um- und anthun. —
- 5025 edelUit stf., Adel. —
- 17G viii. tiustaxn's schwertleite.
- wis diemüot' und wis iinbetrogen .
- M'is wärliaft und wis Avolgezogen :
- den armen den wis ienier guot,
- den rieben iemer hücligemuot; 5030
- zier' unde werde dinen lip,
- er' unde minne elliu wip;
- wis inilte unde getriuwe
- und iemer dar an niuwe!
- wan üf min ere nim ich daz, 5035
- daz golt noch zobel gestuont nie baz
- dem spere unde dem schilte
- dan triuwe unde milte. »
- (128) Hie mite bot er im den schilt dar.
- er küste in und spracli: «neve, nu var 5040
- und gebe dir got dur sine kraft
- heil ze diner rittcrschaft!
- wis iemer hövesch, wis iemer fro!»
- Tristan verrihte aber do
- sine gesellen an der stete, öO-tS
- rehte als in sin oeheim tele,
- an swerte , an s])orn , an schilte.
- diemüete, triuwe, milte,
- die leite er iegcliches kür
- mit bescheidenlicher lere vür. 5050
- und enwärt euch da niht nie gebiten :
- gebuhurdieret unde geriten
- wart da, zewäre deist min wan.
- wie si aber von ringe liezen gan,
- wie si mit scheften stcechen, 5055
- wie vil si der zerbr.Tchen
- daz sulen die garzune sagen,
- die hülfen ez zesamene tragen.
- i'ne mac ir buhurdiercn
- 5027 diemiicte adj., (demütliig), bescheiden. — ■ anbetruijen part. adj., nicht
- bethürt, nicht eingebildet. — biiZQ liodigemuot aäii., hier: hochsinnig, stolz;
- ■der Dativ den riclien=^i\xv die Eeichen, den Kelchen gegenüber. — 5035 uf
- die ere neiuen, bei der Ehre etwas auf sich nehmen^ mit der Ehre für etwa^
- einstehen; doch nicht im strengsten Sinne, sondern nur betheuerud. —
- 5038 mille stf., Freigebigkeit; vgl. zu 250.
- 5044 verrillten swv. hier mit acc. der Person, zurechtmachen, aus-
- statten. — 5048 diemüete stf., Demuth, Bescheidenheit; vgl. 1706S. —
- 5050 bescheidenlich adj., verständig. — 5054 rinc stm. ist liier der Umkreis
- des abgegrenzten Turnierplatzes. — gän läzen, Verbalellipse (das Eoss;,
- ansprengen. — l)()bl garzun stm., Fremdwort, franz. gar<;on , Knappe. —
- VIII. TRISTAN's SCHWEETLEITE. 177
- iiilit allez becioieren 50G0
- wan einen dienest biute ich in ,
- des ich in sere wiliec bin:
- daz sich ir aller ere
- an allen dingen mere,
- und in got ritterlichez leben 5065
- ze ir ritterschefte iiiüeze geben!
- OGO becrSieren swv., Fremdwort, beschreien, ausrufen (als Herohl oder als
- 'arz'in beim Turnier); das einfache Yerbum in V. 5578 (croicrfn nach den
- iUesten Hss. ; keine sclireibt zwei iz=croüeren oder Arei ^^croijieren). —
- 1O61' wiliec adj. mit dat. der Person und gen. der Sache, für einen in oder
- ;u einer Saclie geneigt (sein oder werden).
- GOTTFRIED VOX SXKASSLUEQ. I. 2. Aufl. 12
- IX.
- HEIMFAHRT UND RACHE.
- Der Gedanke an seiner! erschlagenen Vater lässt Tristan nicht zur
- Buhe kommen, und es drängt ihn nach der Heimat. Bei seinem ISchei-
- den setzt ihn Marke zu seinem Erben ein, um seinetwillen will er ehelos
- bleiben. Marschall Bual tritt zuerst in Parmenien an das Ufer und be-
- ■willkommt den Herrn in seinem Erblande und geleitet ihn nach Kanoel,
- wo Florsete ihren Herrn und Sohn in hoher Freude empfängt. Die Lan-
- desfürsten erhalten von Tristan ihr Land zu Lehen und schwören ihm
- den Huldigungseid. Hierauf zieht Tristan , Schmerz und Bachegefühl im
- Innern bergend, nach Britannie, um, wie er sagt, aus seines Feindes
- Hand sein Lehen zu empfangen. Die wohlausgerüstetc, aber äußerlich fried-
- fertig erscheinende Bitterschaar trifft den Herzog Morgan auf der Jagd.
- Tristan bringt sein Anliegen vor, aber Morgan verweigert ihm die Gunst
- und nennt, auf Tristan's uneheliche Geburt anspielend, Eiwalin's und
- Blanscheflur's Bündniss eine Liebschaft. Nach hartem Wortwechsel spaltet
- Tristan seinem Feinde das Haupt. Ein wechselvoller Kampf zwischen
- den Britunen und den Parmeniern beginnt. Bual kommt zu Hülfe, und
- Tristan bleibt Sieger. Fortan ist sein Herz getheilt zwischen der Liebe
- zu seinem Vater und Getreuen Bual und seinem Oheim Marke. Sein mit
- eigener Hand erworbenes Erbland gibt er dem Marschall zum Erblehen
- und ertheilt dessen beiden Söhnen, seinen Brüder« und künftigen Eiben
- die Bitterwürde und mit ihnen zwölf Jünglingen , unter ihnen auch sei-
- nem Meister Kurvenal. Mit diesem kehrt er unter dem Wehklagen seiner
- Freunde und Unterthanen nacli Kurneval zurück.
- Truoc lernen lebender Staate leit
- bi stseteclicher sselekeit,
- so truoc Tristan ie stsete leit
- bi staeteclicher sselekeit. 5070
- 5067 iemen lebender, nicht: ein Lebender, sondern lebender gen. pl.
- (wie in V. 2989), einer der Lebenden; vgl. 5104. — 5068 stceteclich adj.=
- gtccte, beständiglich.
- IX. HEIMFAHRT UND RACHE. 179
- Als ich es iucli besclieiclen wil:
- im ^vas ein endeclicliez zil
- gegeben der zweier dinge
- leides unde liuge;
- wan alles des, des er began, 5075
- da lang im allerdickest an,
- und was ie leit der linge bi.
- swie ungelich diz jenem si,
- (129) sus wären diu zwei conterfeit,
- stsetiu linge und wernde leit, 5080
- gesellet an dem einen man.
- «so helfe iu got, nu sprechet an:
- Tristan der hat nu swert genomen
- und ist ze richer linge komen
- mit ritterlicher werdekeit: 5085
- lät lioeren, w-elher hande leit
- haet' er bi dirre linge?»
- weiz got, an einem dinge,
- daz iegelichem herzen ie
- und oucli dem sinen nähe gie: 5090
- daz inie der vater was erslagen,
- als er Rüälen horte sagen,
- daz quäl in in dem muote.
- alsus was übel bi guote,
- bi linge schade, bi liebe leit 5095
- eines herzen stsetiu Sicherheit.
- ir aller jehe diu lit dar an,
- haz der lig ie dem jungen man
- 5072 endeclich adj. ist hier wolil nicht, wie es das mhd. Wb. 1, 432
- iffasst, vollständig, wirklich wie in V. 18222, sondern einfach zil ver-
- ärk«nd : schlieülich, letzt; vgl. endczil 10902. — zil geben häufige mhd.
- »endung von verschiedener Bedeutung und meist zu umschreiben; hier:
- estimmung. Bei ihm lief es schließlich auf zweierlei, auf Leid, Unglück
- ud Gelingen, Glück {.linge stf.) hinaus. — j076 lang praet. von lingen stv.
- -gelingen, glücken. — a//?/rf/cA('i< adv., allerhäufigst, meist. — b01% coiiter-
- it Btn. Fremdwort, Gegensatz; vgl. 102G4. — 5u81 in dem 6inen Mann
- ereint; dat. bei gesellen iu Y. 5134. — 5093 quäl in (acc.) nach Hs. M und
- ; der Dat. im in Hs. "\V und F ist ebensowenig bei dem intrans. queln
- V., Qual leiden, sich martern (s. zu 1742) erklärlich; wahrscheinlich findet
- erwechseluDg statt zwischen (/utln stv. und tiuelu swv. traus., qual=qual(e,
- i>-lte. — 5090 Sicherheit stf., S'erpflichtung , Bündniss. «Freude bei Leid
- ar das, dem ein Herz sich durch feste Verpflichtung unterworfen hatte»
- ilhd. Wb. II, 2, 259'') verstehe icli nicht. Vielmehr heißt es : Glück und
- uglUck (und die Empfindung davon) war in einem Herzen beständig ver-
- luden. — .'1097 vgl. zu 2188; hier ilar an ligen etwa glcicli uiiserm : die
- Igemeino Ansicht (vgl. 101) gelit dahin. — 5098 haz hier in unserra Sinne
- ürde die Wahrheit des Ausspruchs zweifelhaft machen; gemeint ist viel-
- ehr: der Zum, die Leidenschaftlichkeit. — an ligen einem, ähnlich wie
- id.: einen 'jcdrängen (vgl. zu 12520) wie in V. 5107. Oder steht in sti-
- 12*
- 180 IX. HEIMFAHRT UND RACHE.
- mit grdezerem ernest an
- daii einem stündigen man. 5100
- ob aller siner werdekeit
- so swebete Tristand' ie daz leit
- und daz verborgene ungemacli,
- daz niemen lebender an im sach,
- daz ime Eiwalines tot 5105
- und Morganes leben bot;
- daz leit lac ime mit sorgen an.
- der sörcsäme Tristan
- und sin getriuwelicher rät,
- der noch von triuwen namen bat, 5110
- der sselige Foitenant:
- die bereiten zehant
- mit ri'chem gersete,
- des man den wünsch da haete,
- eine richliche barken: 511.'
- sus komen si vür Marken.
- Tristan sprach: «lieber herre min,
- ez sol mit iuwern hulden sin,
- (130) daz ich ze Parmenie var
- und neme nach iuwerm rate war, 512( •
- wie unser dinc da si gewant
- umbe liute und umbe daz laut,
- daz ir da sprechet, ez si min.»
- Der künec sprach: «neve, diz sol sin.
- swie küme ich din doch müge enbern, 512;
- ich wil dich diner bete gewern.
- var heim ze Parmenie
- du und din cumpanie;
- bedarftu ritterschefte me,
- die nim, als dir ze muote ste: 513*
- nim ros, nim silber unde golt
- und swes so du bedürfen solt,
- als du bedürfen wellest;
- und swen du dir gesellest,
- listischem Gegensatze zu letzterem Verse an ligen mit dat. = an einem lige
- wie in V. 2188: der Zorn sei mehr eine Eigenthiimlichkeit der Jugend al
- des Alters? — 5100 stündic adj., zeitig, gereift. — 5109 getriuweltch adj. =
- getriuwe, von Gottfried nicht ungerne gebraucht, sonst im Mhd. Verhältnis:
- mäßig selten. — 5121 ez , ehi dinc ist gewant, es ist bewandt, beschafifei
- es steht; vgl. zu 1657; persönlicher in Y. 18958.
- IX. HEIMFAHRT UND RACHE. 181
- dem biut ez so mit guote, 5135
- mit geselleclichem muote,
- daz er din dienest gerne si
- und dir mit triuwen wese bi.
- vil lieber neve, wirp unde lebe,
- als dir din vater lere gebe, 5140
- der getriawe Riial, der hie stät,
- der michel triuwe und ere liät
- mit dir begangen unze her;
- und si, daz dich des got gewer,
- daz du dich da verrihtest 5145
- und din dinc da beslihtest
- nach frumen und nach eren,
- so soltu wider keren:
- kere wider her ze mir.
- ein dinc lob ich und leiste dir, 5150
- se mine triuwe an dine hant,
- daz ich dir min guot und min lant
- iemer geliche teile;
- und si ez an dinem heile,
- daz du mich sulest überleben, 5155
- so si dir allez z'eigene geben:
- wan ich wil durch den willen din
- eliches wibes äne sin,
- (131) die wile ich iemer leben sei.
- neve, du hast vernomen wol 5160
- mine bete und minen sin.
- bist du mir holt, als ich dir bin,
- treist du mir herze, als ich dir trage,
- weiz got, so suln wir unser tage
- froliche mit ein ander leben. 5165
- hie mite si dir urloup gegeben.
- der mägede sun, der hüete din!
- und lä dir wol bevolhen sin
- din geschäfede und din ere.»
- hie enbiten s' euch nimere: 5170
- Tristan und sin friunt Rüal
- die schiffcten von Kurnewal
- si unde ir massenie
- heim wider ze Parmenie.
- 5137 dienest stm., Diener; vgl. zu lfi891. — 5143 begän mit einem =
- ahd. an einem; beyän nhd. beschränkter (vgl. 705), hier zu geben etwa,
- lurch: bewähren; vgl. 5223.
- 182 IX. HEIMFAHRT UND RACHE.
- Ob iu im vil liep ist vernomen 5175
- umbe dirre herren willekomeu ,
- ich sage iu, alse ich hän vernomen,
- wie si da wären willekomen.
- Ir aller 1 eitlere,
- der getriuwe, der gewsere 5180
- Rüal trat vor üz an daz lant;
- sin hüetelin und sin gewant
- leit' er höfschliche dort hin dan:
- Tristanden lief er lachende an,
- er kuste in und sprach: «herre min, 5185
- gote sült ir willekomen sin,
- iuwerm lande unde mir!
- kieset, herre, sehet ir
- diz schcene lant bi disem mer?
- veste stete, starke wer 5190
- und manic schoene kastei:
- seht, daz hat iuwer vater Kanel
- an iuch geerbet unde bräht,
- Sit ir nu biderbe unde bedäht,
- swes iuwer ouge hie gesiht, 5195
- des engät iu niemer niht:
- des bin ich iemer iuwer wer. »
- mit dirre rede so kerte er her
- (132) mit richem herzen unde frö;
- vil froli'che enpfieng er do 5200
- die ritter al besunder:
- er begünde si ze wunder
- mit sineu werten süezen
- salüieren unde grüezeu.
- hie mite fuort' er si üf Kanoel. 5205
- die stete unde diu kastei,
- diu von Kaneles jären
- in siner pflege wären
- in allem dem lande,
- diu gab er üf Tristande 5210
- nach vil getriuwelichem site;
- und euch diu sihen da mite.
- 5193 erben swv., vererben; an = nhd. auf. — 5197 «-«r swm., Gewährs-
- mann; dafür stehe ich euch. — 5210 uf yeben mit dat., Terminus aus dem
- Lehnrecht, übergeben. —
- IX. HEIMFAHET UND RACHE. 183
- diu in waren au gevallen
- von sinen vordem allen.
- waz so! der rede nii mere? 5215
- er haDte rät und ere:
- dur daz bot er dem herren rät
- als der, der rät und ere hat,
- und mit im al den sinen.
- daz flizen und daz pinen, ö?20
- daz er mit süezem muote
- in allen ze guote
- und alle wis an in begie,
- dazu gesäcli männes ouge nie.
- Wie do? wie ist mir sus geschehen? o225
- ich hän mich selben übersehen:
- wä sint nu mine sinne?
- die guoten marschalkinne,
- die reinen, die Staaten
- mine frouwen Florseten, -5230
- daz ich die sus verswigen hän,
- deist niht da her von hove getan,
- ich sol ez aber der süezen
- bezzern unde büezen.
- diu hövesche, diu guote, 5235
- diu guote gemuote,
- diu werdeste, diu beste,
- ich weiz wol, daz si ir geste
- (133) niht eine mit dem munde enpfie; f
- wan swä daz wort von munde gie, 5240
- da gie der süeze wille ie vor.
- ir herze daz fuor rehte enbor,
- als ez gevidert wsere.
- si wären vil einbsere
- 5220 ßtzen hier subst. Inf. stn. (vgl. 623), Eifer, Sorgfalt. — pinen subst.
- inf. stn. (vgl. It^U), Bemühung.
- 5225 Wie do? wie nun? — 522tj übersehen siv., vergessen. — 5230 »u/ic
- fromce^madarne ; vgl. zu 3524. — 5232 das ist nicht anständig gehan-
- delt. — 5234 bezzern swv., vergüten; vgl. zu 1511. — 523G guote nach Über-
- einstimmung von Hs. H, W und F und durchaus stilgemäß im Wortspiel
- mit gwjte fem. in V. 5235; das Adverbium guote statt icol, in damaliger Zeit
- sonst ungebräuchlicli, ist dem Dichter, der so frei mit der Sprache schaltet,
- wohl zuzutrauen, und einmal musste mit diesem Adverbium, an dem die
- jüngere Zeit gar keinen Anstoß nimmt und welches nach Bech's Nachweis
- um die Mitte des 13. Jahrhunderts schon geläufiger ist, der Anfang ge-
- macht werden; Hartraann Iwein 7300 spielt anders: diu süeze, diu gtiote^
- 'liu suoze geiHuole. — 5243 gevidert part. adj., geflügelt. —
- 184 IX. HEIMFAHRT UND RACHE.
- beidiu ir wille unde ir wort. 52^5.
- ich weiz wol, daz si über bort
- vil geselleclicbe giengen,
- da si die gaste enpfiengen.
- diu saelege Florsete
- waz fröiide ir herze hsete 5250
- wider ir herren unde ir kiut,
- daz kint, des disiu mcere sint,
- (ir sun Tristanden den mein' ich)
- entriuwen, des erkenne ich mich
- an manegen unde an guuogen 5255
- ir tugenden unde ir fuogen,
- die ich von der saelegen las;
- daz der niht ein lützel was,
- daz bewserte s' alse wol,
- als ein wip allerbeste sol : 5260
- wan si schuof ir kinde
- und sinem ingesinde
- al die ere und daz gemach,
- diu ie ritteren geschach.
- ouch waene ich eines alse wol, 5265
- daz ich es niht baz wsenen sol
- von dem hoveschen Kurvenäle;
- dem enwsere er ze dem male
- ein willekomener Tristan,
- ich enhän da keinen zwivel an. 5270
- Hietmite so würden besant
- ze Parmenie übr al daz lant
- die herren und diu heischäft,
- die da hseten die kraft
- der stete und der kastele. 5275
- nu die ze Kanoele
- gemeinliche kämen,
- gesähen unde veruämen
- (134) von Tristande die wärheit,
- als uns daz msere von im seit 5280
- und alse ir selbe habet vernomen,
- 5246 bort stm. (?), Bord, Schiffsrand, Ufer, über bort gan bildlich, sich
- ergießen, tiberströmen. — si^= wille und wort. — 5254 sich erkennen hier
- mit gen., darauf verstehe ich mich, das schließe ich; alsdann a«^aus.
- 5274 kraft stf. mit gen., Gewalt über; anders = nhd. in V. 5727. —
- IX. HEIMFAHRT UND RACHE. 185
- dö flugcii tüsent willekomen
- von iogclichcs munde.
- liut undc lant begunde
- von langem leide erwachen 5285
- und sich ze frönden machen
- ze wunderlichem wunder:
- si enpfi'engen al besundcr
- ir lehen, ir liutc unde ir lant
- von ir herren Triständes haut: 5290
- si swuoren hulde und wurden man.
- Hier under haete ic Tristan
- den tougenlichen smerzen
- verborgen in dem herzen,
- der da von Morgäne gie. 5295
- der smerze der begab in nie
- weder fruo noch spate,
- alsus gienc er ze rate
- mit magen und mit mannen
- und jach, er wolte dannen 5300
- ze Britänje gäben ,
- sin leben enpfähen
- von sines viendes hant,
- dur daz er sines vater lant
- mit rehte haete deste baz. 5305
- diz sprach er unde tete ouch daz:
- er fuor von Parmenie
- er und sin cumpanie
- bereitet unde gewarnet wol,
- also der man ze rehte sol, 5310
- der üf angesliche tat
- ernestlichen willen hat.
- Do Tristan ze Britänje kam, *
- von äventiure er da vernam,
- und horte wserliche sagen, 5315
- 5282 fliegen stv. braucht Gottfried gern in solcher Weise; vgl. z. B. 5481. —
- .'»286 machen refl., wie noch volkstbümlich : sich wohin begeben, wenden;
- ze frijuden, sich den Freuden zuwenden, sich erfreuen; vgl. 559. — 5291 hulde
- stf., hier: Uutertl)ancutreue ; //. au-«/-« = huldigen.
- 5295 rjän von einnin , von einem ausgelien, herrühren; vgl. 5667. —
- 5296 begehen stv. mit acc, einen aufsjebcn, von einem ablassen. — 53Ü9 ge-
- icarnct part. adj. s. zu P05 und vgl. 5471.
- 186 IX. HEIMFAHRT UND RACHE.
- Morgan der herzog rite da jagen
- von wälde ze walde.
- nu liiez er ilen balde ,
- (135) die ritter sich bereiten
- und under ir rocke leiten 5320'
- ir hälsperge unde ir dinc,
- und so daz niemen keinen rinc
- üz dem gewande lieze gän.
- nu diz geschach, diz was getan;
- und über daz leite ie der mau 5325
- sine reisekappen an
- und säzen üf ir ors also.
- ir gezoc hiezen s' dö
- stätliche wider riten
- und niemaunes biten 5330
- und teilten ir ritterschaft.
- dö wärt diu grdezere kraft
- geschicket an die widervart,
- daz der gezoc wsere bewart,
- da der üf sine sträze gie. 5335
- dö diz geschach, dö h?eten die,
- die mit Tristande kerten hin,
- wol drizec ritter under in;
- jene an der widerkere
- wol sehzic oder mere. 5340
- Yil schiere wart, daz Tristan
- liund' unde jägere sehen began.
- die selben fragte er msere,
- wä der herzöge wsere.
- die täten ez im iesä kunt; 5345
- und er des eudes sä zestunt
- 5319. 5320 bereiten, leiten sind Infinitive, abh. von hiez. — leiten stv., führen;
- «»cZer 7> rocAe, Accusativwendung ; im Neuhochd. dafür; unter ihren Röcken.
- 5322 rinc stm., Panzerring, Stück vom Ringpanzer. — 5325 leite im Spiel
- mit leiten in V. 5320 \xiQr^= legete. — ie der man nicht formal = jeder
- Mann (nhd. jeder aus ieweder , iegetceder Gr. 3, bb), sondern (e=je und
- der 7nan = einer; man sagt auch ähnlich nhd.: man immer ( = der man
- vgl. 3047); in der Bedeutung ist ie der man allerdings = jedermann. —
- 5326 reisekappe swf., Eeisemantel; vgl. zu 2629. — 5328 gezoc stm. (5334),
- .Zug, Mannschaft. — 5329 stätliclie adv. (zu State), gemächlich, ruhig; vgl.
- zu 15978. — 5333 tcidervart stf., Rückfahrt, Rückweg; ebenso 5339 wider-
- kere stf., Rückkehr (wie in Y. 17094); beide Worte sind hier technisch
- aufzufassen wie: Retirade und Retraite.
- 5346 des endes gen. adv., an den Ort, dahin; bei Gottfried ziemlich
- häufig; vgl. z. B. 7407. Das Verbum der Bewegung in diesem Verse fehlt
- zu Gunsten des lebhaften Ausdrucks : und er gleich dahin und fand u. s. w'. —
- IX. HEIMFAHRT UND RACHE. 187
- und vant ouch da vil schiere
- üf einer waltri viere
- vil ritter Britune,
- den Avarcn pavelüne 5350
- und hüten üf daz gras geslagen,
- dar umbe und dar in getragen
- loup unde lieliter bluomcn vil.
- ir hunde unde ir vederspil
- daz hseten si ze banden. 5355
- die graozten oucli Tristanden
- und sine rotte da mite
- höfschliche nach dem hovesite;
- (136) die Seiten ime ouch iesä,
- Morgan ir berre rite da 5360
- vil nahen in dem walde.
- dar ilten si do baldo.
- da fuudon s' ouch Morgänen
- unde üf kastelänen
- vil ritter Britune haben. 5365
- ISii si begunden zuo z'im draben,
- Morgan enpfie die geste,
- der willen er niht weste
- vil gastlichen unde wol,
- als man die geste enpfähen sol. 5370
- sin lantgesinde tete alsam:
- ir iegeli'cher der kam
- gerant mit sinem gruoze.
- nach dirre ünmüoze,
- do diz grüezen gar geschach, 5375
- Tristan ze Morgane sprach:
- «berre, ich bin komen da her
- nach minem leben unde ger,
- daz ir mir daz hie lihet
- und mir des niht verzibet, 53S0
- des ich ze rehte haben sol:
- 5348 waltririrre sÜ., Fremdwort, Waldbach (vgl. 10^88); dann auch: Wald-
- bezirk = Waldrevier. — hSbO paveluiie stf. (13271) Fremdwort, (Pavillon),
- Zelt. — 5351 fiülen nach Hs. M (fie/cn Hs. \Y) = hütfen; vgl. zu 587. —
- 5364 kastelän stn., Fremdwort, Castilier, castilischea Boss; vgl. 6G(J4 und
- zu 921.'). — 53G5 /ia6e;i = halten.
- 5379 l!/if>n stv. , verleihen, zu Lehen geben. — 5380 verzihen stv. mit
- dat. und gen., einem etwas versagen, abschlagen. —
- 188 IX. HEIMFAHRT ÜND RACHE.
- SO tuot ir liöfsclilicli iinde wol.»
- Morgan sprach: «herre, saget mir,
- von wannen oder wer sit ir?»
- Tristan sprach dö wider in: . 5385
- «von Parmenie ich bürtec bin,
- und hiez min vater Riwalin.
- herre, des erbe sol ich sin;
- ich selbe heize Tristan.»
- Morgan sprach: «herre, ir komet mich an 5390
- mit alse unnützen mseren,
- daz si als wsege wseren
- verswigen, alse vür brä'ht.
- ich bin des kürze bedäht:
- soltet ir iht von mir hän, 5395
- des wsere iu schiere State getan ;
- wan iu enwürre niht dar an,
- irn wseret ein gezaeme man
- (137) einen legelichen eren,
- dar ir ez soltet keren. 5400
- wir wizzen aber alle wol,
- (diu lant sint dirre mserc vol)
- in welher wise Blanschefluor
- mit iuwerm vater von lande fuor,
- ze weihen eren ez ir kam, 5405
- wie diu friuntschaft ende nam.»
- «friuntschäft? wie meinet ir daz?»
- ui'ne sage iu nü niht vilrbäz,
- wan diser rede der ist also.»
- «herre», sprach aber Tristan do 5410
- «hi disem maere erkenne ich mich:
- ir meinet ez also, daz ich
- niht eliche si geborn
- und süle da mite hän verlorn
- 5392 wcege adj., (überwiegend), vortheilhaft, gut; als iü. = unserm: ebenso
- gut; vgl. 10413. — 5395 terminologische Wendung: hättet ihr ein Recht
- auf ein Lehen von mir"; vgl. Bech zu Erec 538. 10087. — 5396 State tuon
- mit dat. uJid gen., einem zu etwas Gelegenheit geben, einem in etwas will-
- fahren. — . 5397 enwürre conj. prset. von werren stv. , hier: hindern. —
- 5398 nhd. positiv: daß ihr wäret oder: zu sein; die Negation { = quin im
- Lat.) veranlasst durch enwerren. — gezccrne adj. mit dat., (geziemend), an-
- stehend, würdig. — 5399 ein adj. im Mhd. bisweilen auch im Plural, nlid.
- dafür Singularwendung oder Auslassung des "Wortes. — 5404 von, lande,
- aus dem Lande, der Heimat. — 5411 ernennen hier wieder reflexiv; nicht:
- durch diese Rede fühle ich mich getroffen, sondern: ich verstehe diese
- Rede, schließe daraus; vgl. 16563 und zu 2017. —
- J
- IX. HEIMFAHRT UND EACHE. 189
- min leben und min lelienrelit.» 54:15
- «entriuwen, herre guoter knelit,
- da vür hän ich ez und manic mau.»
- «ir redet übel», spracb Tristan
- «ich wände doeb, ez wsere
- gevellec unde gebaere. 5420
- swer dem man leide taete,
- daz er mit rede doch haste
- sin unde gefuoge wider in.
- baetct ir nu fuoge unde sin,
- so leide als ir mir habt getan, 54:"25
- ir raöhtct mich doch rede erlän,
- diu niuwe swaere wecket
- und alte schulde recket:
- ir sluoget mir den vater doch;
- hie mite endünket iuch noch 5430
- mines leides niht genuoc,
- irn jehet, min muotcr, diu mich truoc,
- diu trüege mich kebesliche.
- sem mir got der riche!
- ich weiz avoI, so manc edele man, 5435
- des ich hie niht genennen kan,
- sine hende mir gevalden hat;
- und haeten s' dise Untat,
- (138) der ir da jehet, an mir erkant,
- ir deheiner haite sine haut 5440
- zwischen die minc nie geleit.
- die wizzen wol die wärheit,
- daz min vater Riwalin
- niine müoter an daz ende sin
- brähte vür ein elich wtp: 5445
- ist, daz ich daz üf iuwern lip
- bewaeren unde bereden sol,
- entriuwen, daz berede wol.»
- 5416 nicht htrre, r/uo'cr kneht, sondern herre yuotcr kncht^ Herr Eitler; vgl.
- zu 1668. — 5420 gevellec adj., (gefällig), passend. — 5423 gefuoge stf.=
- fuoge. Schicklichkeit, Anstand. — 5426 erläzen mit acc. und gen. (rede),
- einen mit etwas verschonen. — 5428 recken swv., von Grimm Gr. 4, 603 mit
- cxcitarr, movere erklärt; das scheint mir stilistisch das vorliergcliende wecken
- zu verbieten; ich glaube vielmehr: recken, ausdehnen, vergrößern: die
- alte, die erste Schuld erhöht. Bech vermuthet : vorhalten, vorrücken (aus
- die hant oder die vinger recken). — 5436 genennen, verst. nennen. — 5437 die
- lunde einem valden, ein Actus der Belehnung; vgl. Grimmas liechtsalter-
- thümcr 139 und ferner V. 5440 fg. — 5447 bewivrcn swv., beweisen. — be-
- reden swv., bezeugen, erhärten. —
- 190 IX. HEIMFAHRT VISD HACHE.
- «üz!» sprach Morgan «in gotes haz!
- iuwer bereden waz sol daz? 5450
- iuwer släc engät ze keinem man,
- der ie ze hove reht gewan.»
- «diz wirt wol schin», sprach Tristan.
- er zucte swert und rande in an,
- er sluog im obene hin ze tal 5455
- beidiu hirne und hirneschal,
- daz ez im an der zungeii want.
- hie mite so stach er ime zehant
- daz swert gein dem herzen in.
- dö wart diu wärheit wol schin 5460
- des Sprichwortes, daz da gibt,
- daz schulde ligen und fulen nilit.
- Morgaues cumpanjüne
- die frechen Britü'ne,
- die enkünden ime da niht gefromen 5465
- noch ze helfe im nie so schiere komen,
- ern Isege an dem valle.
- iedoch so wären s' alle,
- als si do mohten, an ir wer.
- ir wart vil schiere ein michel her: 5470
- die ungewärneten man
- si komen alle ir vinde an
- mit mänlichem muote.
- warnünge unde huote
- der nam da lützel iemen war, 5475
- wan drungen et mit hüfen dar
- und täten s' alle mit gewalt
- üz hin ze velde vür den walt.
- 5449 uz adv., liier eine Interjectiou, es ist aber niclit der Euf, der zum
- Schwertauszieheu (wie etwa: zielit!) auffordert, sondern = hinaus ! fort! —
- in gotes haz, eine Verwünschung, etwa = zum Teufel! — 5451 slac stm.,
- hier nicht der Handschlag zur Bekräftigung der Aussäge, sondern der
- Schwertschlag. — gän ze einem, zu einem gelangen , einen treffen ; es liegt
- hierin nicht allein eine social -rechtliche Überhebung, sondern vielleicht
- auch der Glaube, daß der Uneheliche dem Ritter nichts anhaben könne. —
- 5454 sivert zucken = das Schwert zücken; vgl. swert nemen , sw. geben, fer-
- ner swert gesogenen 5021. .s^jer uf und nider werfen 6854. — 5455 obene adv.,
- hier = »Ort obene; vgl. 8239. 16176. — 5457 winden stv. in der Bedeutung
- von erwinden 2641, hier mit dat. ; vgl. 8983.
- 5463 cumpanjvn stm., Fremdwort, nhd. Fremdwort corupagnon. Lehn-
- wort Kumpan, Genosse. — 5465 gefromen swv., verst. fromen. — 5471 un-
- gewarnet adj. part., unvorbereitet, überrascht. — 5474 warnünge stf., Vor-
- bereitung, Vorsicht. . —
- IX. HEIMFAHRT UND RACHE. 191
- (130) hie biiop sich ein raichel ruoft,
- iiiichel weinen unde wuoft. 5480
- alsus flouc Morganes tot
- mit maneger hande klagenöt,
- als obe er flücke wcere.
- er Seite leidin msere
- nf die bürge und in daz lant. 5485
- in dem lande flouc zebant
- uibt wan daz eine klagewort:
- "ä noster sires, il est mort!
- welch rät gewirt des landes nuo?
- nu zieren beide, keret zuo 5490
- von steten und von vesten
- gelonen disen gesten,
- des si uns ze leide haben getan!»
- Sus liezen s' üf ir rucke gäii
- mit staeteclicbem strite. 5495
- ouch funden s' alle zitc
- an ir gesten vollen strit.
- die kerten ie ze nianeger zit
- mit einer ganzen rotte wider
- und würfen mänegen dernider 5500
- und wären doch ie fliehende
- und allez wider ziehende,
- du si da Westen ir kraft,
- sus kömeii s' üf ir ritterschaft:
- da nämen s' ouch herberge 5505
- üf einem vesten berge,
- dar üfe was ir wcsen die naht,
- der nebte wart des landes mäht
- so Stare und also veste,
- daz si aber ir leiden geste 5510
- M79 ruofi stm., Ruf, Geschrei, reimt nur mit dem folgenden 5480 wuoft
- stm. (von ■u;uofen%\.\.') Geschrei. Wolieruf. — 5483 /'«cA-^ adj., hier bildlich :
- des Fliegeus fähig, etwa : beflügelt [nhd. eingeschränkter]. — 5488 noster
- altfr. = lat., neufr. notre. — mort adj. r^ neufranz. ; hier im franz. Satze, als
- Fremdwort in V. 9215. — 54WÜ ziere adj., liier eiufacl» (vgl. 4988): schmuck. —
- 549:.' yelnnen swv., verst. Innen, belohnen, vergelten. — gast stm., hier: der
- Fremde im bösen Sinne, der Feind (vgl. /loxpes und /lostii).
- 5494 vf den rucke eines gan, einen verfolgen. — 5504 ritterschaft stf.
- ist hier wohl nie auf 'He uidervart 5333 geschickte zahlreichere Schaar;
- Groole erklärt: Festungslinie. — 5508 der neUte gen. adv., während der
- Kacht. —
- 192 IX. IIEIMFAIUIT V}\D RACHE.
- als schiere als ez wart tagende
- mit gewälte wurden jagende
- und manegen nider stächen,
- den hüfen dicke brachen
- mit speren und mit swerten, 5515
- diu da niht lange werten,
- da wären swert ünde sper
- deiswär in harte kurzer wer:
- (140) ir wart da mänegez vertan,
- so si hl die rotte liezen gän. 5520
- euch was daz Kitzele her
- so frechli'che an siner wer,
- daz da vil michel schade geschach,
- da man in in den hüfen brach.
- die schar die wurden beider sit 5525
- ze einer und ze maneger zit
- mit grözem schaden überladen.
- si nämen unde täten schaden
- vil schädeliche an manegem man.
- sus triben si'z mit ein ander an, 5530
- biz daz daz innere her
- begunde swachen an der wer,
- wan in gienc abe und jenen zuo:
- die mereten sich spät' unde fruo
- an ir State und an ir mäht, 5535
- so daz si dannoch vor der naht
- besäzen aber die geste
- in einer wazzerveste,
- da sich die geste üz werten
- und sich die naht da nerten. 5510
- Sus was daz her besezzen,
- / mit her al umbemezzen,
- als ez beziunet wsere.
- die fremeden sörgaere
- Tristan unde sine man, 5545
- .5511 icart tagende u. fg. Vers 'Um^chreihving ^= tagele, jageten; diese Wen-
- dung mit dem Praet. von werden und dem Part, prses. auch öfters bei Gott-
- fried; vgl. z. B. 7343. 8837 und zu 1783. 3985. — 5518 wer stf. {=wer, von
- wern 5516, währen), Dauer. — 5522 wer stf. (=iuiir), hier kurz nach wer
- wortspielend = Wehr. — 5525 beider sit stf. ( = site), auf jeder Seite, auf
- beiden Seiten [uhd. beiderseits].
- 5542 riinbeinezzen stv., (messend) umgeben. — 5543 beziunen swv., um-
- zäunen.
- IX. HEIMFAHRT UND RACHE. 193
- IUI wie geviengen s' ir dinc an?
- daz sage ich in, wie'z in ergie,
- wie sich ir sorge zerlie,
- wie si von dannen kämen,
- sige an ir vinden nämen. 5550
- Tristan do der von lande schiet,
- als ime sin rät Kual geriet:
- sin lehen da ze enpfähene
- und iesä wider ze gähene,
- Sit des lac'z'allem male 5555
- dem sselegen Rüäle
- der selbe wän ze herzen ie,
- reht' alse ez ouch Tristande ergie.
- (141) icdoch geriet er die geschiht
- umbe Mörgänes schaden niht. 5560
- hundert ritter er besaiide
- und kerte nach Tristande
- ebene und rehte üf sine vart.
- unlange und vil schiere ez wart,
- daz er ze Britanje kam, 55G5
- vil rehte er al zehant vernam,
- wie ez gevarcn wsere.
- und nach des landes m?ere
- so nam er siner reise ein mez
- ze den Britünen üf daz sez. 5570
- nu SJ begundcn nähen,
- daz si die vinde sähen,
- done wart an ir rotte
- ir deheinem ze spotte
- weder nach noch niender abe gezogen: 5575
- si körnen alle samet geflogen
- mit fliegenden banieren.
- da wart michel croieren
- 555-1 ydlicn swv., hier einfach (vgl. zu 2765): eilen. — öö5ö z'allem vialCj
- zu jeder Zeit, immer [vgl. allemal]. — !)bhd ff e raten stv., verst. raten; doch
- hier wohl ;/e- plusquamperf. vertretend : hatte gerathen. (Simrock im An-
- schluß an Groote fasst das Wort mit Unrecht als: errathen, ahnen.) —
- 'ÜWA unlan'je (nicht unlantj adj.) wie noch heute bei werden und sein steht
- adverbial, in kurzer Zeit (vgl. die Lesart von Hs. H und W unlanges). —
- .")56l» mez stn. (seltenes Wort), Ziel. — 5570 scz stn., Sitz, Belagerung. —
- .[)575 der Gegensatz liegt nicht in nach und abe, sondern in nach adv., liier :
- in der Nähe, in die Nähe und in niender adv., (überhaupt) nirgends liin. —
- 5."»78 croieren (vgl. 50G0) swv. hier subst. inf. stn., Rufen, Schlachtruf. —
- GOTTFRIED \0-S STRASSüUKG. I. 2. Aufl. 13
- 194 IX. HEIMFAHRT UND RACHE.
- und^r" ir massenie:
- «schevelier Parmenie! 5580
- rarmenie schevelier!»
- da jagete bänier und banier
- schaden und ungefüere
- durch die hütesnüere.
- si täten die Britüne 5585
- durch ir pavelüne
- mit tdedigen wunden.
- Nu die inneren begundeu
- ir lantbaniere erkennen,
- ir zeichen beeren nennen, 5590
- si begünden ir rüm witen,
- üz an die wite riten.
- Tristan lie vaste striten gän;
- da wart michel schade getan
- an den lantgesellen: 5595
- vähen unde vellen,
- slahen unde stechen,
- daz begünde ir schar durchbrechen
- (142) ze beiden siten in dem her,
- und brähte s' ouch daz üz ir wer, 5600
- daz die zwo cumpanie
- «schevelier Parmenie!»
- so vil geriefen unde getriben.
- des wären s' äne wer beliben:
- under in was wer noch kere 5605
- noch deheiues strites mere
- wan tuschen unde fliehen,
- zogen unde ziehen
- wider bürge und wider walt:
- der strit der wart da manicvalt. 5610
- 580 schevelier (frauz. Chevalier) P. steht hier im Schlachtruf als Personen-
- name für den Herrn des Landes. — 5582 hier die gekürzte Form banier in
- doppelter Betonung; das Geschlecht hier nicht zu erkennen. — 5583 un-
- gefüere stn., Nachtheil. — 5584 hütesnuor stf., Hüttenschnur, Zeltstrick.
- 5589 baniere ist Plural von banier stf. oder baniere stf., lantbaniere,
- vaterländische Banner. — bb'äO zeichen, hier insbesondere : Parole, Feld-
- geschrei. — 5591 rurn stm. witen swv., Raum erweitern, eine Redewendung
- für: sich entfernen. — 5595 lant'jeselle swm., Genosse des Landes, aber
- hier nicht «der Landsmann, den man bei sich führt« (mhd. Wb. II, 2, 30),
- sondern gemeint sind die Bewohner des feindlichen Landes, die Britunen i
- dagegen in dem andern Sinn von: Landsmann in V. 18905. — 5G03 getriben
- stv., verst. triben. — 5607 tuschen swv,, sich verbergen. —
- IX. HEIMFAHRT UND RACHE. 195
- ir flnht diu was ir meistiu wer
- und vür den tot ir bestiu ner.
- Nu disiu scliumpfentiure ergie,
- diu ritterschaft sich nider lie
- und nämen herberge sä; 5G15
- und die von ir gesinde da
- ze velde lägen erslagen,
- die hiezen si ze grabe tragen,
- jene, die da wunt wären,
- die hiezen si üf baren 562
- und kerten wider ze lande,
- hie mite was Tristande
- sin lehen und sin sunderlant
- verliheu üz sin selbes hant.
- er was von dem herr' unde man, 5625
- von dem sin vater nie niht gewan.
- sus h^te er sich verrihtet
- und al sin dinc beslihtet:
- verrihtet an dem guote,
- beslihtet an dem muote; 5630
- sin unreht daz was allez reht,
- sin swKrer muot liht' unde sieht.
- er haete do ze siner hant
- sines väter erbe und al sin lant
- unverspröchenlichen unde also, 5635
- daz niemen in den ziten dö '
- anspräche hrete an kein sin guot.
- hie mite so kertc er siuen muot,
- (143) als ime gebot und ime geriet
- sin ceheim, dö er von im schiet, 5640
- hin wider ze Kurnewäle
- und enmöhte ouch von Rüäle
- niht gewenden sin gemüete , '
- der also manege güete
- mit väterlicher st^ete 5645
- 5612 ner stf., (Nalirung), Rettung.
- 5613 schumpfentiure stf., Fremdwort, Besieguug. — 5G20 uj baren bwv.,
- (aufbahren), auf die Bahre legen. — 5623 sunderlant stn. (hier wohl nicht
- xunder Sidi. = sund^rez l. wie in V. 329), Sonderland, Lehen. (Diemer
- fasst es zu Heinrich's Gediclit vom gemeinen Leben G52 als südlich ge-
- legenes Land.) — 5632 sle/it adj., (schlecht), schlicht, geschlichtet, wieder
- zum Bessern gewendet. — 5635 unverspröchenlichen adv., ohne Anspruch,
- unangefochten. — 5637 anspräche stf. = Anspruch. — 5643 geinüete stn.,
- 'nn , Gedanken. —
- 13*
- 106 IX. HEIMFAHRT UND RACHE.
- ime erzeiget hsete.
- sin herze daz lac starke
- an Riiäl' unde an Marke:
- an disen zwein was al sin sin:
- der sin stunt' in her unde hin. 5650
- Nu sprseche ein sseliger man:
- «der sselige Tristan
- wie gewirbet er nü hie zuo,
- daz er in beiden rehte tuo
- und lone ietwederem, alse er sol?» 5655
- iuwer iegelich der weiz daz wol,
- ern kan daz niemer bewarn,
- ern müeze ir einen läzen varn
- und bi dem andern bestän.
- lät beeren, wie sol ez ergän? 5660
- vert er ze Kurnewäle wider,
- so leit er Parraenie nider
- an aller siner werdekeit,
- und ist ouch Rüal nider geleit
- an fröuden unde an muote, 5665
- an allem dem guote,
- von dem sin wunne solte gän;
- und wil er aber da bestän,
- sone wil er sich niht keren
- ze hdeheren eren 5670
- und übergät ouch Markes rät,
- an dem al sin ere stät.
- wie sol er sich hier an bewarn?
- weiz got, da muoz er wider varn:
- daz sol man ime billi'chen. 5675
- er sol an eren riehen
- und stigen an dem muote,
- wil ez sich ime ze guote
- (144) und ouch ze saelden keren;
- er sol wol aller eren 5680
- billiche muoten unde gern.
- 5G50 stunte (Hs. M stont im, H stunt in) = stundete prset. von stunden swv.
- (im Ganzen seltenes, vorzugsweise in mitteld. Quellen erscheinendes Wort),
- stoßen, treiben. Vielleicht stunt aus scunt^schunt = schunte , schündetef
- schünden bei Gottfried in V. 3111.
- 5671 übergän anom. v., übertreten, missachten. — 5675 billichen swv.,
- billigen, angemessen erachten; mit dat., einem beistimmen; vgl. 13063. —
- 5676 riehen swv. hier intrans., reich werden; vgl. zu 746. — 5681 muoten
- swv., wünschen.
- IX. HEIMFAHRT UND RACHE. 197
- wil oucli iii saelde des gewerii,
- des hat si reht, daz si daz tuo;
- wan al sin muot der stät derzuo.
- Tristan der sinneriche 5685
- der kom vil sinnecliche
- sines willen über ein,
- daz er sich sinen vätern zwein
- als ebene teilen wolte,
- als man in sniden solte. 5G90
- sich selben teilete er enzwei
- geliche und ebene alse ein ei
- und gäp ir ietwederm daz,
- daz er wiste, daz im baz
- an allen sinen dingen kam. 5695
- swer nü die teile nie vernam,
- die man an ganzem libe hat,
- dem sage ich, wie diu teile ergat.
- däne hat niemen zwivel an,
- zwo Sache enmachen einen man: 5700
- ich meine lip , ich meine guot.
- von disen zwein kumt edeler muot
- und werltli'cher eren vil.
- der aber diu zwei scheiden wil,
- so wirt daz guot ein armüot: 5705
- der lip, dem niemen rehte tuot,
- der kumet von sinem namen dervau,
- und wirt der man ein halber man
- und doch mit ganzem libe.
- als habet iu von dem wibe: 5710
- ez si man öder wip,
- so muoz ie guot unde lip
- mit gemeinlichen Sachen
- einen ganzen namen machen;
- und werdent s' aber gescheidcn, 5715
- son' ist niht an in beiden.
- 5686 über ein komen stncs willen, io seinem Entschlüsse, mit sich eins
- werden. — 5689 ebene adv., hier: gleichmäßig. — 5G94 daz relat., acc. abli.
- von wiste = nhd. von dem. — baz komen im Sinne von wol komen, passend
- sein. — 6698 teile stf., Theilunf.'. — 5700 die Negation en- von niemen zwtvel
- abhängig. — 5707 man kann schwanken, ob name hier zu fassen ist als:
- Würde oder als: Wesen; der Sinn ist jedenfalls: der lip leidet dadurch
- Einbuße. — 5710 i)n haben von efew., sich etwas vorstellen, davon halten;
- dasselbe gilt vom Weibe. — 5713 in Gemeinsamkeit.
- 198 IX. HEIMFAHRT UND RACHE.
- Dise rede die liuop Tristan
- rieh' imde willeclichen an .
- (145) und fürdert' s' oueh mit sinnen:
- er hiez ime gewinnen 5720
- schoeniu ros und edele wät,
- spi'se und änderen rät,
- des man ze liohgeziten pflit,
- und machete eine hohgezit:
- dar ladte er unde besaude 5725
- die besten von dem lande,
- an den des landes kraft do stuont:
- die täten, als die friunde tuont,
- und körnen, alse in wart geseit.
- nu was ouch Tristan bereit 5730
- mit allen sinen dingen.
- er gap zwein jungelingen,
- sines väter Rüäles sünen, swert,
- wan er ir z'erben hsete gegert
- nach ir vater Rüäle. 5735
- und swaz er zuo dem male
- ze ir wirde und ze ir eren
- siner koste mohte keren,
- da hsete er späte unde fruo
- als inneclichen willen zuo, 5740
- als op si wreren siniu kint.
- Nu daz si ritter worden sint
- und zwelf gesellen mit in zwein,
- nu was der zwelf gesellen ein
- Kurvenäl der hoveliche. 5745
- Tristan der tugenderidie
- nam sine bruoder an die hant,
- wan ez im ze hövescheit was gewant,
- und fuorte si behanden dan.
- sine mäge und sine man 5750
- 5717 rede stf., die in. Rede stehende Saclie wie in V. 56. (Für rede
- haben einige Hss. teile.) — 5719 furdern svw. (im Ganzen seltenes Wort),
- fördern, zu Stande bringen (dafür auch die Lesart ante =^ endete) \ vgl. zu
- 8178. fürderf 5' (=si, dise rede) nach Hs. M: für der t se; Hs. H vurdertes,
- vielleicht = t"Mr(;e?-^ e:? alsdann: und brachte e« auch zu etwas; vgl. Bech
- zu Erec 5685; Gregor 1517. — 5732 sivert geben im Gegensatz zu .fic^rr neihcn,
- die Eitterwürde ertheilen. — 573G zuo (auch in Hs. M), nicht ze, hier: zu,
- aiißer. — dem, hier demonstr. = (^t'5e»;. — med stn., hier: Zeichen, Aus-
- zeichnung (sc. sivert). — 5738 l gen. (abh. von sioaz 5736) von koste
- oder kost stf. (das Wort kommt sonst bei Gottfried nicht vor), Aufwand,
- Kosten [nhd. plurale tantum; Kost sg,=: Speise; vgl. köstlich, kostbar].
- IX. HEIMFAHRT UND RACHE. 199
- und alle, die da wären
- von sinnen oder von jären
- oder aber von in beiden
- beträhtic unde bescheiden,
- die wurden alle zeliant 5755
- ze hove geladet unde besant.
- Nu herre, die sint alle da.
- Tristan stuont üf vor in sä:
- <(U6) «ir herren alle», sprach er z'in
- «den ich iemer gerne bin 5760
- mit triuwen und mit durnähtekeit ,
- an allem dienste bereit,
- als verre alse ich iemer kan,
- mine mäge und mine liebe man,
- von der genäden ich ez hän, 5765
- swaz mir got eren hat getan,
- von iuwer helfe hän ich mich
- verrihtet alles des, des ich
- in minem herzen gerte.
- swie mich es got gewerte , 5770
- so weiz ich doch wol, daz ez ie
- von iuwerr frumede vollegie.
- waz mac ich nu mere sagen?
- ir habet in disen unmangen tagen
- iuwer ere und iuwer spelekeit 5775
- so manege wis an mich geleit,
- daz ich des keinen zwivel hän,
- disiu werlt diu eumüeze e zergän,
- € ir mir iemer keine zit
- mines willen wider sit. 5780
- friunt unde man und alle die,
- die durch miuen willen hie
- oder durch ir selber tugende sin,
- nu läzet iu die rede min
- niht serc missevallen; 5785
- 5754 bescheiden part. adj., verständig [uhd. bescheidcu, vtodesttcs
- jünger].
- _576l durnähtekeit stf.. Vollkommenheit, Aufrichtigkeit; vgl. zu llüC.
- — _5772 frumede stf. (seltene Rildung neben frumekeit) , Tüchtigkeit. —
- •ü7iiinmanr/en dat. pl. = Hs. M und W. unmanic adj., nicht viel, wenig.
- — h'^Q wider sin mit dat. (mir) und gen. (mines willen), einem etwas ver-
- weigern; vgl. Wigalois 2?^2l. — 57S2 durch minen willen, hier: auf meinen
- Befehl hin.
- 20O IX. HEIMFAHRT UND RACHE.
- ich künde und sage iu allen,
- als Rüäl min vater, der hie stät,
- gesehen und euch gehceret hat,
- daz mir min ceheim sin lant
- gesetzet hat in mine hant 5790
- und wil ouch durch den willen min
- eliches wibes äne sin,
- dur daz ich sin erbe si,
- und wil, daz ich im wone bi,
- swä er si und swar er var: 5795
- nu hän ich mich bewegen dar
- und stat mir al min muot dar zuo,
- daz ich sinen willen tuo
- (147) und wider zuo im kere.
- min urbor und min ere, 5800
- die ich in diseme lande han,
- die wil ich lihen unde län
- minem vater Rüäle,
- op mir ze Kurnewäle
- iht anders danne wol erge, 5805
- sweder ich sterbe od da beste,
- daz ez sin erbelehen si.
- so Stent ouch sine süne hie bi
- und mit im ander siniu kint;
- die aber sin erben vürbaz sint, 5810
- die haben alle reht dar an.
- mine man und mine dienestman,
- diu leben über allez lant
- diu wil ich haben ze miner hant
- al miniu jär und mine tage.» 5815
- Hie wart groz jämer unde klage
- under aller dirre ritterschaft ;
- si wurden alle unherzehaft,
- ir muot, ir tröst was aller hin:
- «ä herre», sprächen s' under in 5820
- i
- 5791 durch den willen min dagegen: um meinetwillen, mir zu Liebe. —
- 5796 bewegen stv. refl., sich entschließen, dar, dazu. — 5800 ere hat hier
- sicher die specielle Bedeutung: Herrschaft, Besitz. — 5805 mir ergät (auch
- ohne ez), mir schlägt es aus, es glückt. — 5806 sweder prou. correl., wel-
- cher von beiden; hier neutral und conjunct. = ob. — besten^ hier: am Leben
- bleiben.
- IX. HEIMFAHRT UND RACHE. 201
- «nu waere uns michel baz geschehen,
- und hsete wir iuch nie gesehen;
- sone wsere ouch dises leides niht,
- des uns nü von iu geschiht.
- herr', unser trost und unser wan 5825
- der was also hin z'iu getan,
- uns waere ein leben an iu gegeben;
- nein l^der unser aller leben,
- daz wir zc fröuden sollen haben,
- daz ist erstorben unde begraben, 5830
- swenn' ir von hinnen keret;
- herr', ir habt uns gemeret
- und niht geminret unser leit.
- unser aller sajlekeit
- diu was ein lützel üf gestigen 5835
- und ist nu wider uider gesigen. »
- ich weiz ez wärez alse den tot,
- swie Stare ir aller klagenot
- (148) und swie groz ir swaere
- von disem maere wsere: 5840
- Rüal, dem ez ze guote ergienc,
- der groze frume da von enpfienc
- und michel ere an guote,
- daz ez im in dem muote
- unsanfter danne in allen tete. 5845
- er enpfi'eng ein leben an der stete,
- weiz got, daz er deheinez nie
- mit solhem jamer enpfie.
- Nu Rüal unde siniu kint
- belehent unde geerbet sint 5850
- von ir herren Triständes haut,
- Tristan ergab liut' unde laut
- gote unde fuor von lande,
- ouch kerte mit Tristande
- Kurvenal sin meister dan. 5855
- Rüal und ander sine man,
- daz lantliut al gemeine,
- obe ir klage iht kleine
- hH2 fnone hier ausnahmsweise stf., Nutzen.
- 5850 erben swv., zu Erben einsetzen. — 5857 lantliut stn., das Volk
- des Landes, die Einwohner. —
- 202 IX. HEIMFAHRT UND BACHE.
- linde ir herzeswaere
- nach ir trütherren waere? 5860
- entriuwen, daz verweiz ich wol.
- Parmeiiie daz was vol
- klage imde klagemsere:
- ir klage was sagebsere.
- diu marschalkiü Florsete, 5865
- diu triuwe und ere hsete, *
- diu leite marter an ir lip,
- also mit allem reiite ein wip,
- der got ein gehertez leben
- an wibes eren hat gegeben. 5870
- .5860 trntherre swni. Zusammensetzung (sonst stünde trütem herren; vgl.:
- Jungherr, Junker, Freiherr), lieber Herr. — 5861 verwizzen anora. v.,
- wissen. — 5864 sagebaere adj., hier: begründet. — 5869 gehert part. adj.
- von h^ren swv., verherrlichen, erheben, beglücken.
- X.
- M 0 R 0 L D.
- Gleich bei Ankunft in Kurnewal vernimmt Tristan, daß der starke
- Morold, ein Herzog in Irland, im Namen seines Schwagers, des dortigen
- Königs Gurmun Gemuotheit den Zins von Kurnewal und Engeland fordere.
- Dieser Gurmun, Sohn des Königs in Afrika, hatte mit Bewilligung und
- im Auftrage der Römer von Irland Besitz genommen und auch Kurnewal
- und Engeland zur Zeit, als Marke noch in jugendlichem Alter stand, zins-
- pflichtig gemacht. Der Zins war drei Jahre, jedes Jahr hi erhöhtem
- Werthe, geleistet worden. Im vierten kam Morold und forderte von jedem
- Lande dreißig edele Knaben. Niemand wagte den bei Verweigerung dieses
- Zinses bedungenen Einzelkami^f mit Morold zu bestehen , und zu einem
- Kriege waren die beiden Lande zu schwach. Tristan kehrt gerade zu-
- rück, als dieser harte Zins aufs neue erhoben werden soll; er erscheint
- am Hofe, als die Edeln zur Auslobung ihrer Kinder schreiten. Er schilt
- sie wegen ihrer Feigheit und erbietet sich, als alle muthlos bleiben, selbst
- zum Kampfe, wovon ihn Malke vergeblich abzubringen sucht. Morold
- macht seine Rechte geltend und beschwert sich über Treulosigkeit. Tristan
- besteht auf der Bedingung des Kampfes. Zu allgemeinem Streite ist Mo-
- rold nicht gerüstet, so willigt er endlich ein in den Einzelkampf.
- Auf den dritten Tag wird der Kampf festgesetzt. Zum Kampfplatze
- ist eine kleine Insel im Meere ausersehen. Morold rudert mit seinem
- Rosse zuerst hinüber und bindet sein Schifflein am Gestade fest. Tristan
- tröstet bei der Abfahrt den Oheim; er lässt bei Ankunft auf dem "Werder
- sein .Schifflein schwimmen: für den Sieger sei eines genug. Vergeblich
- mahnt Morold den jungen Gegner zur Versöhnung. Tristan wird in den
- Schenkel durch Morold's vergiftetes Schwert verwundet. Die "Wunde, so
- gestellt ihm Morold, könne nur durch seine Schwester Isolt, die Königin
- von Irland, geheilt werden. Auch jetzt noch verweigert Tristan den Frie-
- den, und bleibt im neuontbrannten Streite Sieger. Ein Stück seines
- Schwertes bleibt in Morold's Haupte stecken. Tristan rudert in Morold's
- Schifflein zurück, jubelnd empfangen, und verbirgt vor den Fremden mit
- dem Schilde Blut und Wunde. Diese kehren mit Morold's Leiche zu
- König Gurmun zurück. Größeres Leid als dieser trägt Morold's Schwe-
- 204 ^. X. MOROLD.
- ster Isolt und deren Tochter, die junge Isolt. Sie finden in der Kopf-
- wunde jenen Schwertsplitter und verwahren ihn trauernd in einen Schrein.
- Gurmun gebietet: wer von Kurnewal Irland betrete, habe eein Leben
- verwirkt.
- Waz lenge ich du me hier an?
- der landelose Tristan,
- dö der ze Kurnewäle kam,
- ein msere er al zehant vernam,
- daz ime yil swsere was vernomen, 5875
- daz von Irlande wsere komen
- Morolt der sere starke
- und vorderte von Marke
- (149) mit kämpflichen handen
- den zins von beiden landen, 6880
- von Kurnewal und von Engelaut.
- umbe den zins was ez so gewant:
- der dö ze Irlande künic was,
- als ich an der istorje las,
- und als daz rehte msere seit, 5885
- der hiez Gurmun Gemüotheit
- und was geborn von Affricä,
- und was sin vater künic da.
- do der verschiet, dö viel daz laut
- an in und sines bruoder haut, 5890
- der als wol erbe was als er.
- Gurmun was aber so richer ger
- und alse höhe gemuot,
- daz er dehein gemeine guot
- mit niemanne wolte hän. 5895
- sin herze enwolte in niht erlän,
- ern müese selbe ein herre wesen.
- er begünde üz welen unde üz lesen
- die starken, die muotvesten
- und ZUG der not die besten, 5900
- die ieman erkande,
- 5871 lengen swv., verlängern, in die Länge ziehen; vgl. 6569. 9248. —
- 5879 Icampflich adj., zum Kampf geeignet; kampfbereit. — 5892 unter dem
- mächtigen Verlangen haben wir weniger die Gewinnsucht als die Herrsch-
- sucht zu verstehen. — 5893 hohe hier volle Form des Adv. bei gemuot =
- hochgernuot, hochgesinnt im Sinne von: stolz. — 5896 niht erlän im Sinne
- von: nicht locker lassen, dann: antreiben hat in der Eegel einen negativ
- gewendeten Nebensatz im Conjunctiv nach sich. —
- X. MOBOLD. 205
- ritter und särjande,
- die er mit sinem guote
- oder mit höfschlichem muote
- zuo z'ime gewinnen künde. 5905
- und liez ouch an der stunde
- sinem bruoder al sin laut.
- Sus kerte er (Jännen zehaut
- und nam von den mseren,
- den gewältegen Romseren 5910
- urloup uude boteschaft,
- swaz er betwünge mit kraft,
- daz er daz z'eigen hsete
- und ouch in da von taete
- etslich relit und ere; 5915
- und enbeite ouch do niht mere:
- er fuor mit einem starken her
- über laut und über mer,
- (150) biz daz er ze Irlande kam
- und an dem lande sige genam 5920
- und si mit strite des betwanc,
- daz si in ze herren äne ir danc
- und ze künege nämen
- und Sit her dar an kämen,
- daz si im ze allen ziten 5925
- mit stürmen und mit striten
- diu bilant hülfen twingen.
- in disen selben dingen
- betwang er ouch ze siner haut
- Kurnewal und Engelaut. 5930
- do was aber Marke ein kint,
- als kint ze wer imveste sint,
- und kom also von siner kraft
- und wart Gurmüne zinshäft.
- Ouch half Gurmünen sere 5935
- und gab im kraft und ere,
- .■|902 särjande (Hs. M sccrjande) pl. von aärjaiit , sonst gewöhnlich sarjant
- 8tin., Fremdwort, Dienstmann (serciens). Knappe; das Wort bezeichnet in
- der Kegel den Kämpfer zu Fuß; hier, ritter entgegengesetzt, formelhaft.
- •i'.Ul urloup ne7/ = nhd., aber hier: Erlaubniss erwirken. — boteschaft
- stf., Vollmacht. — 5914 jn = den Römern. — tuon, hier stärker als das
- nhd. Wort: verschaffen. — 591f) beite = beitete praet. von bciten swv., war-
- ten; vgl. zu 1GG4. — .■)9:j4 zinshaft adj., zinspfliclitig.
- 206 X. MOROLD.
- (laz er Möroltles swester nam;
- von dem so wart er vörhtsäm.
- der was ein herzöge da
- und h?ete oucb vil gerne etswä 5940
- selbe ein lant besezzen.
- wan er was wol vermezzen
- und hsete lant und michel guot,
- lip unde mänli'chen muot.
- der was sin vorvehtsere. 5945
- waz aber des^ zinses wsere ,
- den man ze Irländen sande
- von ietwederem lande?
- des bescbeide ich iuch reht' und vür war:
- si sanden in daz erste jär 5950
- driu hundert marc messinges
- und anders keines dinges;
- daz ander Silber, daz dritte golt.
- des vierden so kom Morölt
- der starke von Irländen dar 5955
- ze wige und euch ze kämpfe gar.
- vür den so würden besant
- ze Kurnewäle und z' Eugelant
- (151) barüne und ir genoze:
- die giengen ouch ze löze 5960
- ze siner gegenwürte,
- welher ime antwürte
- sin kint, daz dienestbsere
- und an dem libe wsere
- so schcene und so genseme, 5965
- als ez dem hove gezseme,
- niht mägede, niuwan knäbelin
- und solten ouch der drizec sin
- von ietwederem lande;
- und ensölte dirre schände 5970
- niemen anders widerstän,
- 5938 vorhtsam adj., furchtbar, gefürchtet [furchtsam, timidus jünger].
- — 5942 vermezzen part. adj., kühn. — 5945 vorcehtaere stm.', Vorkämpfer;
- so wurden die Schwaben genannt, weil sie ein Anrecht hatten, im Reichs-
- heere zuerst zu stehen ; vgl. zu Ebernand 658. — 5956 wie, wig stm., Streit,
- Kampf. — fj(^>' adj., bereit, gerüstet. — 5960 ze loze., zur Ausloßung, Ver-
- loßung, um zu loßen. — 5962 antwürten swv., wohl verschieden von ant-
- würten respondere (vgl. mhd. Wörterbuch III, 599): überantworten, über-
- geben; vgl. 13264. — 5963 dienestöcere adj., (dienstbar; vgl. brauchbar),
- diensttüchtig. —
- I
- X. MOROLD. 207
- ez enmüese mit eiuwige ergän
- oder aber mit lantvelite.
- Nune möhten s' aber ze rehte
- mit oifenlicher wer niht komeu, 5975
- wan diu lant haeten abe genomen.
- so was oucli Mörolt alse starc,
- als unerbärmic unde als arc,
- daz wider in lützel dehein man,
- sach er in imder ougen an, 5980
- getorste wägen den lip
- iht mere danne ein wip.
- und alse der zins üf sine vart
- hin wider Irlant geschicket wart
- und daz fünfte jär in gie, 5985
- so muosen aber diu zwei lant ie
- iemör ze sunnewenden
- die boten ze Röme senden,
- die Röme wol gezaimen,
- und daz die da vernaemen, 5990
- welch gebot und weihen rät
- der gewaltege senät
- eubute unde sande
- einem iegelichem lande,
- daz undertän ze Röme was; 5995
- wan man in alle jär da las
- und tete in kunt mit mceren,
- wie si nach Römaeren
- (152) lois unde lantrecht solten wegen,
- wie s' ir gerihtes solten pflegen 6000
- und müesen ouch reht' also leben,
- als in da lere wart gegeben.
- daz zinsreht unde disen prisant
- den liezen disiu zwei lant
- in dem fünften järe ie schouwen 6005
- die werden Röme, ir frouwen.
- doch buten si'r dise ere
- niht ällich also serc,
- .'>972 einwic stm., Einzelkampf. — 5973 lantvchle stf., Land-, Volksgefecht,
- Kampf zweier Heere.
- 5978 unerbärmic adj., unbarmherzig. — arc adj., hier: gefühllos. —
- 5999 loii Fremdwort, Gesetz, franz. loi, lat. lex. — 6008 ällicfi, ällic/ie adv.
- (zu al), durcliaus, ganz und gar, immer: vgl. 12645 und zu 770.
- 208 X. MOROLD.
- weder durch relit noch durch got
- so durch Gurmunes gebot. 6010
- Nu suhl wir wider zem msere komeu!
- Tristan der hsete wol vernomen
- diz leit ze Kurnewäle;
- ouch was im vor dem male
- wol kunt, mit welher Sicherheit 6015
- der selbe zins was üf geleit.
- iedoch so horte er alle tage
- von der läntliute sage
- des landes laster und sm leit,
- swelhen enden er gereit 6020
- vür stete oder vür kastei;
- und als er ab ze Tintäjoel
- zuo dem hovegesinde kam,
- seht, da gehorte er iinde vernam
- in gazzen unde in sträzen 6025
- von klage al solch geläzen,
- daz ez in muote starke,
- vil schiere komen Marke
- und hin ze hove maere,
- daz Tristan komen wsere: 6030
- des wären s' alle samet fro.
- fro meine ich aber, als ez in d6
- nach ir leide was gewant;
- wan die allerbesten, die man vant
- in allem Kurnewäle, 6035
- die wären ze dem male
- alle dar ze hove komen
- ze laster, alse ir habet vernomen.
- (153) die edelen lantgenoze
- die giengen da ze loze 6040
- ir kinden z' einem valle.
- sus vant si Tristan alle
- kniewende unde an ir gebete,
- daz iegelicher sunder tetc
- iinschamelich unde imtougen, 6045
- 6020 swelhen enden adv. dat., nach welchen Orten, Seiten hin , wohin
- auch. — 6026 geläzen subst. iuf. sin., Gebahren; vgl. geläz 964. —
- 6027 muote prset. von müejen swv. , mühen, kümmern, schmerzen. —
- 6039 lantgenoz stm., Landbewohner [uhd. abgekommen ; vgl. Hausgenosse].
- — 6045 nnschamelich adv., ohne Scham. — untougen adv., unheimlich,
- offen. —
- 4
- X. MOROLD. 20D
- mit riezeuden ougen,
- mit inueclichem smerzeu
- des libes unde des herzen,
- ime got der guote
- beschirmete unde beliuote 6050
- sin edelkeit und oucli sin kint.
- Nu si alle an ir gebete sint,
- Tristan kom zuo gegangen,
- ■wie wart er aber enpfangen?
- ist iu li'hte geseit: 6055
- Tristan wart von der wärheit
- under allem dem gesinde
- von deheinem muoterkinde
- noch ouch von Markes gruoze
- enpfangen niht so suoze, 6060
- als er doch wsere getan,
- und haste si diz leit verlän.
- des nam ab Tristan kleine war,
- wan gienc et bältli'chen dar,
- da man in daz 16z da maz, 6065
- da Morolt unde Marke saz.
- «ir herren», sprach er «alle samet,
- alle mit einem namen genamet,
- die hie ze loze loufent,
- ir edele kint verkoufent, 60T0
- schämet ir iuch der schänden niht,
- diu diseme lande an iu geschiht?
- so manhaft, alse ir alle zit
- all' unde an allen dingen sit,
- so soltet ir billiche 6075
- beid' iuch und iuwer riche
- ahtba?ren unde ereu
- und au den eren meren!
- (154) nu habet ir iuwer fri'heit
- iuwern vi'nden geleit 6080
- ze füezen und ze banden
- mit zinsli'chen schänden;
- 6046 riezcn stv., fließen, thräuen; vgl. 11501. — G051 edelkeit stf., (Adel),
- hier: Geschlecht.
- 605G ron der wdrheit, in Wirklichkeit. — G065 daz loz mezzen, einer
- der Termini beim Loßen (häufiger l6z verfen, seltener loz idn, legen, setzen),
- das Loß zumessen, ertheilen. — G077 ahtbcercn swv. , ahtbcere., achtbar,
- achtungswerth machen; nur hier bei Gottfried. —
- GOTTFRIED VOX 3TKASSBUEG. I. 2. Aufl. U
- 210 X. MOROLD.
- und iuwer edelen kindeliii,
- diu iuwer wunne solten sin,
- iuwer lust und iuwer leben, 6085
- diu gebet ir unde habt gegeben
- ze Schalken und ze eigen
- und enkünnet niht gezeigen,
- wer iuch betwinge dar zuo
- oder welher hande not ez tuo, 6090
- niwan ein einwic unde ein man.
- dehein ander not enist hier an;
- und enkünnet und er iu allen
- an einen niht gevallen,
- der wider einen man sin leben 6095
- an die wäge welle geben,
- weder er belibe oder gesige.
- nu si, daz er da tot beiige,
- deiswär so ist doch der kurze tot
- und disiu lange lebende not 6100
- ze hiraele und üf der erde
- in ungelichem werde,
- ist aber, daz er da gesiget,
- und daz daz ünreht geliget,
- so hat er iemer mere 6105
- dort gotes Ion, hie ere.
- ja sulen vätere vür ir kint,
- wan si mit in ein leben sint,
- ir leben geben: daz ist mit gote.
- ez ist gar wider gotes geböte 6110
- der siner kinder fnheit
- der eigenschefte vür leit,
- daz er si ze schalken gebe
- und er mit fri'heite lebe.
- sol ich iu rät umb' iuwer leben 6115
- nach gote und nach den eren geben,
- so rate ich zware dar an,
- daz ir iu kieset einen man,
- (155) swä so man den vinde
- 6087 achalken dat. pl. ( = Schälken) von schale stm., Kueclit. — eiyen adj.
- subst. stm., der Leibeigene , Hörige. — i!)Oi^ gezeigen swv., verst. zeigen,
- erzeigen, beweisen. — 6094 gevallen stv., verst. vallen, an einen, verfallen
- auf einen , einen finden. — 609G an die (eine) wäge geben = wagen , aufs
- Spiel setzen; vgl. 13252. — 6098 beiigen stv., liegen bleiben, bleii)en; vgl.
- 6807. — 6104 geLigen stv., verst. ligen^ erliegen, unterliegen. — 6112 eigen-
- schefte dat. von eigenschaft stf., Leibeigenschaft. — vür legen mit dat. und acc,
- hier : vorlegen, übergeben. — 6118 kiesen stv., hier=nhd. erkiesen, wählen, —
- X. MOROLD. 211
- linder disem lantgesinde, 6120
- der ZG kämpfe si getan
- und au gelücke welle lau,
- weder er genese oder entuo;
- und bitet alle den dar zuo
- dur gotes willen allermeist, 6125
- daz ime der heilige geist
- gelücke gebe und cre,
- und enfürhte niht ze sere
- Moroldes groeze und sine kraft;
- si et an gote gemüothaft, 6130
- der nie d eheinen man verlie,
- der mit dem rehten umbe gie.
- wol balde get ze rate:
- beratet iucli wol dräte,
- wie ir iuch dirre schände erwert 6135
- und iuch vor einem manne crnert!
- geuneVet niemer mere
- iur gebürt und iuwer ere!»
- «A herre» sprächen s' alle dö
- «ja ist disem manne niht also: 6140
- ime kau niemen vor genesen.«
- Tristan sprach: «lät die rede wesen!
- durch got, versinnet iuch doch noch;
- nu Sit ir an gebürte doch
- allen künogen ebengröz, 6145
- aller keisere genöz,
- und wellet iuwer edelen kint,
- diu in geliche edele sint
- verseilen unde versachen
- und z'eigenschalken machen. 6150
- und ist, daz ir deheinen man
- niht muget geherzen hier au,
- gemüothaft ailj., getrost; vortrauend auf; ebenso an 7230, ohne prspp.
- 13101; scheint eine Gottfriedische Bildung. — lil34: dräte adv. , schnell,
- sofort. — G137 (jeuncren (auch gnna-en, wenn es der Vers verlangt) swv.
- =^ uneren (14088), beschimpfen.
- 6140 sin (icPien) unpers. mit dat., eine Bewandtniss mit etwas oder mit
- einer Person haben; mit einem, um einen stehen; vgl. 10109. 1249.'). —
- til41 einem vor (adv.) r)('nn.ten = uhd. vor (prjep.) einem genesen, sicher
- ■'Cin. — 6149 verseilen swv., lüngebcn, opfei-n. — versuchen swv., verleugnen ;
- ! Wort im Oberdeutschen, liäufiger in Mittel- und Niederdeutsch-
- land. — 61.i0 f/^c^ac//«!''; stm., leibeigener Knecht. — (,\'^2 yehcrzen %\v\-., be-
- herzt machen, ermuthigen; vgl. zu 118; herzen Heinrich's Tristan 1('24. —
- /*/';;• an = hierzu. —
- 14*
- 212 X. MOROLD.
- (laz er durch iuwer aller leit
- und durch des landes armekeit
- getürre nach dem rehten 6155
- in gotes namen vehten
- gegen dem einen manne,
- geruochet ir ez danne
- (156) an got geläzen unde au mich,
- deiswär, ir herren, so wil ich 6160
- mine jugent und min leben
- durch got an äventiure geben
- und M'il den kämpf durch iuch bestän:
- got läze in iu ze guote ergän
- und bringe iuch wider ze rehte! 6165
- ouch swie mir an der vehte
- iht anders danne wol geschiht,
- daz enschädet iu z'iuwerm rehte niht.
- gelige ich an dem kämpfe tot,
- da mite ist iuwer keines not 6170
- weder äbc noch ane gekeret,
- geminneret noch gemeret:
- so stät ez aber rehte als e.
- si, daz ez aber ze heile erge,
- daz ist benamen von gotes geböte: 6175
- des endänket niemen niuwan gote.
- wan den ich eine sol bestän,
- als ich vil wol vernomen hän,
- der ist von muote und ouch von kraft
- ze ernestlicher ritterschaft 6180
- ein lange her bewseret man:
- so gän ich allererest an
- an muote und an der krefte
- und bin ze ritterschefte
- niht also kürbsere, 6185
- als uns nu not wsere;
- wan daz ich aber zer vehte
- an gote und ouch an rehte
- zwo sigebaere helfe hän,
- 6154 armekeit stf., Elend. — 6157 gegen prsep. mit dat. = nhd. mit acc,
- nach den Hss. im Ganzen bei Gottfried selten, gewöhnlich steht wider. —
- 6159 geläzen stv. an einen, einem überlassen, anheimgeben. — 6162 an
- äventiure geben, ähnlich wie an die wäge geben in V. 6096, dem Zufall, dem
- guten Glück anheimgeben, aufs Spiel setzen. — 6185 kürbaere adj., (wähl-
- bar), erwählenswerth, vorzüglich. — 6189 sigebaere adj., siegreich.
- X. MOROLD. 213
- die suln mit mir ze kämpfe gän! 6190
- dar zuo hän ich willigen muot,
- der selbe ist ouch ze kämpfe guot;
- und helfent mir die selben dri,
- swie unversuocht ich anders si,
- so hän ich guoteu trost dar an, 6195
- ich genese wol vor einem man.«
- ((Herr^)), sprach al diu ritterschaft
- «diu heilige gotes kraft,
- (157) diu al die werlt geschaffen hat,
- diu vergelte iu trost unde rät 6200
- ünde den sseleclichen wän,
- den ir uns allen habet getan.
- herre, lät iu daz ende sagen:
- unser rat mac lützel vür getragen.
- solt' unser saelde hau gemocht, 6205
- so vil so wir sin hän versuocht,
- als ofte es ie begunnen wart,
- ez waere niht biz her gespart.
- M'ir haben niht z'einem male
- wir hie ze Kurnewäle 6210
- umb' unser angest rät genomen;
- wir sin an manage spräche komen
- und enkünden doch deheinen nie
- under uns vinden, eru wolt' ie
- sin kint vür eigen gerner geben, 6215
- dan er verlür sin selbes leben
- wider disen välandes man.»
- «wie redet ir sus!» sprach Tristan
- «ja ist der dinge vil geschehen;
- man hat des wunder gesehen, 6220
- daz ünrehtiu hochvärt
- mit kleiner kraft genidert wart:
- daz möhte ouch vil wol noch ergän,
- der ez getörste bestän. »
- Nu Morolt der hört' allez an 6225
- und verdCihte in sere, daz Tristan
- 6201 einem wän <«on = einem Hoffnung machen. — 6204 getragen=^
- iiag-^n. vür ., vorwärts bringen, fördern; hier intrans., helfen, nützen;
- vgl. 9\ix und zu 72C)7. — <'.2l2 apräche stf., Unterredung, Verhandlung. —
- 6217 tälant stni., Teufel, välandes man braucht Gottfried öfters, z. B. in V.
- 6910. 160t'>9^ ferner df.t välandpx larn 159(j5.
- 6226 mich verdanket, mich dünkt übel. —
- 214 X. MOROLD,
- SO vaste nach dem kämpfe sprach,
- do er'n so kindeschen sach,
- und truog im in dem herzen haz.
- Tristan sprach aber dö vürbaz: 6230
- «ir herren alle, redet hie zuo,
- waz ist iu noch liep, daz ich tuo?»
- «herre», sprächen s' alle do
- «künde ez iemer werden so,
- der wä,n, den ir uns habet getan, 6235
- daz der möhte vür sich gän,
- daz wsere unser aller ger.»
- «ist iu daz liep?» sprach aber er
- (158) «Sit daz ez danne an dise frist
- und her ze mir behalten ist, 6240
- Avil es dan got geruochen,
- so wil ich versuochen,
- ob iu got habe üf geleit
- an mir deheine sselekeit
- und obe ich selbe iht sselden habe.» 6245
- Hie begünde in Marke leiten abe
- mit allen sinen sinnen,
- er wände im abe gewinnen,
- ob er'z in läzen hieze,
- daz er ez durch in lieze. 6250
- nein er, weizgot, er entete;
- weder mit geböte noch mit bete
- kund' er im so vil niht mite gegän,
- 6227 sprechen nach etew., (sprechend) nach etwas verlangen, etwas fordern.
- — 6228 kindesch adj., nicht in unserm Sinne: kindisch im Gegensatze zu:
- kindlich, sondern: kindlich, jung, knabenhaft. — 6240 die Erklärung im
- mhd. Wörterbuche I, 620'', 3-i von ze mir behalten ist a nicht _früher ge-
- schehen ist», scheint mir nicht bestimmt genug; vielmehr entspricht die
- Wendung wohl unserer: mir vorbehalten ist. ze mir gehört niclit zu her,
- bis auf mich, sondern an dise frist und her (bisher) ist eine tautologische
- Wendung ganz im Stile Gottfried's. — 6243 uf legen, hier: aufwenden,
- bestimmen.
- 6246 abe leiten-= unterm.: abbringen (von einem Entschlüsse). —
- 6248 abe yeivinnen mit dat., von einem erlangen. — 62.52. 6253 die Erklä-
- rung im mhd. Wörterbuche I, 467'', 20 von i)u so vil mite gegän «so viel
- über ihn gewinnen, vermögen > bezieht das Subject des Satzes auf Marke,
- wohl veranlasst durch weder mit geböte noch mit bete (ebenso die Über-
- setzer); passender ist er in V. 6253 auf Tristan zu beziehen und mite gegän
- (verst. gän, im Ganzen selten) mit dat. bedeutet wie in V. 3617: einem
- folgen, sich willfährig zeigen. Jene Formel kann eben in ihrer Natur als
- Formel auch passiv gefasst werden: Tristan konnte ihm, dem König Marke,
- trotz allen Bittens nicht soweit sich willfährig erweisen, daß er um seinet-
- willen von seinem Entschlüsse abstand, sondern gieng hin u. s. w. —
- X. MOROLD. 215
- daz er cz durch in wolde län;
- •wan gieng et hin, da Morolt saz 6255'
- und redete aber do vürbaz:
- «herre», sprach er a saget mir,
- so helfe iu got, w^az werbet ir?»
- «friunt», sprach Morolt sä zestunt
- '(wes fraget ir? iu ist wol kunt, 6260
- waz ich hie wirbe und wes ich ger. »
- «ir herren alle, beeret her:
- der künec min herre und sine man!»
- sprach aber der wise Tristan;
- «min her Morolt, ir habet war, 6265
- ich weiz ez uude erkenne ez gar:
- al si ez lasterbsere,
- ez ist iedoch ein niaere,
- daz niemen undertreten mac :
- man hat den zins nu mauegen tac 6270
- von hinnen und von Engelant
- ze Irländeu äne reht gesant.
- dar zuo brach ez sich lange
- mit michelme getwange ,
- mit raänegem gewalte, 6275
- wan man den landen valte
- beidiu bürge unde stete
- und in ouch au den liuten tete
- (150) so grozen und so manegeu schaden,
- biz daz si wurden überladen 6280
- mit gewältc und mit unrehte,
- unz daz die guoten knehte,
- die dannoch waren genesen,
- die muoscn undertsenic wesen
- alles, des man in gebot, 6285
- durch daz si vörhten den tot,
- •i26u ives adv. geu., weshalb. — 02G4 icis, ivise adj., nicht ethisch zu fasseu
- wie das heutige Wort, sondern ^= klug , verständig. — 6267 al, hier Con-
- junction vertretend mit folg. Conjuuctiv = ai e/«e, allein, wenn, obschon ;
- vgl. 10535. — laster'jcere adj., sclimachvoll. — 6269 undertreten stv., unter-
- drücken, ungeschehen machen. — 6273 sich brechen, eine seltene Wen-
- dung, am häufigsten noch im Mitteid. , steht hier wohl ähnlich wie in V.
- 11314, nur unpers. Die Grundbedeutung oder das zu Grunde liegende
- Bild vor der Hand unbekannt; gesagt soll werden: dazu entschied 63
- sich, daliin gelangte man. — 627-1 getwanc stm., hier: Zwangsmaßregel,
- Gewaltstrcicli. — 6284 undertccnic adj.=^nhd. unterthänig, unterworfen i
- der Genetiv (alles) steht nicht wie sojist der Dativ dircct abhängig, son-
- dern selbständig: in allem. —
- 216 X. MOROLD.
- und eumöhteu, alse in was getan,
- die zit niht anders ane gegän.
- als ist daz niichel ünrelit,
- als ir noch hiutes tages seht, 6290
- an in begangen iemer sit,
- und wsere zwäre lange zit,
- daz si der grözen swächeit
- mit wige hseten widerseit,
- wan si sint sere vür körnen: 6295
- diu laut diu habent zuo genomen
- an künden unde an gesten,
- an steten unde an vesten,
- an guote unde an eren.
- man sol ez widerkeren, 6300
- daz unze her verkeret ist,
- wan unser aller genist
- muoz sus hin an gewalte wesen;
- süln wir iemer genesen,
- daz müezen wir beherten 6305
- mit wige und mit herverten.
- unser dinc stät an den Muten wol,
- diu laut sint beidiu Hute vol.
- man sol ez uns her wider geben,
- daz man uns allez unser leben 6310
- mit gewalte hat genomen.
- wir suln dar selbe zuo z'in komen,
- swenn' uns got schiereste lät;
- swaz man des unseren da hat,
- ez si lützel oder vil, 6315
- der mines willen volgen wil
- und mines rätes dar an pflegen,
- man muoz ez uns her wider wegen,
- 6288 zit, hier: Lage, Zustand: die z. adv. acc, in der Lage, — 6292 lange
- wohl adv., (schon) lauge, längst. — 6293 swächeit stf., Schmach. —
- 6294 widersagen mit dat., absagen, sich entschlagen ; vgl. zu 6606. — 6295 vür
- komen, hier: vorwärts komen; vgl. vürbaz k. 1820. — 6300 widerkeren
- swv., (zurückwenden), zurückerstatten, ersetzen, — 6301 verkeren swv.,
- verwandeln, verändern, verderben. — 6302 genist stf., Bettung, Sicherheit.
- — 6305 beherten swv., erhärten , erzwingen. — 6306 Jierverten dat. pl. von
- hervart stf., Heerfahrt, Feldzug; vielleicht auch herverten swv. subst. inf,
- stn., etwa: Kriegmachen; letzteres würde besser zum Singular lut^e passen.
- — 6313 schiereste superl. zu schiere adv, (1123), auf das schnellste = nhd.
- sobald als möglich. — 6316 volgen swv. im Mhd. mit gen. der Sache. —
- 6318 her leider wegen stv., (zurückwägen), vergelten. —
- X. MOROLD. 217
- (IGO) unz an den jüugesten rinc.
- ie noch mölit' unser messinc 6320
- ze rotem golde werden.
- ez ist vil üf der erden
- fremeder dinge geschehen,
- der man sich niemer hat versahen,
- und dirre herren edeliu kint, 6325
- diu da ze Schalken worden sint,
- die möhten noch wol werden fri,
- swie ungedäht es in doch si :
- got si, der mich des noch gewer!
- wan ich's in sinem namen ger, 6330
- daz ich noch mit min selbes hant
- den hervanen in Irlant
- mit disen lantgenözen
- also müez' üf gestozen,
- daz daz lant und diu erde 6335
- von mir genidert werde.»
- Morolt sprach aber: «her Tristan,
- noemet ir iuch minner an
- dirre dinge und dirre msere,
- ich wsene, ez iu guot wsere; 6340
- wan swaz hier under rede geschiht,
- wirn läzen doch dar umbe nilit,
- des wir ze rehte sülen han.»
- hie mite gienc er vür Marken stän:
- «kiinec Märke», sprach er «sprechet hie, 6345
- lät beeren, ir und alle die,
- die hie ze gegenwürte sint
- mit mir ze redene umbe ir kint,
- bescheidet mich der msere baz:
- ist iuwer aller wille daz 6350
- und lit ouch iuwer muot dar an,
- als iuwer voget, her Tristan,
- mit Worten hie bescheiden hat?»
- «ja, herre, eist unser aller rat,
- unser wille und unser muot, 6355
- swaz er gesprichet oder getuot.»
- t;;tl9 sprichwörtliche Wendung; ist hier rm: = FInperring , oder Ring im
- Panzerhemd? (vgl. 9öOS) jedenfalls: kleinster Theil; vgl. eines rinrjes 7Üht
- Gute Frau 1019; die Wendung etwa = bis auf den letzten Pfennig.
- Ö347 zc gegenwürte, in Gegenwart, zugegen, gegenwärtig. — G3Jö ge-
- spredien, verst. sjjrechen.
- i
- 218 X. MOROLD.
- Morolt sprach aber: «so brechet ir
- miiiem herren uiidc mir
- (161) iuwer triuwe und iuwern cit
- und alle die Sicherheit, 6360
- diu under uns allen ie geschach.»
- der höveschp Tristan aber dö sprach:
- «nein, herre, ir misseredet hier an:
- ez lütet übele, SM-er dem man
- an sine triuwe sprichet. 6365
- ir aller keiner brichet
- weder triuwe noch eit.
- ein gelübede unde ein Sicherheit
- wart wilen under iu getan,
- die sol man ouch noch stsete län, 6370
- daz si alle jär ze Irlanden
- mit guotem willen sanden
- von Kurnewal und von Engelaut
- den zins, der in da wart benant,
- oder aber si sazten sich ze wer 6375
- mit einwig' oder mit länther.
- sint si der dinge noch bereit
- und loesent ir triuw' unde ir eit
- mit zinse oder mit vehte,
- so tuont s'iu allez rehte. 6380
- herre, hie zuo denket ir:
- beratet iuch und saget mir,
- sweder iu lieber si getan:
- an swederz ir iuch wellet län,
- an kämpf öder an läntstri't, 6385
- des Sit ir nü und alle zit
- an uns gewis und ouch gewert.
- ez müezen doch sper unde swert
- 6363 missereclen swv., übel reden. — 6365 sprechen mit dat. und prsep.
- an c. acc, cisich nachtheilig über einen äußern iu Bezug auf. . .» Benecko;
- einem etwas antasten. — 6368 gelübede nicht stn. = nhd., sondern stf.,
- sonst würde iu den Hss. wohl in V. 6370 diu stehen (dagegen in V. 10502.
- 15032 stu.), doch vgl. V. 2541: die (kleider): nie. — 6369 ivilen adv. (dat. pl.
- von wUe], zur Zeit, unser: weiland (dieses a,\x?, wilent mit unorganischem <),
- einst; vgl. zu 833. — 6370 stcete (adj.) lun , beständig lassen, bestehen
- lassen, aufrecht erhalten. — (io76 lanther stn., Heer des Landes, gesammte
- Streitmacht. — 6381 denken Itie zuo, darauf denken, etwas überlegen. —
- 6384 sich läzcn an etew. , sich einer Sache hiugebeu, sich für etwas ent-
- scheiden. — 6385 kämpf stm. , hier insbesondere: Einzelkampf = e/ntüic
- 5972. — lanfsfnf stm. = lanfve/äe 5973. —
- X. MOROLD. 219
- under uns und in bescheiden:
- nu kieset under den beiden 6390
- ir einez uude saget uns daz:
- der zins enlichet nii niht baz.»
- Morolt sprach aber: «her Tristan,
- hie bin ich schiere komen an;
- ich weiz wol, wederz ich da wil. G395
- min ist hie nü niht alse vil,
- daz ich ze läntstri'te
- iht gewärli'che rite.
- (162) ich fuor von k\nde über mer
- mit einem heinlichen her 6400
- und kom vil frideliche
- her in disiu riche,
- als ich e mäles hän getan.
- ich wände, ez sus niht solte ergän.
- i'ne versach mich dirre geschiht 6405
- an dise läutherren niht;
- ich wände varn von hinnen
- mit rehte und.ouch mit minnen:
- nu habt ir mir wie vür geleit,
- dar zuo bin ich noch unbereit. » 6410
- Tristan sprach: «herre, ist iuwer muot
- ze einem läntstri'te guot,
- so keret ümbe zehant,
- vart wider heim in iuwer laut,
- besendet iuwer ritterschaft, 6415
- besament alle iuwer kraft
- und kumet her wider und lät uns sehen,
- wie unde waz uns süle geschehen;
- und tuot ir des niht zwäre
- in disem halben järe, 6420
- so nemot ir unser da z'iu war:
- €389 bescheiden stv. = entscheiden. — 6392 l'ichon (das einfache Wort; vgl.
- gelicliPii 4596) swv., gefallen; vgl. 14077.
- 6394 an kotnen, ans Ziel kommen, zur Entscheidung (in der Wahl)
- gelangen. — 6398 t/euärlic/ie adv., sicher, ohne Gefahr. — 640U heinlich adj.
- könnte hier bedeuten: heimisch; mit einer Schaar aus der nächsten Um-
- gebung, o Dienerschaar- : Hermann Kurtz und danach Simrock; vielleicht
- ist heinlich aber innerlicher zu fassen: vertraut, befreundet; etwa: mit
- ein paar Freunden. — 6405 nich verseilen mit gen. im Mhd. verbunden
- mit an c. acc. = nhd. an c. dat., häufiger mit von.
- 6416 besamen, besamenen swv., versammeln. — 6421 z'iu, zu euch, bei
- euch , in euerm Lande. —
- 220 X. MOROLD.
- SO kome wir sicherlichen dar.
- man hat uns doch hie vor gezalt,
- gewält hdere wider gewalt
- und kraft wider krefte. 6425
- Sit man mit ritterschefte
- laut unde reht sol swachen,
- herren ze Schalken machen,
- und daz ein billich wesen sol,
- so getruwen wir des gote wol, 6430
- daz unser aller swächeit
- noch werde wider hin z'iu geleit.»
- "Got weiz», sprach Morolt «her Tristan,
- ich hoere vil wol, daz ein man,
- der nie ze solhem schalle kam 6435
- noch dirre dro nie niht vernam,
- dem wseren disiu maere
- sorclich und angestbsere:
- (163) ich trüwe ir aber vil wol genesen.
- ich bin ouch dicker da gewesen, 6440
- da schallen unde hochvärt
- mit solher rede getriben wart.
- ez ist wol der geloube min,
- Gurmün well' äne sorge sin
- umbe sin liut und umbe sin lant 6445
- vor iuwerm vanen unde iuwerr hant.
- ouch Wirt dis übermüetekeit,
- man breche uns danne triuwe und eit,
- niemer gespart ze Irlanden:
- wir suln ez hie mit banden, 6450
- wir zwene, under uns beiden
- in einem ringe scheiden,
- weder ir reht habet oder ich.»
- (J429 billich stm. (9374), (Billigkeit), Angemessenheit, Eecht; von Gottfried
- gerne gebraucht. — 6432 tvider geleit werden, zurückfallen; hin z^iu, auf
- euch; frei: euch vergolten werde.
- t;435 schal stm., hier : Lärm, Gezänk. — 6436 dirre dro ist nicht Plural:
- dieser Drohungen, sondern Sing.: solcher Drohung. — 6438 sorclich adj.,
- Besorgniss erregend. — angestbcere adj., gefährlich, ängstlich. — 6441 schallen
- swv. subst. inf. stn. hat hier wohl andere Bedeutung als schal in V. 6435,
- nämlich synonym von höchvart: Prahlen. — 6444 tcellen ist hier Hülfswort
- für das Futurum. — 6447 übermüetekeit stf. = übermHof, — GMd sparn swv.,
- hier: unbeachtet lassen, vergessen; oder: erlassen, ungestraft lassen? • —
- 6452 rinc stm., hier: Kampfplatz, Schranke, dann übertragen: Kampf>
- Duell; vgl. 6783. — scheiden stv., hier: entscheiden.
- I
- X. MOROLD. 221
- Tristan sprach aber: «diz muoz ich
- mit gotes helfe erzeigen 6455
- und müeze den geveigen,
- der uureht under uns beiden habe.»
- sinen hantschuoch zoh er abe,
- er bot in Morölde dar:
- «ir herren», sprach er «nemet war: 6460
- der künec min herre und alle die,
- die hie sin, die beeren, wie
- ich discn kämpf bespreche,
- daz ich daz reht niht breche;
- daz min her Mörolt, der hie stät, 6465
- noch der in her gesendet hat,
- noch mit gewalt kein ander man
- zins ze rehte nie gewan
- ze Kurnewäle noch z' Engelant:
- daz wil ich mit miner hant 6470
- war machen und wärbseren,
- gote linde der werlt bewoeren
- iif disen herren, der hie stät,
- der imze her gefrumet hat
- daz laster und daz ungemach, 6475
- daz disen zwein landen ie geschach.»
- Da rief an der stunde
- von herzen und von munde
- (164) manec edeliu zunge hin ze gote,
- daz got mit sihem geböte 6480
- bedachte ir laster unde ir leit
- und luste si von schälcheit.
- swaz aber ir aller swrere
- von disem kämpfe wajre,
- daz gie Mörolde kleine 6485
- ze herzen oder ze beine:
- er was vil unerkomen da van.
- 6456 müeze nicht ich müeze, sondern elliptisch und in freier Con-
- struction er müeze, nämlich got. — geveigen swv., hier allgemein : verderben,
- vgl. zu 1669. — 6471 wärlccren (zusammengeschrieben nach Hs. M und H)
- svw., als wdrbaere erweisen , wahrscheinlich machen ; vgl. zu 68'>0.
- P4S0 gpbot stn. entspricht hier nicht unserra : Gebot, vielmehr: Wille,
- Gewalt, Allmacht. — 6482 schälcheit stf., Knechtschaft. — 648.1 die Wen-
- dung ze herzen und ze heine gen im Mhd. ziemlich häufig, von der wir nur
- einen Tlieil gerettet haben; vgl. durch Mark und Bein. — 64S7 unerkomen
- adj. part., unerschrocken, unberührt; vgl. zu 3224. —
- 222 X. MOROLD.
- der wol gestandene man
- dern leite ez niender nidere,
- er bot oucli ime da widere 6490
- des kämpfes bei^^serde
- mit herter gebserde,
- mit fierer contenanze.
- in diihte disiu schanze
- vil wol nach sinem willen wesen : 6495
- er trüte ir harte wol genesen.
- Nu diz gewisset was also,
- der kämpf der wart den herren do
- unz an den dritten tac gespart,
- nii daz der dritte tac dö wart, 6500
- do kom al diu lantschäft
- und Volkes ein so michel kraft,
- däz daz stät bi' dem mer
- allöz bevangen was mit her.
- ]M6rölt fuor wä'fenen sich. 6505
- mit des gewaefene wil ich
- noch mit siner sterke
- mines herzen merke
- noch mines sinnes spitze sehe
- mit nähe merkender spehe -6510
- niht stumpfen noch lesten,
- so dicke als er zem besten
- an rehter manheit ist gezalt:
- 6488 gestanden part. adj., erfahren, bewährt. — 64Sy nidere adv.=nidcr ; vgl.
- zu 16953. 7i("d('/- Lepren behalten die Übersetzer bei: cder vielversuchte Recke
- der legte den Span (Speer, Simrock) nicht nieder». H. Kurtz; der Sinn
- des "Wortes ist aber hier vielmehr: hinlegen, bei Seite legen, abweisen,
- ez unbestimmt = Tristan's Forderung. — 6491 bewcerde stf.. Beweis, Ent-
- scheidung, oder: Zeichen, Pfand (nämlich den Handschuh)? — 6493 ^e/-
- adj., Fremdwort, stolz. — contenanze stf., Fremdwort =neufr, contenance,
- Haltung. — 6494 schäme stf., (franz. c/tance), Glücksspiel, Wagniss.
- 6497 gewissen swv., gewiss machen, festsetzen, — 6501 lantsdiaft stf.,
- hier im Gegensatz zu volc, die vornehme Vertretung des Landes, die Ritter-
- schaft, hersciiaft. — 6504 bevangen part., (umfangen), eingenommen, ange-
- füllt. — 6506 gev:a'fene stn. (collect, zu loäfen), Bewaffnung, Rüstung. —
- 6508 merke stf., Aufmerksamkeit. — 6509 sehe stf., (das Sehen), Sehkraft.
- — QblO nähe merlendiu spehe stf. j genau aufmerkendes Schauen. — 6511 stum-
- pfen swv., stumpf machen, abstumpfen. — lesten swv., belästigen. —
- 6513 gezalt part. von zaln oder zeln (vgl. 3065) swv., im stilistischen Gegen-
- satze zu zal stf., Erzählung, hier: zählen, reclmen. — Statt des Sing.
- zem besten gebrauchen wir den Plural oder Sing, von ein mit gen. : wie
- viel er auch zu den Besten an Tapferkeit gerechnet wird, als einer der
- Besten gilt. —
- MOilOLD.
- 223
- diu zal von ime ist manicvalt,
- (laz er an muote, an groeze, an kraft 6515
- ze vollekomener ritterschaft
- daz lop in allen riehen truoc.
- hie si des lobes von ime genuoc.
- (165) ich weiz wol, daz er künde
- do und ze aller stunde 6520
- ze kämpfe und euch ze vehte
- nach ritteres rehte
- sinem li'be vil wol mite gän.
- er hjete es e so vil getan.
- Der guote künic Marke 6525
- dem gie der kämpf so starke
- mit herzeleide an sinen lip,
- daz nie kein herzelosez wip
- die not umb' einen man gewau.
- ern ha3te deheinen tröst dar an, 6530
- ez enw£ere Trfständes tot
- und hsete gerne. jene not
- iemer umbe den zins gellten,
- daz der kämpf Wiere vcrmiten.
- nu ergieng ez aber allez baz 6535
- umbe diz und umbe daz,
- umbe zins und umbe man.
- der unversuochte Tristan
- ze notli'chen dingen
- der begünde ouch sich mit ringen 6540
- warnen an der stunde,
- so er allerbeste künde,
- sinen lip und siniu bein
- diu bewiirte er schone und wol euein;
- dar über leite er edel werc, 6545
- zwo hosen und einen hälsperc ,
- die wären lieht ünde wiz ,
- <>523 Gottfried'a beliebtes mite fjan mit dat. (unein itöe) ist von H. Kurtz
- nicht getroffen: «seinen Leib wohl zieren auf dem Plan», was yimrock
- abschreibt; es soll hier ohne Zweifel gesagt werden: er konnte seiner
- Kraft vertrauen.
- tiö'JS /terzelijs adj., nicht in unserm Sinne: herzlos, gemüthlos , son-
- dern: muthlos, verzagt, schwach. — (>530 fg. activ gewendet: er glaubte
- (/uete indic), es wäre u. s. w. — <;.')32 //«^e conjnnct. — (i53S fg. nhd. der
- in Xijthen unversuchte, unerfahrene Tristan. —
- 224 X. MOROLD.
- also der meister sinen fliz
- und alle sine wi'slieit
- an si hsete geleit; 6550
- zwen' edele sporen starke
- die spien im sin friunt Marke
- und sin getriuwer dienestman
- mit weinendem herzen an.
- sine wafenriemen er im bant 6555
- alle mit sin selbes liant.
- ein wäfenroc wart dar getragen,
- der was, also ich hörte sagen,
- (166) mit drihen in den spelten
- zen fuogen und zen velteu, 6560
- ze allen sinen enden
- mit fröuwihen henden
- in fremedem prise bedäht
- und noch prislicher vollebräht.
- Hü do er den an sich genam, 6565
- wie lustic und wie lobesam
- er do dar inne wsere,
- daz wsere sagebaere,
- wan daz ab ich ez niht lengen wil.
- der rede würde alze vil, 6570
- ob ich ez allez wolte
- ergründen , alse ich solte.
- und sult ir doch wo! wizzen daz :
- i
- GÖ52 Sielen prset. von spannen stv. (nlid. swv.). o.n sp. entspricht unserm:
- anschnallen [erhalten für das Anschirren]. — 6559 drihe swf., Sticknadel.
- — spelte swf., Geräth zum Weben. Beide Worte im Plural drihen und
- ■spelten werden oft zusammengestellt und synonym gebraucht, darum ist
- im mhd. Wb. I, 391"\ 41 fg. A^Drgeschlagen statt in den spelten der Hss. zu
- lesen und mit spelten; die an sich ansprechende Conjectur ist aber der
- Überlieferung gegenüber nicht in den Text zu setzen, auch kann die Er-
- klärung versucht werden, daß die Sticknadeln in die Webemaschine ein-
- gesetzt wurden, sodaß die Wendung stünde für den Begriff eines Compo-
- situms speltedrihe; Bech fasst spelten als dat. pl. von spali stm.=Schlitz.
- — 6560 fuoge stf., hier = nhd. Fuge; die Stelle an den gewirkten Klei-
- dern, welche der Naht entspricht. — velten dat. pl. von valt stra. (10918),
- Falte; gemeint ist wohl nicht der natürliche Faltenwurf, sondern die
- künstiiclien Falten, die Stellen, wo das Eockzeug wirklich gefaltet wird.
- — 6562 fröuicin adj. zu frouwe, weiblich ; hier wieder die Adjectivwendung
- statt der Genetivzusammensetzung /ro^/Jüen/i^wc^e«; vgl. zu 2547. Das Adj.
- fräuwln [nhd. aufgegeben], bei Gottfried noch öfters z. B. 9.349, kann ich
- sonst aus älterer Zeit nicht nachweisen. — 6564 prislich adj., preiswürdig,
- köstlich ; prislicfier comp. adv.
- 6565 Hi interj. bei Gottfried öfters z. B. 17967 ähnlich wie hei. —
- 6566 lustic adj., nicht in unserm Sinne: lustig, fröhlich, sondern last er-
- regend, anmutliig; vgl. 8263. —
- X. MOROLD. 225
- der mau gezam dem rocke baz
- und truog in lobes und eren au 6575
- -vil mere danne der roc den man;
- swie guot, swie lobebajre
- der wäfenroc doch wsere,
- er was doch siner werdekeit,
- der in dö haHe ane geleit, 6580
- küm' unde kumecliche wert,
- dar über gurte im Marke ein swert,
- daz sin leben und sin herze was,
- Yon dem er allermeist genas
- Tor Morold' und ouch dicke sider. 6585
- und wac daz also rehte nider
- und lag üf siner sträze
- in so gefüeger mäze,
- daz ez noch üf noch uider wac
- wau rehte, da sin weide lac. 6590
- ein heim wart ouch besendet dar,
- der was als ein kristalle var,
- lüter unde vestc,
- der schceneste ünde der beste,
- den ie ritter üf genam. 6595
- ich wa?ne ouch, ic so guoter kam
- in daz laut ze Kurnewäle.
- dar üffe stuont diu sträle,
- (167) der minneu wisaginne,
- diu Sit her mit der minne 6600
- an ime vil wol bewahret wart,
- swie lange ez würde dar gespart,
- den säzte im Märke üf unde sprach:
- «ä neve, daz ich dich ie gesach,
- fwSl kumecliche adv. Bildung von kfa/ie , kaum, bei weitem nicht. —
- *>5S6 nider uoyen stv. intraus., sich niederwärts bewegen, hängen: hier
- wird das Schwert gelobt , weil es in richtiger Weise im Gleichgewicht am
- Gurte hieng. — 6ö89 uf und (noch) nider wegen, sich auf und nieder be-
- wegen, hier in leisem andern Sinne die Bewegung des Schwertes durch
- den, der es trägt und führt. — 6590 roeide, hier bildlich: der Leib des
- Gegners; «die rechte Richte» (Kurtz, was Simrock abschreibt) ist vor-
- her schon charakterisiert durcli sträze; voan rehte = a]a nur gerade. —
- 6592 krislalle (swf. 17116), Krystall stm. — var adj., färb, gefärbt, dann
- überhaupt: aussehend, beschaffen. — 059G ie (nach wa;nen)=nie. — 6599 «i-
- »aginne stf. (zu wUa , auch tcissage Bwm., ahd. u-izago, nhd. entstellt:
- Weissager), Prophetin; das poetische Wort entspricht liier wohl halbwegs
- unserm abstracten: Symbol; vgl. zu 4943 fg. Tristan hatte nicht bedeu-
- tungslos den Pfeil, das Emblem des Liebesgottes zum Helmschmucke, wenn
- sich dies auch später erst zeigen sollte. —
- OOTTFBIED YON STEASSüUr.O. I. 2. Aufl. 15
- 228 X. MOROLD.
- zer brüst und zuo den goffen,
- starc ze beiden wenden,
- erwünschet z'allen enden. 667(
- sine füeze und siniu bein
- diu behielten ouch vil wol enein
- al ir geschepfede unde ir reht;
- die füeze sinwel, diu bein sieht,
- üfrihtec alle viere 667j
- als einem wilden tiere;
- ouch was ez kürzlicher kust
- hin von dem satele und vor der brüst;
- (169) da stuont ez also rehte wol,
- als ein ros iemer beste sol. 6680
- dar üffe ein wiziu decke lac,
- lieht unde lüter alse der tac,
- den andern ringen gelich,
- und was diu lang und alse rieh,
- daz si wol ebene nider gie 6685
- dem orse vaste vür diu knie.
- Nu daz Tristan ze vehte
- nach ritteres rehte
- nach kämpfes gewoneheit
- wol und ze prise was bereit, 6690
- die do wol künden prisen
- beidiu man und iseu,
- die körnen alle samet dar an,
- daz beidiu, isen unde man,
- geworhten schoener bilde nie. 6695
- swie wol daz aber schine hie,
- ez schein doch vil und verre baz,
- Sit do er üf daz ors gesaz
- und sper ze bänden genam,
- 6668 goffe swf., Hinterbacke. — 6669 wenden dat. pl. von want stf. (nicht
- von wende stf.), (Wand), Seite. — 6670 erwünschet part. adj. wie nhd.,
- nur abstracter und allgemeiner: vollkommen, herrlich; vgl. 7721. — 6674 sin-
- wel adj., rund, gewölbt. — 6675 vfrihtec adj., aufrecht, in die Höhe stre-
- bend, schlank. • — 6677 kurzlich adj., kurz, gedrungen. — kust (von kiesen)
- stf., Beschaffenheit. — 6683 andern steht hier wie das franz. autre im Ver-
- gleich und ist im Nhd. nicht zu übersetzen; vgl. Gr. 4, 456. — 6685 ebene
- adv., gleichmäßig.
- 6693 dar an komen kann hier nicht heißen : herzukommen , um es zu
- sehen und zu beurtheilen, sondern: darin übereinkommen. — 6695 ge-
- u-orhten conj. praet. von würken swv. ge- plusquamperf. : gewirkt, ge-
- schaffen hätten. — 6698 gesaz plusquamperf. von sitzen, sich setzen. —
- Ül
- X. MOROLD. 229
- (16 waz daz bilde lüssäm, 6700
- dö was der rittcr lobelicli
- obe dem satel und iindeu rieh,
- arme und absei beide
- die bieten breite weide.
- in den satel kund' er sich wol, 6705
- da man den satel sitzen sol,
- gesetzen und gefüegen.
- hin neben des orses büegen
- da swebeten siniu schoene bein
- strac unde sieht alsam ein zein. 6710
- dö stuont daz ors, dö stuout der man
- so rehte wol ein ander an,
- als op si waren under in zwein
- mit ein ander unde enein
- also gewahsen unde geborn. 6715
- die gebierde wären üz erkorn,
- stcetelich und staete,
- die Tristan z' orse hsete.
- (170) dar zuo, swie wol gebaere
- gebaerdehalp er w^ere, 6720
- so was doch iunerhalp der muot
- so reine geartet und so guot,
- daz edeler muot und reiner art
- under helme nie bedecket wart.
- Sus was den kempfen beiden 6725
- ein kämpfstät bescheiden
- ein kleiniu insel in dem mer,
- dem Stade so nähen unde dem her,
- daz man da wol bereite sach,
- swaz in der insele geschach. 6730
- und was ouch daz bereit dar an,
- daz äne dise zwene man
- niemen dar in k?ome,
- biz der kämpf ende nseme.
- »>704 iveide stf., hier wieder bildlich und allgemein : Ausdehnung. — 6706 sitzen
- mit acc, besitzen, sitzend einnehmen. — 6707 gesetzen, verst. setzen. —
- 'jf/iiegen, verst. j'üegen, swv. refl., sich einfügen, schmiegen. — 6710 strac
- adj., strack, gerade. — zrin stm.. Ruthe, Gerte. — <)717 stoEielich adj., Bil-
- dung von .s'^f^', beständig, gleichmäßig. — (u20 gcbn'i-dehalp adv., hin-
- sichtlich der Gebärde, der Erscheinung. — 6723 edeler, reiner Comparative.
- — art (Geschlecht hier nicht ersichtlicli), hier ziemlich = nhd. Art, Natnr,
- "Wesen; vgl zu 96.J9.
- 230 X. MOROLD.
- daz wart ouch wol behalten. 6735
- sus wurden dar geschalten
- den kempfen zwein zwei schiflfelin,
- der ietwederz mohte sin,
- daz ez ein ors und einen man
- gewäfent wol getrüege dan. 6740
- nu disiu schif diu stuonden da.
- Morolt zoch in ir einez sä:
- daz ruoder nam er an die hant:
- er schiffete anderhalp an laut
- und alse er üz zem werde kam, 6745
- sin schiffelin er iesä nam,
- zuo dem stade hafte er daz.
- üf sin ors er balde saz,
- an sine hant nam er sin sper,
- al über den wert so liez er her 6750
- riliche gän punieren,
- hin unde her laisieren;
- und wären sin puneize
- in dem ernestkreize
- so ringe und so schimpf bsere, 6755
- als ez ze schimpfe wsere.
- Nu Tristan ouch ze schiffe kam,
- sin dinc dar in zuo sich genam
- (171) beidiu sin ors und ouch sin sper,
- vorn' in dem schiffe da stuont er. 6760
- «künec», sprach er «herre Marke,
- nune sorget niht ze starke
- umbe minen lip und umbe min leben:
- wir suln ez allez gote ergeben.
- unser ängest hilfet hie zuo niht. 6765
- waz obe uns lihte baz geschiht,
- dan man uns habe üf geleit.
- unser sisre und unser saelekeit
- 6736 geschalten part, von schalten stv., stoßen (mit der Ruderstange).
- — 6745 werde dat. von wert stm., "Werder, Fluroinsel. — *r,lb\ punieren swv.,
- Fremdwort, fxa,iiz. jjugner , stechen, dann: den Turniergang (auch ohne
- Gegner) reiten, einhersprengen. ■ — 6753 puneiz stm., Fremdwort, punierende
- Keiten, Turniergang, verbunden mit dem Einlegen und Schwingen der
- Lanze; vgl. 9164 fg. — 6754 ernestkreiz stm., Kampfbezirk. — 6755 ringe
- adj., gering, geringfügig, dann auch: leicht, spielend. — sciiimpfhivro a.,
- scherzhaft, wie zum Spasse; vgl. zu 968. — 6756 in. scliimpife ist der Begriff:
- Scherz, der in schimpf bfKre schon ausgedrückt ist, nicht allein enthalten,
- sondern auch die prägnante Bedeutung: Kampfspiel, Turnier.
- 6766 -waz obe, wie wenn? wer weiß ob (vgl. 8578); die Wendung bei
- Gottfried vereinzelt. — lihte adv., vielleicht; vgl. zu 10498. —
- X. MOROLD. 231
- diu entstat an keiner ritterschaft
- Avau an der einen gotes kraft. 6770
- lat alle vörvörhte wesen,
- wan ich mac harte wol genesen.
- mir ist ze disem dinge
- min gemüetc harte ringe.
- als tuot ouch ir! gehabet iuch wol! 6775
- cz ergat doch niiiwan, alse ez sol;
- und aber, swie min ding erge,
- an swelhem ende so ez geste,
- so lat ir iuch doch hiute,
- iuwer länt und iuwer liute, 6780
- an den ich mich verläzen hän:
- got selbe, der mit mir sol gän
- ze ringe und ouch ze vehte,
- der bringe reht ze rehte!
- got muoz benamen mit mir gesigen 6785
- oder mit mir sigelös beiigen:
- der walte es unde müeze es pflegen!»
- Hie mite bot er in sinen segen.
- sin schiffelin daz sliez er an
- und fuor in gotes namen dan. 6790
- hie wart sin lip und ouch sin leben
- von manegem munde gote ergeben;
- im wart von maneger edelen haut
- manec süezer segen nach gesant.
- und alse er üz ze Stade gestiez, 6795
- sin schiffelin er fliezen licz
- und saz üf sin ors iesä.
- nu was ouch Morolt iesä da:
- (172) «sage an», sprach er «waz tiutct daz,
- durch weihen list od umbe waz 6800
- hast du daz schif sus läzen gän?»
- «daz hän ich umbe daz getan:
- hie ist ein schif und zwene man,
- und ist ouch da kein zwivel an,
- <'77l to-cor/ite stf., Vorfurcht, Furcht im voraus; vgl. 12399. — 6774 ringe
- adj., hier: leicht, sorglos. — tiT7S gesteii, hier: stehen bleiben (vgl. 9149);
- die Wendung nhd.: was es für ein Ende nehme. — 6779 sich ldzen = sich
- terli'izen in V. 6781. — 6781 an rf?« ^ nhd. auf den. — 6787 iralten stv. mit
- gen., über etwas walten swv., behüten, Segen geben.
- 6796 .rf/>ce« stv. = schwimmen. —
- 2B2 X. MOROLD.
- belibent die niht beide hie, 6805
- daz aber beuamen ir einer ie
- tif disem werde tot beiiget,
- so hat oiich jener, der da gesiget,
- an disem einen genuoc,
- daz dich da her zem werde triioc.« 6810
- Morolt sprach aber: «ich beere wol,
- daz diz unwendic wesen sei,
- der kämpf enmüeze vür sich gän.
- liezestu in noch imderstän
- und schiede wir mit minnen 6815
- iif solhe rede von hinnen,
- daz ich min zinsreht stsete
- von disen zwein landen hsete:
- daz diuhte mich din sselekeit.
- wan zwäre mir ist sere leit, 6820
- ist, daz ich dich slahen sol;
- mirn gevi'el nie ritter alse wol,
- den ich mit oiigen ie gesach.»
- der gemüote Tristan aber do sprach:
- «der zins miioz fürder sin getan, 6825
- sol dehein suon' imder uns ergän.»
- «entriuwen», sprach der ander do
- «diu suone wirdet niht also:
- sus komen wir niht ze minnen.
- der zins muoz mit mir hinnen.» 6830
- «so tribe wir», sprach Tristan
- «vil harte unnütziu teidinc an.
- Morolt, Sit daz du danne min
- ze slahene so gewis wilt sin,
- so wer dich, wellest du genesen: 6835
- hie enmäc niht anders ane gewesen.»
- 6814 understän, (dazwischen stehen), stille stehen. — 6816 rede, hier:
- Verabredung. — 6824 geniuot adj. hier, allein stellend, wohl in der Bedeu-
- tung: wohlgemuth, unerschrocken, froh; vgl. 7794. — 6S25 fürder iuon,
- abthun, abschlagen; vgl. 1.5518. — 6829 ze minnen (dat. pl.), zur Ver-
- einigung, zur Schlichtung des Streites ; eine Art Terminus aus der Rechts-
- sprache; {mit minnen in V. 6Slö ist wohl innerlicher = mit Liebe, in Freund-
- schaft); vgl. zu l335.->. — 6832 teidinc, tagedinc stn. ist ein Lieblingswort
- des Dichters, welches er meist in übertragener Bedeutung in verschiede-
- nen Schattierungen gebraiicht; nach ihm hat es Konrad von Würzburg be-
- vorzugt: s. Haupt zu Engelhard .5058; hier: Eede. — an zu friöen. an
- triben, hier wie in V. 2295 in derselben Bedeutung wie das einfache triben^
- vollführen.
- X. MOROLD. 233
- Daz ors daz warf er umbe,
- er machte iiz einer krumbe
- (173) eine rihtige slihte.
- er lie her gän enrihte 6840
- mit aller sines herzen ger:
- mit gesenketem sper,
- mit fliegenden schenkelen,
- mit Sporen und mit enkelen
- nam er daz ors zen siten. 6845
- wes mohte euch jener do biten,
- dem ez umbe daz leben stuont?
- der tete, reht' als si alle tuont,
- die üf rehte manheit
- alle ir sinne hänt geleit: 6850
- er nam ouch eine kere
- nach sines herzen lere
- wol balde hin und balde wider;
- sper warf er üf und iesä nider.
- sus kom er her gerüeret, 6855
- als den der tiuvel füeret.
- beidiu rös ünde man
- kömön Tristanden fliegende an
- noch balder danne ein smirlin:
- als giric was ouch Tristan sin. 6860
- si kömen mit gelicher ger
- geliche fliegende her,
- daz si diu sper zestächcn,
- daz si in den schilten brächen
- wol ze tüsent stucken. 6865
- do gieng ez an ein zucken
- der swerte von den siten.
- si giengeu z'orse striten:
- got selbe mühte ez gerne sehen.
- Xu hoere ich al die werlde jehen, 6870
- und stät ouch an dem miere,
- daz diz ein einwic wa3re ;
- 6S40 enrihte adv., hier räumlich: in gerader Richtung; vgl. zu 3070. —
- •■-851 kere stf. (2066) nemen, Wendung machen, Richtung nelimen; bei Gott-
- fried kere beliebt. — 6860 [/iric adj., gierig, mit gen. = nhd. auf.
- 6870 fg. Der Gedanke, daß der einzelne Kämpfer mit seinen Kräften
- ein f,rr, mehrere Personen ausmache und vertrete, findet sich im Tristan
- ähnlich benutzt und ausgefülnt in V. 7005 und 9020. —
- 234. X. MOEOLD.
- und ist ir aller jehe dar an,
- hiene wteren niuwan zwene man.
- ich prüeve ez aber an dirre zit, 6875
- daz ez ein offener strit
- von zwein ganzen rotten was:
- swie ich doch daz nie gelas
- (174) an Triständes maere,
- ich mache ez doch wärbsere. 6880
- Mörolt, als uns diu wärheit
- ie hat gesaget und hiute seit,
- der hsete vier manne kraft,
- diz was vier manne ritterschaft:
- daz was der strit in eine sit. G885
- so was anderhalp der strit,
- daz eine got, daz ander reht,
- daz dritte was ir zweier kneht
- und ir gebsere dienestman,
- der wol gewsere Tristan: G890
- daz vierte was williger muot,
- der wunder in den noäten tuot.
- die viere und jene viere
- üz den gebilde ich schiere
- zwo ganze rotte od ahte man, 6895
- als übel als ich doch bilden kan.
- E dühte iuch. daz diz maere
- gar ungefüege waere,
- daz üf zwein orsen zwei her
- iemer möhten komen ze wer: 6900
- nu habet ir ez vür war vernomen,
- daz hie zesamene wären komen
- under einem helme ietweder sit
- vier ritter oder vier ritter strit;
- 6880 ivärbccre adj., Bildung von loär, wahrsclieinlich, scheiut dem Dichter
- eigentliümlich; danach auch das Verbum icärbccren 6471. — 6885 in eine
- Sit ( = 8ite), auf einer Seite. — 6S94 r/ebilden swv., verst. bilden [vgl. Gebild
- neben Bild].. — 689G diese Wendung wörtlich übersetzt [übel beibehalten)
- würde den Sinn verfehleu und beinahe das Gegentheil erzielen; der Dich-
- ter will sich nicht als ungeschickt hinstellen nach der zuversichtlichen
- Äußerung in V. 6880; vielmehr ist übel ironisch zu fassen, es soll gesagt
- werden: so gut oder schlecht ich eben bilden kann, d. h. umgekehrt von
- übel: so gut ich es eben kann; vgl. V. 351: reltV ühe liep als ez in was =
- wie unlieb es ihnen auch war.
- 6898 ungefüege adj., unpassend, etwa: ungereimt. — 6903 s. zu 5525. —
- X. MOKOLD. 235
- die riten ouch ze den ziten 6905
- vast' üf ein ander striten.
- alsus kom ein gesellescliaft,
- Morolt mit vier manne kraft,
- Tristanden alse ein doner an.
- der veige väläudes man 6910
- der sluoc als kreftecliche üf in,
- daz er im kraft ünde sin
- vil nach mit siegen btete benomen,
- wser' ime der schilt ze staten nilit komeu,
- under dem er sich mit listen 6915
- künde schirmen unde fristen.
- weder heim noch halsperc
- noch dehein sin ander kämpfwerc
- (175) daz enhsete in da niht vür getragen,
- ern haete in durch die ringe erslagen; 6920
- ern liez im nie die State geschehen,
- daz er vor siegen moht' üf gesehen.
- Sus gieng er in mit siegen an,
- biz er'm mit siegen an gewan,
- daz Tristan von der siege not 6925
- den schilt ze verre ^n im bot
- ünde den schirm ze höhe truoc,
- biz daz er im durch daz diech slüoc
- einen älse hüzli'chen slac,
- der vil nach hin zem tode wac, 6930
- daz ime daz fleisch und daz bein
- durch hosen und durch halsperc schein,
- und daz daz bluot üf schrsete
- und after dem werde wsete.
- «wie do», sprach Morolt «wiltu jehen? 6935
- Ü916 fristen 8wv., hier: retten wie in V. liS79; vgl. zu 124S. — (5918 kämpf-
- werc stn., Rüstzeug. — (J919 vür (ragen hier mit acc, einem nützen; vgl.
- 6204. — 6920 uhd. positiv zu wenden als neuer Satz oder es folgt: sondern.
- 6924 an ijewinnen mit dat., einen überwinden. — (J928 dlecli stn., .Schen-
- kel. — 69.30 wegen stv., hier: sich (wiegend) hinneigen, sich bewegen, aus-
- schlagen. — 69,'U bein stn., hier im (iegensatze zu fleisch: Knochen. —
- 6933 schrcEte prset. von .■sc/ircejen swv., spritzen, vf sehr., auf-, emporspritzen.
- — 6934 after prsep. mit dat., über hin. — 6934 xoa-jen swv., (wehen) in
- früherer Zeit nicht bloß vom Winde und Feuer, sondern auch bildlich
- von festeren Körpern gesagt; vgl. 7025 [ähnl. nlid. springen]. — 693.5 ;>/;«
- Btv., hier intrans. ohne jeden Zusatz; im mhd. Wb. I, j12 erklärt: «(willst)
- du dich für befugt erklären r ■> Druckfehler für: besiegt? denn dies ist
- der Sinn, jehen ähnlich wie: willst du gestehen? (daß du Unrecht hast
- und besiegt bistj. —
- 236 X. MOROLD.
- hier an mäht du wol selbe sehen,
- tlaz niemeu iinreht füeren sol:
- din iinreht schinet hier an wol;
- noch denke, wellest du genesen,
- in welher wise ez müge gewesen, 6940
- wan zewäre, Tristan, disiu not
- diu ist din endeclicher tot,
- ich eine enwende ez danne;
- von wibe noch von manne
- sone wirdest du nie mer gesunt: 6945
- du bist mit einem swerte wunt,
- daz toedec nnde gelüppet ist.
- ärzät noch arzätes list
- ernert dich niemer dirre not,
- ez entüo min swester eine, Isot, 6950
- diu künegin von Irlande:
- diu erkennet maneger bände
- würze und aller kriute kraft
- und arzätliche meisterschaft;
- diu kan eine disen list G955
- und anders niemen, der der ist.
- diu enner dich, du bist ungenesen.
- wil du mir noch gevcfl^ic wesen,
- (176) und mir des zinses jehende sin,
- min swester, diu künigin, 6960
- diu mnoz dich selbe heilen,
- und ich wil mit dir teilen
- gesellecliche, swaz ich hän,
- und wil dir nihtes abe gän,
- da dich din wille zuo getreit.» 6965
- Tristan sprach: «mine wärheit
- und mine ere die engib ich
- durch dine swester noch durch dich:
- ich hän in miner frien haut
- da her gefüeret zwei friiu laut, 6970
- diu varnt ouch mit mir hinnen,
- (J943 wenden svw. hier trans. mit acc, abwenden; vgl. zu 13775. —
- gelüppet part. adj., vergiftet; vgl. zu 7272. — 6949 ernern (380) hier
- mit gen.: von. — 6953 würze ist wolil nicht gen. pl., sondern, gleich-
- stehend mit kraft, acc. pl. von tvurz stf., Wurzel; vgl. 16109. — 6957 tin-
- yenesen adj. part., unheilbar, verloren. — 6958 gevolgic adj., folgsam. —
- 6963 gesellecliche adv., als geselle., in freundschaftlicher Weise. — 6966 ivär-
- lieit, hier im Zusammenhang mit ere: Wahrhaftigkeit, Treue, das gegebene
- Wort; vgl. 8914. 9821. —
- X. MOROLD. 237
- oder ich muoz ie gewinnen
- grojzern schaden od aber den tot.
- ouch enbin ich noch ze selber not
- mit einer wunden niht getriben, 6975
- daz ez ällez hier an si beliben.
- der kämpf ist under uns beiden
- ie noch vil ungescheiden.
- der zins ist din tot oder der min;
- hie enmac niht anders ane gesin.» 6980
- Hie mite ruort' er in aber an.
- nu sprichet daz vil lihte ein man,
- ich selbe spriche ez ouch dar zuo:
- cgot unde reht, wä sint si nuo,
- Tristandes stritgesollen? 6985
- op si im iht helfen wellen,
- des nimet mich michel wunder,
- si süment sich hier under:
- ir rotte und ir geselleschaft
- diu ist sere worden schadehaft; 6990
- sine kömen danne dräte,
- so koment si al ze späte:
- von diu so komen schiere!
- hie ritent zwene an viere
- und stritent niuwan umbe ir leben. 6995
- daz selbe deist ouch sere ergeben
- an zwivel unde an üntrost.
- Silin si iemer werden erlost,
- (177) daz muoz vil kürzliche sin.
- got unde reht diu riten do in 7000
- mit rehtem urteile,
- ir rotte ze heile,
- ir vi'nden ze valle.
- hie begünden si sich alle
- geliche röttieren, 7005
- viere wider vieren.
- alsus reit schär wider schar,
- ungescheiden ailj. part., liier: unentschieden; vgl. zu 6452.
- 6981 an rue/eri mit acc, man kann zweifeln, ob die Bedeutung ist
- feindlich auf einen losgehen wie in V. 9013 fg. (s. die Bemerk.), wo es
- auch vom Drachen gesagt ist, oder ob Ellipse zu Grunde liegt wie bei
- rtieren (s. zu 210.'}; : einen ansprengen (mit dem Rosse), eher wohl letzteres.
- — 6997 unlro^t stm., Muthlosigkcit. —
- 23 X. MOROLD.
- und Tristan, alse er wart gewar
- der sinen stritgesellen,
- do wuohs im muot und eilen: 7010
- im brähte sin geselleschaft
- beidiu herze unde kraft.
- daz ors er mit den sporen nam:
- so sere er her gerüeret kam,
- daz er nach s^ner gelust 7015
- hurtende mit des orses brüst
- sin vint so sere erschalte ,
- daz er'n zer erden valte
- mit örse betalle;
- und alse er von dem valle 7020
- ein lützel sich erholte
- und wider zem orse wolte,
- dö was ouch Tristan iesä da;
- den heim den sluog er ime iesä,
- daz er wsete al dort hin dan. 7025
- hie mite so lief in Mörolt an:
- durch die covertiure er sluoc
- Tristandes orse abe den buoc,
- daz er ünder ime dar nider gesaz
- und tete er weder wirs noch baz, 7030
- wan sprang et anderhalp dervan.
- Morolt der listige man
- den schilt ze rucke er kerte,
- als in sin witze lerte.
- mit der hant so greif er nider, 7035
- den heim den nam er aber wider,
- er haete in siner wi'sheit
- also gedäht und üf geleit,
- (178) so er wider ze orse kseme,
- daz er den heim üf nseme 7040
- und rite aber Tristanden an.
- nu er den heim ze sich gewan
- 7010 eilen stn., Kraft, Stärke. — 7015 gelust stf., Begierde. — 7016 hurten
- swv., stoßen. — 7017 erschalte prset. von erschellen swv., erschüttern. —
- 7019 betalle a,äv. = mitaUe, zusammen; s. zu 939. — 7030 wirs adv. (znübel),
- schlimmer; die "Wendung weder icirs noch baz (ähnlich wie minner noch
- niere 8. zu 1689) =^ nichts anders.
- 7034 witze stf., Verstand; hier entsprechend etwa unserm: Geistes-
- gegenwart; im Plural gebraucht V. 15348, vielleicht auch V. 7917. —
- X. MOEOLD. 239
- und hin zem orse gahte
- und dem also genähte,
- daz er die hant zem britel liez 7045
- unde den linken fuoz gestiez
- wol vaste in den stegereif
- und mit der hant den satel ergreif:
- nu hfete in ouch Tristan erzogen,
- er sluog im iif dem satelbogen 7050
- daz swert und ouch die zeswen hant,
- daz si beidiu vielen üf den sant
- mit ringen mitalle ;
- und under disem valle
- gab er im aber einen slac 7055
- reht' obene, da diu kuppe lac,
- und truog ouch der so sere nider,
- do er daz wäfen zucte wider,
- daz von dem selben zucke
- des swertes ein stücke 7060
- in siner hirneschal beleip;
- daz ouch Tristauden sider treip
- ze sorgen und ze grozer not:
- ez hrete in nach bräht üf den tot.
- Morolt, daz tröstelose her, 7065
- do er ane kraft und äne wer
- so sere türmelende gie
- und sich an den val verlie,
- «wie do, wie dö!» sprach Tristan
- «so dir got, Morolt! sage an, 7070
- ist dir dirre mtere iht kunt?
- mich dunket, du sist sere wunt;
- ich waene, din dinc übele ste.
- swie ez miher wunden erge.
- 7044 genahen swv., verst. nälien. — 7045 hritcl stm., Zügel. — lazen, hier:
- bewegen, greifen. — 7046 gestozen etv., verst. stelzen. — 7049 erziehen stv.,
- erreichen ; Tristan war ihm wieder auf den Leib gerückt. — 7050 satelboge
- swm. ist hier der hintere Sattelbogen. — 7051 zesea.dj., gen. zeswcs, recht.
- — 7056 kuppe swf. (7089), die Haube unter dem Helme; vgl. 9407. —
- 7057 nider tragen, eigentlich: niederziehen; eindringen. — 7059 zuc stm.,
- das Zucken, heftiger Zug, Hieb. — 7064 nach adv., hier = rj7 nach (102),
- beinahe.
- 7(167 lurmelen swv., taumeln. — 7068 verletzen refl. an eleu: heißt hier
- wohl eigentlich: sich einem Dinge überlassen, hingeben; sich dem Falle,
- dem Niedersinken hingeben ist bildliche Umschreibung für: niedersinken.
- — 7070 so dir got ! elliptisch für so helfe dir got ! vgl. zu 2229. —
- 240 X. MOKOLD.
- dir waere guoter würze not: 7075
- swaz so diu swcster Isot
- von erzenie hat gelesen,
- des wirt dir not, wil du genesen.
- (179) der rehte und der gew£ere got
- und gotes gewserlich gebot 7080
- die habent din unreht wol bedäht
- und relit an mir ze rehte bräht,
- der müeze min ouch vürbaz pflegen!
- disiu höchvart diu ist gelegen.»
- hie mite trat er im näher baz. 7085
- daz swert daz nam er und gap daz
- ze beiden sinen banden:
- er sluoc sinem anden
- daz houbet mit der kuppen abe.
- Sus kerte er wider zuo der habe: 7090
- do er Moroldes schif da vant,
- da saz er in und fiior zehant
- gein dem stade und gein dem her.
- aldä gehorte er bi dem mer
- gröze fröude und gröze klage, 7095
- fröud' unde klage, als ich in sage:
- der sselde an sinem sige lac,
- den was ein soeleclicher tac
- und michel fröude erstanden:
- si slägeten mit banden, 7100
- si lebeten got mit munde,
- si sungeu an der stunde
- ze himele michel sigeliet.
- so was ez aber der fremedcn diet,
- den leiden gesten von Irlant, 7105
- die dar wären gcsant.
- 7075 ez ist not mit gen. und dat., es ist einem etwas nöthig (aber not ist
- wohl Substantiv, nicht Adjectiv). — 7078 ez wirt not mit gen. und dat.
- synonymer Ausdruck mit ez ist n. in V. 7075. — 7086 fg. solche Wendungen
- verzeichnet Haupt zu Erec 857 (2. Ausgabe), daz swert geben {geben im Mhd.
- häufiger in solcher "Weise verwendet als das heutige Wort) ist wohl hier
- eine Umschreibung für: zuhauen [vgl. Sporn geben = anspornen, Schuß
- geben = schießen, Peitsche geben = peitschen u. dgl.]. ze=m.ii. Simrock
- übersetzt: und gab es da in seine beiden Hände; Kurtz in ähnlicher Auf-
- fassung: fasste das in seine beiden Hände. Das scheint mir nicht in der
- Wendung zu liegen. Ein Scherz mit dem Terminus swert geben (s. zu 5733):
- Tristan ertheilte dem Gegner den Kitterschlag, würde zu fern liegen und
- überdies geschmacklos sein. — 7088 ande swm., Feind; vgl. zu 8992.
- 7100 slagen swv., schlagen (dieses aus slahen stv. ) , klatschen. —
- 7104 diet stf., Volk. —
- X. MOROLD. 241
- ze michelem leide ertaget:
- von den wart alse vil geklaget,
- also von disen gesungen.
- si wunden unde twungen 7110
- ir jämer under ir lienden.
- Die .jämerigen eilenden
- die klagenden Iiiandaere,
- die wile s' in ir swaere
- ze schiffe wolten gäben, 7115
- Tristan begunde in nähen
- und an dem Stade bekom er in:
- ((ir herren», sprach er «keret hin,
- (180) enpfähet jenez zinsreht,
- daz ir dort üf dem werde seht, 7120
- und bringet iuwerm herren heim
- und saget im, daz min ceheim
- der künic Marke und siniu lant
- diu senden ime den prisant
- unde enbieten ime da bi, 7125
- swenn' ez an sinem willen si,
- daz er's geruoche unde ger,
- daz er sine boten her
- nach solhem zinse sende;
- wir enläzen s' itelhende 7130
- niemer wider gekeren;
- mit sus getanen eren
- sende wir si im hinnen,
- swie küme wir'z gewinnen.»
- und swaz hier under rede ergie, 7135
- mit dem schilte dacte er ie
- daz blüot und die wunden
- vor den ünkünden.
- und ernerte in ouch daz selbe sider,
- wan jene die komen also wider, 7140
- daz ez ir keiner nie bevant;
- wan si schieden dan zehant
- 7107 ertagen swv., hier unpersönlich: tagen, Tag erscheinen: der Tag war
- für sie zu große n Leide aufgegangen. — 7110 fg. poetische Wendung für :
- sie wanden und rangen (zwangen) vor Jammer ihre Hände.
- 7112 jäineric adj., vom Jammer erfüllt. — 7117 bekomen mit dat., einem
- begegnen; in dat. pl., den Irländern (danach mhd. Wb. I, 904'', b fg. zu
- streichen). — 7121 Pronominalellipse : zu ergänzen e;. — 71.30 itelhende ikAi.,
- (leerhändig), mit leerer Hand.
- «OTTFBIED VON STBA8SBURG. I. 2. Aufl. 16
- 242 X. MOKOLD.
- und fuoren hin zem werde sä
- und fimden vür ir herren da
- einön zerstücketen man. 7145
- den selben fuorten s' ouch von dan.
- Nu si ze lande kämen,
- ze bänden si nämen
- den jsemerlichen pri'sänt,
- der bi in dar was gesant. 7150
- diu stucke meine ich elliu driu:
- zesamene leiten si diu,
- daz iemen iht da von verlür;
- ir herren truogen si si vür
- und Seiten ime, als ich e las, 7155
- vil rehte als ime enboten was.
- ich wsene unde versihe mich wol,
- des ich mich wol versehen sol,
- (181) der künec Gurmün Gemüotheit,
- der hsete unmuot und raichel leit 7160
- und gieng in ouch des not an:
- er verlos an disem einen man
- herz' unde muot, trost unde kraft
- und maneges mannes ritterschaft.
- diu schibe, diu sin ere truoc, 7165
- die Morolt friliche sluoc
- in den bilanden allen,
- diu was do nider gevallen.
- Diu künigin sin swester,
- der leit was aber noch vester, 7170
- ir jämer unde ir klagenöt:
- si unde ir tohter Isot
- si quelten manege wis ir lip,
- als ir wol wizzet, daz diu wip
- vil nähe gende klage hänt, 7175
- da in diu leit ze herzen gänt.
- si sähen disen toten man
- durch niht niwan durch jämer an,
- 7161 mich gät not (subst.) an mit gen. (des), ich habe Ursache dazu. —
- 7165 schibe swf., die Scheibe, das Rad des Glücks; vgl. 14474; häufiger die
- schiben triben; d. seh. slahen, z. B. Martina 219, 54. — 7166 in friliche adv.
- muß an dieser Stelle mehr enthalten sein als der Begriff: frei, rückhalts-
- loB ; vielmehr subjectiver: mit unverzagtem, frischem Sinn (vgl. 15778).
- X. MOBOLD. 243
- durch daz ir herzeswaere
- al deste groezer waere. 7180
- daz houbet kusten s' und die hant,
- diu in Hute unde lant
- hsete gemachet undertän,
- als ich hie vor gesaget hän.
- des höubetes wunden 7185
- besähen s' oben und unden
- ang' unde jsemerliche.
- nu ersäch diu sinneriche,
- diu wise küniginne
- die schärten dar inne. 7190
- si besände ein kleinez zängelin ,
- da mite reichte si dar in
- unde gewan die scharten dan.
- si unde ir tohter sähen s' an
- mit jämer und mit leide 7195
- und nämen si do beide
- und leiten si in einen schrin,
- da Sit daz selbe stuckelin
- (182) Tristandeu brähte ze not.
- Nu herre Morolt der ist tot: 7200
- tribe ich nu michel msere
- von ir aller swsere
- und von ir klage, was hülfe daz?
- uns waere nihtes deste baz.
- wer möhte ir aller leit beklagen? 7205
- Morolt wart ze grabe getragen,
- begraben alse ein ander man.
- Gurmün dö truren began
- und hiez gebieten al zehant
- über äl daz riche ze Irlant, 7210
- daz man genöte nteme war,
- swaz in der werlde lebendes dar
- 7190 scharte swf., Scharte [nhd. beschränkter], Lücke, Wunde, und
- zwar, im Gegensätze zu uv/«(/e«inV. 7185, der Kern der Wunde. — IWl reichen
- swv. = unserm: langen. — 7193 hier hat scharte andern Sinn als in V. 7190
- (wo stilgemäß das Wort entschieden nicht den hier gültigen haben kann),
- nämlich: das ausgehauene Stück (vom Schwerte Tristan's), der Splitter;
- vgl. zu 10189. 10192.
- 720-1 uns wäre damit nicht gedient, geholfen; vgl. die ähnliche Wen-
- dung in V. 7268. — 7211 genSte adv., eifrig, angelegentlich; bei Gottfried
- häufig, namentlich im Reime ( : Isöte, Melute) gut verwendbar. —
- 16*
- 244 X. MOROLD.
- von Kurnewäle kseme,
- daz man im den lip nseme,
- ez waere wi'p öder man. 7215
- diz gebot und dirre ban
- der gie vür sich so sere,
- daz niemen keine kere
- ze deheiner slahte stunde
- da hin gehaben künde 7220
- von kurnewalscher diete,
- daz er deheine miete
- mohte gebieten oder gegeben,
- ez engienge im niuwan an daz leben,
- biz maneger muoter kint da van 7225
- unschuldeclichen schaden gewan;
- und was daz allez äne not,
- wan Morolt lac billichen tot;
- der was niwan au siner kraft
- und niht an gote gemüothäft 7230
- und fuorte z'allen ziten
- ze allen sinen striten
- gewält ünde hochvärt,
- in den er ouch gevellet wart.
- 7216 ban stm., Bann; aber wohl nicht: Verbannung, weltliche Proscription
- (mhd. Wb. I, 86^, 42 fg.), sondern als Synonym von gebot allgemeiner;
- Strafbefehl. — 7222 miete stf., (Miethe), Lohn, Bezahlung, Lösegeld. —
- 7223 gebieten stv., verst. bieten, anbieten.
- XI.
- TANTRIS.
- Tristan's Sieg wird gefeiert, seine Verwundung beklagt. Kein Arzt
- kann ihm helfen, darum will er, die Wahrheit von Morold's Rede erken-
- nend, zur Königin Isolt nach Irland fahren. Marke willigt ein. Das Ge-
- rücht soll verbreitet werden, er weile in Salerne um seiner Heilung willen.
- Mit Kurvenal und acht Mannen tritt er die Reise an; bei Develin, dem
- Sitze der Königin, machen sie Halt. In ärmliches Gewand gekleidet, be-
- steigt Tristan in der Xacht eine halbe Meile vor der Stadt ein Schifflein,
- nimmt seine Harfe zu sich und versorgt sich mit Nahrung auf einige Tage.
- Kurvenal und die Gefährten sendet er in der Barke zurück mit Grüßen an
- den Oheim und mit Befehlen im Falle seines Todes.
- Am Morgen werden die von Develin das verlassene Schifflein auf dem
- Wasser gewahr und senden Boten dahin aus. Diese erblicken niemand,
- hören aber Harfeuspiel und eines Mannes Gesang. Sie kommen heran,
- und Tristan erzählt ihnen ein erdichtetes Abenteuer und bittet sie zu-
- gleich , sich seiner anzunehmen. Um seiner Kunst willen bringen ihn die
- Boten nach der Stadt, und die Bürger erbarmen sich seiner und geben
- ihn in die Pflege eines Arztes. Das Gerücht vom todtwunden Spielmann
- kommt auch zu Ohren eines Pfaffen , des Lehrmeisters der Königin und
- der jungen Isolt. Er ist entzückt von Tristan's Spiel und berichtet der
- Königin von seiner Meisterschaft und von der Wunde, die sein Arzt nicht
- hätte heilen können. Die Königin lässt Tristan zu sich schaffen, erkennt
- sofort seine Vergiftung und erbietet sich , ihn zu heilen. Der Spielmaun,
- der sich Tantris nennt, harft und singt vor den Frauen. Als Entgelt für
- seine Heilung wünscht die Königin, daß Tantris ihre Tochter in Sprachen
- und Saitenspiel unterweise. In zwanzig Tagen ist die Wunde geheilt. Mit
- Eifer und Erfolg genießt die junge Isolt den Unterricht ihres neuen Mei-
- sters. Endlich begehrt Tristan von dannen, aus Furcht, er möge doch
- vielleicht von einem der Irländer erkannt werden. Die Frauen gewähren
- ihm erst dann den Urlaub, als er vorgibt, er habe ein geliebtes eheliches
- Weib, die einem andern gegeben werde, wenn er nicht wiederkehre. Be-
- Bchenkt kehrt hierauf Tristan über Engeland nach Kurnewal wieder heim.
- Nu grife wider, da ich ez liez. 7235
- Tristan do der ze Stade gestiez
- äne ros und äne sper,
- nu körnen tüsent rotte her
- 246 XI. TANTRIS. ^
- (183) gedrungen mit ir gruoze
- ze orse und ze fuoze: 7240
- si enpfiengen in froliche.
- künec ünde künicriche
- dien' gelebeten nie so lieben tac,
- des man in wol getrüwen mac;
- wan in was üf erstanden 7245
- groz ere üz sinen banden:
- ir aller laster unde ir leit
- daz haete er eine hine geleit.
- und aber die wunden, die er truoc,
- die beklageten si genuoc 7250
- und gieng in sere nähen;
- wan si sich aber versähen,
- daz er von dirre swsere
- schiere genesen wsere,
- done ähten si'z ze nihte, ■ 7255
- si fuorten in enrihte
- hin wider zem palas under in.
- wol balde entwäfenten s' in
- und schuofen ime senft' unde gemach,
- als er od iemen vor gesprach. 7260
- Arzäte man besande
- von bürgen und von lande
- die allerbesten, die man vant.
- wie do die wären besant,
- die leiten allen ir sin 7265
- mit arzätlichem liste an in.
- waz truoc daz vür od waz half daz?
- im was doch nihtes desto baz,
- daz si alle samet wisten
- von arzätlichen listen 7270
- daz enmohte im niht ze staten gestän:
- daz gelüppe was also getan,
- daz si'z mit nihte künden
- gescheiden von der wunden,
- 7260 vor gesprechen stv., vorschlagen, verlangen; mit acc. in V. 7888.
- 7267 vür tragen, nützen; vgl. 6204. 11835. — 7272 gelüppe stn., Gift;
- in der Regel das Gift an den Waffen, welches die Wunden unheilbar
- macht. —
- XI. TANTRIS. 247
- und ez im al den lip ergienc 7275
- und eine värwe gevienc
- so jaemerlicher hande,
- daz man in küme erkande.
- (184) dar zuo gevie der selbe slac
- ein^n so griuwelichen smac, 7280
- daz ime daz leben swärte,
- sin eigen lip unmärte.
- euch was sin meistez ungemacli,
- daz er daz alle zit wol sach,
- daz er den begunde swären, 7285
- die sine friunde e wären,
- und erkande ie baz unde baz
- Moroldes rede; ouch hsete er daz
- e mäles dicke wol vernomen,
- wie schoene und wie vollekomen 7290
- Isot sin swester waere;
- wan von ir fleug ein msere
- in allen den bilanden,
- die ir namen erkanden:
- diu wise Isot, diu schoene Isot, 7295
- diu liuhtet alse der morgenröt.
- Tristan der sorchäfte mau
- hie gedähte er z'allen ziten an
- und wiste woi, solt' er genesen,
- daz enkünde niemer gewesen 7300
- wan eine von ir liste,
- diu disen list da wiste,
- diu sinneriche künigin.
- wie ez aber möhte gesiu,
- des enkünde er niht betrahten. 7305
- nu begunde er aber daz ahten.
- 7275 ergan , hier transitiv: durchgehen, durchströmen; vgl. 13327. —
- 7276 elliptisch; zu ergänzen: er. — gecähen, hier: empfangen, bekommen. —
- 727^ slac stm., hier: der empfangene Schlag, die "Wunde. — 7280 smac
- 8tm., (Geschmack), Geruch. — 7281 swärle prset. von swceren swv. intrans.
- (bei Gottfried nur trans.) oder prset. von swären swv., hier letzteres, swären
- i: wären 7285) mit dat., einem schwer, lästig werden. — 7282 unmocren
- swv., mit dat. der Person, unincere, unwerth (2146) sein oder werden. —
- ItM die ( nach den Hss. ) nicht direct grammatisch auf bilanden zu be-
- ziehen, sondern nach dem Sinn auf die Einwohner der Nachbarländer;
- eine Änderung in diu, wie sie Maßmaun vorgenommen hat, ist nicht
- geboten und nicht statthaft.
- 248 XI. TANTRIS.
- Sit ez sin tot doch waere,
- so wsere im alse maere
- der lip gewäget oder tot
- als disiu totliche not. 73101
- hie mite besazte er sinen sin,
- er wolte benamen da hin,
- ez ergienge im, swie got wolte,
- gensere, obe er solte.
- Sinen deheim den besande er: 7316J
- er Seite im al von ende her
- sin tougen unde sinen muot,
- als ein friunt sinem friunde tuot,
- (185) wes im wille waere
- nach Moroldes maere. 7320'
- diz geviel im übele unde wol,
- wan daz man schaden ze noeten sol
- dulten, als man beste kan.
- under zwein übelen kiese man ,
- daz danne minner übel ist: 7325
- daz selbe ist ouch ein nütze list.
- sus wurden si zwen' under in zwein
- ir dinges alles enein,
- als ez ouch allez gendet wart,
- wie er volante sine vart; 7330
- wie man'z yerswigen solte,
- daz er ze Irlanden wolte;
- wie man solte sagen maere
- daz er in Salerne waere
- dur sines li'bes genist. ^ 7335
- nu disiu rede besetzet ist,
- Kurvenal wart ouch besant.
- dem selben selten s' ouch zehant
- ir beider willen unde ir muot.
- diz dühte Kurvenälen guot 7340
- und jach, er wolte mit im wesen,
- mit ime ersterben oder genesen.
- 7308 maere adj., hier: lieb; vgl. wegen geuäget zn 172. — 7311 besetzen,
- hier: festsetzen: er fasste den festen Entschluß; vgl. 11781. 19060.
- 7317 tougen stn., Geheimniss. — 7330 volante ist conj. — 7336 besetzen,
- hier wie in V. 7311 = festsetzen, beschließen.
- XI. TANTRiS. 249
- Und alse ez äbende wart,
- nu bereite man in ziio z'ir vart
- eine barken unde ein schiflfelin 7345
- und schuof in vollen rät dar in
- an lipnar unde au spise,
- an andere scLifwi'se.
- da wart der arme Tristan
- mit maneger klage getragen an 7350
- vil tougenlichen unde also,
- daz dirre schiffünge dö
- vil lützel iemen wait gewar,
- wan die man ouch besande dar.
- sinem ceheime Marke 7355
- dem bevälch er harte starke
- sin gesinde und ander sin dinc,
- daz sines dinges iemer rinc
- (186) von ein ander kseme,
- biz man von ime vernseme 7360
- gewislichiu miere,
- wie cz im ergangen waere.
- sine härphen er besande:
- die fuorte er ouch von lande
- und sines dinges nie uiht me. 7365
- Hie mite so stiezen s' an den se.
- sus fuoren si von dannen
- niwan mit ahte mannen;
- die selben haeten ouch ir leben
- ze bürgen und ze pfände gegeben 7370
- und ouch versichert bi gote,
- daz si üz ir zweier gelote
- niemer fuoz getrseten.
- nu si geschiffet hseten,
- und Marke nach Tristande sach , 7375
- sin kurzewile und sin gemach,
- 7343 äbende part. pises. { = äbendende) von äbenden bwv., Abend wer-
- den; Wendung wie tagende werden, vgl, zu 5511. — 7347 lipnar stf., Lei-
- besnahrung, Lebensmittel, Unterhalt. — 734S schifwise stf., (Schiffaweise),
- Schiffsausrüstung. — 7352 schiffünge stf., liier abstract = Einschiffung. —
- 7358 linc stm., hier wie in V. 6319. iemer rinc^= niemer rinc, niemals auch
- nur das Geringste. — 7361 gewislich adj. = (/cii/y.
- 7374 ichiffen construiert mit //a6e/i:=8ich einschiffen. —
- 250 XI. TANTRIS.
- ich weiz wol, daz was kleine:
- ze herzen und ze beine
- gieng ime daz selbe scheiden,'
- wan daz ez aber in beiden 7380
- ze fröuden und ze liebe kam.
- nu daz daz läntvölc vernam,
- mit wie getaner swsere
- Tristan gevaren waere
- hin ze Salerne durch genesen, 7385
- waer' er ir aller kint gewesen,
- sin leit enwaere in allen nie
- nähör gegangen, danne ez gie;
- und wände im ouch sin ungemach
- in ir dienste geschach, 7390
- al deste näher gieng ez in.
- Nu Tristan der fuor allez hin
- über State und über mäht
- beidiu täc ünde naht
- die rihte wider Irlänt, 7395
- als in des märnseres hant
- wol geleiten künde,
- und als daz schif begunde
- (187) Irlande also genähen,
- daz si daz laut wol sähen, 7400
- Tristan den stiurmeister bat,
- daz er sich gein der houbetstat
- ze Develine wante,
- wan er daz wol erkante,
- daz diu wi'se küniginne 7405
- hsete ir wesen dar inne.
- des endes er do gähte;
- und alse er ir genähte,
- daz er si kos und ebene sach,
- «seht, herre», er ze Tristande sprach 7410
- «ich sihe die stat: waz ratet ir?»
- 7385 genesen subst. inf. stn., Genesung , Heilung.
- 7393 über State und über mäht, über Verhältnisse und Kräfte hinaus;
- doch kann auch state nach V. 7678 zu schließen als Synonym von mäht
- angesehen werden = Ära/^ — 7396 marncere, märnoBre stm., Schiffer, Steuer-
- mann. — 7409 ebene adv., hier: genau, deutlich. —
- XI. TANTRIS. 251
- Tristan do sprach: «da sulen wir
- hie enkeren unde beliben,
- disen äbent hie vertrlben
- und ouch der naht ein teil hie sin.» 7415
- sus würfen st den anker in
- und ruoweten den äbent da.
- und in der naht do hiez er sä
- gein der stat hin läzen gän.
- und alse daz do was getan, 7420
- daz si so nähe kämen,
- daz si ir gemerke nämen
- eine halbe mile von der stat,
- Tristan ime do geben bat
- daz allerermeste gewant, 7425
- daz man in der barken vant.
- und als mau ime daz ane getete,
- er hiez sich legen an der stete
- üz der barken in daz schiffelin.
- sine härphen hiez er ouch dar in 7430
- und in der mäze spise geben,
- daz er ir möhte geleben
- dri tage oder viere.
- Nu diz was allez schiere
- nach siuem willen getan. 7435
- Kurvenälen hiez er vür sich gän
- und ouch die schifmän mit im:
- «friunt Kurvenal», sprach er «nu nira
- (188) dise barken und diz liut an dich
- und pflig ir schone und wol dur mich 7440
- alle stunde und alle zit!
- und alse ir wider komen sit,
- so lone in also riebe,
- daz si unser heinli'che
- getriuweliche mit uns tragen 7445
- und niemen niht hier umbe sagen.
- 741.S die vereinzelte Lesart von M heren vielleicht die echte = Halt machen.
- — 7422 geiuerkr stn. nemen kann hier nur heißen: einen Standort für die
- Beobachtung einnehmen; fraglich ist, ob das Wort Collectiv zu inarke
- oder zu merke; wohl letzteres. — 7432 ir = der sjjise , davon. — geleben
- = leben.
- 7444 hcinliche stf., hier: Heimlichkeit, Geheimniss. —
- 252 XI. TANTRIS.
- und kere balcle wider heim;
- grüeze minen deheim
- und sage im daz, daz ich noch lebe,
- und müge ouch noch mit gotes gebe 7450
- wol vürbaz leben unde genesen:
- ern sol niht leidic umbe mich wesen.
- und sage im daz zewäre,
- ich kome in disem järe,
- ist daz ich genesen sol; 7455
- gelinget minen dingen wol,
- daz wirt im schiere bekant.
- sage in den hof und in daz lant,
- daz ich belibe in dirre not
- under wegen üf der verte tot. 7460
- min gesinde, daz ich noch da habe,
- daz lä benamen niht komen abe:
- sich, daz si min da biten
- biz zuo den selben ziteu,
- als ich dir hie gesaget hän. ^ 7465
- und ist ez aber also getan,
- daz mir in dirre järes frist
- gelücke niht geschehen ist,
- ' so muget ir iuch min wol bewegen,
- so lät ir got der sele pflegen * 7470
- und nemet ir iuwer selbes war:
- so nim du min liut unde var
- hin heim ze Parmenie wider
- und lä dich bi Rüäle nider;
- minem lieben vater, dem sage von mir, 7475
- daz er mir miner triuwe an dir
- durch sine triuwe lone
- und biete dir ez schone
- (189) und tugentliche, als er wol kan,
- und underwise in ouch dar an: 7480
- die mir habent gedienet her,
- daz er mich an den gewer
- einer bete unde deheiner me;
- als iegeliches dienest ste,
- daz er im danke und lone also. 7485
- nu, lieben liute», sprach er do
- 7462 abe homcn, abgehen, weggehen (aus dem Dienste). — 7481 fg. die
- abhängig von an den. —
- XI. TANTRIS. 253
- «hie mite so Sit ir gote ergeben,
- vart iuwer sträze und lät mich sweben:
- ich muoz ze disen ziten
- der gotes genäden biten; 7490
- so habet ouch ir zit, daz ir vart,
- iuwern li'p und iuwer leben bewart:
- ez nähet vaste gein dem tage.»
- Sus kerten si mit maneger klage
- und mit manegem jämer hin, 7495
- mit manegem trahene liezen s' in
- swebende üf dem wilden se.
- in getete nie scheiden alse we.
- ein iegelich getriuwer man,
- der ie getriuwen friunt gewan 7500
- und weiz, wie man den meinen sol,
- entriuwen der verstät sich wol
- umbe Kürvenäles swsere;
- swie swaere im aber wsere
- al sin herze und al sin sin, 7505
- do schiffete er doch allez hin.
- Tristan beleip al eine da:
- der swebete da wä, unde wä
- mit jämer und mit sorgen
- unz an den liebten morgen. 7510
- und alse die von Develin
- daz wiselose schifFelin
- in dem wäge ersähen,
- sie hiezen balde gäben
- und nemen des schiffelines war. 7515
- die boten kerten iesä dar.
- Nu si begunden nähen
- und dannoch niemen sähen,
- (190) nü gehorten s' al dort her
- suoz' unde nach ir herzen ger 7520
- eine slieze harphen klingen
- 7491 ich habe zit, nicht: ich habe Zeit übrig, sondern : es ist Zeit, hohe Zeit
- für mich.
- 7496 trahen atm. , hier: Thräne stf. (diese Form aus dem Plural
- trahene); pl. in V. 1208. — 7502 fg. verstau refl. umbe, sich verstehen auf,
- Verständniss haben für. — 7512 wiselos adj., führerlos. — 7513 wäc atm.
- = Woge (2460), hier allgemeiner: Meer.
- 254 XI. TANTRIS.
- und mit der harphen singen
- einen man so rehte siioze,
- daz si'z in z'einem gruoze
- und z' äventiure nämen 7525
- und von der stat nie kämen,
- die wile er harphete unde sanc.
- diu fröude diu was aber unlanc,
- der si von im haeten an der stete,
- wan swaz er in da spils getete 7530
- mit banden oder mit munde,
- däzn gie niht von gründe:
- daz berze daz was nibt dermite.
- so enist ez ouch nibt spiles site,
- daz man ez debeine wile tuo, 7535
- daz berze daz enste derzuo;
- al eine gescbebe es barte vil,
- ez enbeizet doch nibt rebte spil,
- daz man sus uzen bin getuot
- äne berze und äne muot. 7540
- wan daz diu jugent Tristanden
- mit munde und oucb mit banden
- ir z'einer kurzewile twanc,
- daz er ir barpbete unde sanc,
- ez was dem martersere 7545
- ein marter unde ein swsere.
- Und alse er sin spil do verliez,
- daz ander scbif dar näber stiez:
- sus griffen s' an sin scbiflfelin
- und warten widerstrit dar in; 7550
- nu si sin begunden nemen war
- und in so jsemerlicbe var
- und so getanen säben,
- nu begünde ez in versmäben,
- daz er daz wunder künde 7555
- mit banden und mit munde;
- doch gruozten si'n als einen man.
- 7526 von der stat, von der Stelle: sie hielten an, um Geräusch zu
- vermeiden während des wunderbaren Spiels. — 7545 marteraere stm., Mär-
- tyrer [nhd. beschränkter], der Marter Leidende, der Dulder.
- 7547 verläzen, hier; aufgeben, beenden. — 7554 versmähen swv. hier
- mit dat. (vgl. zu 3892) ; der Sinn kann hier nicht sein : es dünkte ihnen
- verächtlich , sondern : sie waren betroffen. —
- XI. TANTRIS. 255
- der guoten gruoz verdienen kan,
- (191) mit munde und ouch mit banden
- und bäten do Tristanden, 7560
- daz er in seite msere,
- wie ez im ergangen waere.
- «diz sage icb iu», spracb Tristan
- «icb was ein bövescber spileman
- und künde genuoge 7565
- hövescbeit unde fuoge:
- sprecben unde swigen,
- liren unde gigen,
- harpben unde rotten,
- scbimpfen unde spotten: 7570
- daz künde icb allez alse wol ,
- als so getan liut (von) rehte sol.
- da mite gewan ich so genuoc,
- biz micb daz guot übertruoc,
- und mere baben wolte, 7575
- dan ich von rebte solte.
- sus liez icb mich an köufrät,
- daz mir den lip verraten bat.
- ze gesellen ich gewan
- einen riehen köufmän 7580
- und luode wir zwen' einen kiel
- mit allem deni, als uns geviel,
- da heime ze Ispanje
- und weiten ze Britanje.
- alsus bestuont uns üf dem mer 7585
- in einem schiffe ein röupher,
- die nämen uns klein' unde groz
- und sluogen minen koufgenöz
- und allez, daz da lebende was.
- daz aber icb eine genas 7590
- mit dirre wunden, die icb bän,
- daz hat diu bärphe getan,
- an der ir iegelicber sach,
- 7570 schimpfen swv., scherzen. — spotten swv. ist hier wohl nicht ganz
- unser: spotten, sondern steht mehr synonym mit schimpfen, Scherzreden
- führen; beide Worte zusammen gewissermaßen formelhaft. — 7574 über-
- tragen mit acc, zu hoch tragen, übermüthig machen. — 7577 koufrät stm.,
- hier: Handelschaft. — 7578 verraten stv., (verrathen, verleiten), unglück-
- lich machen. — 7586 roupher stn., Bäuberechaar. — 7588 koufgenöz stra.,
- Handelsgefährte. —
- 256 XI. TANTRIS.
- als ich in s^lbe verjach,
- ich wsere ein art spileman. 7595
- siis gewän ich in mit nceten an
- diz selbe kleine schiffelin
- und so vil spi'se dar in,
- (192) daz ich ir hän biz her gelebet.
- sus bin ich eine sider geswebet 7600
- mit marter und mit maneger klage
- wol vierzec naht und vierzec tage,
- swar mich die winde sluogen,
- die wilden ünde truogen
- wilen her und wilen hin; 7605
- und enkan niht wizzen, wä ich bin,
- und weiz noch minner, war ich sol.
- nu tuet ir herren alse wol,
- daz iu lone unser trehti'n,
- und helfet mir, da Hute sin!» 7610
- «geselle», sprächen aber die boten
- «diner süezen stimme und diner noten
- der soltu hie geniezen:
- dune sölt niht langer fliezen
- äne trost und äne rät; 7615
- swaz so dich her gefüeret hat,
- got oder wazzer oder wint,
- wir bringen dich, da liute sint.»
- Diz täten s' ouch: si fuorten in
- mit schiffe mitalle hin 7620
- reht' in die stat, als er si bat.
- sin schif daz haften s' an daz stat
- und sprächen aber: ^sich, spileman,
- nim war, sich dise bürc an
- und dise schoene stat hie bi! 7625
- weistu noch, waz stete ez si?»
- cnein, herre, ichn weiz niht, waz ez ist.»
- «so säge wir dir daz, daz du bist
- ze Develine in Irlant.»
- «des lobe ich den heilänt, ' 7630
- daz ich doch under liuten bin.
- wan eteswer ist under in,
- 7596 an gewinnen mit dat., hier ziemlich = uns erm : einem abgewinnen;
- von einem erhalten. — 7599 ir gen. spise, mit ihr; vgl. 7432.
- XI. TANTRIS. 257
- der sine güete an mir begät
- und tuot mir eteslichen rät.»
- Hie mite kerten die boten hin 7635
- linde begunden under in
- mit rede von sinen saclien
- vil michel wunder machen.
- (193) si Seiten wider ze m?ere,
- daz in widervaren waere 7640
- äventiure an einem man ,
- da man sich es lützel an
- und niemer sölte versehen.
- si Seiten, alse ez was geschehen:
- e si dar näher ksemen, 7645
- daz si äklort her vernaemen
- einen also süezen harphen klanc
- und mit der harphen einen sanc:
- got möhte in gerne beeren
- in sinen himelkoeren; 7650
- und jähen, daz daz waere
- ein armer marteraere,
- ein totwünder spileman:
- <(Wol hin, ir seht ez ime wol an,
- er stirbet morgen oder noch; 7655
- und in der marter hat er doch
- einen müot so lebelichen,
- in allen künicrichen
- enfunde man ein herze niht,
- daz also grozer ungeschiht 7660
- möhte genemen so kleine war.»
- Die bürgaere kerten dar
- und triben maneger hande
- maere mit Tristande
- und frägeten in sus unde so. 7665
- aber seite er iegelichem do
- 7634 ete^Jichen rät (nach Hg. IM und H^ , einige Hülfe {tuot, schafft). Die
- Lesart arzätlichen rat ist der Situation nicht angemessen, auch weiß Tri-
- stan, daß ihn diese Leute von seiner Wunde nicht befreien können. Für
- eleslic/i spricht auch stilistisch cteswer in V. 7632.
- 7638 wunder maclien (vorher in V. 3714) hier mit praep. von, über etwas
- «eine Verwunderung äußern; die Wendung scheint im Mhd. nicht hiiufig
- zu sein.
- GOTTFRIED VOK STRA8SBURO. I. 2. Aufl. 17
- 258 XI. TANTRIS.
- in der gelegeiiheito ,
- als er den boten e seite.
- sus bäten si'n, er harphet' in:
- und er kert' allen sinen sin 7670
- an ir gebot und an ir bete,
- wan er'z von allem herzen tete;
- swä mite er sich in künde
- mit banden oder mit munde
- gelieben, daz was al sin ger, 7675
- des fleiz er sich und daz tet er.
- und alse der arme spileman
- wider sihes libes State began
- (194) sin harphen und sin singen
- so rehte suoze bringen, 7680
- ez begünde s' alle erbarmen:
- sus hiezen si den armen
- üz sinem schiffeline tragen
- und einem ärzäte sagen,
- daz er'n ze hüse nseme; 7685
- und swaz im rehte kaeme,
- daz er des fliz hsete
- und umbe ir guot im tsete
- beidiu helfe unde gemach.
- diz wart getan und diz geschach. 7690
- und alse er in heim brähte,
- al sin gemach bedähte,
- als er ez allerbeste
- von sinen sinnen weste,
- do half ez allez kleine. . 7695
- Diz mpere wart gemeine
- über al die stat ze Develin:
- ein schar gieng üz, diu ander in
- und klägeten sin ungema'ch.
- in der wile ez do geschach, 7700
- 7667 gelegenkeit stf., hier übertragen wie auch: Lage=Beschaffenheitr
- Umstände gebraucht wird; in V. .3433 wörtlich; Gottfried bringt das "Wort
- in der 2. Hälfte des Gedichtes öfters an in diesen verschiedenen Functio-
- nen. — 7675 gelieben swv., verst. lieben (174), beliebt machen. — 7678 State
- stf. hat hier deutlich und geradezu den Begriff: Kraft; vgl. 7884 und zu
- 7339. — 7680 bringen, vorbringen, vortragen.
- 7696 gemeine adj., hier: allgemein (verbreitet). ■ —
- XI. TANTRIS. 259
- daz ein pfaffe dar in kam
- und sine füoge veruam
- an banden unde an mimde;
- wan er ouch selbe künde
- list unde kunst genuoge, 7705
- mit banden manege fuoge
- an iegelicbem seitespil
- und künde oucb fremeder spräche vil.
- an fuoge unde an bövescheit
- hset' er gewendet unde geleit 7710
- sine tage und sine sinne,
- der was der küniginne
- meister unde gesinde
- und bsete si von kinde
- gewitziget sere 7715
- an maneger guoten lere,
- mit manegem fremedem liste,
- den si von ime wiste.
- (195) oucb lerte er ie genote
- ir tobter Isote 7720
- die erwünscbeten maget,
- von der diu werlt elliu saget,
- und von der disiu msere sint:
- diu was ir einigez kint,
- und bsete alle ir flizekeit 7725
- Sit des tages an si geleit,
- daz si ibt gelernen künde
- mit banden oder mit munde :
- die bsete er oucb in siner pflege,
- die lerte er do und alle wege 7730
- beidiu buocb und seitespil.
- Do der an Tristand' alse vil
- scboener kunst und fuoge ersacb,
- in erbärmete sin ungemacb
- vil inneclicbe sere 7735
- und enbeite oucb dö nimere:
- 7701 pfaffe swm. ohne Übeln Nebensinn, Geistlicher, insbesondere: Welt-
- geistlicher; in der formelhaften Wendung pf äffen und leien (1630) ist uns
- die harmlose Bedeutung noch geläufig. — 7715 witzigen swv. , witzic
- machen, unterrichten; vgl. zu 153uy. — 7724 einic adj. = nhd. einzig. —
- 772b ßizekeii stf., synonyme Bildung von yfiz; seltenes Wort, zu Gottfried's
- Stile passend.
- 17*
- 260 XI. TÄNTRIS.
- er gie zer küniginne dan
- und Seite ir, daz ein spileman
- in der stat da waere,
- der waere ein martersere 7740
- und tot mit lebendem libe,
- und daz nieman von wibe
- siner künste als üz erkorn
- noch baz gemüot würde geborn.
- «ä», sprach er «edeliu künigin, 7745
- möhte ez iemer gesin,
- daz wir dar zuo gedaehten,
- daz wir in etswar braehten,
- dar ir mit fuoge kaemet,
- daz wunder vernaemet, 7750
- daz ein sterbender man
- als innecliche suoze kan
- geharphen unde gesingen
- und doch an sinen dingen
- weder rät noch helfe kan gewesen; 7755
- wan ern kan niemer genesen:
- sin meister unde sin arzät,
- der sin biz her gepflogen hat,
- (196) der hat in üz der pflege verlän,
- ern mag im niht ze staten gestän 7760
- mit deheiner slahte sinne.»
- «sich», sprach diu küniginne
- «ich so! den kameraeren sagen,
- müge er ez iemer vertragen
- und verdöln, daz man in handele 7765
- und under banden wandele,
- daz si'n uns her üf bringen,
- ob ime ze sinen dingen
- deheiner slahte helfe tüge
- oder öbe in iht generen müge.» 7770
- 7743 üz erkorn part. adj. = unserm: auserkoren, ausgezeichnet; der
- folgende Gen. (stner künste) = nhd. in, an; vgl. 2124. — 7747 gedenken dar
- zuo, darauf denken, Bedacht nehmen. — 7748 etswar adv., irgendwohin:
- vgl. zu 899. — 7753 geharphen, gesingen, verst. harphen, singen. — 7757 mei-
- ster, hier = magister in der speciellen Bedeutung von Arzt; in der nhd.
- Prosa könnte ähnlich gesagt werden : sein Doctor und sein Arzt. —
- 7763 karneroere stm., hier nicht: Xämmerer in unserm Sinn = Kammerherr,
- hoher Hofbeamter, sondern: Kammerdiener, Lakai. — 7765 verdoln swv.,
- ertragen, aushalten; vgl. zu 12602, — handelen swv., (mit der Hand)
- angreifen; hier insbesondere: heben und tragen. — 7766 wandelen swv.
- trans., (einen umwandeln, in andere Lage bringen), wegschaffen. —
- 7770 generen swv., verst. nern (1891), genesen machen, heilen.
- XI. TANTRIS. 261
- Diz wart getan und diz geschach.
- nu daz diu künigiu gesacli
- sin angest al begarwe,
- die wunden unde ir varwe,
- nu erkande si'z gelüppe da.' 7775
- «ach, armer spilman», sprach si sä
- «du bist mit gelüppe wunt. »
- «i'ne weiz», sprach Tristan sä zestunt
- «i'ne kän niht wizzen, waz ez ist,
- wan mir enmac kein arzätlist 7780
- gehelfen noch gefrumen hie zuo:
- nune weiz ich mere, waz ich tuo,
- wan daz ich mich gote muoz ergeben
- und leben die wile ich mac geleben,
- swer aber genäde an mir bege, 7785
- Sit ez mir kumberliche ste,
- dem lone got: mir'st helfe not,
- ich bin mit lebendem übe tot.»
- Diu wise sprach im aber zuo:
- «spilman, sag an, wie heizest duo?» 7790
- «frouwe, ich heize Tantris.»
- «Tantris, nu wis an mir gewis,
- daz ich dich benamen neren sol:
- wis gemüot ünde gehabe dich wol!
- ich wil din arzät selbe sin.)) 7795
- «genäde, süeziu künigin,
- diu zunge diu gruone iemer,
- daz herze ersterbe niemer,
- (197) diu wisheit diu müez' iemer leben,
- den helfelosen helfe geben, 7800
- din name der müeze werden
- gewirdet üf der erden!»
- «Tantris», sprach die künigin
- ((möht' ez an dinen staten gesin,
- wan daz du ab älse unkreftic bist, 7805
- als ez kein wunder an dir ist,
- so horte ich gerne harphenspil:
- des kanstu, hoere ich sagen, vil. »
- 7773 begarwe adv., s. zu 1297. — 7781 gehelfen, verst. helfen.
- 7797 fg. diu, daz, diu nicht bloße Artikel, sondern demonstrativ ; dra-
- matisch lebendig mit einer Handbewegung des Sprechenden gedacht, —
- 262 XI. TANTRIS.
- «nein, frouwe, sprechet also niht:
- mich enirret kein min ungeschiht, 7810
- ich entüo und müge ez harte wol,
- daz iuwer dienest wesen sol. »
- Sus wart sin harphe dar besant.
- ouch besande man zehant
- die jungen küniginne, 7815
- daz wäre insigel der minne,
- mit dem sin herze sider wart
- versigelt unde vor verspart
- all^r der werlt gemeiner
- niuwan ir al einer. 7820
- diu schoene Isot si kom ouch dar
- und nam vil flizecliche war,
- da Tristan härphende saz.
- DU harphete er noch michel baz
- dan er ie da vor getsete, 7825
- wan er gedingen ha^te,
- sin ungelücke wsere hin.
- da sang er unde harphete in
- niht alse ein lebeloser man,
- er vieng ez lebelichen an 7830
- und alse der wol gerauote tuot.
- er machte ez in so rehte guot
- mit banden und mit munde,
- daz er in der kurzen stunde
- ir aller hulde also gevienc, 7835
- daz ez im z'allem guote ergienc.
- und al des spils, des er getete,
- beidiu änderswä und an der stete,
- (198) so smacte ie der veige slac
- und machete einen solhen smac, 7840
- 7810 irren mit acc, stören, hindern. — 7812 dienest stm., hier: der entgegen-
- gebrachte Dienst: was dienen kann; insofern entspricht das Wort unserm:
- Gefalle, Wunsch,
- 7816 insigel (ingesigel 17020) stn., Siegel; wendet Gottfried öfters bild-
- lich an in der Bedeutung: Abbild. — 7818 versigeln swv., versiegeln, über-
- haupt: verschließen; vgl. 17822; auch dieses Verbum wendet der Dichter
- gerne an. — versperren swv. (14767), absperren , ausschließen, vor versp.
- mit dat. (wie vor behalten, verbergen, verhelen), vor einem abschließen. —
- 7830 lebelichen adv., lebendig, lebhaft. — 7835 gevahen stv. ; hier ähnlich
- wie in V. 7276: empfangen, gewinnen. — 7837 al des spils, wohl zu fassen
- als gen. absol. : bei allem Spiel oder =^swaz des spils? — 7839 smacte prset.
- von smacken (s. zu 11602) oder smecken swv. intrans., riechen (wie noch
- in den süddeutschen Mundarten); vgl. 7280.
- I
- XI. TANTRIS. 263
- daz niemen keine stunde
- bi ime beliben künde.
- Aber sprach diu küniginne do :
- •((Tantris, swenn' ez gefüege so,
- daz dir din ding also geste, 7845
- daz dirre smac an dir zerge
- und iemen bi dir müge genesen,
- so lä dir wol bevolhen wesen
- die jungen maget Isöte,
- diu lernete ie genöte 7850
- diu buoch und dar zuo seitespil
- und kan des ouch billiche vil
- nach den tagen und nach der frist,
- als si derbi gewesen ist.
- und kanstu keiner lere 7855
- und deheiner fuoge mere
- danne ir meister oder ich,
- des underwise si durch mich,
- dar umbe wil ich dir din leben
- und dinen lip ze miete geben 7860
- wol gesunt und wol getan:
- diu mag ich geben unde län,
- diu beidiu sint in miner hant. »
- «ja, ist ez danne also gewant»,
- sprach aber der sieche spileman 7865
- «daz ich so wider komen kan
- und mit spile genesen sol,
- ob got wil, so genise ich woi.
- saeligiu küniginne,
- Sit daz iuwer sinne 7870
- also stänt, als ir da saget,
- umb' iuwer töhter die maget,
- so trüwe ich harte wol genesen,
- ich hän der büoche gelesen
- in der mäze und alse vil, 7875
- daz ich mir wol getrüwen wil,
- ich gediene iu wol ze danke an ir.
- 7844 gefüegen awv. , 0>ier nicht refl. =nhd. , vgl. 3503), sich fügen,
- passend sein; vgl. 15795. — 7845 gestdn, hier nicht wie in V. 6778, sondern
- im Verbum steckt der Begriff der Bewegung wie in V. 844: sich stellen,
- eine Wendung nehmen, ausgehen. — 7847 genesen, hier in allgemeiner
- Bedeutung: bleiben, aushalten. — 7358 underwisen hier mit gen. (des,
- darin); in V. 7480 dar an. —
- 264 XI. TANTRIS.
- da zuo so weiz ich wol an mir,
- (199) daz miner järe dehein man
- so manic edele seitspil kan; 7880
- swaz ir dar über geruochet
- und her ze mir gesuochet,
- daz ist ällez getan,
- als verre als ich es State hau.»
- Sus beschiet man ime ein kam erlin 7885
- und schuof im alle tage dar in
- alle die pflege und daz gemach,
- daz er selbe vor gesprach,
- alrerste was diu w^sheit
- ze frumen und ze staten geleit, 7890
- die er in dem schüfe begienc,
- do er den schilt zer siten hienc
- und bare sine wunden
- vor den ünkimden,
- vor der Trlandeschen diet, 7895
- do si von Kurnewäle schiet.
- hie von so was in unkunt
- und enwisten niht, daz er was wunt.
- wan haeten s' iht befunden
- umb' deheine sine wunden, 7900
- so wol als in daz was erkant,
- wie'z umbe die wunden was gewant,
- die Morolt mit dem swerte sluoc,
- daz er in allen noeten truoc,
- ez enwaere Tristände nie 7905
- ergangen, alse ez ime ergie.
- nu half ab in, daz er genas,
- daz er so vorbedaehtic was.
- hie mag ein man erkennen an
- und wizzen wol, wie dicke ein man 7910
- guote vorbedaehte
- 7881 swaz nicht abhängig von geruochet, welches den Gen. verlangt, auch
- keine Attraction, sondern = su-ie: in welcher Weise ihr auch darüber ver-
- fügt. — 7882 gesuochen swv. , verst. suoc/ien, ein Gesuch richten , ein An-
- suchen haben oder stellen, her ze mtV = nhd. an mich; ersuchen mit acc.
- — 7883 daz ist allez getan ist eine Höflichkeitsformel = das wird gethan,
- das geschieht.
- 7885 bescheiden stv. , hier: anweisen. — 7908 vorbedaehtic adj. [nhd.
- fast aufgegeben, geläufig nur: bedächtig], vorbedacht, vorsorglich. —
- 7911 vorbedaehte kaum pl. von vorbedähi stf. [vgl. Andacht] , sondern sing.
- vorbedoehte stf., vorausgehende Bedachtsamkeit. —
- XI. TANTRIS. 26&
- ze guotem ende braehte,
- der gerne siunebaere
- und vorbesihtic wsere.
- Diu wise küuiginne 7915
- diu kerte alle ir sinne
- und alle ir witze dar an,
- wie si generte einen man,
- (200) ümbe des li'p und umbe des leben
- si gerne hsete gegeben 7920
- ir li|Ji und alle ir ere. ^
- si hazzete in noch mere
- dan si sich selben minnete,
- und swes si sich versinnete,
- daz ime ze senfte und ze fromen 7925
- und ze heile möhte komen,
- da was si späte unde fruo
- beträhtic unde geschäffec zuo:
- daz enwäs kein wunderlich geschiht:
- sine erkande ir vindes niht; 7930
- und möhte si daz wizzen,
- an wen si was verflizzen
- und wem si half üz tödes not,
- waere iht ergers danne der tot,
- den haete si'm zewäre gegeben 7935
- vil michel gerner dan daz leben.
- nu enwiste s' aber da niht wan guot
- und truog im niuwan guoten muot.
- Ob ich iu nu vil seite
- und lange rede vür leite 7940
- von miner frouwen meisterschaft,
- wie wunderliche guote kraft
- ir erzenie hsete
- und wie si ir siechen taste,
- 7913 sinnebacre adj., besonnen.
- 7922 Aufklärung dieser auf den ersten Blick seltsamen Wendung^
- gleich im Folgenden, namentlich in V. 7930. — 7924 versinnen swv. (neben
- vertinnen stv.) mit gen., sich auf etwas besinnen, etwas ausfindig machen.
- — 7928 geschäffec adj., schaffend, thätig. — 7932 verßhzcn (part. von ccr-
- ßxzen sm an einc/i, eifrig bemülit sein um einen.
- 7939— 58 Die folgende Stelle ist wiclitig für die Beurtheilung der
- sogenannten höfischen Sprache und wurde deshalb auch angezogen von
- Franz Pfeiffer in seinem Aufsatze : Unhöfische Worte (Freie Forschung,
- Kleine Schriften zur Geschichte der deutsclien Litteratur und Sprache.
- Wien 1864, S. 354). —
- 266 XI. TANTRIS.
- - waz hülfe ez und waz solte daz? 7945
- in edelen ören lütet baz
- ein wort, daz schone gezimt,
- den daz man üz der bühsen nimt.
- als verre als ich's bedenken kan,
- so sol ich mich bewarn dar an, 7950
- daz ich iu iemer wort gesage,
- daz iuwern oren missehage
- und iuwerm herzen widerste.
- ich spriche ouch deste minner e
- von iegelicher sache, ' 7955
- e ich lu daz msere mache
- unlidic unde unsenfte bi
- mit rede, diu niht des hoves si.
- (201) umbe mfner frouwen arzätlist
- und umbe ir siechen genist 7960
- wil ich iu kürzliche sagen :
- si half im inner zweinzec tagen,
- daz man in allenthalben leit
- und niemen durch die wunden meit,
- der anders bi im wolte sin. 7965
- Sit gie diu junge künigin
- alle zit ze siner lere:
- an die so leite er sere
- sinen fliz und sine stunde;
- daz beste daz er künde 7970
- so schüollist, so hantspil,
- daz ich niht sunder zalen wil:
- daz leite er ir besunder vür,
- daz si nach ir selber kür
- ze lere dar üz nseme, 7975
- 7948 hühse swf. ist hier wohl anders aufzufassen als in V. 4669; gemeint
- acheint die Büchse des Arztes und Apothekers, bildlich gebraucht für
- Medicin. Ein wohl anstehendes "Wort lautet in edeln Ohren besser als
- eines aus der Sprache der Medicin, die sich vor übel anstehenden nicht
- zu scheuen hat. — 7957 unlidic adj., unleidlich, unliebsam. — unsenfte
- adj., unangenehm. — 7958 die Ausdrucksweise, die nicht hofgemäß ist;
- unter hof haben wir nicht in unserm Sinne den Hof der hofhaltenden
- regierenden Fürsten zu verstehen, sondern in allgemeinerer Fassung; die
- feinen Gesellschaftskreise, die gute Gesellschaft; als Wort entspricht hof
- öfters wie hier unserm (prosaisch ausgedrückt) : Salon, Parket. — 7962 inner
- adv. prsep. mit dat., innerhalb.
- 7971 schüollist stm., die Kenntnisse (in Wissenschaft oder Kunst), die
- man durch die Schule, durch Bücher, durch theoretischen Unterricht er-
- wirbt. — hantspil stn. ist wohl nicht, wie das mhd. Wb. II, 2,50X1' erklärt:
- «eine besondere Art Saitenspiel», sondern, im Gegensatze zu schüollist, da»
- Spiel mit der Hand, praktische Musik. —
- XI. TANTRIS. 267
- swes so si gezaeme.
- Isot diu schcene tete also:
- daz allerbeste, daz si do
- under allen sinen listen vant,
- des underwant si sich zehant 7980
- und was ouch flizec dar an,
- swes si in der werlte began.
- ouch half si harte sere
- diu vordere lere.
- si künde e schcene fuoge 7985
- und hövescheit genuoge
- mit banden und mit munde:
- diu schcene si künde
- ir spräche da von Develin,
- si künde franzois und latin, 7990
- videlen wol ze prise
- in wälhischer wise.
- ir vingere die künden,
- swenne si's begunden,
- die lireu wol gerüeren 7995
- und üf der harphen füeren
- die doeue mit gewalte:
- si steigete und valte
- (202) die noten behendecliche.
- ouch sanc diu saeldenriche 8000
- suoz' unde wol von munde;
- und swaz si fuoge künde,
- da kom si do ze frumen an
- ir meister der spileman:
- der bezzerte si sere. 8005
- Under aller dirre lere
- gap er ir eine unmüezekeit,
- die heizen wir moräliteit
- ■ c_ »^
- r976 yezemen stv. mit acc, hier: einem anstehen, gefällig sein. — 7984 t>or-
- ier adj. (compar.V), früher, vorhergehend. — 7998 steiyen swv. [nhd. aufge-
- geben, dafür: steigern], steigen machen, erhölien. — valte prjet. von vellen
- äwv., fallen machen , erniedrigen. Sollen sich diese Ausdrücke auf den
- LTmfang des Tönematerials beziehen, auf die Fertigkeit sowohl der rechten
- ils der linken Hand, oder ist mit steigen das Forte, mit vellen das Piano
- jemeint? Becli ist für ersteres mit Hinweis auf steic mhd. Wb. II, 2, 632^
- and tnelodia Diefenbach .SSS'"* : «sie verstand es, ihre Hände sowohl auf-
- wärts als niederwärts gleiten zu lassen auf den Saiten , in hohen wie in
- tiefen Tönen zu spielen.»
- 8008 Tüor^Ürei/ 4tf., Fremdwort, (Moralität) , Sittenlehre (in mittel-
- ilterlichem" Sinne), Unterricht und Wissenschaft des Auslandes. —
- 268 XI. TANTRIS.
- diu kunst diu leret schoene site:
- da solten alle frouwen mite 8010
- in ir jugent unmüezic wesen.
- moräliteit daz süeze lesen
- deist saelec unde reine.
- ir lere hat gemeine
- mit der werlde und mit gote. 801&
- si leret uns in ir geböte
- got linde der werlde gevallen:
- si ist edelen herzen allen
- ze einer ämmen gegeben,
- daz si ir lipnar unde ir leben " 8020
- suochen in ir lere,
- wan sine hänt güot noch ere,
- ez enlere si moräliteit.
- diz was ir meiste unmüezekeit
- der jungen küniginne. 8025
- hie bankete si ir sinne
- und ir gedanke dicke mite.
- hie von so wart si wol gesite
- schön' unde reine gemuot,
- ir gebaerde süeze unde guot. ^ 8030
- Sus kom diu süeze junge
- ze solher bezzerunge
- an lere und an gebäre
- in dem halben järe,
- daz von ir saelekeite 8035
- allez daz laut seite,
- unde ir vater der künec dervan
- vil groze fröude gewan;
- (203) ir muoter wart es sere fro.
- Nu gefiiogte ez sich dicke so, 8040
- ir vater so der was fröudehaft
- oder älse fremediu ritterschaft
- da ze höve vor dem künege was,
- daz Isot in den palas
- 8012 lesen subst. inf. stn. (wie in V. 167), hier: Bericht (s. zu 134), Lehre.
- — 8014 gerneine stf., Gemeinschaft; vgl. zu 16611. — 8030 geöoerde stf., hier
- deutlich nicht: Gebärde in unserm Sinne [der Plural Gebärden stimmt
- mitunter mit dem alten Begriffe], sondern synonym mit gebär und mit site
- (8140), Benehmen, Wesen.
- XI. TANTRIS. 269
- vür ir vater wart besant; 8045
- und allez daz ir was bekant
- hövescher liste und schcener site,
- da kürzte si im die stunde mite
- und mit im manegem an der stete.
- swaz fröude si dem vater getetc, 8050
- daz fröute s' alle geliche:
- arme unde riebe
- si hseten an ir beide
- «ine sselege ougenweide,
- der oren unde des herzen last: 8055
- tiz^n und innerhalp der brüst
- da was ir lust gemeine.
- diu süeze Isot, diu reine,
- si sanc, si schreip und si las;
- und swaz ir aller fröude was, 8060
- daz was ir banekie.
- si videlte ir stampenie,
- leich' und so fremediu notelin,
- diu niemer fremeder künden sin,
- in franzoiser wise 8065
- von Sanze und San Dinise:
- der künde s' üzer mäze vil.
- ir liren unde ir harphenspil
- sluoc si ze beiden wenden
- mit härmblänken henden 8070
- ze lobelichem prise.
- in Liit noch in Thamise
- gesluogen frouwen hende nie
- selten süezer danne hie
- la duze Isot, la bele. 8075
- si sang ir pasturele,
- ir rotruwange und ir rundate,
- schanzüne, refloit und folate
- 8068 liren acc. von li7-e swf, (deutlicher in V. 7995), Leier, ein harfen-
- ihnliches Instrument. — harplienspil stu. hier = harfe, als Instrument; in
- V. 7807 das Spiel auf der Harfe. — 8069 ze beiden wenden (s. zu 6669), auf
- beiden Seiten, also: mit der rechten und linken Hand. — 8070 harmblanc
- »dj., hermelinweiß; vgl. 3550. — 8073 ^esiwoj^en = haben geschlagen. —
- <076 pasturele stf. (?) Fremdwort, Pastoreil. Hirtenlied. — 8077 rotinvange
- itf. (?) Fremdwort, altfranz., rotruenge eine "Weise, vielleicht zur Rotte ge-
- lungen. — rundate (nicht rundate) stf. (?), eine "Weise, vielleicht mit ron-
- leau, Rundreim zusammenhangend; noch einmal erwähnt in Y. 19215. —
- ^01 ii folate stf. (?), eine "Weise; sonst nicht nachgewiesen, darum etymolo-
- (iscli unklar. —
- 270 XI. TANTRIS.
- (204) wol unde wol und alze wol:
- wan von ir wart manc herze vol 8080
- mit senelicher trahte.
- von ir wart maneger slahte
- gedanke und ahte vür bräht.
- durch si wart wunder gedäht,
- als ir wol wizzet, daz geschiht, 8085
- da man ein solich wunder siht
- von schoene und von hövescheit,
- als an Isöte was geleit.
- Wem mag ich si geliehen
- die schoenen, saelderichen, 8090
- wan den Syrenen eine,
- die mit dem agesteine
- die kiele ziehent ze sich?
- als zoch Isöt, so dunket mich,
- vil herzen unde gedanken in, 8095
- die doch vil sicher wänden sin
- von senedem ungemache,
- ouch sint die zwo sache
- kiel äne anker unde muot
- ze ebenmäzenne guot. 8100
- si sint so selten beide
- an stseter wegeweide,
- so dicke in ungewisser habe,
- wankende beidiu an und abe,
- ündende hin unde her. 8105
- sus swebet diu wiselose ger,
- der ungewisse minnenmuot,
- reht' als daz schif an' anker tuot
- in ebengelicher wise.
- diu gefüege Isot, diu wise, 8110
- diu junge süeze künigin
- also zöch si gedanken in
- üz maneges herzen arken.
- 8083 ahte stf., hier: (Aufmerksamkeit), ürtheil.
- 8089 geliehen swv. = vergleichen. — 8092 agestein stm., Magnetstein. —
- 8099 muot (nominativ) steht hier allein, was vorher in V. 8095 durch her-
- zen unde gedanken ausgedrückt ist; später deutlicher erklärt als minnen-
- muot in V. 8106. — 8100 ebenmäzen swv., (gleich abmessen), gleichstellen,
- vergleichen. — 8102 wegeweide stf., Wegreise, dann überhaupt: Fahrt,
- Gang. — 8105 ünden swv., wogen; vgl. zu 2428. — 8113 arke swf., Arche
- sing, stf., wird öfters namentlich von den Dichtern der jüngeren mhd. Zeit
- in solcher bildlichen Weise gebraucht. —
- i
- XI. TANTRIS. 271
- als der agestein die barken
- mit der Syrenen sänge tuot. 8115
- si sang in maneges herzen muot
- offenliche und toiigen
- durch oren und durch ougen.
- (205) ir sanc, den s' offenliche tete
- beidiu änderswä und an der stete, 8120
- daz was ir süezez singen,
- ir senftez selten klingen,
- daz lüte und offenliche
- durch der oren künicriche
- hin nider in diu herze klanc. 8125
- so was der tougenliche sanc,
- ir wunderlichiu schoene,
- die mit ir muotgedoene
- verholne unde tougen
- durch die venster der ougen 8130
- in vil manc cdele herze sleich,
- und daz zouber dar in streich,
- daz die gedänke zehant
- vienc unde vähende bant
- mit senede und mit seneder not. 8135
- Sus hsete sich diu schoene Isöt
- von Tri'ständes lere
- gebezzert alse sere:
- si was süoze gemuot,
- ir site und ir gebaerde guot. 8140
- si künde schoeniu häntspil,
- schoener behendekeite vil:
- briev' und schanzüne tihten,
- ir getihte schöne slihten,
- si kuüde schriben unde lesen. 8145
- 8128 muotgedcEne stn., etwa = unserm : Lustgetön. — 8129 verholne {=zver-
- holene) part. adv., verhohlen, heimlich.
- 8142 behendekeite wohl gen. pl., Fertigkeiten. — 8143 unter bn'eve.
- sind im Gegensatze zu schanzüne (2292) zunächst Liedertexte zu verstehen
- ohne Melodie (denn synonym sind wohl hrief und schanzvne nicht); ins-
- besondere sind wohl unter dem Worte Liebesbriefe gemeint , kürzere
- Dichtungen, die auch unter dem Namen: Büchlein bekannt sind; vgl.
- Bech's Einleitung zu Hartmann II, und daselbst die Vorbemerkungen
- /.um ersten und zweiten Büchlein. — 8L44 sliltten swv. steht hier ähnlicli
- wie pOenvn (457), glätten, feilen; es geht auf die kunstgemäße Form der
- Oediclite.
- .272 XI. TANTRIS.
- Nu was ouch Tristan genesen
- ganz unde geheilet garwe,
- daz ime lieh unde varwe
- wider lüteren begunde.
- nu vorhte er alle stunde, 8150
- daz in etswer erkande
- von gesinde oder von lande,
- und was in staeter trabte,
- mit wie gefüeger ahte
- er ürloup genaeme 8155
- und üz den sorgen kseme;
- wan er wol wiste, möhte ez sin,
- im solte ieweder künigin
- (206) küm' oder niemer urloup geben.
- nu bedabte er aber, daz sin leben 8160
- ze allen ziten was geleit
- in michel ungewisheit.
- er gie zer küniginne
- und begunde in schcenem sinne
- sine rede besetzen an der stete, 8165
- als er an allen steten tete;
- er kniete vür si unde sprach:
- «frouwe, genäde unde gemach
- und helfe, die ir mir habet getan,
- die läze iu got ze staten gestän 8170
- in dem ewigen riebe!
- ir habet so sselicliche
- mit mir geworben und so wol,
- daz es iu got iemer Ionen sol,
- und ich ez iemer dienen wil 8175
- unze an mines todes zil,
- an swelher stat ich armer man
- iuwer lop gefürdern kan.
- sseligiu künigin,
- ez sol mit iuwern hulden sin, 8180
- daz ich wider ze lande var,
- wan mfn dinc stät mir also dar,
- daz ich länger niht beliben kan.»
- 8149 lüteren swv., lauter, rein werden. — 8165 besetzen, hier wieder
- in Verbindung mit rede nicht: festsetzen, Entschluß kundgeben, sondern
- wie unser: Rede setzen, Worte setzen, d. h. sich ausdrücken, Vortrag hal-
- ten. — 8175 dienen swv. mit acc, verdienen, vergelten. — 8178 gefürdern,
- verst. fürdern , befördern, erhöhen.
- XI. TANTRIS. 273
- Diu frouwe lachete in an.
- «din smeicben'), sprach si «deist ein wiht, 8185
- ich engibe dir urloiibes niht,
- dune kümest niht hinnen zwäre
- vor disem ganzen jare.»
- «nein, edeliu küniginne,
- nemet in iuwer sinne, 8190
- wie ez umbe die gotes e
- und umbe herzeliebe ste.
- ich hän da heime ein elich wip,
- die minne ich als min selbes lip
- und weiz wol, daz sich diu versiht 8195
- und enhat euch zwivel dar an niht,
- ich ensi benaraen tot;
- und min angest und min not,
- (207) wirt si eim anderen gegeben,
- so ist min trost und min leben 8200
- und al diu fröude da hin, *
- ze der ich dingende bin,
- und enwirde niemer mere fro.»
- « entriuwen » , sprach diu wise do
- «Tantris, diu not ist ehäft: 8205
- alsus getane geselleschaft
- sol niemen guoter scheiden.
- got der genäde iu beiden,
- dinem wibe unde dir!
- swie rehte ungerne ich din enbir, 8210
- so wil ich din durch got enbern.
- urloubes muoz ich dich gewern
- und bin dir willec unde holt.
- ich und min tohter Isolt
- wir geben dir ze diner var 8215
- und ze diner li'pnar
- zwo marc von rotem golde:
- 8185 svieichen (swv.) subst. inf. stn., schmeicheln. — 8191 gotes e, die
- von Gott eingesetzte, die heilige Ehe. — 81!)5 versehen refl. hier mit folgen-
- dem Satze, glauben, vermuthen. — 8202 dingende bin =: dinge, dingen swv.,
- gedinge (1186), Hoffnung hegen. — 8205 efia/t adj., gesetzmäßig; zu der
- ehaften Noth (noch heute bekannter juristischer Terminus), d. h. zu der
- wirklich zwingenden und darum entschuldbaren Verhinderung zählen
- Krankheit , Gefängniss und Tod ; das Wort e/ia/t verliert dann in dieser
- Verbindung den ursprünglichen Sinn und bedeutet: dringlich, begründet.
- — 8206 gesel(r.ic/ia/t stf. , die auf gesellekeit , Freundschaft und Liebe ge-
- gründete Verbindung: Gemeinschaft; vgl. 19125. — 8215 var stf., Fahrt. —
- GOTTFRIED VON STEASSBXIHG. I. 2. Aufl. 18
- 274 XI. TANTRIS.
- die habe dir von Isolde!»
- sus vielt der eilende
- ietwedere sine hende 8220
- des libes unde der sinne,
- ietwederr küniginne ,
- beidiu der muoter unde der maget:
- «iu beiden», sprach er «si gesaget
- von gote genäde und ere!» 8225
- und enbeite ouch do niht mere,
- er fuor von dannen z'Engelant,
- von Engelanden al zehant
- ze Kurnewäle wider heim.
- 8218 habe dir, hier: nimm dir. — 8220 ietwedere ist Dativ.
- XII.
- DIE BRAÜTFAHRT.
- über Tristan's glückliche Eückkelir herrscht große Freude ; mau
- lacht und scherzt über den gelungenen Streich. Mit Begeisterung preist
- Tristan die Schönheit der jungen Isolt. — Fröhlich beginnt er wieder auf-
- zuleben , aber am Hofe regt sich gegen ihn der Neid. Wegen seiner
- wunderbaren Thaten und seines seltenen Glückes wird er für einen Zau-
- berer gehalten. Darum liegen seine Feinde den König au, er solle ein
- "Weib nehmen und einen Erben gewinnen. Marke weist auf Tristan als
- auf seinen Erben hin. Da wird des Hasses noch mehr, Tristan fühlt
- sich nicht mehr sicher und will den Hof verlassen, wünscht aber auch,
- daß Marke seine Räthe in dieser Sache befrage. Einer derselben räth, er
- solle die schöne Isolt von Irland nehmen. Der König glaubt wegen der
- Feindschaft mit Gurmun nicht an die Möglichkeit eines solchen Schrittes,
- gibt aber doch scheinbar nach. Ferner wird gerathen, Tristan solle als der
- Geschickteste und Glücklichste die Werbung übernehmen. Tristan ist
- bereit und gegen des Oheims Willen entschlossen, verlangt aber, daß
- außer zwanzig bewährten Rittern und sechzig Söldnern sich zwanzig der
- ihm feindlich gesinnten Landbarone anschließen sollen. — (Eine andere
- Überlieferung der Sage von der Schwalbe und dem Frauenhaar sowie von
- Tristan's zielloser Fahrt verwirft hier der Dichter als ungereimt.) Die
- Barone treten voll Reue und mit großer Sorge die Reise an. Bei Weise-
- fort in Irlant, wo der König sich aufliält, werfen sie die Anker aus. Tri-
- stan befiehlt, sie sollten sich still im Schiffe halten; kehre er nicht in
- zwei oder drei Tagen zurück, so sollten sie wieder heimfahren. Des Kö-
- nigs Marschall eilt mit einer b^affneten Schaar an den Hafen , um die
- Ankömmlinge zu erforschen. Tristan besteigt ein Schifflein, in das er
- einen schweren goldenen Becher tragen lässt, und lenkt auf den Zuruf
- der Irländer dem Lande zu. Er äußert sich ungehalten über ihr unfreund-
- liches Begegnen, erzählt wiederum eine erlogene Geschichte und bittet
- gegen Belohnung um die Gunst eines kurzen und sicliern Aufenthalts,
- um seine verlorenen Gefährten zu erkunden. Auf des Marschalls Frage
- bietet er dem Könige für jeden Tag zum Zinse eine Mark Goldes und ihm
- selbst verheißt er zum Geschenke den goldenen Becher, welchen der Mar-
- schall entgegennimmt und dafür Gnade und Schutz gewährt.
- Nu Märke sin deheim 8230
- und daz läntliut vernam,
- daz er gesunder wider kam,
- si wurden al geliche
- IS*
- 276 XII. DIE ERAUTFAHRT.
- von allem dem riebe
- reht' imde iiz allem herzen fro. 8235
- der küuec sin friunt der fragte in so ,
- wie ez im ergangen wa?re.
- und er seit' ime daz maere
- (208) von obene bin ze gründe ,
- so er ebeneste künde. 8240
- des nam si alle wunder
- und begünden hier under
- vil scbimpfen unde lachen
- und michel labter machen
- von siner verte in Irlant; 8245
- von siner viendinne baut,
- wie schone in diu generte;
- von allem dem geverte,
- daz er under in begie.
- si jähen, sine gefriescben nie 8250
- solhes Wunders gemach.
- Nu diz ällez geschach,
- daz sin genist und sin vart
- ser' unde wol belachet wart,
- do frägeten si'n genote 8255
- von der maget Isote.
- «Isot», sprach er «daz ist ein maget,
- daz al diu werlt von schoene saget,
- deist al hie wider alse ein wint.
- diu liebte Isot, daz ist ein kint 8260
- von gebserden und von libe,
- daz kint noch maget von wibe
- als lustic unde als üz erkorn
- nie wart noch niemer wirt geborn.
- 8239 ze gründe^ bis herunter, bis zu Ende; das "Wort kann öfters das
- bezeichnen, was wir mit : gründlich ausdrücken ; hier in Verbindung mit
- obene aber nicht; die Wendung et\va=:von vorn bis zum Schlüsse. —
- 8248 geverte stn., (Fahrt), Verlatif, Begebenheit, dann wie hier allgemein:
- Dinge; das Wort namentlich in der zweiten Hälfte vom Dichter in verschie-
- dener Bedeutung gerne angewandt. — 8250 gefrieachen prset. plur. conj.
- von gefreischen stv. , erfahren, kennen lernen; eine Form vom einfache-D-
- f reischen 'kovavaiira. Tristan nicht vor; hier aber ge- wohl plusquamperf. =
- hätten erfahren. — 8251 in der nicht unhäufigen und halb formelhaften
- Wendung Wunders gemach ist gemach ein substantivisches Adjectiv mit
- der Bedeutung : das Gleiche (ohne solhes heißt wunders gemach : was einem
- Wunder gleich ist) ; bei Gottfried nur an dieser Stelle.
- XII. DIE BRAUTFAHRT. 277
- diu lütere, diu liehte Isolt, 8265
- diu ist lü'ter alse aräbescli golt.
- des ich ie wtenende was,
- als ich ez an den buochen las,
- diu von ir lobe geschriben sint,
- Auroren tohter unde ir kint, 8270
- Tintarides diu mrere,
- daz an ir eine wagre
- aller wibe Schönheit
- an einen blüomen geleit:
- von dem wäne bin ich komen, 8275
- isot hat mir den wän benomen.
- ichne geloube niemer me,
- daz sunne von Mycene ge;
- (209) ganzlichiu schcene ertagete nie
- ze Kriechenlant, si taget hie. 8230
- alle gedanke und alle man
- die kaphen niuwan Irlant an:
- da nemen ir ougen wunne,
- sehen, wie diu niuwe sunne
- nach ir morgenrote 8285
- Isöt nach Isöte,
- da her von Develine
- in elliu herze schine!
- diu liehte wunnecliche
- si erliuhtet elliu riebe. 8290
- daz si alle lobes von wiben sagent,
- swaz si mit lobe ze maeren tragent,
- deist allez hie wider ein niht.
- der Isöt' under ougen siht,
- dem lütert herze unde muot, 8295
- reht' als diu gluot dem golde tuot:
- ez liebet leben unde lip.
- mit ir enist kein ander wip
- 8269 ir= Tintarides = Jlelena. — 8278 sunne (nach drei Hss.) = rf'«^ s.
- (Ha. M). — Mycene steht hier pars pro ^o = Argoli8 = Griechenland. —
- sunne von M. wird mit Beziehung auf Helena gesagt wegen ihres Gemahls
- Menelaus, dessen Vater Atreus König von M. war. — gun, hier ähnlich wie
- in V. 5295: kommen, ausgehen. — 8279 «r/a«;«« swv., (wie der Tag) erschei-
- nen. — 8280 tagen svw., hier wohl im Gegensatze zu ertagen nicht: erschei-
- nen, sondern: leuchten. — 8282 fg. kaphen, neiaen, sehen Conjunctive mit
- imperativischem Charakter. — 8283 wunne nemen nicht mehr gcbräuclüich,
- dafür etwa: Wonne suchen; »Wonne schöpfen». Kurtz. —
- 278 XII. DIE BRAUTFAHRT.
- erlescliet noch geswachet,
- als maneger maere machet: 83^0
- ir schdene diu schoenet,
- sie zieret imcle kroenet
- wip unde wiplichen namen.
- des ensol sich ir deheiniu schämen.«
- Nu Tristan hnete gesaget 8305
- von siner fröuwen der maget,
- der wunneclichen von Irlant,
- dar nach als ez im was erkant,
- swer do da bi dem maere was
- und ez reht' in sin herze las, 8310
- dem süozte diu rede den muot,
- reht' alse des meien tou die bluot:
- si haeten alle muot da van.
- Der wol gemuote Tristan
- der greif do wider an sin leben. 8315
- im was ein ander leben gegeben,
- er was ein niubörner man.
- ez huop sich erste umbe in an,
- (210) er was do geil ünde fro.
- künec ünde hof die wären do 8320
- ze sinem willen gereit,
- biz sich diu veige unmüezekeit,
- der verwazene nit,
- der selten iemer gelit,
- under in begunde üeben, 8325
- 8299 fg. erleschen swv., auslöschen, vertilgen (vgl. 16399), zu nichte machen.
- Durch Isoldens hohe Vorzüge werden die andern Frauen keineswegs ganz
- in den Schatten gestellt, wie mancher moere machet, sagen, glauben wird
- (wegen meines begeisterungsvollen Lobes), sondern sie ziert und erhebt
- vielmehr ihr ganzes Geschlecht.
- 8311 süezen swv. hier mit acc. (vgl. zu 11889J , (versüßen), erquicken.
- 8317 nhdorn (nach den drei ältesten Hss.) a-dj. = niuwe ^e6or« = unserm :
- neugeboren. — 8318 sich an licben = sich heben-=Ji\idL. anheben, ez steht
- wohl nicht unpersönlich in Vertretung des Subjects, sondern ist auf leben
- in V. 8316 zu beziehen. — erste adv.^= alr erste, jetzt erst. — umbe in^
- mit ihm, bei ihm. — 8319 geil adj., heiter [geil, lascivus, libidinosus, jünger].
- — 8321 gereit adj. = bereit. — 8328 verwäzen part. adj., verwünscht, ver-
- flucht. — 8324 geligen , verst. ligen , daniederliegen , ruhen. — 8325 üeben
- swv. refl., etwa: sein "Wesen treiben. —
- XII. DIE BRAUTFAHRT. 279
- der herren vil betrüeben
- tin ir muote und an ir siten,
- daz si in der eren beniten
- unde der werdekeite,
- die der hof an in leite 8330
- und al daz lantgesinde.
- si begünden vil swinde
- reden ze sinen dingen
- und in ze maere bringen,
- •er wsere ein zouberaere. 8335
- diu vorderen msere,
- wie er ir vint Morolden sluoc,
- wie sich sin dinc ze Irlanden truoc,
- des begünden s' under in dö jeben,
- ez wsere üz zöuber geschehen. 8340
- <(seht)), sprächen s' alle «merket hie
- und sprechet, wie genas er ie
- vor dem stärken Morölde?
- wie betröug er Isolde,
- die wisen küniginne, 8345
- -sine totvindinne,
- daz si sin als flizec was,
- biz daz er von ir haut genas?
- merket wunder, beeret her:
- der partiersere, wie kan er 8350
- gesehendiu ougen blenden
- und allez daz verenden,
- daz er ze endenne hat.»
- Hie mite gevielen s' an den rät,
- die Markes rätes pflägen, 8356
- daz si Marke an lägen
- beidiu fruo und späte
- mit flizeclichem rate,
- (211) daz er ein wip naeme,
- von der er z'erben kaeme 8360
- einer töhter oder eines suns.
- 8332 su'inde adv., (geschwind), stark, hart, feindselig. — 8334 ze moere
- bringen, auch ze mceren br. wird wie unser: ins Gerede bringen meist in
- Übelm Sinne gebraucht; vgl. 14777. 153S3. Sommer zu Flore 1553. — 8350 />ar-
- tiercerc (Lesart pärätiere) stra., Betrüger; vgl. zu 874.
- 280 XII. DIE BßAÜTFAHRT.
- Marke sprach: «got der hat uns
- einen güoten erben gegeben;
- got helfe uns, daz er müeze leben!
- Tristan, die wile er leben sol, 8365
- so wizzet endeliche wol,
- sone sol niemer künigin
- noch frouwe hie ze hove gesin. »
- hie mite wart des hazzes me,
- des nides aber do me dan e, 8370
- den si Tristande truogen,
- und begünde ouch an genuogen
- üz brechen alse sere,
- daz si'z in do niht mere
- vor verhelen künden 8376
- und ime ze manegen stunden
- die gebserde buten und diu wort,
- daz er ervorhte den mort
- und was in den sorgen ie,
- daz si eteswenne und eteswie 8380
- den rät enein getrüegen,
- daz si'n mortliche slüegen. ♦
- sinen deheim Marke den bat er,
- daz er der läntherren ger
- ze einem ende brsehte 8385
- und durch got bedachte
- sin angest unde sine not.
- erne weste, wenne ez sin tot
- und sin ende wsere.
- Sin Geheim der gewsere 8390
- der sprach: «neve Tristan,
- swic, ich enkume hie niemer an:
- i'ne ger niht erben niuwan din;
- ouch soltu gar an' angest sin
- umbe diiien lip und umbe din leben: 8395
- ich wil dir guoten fride geben.
- ir aller niden unde ir haz
- 8375 vor verheln mit dat. = vor einem verhehlen. — 8378 erfärhten.
- 8WV., befürchten. — 8380 eteswenne adv., irgendwenn, einmal. — eteswie
- adv., irgendwie. — 8382 7r/or«tcÄe adv., mörderisch. — ^i^i wenne (= wanne)
- adv. conj., wann.
- 8397 niden (stv., nhd. beneiden swv.) subst. inf. stn., Beneiden, Neid;
- hier und im Folgenden (vgl. auch V. 8328) stimmen nit und niden mit dem
- modernen Begriffe zusammen [Haß und Neid noch heute formelhaft]. —
- XII. DIE BRAUTFAHRT. 281
- nu, SO dir got, waz wirret dir daz?
- (212) hazzen unde niden
- daz muoz der biderbe liden: 8400
- der man der wirdet al die frist,
- die wile und er geniten ist.
- wird' unde nit diu zwei diu sint
- reht' alse ein muoter unde ir kint.
- diu wirde diu birt alle zit 8405
- und füeret häz unde nit.
- wen gevället ouch me hazzes an
- dan einen sselfgen man?
- diu saelde ist arm unde swach,
- diu nie deheinen haz gesach. 8410
- lebe iemer und wirp iemer daz,
- daz du einen tac sist äne haz:
- du enwirbest niemer daz,
- daz du iemer werdest äne haz.
- wellest aber von boeser diet 8415
- ungehäzzet sin, so sing ir liet
- und wis mit in ein boese wiht,
- söne hazzent si dich nilit.
- Tristan, swaz ieman getuo,
- so rihte du dich ie dar zuo, 8420
- daz du hohes muotes sis:
- wis vor bedenkende alle wis
- dinen frümen und din ere
- und enrät mir daz uiht mere,
- daz dir ze schaden müge ergän. 8425
- swaz rede hier umbe wirt getan,
- des envölge ich weder in noch dir.»
- «herre, so gebietet mir,
- so wil ich von dem hove varn:
- i'ne mäc mich vor in niht bewarn. 8430
- sol ich bi disera hazze wesen,
- sone kän ich niemer genesen.
- e ich sus angesliche
- elliu künicriche
- 8399 und die folgenden Zeilen bis 8418 haben einen sprichwörtlichen Charak-
- ter, namentlich 8411 — 14 wegen der Wiederholung der Reime. — 8401 wir-
- den Bv-'v. hier intrans., würdig sein. — 8407 an gefallen mit acc, einem
- anfallen, einem zufallen, beschieden sein. — 8416 ungehaztet adj. part. =
- nilit gehazzet.
- 282 XII. DIE BRAUTFAHRT.
- wolte haben ze ininer hant, 8435
- ich waere e iemer äne lant.»
- Do Marke sineu ernest sach,
- er bat in swigen unde sprach:
- (213) «neve, swie gerne ich stoete
- und triuwe zuo dir hsete, 8440
- söne gestatest du mir's niht.
- swaz so nü hier üz geschiht,
- da bin ich gar unschuldic an.
- swie ich dir nü gevolgen kan,
- da bin ich aber bereite zuo
- sage an, wie wildu daz ich tue?«
- «da besendet iuwern hoverät,
- der iuch hier üf geleitet hat,
- und erväret iegeliches muot:
- fraget, wie si dunke guot, 8450
- daz ir hie mite gebäret;
- ir willen so geväret,
- daz ez mit eren müge gestän.»
- Nu diz wart schiere getan,
- daz si alle wären besant. 8455
- nu die gerieten ouch zehant
- und niuwan durch Tristandes not,
- möht' ez gesin, diu schcene Isöt
- diu gezseme im wol ze wibe
- an gebürt, an tugent, an libe, 8460
- und stäten ouch den rät also.
- vür Marken kömen s' alle do;
- ir einer, der ez künde,
- der sprach mit einem munde
- ir aller willen unde ir muot: 8465
- «herr^», sprach er «uns dunket guot,
- diu schoene Isot von Irlant,
- als al den landen ist bekant,
- 8439 fg. stcete (Beständigkeit, Treue) und triuwe steht hier formelhaft
- für den Begriff: Treue und Liebe und //ce/e = bewährte. — 8449 ervaret
- der Hss. wohl niclit mit Maßmann erväret (erlauert, erlistet), welches
- Wort bei Gottfried, der sonst vären und gevären (s. zu 8452. 11800) ge-
- braucht, nicht vorkommt, sondern errare/ = erforschet (vgl. zu 12762.
- 13673. 13745). — 8452 gevären swv., verst. vären, belauern, beobachten.
- 8461 stäten =stceteten prset. von stceten swv., hier: feststellen. —
- XII. DIE BRAUTFAHKT. 283
- diu uns und in gelegen sint,
- diu ist ein maget unde ein kiut, 8470
- an die wiplicliiu saelekeit
- al die sa^lde hat geleit,
- die si dar gelegen künde,
- als ir ze maneger stunde
- von ir selbe habet vernomen, 8475
- diu ist sfelic unde vollekomeu
- an lebene unde an libe;
- mag iu diu ze wibe
- (214) und uns ze frouwen werden,
- sone kän uns üf der erden 8480
- an wibe niemer baz geschehen.»
- der künic sprach: «lät, herre, sehen,
- ob ich die gerne wolte hän ,
- wie solte ez iemer ergän?
- wan nemet ir doch in iuwern sin, 8485
- wie'z ünder uns und under in
- nu guote wile si gewant:
- uns hazzet Hute unde lant.
- Gurmün ist mir von herzen gram
- und hat ouch relit, ich bin im sam. 8490
- wer getrüege iemer under uns zwein
- so gröze friuntschäft enein?»
- «herre», sprächen s' aber do
- «ez flieget sich vil dicke also,
- daz under landen schade ergät; 8495
- so suln si beidenthalben rät
- beidiu süochen unde vinden
- und suln ez mit ir kinden
- wider ze suone bringen.
- üz häzli'chen dingen 8500
- wirt dicke michel friuntschäft.
- Sit ir hie zuo gedänchäft:
- ir mugct noch wol geleben den tac,
- daz Irlant iuwer werden mac.
- Irlant stät niuwan an in drin: 8505
- künic unde künigin
- 8469 gelegen pari, adj., (nahe gelegen), benachbart. — 8473 gelegen, verst.
- legen. — 8488 liazzet sing, statt pl. trotz des Plurals Hute; diese Freiheit
- gestattet sich die ältere Sprache; vgl. Gr. 4, 199. — 8490 sam adv., so,
- ebenso; bei Gottfried sonst häufiger alsaiu. — 8496 beidenthalben adv.
- (dat. pl.), auf beiden Seiten. —
- 284 XII. DIE BBAUTFAHRT.
- an Isot' eine geerbet sint.
- si ist ir einigez kint. »
- Des antwurt' in do Marke:
- «Tristan der hat mich starke 8510
- in gedanke durch si bräht:
- ich hän vil durch si gedäht,
- als er si lobete wider mich,
- von den gedanken bin ouch ich
- von den andern allen 8515
- s6 sere an si gevallen,
- sine müge mir danne werden,
- sone Wirt üf dirre erden
- (215) niemör deheiniu min wip ,
- sem mir got und min selbes lip.» 8520
- den eit tet er niht umbe daz,
- daz ime sin gemüete iht baz
- so hin stüende danne her:
- durch die kündekeit swuor er,
- daz es im gar was ungedäht, 8525
- daz ez iemer würde z'ende bräht.
- Des küneges rät sprach aber do:
- «herre, gefüeget ir'z also,
- daz min her Tristan, der hie stät,
- der da ze hove künde hat, 8530
- iuwer böteschaft da werben wil,
- so ist ez allez an ein zil
- und an ein stsetez ende bräht.
- der ist wis' unde wol bedäht
- und saelic z'allen dingen; 8535
- der mag ez z'ende bringen:
- er kan ir aller spräche wol,
- er endet, swaz er enden sol.»
- cir ratet übel», sprach Marke
- «ir flizet iuch ze starke 8540
- 8507 erben swv., hier: vererben, als Erbe bestimmen.
- 8511 in gedanke bringen^ auf Gedanken bringen, nachdenklich macheu.
- — 8512 entsprechend unserm: sie hat mir viel im Sinne gelegen. —
- 8525 ungedälit adj. part., hier nicht: unbewusst (vgl. 916), sondern etwa:
- undenkbar; indem es ihm nicht einfiel, daran zu denken; zu beachten ist
- es (nicht ez wie das mhd. Wb. citiert) = sCre (wie auch Hs. W hat), wegen,
- des Genetivs bei denken und gedenken; ebenso es in V. 6328.
- 8530 künde stf., hier: Bekanntschaft: der am Hofe sich auskennt. —
- 8531 böteschaft werben, Botschaft ausrichten, als Gesandter dienen. —
- XII. DIE BRAUTFAHRT. 285
- Tristandes schaden und siner not.
- er ist doch z'einem male tot
- vür iuch und iuwer erben.
- ir sult in aber sterben
- ze dem änderen male. 8545
- nein ir von Kurnewäle, .
- ir müezet selbe da hin:
- nimere enrätet mir üf in ! »
- «Herr^», sprach aber Tristan
- «sine misseredent niht hier an. 8550
- ez waere wol gefüege,
- swä iuch der muot zuo trüege,
- griff' ich ez bältlicher an
- und bereiter danne ein ander man;
- und ist ouch reht, daz ich ez tuo. 8555
- herr', ich bin harte guot derzuo:
- ez enwirbet zwäre niemen baz.
- gebietet et in allen daz,
- (216) daz si selbe mit mir varn,
- hin unde her mit mir bewarn 8560
- iuwer dinc und iuwer ere.»
- «nein, du enkumest niht mere
- in ir gewalt und in ir haut,
- Sit dich got wider hat gesant.»
- «herre, zwäre diz muoz wesen: 8565
- suln si da sterben oder genesen,
- daz muoz ouch mir mit in geschehen.
- ich wil si selbe läzen sehen,
- belibet diz laut erben fri,
- op daz von minen schulden si. 8570
- heizet si sich bereiten;
- ich wil den kiel leiten
- und füeren mit min selbes haut
- in daz sselege Irlänt
- hin wider ze Develine 8575
- gein der sunnen schine,
- der manegem herzen fröude birt.
- wer weiz, ob uns diu schcene wirt.
- herrö, würd' iu diu schcene Isot,
- laegen wir dan alle tot, 8580
- 8544 sult, hier wieder = wollt. — sterben swv. mit acc, verderben.
- 286 XII. DIE BRAUTFAHRT.
- da wsere lützel schaden au.»
- und alse Markes rätniäu
- gehörten, war diu rede gie,
- sine würden alse riuwic nie
- in allen ir jären, 8585
- so si der rede wären.
- nu muose ez unde solte wesen.
- Tristan hiez üz dem hove lesen
- des küneges heinlichsere
- zweinzec ritter gewaere 8590
- und zuo der not die besten,
- von lande und von gesten
- gewan er sehzic umbe solt.
- des rätes hsete er äne golt
- zweinzec lantbarüne. 8595
- sus was der cumpanjüne
- hundert unde deheiner me.
- mit den fuor Tristan über se,
- (217) die wären sin geselleschaft,
- und fuorte ouch rates die kraft 8600
- an spise unde an waete,
- an anderni schifgeraete ,
- daz so vil liuten zuo ir vart
- nie kiel so wol beraten wart.
- Si lesent an Tristande, 8605
- daz ein swälwe ze Irlande
- von Kurnewäle kseme,
- ein frouwen här da naeme
- ze ir bü'we und z'ir geniste,
- (i'ne weiz, wä si'z da wiste) 8610
- und fuorte daz wider über se.
- geniste ie kein swalwe me
- mit solhem ungemache,
- 8582 rät man pl., Eathleute, Kathgeber. — 8584 riuwic adj.: hier:
- betrübt.
- 8589 heinlichoEre stm., Vertrauter (vgl. zu 15075), g"eheimer Eatli (das
- Wort: Heimlicher hat sich in dieser Bedeutung lange erhalten). —
- 8595 lantbarun stm. synonym mit lantherre , lantfürste , der im Land ein-
- gesessene hohe Adeliche.
- 8605 an Tristande, ganz wie unser: im Tristan. — 8609 geniste stn.,
- hier nicht collectiv = Nester, aber auch nicht = Nest, sondern würde dem
- Begriff: Nistung entsprechen. — 8612 geniste =■ genistete , hat genistet. —
- ie — me, jemals — noch, schon. — 8613 ungemach stn. (18219), hier: Un-
- bequemlichkeit; vgl. 1274, —
- I
- XII. DIE BRAUTFAHRT. 287
- SO vil SO si büsache
- bi ir in dem lande vant, 8615
- daz si über mer in fremediu lant
- nach ir bugeraete streich?
- weiz got, hie spellet sich der leich,
- hie lispet daz maere.
- ouch ist ez ahvaere, 8620
- swer saget, daz Tristan üf daz mer
- nach wäne schifFete mit her
- lind solte des niht nemen war,
- wie lange er füere oder war,
- und wiste ouch niht, wen suochen. 8625
- waz räch er an den buochen,
- der diz hiez schriben unde lesen?
- ja, waeren s' alle samet gewesen,
- der künic, der iiz sande
- sinen rät von dem lande, 8630
- die boten gouche unde soten,
- waerön si also gewesen boten.
- Nu Tristan was üf sine vart
- und schiffete allez hinewart
- er unde sin geselleschaft; 8635
- der was ein teil vil sörchäft :
- ich meine die barüne,
- die zweinzic cumpanjüne,
- (218) den rät von Kurnewäle:
- die haeten ze dem male 8640
- vil michel angest unde not;
- si wänden alle wesen tot.
- 8614 SU vil so st, wie viel sie auch, während sie doch so viel. — busache
- stf.) Bauzeug. — 8618 spellen swv. refl., sich zum spei, zum Geschwätz
- machen, lügenhaft werden. — leich, hier in übertragener und allgemeiner
- Bedeutung: Gedicht, Erzählung? Bech fasst dagegen mit Hinweis auf Mar-
- tina 165, 15 fg. der leich spellet sich als sprichwörtlichen Ausdruck, alsdann
- leich in ursprünglicher Bedeutung. — 8619 lispen swv., lispeln (in welcher
- Bedeutung: schwatzen oder stammeln?) — 8622 nach wäne, auf Gerathe-
- wohl. — 8626 rechen stv., hier im Sinne: was, welches Unrecht hat er an
- den Büchern zu rächen ? was ließ er die Bücher entgelten ? «was thaten
- die Bücher zu Leide dem.») Kurtz; ähnlich Simrock: «was that dem wohl
- das Buch zu Leid.» — 8628 fg. Die Construction der folgenden beiden
- Sätze von den Übersetzern missverstanden oder nicht scharf genug gefasst;
- die Schwierigkeit liegt in der "Wortstellung von V. 8628, nhd. dafür: ja, es
- wären u. s. w. oder: ja, sie allesaramt (der König [und] die Boten) wären
- Narren gewesen, wären sie gewesen d. h. wenn sie gewesen wären also
- (darauf liegt der Nachdruck), auf solche "Weise Boten. — 86.31 stm.^
- (Kukuk), Narr; vgl. zu 1035. — soie swra. Fremdwort, franz. sot, Thor.
- ."^636 sorchaft adj., s. zu 79. —
- 288 XII. DIE BRAÜTFAHET.
- si fluocheten der stunde
- mit herzen und mit munde,
- daz der reise unde der vart 8645
- ze Irland' ie gedäht wart.
- sine künden umbe ir eigen leben
- in selben keinen rät gegeben:
- si rieten her, si rieten hin
- und enkünden nie niht under in 8650
- geraten, daz in tohte
- und daz rät geheizen mohte.
- und was ouch daz kein wunder:
- hier umbe noch hier under
- was rätes niht wan zweier ein, 8655
- in müeze einez under zwein
- bringen umbe ir leben frist,
- äventiure oder list:
- der list was aber da tiure;
- so was ouch äventiure 8660
- ir deheime in wäne:
- si wären beider äne.
- doch sprächen ir genuoge:
- «wisheit unde fuoge
- der ist härte vil an disem man. 8665
- ist, daz uns got gelückes gan,
- wir mugen vil wol mit ime genesen,
- wolt' er deheiner mäze wesen
- an siner blinden frecheit;
- der ist ze vil an in geleit, 8670
- er ist ze frech und ze gemuot,
- ern ruochet hiute, waz er tuot;
- ern gsebe niht ein halbez bröt
- umb' uns noch umbe sin selbes tot.
- und iedoch unser bester wän 8675
- der muoz an sinen sselden stän:
- sin witze muoz uns lere geben,
- wir wir gefristen daz leben.
- 8657 frist kann hier unmöglich in unserm Sinne: Frist, Aufschub sein,
- sondern entsprechend fristen in V. 6916 : Erhaltung, Kettung. — 8659 tiure
- adj., in solchen Wendungen = selten, dann: in geringem Maße vorhanden
- oder auch: ganz abhanden; hier scheint wirklich eine Ironie zu Grunde
- zu liegen (vgl. zu 269); [vgl. die noch erhaltene Redensart: da ist guter
- Eath theuer]. — 866d frecheit stf., Dreistigkeit, Tollkühnheit; vgl. zu 641.
- — 8673 nifit ein halbez brot, nicht das Geringste; ähnliche Wendung: niht
- eine halbe bone 15995; vgl. 1682 und zu 3641. 8873.
- XII. DIE BRAUTFAHRT. 289
- (219) Nu si ze Irlande kämen,
- ir gelende da genämen, 8680
- da man in seite msere,
- daz der künic wiere
- ze ^Veiseforte vür die stat,
- Tristan den anker werfen bat
- wol alse verre von der habe, 8685
- daz man mit einem bogen dar abe
- niht mohte haben geslagen ze in.
- sine läntbarüne bäten in,
- daz er durch got in seite,
- mit waz gelegenheite 8600
- er weite werben umbe daz wip;
- ez gienge in sere an den lip,
- ez diuhte si und wsere oueh guot,
- daz er in seite sinen muot.
- Tristan sprach: «da entuot niht me, 8695
- bewart daz iuwer keiner ge
- hin vür den liuten z' ougen;
- weset alle hinne tougen
- wan knehte und marnaere,
- die vorsehen der msere ^ 8700
- iif der brücke vor der schiftür,
- und iuwer keiner kome dervür.
- swiget unde tuot iuch in;
- ich wil selbe da vor sin,
- wan ich die läntspräche kan. 8705
- man wirt uns schiere komende an
- von den bürgseren
- mit übelichen mseren;
- den muoz ich liegen disen tac,
- swaz ich in geliegen mac. 8710
- helet ir iuch hier inne;
- wan wirt man iuwer inne,
- so haben wir strit an der hant,
- 8687 slaheh stv. (mit einem boyen) steht hier ungewöhnlich in der Be-
- deutung: treffen, und insofern für: schießen. Vgl. zu dieser Stelle Grimm's
- Kcchtsalterthümer, S. t)0. — 8698 hinne (= hie inne) adv. ; noch einmal im
- Reime 10645. — 8701 brücke = schif brücke , s. zu 13372. — schiftür stf. =
- schiftor, Schiffseingang; vgl. 8720. — 8708 übelich { = übellich) adj., übel
- beschaffen, bösartig. — 8709 liegen stv. hier mit dat., einem Unwahrheiten
- sagen, etwa unser: vorlügen; bei Gottfried in dieser Weise einigemal. —
- 8710 geliegen stv. mit acc. und dat., verst. liegen. — 8711 helen stv. refl., sich
- verbergen, sich verborgen halten. — 8713 an der hant, wolil ii\ch\. ^= zch,
- sofort, sondern: in Händen, wie unser: auf dem oder am Halse haben. —
- GOTTFRIED VON STRASSBURO. I. 2. Aufl. 19
- 290 XII. DIE BRAUTFAHRT.
- und bestät uns ällez daz lant.
- die wile ich morgen uze si; 8715
- wan ich wil ri'ten hie bi
- üf äventiure vil früo,
- mir gelinge oder entuo:
- (220) so si Kurvenal da vor
- und ander mit im an dem tor, 8720
- den diu spräche si bekant.
- und eines dinges sit gemant:
- ist, daz ich under wegen si
- zwene tage oder dri,
- zehant enbitet min niht me, 8725
- entrinnet wider über se
- und erneret leben unde lip;
- so hän ich eine daz wip
- verzinset mit dem libe,
- so ratet ir ze wibe 8730
- iuwerm herren, swar iuch dunke guot:
- diz ist min rät und ouch min muot.»
- Des küneges marschalc von Irlant,
- in des gewalt und in des haut
- ez allez stuont, stat unde habe, 8735
- der kom gerüeret dort her abe
- gewäfent unde wi'cgär
- mit einer michelen schar
- beidiu der burgser' unde ir boten,
- als in von hove was geboten, 8740
- und als daz mgere hie vor gibt,
- der da vor an daz mgere siht:
- swer dar ze Stade gestieze,
- daz man in vähen hieze,
- biz man vil rehte erkande, 8745
- ob er von Markes lande
- und des gesindes wsere.
- die selben wizensere,
- 8718 entuon (nicht tliun) steht hier Verbum vertretend = wjä^ gelinge; die
- moderne Sprache setzt dafür die einfache Negation: nicht (oder je nach
- Umständen nicht thun mit dem Accusativ eines Pronomens: oder thue es
- nicht), — 8729 verzinsen swv., bezahlen: ich habe njein Leben für das
- Weib zum Opfer gebracht.
- 8737 utcgar adj. kampfgerüstet; vgl. zu 5956. — 8741 fg. Wortspiel
- mit vor: hie vor, vorher, da vor, vornehin. vor sehen, entsprechend unserm ;
- nachsehen. — 8748 wizenoere (von wizenen swv. , strafen , bei Gottfried
- nicht vorkommend) stm., Peiniger. —
- XII. DIE BRAÜTFAHKT. 291
- die leiden mortrseteu,
- die manegen mört haeten 8750
- begangen mit Unschulden
- ir herren ze hulden,
- die körnen in die habe gezogen
- mit ärmbrüsten und mit bogen
- und mit ander wi'cwer, 8755
- also von rehte ein röupher.
- Des kieles meister Tristan
- leit' eine reisekappen an
- (•221) durch anders niht wan umbe daz,
- daz er sich hsele deste baz. 8760
- euch hiez er einen köpf dar tragen
- von rotem gölde geslagen
- und gewörht ze fremedem prise
- in engeloiser wise.
- sus trat er in ein schiffelin 8765
- und Kurvenal zuo z'ime dar in
- und kerte hin engegen der habe
- und bot in siuen gruoz hin abe
- mit gebeerden und mit munde,
- so er süozeste künde. 8770
- swaz aber des gruozes wsere,
- genuoge bürgaere
- zen schifielinen liefen,
- von Stade genuoge riefen :
- «habe an laut, habe an laut!» 8775
- Tristan stiez in die habe zehant.
- «ir herren», sprach er «saget mir.
- j
- wie komet ir sus? waz tiutet ir
- 8749 mortrcete adj. subst., Mordstifter. — S751 mit Unschulden = sing, mit
- Unschuld, ohne Schuld ; die Worte beziehen sich aber nicht etwa auf das
- Verbum und auf die u-lzencere und mortrcefen, was man aus dem folgenden
- Verse schließen könnte, weil sie es gezwungen thaten, sondern auf mort,
- der unschuldig, unverdient war. — 8752 ze hulden (dat. pl.) = zu Lieb, zu
- Gefallen. — 8755 u-tcwer stf., Kriegsrüstung.
- 8761 kop/ stm., Becher [Kopf für das ganze Haupt jünger]. — 8762 ge-
- slagen bezieht sich auf die Gediegenheit des Metalls; es war keine getrie-
- bene Arbeit. — 8769 hier stimmt mit yeboerden im Gegensatze zu mit dem
- munde mit dem heutigen Ausdrucke, doch liegt mehr im Worte als die
- bloße rein körperliche Bewegung der Gliedmaßen, etwa: das Winken und
- Verneigen. — 8775 habe an lant, elliptisch = halte das Schifif dem Lande zu,
- steuere ans Land! — 8778 tiuten mit acc. = andeuten : was soll euer nnge-
- verte bedeuten? (in V. 6799 unpersönlich: waz tiutet (/az = was bedeutet
- das r ) —
- 19*
- 292 XII. DIE BRAUTFAHRT.
- mit disem UDgeverte?
- iur gebaerde die siut herte. 8780
- i'n weiz, wes ich mich versehen sol.
- durch gotes willen tuot so wol,
- si iemen bi iu an der habe,
- der gewält von dem lande habe,
- der hoere imde verneme mich!» 8785
- «ja», sprach der marschalc «hie bin ich:
- min geb^erde und min geverte
- diu werdent iu so herte,
- daz ich beuamen wizzen wil
- iuwer geverte iinz üf ein zii.» 8790
- «entriuwen, herre», sprach Tristan
- «da habet ir mich bereiten an;
- der mir geswigen hieze
- und mich ze spräche lieze,
- des selben wolte ich gerne biten, 8795
- daz man mit güotli'chen siten
- und so min wort vernaeme,
- als ez dem lande zaeme. •>
- (222) Hie mite wart ime ein stille gegeben.
- «herr^». sprach Tristan «unser leben, 8800
- unser geburt und unser lant
- dar umbe ist ez also gewant,
- als ich iu hie bediute:
- wir sin werbende Hute
- und mugen uns des niht geschamen. 8805
- koufliute heizen wir benamen
- ich und min cumpanie
- und sin von Normandie.
- 8779 ungeverte stn., hier in übertragener uud allgemeiner Bedeutung: übele
- Art, unfreundliches Begegnen. — 8780 herte adj., liart, rauh. — 8787 ge-
- verte stn., auch hier allgemein: Art, Wesen. — 8790 geverte hat dagegen
- in stilistischem Gegensatze hier die Bedeutung : Absicht der Fahrt, Beise-
- zweck. — unz vf ein s«7 = bis zu Ende, d. h. ganz genau. — 8793 yeswiyen
- stv., verst. steigen; ob der Dativ 7nir direct zu geswigen zu ziehen ist, wie
- das mhd. Wb. II, 2, 788'', 3 anführt (also: wenn einer hieße vor mir zu
- schweigen, wenn einer befähle , daß man mir schweigend zuhöre), scheint
- mir fraglich; wegen der stilistischen Congruenz mit der folgenden Zeile
- (mich lieze) möchte ich ?/«/> zu hieze ziehen, und gesivxgen stünde dann
- nahezu substantivisch : wenn einer mir , für mich , in meinem iHteresse
- Schweigen anbefehlen wollte ; wenn man mir Gehör verschaffen wollte. —
- 8796 guotlich adj., gütig, freundlich; vgl. 2676.
- 8799 eine stille geben = unserm : Ruhe schaffen. — 8805 geschamen^
- verst. schämen. — 8806 heizen steht in älterer Sprache öfters, wo wir: sein
- anzuwenden pflegen. —
- XII. DIE BRAUTFAHRT. 293
- unser wi'p und unser kint sint da.
- wir selbe sin wä uude wa 8810
- von lande ze lande
- koufende aller liande
- und gewinnen, daz wir uns betragen,
- und innen disen drizec tagen
- do fuoren wir von lande dan, 8815
- ich und zwen' ander köufmän.
- wir dri wir wolten under uns drin
- mit geselleschaft ze Iberne sin;
- und sint wol ahte tage iezuo,
- daz uns an einem tage fruo' 8820
- von hinnen verre ein wint bestuont,
- als uns die winde dicke tuont;
- der hat uns dri gescheiden,
- mich einen von in beiden,
- und enweiz niht, wie si sin gevarn, 8825
- wan got der müeze si bewarn,
- si sin lebende oder tot!
- ich bin mit micheler not
- vil manegen übelen wec geslagen
- in disen swseren ahte tagen; 8830
- und gester umbe den mitten tac,
- dö stürm ünde wint gelac,
- do erkände ich berge unde laut,
- durch ruowen kerte ich dar zehant
- und ruowete unze hiute da;» 8835
- hiut' an dem morgen iesä
- do ez liehtende wart,
- dö streich ich aber üf mine vart
- (223) alhie her wider Weisefort.
- nu vert ez hie wirs danne dort. 8840
- ich waene, ich bin noch ungenesen;
- doch wände ich hie genesen wesen.
- SS13 betrauen swv. refl. (in jüngerer Zeit auch stv. und mit dem andern
- betrayen stv. scheinbar zusammenfallend ähnlich wie bei laden stv. und
- 8WV.), sich ernähren. — 8814 innen adv. prtep. mit dat. (ähnlich wie inner
- 7962), innerhalb; vgl. zu 18182. — ^^2'd geslagen wie in V. 7(i03 = getrieben.
- — 8831 mitte adj., mittler [jetzt die völlige Zusammensetzung: Mittag au»
- mittetac allein geläufig]. — 8832 gelac = i\c\i gelegt hatte. — 8837 liehten
- 8WV., licht werden, tagen; vgl. hhW. — 8841 ungenesen adj. part., hier par-
- ticipialer zu fassen als in V. G9ö7 = w/ä< genesen im Anschluß an genesen
- im folgenden Verse, welches aber selbst als Adjectiv zu nehmen ist. un-
- gencsen von Kurtz gut getroffen «ungeborgen». —
- 294 XII. DIE BRAUTFAHRT.
- wan ich die stat erkenne
- und bin ouch eteswenne
- mit koufliuten hie gewesen. 8845
- deste baz wand' ich genesen
- und hie genäde vinden.
- nu bin ich stürmwinden
- alrerste in die hant gevarn,
- doch mac mich got noch wol bewarn; 8850
- Sit ich bi disem gesinde
- weder fride noch ruowe vinde,
- so kere ich wider üf daz mer.
- da hän ich al der werlde wer
- und strit genuogen an der fluht. 8855
- geruochet aber ir iuwer zuht
- und iuwer ere an mir begän,
- der mäze als ich hie guotes hän,
- daz teile ich iu vil gerne mite
- umb' eine kürzliche bite, 8860
- daz ir mir unde miner habe
- schaffet fride in dirre habe,
- biz ich besuoche unde besehe,
- op mir diu seelde geschehe,
- daz ich min lantgesinde 8865
- ervorsche unde ervinde.
- und wellet ir mich des gewern,
- so heizet mir ouch fride bern.
- si gähent vaste dort her,
- i'ne weiz weihe oder wer, 8870
- in kleinen schiffelinen;
- oder ich var wider zen minen
- und fürhte iuch alle niht ein strö.»
- Der marschalc der hiez s' alle do
- wider keren an daz laut. 8875
- 8854 al der werlde gen. abhängig von wer, Wehr, Schutz : ich habe (finde)
- Schutz vor aller Welt in der Flucht; oder ist al der werlde zu fassen als
- emphatische Umschreibung für : all : ich finde allen nur erdenklichen
- Schutz? — 8855 genuogen kaum Advörb, son&eTn. = genuogen, bedeutenden,
- vollkommenen, strtt. — Die Übersetzer geben strtt mit: Streitkraft; das
- liegt hier wohl nicht im Worte , sondern strtt steht metaphorisch wie in
- der Wendung den strtt lau, für: Sieg, Kettung. — 8858 der mäze adv. gen.,
- (dermaßen), im Verhältnisse, so viel. — 8860 bite stf., hier: Verweilen, Auf-
- enthalt. — 8863 besuochen swv., versuchen , nachsuchen. — 8866 ervinden
- stv., finden, ausfindig machen. — 8869 vaste adv., fest, sehr; vgl. 15551. —
- 8873 niht ein stro, nicht einen Strohhalm, d. h. gar nichts; ähnliche Wen-
- dungen bei Gottfried ni/it eine ber (Beere) 16272, nild ein här 16537, niht
- eine bone 16880; vgl. zu 3641. 8673.
- XII. DIE BRAÜTFAHRT. 295
- zem gaste sprach er al zehant:
- «waz wellet ir dem künege geben,
- daz ich iu guot unde leben
- (224) in disem riche bewar?»
- aber sprach der eilende dar: 8880
- «herre, ich gibe im alle tage,
- swä ich ez gewinne oder bejage
- eine märe von rotem golde;
- und sult ir iu ze solde
- und ze miete disen köpf han, 8885
- ob ich mich's an iuch mac Verlan.»
- «ja», sprächen s' alle zehant:
- «er ist hie marschalc über diz laut.»
- der marschalc sine gäbe nam,
- diu dühte in riche und lobesam, 8890
- und hiez in stozen in die habe;
- sinem libe und siner habe
- fride ünde genäde er do gebot.
- da wären si rieh unde rot,
- ich meine zins ünde solt: 8895
- rieh unde rot des küneges golt,
- des boten solt rot unde rieh:
- si wären beidiu ri'li'ch.
- daz half ouch ime, daz ime geschach
- beidiu genäde unde gemach. 8900
- xiir.
- DER KAMPF MIT DEM DRACHEN.
- Durch einen Drachen war das Land in , große Noth versetzt. Der
- König hatte dem Eitter, der ihn erlegen würde, seine Tochter gelobt.
- Tausende waren schon im Kampfe umgekommen. Davon hatte auch Tri-
- stan gehört und darauf baute er seinen Plan. Andern Tages reitet er
- wohlgewappnet nach dem Thal Anferginan, dem Aufenthalt des Drachen.
- Er sieht auf dem Wege vier Kitter dahinfliehen, unter ihnen den feigen
- Truchseß der Königin, welcher die junge Königin begehrte. Tiistan
- findet den Drachen und erlegt ihn in heißem Kampfe. Sein Ross büßt
- er ein. Tristan schneidet die Zunge aus dem Drachenhaupte und steckt
- sie zu sich. Ermüdet senkt er sich, Kühlung suchend, in eine kleine
- Lache, aber der Dunst der Drachenzunge raubt ihm die Besinnung.
- Der Truchseß bemächtigt sich des erlegten Drachen, aber den Ritter,
- der ihn erschlagen , entdeckt er nicht. Er bricht seinen Speer entzwei
- und stößt das vordere Stück zum Schein in des Drachen Schlund. Er
- reitet nach Weisefort zurück, verkündet seine Heldenthat und [lässt auf
- einem Lastwagen das Haupt des Drachen nach Hause schaffen. Darauf
- mahnt er den König Gurmun an sein Gelübde.
- Des Truchseß Sieg schmerzt die schöne Isolt, lieber will sie injden
- Tod, als des Verhassten Weib werden. Ihre Mutter wahrsagt ihr zum
- Tröste, ein Fremder habe den Drachen erschlagen. Die Frauen reiten in
- Begleitung ihrer Niftel Brangsene und des Knappen Paranis zur Kampf-
- stätte und entdecken endlich den Eitter, den sie entwaffnen, von der be-
- täubenden Zunge befreien und durch ein Heilmittel wieder ins Leben
- zurückrufen. Die junge Isolt erkennt in ihm den Spielmann Tantris. Sie
- schaffen ihn unbemerkt mit sich und nehmen ihn in ihre Pflege. Andern
- Tages erklärt sich Tantris aus Dankbarkeit bereit , im Nothfalle mit dem
- Truchseß kämpfen zu wollen.
- Unterdessen ist Tristan's Reisegesellschaft in Ungewissheit und Sorge.
- Sie haben vernommen, daß ein Ritter im Kampfe mit dem Drachen todt
- geblieben sei , und senden deshalb Kurvenal auf Kundschaft aus. Dieser
- findet den Drachen und das verstümmelte Ross, welches er als das seines
- Herrn erkennt. Schmerzvoll kehrt er zurück. Die Mehrzahl der Gefähr-
- ten beschließt zum Leidwesen der Barone noch mindestens zwei Tage aus-
- zuharren und weitere Forschungen anzustellen.
- XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN. 297
- Der Truchseß macht vor der Versammlung des Hofes und der^Ritter-
- schaft seine Ansprüche geltend und beruft sich auf das mitgebrachte
- Wahrzeichen. Die Königin leugnet sein Verdienst; ein anderer habe den
- Drachen erschlagen. Der Truchseß erbietet sich, es auf einen Kampf mit
- dem Unbekannten ankommen zu lassen. In drei Tagen soll dieser Kampf
- stattfinden.
- Nu Tristan der ist ze fride komen.
- ie noch hat nieman vernomen,
- waz er welle ane gän:
- nu sol man ez iuch wizzen lan,
- son' erlänget iuch des mseres niht. 8905
- diz msere saget unde giht
- von einem serpände;
- der was dö da ze lande,
- der selbe leide väla'nt
- der haete Hute unde laut 8910
- mit also schädelichem schaden
- so schädelichen überladen,
- daz der künec swuor einen eit
- bi küniclicher wärheit,
- swer ime benseme daz leben, 8915
- er wolte im sine tohter geben,
- der edel und ritter wsere.
- diz selbe läntmsere
- (225) und daz vil wunnecliche wip
- verluren tüsenden den lip, 8920
- die dar ze kämpfe kämen,
- ir ende da genämen;
- des maeres was daz länt vol.
- diz maere erkande euch Tristan wol:
- diz eine starcte in dar an, 8925
- daz er der reise ie began,
- diz was sin meistiu zuoversiht,
- anders trostes haete er niht.
- nu ist es zit, nu kere zuo!
- S905 mich erlanget mit gen., (wie sonst belanget) mich langweilt etwas.
- — 8907 serpant stm., Fremdwort, gen. serpandes, Schlange, Drache; sonst
- gebraucht Gottfried auch trache. — 8917 der = swer , wenn, falls derselbe.
- — 8918 lantmaere stn., allgemeines Gerücht; vgl. 8923. — 8920 Verliesen stv.
- hier traus. , verderben, zu Grunde richten; vgl. 9S11. 16520. — 8922 ende
- nemen, (/e/iemen := Ende finden, in älterer Sprache häufiger [nhd. Ende
- meist mit Adjectiv verbunden]. — 8929 kere tuo'. wörtlich : eile herbei (5490)
- = fang an ! ruft sich der Dicliter im Sinne eines Zuhörers selbst zu ; auf
- Tristan ist es wohl kaum zu beziehen.
- 298 XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN.
- Des änderen tages fruo 8930
- so wäfende er sich alse wol,
- also ein man ze noeten sol.
- üf ein starkez ors saz er,
- er hiez im reichen ein sper
- groz ünde veste, 8935
- daz Sterkeste und daz beste,
- daz man in dem kiele vant.
- üf sinen wec reit er zehant
- über velt und über gevilde;
- er nam im in der wilde 8940
- manege kere und manege vart.
- und alse der tac stigende wart,
- do liez er vaste hine gän
- wider daz tal ze Anferginän,
- da was des trachen heimwist, 8945
- also man an der geste list.
- DU sach er verre dort hin dan
- vier gewiiifende man
- über üngeverte und über velt
- ein lützel balder danne enzelt 8950
- fliehende gälopieren.
- der einer von den vieren
- truhsaeze was der künigin,
- der was ouch und wolte sin
- der jungen küniginne amis 8955
- wider ir willen alle wis;
- und alse ieman ze velde reit
- durch gelücke und durch mänheit,
- (226) so was ouch der truhsaeze da
- eteswenne und eteswä 8960
- durch niht, wan daz man jaehe,
- daz man ouch in da ssehe,
- da man nach äventiure rite,
- und anders was ouch niht dermite,
- 8943 hier die Ellipse gän läzen (5054) in der Verbindung mit hin, hin-
- sprengen. — 8945 heimwist stf., Heimwesen, "Wohnsitz. — 8946 geste stf.,
- Fremdwort, lat. gesta, Geschichte = mcere, äventiure, istSrje. — 8949 ünge-
- verte stv., hier: Unweg, unwegsame Strecke. — 8950 balder comp, adv.,
- schneller. — emelt {=inzelt) adv., im Zeltgange (eine Art Trab). —
- 8960 eteswenne und eteswä hier formelhaft nebeneinander in der Bedeu-
- tung: immer und überall. —
- XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN. 299
- wan ern gesacli den trachen nie, 8965
- er enkerte bälderichen ie.
- Nu Tristan wart vil wol gewar
- an der fliehenden schar,
- der trache der waere etswä da,
- und Stapfete ouch des endes sä 8970
- und reit unlange, unz er gesach
- siner ougen ungemach,
- den egeslichen trachen;
- der warf üz sinem rächen
- rouch unde flammen unde wint 8975
- rehte alse des tiuvels kirit
- und kerte gein im aldort her.
- Tristan der säncte daz sper,
- daz ors er mit den sporen nam:
- so swinde er dar gerüeret kam, 8980
- daz er'm daz sper zem giele in stach,
- so daz ez ime den rächen brach
- und innen an dem herzen want,
- unde er selbe üf den serpant
- so sere mit dem orse stiez, 8985
- daz er daz ors da totez liez
- und er da von vil küme entran.
- der trache gieng ez aber an
- mit phnäste und mit fiure,
- unz ez der ungehiure 8990
- 8966 leeren, hier: umkehren. — bälderichen (M bälderichen, H beldertchen)
- adv. macht Schwierigkeiten ; eine befriedigende Erklärung des in den
- Haupthss. ziemlich einheitlich überlieferten Textes ist bisjetzt nicht ge-
- funden; eine von mir erlassene öffentliche Frage und Bitte um Aufklä-
- rung (in Pfeiffer's Germania 12, 318 fg.) ist leider nicht beantwortet wor-
- den. Den Text gegen die Überlieferung zu ändern, scheint gewagt. Nahe
- liegt balde den rucken: ohne daß er nicht bald den Rücken wendete. Ver-
- sucht wurde ferner im näheren Anschluß an die Hss. beide (gen. von beide
- stf., Muth) rlche : daß er nicht mutlivoll (in ironischem Sinne) immer wie-
- der umgekehrt wäre, ferner: beldeclichen adv,, muthxg, zuletzt beldcricher
- compar. (von v. Hagen, Germ. Studien, 1, 5«) : als daß er (ern abh. von niht
- in Y. 8964) stets unverschämter (in seinen Bewerbungen um Isolt) zurück-
- kehrte. Wahrscheinlich liegt ein sprichwörtlicher Ausdruck vor, der noch
- zu deuten ist.
- 8969 etswä adv., hier in der ersten Bedeutung : irgendwo. — 8970 stapfen
- swv., treten, schreiten, insbesondere wie hier: langsam reiten. — Sdü eges-
- Itch adj., schrecklich, j^reulich. — 8980 swinde adv., hier = geschwind. —
- 8981 ijiel stm., Sclilund, Eachen. — 8982 Hagen schreibt mit F so daz ez
- im in (in) zem rächen brach (=W, nur fehlt ?m) ; Groote folgt H, hält aber
- die Lesart von O so daz ez in dem rächen brach für die richtigste; das
- mild. Wörterbuch citiert nach F. Die gewählte Lesart übereinstimmend
- in M und H bedeutet : sodaß er (der Speer) ihm (dem Drachen) gewaltsam
- durch den Rachen drang. — 8989 phnäst stm.. Schnauben. —
- 300 XIII. DER KÄMPF MIT DEM DRACHEN.
- vor dem sätele gar verswande.
- nu was im aber als ande
- daz sper, daz in da serte,
- daz er von dem orse kerte
- hin wider ein steingevelle. 8995
- Tristan sin kampfgeselle
- der kerte im nach, reht' üf sin spor.
- der veige streich im allez vor
- (227) mit solher ungedulte,
- daz er den wält vülte 9000
- mit egeslicher stimme
- und hürste vil von grimme
- abe brande und üz der erden sluoc.
- des treip er vil und so genuoc,
- biz in der smerze überwant, 9005
- und under eine steinwänt
- vil nähen sich gedructe.
- Tristan daz swert dö zucte
- und wände, er funde in äne strit.
- nein, ez wart ängeslicher sit, 9010
- dan ez e mäles wsere.
- doch enwäs ez nie so swsere:
- Tristan ruort' aber den trachen an,
- der trache wider an den man
- und brähte in z'alse grozer not, 9015
- daz er wände wesen tot.
- er liez in nie ze were komen,
- er hsete ime schiere benomen
- beidiu siege unde wer.
- do was sin ouch ein michel her: 9020
- er fuorte mit im an den kämpf
- beidiu röuch ünde tampf
- und ändere stiure
- 8991 verswan(ie = ver'iwend€te , verswenden swv, , (verschwinden machen),
- vertilgen. — 8992 ande adj., widerwärtig, unleidlich; von Gottfried nicht
- ungerne gebraucht, auch das Adverbium ; vgl. zu 7088. — 8993 seren swv.,
- schmerzen. — 8995 hin gehört zu kerte, wider ist prsep. mit acc, gegen,
- nach — zu; vgl. 2567. 5609. — steingecelle stn. , ein durch Staine unweg-
- samer Platz, >i Steingeklüft». Kurtz.
- 9002 hür.'ite gen. pl. (abh. von vil) von hurst, Strauch; das Geschlecht
- stm. oder stf. nicht ersichtlich. — 9007 gedrücken, verst. drücken. — 9013 an
- rüeren, hier deutlich = an 'jän 8988, angreifen, denn im folgenden Verse
- steht CS ebenfalls vom Drachen und Tristan's Boss ist todt; vgl. zu 6981.
- 9049. —
- XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN. 301
- an siegen unde an fiure,
- an zenen unde an griffen: 9025
- die wären gesliffen,
- sere schärph unde wahs,
- noch wahser danne ein scharsahs.
- da mite treip er in umbe
- manege ängesliche krumbe 9030
- von böumen ze busclien:
- da muose er sich vertuschen
- und fristen, swie er mohte,
- wan ime der kämpf niht tohte;
- und haete ez doch so sere 9035
- versuochet mit der kere,
- daz ime der schilt vor der hant
- vil nach ze kolen was verbrant,
- (228) wan er gienc in mit fiure an,
- daz er im küme vor entran. 9040
- Doch werte ez niht vil lange,
- der mörtsame slange
- der kom schiere dar an,
- daz er zwivelen began
- und ime daz spar so nähen gie, 9045
- daz er sich aber nider lie
- und want sich ange und ange.
- Tristan was aber unlange,
- er kom gerüeret balde her,
- daz swert daz stach er zuo dem sper 9050
- zem herzen !n unz an die hant.
- nu lie der veige välänt
- einen doz und eine stimme
- so griulich und so grimme
- üz sinem veigen giele, 9055
- 9025 (jr'if stm. , (Griff), hier: Klaue. — y026 fg. sind wohl auf beides, auf
- Zähne und Klauen zu beziehen. — gesliffen ist aufzufassen als Adj. part.,
- nicht als reines Particip, das folgende scharph ist Adj., nicht Adv. zu sitfen.
- und sere ist Adv. zu scharph, nicht zu gesliffen. — 9027 xcahs adj., schart.
- — 9028 scharsahs stn., Scheermesser. — 9029 fg. ähnliche Wendung in V.
- 16064 fg. — 9032 vertuschen swv., verbergen [nhd. beschränkt im Gebrauch,
- nicht mehr reflexiv]. — 9040 vgl. zu 730.
- 9044 zvxvelen swv., (zweifeln), verzweifeln, verzagen (F schreibt swi-
- belen swv., welches keineswegs das echte Wort, sondern ein schlecht be-
- zeugtes ir.ll, Ki'fr'j^zt"'* ist). — 904S unlange adv. bei iresen (vgl. zu .5.i64) :
- er war nicht lange aus, blieb nicht lange, zögerte nicht. — 9049 rüpren,
- hier übertragen und allgemein wie unser: sprengen auch von Fußgängern
- gesagt wird; ebenso in V. 16053, in V. 8736 zweifelhaft, da der Marschall
- auch zu Ko38 gewesen sein kann. — 9053 doz stm., Getöse. — 9054 grimme
- adv., grimmig, wüthend. —
- 302 XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN.
- als himel und erde viele,
- und daz der selbe mörtschäl
- verre in daz lant erhal,
- und Tristan harte sere erschrac.
- und alse der trache do gelac, 9060
- daz er in toten gesach,
- den giel er ime u'f brach,
- mit micheler arebeit;
- üz dem rächen er im sneit
- der Zungen mit dem swerte 9065
- der mäze, als er ir gerte;
- in sinen buosem er si stiez,
- den giel er wider ze samene liez.
- Sus kerte er gein der wilde hin.
- daz tete er aber durch den sin: 9070
- er wolte sich verbergen da,
- den tac geruowen eteswä
- und wider komen ze siner mäht
- und wolte danne hin ze naht
- ze sinen lantgesellen wider. 9075
- nu zoch in aber diu hitze nider,
- die er beidiu von der arebeit
- und da zuo von dem trachen leit,
- (229) und müedete in so sere,
- daz er iezuo niht mere 9080
- und vil küme mohte leben.
- nu gesach er eine lachen sweben
- smal unde mäzliche groz,
- in die von einem velse flöz
- ein küelez kleinez brunnelin. 9085
- da viel er also gewäfent in
- und sancte sich unz an den grünt:
- er lie hie vor niwan den munt.
- da lag er den tac und die naht,
- wan ime benam al sine mäht 9090
- diu leide zunge, die er truoc;
- 9057 mortschal stm., Todesschrei. — 9058 erhellen stv., erhallen, ertönen. —
- 9068 idzen, hier wie unser: machen: er machte den Rachen wieder zu.
- 9072 geruowen swv., verst. ruowen, ausruhen. — 9075 lantgeselle swm.,
- hier: Genoß aus dem Vaterland, Landsmann. — 9079 müeden swv. trans.,
- ermüden. — 9082 sweben, s. zu 888. — 9083 mäzliche adv. , mäßig, nicht
- sehr. —
- XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN. 303
- der rouch, der von der an in sluoc,
- der eine entworhte in garwe
- an krefte und an der varwe,
- daz er von dannen niht enkam , 9095
- nnz in diu künigin da nam.
- Der truhsaez', alse ich hän gesaget,
- der der s?eligen maget
- friunt unde ritter wolte sin,
- dem begünden die gedanke sin 9100
- üf swellen harte gröze
- von des trachen döze,
- der also griulich und als gröz
- über wält und über velt doz.
- in sin herze er allez las, 9105
- reht' alse ez ouch ergangen was,
- und dähte: «er ist benamen tot
- oder aber in so grözer not,
- daz ich in mag gewinnen
- mit eteslichen sinnen.» 9110
- von jenen drin er sich verstal,
- eine hälden stapfte er hin ze tal
- und He wol balde hine gän,
- hin da der schrei dö was getan;
- und alse er zuo dem orse kam, 9115
- eine ruowe er ime da nam.,
- bi dem so habte er lange
- trahtende kleine und ange :
- (230) in nam der kurzen reise
- gröz angest unde freise. 9120
- ledoch genante er über lanc
- und reit als äne sinen danc
- erschrocken unde herzelös
- die rihte hin, da er da kos,
- daz daz löup und daz gras 9125
- 9093 entwürken swv. anom., auflösen, vernichten.
- 9118 kleine adv., hier: genau. — 9119 fg. nemen hier wie mich nimet
- wunder verbunden mit angest: mich ergreift, befällt Angst. — 9120 /rme
- stf., Schrecken. Der Genetiv der kurzen reise ebenso wie bei wunder
- nemen: wegen der kurzen Reise, über die kurze Reise.
- 9121 genante prset. von yenenden swv., Muth fassen; vgl. zu 18063. —
- über lanc (adj. neutr.), bald darauf; vgl. zu 11687. —
- 304 XIII. DEK KAMPF MIT DEM DRACHEN.
- vor ime abe gesenget was.
- und kom in kurzer friste,
- e danne er sin iht wiste,
- reht' üf den trachen, da er lac;
- und er der trühsseze erschrac 9130
- als innecliche sere,
- daz er nach eine kere
- zer erden hsete genomen,
- durch daz er ime so bi was komen
- und ime so nahen gereit. 9135
- nu was er aber zehant bereit,
- daz ors warf er so balde wider,
- daz er mit dem orse nider
- ze einem hufen gelac.
- nu er sich wider üf gewac 9140
- (ich meine von der erden),
- done mohte im State niht werden
- vor vorhten, die er haete,
- daz er so vil getsete,
- daz er üf daz ors gesseze: 9145
- der leide trühsseze
- er liez ez stan ünde floch.
- do ime do niemen nach zoch,
- do gestüont er unde sleich do wider,
- nach sinem spere greif er nider, 9150
- daz ors er bi dem zügele nam,
- z' einem rönen er gezogen kam,
- uf daz ors er gesaz,
- sines schaden er vergaz,
- er sprancte verre dort hin dan 9155
- und sach her wider den trachen an,
- waz ämpsere er haete,
- ob er lebete oder entsete.
- (231) Nu er in toten ersach,
- «heil, obe got wil!» er do sprach 9160
- «hie ist aventiure funden:
- ich bin ze guoten stunden
- und ze heile komen her.»
- 9140 «}/ gewegen, aufwärts bewegen, erheben. — 9143 vorfite im Mhd. öfters
- im Plural, nhd. nur: vor Furcht. — 9152 rone swm.. Klotz, abgehauener
- Baumstrunk. — 9157 ampcere (aus ani-boere) stf., Aussehen.
- XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN. 305
- hie mite so neigete er tlaz sper,
- mit dem zügel er hancte, 9165
- er hiu üncle sprancte
- und lie hin gän punieren,
- punierende croieren:
- <(scheve]ier damoisele,
- ma blunde Isot, ma bele!» 9170
- er stach üf in mit solher kraft,
- der starke eschi'ne schaft
- daz er im durch die hänt reit.
- daz er ab do niht mere streit,
- daz liez er niuwan durch den list: 9175
- er dähte: «op dirre in lebene ist,
- der disen trachen hat erslagen,
- sone kän ez mich niht vür getragen,
- daz ich hie mite hän üf geleit.«
- er kerte dannen unde reit 9180
- und suochte her ünde hin
- iif den gedingen, obe er in
- iender hsete funden
- so müeden oder so wunden,
- daz ime der strit töhte 9185
- und mit im striten möhte,
- daz er'n erslagen wolte haben
- und in erslägenen begraben.
- und alse er sin dö niht envant,
- <(lä, herre, varn!» däht' er zehant, 9190
- «sweder er lebe oder entuo,
- bin ich der erste derzuo;
- mich enwi'set niemän dervan:
- ich bin gefriunt ünde geman,
- so wert und so genaBme, 9195
- swer sich es an genseme,
- der hsote doch dar an verlorn.»
- er lie hin riten gän mit sporn
- 9165 hancte praet. von hengen swv., hängen lassen, insbesondere den
- Zügel; hier tritt mit dem zügel hinzu; die Wendung etwa: er sprengte
- daher mit verhängtem Zügel. — 9169 damoisele =:: dcmoi seile. — 9170 7na =
- neufr. — 9173 rtten stv., (reiten), hier intrans. wie unser: fahren; im Worte
- liegt der Begriff des Gewaltsamen: dringen; vgl. zu 2565. — 9182 uf den
- gedingen, auf die Hoffnung hin, in der Hoffnung. — 9183 iender adv.,
- irgendwo. — 9194 gefriunt adj., befreundet, im Besitz von Freunden. —
- geman adj. ebenso gebildet, eigentlich: bemannt, im Besitze von Mannen;
- ein anderes geman in V. 17298. —
- OOTTFEIED VON STB ASSELTO. I. 2. Aufl. 20
- 300 XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN.
- (232) zc sinem stritgesellen wider
- und erbeizete da zer erden nider. 9200
- an sinen strit er wider vie
- relit' an der stat, da er in lie:
- mit dem swerte, daz er truoc,
- da mite gebecte er imde gesluoc
- den vint so vil wä unde wä, 9205
- biz er'n verschriet da unde da.
- genuoc versuochte er'z an den kragen:
- den hsete er'm gerne abe geslagen;
- do was er so harte und so groz,
- daz in der arebeit verdroz. 9210
- über einen ronen brach er daz sper:
- daz vorder stucke daz stach er
- dem trachen ze dem gorgen in ,
- als ez ein tjoste solle sin.
- Uf sinen spanjöl saz er do: 9215
- er begünde frolich unde fro
- ze Weisefort in rüeren •
- und hiez balde üz füeren
- vier pfärt und einen känzwagen,
- der daz houbet solte tragen; 9220
- und Seite in allen maere,
- wie ime gelungen wsere
- und waz er angeste hie mite
- und kumberlicher ncete lite.
- «ja herre, al diu werlt» sprach er 9225
- «diu enbiete niuwan ore her,
- betrahte und sehe daz wunder an,
- waz der geherzete man
- und der gestandene muot
- 9199 stritgeselle swm., Kampfgenoß (wird hier der Drache scherzweise ge-
- nannt); in V. 6985 nicht: Gegner, sondern: Mitstreiter. — 9201 an ist
- prsep.; s. zu 696. — 9204 gebecte prset. von gebecken swv., stechen; in ge-
- die Function der Wiederholung. — 9206 verschroten stv. (s. zu 2906), zer-
- hauen, zerhacken. — da tinde da, da und dort, hier und da. — 9210 mich
- verdriuzet mit gen., ich werde einer Sache überdrüssig. — 9211 einen ronen
- nach W (M fehlt, H und F haben fem. eine r.). — 9214 tjoste stf., Fremd-
- wort, franz. joste, juste, lat. juxta, Speerzweikampf; hier: der Speerstoß.
- 9215 spanjol stm., Spanier, spanisches Eoss; vgl. 5364. — 9219 kanz-
- wagen stm., Eüstwagen, Lastwagen. — 9223 angest hier im Plural, (Ängste),
- Gefahren. — 9228 geherzet part. (von herzen, geherzen 6152) adj., ermuthigt,
- entsprechend unserm: beherzt; vgl. 11337 und zu 118; daneben braucht
- Gottfried geherze adj. 13343. — 9229 gestanden part. adj., hier bei einem
- Abstractum , kann hier nur: standhaft bedeuten; vgl. zu 6488. —
- XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN. 307
- durch liebes wibes willen tiiot! 9230
- (laz ich der not, in der ich was,
- ie dannen kom und ie genas,
- des wundert unde wundert mich
- und weiz ouch wol benamen, wser' icii
- senft' alse ein ander man gewesen, 9235
- i'ne wtere niemer genesen,
- i'ne weiz niht, wer er waere:
- ein aventiurfere ,
- (233) der ouch nach äventiure reit,
- der was ze siner veicheit 9240
- e danne ich koeme, zuo z'im komen,
- der hat sin ende da genomen.
- got haete sin vergezzen:
- si sint beidiu vrezzen,
- ros unde man ist allez mort. 9245
- daz ros daz lit noch halbez dort
- zekuwen unde besenget.
- waz töhte ez iu gelenget?
- ich hän rae ncete erliten hie mite,
- dan dehein mau ie durch wip erlite. » 9250
- sine friunt er alle zuo sich nam ,
- zc dem serpande er wider kam
- und zeigete in sin wunder.
- er bat ouch al besunder ,
- daz si der wärheit jaehen, 9255
- als si si da gesaehen.
- daz houbet fuorte er mit im dan.
- sine mäge und sine man
- die ladte er, die besander,
- nach dem künegc rander 9260
- und mante in siner Sicherheit.
- der rede wart ein tac geleit
- ze Weiseforte vür daz laut.
- hie mite so wart daz lant besaut,
- i<23S äcentiuranre stm. entspricht hier ziemlich unserm: Abenteurer, welches
- in Verbindung mit der folgenden Zeile ein neuerer Dichter ebenso brau-
- chen könnte; sonst hat das Wort in der Regel bei uns Übeln Nebensinn.
- — ^'2J0 veicheit stf., (Feigheit), Unheil; vgl. zu 1*374. — 924ö viort adj. hier
- Fremdwort, todt; vgl. zu 5488. — 9247 zekuwen part. von zekiuwen stv.,
- (zerkauen), zerbeißen. — besengen swv. = versengen. — 92*J2 (ac legen,
- Termin festsetzen. — der rede ist Genitiv: wegen der Sache, dazu, darauf-
- hin. — 92()4 lant zusammenfassend für : die Landbewohner mit der im Fol-
- genden gleich angemerkten Bedeutung: die landsässigen Herren. —
- 20*
- 308 XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN.
- die lantbarüne die mein' ich. 9265
- nu die bereiten alle sich,
- als in von hove was getaget.
- Nu wart oiich al zehant gesaget
- ze hove den frouwen niaere.
- die marter und die swaere, 9270
- die si alle hseten da van,
- dien' gesäch an frouwen nie kein man.
- diu süeze maget, diu schoene Isot,
- diu was reht' in ir herzen tot:
- so leiden tac si nie gesach. 9275
- Isot ir muoter zuo ir sprach:
- «nein, schoeniu tohter, nein, lä stän,
- lä dir ez niht so nähen gän;
- (234) wan sweder ez mit der wärheit
- oder aber mit lüge ist üf geleit, 9280
- wir suln ez doch wol undervarn;
- euch sol uns got dervor bewarn.
- niht weine, tohter mine:
- diu klären ougen dine
- diu ensülen niemer werden rot 9285
- umb' also swächli'che not.»
- «ä muoter», sprach diu schoene
- «frouwe, niene gehoene
- dine gebürt ünde dich.
- ^ ich es gevolge, so stich' ich 9290
- reht' in min herze ein mezzer e;
- e sin wille an mir erge,
- ich nim mir selber e den lip.
- ern gewinnet niemer wip
- noch frouwen an Isöte, 9295
- ern habe mich danne tote.»
- «nein, schoeniu tohter, fürhte niht:
- swes er od iemen hie von gibt,
- daz ist allez samet verlorn;
- und haete es al diu werlt gesworn, 9300
- ern wirdet niemer diu man.»
- 9267 iagen = tac legen, bestimmen.
- 9277 lä stän, hier anders als in Y. 2792: laß es gehen, etwa = unserm:
- lalo es gut sein. — 9281 undervarn mit acc, hintertreiben, hindern; vgl.
- zu 9529. — 9286 su-ächlich adj., gering. — 9288 gehoenen swv., verst. Itcenen,
- (verhöhnen), beschimpfen. — 9290 gevolgen mit gen., in einer Sache nach-
- geben. — 9299 verlorn part. adj. = unangewandt, vergeblich.
- XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN. 309
- Und alse ez nähten began,
- diu wise frägete unde sprach
- umbe ir tohter ungemach
- ir tougenliche liste, 9305
- von den si wunder wiste,
- daz si in ir troume gesach
- daz ez niht also geschach,
- also der lantschal sagete.
- und iesä dö ez tagete, 9310
- si rief Isote und sprach ir zuo:
- «ä süeziu tohter, wachest duo?»
- «ja», sprach si «frouwe muoter min.))
- «nu lä diu angesten sin;
- ich wil dir liebiu maere sagen: 9315
- ern hat den trachen niht erslagen;
- swaz äventiure in her getruoc,
- er ist ein gast, der in da sluoc.
- (235) wol üf, wir suln vil balde dar,
- der mrere selbe nemen war. 9320
- Brangsene, stant üf lise
- und sage uns Paranise,
- daz er uns satele schiere:
- wir müezen varn wir viere,
- ich und min tohter, du und er; 9325
- und bringe er uns diu pfärit her,
- so ez schiereste müge sin,
- vür unser haltürli'n,
- da der böumgäite
- hin ze velde warte.» 9330
- Nu diz waz ällez gereit,
- diu rotte saz üf unde reit
- des endes, da si horten sagen,
- daz der trache was erslagen.
- nu si daz ors fünden , 9335
- daz gereite si begunden
- 9303 sprechen hier mit acc. eines Abstractums: sich besprechen, be-
- fragen. — 9305 tougenliche liste, geheimnissvoUe Künste, Zauberkünste; ge-
- meint ist insbesondere: die Wahrsagekunst. — 9309 lantschal stjn. = lant-
- VKvre, aUgemeines Gerücht. — 9314 angesten subst. inf. stn., Ängstigen,
- Angst (hier in unserm Sinne). — 9322 sagen mit dat. der Person und acc.
- der Person nicht mehr gebräuchlich: ansagen, melden. — 932S hältürlln
- stn., verborgenes Pfortlein. — 9330 warten swv., ausschauen (2498) mit der
- Bedeutung: Richtung nehmen, hinliegen.
- 9336 gereite stn., Reitzeug. —
- 110 XIII. DER KAMPF MIT DEM DßXCHEN.
- bemerken uude betrahten
- und in ir sinnen ahten,
- sin' gestehen nie ze Irlande
- gereite solher bände, 9340
- und körnen alle dar an,
- swer so er wsere der man,
- den daz ors dar trüege,
- daz der den traclien sliiege.
- vürbaz riten si do zebant 9345
- und körnen üf den serpänt.
- nu was des tiuvels genöz
- als ungehiure und alse gröz,
- diu liebte fröuwi'ne schar
- daz diu wart alse ein töte var 9350
- vor ängesten, do si in ersach.
- diu muoter aber zer tobter spracb:
- «ei wie sieber ich es bin,
- der truhsseze daz er in
- ie getörste bestän! 9355
- wir mugen ez äne sorge län:
- und zwäre, tobter IsÖt,
- dirre man si lebende oder tot,
- (236) mich andet sere, daz er si
- verborgen eteswä hie bi: 9360
- ez wi'saget mir min muot.
- von dannen, dunket ez dich guot,
- so keren an die suoche,
- ob unser got so ruoche,
- daz wir in etswä vinden 9365
- und mit im überwinden
- die grundelösen berzenöt,
- diu uns beswseret alse der tot.»
- des berieten si sieb schiere :
- 9337 bemerken swv., prüfen. — 9355 ie, hier = 7iie. — 9356 ez äne sorge län,
- «wegen etwas unbesorgt sein«. Groote; ebenso Hagen; « deshalb unbeküm-
- mert bleiben». Mhd. Wb. Das ist allerdings ziemlich der Sinn, aber es ist
- wohl keine {bestimmte Kedensart anzunehmen wie äne ntt, äne haz län,
- sondern län hier = aufgeben, auf sich beruhen lassen. — 9359 mich andet
- (Hs. HundW; M lie^i dunchet) ■= anet (Hs. F), ahnt (neuerdings häufiger:
- mir ahnt als: mich ahnt). — 9362 von dannen, hier causal: darum, des-
- halb; vgl. zu 1618. 4227. — 9364 ruochen swv. mit gen., um etwas besorgt
- sein, sich annehmen, in der Verbindung mit got etwa entsprechend unserm :
- gnädig sein. — 9367 grundelos adv. hat nicht wie das nhd. Wort die dop-
- pelte Bedeutung: ohne Grund, ohne Anlaß und zugleich: bodenlos, son-
- dern nur die letztere = ungemein tief. —
- XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN". 311
- ilic gereisen alle viere, 9370
- si riten von ein ander sa,
- suochte hie und disiii da.
- Nu ergieng ez, alse ez solte
- und alse der billicli wolte,
- diu junge künigin Isot 9375
- daz si ir leben unde ir tot,
- ir wunne unde ir ungemach
- ze allererste gesacli.
- von sinem lielme gienc ein glast ,
- der vermeldete ir den gast. 9380
- nu si des helmes wart gewar,
- si kerte und rief ir muoter dar:
- «frouw'j ile, rit her näher baz!
- ich sihe dort glesten, i'ne weiz waz :
- ■ez ist reht' alse ein heim getan: 1-385
- ich w?ene in rehte ersehen hän.»
- -« entriuwen » , sprach diu muoter do
- «mich selben dunket ouch also,
- «ot der wil unser ruochen:
- ich waene, den wir suochen, 9390
- daz wir den haben funden.»
- sus riefen s' an den stunden
- den änderen zvvein zuo z'in
- und riten alle viere hin.
- Nu si im begunden nähen 9395
- und in so ligen sähen,
- nu wänden s' alle, er waere tot.
- «er ist tot!» sprach ieweder Isot
- (237) «uns^r gedinge der ist hin.
- der trühseeze der hat in 9i00
- mortliche ermordet unde erslagen
- und hat in in diz mos getragen.»
- si erbeizeten alle viere
- Silo gercise swm. (gebildet wie geselle, geiinde, yevertc) , eigentlich: der
- Mitreisende, der Gefährte.
- 9374 biUich stni. (s. zu (3429), hier etwa: Schicksal; ähnliche Wendung
- in V. 100G2. — [K',7S nicht : zum allerersten Male in ihrem Leben sah (denn
- sie hat ihn ja schon gesehen), sondern: zuerst beim Nachsuchen, vor den
- andern, ersah, fand. — 9:)79 fftasl stm., Glanz (mit dem aber glast spracli-
- lich nicht zusammenhängt), [glast in moderner Dichtung noch hier und
- da gebraucht]; Gottfried hat daneben aucli gleste stf. 17071.
- 9.!98 ieweder pron., jeder von beiden (in der Bedeutung, nicht in der
- Form = ielueder). — 9402 mos stn., (Moos), Sumpf, Pfütze. —
- 312 XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN.
- und h?eten in vil schiere
- her üz gezogen an claz lant. 9405
- den heim entstricten si im zehant
- und stricten ime die kuppen dan.
- diu wise Isot diu sach in an
- und sach wol, daz er lebete,
- und aber sin leben klebete 9410
- küm' also an einem häre.
- «er lebet«, sprach si «zewäre:
- nu balde entwäfenet in !
- ist, daz ich alse sselic bin,
- daz er niht verchwünden hat, 9415
- so mag es alles werden rät.»
- Die schoenen alle drie,
- diu liehte cumpanie,
- dö si den eilenden
- mit snewi'zen henden 9420
- entwäfen begunden,
- die Zungen si da funden.
- «sich, warte», sprach diu künigin
- «waz ist diz oder waz mac daz sin?
- Brangsene, hövesche niftel, sprich!» 9425
- «ez ist ein zunge, dunket mich.»
- «du sprichest war, Brangaene:
- mich dunket unde ich waene,
- so was ouch si des trachen:
- unser s^elde diu wil wachen. 9430
- herzetohter, schoene Isot,
- ich weiz ez wärez alse den tot,
- wir sin zer rehten verte komen:
- diu zunge hat ouch ime benomen
- beidiu kraft ünde sin.» 9435
- hie mite entwäfenten s' in
- und dö si an ime niht funden
- 9406 entStricken swv., aufknüpfen. — 9407 stricken dan ( = weg) dasselbe
- was entStricken. — 9415 verchwunde swf., Wunde die ans Leben (verch stn.)
- geht, insofern: Todwunde.
- 9423 warte imper. wie noch in Mundarten = schau. — 9425 ni/tel (fem.
- zu neve, Neffe) swf., Nichte (dies eine niederdeutsche Form), aber nicht
- immer im heutigen engen Sinne von: Tochter der Schwester oder auch
- des Bruders, sondern überhaupt : Verwandte mütterlicherseits. Wie Bran-
- gsene mit dem Königshause verwandt ist, erfahren wir nicht. — 9430 hier
- streift soelde an die Personification. —
- XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN. 313
- weder siege noch wunden,
- (238) dö wären s' alle samet frö.
- driakel nam diu wise dö 9-440
- diu listige künigin
- und flozte im der also vil in ,
- biz daz er switzen began.
- «er wil genesen», sprach si «der man,
- der tampf gerümet schiere hie, 9-i45
- der von der zungen an in gie,
- so mag er sprechen unde üf sehen. »
- daz was ouch schiere geschehen:
- er lag unlange, unz ez geschach,
- daz er beidiii üf und umbe sach. 9450
- Nu er der sseligen schar
- bi ime und umbe in wart gewar,
- er gedähte in sinem muote:
- «ä herre got der guote,
- du hast min unvergezzen: 9455
- mich hänt driu lieht besezzen,
- diu besten, die diu werlt hat,
- maneges herzen fröude und rät
- und maneges ougen wunne:
- isüt diu liebte sunne^ 9460
- und ouch ir muoter Isot
- der froli'che morgenrot,
- diu stolze Brangyene
- daz schoene völmfene.«
- hie mite genante er unde sprach 9465
- küm" unde kümeclichen : « ach ,
- wer Sit ir unde wä bin ich?»
- «ä ritter, mahtu sprechen? sprich!
- wir helfen dir ze diner not!»
- 9440 driakel stm., Theriak. — 9441 lislic adj., hier: kenutnissreicb. —
- 9442 der ist Genitiv pl. auf driakel bezogen; somit wurde der Theriak in
- einzelnen Dosen gereicht. — 9445 gerinnen swv. , verst. rumen, intrans,,
- (räumen)', den Baum verlassen, sich entfernen, schverwinden.
- 9455 uncergezzen eigentlich adj. part., aber hier participial = «/A< ver-
- gezzen, darum auch min. — 9456 besitzen stv., hier bildlich: belagern (vgl.
- zu 383), umgeben. — 9464 volma:ne stn., Vollmond; so nennt der Dichter
- im Gegensatze zu der liehten sunne, zur Isolt, Brangsene öfters z. B. 11086.
- 11513. Ein neuerer Dichter würde dieses Bild, weil es leicht eine komische
- Wirkung hervorbringen kann , vermeiden und Brangsene lieber mit einem
- Sterne vergleichen ; der mäne wird als Bild ruhiger Klarheit in der älteren
- Poesie häufiger verwendet; in der neueren knüpft sich an den Mond leicht
- ein Zug der Sentimentalität. —
- 314 XIII. DER KAMPF MIT DEM DEACHEN.
- sprach aber diu sinneriche Isot. 9470
- <(jä, süeziu frouwe, sselic wip,
- und icli enweiz, wie mir der lip
- und al min kraft in kurzer frist
- geswachet unde geswichen ist.»
- diu junge Isot diu sacli in an: 9475
- «diz ist Tantris der spileman»
- sprach si, «ob ich in ie gesach.»
- der anderen ietwederiu sprach:
- (239) «uns dunket ouch entriuwen so.»
- diu wise diu sprach aber dö: 9480
- «bistu'z Tantris?» «frouwe, ja.»
- «sage an», sprach aber diu wise sä
- «wä bistu her komen od wie
- oder waz wirbestu liie?»
- «sseligest aller Avibe, 9485
- i'ne han ez an dem libe
- noch leider an der krefte niht,
- daz ich iu mihe geschiht
- bescheidenliche müge gesagen.
- heizet mich füeren oder tragen 9490
- durch gotes willen eteswar,
- da min lernen neme war
- doch disen tag und dise naht.
- und kume ich wider ze miner mäht,
- so ist reht, daz ich tuo und sage, 9495
- swaz iu geliche und iu behage.»
- Sus nämen si Tristanden
- si viere ze banden
- üf ein pfärit huoben s' in
- und under in fuorten si in hin 9500
- und brähten si'n so heinlich in
- wider durch ir hältürlin,
- daz umbe ir reise und umbe ir vart
- nie niemen nihtes innen wart.
- da schuofen si'm helf unde gemach. 9505
- die Zungen, also ich e da sprach,
- sin isen und sin ander dinc
- 9474 geswichen part. von geswichen stv., entweiclien, entsprechend öfters
- unserm: sinken; vgl. 14321. — 9486 haben an dem liöe, etwas vermögen
- [vgl. auf den Bippen haben].
- XIII. DER KAMPF MIT DEM DKACHEN. 315
- des enbleip du weder vadem noch rinc:
- si fuorten'z allez mit in dan
- beidiu harnasch unde man. 9510
- Ku daz der ander tac dö kam,
- diu Avise in aber ze Landen nam:
- unu Tantris», sprach si «sage mir
- bi den genäden, alse ich dir
- nu unde e males hau getan, 9515
- daz ich dich zwir erneret hän,
- und bin dir willic unde holt,
- und als du dinem Avibe solt,
- (240) wenne kiume du in Irlänt?
- wie sli'iege du den serpänt?» 9520
- «Frouwe, daz wil ich iu sagen;
- ich kom in disen kurzen tagen,
- ez sint dri tage von hiute,
- ich und ander köufli'ute
- mit einem kiele in dise habe; 9525
- dö kom ein roupher hinnen abe,
- i'ne weiz , durch weihe geschiht ,
- die wolten uns, hset' ich ez niht
- mit minem guotc underkomen,
- den lip zem guote hän genomen. 9530
- nu ist ez uns also gewant ,
- wir müezen dicke fremediu lant
- heinlichen unde büwen
- und enwizzen wem getrüwen,
- wan man uns vil gewaltes tuot. 9535
- so weiz ich wol, mir waere guot,
- mit swelher slahte dingen
- ich ez da zuo möhte bringen,
- daz mich diu lant erkanden.
- künde in fremcden landen 9540
- diu liehet den köiifmän.
- seht, frouwe, da gedähte ich an,
- wan mir ist umbe den serpant
- daz läntma're lange erkant,
- 9529 underkomen stv. trans. , dazwischentreten, hintertreiben, ver-
- hindern; vgl. zu 9281. — 9533 heinlichen %\\\., heimlicli, heimisch, zur Hei-
- mat machen; vgl. zu 1507.3. — tuwoi swv., (bauen), bewohnen.
- 316 XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN.
- und sluog in niuwan umbe daz: 9545
- ich waene, daz ich deste baz
- fride ünde genäde vinde
- bi disem lantgesinde.»
- «Fride ünde genäde», sprach Isot
- «die müezen dich an dinen tot 9550
- mit wernden eren bringen;
- du bist ze guoten dingen
- dir selben unde uns komen her.
- nu trahte, wes din herze ger,
- daz ist getan, daz schaffe ich dir 9555
- von minem herren und von mir.»
- «genäde, frouwe, so ergib ich
- minen kiel ünde mich
- (241) vil verre an iuwer triuwe.
- seht, daz mich iht geriuwe, 9560
- daz ich iu guot unde leben
- an iuwer triuwe hän gegeben.»
- «nein zwäre, Tantris, ez entuot;
- umbe din leben und umbe din guot
- ensorge nü niht mere. 9565
- mine triuwe und min ere
- se hie, die nim in dine haut,
- daz dir niemer ze Irlant
- bi minem lebene leit geschiht.
- entwer mich einer bete niht 9570
- und biut mir eteslichen rät
- umb' eine sache, an der nu stät
- min ere und al min sselekeit.»
- und Seite im, alse ich hän geseit,
- wes sich der trühsseze 9575
- umbe dise tat vermaeze:
- wie sere und wie genöte
- er sprseche nach Isote;
- und wie er den valsch und die lüge
- ze offenlichem kämpfe züge: 9580
- 9563 das thut's nicht, das wird nicht der Fall sein (daß es dicli ge-
- reut). — 9567 in die hant nemen, durch Handschlag empfangen. — 9570 ent-
- wern swv, mit acc. und gen., einem etwas nicht gewähren, versagen; vgl.
- zu 12272. — 9579 valsch stm., Falschheit, Betrug. — 9580 ziehen ist hier
- Terminus aus der Rechtssprache: eine Sache vor die Entscheidung eines
- (höheren) Gerichtes, einer weiteren Instanz (hier der offenliche kämpf)
- loringen, appellieren.
- XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN. 317
- ob iemen über in kseme,
- der sich ez an genseme.
- «Steligiu frouwe», sprach Tristan
- «hie enhabet deheine sorge van:
- ir habet mir zwir lip iinde leben 9585
- mit gotes helfe wider gegeben,
- diu suln ouch in ze rehte
- beidiii ze dirre vehte
- und z'allen noeten bestän,
- die wile ich si gesunde hän.» 9590
- «got lone dir, lieber Täntris:
- des bin ich gerne an dir gewis:
- und wil dir ouch des wol verjehen,
- ist, daz diz wunder sol geschehen,
- so sin wir beide ich unde Isot 9595
- iemer mit lebendem libe tot.»
- «nein, frouwe, tuot die rede hin:
- Sit ich in iuwerm fride bin
- (242) und minen lib und swaz ich hän
- an iuwer ere hän verlän 9600
- und dar an sicher wesen sol,
- trüt frouwe, so gehabet iuch wol.
- helfet mir ze libe wider,
- ich gelege ez allez eine nider.
- und saget mir, frouwe, ist iu bekant: 9605
- diu zunge, die man bi mir vant,
- beleip diu oder war tete man die?»
- «entriuwen, nein ich hän si hie
- und allez, daz du haben solt:
- min schoeniu tohter selbe, Isolt, 9610
- und ich, wir brähten'z allez dan.»
- «diz kumt uns rehte», sprach Tristan
- «nu sj^eligiu künigin,
- lät aller slahte sorge sin
- und ratet mir ze miner kraft, 9615
- so ist ez allez endehaft.»
- 9587 ze rehte, mit Recht, billig; vgl. 16978. — 9589 bestän mit dat.
- vielleicht: beistehen? (H gestän, M bl stän)\ eher die gewöhnliche Bedeu-
- tung: bleiben, verbleiben. — 9597 hin tuon, bei Seite thun, sein lassen. —
- 9598 //-jde stm., Schutz, Sicherheit. — 9604 nider gelegen, hier: beilegen.
- — 9612 rehte adv., gelegen, eben recht. — 9616 endehaft adj., was zu Ende
- gebracht wird , ausführbar ; vgl. zu 16942.
- 518 XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN.
- Die küniginne beide
- beide an' iinderscheide
- si nämen in ze banden
- und swaz si beide erkanden, 9620
- daz ime ze heile und ze froraen
- an sinem ]ibe mohte komen ,
- daz was ir meiste unmüezekeit.
- Hier under hsete micbel leit
- sin kiel und sin geselleschaft, 9625
- der was genuoc als angesthaft,
- daz si üngenesen wänden wesen:
- ir deheiner trüwete genesen
- wan si innerhalp den zwein tagen
- nie niht von ime gehorten sagen. 9630
- euch hseten si den schal vernomen,
- der von dem trachen üz was komen;
- und was des mseres vil getriben,
- da waere ein ritter tot beliben,
- daz ors daz Isege halbez da. 9635
- nu dähten ouch die sine sä:
- «wer wa3re daz niwan Tristan?
- dane ist benamen kein zwivel an,
- (243) hset' ez im der tot niht benomen,
- er waere sit her wider komen..» 9640
- Hie mite gerieten s' under in
- und santen Kurvenälen hin,
- daz er des orses naeme war.
- daz tete er: Kurvenal reit dar,
- er vant daz ors, (und) erkande daz. 9645
- nu reit er aber vürbäz:
- den trachen vant er ouch zehant,
- und alse er do niht mere vant
- von deheinen sinen dingen
- 9626 der geht nicht auf tiel^ sondern ist gen. plur. nach dem Sinne:
- derer (aus dem Kiel und der Gesellschaft) war genug, derer waren viele.
- — angesthaft adj., sorgenvoll. — 9631 schal stm. (vgl. lantschal 9309), Ge-
- rücht; doch kann sich sclial auch doppelsinnig beziehen auf mortschal in
- V. 9057.
- 9641 geraten stv., hier: (zusammen berathen), berathschlagen. —
- XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN. 319
- an gewandc noch au ringen, 9650
- dö kom in niichel zwivel an:
- <(ä», dahte er «licrre Tristan,
- weder bistu lebende oder tot?
- owe owi», sprach er «Isot,
- owi, daz din lop und diu nam 9655
- ie hin ze Kurnewäle kam!
- daz din schoen' und din edelkeit
- ze solhem schaden ist üf geleit
- einer der s^legisten art,
- diu ie mit sper versigelt wart, 9060
- der du ze wol geviele!»
- Sus kerte er wider zem kiele
- weinende unde klagende,
- diu man-e wider sagende,
- als er si haete erfunden. 9665
- diu nnere begunden
- genuogen missevallen
- und iedoch niht in allen:
- daz selbe swrere msere
- was niht ir aller swaäre; 9670
- genuoge ez wol vertruogen.
- ouch sach man an genuogen,
- daz ez in groze riuwc bar,
- und was ouch der diu meiste schar,
- sus was ir wille unde ir muot 9675
- undersniten übel und guot.
- mit disera wehsele geviel
- der gezweiete kiel
- (244) an sprächen unde an runen.
- den zweinzic barünen 9680
- den was niht innecliche leit
- der zwivel, der in was geseit:
- 9658 uj leyen hat hier die Bedeutung: hestimmen; entsprechend etwa
- unserm : gereichen. — 9659 art stf., hier ähnlich wie in V. 6723 , Natur,
- Wesen abstract für: Mensch. — 9660 sper stn., Speer, concrot für; Ritter-
- lichkeit. — versi'jeln swv., bekräftigen, beurkunden, bewäliren.
- 9676 undersniden stv., hier geradezu: untermischen; undersniten part.
- = verschieden ; vgl. zu 942. — 9677 wehsei stin. = nhd. (vgl. 12049, danebeu
- stn. in mitteld. Quellen), Wechsel, Yerschiedenlieit, Gegensatz. — gevallen
- stv., hier: verfallen; n«t=auf; gerathen. — 9678 r/eziveiet part., adj., ent-
- zweit, zwiespältig. — 9679 spräc/ien swv. subst. inf., Besprechen, Berathung.
- — Hier liegt in runen swv. subst. inf. mehr als in V. 4049 der Begriff des
- Heimlichen wie im Nhd.: Raunen, Flüstern. — 9682 ru-trei stm., Ungewiss-
- heit, Befürchtung (daß Tristan todt sei).
- 320 XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN.
- si wänden dannen komen dermite;
- und daz man sin niht langer bite,
- des bäten s' al gemeine, 96S5
- die zweinzic meine icli eine;
- si rieten alle dar an ,
- daz man des nahtes füere dan.
- so rieten aber ander daz ,
- daz si beliben unde baz 9690
- erfüeren diu maere,
- wie'z ime ergangen waere.
- Alsus zehullen s' under in:
- dise wolten gerne hin,
- jene wolten da bestän. 9695
- sus wart ez do dar an verlän,
- Sit daz sin tot niht wsere
- gewis noch oftenbsere,
- daz si da länger beliben,
- ir vorsehe unde ir frage triben 9700
- zem minnesten doch zwene tage:
- daz was der barüne klage.
- Hie mite so was euch der tac komen,
- der ze Weiseforte was genomen,
- dar Gurmün hsete getaget 9705
- umbe sine töhter die maget
- und umbe den truhssezen.
- Gurmünes umbesa?zen,
- sine man und sine mäge,
- als er si durch rätfräge 9710
- ze sinem tage haete besant,
- die wären alle da zehant.
- die nam euch er besunder
- und suochte rät hier under
- so verre und alse sere, 9715
- 9693 zehullen pl. praet. von zehellen, zerh. stv., nicht übereinstimmen.
- 9700 vorsehe stf., Forschung, Erkundigung.
- 9703 fg. taCi Termin, hier verbunden mit netnen, festsetzen, anberau-
- men; vgl. zu 9262. — 9708 umbesceze swm., (Umsasse), Umwohner, Nach-
- bar; vgl. 13467. — 9710 rätfräge stf., Rathsverbandlung. —
- XTII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN. 321
- als dorn ez umbe sin ere
- und oiich niht anders enstät.
- dar zuo besande er an den rat
- (245) sin liebez wip, die künigin.
- si mohte ime ouch wol liep sin, 0720
- wan er hcet' an ir einer do
- sunderlicher saälde zwo
- der allerbesten, die der man
- an liobom wibe vinden kan:
- scboene unde wi'sbcit, 0725
- der was der maze an si geleit,^
- daz si im wol liep mobte sin.
- diu sselige künigin,
- diu scbojne wise was oucli da.
- Ir friunt der künic nam si sä 0730
- von dem rate dort hin dan:
- «wie ratest du?» sprach er «sag an:
- mir ist disiu rede swser' alse der tot.»
- ('gehabet iuch wol», sprach aber Isot
- «wir suhl uns wol hier an bewarn: 0735
- ich hän ez allez undervarn.»
- «wie? hcrzefrouwe, sage ouch mir,
- so frönwe ich mich der rede mit dir.»
- «unser triihsa3ze, als er dö gibt,
- seht, der ensluoc des trachen niht, 0740
- und der in sluoc, den weiz ich wol:
- daz bewjere ich, swenne ich sol.
- al iuwer angest leget nider.
- get balde z'iuwerm rate wider:
- saget in allen unde jeht, 0745
- als ir gohoeret unde geseht
- des trülissezen warheit,
- ir loeset gerne iuwern eit,
- den ir dem lande habt getan.
- heizet si alle mit in gän Ol 50
- und sitzet an'z gerihte:
- 9716 fg. stall umhe el^u"., sich handeln um, auf dem Spiele stehen. —
- 972G der mäic, hier: dermaßen, so viel.
- 9735 bpwarn refl. hier a« = sicli in Bezug darauf bewahren, hiUen. —
- 9746 alf coii.j., hier: wenn, sol)ald. — 9747 uär/icit stf., hier: (VValuhaftig-
- keit), Erhärtung der VValirheit, Beweis. —
- GOTTFRIED VON STRASSBUJIO. I. 2. Aufl. 21
- 322 XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN.
- enfürhtct iu ze iiiLto,
- litt den trülistezeji klagen
- und sagen, swaz er welle sagen;
- und alse ez danne zi't si', 9755
- so bin ich unde Isot da bi:
- so gebietet mir ez , so sprich' ich
- vür iuch, vür Isot' und vür mich.
- (246) hie mite lät die rede stän:
- ich wil nach miner tohter gän 9760
- und kernen ouch iesä wider, wir zw6.>)
- Nach ir tohter gie si dö.
- der künec gienc in den palas wider:
- an daz gerihte saz er nid er
- und mit im vil barüne, 9765
- des landes cumpanjüne.
- da was schceniu ritterschaft,
- von ritterschefte michel kraft,
- niht durch des küneges ere
- so starke noch so sere, 9770
- so daz si gerne wolten sehen,
- wäz da sölte geschehen
- üz disem lantschälle:
- des wunderte s' alle.
- Die sselegen Isote zwo 9775
- nu daz si mit ein ander dö
- zem palas in gegiengen,
- si gruozten unde enpfiengen
- die herren al besunder.
- hie mitten unde hier under 9780
- wart vil gesprochen unde gedäht,
- rede unde gedanke vil vür bräht
- von ir beider sselekeit.
- und iedoch mere geseit
- von des truhssezen linge 9785
- dan von der frouwen dinge,
- si sprächen unde gedähten dar:
- «nu kieset alle, nemet war,
- wirt disem unsasligen man,
- der nie sielde gewan, 9790
- 97(J9 fg. niht so — 60 Ja; = niclit so — als daß.
- XIII. DER KAMPF IMlT DEM DRACHEN. o2o
- disiii srolige maget,
- so ist im elliii sselde ertaget,
- diu imc oder deheincm man
- an einer maget ertagen kan.»
- Sus komen si zem künege hin. . 0795
- der künec stuont iif eugegen in.
- liepliche sazte er si ze sich:
- «niD), sprach der künec «truhsa^ze, sprich!
- (247) waz ist din bete und din ger?»
- «vil gerne, herre künec»; sprach er 9800
- «herre, ich gcr unde bite,
- daz ir dem lande küneges site
- niem(!!r zebrechet an mir.
- weit ir es jehen, so sprächet ir
- und lobetet es ouch beide 9805
- mit rede und mit dem eide ,
- swelh ritter disen serpänt
- slüege mit sin eines haut,
- ir gsebet ime ze solde
- iuwer tohter Isolde. 9810
- der eit verlos vil manegcn man;
- da sach ab ich vil lützel an,
- durch daz ich minnetc daz wip
- unde wägete den lip
- dick' ängeslicher danne io man, 9815
- biz mir ze jungest dar an
- also gelanc, daz ich in sluoc.
- ist ez da mite genuoc,
- hie lit daz houbet, seht ez an:
- daz selbe urkünde brähtc ich dan. 9820
- nu loeset iuwer warheit:
- künoges wort und küneges eit
- die suln war unde bcwccret sin.»
- •
- « Truhsaizc » , sprach diu künigin
- "der also richli'chen solt, 9825
- also min tohter ist, Isolt,
- ungedienet haben wil,
- U792 ertagen swv., (leuchtend wie der Tag) aufgehen, erscheineu, liiev
- mit dat.; vgl. /u 8279.
- HsrJ an aehen, berücksichtigeu, — 9820 urkünde stii., (Urkunde stf.),
- Zeugniss, Wahrzeichen.
- 9S27 ungedienet adj. part., unverdient, ohne verdient zu haben. —
- 21*
- 324 XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN.
- entriuwen, des ist alze vil.»
- «ei», sprach der truhsseze do
- ((frouw', ir tuot übel, wie redet ir so? 9830
- min herre, der ez enden sol,
- der kan doch selbe sprechen wol:
- der spreche imde antwürte mir. »
- der künec sprach: «frouwe, sprechet ir
- vür iiich, vür Isöt' und vür mich.» 9835
- «genäde, herre, daz tuon ich.»
- aber sprach diu küniginne:
- ((truhsceze, dine minne
- (248) die sint lüter unde guot
- und hast so mänlichen muot: 9840
- du bist wol guotes wibes wert.
- swer aber so hohes lönes gert,
- da er sin niht verdienet hat,
- entriuwen, deist ein missetät.
- du hast dir selben üf geleit 9845
- eine tat und eine mänheit,
- der du mitalle unschuldic bist,
- als ez mir zuo gerünet ist.»
- «frouwe, ir redet, i'ne weiz wie:
- ich hau doch diz Wortzeichen hie.» 9850
- «so hast du bräht ein houbet dan:
- daz brachte ouch lihte ein ander man,
- ich meine, ob er Isolde
- dermite verdienen sohle.
- sine wirt aber gewannen niht 9855
- mit alse kleiner geschiht.»
- «nein zwäre», sprach diu junge Isot
- « durch also msezli'che not
- enwil ich niemer veile sin.»
- «ahi, frou junge künigin», 9860
- sprach aber der truhsseze do
- «daz ir ze minen dingen so •
- mit arge sprechende sit
- der not, der ich ze maneger zit
- 9S48 zuo runen swv. , s. zu 9679. — 9850 irorizeichen stn., eigentlicli : eiu
- Zeiclien für das Wort; genügender äuljerliclier Bav^'eis = Urkunde , ent-
- ßprecheiid unserin: Wahrzeichen (über welclies Wort noch Zweifel herrscht,
- oh = irarzpic/u'n oder = wdrzeicfi<'ii oder EntsteUuug aus worfzeichpn, öster-
- reichisch warf zeichen; Gr. 2, 481). — 9SbS ii/cvzlic/i &(i}., mäßig, gering; vgl.
- 11605. — 9863 arc stm., (Argheit), Bosheit, übele Gesinnung; ruft anje,
- feindselig. — sprechen mit dat. (der not), von einem oder von etwas
- sprechen, sich über etwas äußern. —
- XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN. 325
- durch iuwer miüue erliten liän, 9865
- daz sol zc guoten staten gestän. »
- « daz ir mich minnet», sprach Isolt
- «i'ne wärt iu nie getriii noch holt
- noch zwäre iemer werden sol.«
- «ja», sprach der ander «ich weiz wol, 9870
- ir tuot vil rehte als elliu wip;
- ir Sit alle also gelip,
- also geartet unde gemuot,
- iucli dunket ie daz arge guot,
- daz guote dunket iuch ie arc: 9875
- diu art ist au iu allen starc;
- ir Sit verkeret alle wis,
- iu sind die tumben alle wis,
- (249) iu sint die wisen alle lump ;
- ir machet üz dem sichten krump 9880
- und üz dem krumhen wider sieht;
- ir habet allen ungereht
- an iuwer seil gevazzet:
- ir minnet, daz iuch hazzet;
- ir hazzet, daz iuch minnet. 9885
- wie Sit ir sus gesinnet,
- wie minnet ir so harte
- der dinge widerwarte,
- daz man der so vil an iu siht!
- der iucli da wil, desn weit ir niht, 9890
- und weit den, der iuch niht enwil.
- ir sit daz irresameste spil,
- daz lernen üf dem brete kan.
- er ist ein sinneloser man,
- der äne bürgen durch daz wip 9895
- iemer geveilet den lip.
- und zwäre iedoch dar umbe niht,
- swaz ir jeht oder min frouwe gibt,
- ez wirt al anders üf geleit,'
- oder man brichet mir den eit.» 9900
- 9^72 f/e(ip adj., (mit lip, mit einem Leibe, Wesen vorsehen), beschaffen. —
- 9873 '.leiiiiiot atlj. = gesinnt. — P882 unypreht stm., das Unreclite, Verkehrte,
- das Gegentheil. — 9Ss3 die Wendung an das {ein, min) seil als Bild ist
- wohl aus dem .Tägerleben gonommcu: wie der Jäger seinen Hund; es
- heißt also: an sich fesseln, sich zu eigen machen, annehmen. — 9888 wider-
- uartr stf. (10262), zunächst: die Gegnerin, dann auch von Sachen: das
- Gegentheil. — 9892 irresani adj., unsicher, schwankend; vgl. 11830. —
- 9896 geveilen swv., verst. veilen (9965), feil machen, preisgeben, wagen.
- 326 XIII. DER KAMPF MIT DEM DRACME.Y.
- Aber sprach diu küniginne:
- «truhsreze, dine sinne
- die sint starc unde spsehe:
- der spfche an sinnen sselie,
- si habent dem geliehen schin, 9905
- als si ze kemenäten sin
- in der fröuwen tougenheit bedäht.
- da zuo hast du si vür braht
- rcht' alse ein frouwen ritter sol.
- du weist der frouwen art ze wol: 9910
- du bist dar in ze verre komen,
- ez hat dir der manne art benomen.
- du minnest ouch ze harte
- der dinge widerwarte.
- mich dunket, dir si ouch wol dcrmite: 9915
- du hast den selben frouwen site
- ser' an din seil gevazzet:
- du minnest, daz dich hazzet;
- (250) du wilt, daz dih niht enwil:
- diz ist doch unser frouwen spil; 9920
- wes nimestu dich hie mite an?
- so dir got, du bist ein man,
- läz uns unser frouwen art,
- dune bist niht wol dermite bewait.
- habe di'nes mannes sinne 9925
- und minne, daz dich minnc;
- weile, daz dich welle:
- daz spil hat guot gevelle.
- du sagest uns ie genote,
- du wellest Isote, 9930
- und si enwelle din niht.
- daz ist ir art: wer mac des iht?
- 9904 der ist niclit Artikel {gan. oder dat.) zu spci'hc (.'»034), sondern
- Relativ ;=s»'Cr, wenn einer. — spwlie (im Wortspiel mit spd'he. adj. pl., fein,
- scharfRinnig in 9903) ist hier Singular des Adj. in der Bedeutung: ver-
- ständig, synonym mit irtx. spa?lip. an siiijien ist nur Verstärkung des ein-
- fachen Wortes. Wenn einer sich darauf ^e^stehend zuselien würde (so
- würde er find'Ui). — 9907 to'ifjfnhcit stf., Heimlichkeit. — 990S «Frauen-
- ritter« würde auch im Tnodernen Gediclite halbwegs verstanden werden;
- speciell A^erstand aber die alte Zeit unter froutvcn ritter denjenigen, der
- von einer Frau irgend ein Kleidungsstück, ein Haarband, einen Ärmel,
- Gürtel oder Ring u. s. w. zum Geschenk erhält, welches ihn während des
- Kampfes an die Geliebte erinnern und ihm zum yiege verhelfen soll ;
- vgl. Frommann zu Herbort 9516. — 9927 irclle imper. im Wortspiel mit
- dem folgenden welle conj. praes. — 9928 gevelle stn., (Gefälle), hier: Fall
- der Würfel, überhaupt des Spiels, Chance; vgl. spügevelle in V. 16442. —
- XIH. DKß KAMPF MIT DEM DßACUEN. 527
- si Kit der dinge vil hin gan,
- der si doch vil wol möhte hän.
- ir ist der vil unmsere, 0035
- dem si doch vil liep wsere,
- der du ze hant der erste bist.
- daz selbe ir von mir gartet ist:
- ich selbe enwart dir ouch nie holt.
- ich weiz wol, alsam tuet Isolt: 00-10
- cz ist ir gartet von mir.
- du verliusest michel minne an ir.
- diu schdene, diu reine,
- si wcere ze gemeine,
- ob si iegelichen solte 0045
- wellen, der si weite.
- truhsaize, als du hast geseit,
- min herre der sol sinen eit
- vil gerne an dir bcwceren.
- sich, daz du dinen mseren 0050
- und diner rede so mite gast,
- daz du s' iht under wegen last:
- volge dinen. Sachen.
- ich ho3re sagen, den trachen
- den habe ein ander man erslageu: 0055
- sich, waz du da zuo wellest sagen.»
- «wer waire der?» «ich weiz in wol
- und wil in bringen, swenne ich sol.»
- (251) «Frouwe, cz enist kein man,
- der sich hier umbe iht nimet an 0060
- und mich von minen eren
- mit valsche wsenet keren;
- der mir State und reht wil geben,
- dane si' min lip umb' und min leben
- gewäget unde geveilet, 0065
- swie mir der hof erteilet,
- hänt wider hende,
- e ich den fuoz gewende!»
- D937 ze hant wesen , bei der Hand, zur Stelle, da sein. — 9938 arten svw.,
- [vgl. nlul. ausarltn, erlialten geartef] entspricht hier ziemlich unserm:
- an-, auferbeii (eine Naturaulaf^e) ; Kurtz: angeartet, V. 9941 angeerbt;
- •Simrock desgleichen. — 90(;r) vcitcn swv., preisgeben ; vgl. 989G. — 99üG er-
- (i'ilen 8WV., urtheilen, Entscheidung geben. — Ü907 haut wider hende, ent-
- sprechend unserm: Mann gegen Mann. -^
- 328 XTII. DER KAMPF MIT DEM DRACHEN.
- «diz lobe ich», sprach diu künigin
- «und wil des selbe bürge sin, 9970
- daz ich dich diner rede gewer
- und dir'n ze kämpfe bringe her
- von hiute unz an den dritten tac,
- wände ich iezuo enmac,
- den selben der den trachen sluoc. » 9975
- der künic sprach: «des ist genuoc.»
- ouch sprächen al die herren do:
- «truhsseze, es ist genuoc also;
- diz ist ein kürzli'chiu bite:
- gä dar, bestaete den kämpf hie mite, 9980
- und tuo min frouwe selbe alsam. »
- der künec do von in beiden nam
- triuw' unde gewisse giselschaft,
- daz dirre kämpf endehaft
- des dritten tages wsere. 9985
- hie mite zergie diz msere.
- 9979 hH.e stf., hier: Verzug, Aufschub; vgl. zu SSfiO. — 9980 bestaten swv.,
- bestätigen , festsetzen. — 9983 yUtlschaft stf., Bürgschaft, Versprechen.
- Druck von F. A. Brcckhaus in Leipzig.
- DEUTSCHE CLASSIKER
- DES
- MITTELALTERS.
- MIT WORT- UND SACHERKLÄRUNGEN.
- BEGRÜNDET
- VON
- FRANZ PFEIFFER.
- ACHTER BAND.
- aOTTFRIED'S VON STRASSBURG TRLSTAN.
- ZWEITER THEIL.
- LEIPZIG:
- F. A. BROCKHAÜS.
- 1873.
- GOTTFßlED'S VON STRASSBURG
- TRISTAN.
- HERAUSGEGEBEN
- VON
- REINHOLD BECKSTEIN.
- ZWEITER THEIL.
- ZWEITE AUFLAGE.
- LEIPZIG:
- F. A. BRO CKH AUS
- 1873.
- INHALT.
- Seite
- XIV. Der Splitter 1
- XV. Das Wahrzeichen 25
- XVI Der Minnetrank 44
- XVII. Das Geständniss . . . .' GO
- XVIII. Brangsene 78
- XIX. Rotte und Harfe 99
- XX. Marjodo HO
- XXI. List wider List 117
- XXII. Melot 135
- XXIII. Belauschtes Stelldichein 146
- XXIV. Das glühende Eisen IGl
- XXV. Petitcriu . 185
- XXVI. Die Verbannung 204
- XXVII. Die Minnegrotte .213
- XXVIIL Entdeckung und Versöhnung 233
- XXIX. Scheiden und Meiden 245
- XXX. Isot als blansche mains 267
- Kurze Nacherzählung der Fortsetzungen Ulrich's von
- Türheim und Ileinrich's von Freiberg.
- Vorbemerkung 300
- I. Ulrich von Türheim 302
- IL Heinrich von Freiberg 311
- Wortregister 323
- Namenverzeichniss 361
- XIV.
- DER SPLITTER.
- Zufällig gewahrt die junge Isolt im Schwerte des Spiolmaniis eine
- Scharte und macht die Entdeckung, daß jener Splitter in Morold's Haupte
- in die Lücke passe. Auch findet sie, daß die Xamen Tantris und Tristan
- zusammcnstinnuen. Kachsüchtig geht sie mit dem Schwerte auf Tristan
- los, der in einem Bade saß, um für ilires Oheims Tod Vergeltung zu üben ;
- aber die Mutter kommt herzu und hindert sie. Die Königin ist in Hin-
- blick auf den Truchseß versöhnlicher gestimmt. Tristan vertraut ihnen,
- er habe, wenn sie ihn leben ließen und ihren Haß aufgeben wollten, ihnen
- Frohes zu verkündigen. Auf Brangrenens Rath, die sicher ist, daß Tristan
- nur um ernster Dinge willen nach Irland gekommen sei, wird zwischen
- ihm und den drei Frauen eine Versöhnung zu Stande gebracht, und
- Tristan bringt seine Werbung für König Marke vor. König Gurmun wil-
- ligt ebenfalls ein und ist geneigt, daß in die Versöhnung auch König
- Marke und seine beiden Lande eingeschlossen werden. Tristan lässtKur-
- venal zu sich bescheiden und ertheilt ihm den Auftrag, den Gefährten
- Bericht zu erstatten zugleich mit dem Befehle, sich bereit zu halten.
- Die frouwen giengen beide dan
- und nänien aber ir spileman
- in ir fliz und in ir pflege.
- ir beider fliz was aller wege 9990
- mit süezer bedajhtekeit
- niuwan an diu dinc gtleit,
- diu sin helfe solten wesen.
- ouch was er iezuo wol genesen,
- lieht an dem libe und schöne var. 9995
- nu nam Isöt sin dicke war
- und marcte in üz der mäzc
- 9991 bedcehtekeit stf., (Bedächtigkeit), Bedachtsamkeit, — 09^7 merken
- 8WV., hier von einer Person gesagt, beachten, betrachten.
- GOTTF.TIED VON STR.\,SSBÜEG. IT. 2. Aufl. 1
- XIV. DER SPLITTER.
- an libe und an geläze;
- (252) si blicte im dicke tougen
- an die hende und under ougen; lOOOO
- si besach sin arme und siniu bein,
- an den ez offenliche schein,
- daz er so tougenliche lial;
- si bespehte in obene hin zetal:
- swaz maget an manne spehen sol, 10005
- daz geviel ir allez an im wol
- und lobte ez in ir muote.
- Nu daz diu schoene guote
- sine geschepfede so rieh
- und sine site so herlich 10010
- sunder bespehete unde besach,
- ir herze tougenliche sprach:
- «got herre, wunderaere,
- ist iht des wandelbare ,
- dest' ie begienge oder begast, 10015
- und deste an uns geschaffen hast,
- so ist hie zwäre wandel an,
- daz dirre herliche man,
- an den du solhe Scclekeit
- libes halben hast geleit, 10020
- daz der als irrecliche
- von ri'che ze riche
- sine notdürfte suochen sol.
- im solte billich unde wol
- ein riche dienen oder ein laut, 10025
- des dinc also wsere gewant.
- diu werlt stät wunderliche,
- so vil manc künicriche
- besetzet ist mit swacher art,
- daz ime der eines niht enwart. 10030
- ein lip also gebaere,
- der so getugendet waere,
- 10013 u-under(cre strn., Wunderthäter ; vgl. zix 16220. — 10014 icandel-
- hccre adj., (wandelbar), verkehrt, mangelhaft. — 100i5 dest' (Hs. M. deste,
- H dest) = des de, des du. — lOOlG deste (=M. H dest). — 10017 wandet
- stni., Mangel. — 10021 irrecliche adv. , in der Weise eines Umherirrenden,
- auf der Irrfahrt. — 10023 notdürfte ist wohl Plural von noidurft, nicht
- Sing, notdürfte stf.; nStdurft stf., (Nothdurft), nothwendiger Unterhalt. —
- XIV. DER SPLITTER. ö
- der solle guot und ere hän.
- an ime ist sere missetän.
- got lierre, du hast ime gegeben 10035
- dem libe ein ungelichez leben. »
- SU3 redete s' öfte diu maget.
- nu hn^te ir rauoter euch gesaget
- (•253) ir vater umbe den koufman
- allez von ende her dän, 100-tO
- als ir ez selbe habet vernomen ,
- diz dinc, wie'z allez her ist komen ,
- und wie er nihtes gerte,
- ■\van daz man in gewerte
- frides da nach mere, 10045
- swenn' er deheine kere
- niem' in daz künicriche.
- daz hsete si'm heinliche
- von ende unze ende gesaget.
- Hier under liiez ouch ime diu maget 10050
- ir knappen Paranisen
- sin harnasch und sin isen
- wiz unde schoene machen
- und z' andern sinen Sachen
- wol unde flizeclichen sehen. 10055
- nu diz was allez geschehen:
- ez was schon' unde wol bereit
- und über ein ander hin geleit.
- nu gie diu maget heinliche dar
- und nam es alles sunder war. 10060
- nu ergieng ez aber Isolde,
- also der billich wolde,
- daz si aber ir herzequäle
- zem anderen male
- vor den andern allen vant. 10065
- ir herze daz was dar gewant,
- ir ouge allez dar wäc,
- da der harnasch da läc;
- und enweiz niht, wie si des gezam,
- 10036 ungelich adj. mit dat., nicht entsprechend, unangemessen. — 10040 für
- her dan (= herwärts, von da her) brauchen wir nur: /ifr (vcn Anfani? au).
- 100«^7 liegen stv., hier vom Auge gesagt : bewegen, richten. — lOOtii) 9*;-
- zemen stv. mit acc. und gen., hier: zu etwas Veranlassung finden. —
- XIY. DEK SPLITTER.
- daz si daz swcrt ze Landen nara,
- als JLincfrouwen imde kint
- gelustic linde gelängic sint
- und weizgot oucli genuoge man.
- si zocli ez üz und sach ez an
- und schouwete ez wä unde wä.
- nu ersach si den gebresten da:
- si begünde an die scharten
- lang' unde sere warten
- (254) und gedähte in ir muote:
- « sem mir got der guote,
- ich w£ene, ich den gebresten liän,
- der hie inne soltc stän,
- und zwäre ich wil es nemen war.»
- si brähto in unde sazte in dar:
- nu füogte diu luckc
- und daz vertane stucke
- und wären alse cinba3rc,
- als obe ez ein dinc w£ere,
- als oucli gewesen wären
- innerhalp zwein järcn.
- 10070
- 10075
- 10080
- 10085
- 10090
- Nu begünde ir herze kalten
- umbe ir schaden den alten,
- ir varwe diu wart beide
- von zorne und von leide
- tötbleich und iesä fiuwerrot:
- «ä», sprach si «sseldelose Isot,
- owe mir unde wäfen!
- wer hat diz veige wäfen
- von Kurnewäle her getragen?
- hie wart min ceheim mite erslagen,
- 10095
- 10100
- 1007:.' gelustic adj., begehrlich. — gelänf/ic adj., verlangend. — 10074 be-
- zieht sich uz zifhen, was das ISTächstliegende zu sein scheint, auf das Aus-
- ziehen des Schwertes aus der Scheide? oder ist uz zielten nicht viel-
- mehr das Ausstrecken, Vorsiclihalten? — 10076 gebrente swm., Mangel,
- synonym mit schartf! und hat wie dieses Wort verschiedene Bedeutung;
- hier ist geöreste das fehlende Stück im Schwerte, die Lücke, also in un-
- serm Sinne: Scharte. — 10081 gebreste, hier in dem andern Sinne: Stück
- aus dem Schwerte. — 10085 fliegen swv. (oder ein fiiogen anzunehmen?)
- hier intransitiv: füglich sein, passen. — 10086 vertan part. adj., eigentl. :
- hingegeben (vgl. veige), verurtheilt, verdammt, verwünscht; von Gottfried
- ferner noch wirksam angewandt in V. 13887. 14515.
- 10091 halten swv. intrans., erkalten, erstarren ; vgl. 130G8. — 100% scelde-
- los adj., ohne scclde, Glück, unglücklich. — 10097 wäfen (eigentlich dat. pl.
- zu den Waffen), ein Weheruf, Wehe! (wobei vielleicht der Anklang an
- vuof, wuofen, Klage, klagen, mitgewirkt hat); bei Gottfried nur liier. —
- XIV. DER SPLITTER. O
- und der in sluoc, der hiez Tristan.
- wer gab ez disem spileman?
- der ist doch Täntris genant.»
- die namen begunde si zehant
- beid' in ir sinnen aliten, 10105
- ir beider Kit betrabten.
- «ä herre», sprach si wider sich
- «dise namen die beswserent mich.
- i'ne kan niht wizzen, wie in si:
- si lütent nähe ein ander bi. 10110
- «Tantriso, sprach si «und Tristan,
- da ist benamen heinliche an.»
- Xu si die namen begunde
- ze tri'benne in dem munde,
- nu geviel si an die buocbstabe, 10115
- da man si beide schephet abe,
- und vant in disem al zehant
- die selben, die si in jenem vant.
- (255) nu begunde s' an in beiden
- die sillaben scheiden 10120
- unde sazte nach als vor
- und kom reht' üf des namen spor:
- si vant ir ursuoche dar an:
- vür sich so las si Tristan,
- her wider so las si Tantris. 10125
- hie mite was si des namen gewis.
- «ja ja», sprach aber diu schoene do
- « ist disen mseren danne so ,
- diseu valsch und dise trügeheit
- hat mir min herze wol geseit. 10130
- 10110 sie lauten dicht nebeneinander, sie nähern sich durchaus in ihrem
- Laute; sie stimmen fast zusammen. — • 10112 heinliche stf., hier wie iu
- V. 7441: Geheimniss; liierin steckt gewiss ein Geheimniss ; oder sollte /
- Ltche zu fassen sein als: Vertraulichkeit, enjjer Zusammenhang?
- Iull4 ze (rtOenne, abh. von boijitnde (Maßmann gegen die Hss. ze-
- trlben^= zertrtbcii wohl nach V. 122^8). (riöen , hin- und herjagen, wen-
- den; vgl. 10608. — 101 1() aöe gehört niclit zu schfiphfl, sondern zu da: da-
- von, womit. — schephen swv., hier ähnlich wie in V. 21: scliaffen, bilden.
- — 10123 ursuoche stf.. Nachsuchung, JJ^achforschung (objectiv), das Ge-
- suchte; so wird das \V^rt meist (Groote, Hagen, Kurtz, mlul. Wörterbuch)
- verstanden; danach bezieht sich ir auf Isolt. Auch Becli: sie crreicJite
- ihren Zweck auf folgende Weise (dar an). Simrock: «da sie den
- Schlüssel gewann»; dann wäre tirsuoc/'e= Ursache, und »V bezöge sich auf
- namen. Sollte nicht ursuoche stehen ähnlich wie in V. 14,3')4: Verdacht,
- Gegenstand des Verdachts, dann in weiterer Bedeutung; Geheimniss (ir=
- namen)? dar an: im Tolgenden. —
- XIV. DER SPLITTER.
- wie wo] ich weste al dise vart,
- Sit ich in merkende wart,
- Sit ich an ime lip unde gebär
- und sin dinc allez also gar
- besunder in min herze las, 10135
- daz er gebürte ein herre was !
- wer hsete ouch diz getan wan er,
- daz er yon Kurnewäle her
- ze sinen totvinden vert,
- und wir in zwir haben ernert. 10140
- ernert? er'st nü vil nngeneseu.
- diz swert daz muoz sin ende wesen!
- nu ile, lieh din leit, Isöt!
- gellt er von dem swerte tot,
- da mite er dinen oeheim sluoc, 10145
- so ist der räche genuoc!»
- Si nam daz swert ze banden,
- si gienc über Tristanden,
- da er in einem bade saz.
- «ja», sprach si «Tristan, bistu daz?» 10150
- «nein frouwe, ich bin ez Tantris.»
- «so bistu, des bin ich gewis,
- Tantris unde Tristan:
- die zwene sint ein veiger man;
- daz mir Tristan hat getan, 10155
- daz muoz üf Tantrisen gän:
- du giltest minen cßhein.!»
- «nein, süeziu juncfrouwe, nein!
- (256) durch gotes willen, waz tuot ir?
- gedenket iuwers namen an mir: 10160
- ir Sit ein frouwe unde ein maget.
- swä man den mort von iu gesaget,
- da ist diu wunnecliche Isot
- iemer an den eren tot.
- diu sunne, diu von Irlant gät, 10165
- diu manic herze erfröuwet hat,
- ä, diu hat danne ein ende!
- owe der liebten hende,
- wie zimet daz swert dar inne!»
- 10131 vart stf., hier: Hergang, Eewandtniss.
- 10157 gelten stv., entgelten, für etwas büßen.
- XIV. DER SPLITTER. (
- Kii gic diu küniginne, 10170
- ir imioter, zuo der tür hin in:
- «wie nü?» sprach si «waz sol diz sin?
- tohter, waz tiutest du hie mite?
- sint diz schcene frouwen site?
- hästu dinen sin verlorn? 10175
- weder ist diz schimph öder zorn?
- waz sol daz swert in diner haut?»
- «ä, frouwe muotor, wis geniant
- unser beider herzeswaere:
- •diz ist der mordrere 10180
- Tristan, der dinen bruoder sluoc.
- nu habe wir guoter State genuoc,
- daz wir uns an im rechen
- und diz svvert durch in stechen:
- ez enkümet uns beiden niemer baz.» 10185
- «ist diz Tristan? wie weistu daz?»
- «ich weiz ez wol, ez ist Tristan,
- diz swert ist sin, nu sih ez an
- und sich die schärten da bi
- und merke daune, ob er ez si. 10100
- ich sazte ieziio diz stuckelin
- ze dirre veigen scharten in:
- owe , dö sach ich , daz ez schein
- einbsereliche und rehte als ein.»
- «ä», sprach diu müoter zehant, 10195
- "Isot, wes hastu mich gemant?
- daz ich min leben ie gewan!
- und ist diz danne Tristan,
- (257) wie bin ich dar an so betrogen!»
- Nu haete ouch Isot üf gezogen 10-200
- daz swert und trat hin über in.
- ir muoter kerte zuo z'ir hin:
- <(li\ stän, Isot», si)rach si, «lä stän!
- weist iiiht, waz ich vertriuwet hän?»
- «i'ne rüoche, zwäre, ez ist sin tot.» 10-205
- 101S9. 10192 scharte hat hier wieder verschiedene Bedeutung: zuerst
- 1^ stuckelin, Splitter, dann in unserra Sinne: Scharte, Lücke.
- 10200 v/ zii'hf.n , in die Höhe heben (ausholend zum Sclilage). —
- 10204 verdiuwen, 6wv., versprechen. — 1020Ö ruochen swv., sich kümmern,
- beachten, hier allein stellend. % nc ruo:h>' entaprecheiid uuserm : kümmert
- mich nicht, einerlei; —
- XIV. DER SPLITTER,
- Tristan sprach: «merzi, bele Isöt!»
- «i, übeler man», sprach Isöt, «i,
- linde vorderst du merzi?
- merzi gehoeret nilit ze dir:
- din leben daz lazestu mir!» 10210
- «nein tohter», sprach diu muoter dö
- « ez enstat nu leider niht also ,
- daz wir uns mügen gerechen,
- wir enwellen danne brechen
- unser triuwe und unser ere. 10215
- cngahe niht ze sere:
- er ist in miner huote
- mit libe und mit guote.
- ich hän in, swie'z derzuo si komen,
- gänzliche in minen fride genomen. » 10220
- «genäde, frouwe» sprach Tristan:
- «frouwe, gedenket wol dar an,
- daz ich iu guot unde leben
- an iuwer ere hän ergeben ,
- unde enpfienget mich also.» 10225»
- «du liugest!» sprach diu junge dö
- «ich weiz wol, wie diu rede ergie:
- sin' gelöbete Tristande nie
- weder fride noch huote
- an libe noch an guote.» 10230»
- Hie mite so lief si'n aber an:
- hie mite rief aber Tristan:
- «ä, bele Isöt, merzi, merzi!»
- ouch was diu muoter ie da bi ,
- diu durnähte künigin: 10235'
- er mohte äne sorge sin.
- ouch wsere er ze den stunden
- in daz bat gebunden,
- (258) und Isöt eine da gewesen:
- er wsere doch vor ir genesen. 10210'
- diu süeze, diu guote,
- diu siure an wibes muote
- noch herzegallen nie gewan,
- 10206 merzt hat wie genade die beiden Bedeutungen Gnade und Dank; hier
- = Gnade. — 10221 dieser Vers ist an die alte Isot gerichtet, und genäde=^
- Dank (für ihre gute Gesinnung). — 10222 fg. an die junge Isot.
- 10242 siure stf., Bitterkeit. —
- XIV. DER SPLITTER. 0
- wie solJo diu geslahen man?
- wan (laz si von ir leide 10245
- und oucli von zorne beide
- solhe gebärde haete ,
- als ob si'z gerne taste;
- lind hrete oucli lihte getan,
- möhte si daz herze hän. 10250
- daz was ir aber tiure
- ze sus getaner siure.
- Doch was ir herze niht so guot,
- sine hrete zorn und unmuot,
- wan si den horte unde sach, 10255-
- von dem ir leide geschach.
- si horte ir viant unde sahen
- und mohte sin doch niht geslahen:
- diu süeze wipheit lag ir an
- unde zucte si da van. 102GO
- an ir striten harte
- die zwo widerwarte,
- die widerwarten conterfeit:
- zorn unde wipheit,
- diu übele bi ein ander zement, 10265-
- swä si sich ze banden nement.
- so zorn an Isolde
- den viant slahen wolde,
- so gie diu süeze wipheit zuo :
- «nein», si)rach si suoze «niene tuo!» 10270
- sus was ir herze in zwei gemuot:
- ein herze was iibel unde guot.
- diu schoene warf daz swert dernider
- und nam ez aber iesa wider:
- sine wiste in ir muote 10275
- under übele und under guote ,
- ze wederem si solte:
- si wolte unde enwolte.
- (250) si wolte tuon unde län.
- 10244 geslahen stv., verst. slahen, erschlagen.
- 10259 wipfteit stf. entspricht hierunserm: Weiblichkeit; vgl. zu 12409..
- 179'^3. — 10263 widenrart ad.j. (im Wortspiel mit ividerivarte pl. subst.)^
- (widerwärtig"), feindlich. — 10271 in zicei, in zwei Theile (entzwei^, zwei-
- fach; in »nci geiuu'jt , zwieträchtig; « zwiegeraiith ». Kurtz (was Simrock.
- abschreibt). —
- 10 XIV. DER SPLITTER.
- sus lie der zwivel iimbe gän, 10280
- l)iz doch diu süeze wipheit
- an dem zorne sige erstreit,
- so daz der totvint genas
- und Morolt ungerochen was.
- Hie mite warf si daz swert von ir, 10285
- weinende si)racli si: «ouwe mir,
- daz ich ie disen tac gesach!»
- diu wise ir muoter zuo ir sprach:
- «herzetohter mine,
- die herzeswsere dine, 10290
- die selben die sint leider min
- haz unde harter danne din;
- nach gotes gcnäden si engänt dir
- niht alse nähen alse mir.
- min bruoder, leider der ist tot: 10295
- daz was biz her min meistiu not.
- noch fürhte ich eine not von dir,
- entrimven, tohter, diu gät mir
- vil näher, danne jeniu tuo:
- mir wart nie niht so liep so duo. 10300
- e daz mir iht an dir geschehe,
- daz ich rehte ungerne sehe,
- ich läze e gerne disen haz;
- ich lide sanfter unde baz
- eine swfere danne zwo. 10305
- min dinc daz stät mir iezuo so
- umbe den uns^eligen man,
- der uns mit kämpfe sprichet an:
- wir ensehen genote dar zuo ,
- din vater der künec, ich unde duo 10310
- wir haben iemer mere
- verloren unser ere
- und werden niemer mere fro.«
- 10280 umbe gan lan steht liier wie umbe gän; die Elli])se von ros , sein'/
- u. a. w. ist in diesen Fällen nicht zu ergänzen, län dient nur zur Kedens •
- art, deren Ursprung vergessen ist; vgl. zu 13530. — 10284 ungerodien lüer
- I)art. adj., ungerächt (ohne gerächt worden zu sein); vgl. zu 1S408.
- 1030S an sprechen mit acc. ndt etew., gegen einen seinen Anspruch
- geltend machen mit einer Maßregel. — 10309 wenn wir nicht eifrig darauf
- achten, auf der Hut sind, so haben wir u. s. w. —
- i
- XIV. DER SPLITTER.
- 11
- Jeuer in dem bade der spracb do
- «sseligeii froiiwen beide,
- ez ist war, ich hän iu leide,
- und aber mit grözer not getan.
- Avelt ir iuch, alse ir sult, entstän,
- (260) so wizzet ir wol, daz diu not
- niiit anders was niwan der tot:
- den lidet note ein ieclich man,
- die wile er sich generen kan.
- swie'z aber dar umbe ergangen ist,
- swie ez iu nü ze dirre frist
- ze dem truhsaezen ist gewant,
- daz keret allez z'einer haut,
- dem sol ich ein guot ende geben;
- ich meine, ob ir micli lazet leben,
- und es enirre mich der tot.
- frouwe Isot und aber Isot,
- ich weiz wol, daz ir alle zit
- sinnec unde saälic sit,
- getriuwe unde bescheiden:
- möht' ich mich hin ze iu beiden
- einer rede verläzeu
- und woltet ir iuch mäzen
- übeler gebserde her ze mir
- und ouch des häzzes, den ir
- Tristande lange habet getragen,'
- ich wolte iu guotiu miere sagen. »
- 10315
- 10320
- 10325
- 10330
- 10335
- 10340
- isote muoter, Jsöt,
- si sah in lange an und wart rot:
- ir liebten ougen wurden vol.
- «owe!» sprach si «nu beere ich wol
- und weiz vür war, daz ir ez sit;
- ich zwiVelte imze.an dise zit.
- nu habt ir mir die wärheit
- 10345
- 10317 iiiil fjroze)- not , höchst nothgedrungen. — l(i326 wird verschieden
- gefasst; Kurtz: «Darauf ... sei euer ganzer Sinn gestellt» (Simrock ab-
- schreibend: «sei euer Sinn allein gestellt»); ich glaube nach dem Zusam-
- menhange eher das (iegentheil mit Groote: z' einer /lant kereii, läzen, (.alles
- einerlei sein, auf sich beruhen lassen"; vgl. 14223. — ze einer ],an( = zer
- liant, und //a7i< = Seitc ; die Wendung: bei Seite legen, unbeachtet lassen;
- vgl. ferner 1G518. — 10329 irren swv., hier: liindern ; dieselbe "Wendung in
- V. l-luOT. — 10335 verläzen refi. mit gen. ze einem, sich auf einen in einer
- Sache verlassen, auf ihn rechneu. — 1033(J mäzen swv. mit gen., sich einer
- Sache enthalten; vgl. 12144.
- 12
- XIV. DER SPLITTER.
- üngefräget geseit.
- owe , owe her Tristan ,
- (Jaz ich mwer ie gewalt gewan
- so guoten, alse ich iezuo hän,
- lind der also niht ist getan,
- daz ich in also geüeben müge ,
- als ez mir wage imde tilge!
- gewalt ist aber so manicvalt:
- ich waene, ich mac wol disen gewalt
- an minem vinde üeben,
- daz reht so vil getrüeben
- (261) an einem übelen manne,
- ja herre, wil ich danne?
- entriuwen ja, ich wsene.»
- 10350
- 10356
- 1036a
- lemitten kom Brangaene
- diu stolze, diu wise
- lachende unde lise,
- schön' unde wol gestrichen
- aldort her in geslichen ,
- und sach daz swert da ligen bar,
- die frouwen beide riuwevar :
- «wie nü?» sprach diu gefüege do
- ('disen gebaerden wie ist den so?
- waz maere tri'bet ir driu?
- disiu frouwen ougen, wie sint diu
- alsus trüebe und alse naz?
- diz swert hie lit, waz tiutet daz?»
- «sich», sprach diu guote künigin,
- «Brangaene, herzeniftel min,
- sich, wie wir alle sin betrogen:
- wir haben ze blintliche erzogen
- den slangen vür die nahtegalen,
- dem rappen kernen vür gemalen,
- der der tüben solte sin.
- wie haben wir, herre trehtin,
- 10365-
- 10370
- 10375
- 10380
- 1Ö3.J3 geüeben swv., verst. üeben, ausüben. — 10354 wegen stv. mit dat.^
- eigentlich: für einen Gewicht haben, ihm helfen. — 10355 manicvalt adj.,,
- raanigfaltig, vielfach. — 10358 getrüeben swv., verst. trüeben (kommt bei
- Gottfried nicht vor), trüb machen.
- 10362 lemitten adv., inzwischen (Abstammung noch nicht erwiesen);
- vgl. 11690. — 10365 gestrichen part. adj., geglättet, entspricht unserm: ge-
- putzt; vgl. 10756. — 10368 riuwevar adj., schmerzlich aussehend (6592),
- verstört. — 103S0 kernen acc. von kerne swm., Kern, Korn. —
- XIV. DER SPLITTER. 13
- den viaiit vür den friunt ernert,
- dem übelen tode zwir erwert
- nnt unser selber banden 10385
- unsern vint Tristanden!
- sich, wä er sitzet: deist Tristan.
- nu hän ich zwi'vel dar an,
- weder ich mich reche oder entuo.
- niftel, waz rsetest du derzuo?» 10390
- «Nein, frouwe, tuot die rede hin:
- iuwer saehle und iuwer sin
- diu sint hie züo ze guot,
- daz ir iemer keinen muot
- üf solhe untät gewinnet 10395
- und iemer sO geunsinnet,
- daz ir ze manslahte
- iemer gewinnet ahte
- .(262) unde ouch danne z'einem man,
- den ir iuch habt genomen an 10400
- ze fride und ze huote,
- ez enwärt iu nie ze muote,
- des ich got wol getrüwen sol.
- ouch sult ir des gedenken wol,
- waz rede iuch mit im ane gät, 10405
- diu niwan umb' iuwer ere stät.
- soltet ir iuwer ere geben
- umb' deheines iuwers vindes leben?»
- «waz wildu danne, daz ich tuo?»
- «frouwe, da denket selbe zuo: 10410
- get hinnen , lät in üz gän.
- die wile muget ir rät hän,
- waz iu daz wsegeste si.»
- llie mite giengen s' dan, si dri
- durch rät in ir heinliche. 10415
- Isöt diu sinneriche
- 103S4 ericern swv. mit dat., erhalten, errettou vor etwas.
- 10396 ffeun.iinnen swv., vei-st. iinsinnen (19149), unsinnig, nuverständig
- sein. — 10397 manslaht Bif., Menschenmord. — 10398 ahte gt;winnen=:alden,
- bedenken, sinnen, Gedanken fassen; 2e=auf. — 10399 ouch dannt; ^=noch.
- dazu. — :e eteht niclit = 2e in V. 10397, sondern ist = gegen. — 10412 rät
- A««r=Kath lialten. — 10413 daz n-cegeste adj. subst., das Vortheilhafteste,
- Kathsamate; vgl. zu 5392.
- 10415 heinitche stf.. geheimer Ort, etwa: Cabinet, Boudoir. —
- 14 XIV. DER SPLITTER.
- (-seht», spracli si «ir beide, sprechet an,
- waz mac er meinen dirrc man?
- er sprach wider uns beiden daz,
- wolten wir läzen disen haz, 10420
- den wir im hinge haben getragen,
- er wolte uns guotiii msere sagen:
- waz mac diz sin? des wundert mich.»
- Brangsene sprach : « da rate ich ,
- daz in niemen innen bringe 10425
- deheiner slahte Undinge,
- biz wir bevinden sinen muot.
- sin muot ist li'hte vil guot
- hin z' iuwer beider eren.
- man sol den mantel keren, 10430
- als ie die winde sint gewant.
- wer weiz , ob er in Irlant
- durch iuwer ere komen ist.
- hüetet sin ze dirre frist
- und lobet ouch eines iemer got, 10435
- daz dirre ungefüege spot
- umbe des truhssezen valscheit
- mit ime sol werden hin geleit.
- (263) got der hset' unser ruoche
- an ünserre suoche; 10440
- wan wtere er an den stunden
- niht kurzliche funden,
- weiz got, so wsere er iesä tot.
- wizze Krist, juncfrouwe Isot,
- so füere ez wirs, danne ez var. 10445
- habet niht ungebserde dar,
- wan wirt er ihtes innen
- und mag er danne entrinnen ,
- des hat er reht, daz er daz tuo.
- von diu da denket beide zuo 10450
- und bietet ime ez alse wol,
- 10425 innen bringen mit gen. (undinge), inne werden lassen, merken lassen.
- — 1042t) undinc stn., unrechtes, schlechtes Ding, überhaupt: etwas Übeles ^
- Singular in V. 12694. — 10439 ruoche ist wohl nicht Plural von ruoch stm.,
- welches Gottfried sonst braucht (vgl. 89. 3563), sondern Singular ruoche stf.,
- Sorgfalt, Sorge, ruoche haben mit gen. (unser), für einen sorgen, gnädig
- sich eines annehmen. — 10444 wizze Krist, eine Betheuerung, ähnlich wie
- weiz got; im Tristan nur hier. — 10446 dar haben, (hinhalten), zeigen,
- sehen lassen. — ungeboerde stf., übele Gebärde, unfreundliches Betragen;
- vgl. 15891. —
- XIV. DER SPLITTER.
- 15
- alse man von rehte sol.
- (laz rate ich iu, des volget mir:
- Tristan der ist als edel als ir
- linde ist hövesch unde wis,
- voUekomen alle wis.
- swie iu daz herze hin ze im si,
- Sit ime doch höveschliche bi.
- benamen, swes er habe gedäht,
- in hat ernest uz bräht.
- sin gewerp und sin gerinc
- der ist umb' ernestlichiu dinc. »
- 10455
- 10460
- Sus stuonden s' üf und giengen dau
- und komen hin, da Tristan
- heinliche an sinem bette saz. 10465
- Tristan sin selbes niht vergaz:
- er fuor üf balde gegen in
- und viel sa gein in allen hin
- und lac den höveschen süezen
- flehliche zuo den füezen 10470
- und sprach ouch mit dem valle:
- «igenäde, ir süezen alle,
- habet geuäde wider mich!
- lat mich geniezen, daz ich
- durch iuwer ere und iuwern fromen 10475
- her bin in iuwer richc komen.»
- diu liebte cumpanie,
- die liebten alle drie,
- (•264) ieglichiu warf ir ougen dan
- und sähen alle ein ander an. 10480
- si stuonden, unde er lag also.
- nfronwe», sprach Brangrene do
- «der ritter lit ze lange da.»
- diu küniginne sprach iesä:
- "waz wildu nü, daz ich im tuo? 10485
- min herze stät mir .niht dar zuo,
- daz ich sin friunt gewesen müere:
- 10458 bi Wesen (st/i). hier: sich nähern, begegnen ; vgl. zu l.')2ri. — 104.')9 den-
- ken hier mit gen. (, wovon auch}; was auch seine Absicht gewesen
- sein mag. — 10460 i/z bringen ist wohl elliptisch zu fassen: aus dem
- Lande, aus seiner Heimat bringen, führen, «zur Reise bewegen». Groote,
- insofern dann uz^her zu uns). — 10461 'jewerp stm., [Gewerbe sin., Er-
- werb stra.], Handeln, Geschäft.
- 16 XIV. DER SPLITTER.
- i'ne weiz nilit, waz ich tuo, daz tage.»
- Brangaene diu sprach aber z'ir:
- onu, liebiu frouwe, volget mir 10490
- ir und min juncfrouwe Isot:
- ich weiz ez wärez alse den tot,'
- daz ir'n in iuwern sinnen
- unsanfte müget geminnen
- vor iuwerm alten leide. 10495
- so gelobet im doch daz beide,
- ilaz er des libes sicher si.
- €r geredet vil li'hte da bi
- sines frumen ab eteswaz.»
- die frouwen sprächen: «nu si daz.» 10500
- hie mite so hiez si in üf stän.
- Xu diz gelübede was getan,
- si säzen alle viere nider.
- Tristan greif an sin msere wider:
- «seht», sprach er «frouwe liünigin, 10505
- weit ir nu min guot friunt sin ,
- ich wil iu daz enein geti agen
- noch innen disen zwein tagen
- (deist war an' allen argen list),
- iuwer töhter, diu iu liep ist, 105 IC
- daz si einen edelen künic nimet,
- der ir ze herren wol gezimet,
- scboene unde mute,
- zem spere und zem schilte
- ein ritter edel und üz erkorn, 10515
- von künegen unze her geborn
- und ist ouch dänne da bi
- vil lieber danne ir vater si.»
- (265) «entriuwen», sprach diu künigin
- «möht' ich der rede gewis sin, 10520
- ich volgete unde taete,
- swes mich lernen bsete.»
- «frouwe», sprach aber Tristan
- '; ich gewisse iuch schiere dar an :
- 10494 unsanfte adv., (nicht sanft), nicht leicht, schwerlich.^ — 1Ö493 r/7
- iVite adv. kommt hier unserm: vielleicht nahe; sonst ist vil /i/.te = wahr-
- scheinlich und /('/(^e^ vielleicht; vgl. zu 6766. — 10499 sines frumen , zu
- seinem Frommen, zu seinen Gunsten.
- 10524 gewissen swv., hier etwas anderes als in V. 6497: versichern,
- ,-geloben; vgl. 12102. —
- XIV. i)ER SPLITTER.
- "bewcere ich'z in zeliänt iiilit,
- so diu süone gescliiht,
- so lät mich üz dem fride wesen
- und lat mich niemer genesen.»
- diu wise sprach: «Brangasne, sprich,
- waz ragtest du, wie dunket dich?»
- «da dunket mich sin rede guot
- imd rate ouch, daz ir ez tuot.
- leget allen zwivel hin
- und stät üf heide und küsset in.
- al si ich niht ein künigin,
- ich wil ouch an der suone sin:
- er was min mäc, swie arm ich si.»
- «US kusten si'n do alle dri;
- doch tet ez Isot diu junge
- mit langer widerunge.
- 17
- 10525
- 10530
- 10535
- 105-tO
- Nu disiu suone alsus geschach,
- Tristan aher zen frouwen sprach:
- «nu weiz ez got der guote,
- i'ne wärt in minem muote
- so frö nie, alse ich iezuo bin; 10545
- ich hän al den sorgen hin
- gewartet unde nach gesehen,
- die mir mühten geschehen ,
- daz ich mich des versehen sol:
- ich versihe mich's niht, ich weiz ez wol, 10550
- daz ich in iuwern hulden bin.
- nu leget alle sorge hin:
- ich bin iu z'eren und ze fromen
- von Kurnewäle z'Irlant komen.
- si't miner erren vart, 10555
- daz ich hie generet wart,
- Sit sprach ich iemer mere
- iuwer 16p und iuwer ere
- {2GG) ze mincm herron Marke,
- unz ich im den nuiot so starke 105G0
- 10527 das Gegentheil von V. 0ö98; so schließt mich aus euerin Schutze
- aus. — 10536 ich will bei der Veraühnuug auch mit inbegrilTen sein. —
- 10540 riiderunrje stf. [erhalten : Erwiderung], Widerstreben. Sträuben.
- 10547 hin warten mit dat., hinschauen auf etwas, achten. — nach sehen,
- berücksichtigen. — 10555 erre = erer adj. comp, von e, früher. —
- GOTTFRIED VON STRASSBURG. II. 2. Aufl. 2
- 18 XIV. DER SPLITTER.
- mit rate an iuch gewante,
- daz er dar an genante —
- küm', linde sage in umbe waz:
- beidiu er vörhte den haz
- und wolte onch durch den willen min 10565 ü
- eliches wibes äne sin, 1
- daz ich sin erb?ere
- nach sinem töde wcere.
- hie wisete aber ich in van,
- unz er mir völgen began. 10570
- sus wurden wir zwen' under uns zwein
- dirre selben reise enein :
- durch daz kom ich in Irlant,
- durch daz sluoc ich den serpant;
- und habet ir iuwer arebeit 10575
- vil sselecliche an mich geleit,
- des sol min juncfrouwe sin
- frouwe unde künigin
- ze Kurnewäle und z'Engelant.
- nu ist iu min geverte erkant. 10580 j
- saeligiu massenie, '
- sseligen alle drie:
- nu lät ez onch verholen sin.»
- «nu saget mir» sprach diu künigin
- «ob ich ez minem herren sage 10585
- und eine suone enein getrage:
- missetuon ich iht dar an?»
- «nein ir, frouwe» sprach Tristan
- «er sol'z von rehte wizzen.
- Sit et dar an geflizzen, 10590
- daz mir kein schade iht üf erste.»
- «nein, herre, fürhtet iu niht me,
- dane ist niemere sorgen an.»
- Hie mite giengen die vrouwen dan
- in ir heinliche sunder 10595
- 10562 genenden swv. hier mit dar an, zu etwas Muth fassen. — 10563 kvme
- adv. steht mit Absicht nach dem Verbum ; wir müssen uns nach diesem
- eine Pause denken: daß er (auf mein Zureden hin) Lust dazu bekam — aber
- freilich nur mit Mühe, und zwar aus zwei Gründen u. s. w. — 10567 erbcere
- stm., Beerber, Erbe. — 10580 geverte sin., hier: Lebensverhältnisse,
- Schicksal. — 10592 fürhtet iu (Hs. M) niht ist sicher die erste Lesart:
- fürchtet nicht für euch, seid nicht um euch besorgt. — 10593 sorgen gen.
- pl. abh. von niemere {^=niht rnere): von nun an ist keine Gefahr mehr.
- XIV. DER SPLITTER. 19
- und ahteten hier under
- sin gelücke und sine linge
- an iegelichem dinge.
- (267) ir iegelichiu seite
- von siner wisheite: 10600
- diu muoter sus, Brangrene so.
- c'sich, muoter», sprach diu tohter dö
- «wie wunderlichen ich bevant,
- daz er Tristan was genant:
- do ich des swertes z'ende kam, 10605
- die namen ich ze banden nam
- Tantris unde Tristan;
- nu ich si tri'ben began,
- nü b'edühte mich an in zwein,
- si haeten etewaz enein. 10610
- da nach begunde ich trabten
- und anclichen ahten
- und vant do mit den buochstaben,
- die man ze beiden namen sol haben ,
- daz ez allez ein was; 10615
- wan swederhalp ich hin las
- söne was ie nime dar an
- wan Tantris oder Tristan
- und ie an einem beide:
- nu mi'ioter, nu scheide 10620
- disen namen Tantris
- in ein Tan und in ein Tris
- und sprich daz Tris vür daz Tan,
- so sprichest du Tristan;
- sprich daz Tan vür daz Tris, 10625
- so sprichestu aber Tantris.»
- diu muoter segenete sich :
- <'got)), sprach si «der gesegene mich!
- von wannen kom dir ie der sin,?»
- Nu si dri von im under in 10630
- geredeten maneger bände,
- die künigin diu sande
- nach dem künege; der kom dar.
- 10605 ze ende komen mit gen., etwas von Gmind aus erforschen; vgl.
- 12015. 14591. — 10616 suedcr/talp adv. correl., nach welcher Seite hin.
- 20
- XIV. DER SPLITTER.
- (■seilt, herre», sprach si «nemet war:
- ir sult uns einer bete gewern, 10635
- der wir dri ernestliche gern:
- tuot ir'z, ez kumt uns allen wol.»
- eich volge, swes ich volgen sol;
- (268) swaz ir weit, daz si getan.»
- «habet ir'z danne an mich verlän?» 10640
- sprach aber diu guote künigin.
- «ja, swaz ir wellet, daz sol sin.»
- «genäde, herre, des ist genuoc:
- herre, der minen bruoder sluoc,
- Tristan den hän ich hinne; 10645
- den sult ir iuwer minne
- und iuwer hulde läzen hän.
- sin gewerp der ist also getan,
- daz diu suone fuoge hat.»
- der künec sprach: «triuwen, disen rät 10650
- den läze ich baltliche an dich:
- er gät dich mere an danne mich.
- Morolt din bruoder der was dir
- näher gesippe danne mir.
- hästu'z umbe in varen län, 10655
- wil du. so hän euch ich ez getan.»
- sus Seite si dem künege dö
- Tristandes maere rehte also,
- • als er ir selber sagete.
- diz msere daz behagete 10660
- dem künege wol und sprach ir zuo:
- «nu sich, daz er'z mit triuwen tue.»
- Diu künigin do sande
- Brangsenen nach Tristande ;
- und alse Tristan in gie,
- dem künege er sich ze füezen lie :
- «genäde, herre künec!» sprach er.
- «stet üf, her Tristan, und get her»
- sprach Gurmün «unde küsset mich:
- 1066!
- 10650 triuven adv. (dat. pl. von triuwe), traun; vgl. zu 1037. —
- 10651 bauliche, baltliche adv., kühn (1096) ; unser: kühnlich, kecklich würde
- hier von einem neuern Dichter gesagt werden können; prosaisch würde
- entsprechen: anstandslos. — 10654 gesippe adj., verst. sippe (147S9), ver-
- wandt.
- XIV. DER SPLITTER,
- 21
- ungerne so verkiuse ich: 10670
- iedocli verkiuse ich disen zorn,
- Sit in die frouwen hänt verkorn.o
- «herre», sprach aber Tristan
- («an dirre suone da ist an
- min herre und beidiu siniu lant?» 10675
- «ja herre», sprach Gurmun zehant.
- Nu disiu suone z'ende kam,
- diu künigin Tristanden nam
- (269) und sazte in zuo ir tohter nider
- und bat in ouch, daz maere wider 10G80
- ir herren al von erste sagen,
- wie ez sich haete dar getragen
- an allen disen sachen
- beidiu umbe den trachen
- und umbe des küneges Markes ger: 10685
- daz seite er aber von ende her.
- der künec sprach aber: «her Tristan,
- nu wie bewar ich mich hier an,
- daz ich der rede gewis si?»
- «vil wol, herre, ich han hie bi 10690
- mines herren fürsten alle.
- swaz gewisheit iu gevalle ,
- die saget mir. diu ist getan,
- die wile und ich ir einen han. »
- Hie mite so schiet der künic dan.
- die frouwen unde Tristan
- die beliben aber eine da.
- Tristan nam Paranisen sä:
- «geselle», sprach er «gä hin abe :
- da stät ein kiel in der habe,
- da ganc geswäsliche hin
- und frage, welher under in
- Kurvenal da si genant:
- dem selben ru'ne zehant,
- daz er ze sinem herren ge;
- und saffe ouch nieman niht me
- 10695
- 10700
- 10705
- 10670 verkiesen stv. intrans. (in der folgenden Zeile trans.) verzich-
- ten, aufgeben.
- 10682 dar t ragen = zutragen.
- 10701 geswäsliche adv., heimlich; vgl. 187S3.
- 22 XIV. DER SPLITTER.
- und bringe in lise, als hövescli du sis.»
- nu herre, daz tet Paranis,
- er brähte in alse lise dar,
- daz sin niemen wart gewar. 10710
- nu si in zer kemenäten
- vür die frouwen träten,
- im neic diu küniginne
- und niemen me dar inne.
- si nämen sin durch daz niht war, 10715
- ern kom niht alse ein ritter dar.
- Nu Kurvenal Tristanden
- den frouwen under banden
- (270) frolichen unde gesunden sach,
- in franzoiser wise er sprach: 10720
- «ä, beä duz sir,
- durch gotes willen, waz tuet ir,
- daz ir so wunnecliche
- in disem himelriche
- sus luzet verborgen 10725
- und lät uns in den sorgen?
- wir wänden alle sin verlorn;
- biz iezuo hsete ich wol gesworn,
- daz ir niht lebende wahret.
- wie habt ir uns beswseret! 10730
- iuwer kiel und iuwer liute
- die geswüoren wol noch hiute
- und habent ez da vür, ir sit tot,
- und sint mit micheler not
- her unze an dise naht beliben 10735
- und hseten daz enein getriben ,
- si wolten hinaht hinnen sin.»
- «nein», sprach diu guote künigin
- «er lebet gesunder unde frö.»
- und Tristan der begunde dö 10740
- britünisch sprechen wider in:
- «Kurvenal», sprach er «gä balde hin
- und sage hin uider, min dinc ste wol.
- 10721 beä = beas (wie roi und rois) vgl. zu 2395; doch ist vielleiclit
- hier beä zu fassen als Adverbium zur Verstärkung von duz. — 10725 lüze?i
- swv., (lauschen), sich heimlich aufhalten. — 10732 geswiw7-en perf. in der
- Function des Futurum exactum : die werden wohl geschworen haben (ge-
- swüeren, wie v. d. Hagen schreibt und Paul S. 17 vertheidigt, ist ganz
- gegen die Situation). — 10736 enein triben steht ähnlich wie enein fragen,
- zu Stande bringen, festsetzen, beschließen. —
- XIV. DER SPLITTER. 23
- und ich ez allez enden sol,
- da nach wir uz sin gesant. » 10745
- hie mite so seite er ime zehant
- sine linge al von gründe,
- so er ebeneste künde.
- Nu er im lia^te geseit
- sin gelücke und sine arebeit. 10750
- «nu», sprach er «balde gä hin nider.
- sage mihcn lantherren wider
- und ouch den ritteren dar zuo,
- daz ir iegelicher fruo
- mit sinen dingen si bereit 10755
- wol gestrichen unde gekleit
- mit der aller besten wät,
- die ir iegelicher hat,
- (271) und nemen mines boten war:
- swenne ich in den sende dar, 10760
- so riten her ze hove ze mir.
- ouch sende ich morgen fruo ze dir,
- so sende mir den kleinen schrin,
- da miniu kleinoed' inne sin
- und miniu kleider da mite, 10765
- diu von dem allerbesten suite.
- dich selben kleide ouch alse wol,
- also ein hövesch ritter sol.»
- Kurvenäl neic unde kerte dan.
- Brangtene sprach: «wer ist der man? 10770
- in dunket waerliche
- hier inne ein himelriche:
- weder ist er ritter oder knebt?»
- «frouwe, swä vür ir'n gesellt,
- er ist ein ritter unde ein man; 10775
- (laue habet deheinen zwivel an,
- (laz disiu sunne nie beschein
- tugenthafter herze dehein. »
- «ä, sa?lic müeze er iemer sin!»
- sprach ietwederc künigin 10780
- und min frou Brangaene dermite,
- diu hövesche und diu wol gesite.
- 10747 ron gründe, von Grund aus, durchaus, alles; vgl. 14031.
- 10774 gesehen, verst. sehen, ansehen.
- 24
- XIV. DER SPLITTER.
- Nu Kurvenal zem schiffe kam,
- sin 3 rede ze liäuden genam
- da nach, als ime was vür geleit,
- er Seite in, alse im was geseit,
- und ouch, wie er Tristanden vant.
- nü gebarten si zehant,
- reht' alse der tot ist gewesen
- und von dem tode wider genesen:
- als frönten si sich alle dö.
- du wären aber genuoge frö
- durch die lantsuone mere
- dan durch Tristandes ere.
- die nidegen barune
- si griffen an ir rune
- und an ir sprächen wider als e.
- si zigen Tristanden aber dö me
- (•272) durch dise riche linge
- zouberlicher dinge ;
- iegeli'cher sprach besunder :
- «hie merket alle wunder,
- waz dirre man wanders kan.
- ja herre, waz kan dirre man,
- daz er ez aliez endet,
- dar an er sich gewendet!»
- 1078^
- 1079O
- 10795'
- 10800
- 10805«
- 10785 fg. vür legen ist nicht = vorlegen, vorschreiben, «auftragen) (die-
- Übersetzer), auch nicht mit Benecke: «vor Augen stellen», sondern: dar-
- legen, mittheilen, erzählen; es bezieht sich auf die Mittheilung Tristan'»
- von seinem Glück und seiner Xoth (V. 10750). Im folgenden Verse ist Seite
- nicht einfach: sagte, sondern: richtete aus, hieß und bezieht sich auf Tri-
- stan's Befehl (10752 fg.). Und V. 10787 enthält dann die Andeutung von
- einem selbständigen Berichte Kurvenal's. — 10793 lantsuone stf., Land-
- sühne, allgemeine, das ganze Land umfassende Versöhnung. — 10795 nidec
- adj., neidisch, eifersüchtig. — 1079G rüne stf. (17382) = r«««« (9679),,
- Geflüster.
- XV.
- DAS WAHRZEICHEN.
- Am bestimmten Tage erscheint die Eitterschaft und eine große Menge
- Volks wie auch Tristan's Begleitung am Hofe, um dem Gerichte beizu-
- wohnen. Xeben dem Könige lassen sich die beiden Isolden nieder. Der
- Truchselö fordert sein Kampf recht. Auf einen Wink der Königin tritt-
- Brangiene mit Tristan ein, der von den Seinen freudig empfangen wird.
- Unter der allgemeinen Begrüßung feiern auch die Jünglinge, welche zum
- Zinse von Kurncwal nach Irland gegeben waren, ihr Wiedersehen mit
- ihren Vätern und Freunden. Der Truchseß beansprucht, den Drachen
- erschlagen zu haben und- will es beweisen mit dessen Haupte. Tristan
- erbietet sich zurückzutreten, wenn man die Zunge in diesem Haupte finde.
- Sie wird nicht gefunden, und Tristan lässt die Zunge bringen, die als die
- des Drachen erkannt wird, und das Gericht erklärt Tristan für den Sie-
- ger. Der Truchseß will nun mit dem Unbekannten den Kampf bestehen,
- zieht sich aber, als er merkt, daß es Ernst werden soll, mit seinem An-
- hange zu einer Besprechung zurück. Es wird ihm gerathen, er möge von
- seiner Forderung abstehen. Er willigt ein, verkündet es dem Könige und
- muß mit seiner Schmach auch des Spottes viel erdulden.
- Hie mite so was oiicli der tac körnen ,
- der da zem kämpfe was genomen,
- und was vil michel herscbaft,
- des lantvolkes michel kraft 10810
- vor dem künege in dem sal.
- oucli was da maneger hande zal
- uud^r den guoten kneliteu;
- si frageten, wer da vehten
- vür die maget Isolde 10815
- mit dem triihs?ezen wolde?
- diu frage gie her unde hin.
- nune was et niemen under in,
- der iht hier umbe erkande.
- under diu was oucli Tristande 10820
- 2G
- XV. DAS WAHRZEICHEN.
- sin sein in und siniu kleider komen;
- da hsete er sunder üz genomen
- dii gürtele den frouwen drin,
- daz keiserin noch künigin
- nie deheinen bezzeren gewan.
- schapel unde vürsi)an,
- senkel unde vingerlin
- der was ebenvol der sclirin,
- und was daz allez alse guot,
- daz niemer keines herzen muot
- des gedenken möhte,
- waz ez bezzer tobte,
- desn kom ouch nie nibt dervan,
- wan alse vil daz Tristan
- im selben dervan genam:
- einen gürtel, der im rehte kam,
- ein schapel unde ein spengelin,
- diu ime gebaere mohten sin.
- (273) «ir schcenen«, sprach er «alle dri,
- disen schrin und swaz dar inne si,
- da mite so schaffet alle
- und tuot, swaz iu gevalle.»
- Mit disen niaeren gieng er dan;
- siniu kleider leite er an
- und kerte dar zuo sinen pin
- und fleiz sich, wie er sich dar in
- gefeitierte alse wol,
- als ein volmüete ritter sol.
- ze wünsche stuonden ime ouch die.
- nu er wider in zen frouwen gie
- und si in begunden schouwen,
- nu begunden in die frouwen
- durch ir gedanke läzen gän.
- er dühte s' alle dri getan
- schon' unde sselecliche.
- die dri saeldenriche.
- 10825
- 10830
- 10835
- 10840
- 10845
- 10850
- 10855
- 10826 vürspan stn., Spange zum Heften des Gewandes. — 10827 senJcel
- (nach Hs. F) stm., wahrscheinlich aus lat. cingulum, franz. sengle , sangle,
- Kestel. (Hs. M ändert hafetel, B heftelin, H und W seckele, Täschclien). —
- 108.32 waz, hier ^uie; vgl. zu 7881. — tohte , Umschreibung für: sein
- könnte, hätte sein können.
- 10845 ptn stm., synonym mit ßiz , Eifer, Sorgfalt. — 10847 ge/eitieren
- swv., verst. feitieren (670) ausschmücken. — 10848 volmüete adj. , hoch-
- gemuth; daneben volmüetec 15167. —
- XV. DAS WAHRZEICHEN. 27
- si gcdahten alle in einer frist:
- «zewäre, dirre man der ist
- ein manlicli creatiure;
- sin wät und sin figiure 10860
- die scliephent wol an ime den man:
- si zement so wol ein ander an;
- sin dinc ist allez wol gewant.»
- Nu hsete ouch Tristan besant
- sine cümpanie: diu was komen, 10865
- und bieten einen stuol genomen
- näcb ein ander in dem sal.
- da gie diu micbel werkle al
- und bescböuweten besunder
- der kleidere wunder, 10870
- diu si an in sähen,
- genüoge da jähen,
- ezn getrüege nie so manic man
- als ebenguotiu kleider an.
- daz si aber alle stille swigen, 10875
- 0 dem lantgesinde rede verzigen ,
- daz geschach durch die geschiht:
- sine künden der lantspräche niht.
- (274) Hie mite sant' ouch der künic hin
- einen böten nach der künigin, 10880
- daz si ze hove ksemc
- und ir tohter zuo z'ir naeme.
- «Isüt», sprach si «wol üf, gä wir!
- her Tristan, so belibet ir:
- ich tuon zehant nach iu gesant, 10885
- so neme iuch Brangsen' au die haut,
- lu862 zemen mit adv. on = dera einfachen zemen, passen.
- lOt't;«; stuol stm., hier allgemein: Sitz; einen stuol nemen entsprechend
- unscrm : Platz nehmen. — 10868 diu viichel v:erlde, nicht: die große, die
- vornehme Welt, die haute volee , sondern die Gesellschaft in großer Zahl,
- viele Leute. — werUle statt werlt in Hs. M und H, ebenso in V. 18050,
- woraus hervorgeht, daß uerlde schon frühe als Nebenform gilt; ob als
- unorganische, bliebe noch zu untersuchen. — 10S74 als ebenguotiu kleider,
- nicht: ebenso gute Kleider, sondern: so gleichmäßig, durchaus gute, voll-
- kommene ; hier hat ebene wie iu eJjengellch 4987 die zweite Function im Gegen-
- sätze zu Worten wie ihengroz, ebenher \ vgl. zu 248 [vgl. unser: ebenvoll].
- — lOsTfi verzlhen stv. hier mit dat. und gen. wie in V. 5380, doch nicht
- so direct: versagen im Sinne von: abschlagen, sondern milder im Sinne
- von: versclimähen , nicht gönnen.
- 10885 tuon mit dem Part. pra>t. entspricht: heißen, lassen mit inf. ; bei
- Gottfried nur hier.
- 28
- XV. DAS WAHRZEICHEN.
- und gat ir zwei nach uns dar in!»
- «gerne, frouwe künigin.»
- Sus kom diu küniginne Isöt,
- daz fröliche morgenröt, 10890
- und fuorte ir suunen an ir haut,
- daz wunder von Irlänt,
- die liebten raaget Isöte;
- diu sleich ir niorgenröte
- lis' unde stsetecliche mite 10895
- in einem spor, in einem trite,
- suoze gebildet über al,
- lanc, üf gewollen unde smal ,
- gestellet in der w?ete,
- als si diu Minne drsete 10900
- ir selber z'einem vederspil,
- dem Wunsche z'einem endezil,
- da vür er niemer komen kan.
- si truoc von brunem samit an
- reo unde mantel, in dem snite 10905
- von Franze, und was der roc dermite ^
- da engegene, da die siten
- sinkent üf ir liten,
- gefranzet unde geenget,
- 10S98 üf gewoUen part. adj., (aufgewälzt, -gerollt), in die Höhe ge-
- wölbt, rund, voll. — lO'JÜO droejen swv., hier im Sinne von: auf der Dreh-
- bank drehen, drechseln, rundlich formen. — 10901 vederspil wie in ähn-
- lichem Bilde in V. 11989 der Minnen vederspil Isöt. «Die beiden letzten
- Stellen bezieht Grimm, Deutsches Wörterbuch, 3, 1408 auf künstlich gebil-
- dete Spielvögel, mit denen die Falken gelockt werden; doch ist das veder-
- spil, der Falke auch ein Spielwerk der Frauen.» Mhd. Wb. II, 2, 504.
- Bech: «Die Falken wurden auf das sorgfältigste gehegt und gepflegt, ja
- sogar gehätschelt, geliebkost (wie heutzutage die Hunde, die Schooß-
- hündchen) ; hiernach : ein Liebling, ein School5kind der Minne, ihr Zeitver-
- treib.» — 10902 endezil stn., das letzte Ziel, das Höchste, was der Wunsch (hier
- personificiert), das Ideal nur haben, was es nicht übertreffen kann. — 10906
- von Franze schreibe ich mit v. d. Hagen, Groote, den Übersetzern und J.
- Grimm, sowie nach Hs. H (eine Lesart vonfrantzois icas)\ es kann nur Frame
- (Geschl. ?), Frankreich gemeint sein. Maßmann schreibt franze vielleicht
- wegen des folgenden gefranzet in V. 10909 und denkt wohl an: Franse.
- Xach Gottfried's Stile sind hier verschiedene Worte oder mindestens ver-
- schiedene Bedeutungen anzunehmen; vgl. Bech zu Erec 1546. — dermite auf
- snit zu beziehen: darnach. — 10907 da engegene adv., nicht: da entgegen,
- gegenüber, sondern wörtlich da in gegene, dabin zu, in der Gegend; vgl.
- 1175. — l(i908 Itte swf., eigentlich: Bergabhang, hier übertragen: Absen-
- kung des Wuchses, Hüfte. — 10909 gefranzet part. adj., mit Fransen ver-
- sehen; so wird das Wort immer gefasst; die Etymologie von Franse, ge-
- franst ist noch nicht sicher. Aus unserer Stelle scheint hervorzugehen,
- daß volksetymologisch das Wort mit Franze, Frankreich, zusammengestellt
- wurde. Ob aber wirklich gefranzet bedeutet: mit Fransen, ist mir un-
- wahrscheinlich. Auf den alten Trachtenbildern ist davon nichts zu seilen.
- Vielleicht: geschnürt? — engen swv., enge anschließend machen. —
- XV. DAS WAHRZEICHEN. 29
- näh' an ir lip getwenget 10910
- mit einem borten, der lac wol,
- da der borte ligen sol.
- der roc der was ir heinlich,
- er tete sich nähe zuo der lieh:
- crn truoc an keiner stat hin dan, 10915
- er suochte allenthalben an
- al von obene hin ze tal:
- er nam den valt iinde den val
- (275) und^r den füezen alse vil,
- als iuwer iegelicher wil. 10920
- der mantel was ze flize
- mit härminer wize
- innen al üz gezieret,
- bi zilen gefloitieret;
- er was ze kürz noch ze lanc: 10925
- er swebete, da er nider sanc,
- weder zer erden noch enbor.
- da stuont ein hövescher zobel vor
- der mäze, als in diu Mäze sneit,
- weder ze smäl noch ze breit, 10930
- lo'.UU twenfien swv. = zwängen, andrücken. — lliOll borte swni. ist hier
- deutlich =: Gürtel. — 10913 heinltcfi adj., liier bildlich: eng vertraut, wie
- mit ihr verwachsen. — 10914 lieh stf., hier ausnahmsweise: Körper; vgl.
- zu 1297. — 10915 /lin dan trayen entspricht unsenn: abstehen. — 1091« an
- Knochen, sich anschmiegen; vgl. 15741. — 1091S valt stm., Faltenwurf. —
- val stm. gebrauchen wir weniger von den Kleidern als das Verbum: fallen.
- — den valt (vgl. 109.^0) und den vai }ie>nen^=deT Rock schlug Falten und
- fiel (vgl. 15Ö92). — 10919 under den füezen. wohl nicht: «unter den Füßen«
- (Kurtz), wobei man an die Schleppe denkt (Simrock : i und sclileppt am
- Koden nach so viel»), sondern eher: zwischen den Füßen; der Rock
- schlug im Gehen Falten und war dabei doch so eng, daß es nicht gegen die
- Zucht verstieß und doch die Schönheit des Wuchses zum A'orscheiu kam.
- Durch diese Fassung gewinnt erst ai^e vil und die folgende fein humoristische
- Zeile einen Sinn. — 10921 ze ßize, hier: im Gegensatze, als Gegenstück (zum
- Rocke); vgl. Bech zu Gregor 3262. — 10922 n-Ue stf., Weiße [fast abgekom-
- men, Schwärze erhalten]. — 10924 zUe stf., Zeile, Reihe; Oi ztlen, reihweis.
- — gefloitieret nach Hs. II, W, F; die Nebenhandschriften haben ^e/Zo^/ere^,
- (jeßoreret B (Haupths. M fehlt), N, 0. Groote schreibt im Glossar flottireri,
- g'ßottieret und erklärt : «aus dem Franz. wahrscheinlich vonßot, daher wellen-
- förmig ausgezackt». Y. d. Hagen: «vermuthlich vom franz. ßotter, wogen.»
- INIhd. Wb. III, 3ö4: «wahrscheinlich ist yeßoijieret. vonßoijieren, schmücken,
- zu lesen; \gh ßoyir, ßoi/iere (wogen, schweben, flattern, lat. ßuere); oder
- yeß6ri>'rit ? doch könnte auch ßoitiemi eine Nebenform sein von ßuctuare
- wie dieses von ßuere. ^i Die Lesart geßorieret der Nebenhss. mit ihrer all-
- gemeinen Bedeutung ist abzuweisen; ßoitieren bedarf noch weiterer Erklä-
- rung. Aus dem Zusatz 6t zilen geht hervor, daß der Hermelin nicht aus
- glatt angesetzten Stücken bestand; wahrscheinlich bildeten die Zierde die
- Bcliwarzen Schwänzenden, die reihweis aufgelegt waren; und dieses gibt
- allerdings dem Pelze ein wellenartiges Ansehen. — 1092.5 das Mhd. kann
- vor noc/i das sonst übliche weder oder noch sparen, während wir unser:
- weder nicht missen können; vgl. 1388. — 10928 vor stän, als Vorstoß an-
- gesetzt sein. — 10929 Afäze personificiert. —
- 30
- XV. DAS WAHRZEICHEN.
- gesprenget, swärz ündc grä:
- swarz unde grä diu wären da
- also gemischet under ein ,
- daz ir dewederez da schein,
- der nam oiich sine krumbe
- reht' an der wize al umbe,
- da der zobel die fuoge nimet,
- da diz bi dem so wol gezimet.
- diu tassel, da diu selten sin,
- da was ein kleinez snuorlin
- von wizen berlin in getragen,
- da haete diu schoene in geslagen
- ir dümen von ir linken hant.
- die rehten h<"ete si gewant
- hin nider baz, ir wizzet wol,
- da man den mantel sliezen sol,
- und sloz in höveschliche enein
- mit ir vingeren zwein:
- vürbaz da viel er selbe wider
- und nam den \alt al z'ende nider,
- da man diz unde daz da sach,
- ich meine vederen unde tach:
- man sah ez innen und uzen
- und innerhalben lüzen
- daz bilde, daz diu Minne
- an übe und an dem sinne
- so schone h?ete gedraet:
- diu zwei, gedrset unde genaet,
- (276) diu envöllebrähten nie bäz
- ein lebende bilde danne daz.
- gevedere schächblicke
- die fingen da snedicke
- schächende dar unde dan:
- ich waene, Isöt.vil manegen man
- sin selbes da beroubete.
- 10935
- 10940
- 10945
- 10950
- 10955
- 10960
- 10965
- 10931 gesprenget part. adj., gesprenkelt, bunt. — gra adj. (im folgenden
- Verse substantivisch), grau. — 10933 under ein, seltene Wendung; unter-
- einander, zusammen. — 10939 tassel stn., Spange (zum Schließen des Man-
- tels). — 10941 in tragen, einsetzen, «anbringen» (Paul). Die erste Er-
- klärung in = einfassen, umschließen gebe ich auf; vgl. 11119. —
- 10952 vederen pl., hier insbesondere: Pelzwerk. — tach stn.. Decke (des
- Kleides), Überzug, Stoff (hier der Sammt) im (Gegensätze zum Futter. —
- 10953 s. zu 268S. — 10954 innerhalben adv. (dat. pl.), innerhalb ; vgl. 11188.
- — 10961 gei'eder adj., befiedert. — schächblic stm., Käuberblick, bildlich für:
- gefangen nehmender Blick. — 10962 snedicke adj., schneedick, dick wie
- Flocken. — 10963 schächen swv., rauben, auf Eaub ausgehen. —
- XV. DAS WAHRZEICHEN. 3t
- si triioc üf ir lioubete
- einen zirkel von golde
- smal, alse er wesen solde,
- geworht mit sprehem sinne.
- da lagen gimmen inne, 10970
- erwünschete steine
- vil lieht und iedoch kleine,
- die besten von dem lande:
- Smaragde und jacliande,
- Saphire und calzedone, 10975
- und wären die so schone
- wä unde wä dar in geleit,
- daz wercmannes wisheit
- nach rehter spseheite
- nie steine baz geleite. 10980
- da luhte gölt ünde golt,
- der Zirkel unde Isolt
- enwiderstrit ein ander an.
- da enwäs kein alse wise man ,
- htet' er der steine niht gesehen, 10985
- daz er iemer hiete verjehen,
- daz da kein zirkel wsere:
- so geli'ch und alse einbaere
- was ir här dem golde.
- Sus gieng Isöt Isolde, 10990
- diu töhter ir muoter bi,
- fro und aller sorgen fri.
- ir trite die wären unde ir swanc
- gemezzen weder kurz noch lanc
- und iedoch beider mäze. 10995
- si was an ir geläze p
- üfreht und offenbaere,
- gelich dem spärwsere.
- 10966 — 8(1 eutlelint vom Dichter des Schwankes von Aristoteles und Phillis.
- Gesamratab. Nr. II, V. 23H—2b2. — U)%7 zirkel stm., Reif. — 10972 iedoc/t
- adv., doch, entspriclit ziemlich unserm: dabei; trotzdem die Steine klein,
- zierlich waren, waren sie doch sehr glänzend; ein großer Stein gibt eben
- ein größeres Licht als ein kleiner. — 10974 jachant {jächant unerwiesen)
- stm., ein Edelstein; Hyacynth? — 10979 spoeheit stf , Kunstfertigkeit.
- 10991 — 11106 ebenfalls entlehnt in Aristoteles u. Ph. V. 269 — 2S4. —
- 10993 swanc stm., Schwang, (schwingende) Bewegung; vgl. 17161. — 10995 bei-
- der inaze, von beider Art, nämlich sowohl kurz als lang, d. h. weder das
- eine noch das andere. — 10997 offenbcere adj., (offenbar), offen; etwa:
- natürlich, ungezwungen; vgl. 12993. —
- 32 XV. DAS WAHRZEICHEN.
- (277) gcstreichet alse ein papegän;
- si liez ir ougen umbe gän llOCO
- als der välke üf dem aste;
- ze linde noch ze vaste
- hseten si beide ir weide.
- si weideten beide
- als ebene unde als lise 11005
- und in so süezer wise,
- daz da vil lützel ougen was ,
- in enwairen diu zwei Spiegelglas
- ein wunder unde ein wunne.
- diu wunne bernde sunne IIOIO
- si breite ir schin über al,
- si erfröute Hute unde sal
- suchende neben ir muoter hin.
- si zwo si wären uuder in
- in süezer unmuoze 11015
- mit zweier bände gruoze
- grüezende unde nigende,
- sprechende unde swigende.
- ir reht was an in beiden
- besetzet unde bescheiden: 11020
- ir eine gruozte, diu ander neic,
- diu muoter sprach , diu tohter sweic.
- diz triben die wol gezogen zwo:
- diz was ir unmuoze do.
- Nu daz sich Isot unde Isot, 11025
- diu sunne unde ir morgenrot,
- halten nider geläzen,
- dem künege bi gesäzen,
- nu nam der truhssez' allez war
- und frägete her unde dar, 11030
- wä der gewaltessere,
- der frouwen kemphe wsere.
- des was er unberihtet da.
- sine mäge nam er sä:
- 10999 gestreichet part. adj., gestreichelt (15885), glatt; vgl. 10365. 17542. —
- 11003 fg. weide stf. und weiden swv. braucht Gottfried öfters in solcher
- halb bildlichen Weise; vgl. 14381. 16760. 17827 fg. — 11019 reht stn., hier:
- Pflicht, Obliegenheit. — 11020 benetzen swv., hier: festsetzen, bestellen. —
- bescheiden stv., hier ebenfalls: festsetzen, bestimmen.
- 11031 gewaltesaere stm., Gewalthaber, der Gewaltige; vielleicht: Be-
- vollmächtigter:' —
- XV. DAS WAHRZEICHEN. 33
- der was ein micliel her umb' in. 11035
- vür den künec so gienc er hin.
- dem gerihte antwurte er sich:
- «nu herre», sprach er «hie bin ich
- (278) und vordere min kampfreht.
- ^vä ist nü der guote kneht, 11040
- der mich von minen eren
- hie -wallet umbe keren? »
- ich hän noch friunde unde man.
- ouch ist min reht so guot hier an ,
- tuet mir daz lantreht, alse ez sol, 110-45
- ich geteidinge wol.
- gewalt entsitze ich kleine,
- ir entiiot ez danne al eine.»
- «Truhsseze», sprach diu künigin
- «sol dirre kämpf unwendic sin, 11050
- sone weiz ich rehte, waz ich tuo:
- ich bin dar ungewaruet zuo.
- und zwäre Moltest dü'n noch län
- üf solhe rede understän,
- daz isot dirre maere 11055
- ledec und ane waere,
- truhsa^ze, zware ez koeme dir
- ze alse guoten staten als ir.»
- <(ledic?» sprach der ander dö
- {'ja frouwe, ir tsetet ouch also, llOGO
- ir liezet ouch gewannen spil.
- swaz ir geredet, ich wtene, ich wil
- mit fromen und mit eren
- von disem spile keren.
- ich hcete michel arebeit 11065
- unsinneclichen an geleit,
- solte ich nü dar vone gän:
- fromv', ich wil iuwer tohter hän:
- 11037 anlwürtcn svw. erklärt Groote: a sich überantworten, anvertrauen»;
- nach dem letzten Worte scheint mir antworten zu innerlich gefasst; um-
- gekehrt ist die Erklärung im mhd. Wb. III, 599'^ aer erschien vor dem
- Gerichte- wieder zu allgemein; sic/i antwürteu wird vielmelir entsprechen
- unserm: sich stellen. — 11046 geteidhu/en swv. , verst. teidingeii, tage-
- dingpH. vor Gericht verhandeln, processieren. — 11047 entsitzen stv,, fürch-
- ten [vgl. sich entsetzen].
- IIOÜO fg. sind irouisch zu fassen. — 11061 geicunnen spil lazcn, ge-
- wonnenes Spiel aufgeben, ungenützt lassen. — 110t>t5 an ie^c« = anwenden.
- GOTTFKIED VON STRASSBL'KG. II. 2. Aufl. 3
- 34 XV. DAS WAHRZEICHEN.
- daz ist daz ende dar an.
- ir wizzet in so wol, den man, 11070
- der den trachen da sluoc.
- den bringet, so ist der rede geniioo)
- «Trulisseze», sprach diu künigin
- «ich hcere wol, ez muoz et sin:
- ich muoz min selbe uemen war.» .11075
- si wincte Paranise dar:
- «gä hin!» sprach si «und brinc den man.»
- nu sähen s' alle ein ander an
- (279) ritter und barüne. 1
- under in wart michel rüne, 11080
- vil frage und manic mtere,
- wer der kempfe wsere.
- nune weste ez ir deheiner da.
- Hie mite kom euch geslichen sä
- diu stolze Brangsene, 11085
- daz schoBne volmaeue
- und füorte ze banden
- ir geverten Tristanden,
- diu stolze und diu wol gesite
- si gieug im siteliche mite, 11090
- an libe und an geläze
- liutsaelec üz der mäze,
- ir muotes stolz ünde fri.
- ouch gieng ir ir geverte bi
- in stolzlicher wise; 11095
- des dinc was ouch ze prise
- und ze wunder üf geleit
- an iegelicher saelekeit,
- diu den ritter schephen sol:
- ez stuont allez an im wol, 11100
- daz ze ritters lobe stät.
- sin geschepfede und sin wät
- die gehüllen wunnecliche enein:
- si bildeten under in zwein
- einen ritterlichen man. 11105
- 11090 siteliche adv., (sittlich), entspricht unserm: sittig (mhd. siiec),
- anstandsvoll. — 11092 liutscelec adj., nicht in unserm Sinne: leutselig,
- freundlich, herablassend, sondern: anrauthig, (»holdselig«. Kurtz. —
- XV. DAS WAHRZEICHEN. 35
- er truoc ciclädcs kleider an,
- diu wären üzer mäze rieh,
- fremede unde lobelicli.
- sine wären nilit von liove gegeben:
- daz golt daz was dar in geweben 11110
- niht in der hovemäzc:
- die si'diiien sträze
- die kos man kümeliclie da:
- si wären wä ünde wä
- so mit dem golde ertrenket 11115
- und in daz golt versenket,
- daz man daz werc da küme sacli.
- ein netze daz was üf daz tach
- (280) von kleinen berlih getragen:
- die maschen alse wit geslagen, 11120
- als ein liant an der breite hat.
- da durch so bran der ciclät
- rehte alse ein glüender kol.
- er was von timit' innen vol,
- vil brüner danne ein violate, 11125
- reht' ebenbrün der gloicn blate.
- der selbe pfelle der tet sich
- an den valt und an den strich
- alse nähe und alse wol,
- lUOG riclddes kleider, Kleider von ciclaf stm. Fremdwort (11122), mit GüIJ
- durchwirktet Seidenstoff. — llluT vzer -iitäte , über die Maßen, außerge-
- wöhnlich. — lllOy bezieht sich auf die Sitte, die fahrenden Leute mit
- Kleidern, namentlich mit getragenen, zu beschenken. — Hill ]toveinäz<',
- stf., Art und Weise des Hofes. Der Vers ist nur im Zusamnienliauge mit
- V. 11109 zu nehmen. Kostbare Stoffe trug man wohl am Hofe, aber mau
- vers^enkte solche nicht. In hoceinäze liegt wohl auch wortspielend zu-
- gleich der Begriff der Mäßigkeit und Zurückhaltung. — 11112 sträze stf.,
- liier : Streif. — 11115 für er/renken swv. würde ein neuerer Dichter: tränken
- sagen. — 11117 werc stn., hier: das Gewirkte, der Stoff. — llllS fach ist
- hier in demselben Sinne zu fassen wie in V. 10952, doch, weil kein Gegen-
- satz vorhanden, allgemeiner: Bekleidung, Bock. — 11119 tragen, liiere
- legen. — 11122 brinnen stv., brennen swv., glühen, glänzen; vgl. 11137. —
- 11123=17573. — 11124 tinat Btra. Fremdwort, gr. 0'|j.ito;, Seidenstoff, aus
- doppelten Fäden gewebt. — vol adj., gefüttert; vgl. zu 2548. — 11125 violate
- (Kürze erwiesen durch blate) stm. (sonst violät), veilchenfarber Stoff. —
- 1112*3 'jloie (auch (/leie) = affleie. agelfic, swf., Aglei, A(ji/ilf>gia LiunC, Rluwi-
- niis. — 11127 j)/elle stm. wird hier allgemein gesagt für die besondere Be-
- zeichnung ciclät, aber in eigener Bedeutung. — 1112S stric/i stm., wie noch
- heute: die Eichtung der Fäden im Gewebe der Länge nach. Die "Wen-
- dung wird nur dann verstanden, wenn pfelle nicht als Stoff im Allgemei-
- nen, sondern hier direct als «Goldgewebe» gefasst wird im Gegensatze zu
- dem verc von Seide. Die Goldgewebe sind leicht starr und fallen scliwer.
- Daß dies bei dem ciclät Tristan's, in dem das Gold so vorherrschend war,
- nicht stattfand, sollen uns diese Verse sagen. Das Goldgewebe schmiegte
- sich dem Faltenwurfe und dem Striche des Seidengewebes, dos eigentlichen
- Stoffes auf das engste an, wie wenn sie aus ein und denselben Fäden hc-
- stinden. —
- 3*
- 38 XV. DAS WAHRZEICHEN.
- Tristandes cuinpanjime
- die säzen üf den esterich:
- und aber also, daz iegelicli
- dem geribte imder ougen sacb, 11195
- und säben, swaz so da gescbacb.
- Hie mite buop von Tristande
- daz gesmde von dem lande
- (282) manec gerüne und manic zal.
- ich weiz ez wol, daz in dem sal 11200
- üz maneges mannes munde
- lobebrünnen vil begunde
- üf wallen unde enspriugen
- von allen sinen dingen:
- si sageten ime lop unde pris 11205
- maneger bände und manege wis.
- ir genuoge sprächen daz:
- «wa gescbüof ie got figiure baz
- ze ritterlichem rehte?
- hei, wie ist er vehte 11210
- und ze kampfwise
- gestellet so ze prise !
- wie sint diu kleider, diu er treit,
- so rilichen üf geleit!
- ezn gesäch nieman in Irlant 11215
- sus rehte kei serlich gewant.
- sin massenie diu ist gekleit
- mit küniclicher richeit.
- und Wcerlicbe, swer er si
- er ist müotes unde guotes fri. » 11220
- alsolher rede was da genuoc.
- der trühsceze der trüoc
- 11193 die Barone werden sich nicht glatt, ohne Sessel auf den esterich, den
- Fußboden («auf des Estrichs Dielen» Simrock) niedergelassen haben; aus
- der Stelle geht hervor, daß der Sitz des Königs erhöht war.
- 11199 gerüne stn., heimliches Sprechen, Geflüster. — 11202 lohehry.nnen
- ist gen. pl. von lobebrunne svvm., abh. von vil. Grimm d. Wb. 2435 hat
- den Fehler des mhd. \Yb. I, 270, wo hrwinen als Verbum angesetzt ist,
- bereits corrigiert, aber es ist nicht lohequellen zu lesen, sondern lobebrünnen
- mit «Lobquellen, /on^e.s laudisn zu übertragen ; ähnlich braucht der Dichter
- loberts 4645. — 11209 re//< stn., hier: Stand; im Kitterstande. ■ — 11211 la'upf-
- tcise stf., nicht eine bestimmte Art des Kampfes, sondern was zum Kampfe
- gehört, gebildet wie schifwtse 7348; das "Wort steht synonym mit vehte. —
- 11220 /rj adj., hier: unabliängig, unbeschränkt in seiner Gesinnung und
- in seinem Vermögen; d. h. er ist kein Vasall, sondern ein selbständiger
- Fürst, vom höchsten Stande. —
- XV. DAS WAHRZEICHEN. 39
- den czzicli in den ongen.
- diu rede ist äne lougen.
- Nu liiez man ruofen in den sal 11225
- eine stille über al.
- diz was getan; nii daz gescliacli,
- daz niemen wort noch halbez sprach,
- der künic sprach: «truhsseze, sprich,
- wes vermizzestu dich?» 11230
- (t herre , ich sluoc den serpant. »
- der gast stuont üf und sprach zehant:
- <(herr', ir entätet.» «herre, ich tete,
- ich bewiere ez wol an dirre stete.»
- «mit waz bewserde?» sprach Tristan. 11235
- «diz houbet, seht, daz brähte ich dan.»
- «herre künec», sprach Tristan do
- «Sit er des houbetes so
- (283) ze bewserde wil jehen,
- so heizet in daz houbet sehen: 11240
- vindet man die zungen da,
- ich entwiche mines rehtes sä
- und wil von minem kriege gän.»
- Sus wart daz houbet üf getan'
- und niht dar inne fuuden, 11245
- Tristan hiez an den stunden
- die zungen bringen : diu kom dar.
- «ir herren», sprach er «nemct war
- und seht, ob si des trachen si. »
- nu stuonden si's im alle bi 11250
- und jähen s' al gemeine
- wan der truhsaaze al eine,
- der wolte ez Widerreden ie;
- nunc wistc er aber rehte wie:
- der veige der bcgunde 11255
- mit zungen und mit munde,
- mit rede und mit oedanken
- 11223 nicht: er hatte schmerzende Tliräncn in den Augen, sondern: er
- machte ein saures Gesicht. — 11224 diu 7'eäe ist äne, lougen, formelhafte
- Wendung, die sich öfters findet, z. B. Engelhard 1224. änp lowjea subst.
- inf. stn., (ohne Läugnung), ohne Zweifel, wahr; vgl. zu 139>i').
- 1122") eine stille ruofen, Stillschweigen gebieten; vgl. 8700. — 11235 he-
- uicvrde stf., hier: äußerer Beweis, "Wahrzeichen. — 11242 entu-ichen stv. mit
- gen., von etwas abstehen. — 11243 Avjcc stm., Streit, hier insbesondere:
- Rechtsstreit, Process.
- 40 XV. DAS WAHKZEICHEN.
- schranken nnde wanken,
- er enkünde sprechen noch gelän,
- er enwiste, waz gehserde han. 112G0
- «ir herren alle», sprach Tristan
- «hie merket alle wunder an,
- wie sich diz hie ziio habe getragen,
- dö ich den trachen haete erslagen
- und ich im mit lihter arebeit . 11265
- üz sinem toten rächen sneit
- dise Zungen und si dannen truoc,
- daz er in sider ze tode sluoc.»
- die herren sprächen alle :
- «an disem lantschalle 11270
- ist lützel eren bejaget.
- swaz. iemen sprichet oder saget ,
- unser iegelich der weiz daz vrol,
- ob man ze rehte reden sol,
- der aller erste dar kam 112 '^5
- und die zungen da nam,
- der sluoc ouch den serpant.»
- des wart gevolget sä zehant.
- (284) Nu daz dem välschen gebrast
- unde der valschelöse gast 11280
- des lioves völge gewan ,
- «herre küuec», sprach aber Tristan
- «nu weset der triuwen gemant :
- iuwer töhter stät in miner hant.»
- der künec sprach: «herre, des gib' ich, 11285
- als ir gelobetet wider mich.^)
- 11258 scliranlen swv. wird Terscliieclen erklärt: Groote: «ausweichen,
- aus den Schranken treten, Ausflüchte suchen. o Hagen: aungewiss hin
- und her treten; . . . gleichsam auf schrägen Beinen watscheln.» Mhd.
- Wb. II. 2, 203'^: «Kreuz- und Quersprünge machen», schranken, hier syno-
- nym mit icanken: unsicher, gleichsam mit verschränkten Beinen gehen.. —
- 11259 gelän stv., verst. lern, lassen, unterlassen, steht ähnlich wie entuon;
- das Object sprechen oder mindestens ez zu ergänzen.
- 11279 geöresten stv., verst. bresfen (258) mit dat., gebrechen, fehlen,
- fehlschlagen. — 112^0 valscfidos adj., ohne Falsch, ehrlich. — 11283 Iriu-
- wcn gen. pl. ; triuv.e öfters im Plural; vgl. triuwen, entriuwen. — 11285 — 86
- Hermann Paul (zur Kritik u. Erkl. S. 13) schlägt vor, diese Verse um-
- zustellen, und den letzten an die Worte Tristan's anzuschließen. Die
- Überlieferung sämmtlicher Hss. spricht dagegen, und der Sinn lässt es
- nicht zu. Der König hat im Allgemeinen ein Versprechen gegeben, aber
- nicht speciell dem Tristan : umgekehrt hat aber Tristan dem Könige gegen-
- über etwas gelobt, nämlich die Erfülking einer Vorbedingung. Vgl. 11379,
- 11383. 11394. —
- XV. DAS WAHRZEICHEN. 41
- «nein herreo, sprach der valsclie dö
- «durch got, ensprechet niht also.
- swie ez hier umbe ergangen si,
- da ist zewäre uutriuwe bi 11290
- und ist mit valsche hie zuo komen.
- e aber mir werde bcnomcn
- min ere mit unrehte,
- si muoz mir e mit vehto
- und mit kämpfe hine gän : 11295
- herre, ich wil den kämpf bestän.»
- «truhsaeze», sprach diu wise Isöt
- «du teidingest äne not:
- mit wem wil du kampfrehten?
- dirre herre wil nilit vehten: 11300
- er hat doch an Isolde
- behabet, daz er wolde.
- er w£ere tumber danne ein kint,
- und vpehte er mit dir umbe den wint. »
- «war umbe, frouwe?» sprach Tristan 11305
- «e danne er j^ehe, daz wir'n hier an
- gewalten unde iinrehten,
- ich wil e mit im vehten.
- herr' unde frouwe, sprechet dar,
- gebietet ime daz, daz er var 11310
- wol balde wäfenen sich:
- bereite sich, als tuon ich mich.»
- Xu daz der truhsseze sach,
- daz sich diu rede ze kämpfe brach,
- sine mäge und sine man 11315
- die nam er alle und gie dan
- an eine spräche sunder
- und suochte rät hier undcr.
- (285) nu dühte si daz msere
- 1121)3 tcidingen svw., hier doppelsinnig: processicrcn und daneben : reden,
- schwatzen. — 11299 kainp/re/i(cn swv., das kampfreht ausüben, im gericlit-
- lichen Zweikampf fechten. — 11302 behüben swv. , hier: erhalten, erreichen.
- — 11307 'jewuUen swv. mit acc, einem Gewalt anthun [vgl. vergewaltigen
- mit acc] — unrchten swv. mit acc, einem Unrecht anthun; scheint eine
- Gottfriedische Bildung. Im mhd. Wb. II, 1, 615'* wird erklärt «begehe
- ein Unrecht», also intransitiv, und citiert daz wir hier an gewalten und
- unreht'^n (dagegen III, 47ti'' unter Gewalten mit acc. : daz u-irn u. s. w. «ihm
- Gewalt und Unrecht thun»); u-irn^=wir in steht in Hs. MundH; wir ime
- in W ; nur in F wir.
- 11314 brechen refl., hier wie in '>27?>: daß die Sache auf den Kampf
- hinauslaufen sollte; hier tritt möglicherweise dieBcdeutung von sich brechen
- = cinc Wendung machen, sich wenden mehr hervor. ■ —
- 42 XV. DAS WAHRZEICHEN.
- SO rehte lasterbsere, 11320
- daz er da lützel rätes vant.
- ir iegelicher sprach zeliant:
- «truhsseze, diniii tagedinc
- diu liseten boesen ursprinc,
- ze boesem ende sint euch komen. 11325
- waz hast du dich an genomen?
- wil du dich mit unrehte
- bieten ze vehte,
- daz gät dir westlich an daz leben.
- waz rätes mugen wir dir gegeben? 11330
- hie enhderet rät noch ere zuo :
- verliusest du daz leben nuo
- ze gar verlorner ere,
- so ist aber des schaden noch mere.
- uns dunket alle und sehen daz wol, 11335
- der wider dich da vehten sol,
- der ist ein geherzet man zer not.
- bestästu'n, zwäre ez ist din tot.
- Sit dich des välandes rät
- verraten an den eren hat, 11340
- so behabe dinen li'p doch.
- versuoche unde besieh noch,
- obe diz laster und die lüge
- iemen hin gelegen müge
- mit deheiner slahte maere. » 31345
- dö sprach der lügensere:
- «wie weit ir, daz ich daz getuo?»
- «da raten wir dir kurze zuo:
- gä wider in unde gich,
- dine friunt die heizen dich 11350
- dise vörderunge varen län :
- nu wellest du dervone gän.»
- Der truhsseze tete also,
- er gie widr in und seite do,
- sine mäge und sine man - 11355
- 11323 tagedinc stn., hier wohl wieder allgemein wie dinc, etwa: Händel;
- die Erklärung im mhd. Wb. I, 335 «deine Anträge auf Zweikampf» scheint
- mir zu eng; der übele Anfang datiert weiter zurück. — 11324 ursprinc stm.
- = Ursprung, Beginn. — 11329 wcetlich (zu loät) adv. (das Adj. fehlt bei
- Gottfried), eigentlich: schön, stattlich; dann wie hier übertragen: leicht,
- wahrscheinlich; vgl. 17885. 18272; der übertragenen und abgeschwächten
- Bedeutung mag eine Ironie zu Grunde liegen [vgl. unser: mit Glanz]. —
- 11341 beheben swv., hier: bewahren, retten. —
- XV. DAS WAHRZEICHEN. 43
- die Iireten iu genomen da van,
- nu wolte er ouch da von sin.
- «truhsceze», sprach diu künigin
- (286) «daz enwande ich niemer geleben,
- daz du iemer sollest üf gegeben 11360
- alse gar gewunnen spil.»
- alsolhes spottes wart da vil
- getriben über den palas.
- der arme truhs£eze was
- ir gige unde ir rotte; 11365
- si triben in mit spotte
- umbe und umbe als einen bal.
- da wart von spotte michel schal.
- sus nam der valsch ein ende
- mit oflfenlicher sehende. 11370
- 11356 da van y dervan nemen mit acc. , einen von etwas abbringen; vgl.
- 18405. — 11365 ir gige unde ir rotte, wie wir sagen: ihr Spielball, welches
- andere Bild dann auch gleich im Folgenden verwertJiet ist; ähnlich unser:
- einem mitspielen; rotte, vgl. zu 13123. — 11370 sehende stf., Schändung,
- Schmach; Gottfried gebraucht sonst schände (: Tristande: Engelande).
- XVI.
- DER MINNETRANK.
- Die Landesherren •willigen mit Freuden in die zwischen dem König
- und Tristan geschlossene Versöhnung und in dessen Werbung für König
- Marke. Tristan sichert das Land Kurnewal Isolden als Morgengabe zu.
- Die Jünglinge, die von Kurnewal und Engeland einst zum Zinse gegeben
- waren, werden frei. Während sich Tristan zur Heimfahrt rüstet, bereitet
- die Königin einen Minnetrank und übergibt das Glasgefäli der Obhvt ihrer
- Niftel Brangfene, die mit ihrer Tochter fahren soll. Sie möge, wenn sich
- Isolt und Marke in Liebe vereint hätten, ihnen diesen Trank statt Weines
- schenken, solle aber auf der Hut sein, daß niemand anders davon genieße.
- Schmerzlich ist Isoldens Abschied von Altern tind Heimat. Tristan sucht
- sie auf der Fahrt zu trösten, aber sie weist in Erinnerung an ihres Oheims
- Tod seine Zutraulichkeit zurück und klagt ihn an, daß er sie zu unge-
- wissem Looße aus dem Lande gelockt habe; lieber hätte sie den Truchseß
- genommen. Tristan beschwichtigt ihren Unmuth. — Während die Reisen-
- den Kühe halten und das Volk sicJi zur Erlustigung an das Land begibt,
- besucht Tristan die Königin und begehrt während des Zwiegesprächs zu
- trinken. Von einem der anwesenden Jungfräulein wird ihm jenes Gefäß
- mit dem Tranke für Wein gereicht. Tristan bietet das Glas vorerst der
- Herrin, sie trinkt und danach auch er. In diesem Augenblicke tritt Bran-
- gsene ein, erschrickt zum Tode, wirft das Glas in die See und bricht in
- Klagen aus. In Tristan's und Isoldens Herzen erwacht alsbald glühende
- Liebe.
- Do disiii rede geendet was,
- der künic seile in den palas
- sines ländes cumpaujünen,
- rittern und barünen,
- daz diz Tristan wtere, 11375
- und kunte in diz maere,
- als er ez lisete yernomen,
- war umbe er z'Iiiant wsere komen
- und wie er gelobet bsete,
- er solte ez ime da stsete 11380
- XVI. DER MINNETRANK. 45
- mit Markes fürsteii nicachen
- mit allen den Sachen,
- als er im vor beuancle.
- daz gesinde von Irlande
- was dirre mrere sere frö. 11385
- die lantlierren sprächen do,
- daz disiii suone wsere
- gevellic unde gehtere,
- wan langez hazzen under in
- tribe ie die zit mit schaden hin. 11390
- Der künec gebot unde bat,
- daz in Tristan an der stat
- der rede gewis trete,
- als er'm gelobet htete.
- er tete ouch also: Tristan 11395
- und alle sines herren man
- die swuoren ze dem male
- daz laut ze Kurne^yäle
- (287) ze morgengäbe Isolde,
- und daz si wesen solde 11400
- frouw' über allez Engelaut.
- hie mite bevalch Gurmün zehant
- Isolde haut von hande
- ir vinde Tristaude.
- ir vinde spriche ich umbe daz, 11405
- si was im dännoch gehaz.
- Tristan der nam si an sine haut:
- « künec 0, sprach er «hcrre von Irlant,
- wir biten iuch, min frouwe und ich,
- daz ir durch si und ouch durch mich, 11410
- ez sin ritter oder kint,
- die her ze zinse gegeben sint
- von Kurnewal und von Engelaut,
- die suln in miner frouwen haut
- billichen und von rehte sin, 11415
- wan si ist der lande künigin,
- daz ir ir die läzet fri.»
- «vil gerne», sprach der künec «daz si:
- 11383 vor benennen, hier: verheiloeu.
- 11406 gehaz adj., feind, feindselig gesinnt.
- 4.6 XVI. DER MINNETRANK.
- ez ist wöl mit minen minnen,
- varnt si alle mit iu hinnen.» 11420
- Der msere wart manc herze fro.
- • Tristan der hiez gewinnen dö
- einen kiel ze sinem kiele
- und daz oiich der geviele
- im selbem unde Isolde 11425
- und da zuo, swem er wolde.
- und alse ouch der bereite wart,
- Tristan bereite sich zer vart.
- in allen den enden,
- da man die eilenden 11430
- ze hove und in dem lande vant,
- die besande man zehant.
- Die wile und sich ouch Tristan
- mit sinen lantgesellen dan
- bereite unde berihte, 11435
- die wile so betihte
- Isot diu wise künigin
- in ein glaseväzzelin
- (288) einen tranc von minnen
- mit also kleinen sinnen 11440
- iif geleit und vor bedäht,
- mit solher krefte vollebräht,
- mit sweme sin ieman getraue,
- den muose er äne sinen danc
- vor allen dingen meinen, 11445
- und er da wider in einen:
- in was ein tot unde ein leben,
- ein triure, ein fröude samet gegeben.
- Den tranc den nam diu wise,
- si sprach Brangtenen lise: 11450
- u Brangsene )) , sprach si «niftel min,
- lä dir die rede niht swsere sin,
- 11435 berihien, hier entsprechend unserm: zurecht machen, synonym
- von bereiten. — 11436 betihten swv., hier wie in V. 4941, doch liegt hier
- wohl im Worte noch mehr der Begriff des Erfindungsreichen. — 11438 glase-
- väzzelin stn., Glasgefäßchen ; s. zu 11697. — 11440 kleine adj., hier: fein,
- genau, scharf, mit M. sinnen, mit Scharfsinn. — ll^i'i getrinken, hier; zu-
- sammen Cge-) trinken. — 11446 in einen (fiectierter Acc), ihn allein.
- XVI. DER MINNETRÄNK. 47
- du solt mit miuer toliter hin-,
- da nach so stelle diiieu sin,
- swaz ich dir sage, daz vernim: 11455
- diz glas mit disem tränke nim,
- daz habe in diner huote.
- hüet' es vor allem guote.
- sich, daz ez üf der erde
- lernen innen werde. 11-4GÜ
- bewar mit allem flize,
- daz es ieman cnbize.
- flize dich wol starke,
- swenn' Isot unde Marke
- enein der minne komen sin, 11465
- so schenke in disen tranc vür win
- und la si'n trinken üz enein.
- bewar daz, daz sin mit in zwein
- ieman enbize, daz ist sin,
- noch selbe entrinc es niht mit in. 11470
- der tranc der ist von minncn:
- daz habe in dinen sinnen,
- ich bevilhe dir Isöte
- vil tiure und vil genote.
- an ir so lit min beste leben. 11475
- ich unde si sin dir ergeben
- üf alle dine sj:elekeit:
- hie mite si dir genuoc geseit.«
- (289) «trüt frouwe», sprach Brangaene dö
- «ist iuwer beider wille also, 11480
- so sol ich gerne mit ir varn,
- ir ere und al ir dinc bewarn,
- so ich iemcr beste kan.«
- Urloup nam dö Tristan
- und al sin Hut hie unde dort. 11485
- si schieden ze AVeiscfort
- mit michelcn fröuden abe.
- nu volgete ime unz in die habe
- durch isöte minne
- künec unde küniginne 11490
- 11462 enbizen stv., genießen [vgl. Imbiß], — es gen., davon; vgl. sin
- 1146S. — 114t)5 enein kamen mit gen., in einer Sache zusammeukorameu,
- sich in etwas vereinen. — 11409 sm stm., hier: Verstand; das ist ver-
- ständig.
- 48 XVI. DER MINNETRANK.
- iiiid o\ ir massenie.
- sin iinverwände amie,
- sin iiiiverwantiu herzeiiot,
- diu liebte wimuecliclie Isot,
- diu was im z'allen ziten 11495
- weinende an der siten;
- ir vater, ir muoter beide
- vertriben mit manegem leide
- die selben kurzen stunde.
- manec öuge da begunde 11500
- riezen uude werden rot.
- Isot was maneges herzen not:
- si bar vil manegem herzen
- tougenlichen smerzen.
- diu weineten genote 11505
- ir ougen wunne, Isote.
- da was gemeine weine:
- si weineten gemeine
- vil herzen und vil ougen
- offenliche und tougen. ^ llölO
- und aber Isot und aber Isot,
- diu sunne unde ir morgenrot,
- und ouch daz volmasne
- diu schoene Brangajne,
- do si sich muosen scheiden, 11515
- diu eine von den beiden,
- do sach man jämer unde leit:
- diu getriuweliche Sicherheit
- (290) schiet sich mit manegem leide.
- isot kuste s' beide 11520
- dick' und ze manegem male.
- nu die von Kurnewäle
- unde ouch Irlandsere,
- der frouwen volgaere,
- alle ze schiffe wären komen 11525
- und hseten urloup genomen,
- Tristan der gie ze jungest in:
- 11492 aniie swf. Fremdwort, lat. amica, Freundin, Geliebte; fem. zu
- amis, (2679). — 11493 unverivant part. adj. (=Hs. M und H im Wortspiel
- mit unoerwänt), unwandelbar, beständig. — 11507 weine stf., das Weinen
- [nhd. aufgegeben; vgl. die Lache]. — 11518 Sicherheit stf., hier: das Bünd-
- niss, die Freundschaft, abstract für: die getreuen Freundinnen. — 11524 vol'
- goere stm. [erhalten: Verfolger, Nachfolger], einer aus dem Gefolge. —
- XVI. DER MINXETRANK. 49
- diu lielite jiiuge künigiu,
- diu blüome von Irlant,
- isüt diu gieng im an der liant 11530
- trürec undc sere uufrö.
- si zwei si nigeu dem lande dö
- und baten den gotes scgen
- der liute undc des landes pflegen.
- si stiezcn an und fuoren dan. 11535
- mit höher stimme huobcn s' an
- und suugen eines unde zwir:
- «in gotes namen varen wir!»
- und strichen allez hinewart.
- Isu was den frouwen zuo ir vart 11540
- mit Tristandes rate
- ein kielkemenäte
- nach heinlicher sache
- gegeben ze ir gemache.
- da was diu küniginne ' 11545
- mit ir juncfrouwen inne
- und mit in Uitzel dehein man
- wan underwilen Tristan:
- der gie wTlen dar in
- und tröste die künigin, 11550
- da si weinende saz.
- diu weinde unde klagete daz,
- daz si also von ir lande,
- da si die liute erkande,
- und von ir friunden allen schiet 11555
- und fuor mit der unkunden diet,
- sine wiste war öder wie.
- so tröste si Tristan ie
- (291) so er süozeste künde
- ze iegcHcher stunde, 11560
- alse er zuo ir triure kam.
- zwischen sin arme er si nam
- 11537 *'ines adv. gen., ciunial. — 11538 zu diesem Verse vgl. Hoffmauu's vou
- rallersleben Geschichte des deutschen Kirchenliedes bis auf Luther's
- Zeit, zweite Ausgabe (18.')4), S. 70 lg. Philipp Wackernagel: Das deutsche
- Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts
- (1S67), II, 515 fg.
- 11512 kielkemenäte swf. (4061), Schiffsgemach, Kajüte. — 11543 näc/i
- heinlicher sacfie = näcfi heinliche, der Abgeschlossenheit gemäß, und die
- ganze "Wendung := eine heinliche kielkeinenäle.
- GOTTFRIED VON STRASSI3UKG. 11. 2. Aufl. 4
- 50 XVI. DER 3IIXNETRANK.
- vil suoze imcle lise
- lind niuwan in der wise,
- als ein man sine frouwen sol. 11565
- der getriuwe der versach sich wol,
- daz er der schoenen wrere
- ein senfte ziio ir sw?ere.
- und alse dicke , als ez ergie ,
- daz er sin arme an si verlie, ' 11570
- so gedähte ie diu schoene Isot
- an ir oeheimes tot
- und sprach ie danne wider in:
- «lät stän, meister, habet iuch hin,
- tuot iuwer arme hin dän. 11575
- ir Sit ein harte müelich man:
- war umbe rüeret ir mich?»
- «ei, schoene, missetüon ich?»
- V,«jä ir, wan ich bin iu gehaz.»
- «sseligiu», sprach er «umbe waz?» 11580
- «'ir sluoget minen cehein.»
- «deist doch verstienet. » «des al ein:
- ir Sit mir doch unmsere,
- wan ich waer' äne swaere
- und äne sorge, enwaeret ir. 11585
- ir alterseine habet mir
- disen kümber allen üf geleit
- mit pärät und mit kündekeit.
- waz hat iuch mir ze schaden gesaut
- von Kurnewäle in Irlant? 11590
- die mich von kinde habent erzogen,
- den habet ir mich nu an ertrogen
- und füeret mich, i'n weiz wä hin.
- i'ne weiz, wie ich verkoufet bin
- 11565 man^ hier: der Untergebene im Gegensatze zn frouice , Herrin; Tri-
- stan steht im Mannenverhältnisse zu der Braut seines Königs. — 11574 'mei-
- ster, hier^fZes kieles meister (i<7b7), Kapitän und zugleich: Kammerherr,
- (11658. 11685), in dessen Obhut Isolt gegeben ist. — //m haben refl., sich
- ferne halten. — 11575 hin dun tuon, wegthun. — 11576 iniieitch adj. (zu
- inüejen 6027), (mühsam), lästig. — 11582 versüenen swv., sühnen, durch
- Versöhnung ausgleichen. — des al ein (=Hs. M, H und F -, nur W : daz ist)
- wohl nicht =z des, desf, daz ist al ein, das ist all eins, einerlei, sondern die
- Wendung ist elliptisch: wenn auch dessen, dessenungeachtet und insofern
- = einerlei! — 11586 alterseine adj., eigentlich: auf der Welt allein, ganz
- allein. — 11588 pärät stf., hier : Betrügerei; vgl. zu 874. — 11591 von kindr-,
- von Kind auf. — 11592 an ertriegen mit dat. (den) und acc. (mich), einem
- jemanden durch Betrug abgewinnen. —
- XVI. DER MINNETRANK. 51
- und eiiweiz ouch, waz iniu werden soI.» 11595
- «nein, schoene Isöt, gehabet iucli wol:
- ja müget ir michel gerner sin
- in fremde ein richiu künigin
- (292) dan in der künde arm unde swacli:
- in fremedem kmde er' nnde gemach IICOO
- und schäme in vater riche,
- diu smackent ungeliche.»
- «ja meister Tristan», sprach diu maget
- «ich nseme e, swaz ir mir gesaget,
- eine miezliche sache 11G05
- mit liehe und mit gemache
- dan Ungemach und areheit
- hi micheler richeit.»
- «ir redet war», sprach Tristan
- «swa man aber gehaben kan IIGIO
- die richeit bi gemache,
- die stiegen zwo sache
- die loufent baz gemeine
- danne ietwedere al eine.
- nu sprechet, wserc ez da zuo komen, 11C15
- daz ir müeset hän genomen
- den trühs?ezen ze manne,
- wie füere ez aber danne?
- ich weiz wol, so w?eret ir frö :
- und danket ir mir danne also, 11(520
- daz ich iu kom ze tröste
- und iuch von ime erloste?»
- «des wirt iu späte» sprach diu maget
- «von mir iemer danc gesaget:
- wan löstet ir mich von im dö, 11625
- ir habet mich aber sider so
- verklüteret mit swnere,
- 11595 waz min u-erd''n 3ol = uuaarm : was mit mir werdeu soll; vgl. Gr. 4,
- (;54. — 11599 kmide stf., hier; Heimat. — llf.Ol nc/nuue stf., (Scham),
- Schmach, Schande; bezieht sicli auf die Verbinduug der Isolt mit dem
- Truchselj, wovon dann im Folgenden ausführlicher die Rede. — vuirr
- riche 8tn. , wohl Zusammensetzung = Vaterland. — 11002 smackrn swv.,
- hier: schmecken, bildlich für: eine Wirkung liaben ; vgl. zu 120Ü9. —
- 11610 yehaben swv., verst. haben; in wohl der Begriff: zusammen. —
- 11'527 oeiklüteren swv. wird im mhd. Wörterbuclie oliue Erklilrung unter
- klüteren swv. (-verfertige kleine mechanische Arbeiten, ohne sie eigentlicli
- gelernt zu haben >• aufgeführt. Hildcbraud setzt Deutsches Wörterbuch
- 5, I2i;i klüterrn unter klittfrn au, welches in zwei Hauptbedeutungen aus-
- einandergeht, verkliiteren wird durch keine erklärt; Eecli weist verschie-
- dene hierhergehörige Worte nach, wenn auch nicht das zusammengesetzte
- Vcrbum; danach t"erWM/(?/vre = begaukeln, vorhexen. —
- 4*
- 52 XVI. DER MINNETRANK.
- daz mir noch lieber wsere
- der trühsreze ze manne genomen,
- dan ich mit iu wser' üz körnen: 11630
- wan swie tugendelos er si,
- wser' er mir keine wile bi,
- er lieze sin untugent durch mich,
- got weiz, dar an erkante ouch ich,
- daz ich im liei? wsere.» ■ 11635
- Tristan sprach: «disiu msere
- sint mir ein äventiure.
- daz wider der nätiure
- (293) dehein herze tugentliche tuo,
- da beeret michel arbeit zuo: 1164:0
- ez hat diu werlt vür eine lüge,
- daz iemer unart garten müge.
- schceniu, gehabet ir iuch wol.
- in kurzen ziten ich iu sol
- einen künec ze herren geben, 11645
- an dem ir fröude und schcene leben,
- guot unde tugent und ere
- vindet iemer mere.»
- Hie mite strichen die kiele hin.
- si beide hseten under in 11650
- guoten wint und guote var.
- nu was diu fröuwine schar,
- Isüt und ir gesinde
- in wazzer unde in winde
- des uugevertes ungewon. 11655
- unlanges komen si da von
- in ungewonliche not.
- Tristan ir meister do gebot,
- daz man ze lande schielte
- und eine ruowe hielte. 11660
- nu man gelante in eine habe,
- nu ffie daz volc almeistec abe
- 11628 fg. in der Participialconstruction nach liep (s. zu 218) steht der
- Nominativ statt des Accusativs in der neuen Infinitivconstruction. —
- 11637 dventiure stf., hier: Seltsamkeit. — 11642 unart stf., schlechte Art,
- Beschaffenheit. — garten, gearten swv., verst. arten, zur art werden, artig,
- gut werden.
- 11655 ungeverte stn. , hier: Beschwerlichkeit der Keise. — 11656 un-
- langes adv. gen., (unlängst), nicht lange, in Kurzem. — 11661 gelante prset.
- von gelenden swv., verst. lenclen, landen; doch ge- hier plusquamperf. —
- XVI. DER MINNETRANK. 53
- durch banelde üz an daz lant;
- IUI gienc oucli Tristan zehant
- begrüezen unde bescliouwen 11665
- die liebten sine fron wen;
- und alse er zuo ir nider gesaz,
- und redeten diz unde daz
- von ir beider dingen,
- er bat im trinken bringen. 11670
- nune was da niemen inne
- äne die küniginne
- wan kleiniu juncfrouwelin.
- der einez sprach: «seht, hie stät win
- in disein vazzeline. » 11675
- nein, ezn was nibt mit wine,
- doch ez im glich wtt're,
- ez was diu wernde sw^ere,
- (294) diu endelose herzenot,
- von der si beide lägen tot. 11680
- nu was ab ir daz unrekant:
- si stuont üf und gie hin zehant,
- da daz tranc und daz glas
- verborgen uAde behalten was.
- Tristande ir meister bot si daz: 11685
- er bot Isöte vürbäz.
- si tranc ungerne und über lanc
- und gap do Tristand', unde er tranc,
- und wänden beide, ez w^ere win,
- iemitteu gieng ouch Brangi^en' in 11690
- unde erkände daz glas
- und sach wol, waz der rede was:
- si erschräc so sere unde erkam,
- daz ez ir alle ir kraft benam
- und wart reht' alse ein töte var. 11695
- mit totem herzen gie si dar;
- si nam daz leide veige vaz,
- si truog ez dannen und warf daz
- llGtjö beschouwen swv., (beschauen), besuchen (wie sonst meist beseiten ge-
- braucht wird). — 11675 vazzelin, cäzzelin dim. zu vaz 11697. — 11681 un-
- rekant ■=unerkunt adj., unbekannt. — /r = dem kleinen Jungfiäulein. —
- 11687 über lanc {a,A'}.), nach einer Zeit; »erst nach einigem Sträuben.» Paul.
- — 11692 uaz dtr re<'e icuf . wie sich die Sache verhielt; vgl. zu 10335. —
- 1169.1 ein (dte, nicht: eine Todte, sondern: ein Todter; in solchen Fällen
- steht das Jlasculinum ; vgl. Gr. 4, l'st. — 11697 caz stn., Gefäß im all-
- gemeinen Sinn [Faß beschränkter, geht vielfach auf die Form; erhalten
- z. B. Tintenfaß]. —
- 51 XVI. DER MINNETRANK.
- iu den tobenden wilden se:
- «owe mir armen!» sprach si «owe, 11700
- daz ich zer werkle ie wart geborn!
- ich arme, wie hän ich verlorn
- min ere und mine triuwe!
- daz ez got iemer riuwe ,
- daz ich au dise reise ie kam, 11705
- daz mich der Tot dö niht ennara,
- dö ich an dise veige vart
- mit isot' ie bescheiden wart!
- ouw6 Tristan unde Isöt,
- diz traue ist iuwer beider tot!» 11710
- >
- Nu daz diu magct unde der man,
- Isot unde Tristan ,
- den traue getrunken beide, sä
- was oucli der werkle unmuoze da
- Minn', aller herzen lägaerin, 11715
- und sleich z'ir beider herzen in.
- e si's ie würden gewar,
- do stiez si ir sigevanen dar
- (295) und zoch si beide in ir gewalt:
- si wurden ein und einvalt, 11720
- die zwei und zwivalt wären e;
- si zwei enwären dö niht me
- widerwarten uiider in:
- Isute haz der was do hin.
- diu süenserinne Minne 11725
- diu haete ir beider sinne
- von hazze also gereinet,
- mit liebe also vereinet,
- daz ietweder dem andern was
- durchlüter alse ein Spiegelglas. 11730
- si haeten beide ein herze:
- ir sw?ere was sin smerze,
- sin smerze was ir swsere;
- si wären beide einba^re
- 31704 = 14404 r'niwen swv., hier: erbarmen; die Wendung fonneUiaft wie
- unser: daß Gott erbarm'!; vgl. 12131.
- 11715 lägrenn stf., die Xaclistelleiin, Verfolgerin ; vgl. zu 119.37. 13842.
- — 11720 einvalt adj., (einfältig», einig; vgl. zu 19398. — 11725 süencerinne
- stf., Sühnerin, Versöhnerin. — 11730 durchlüter adj., durch und durch klar,
- durchsichtig; vgl. 1698S. —
- XVI. DER MIKNETRANK. 55
- au liebe unde an leide 11735
- und liäleii sich doch beide,
- und tete daz zwivel unde schäm:
- si schämte sich, er tete alsam;
- si zwivelte an im, er an ir.
- swie blint ir beider herzen gir 11740
- an einem willen wa3re,
- in was doch beiden swsere
- der urhap unde der begin:
- daz hal ir willen under in.
- Tristan, dö er der minne enpfant, 11745
- er gcdähte sä zehant
- der triuwen unde der eren
- und wolte dannen keren:
- «nein», dähte er allez wider sich,
- «lä stän, Tristan, vcrsinne dich, 11750
- niemer genim es keine war. »
- so wolte et ie daz herze dar;
- wider si'nem willen kricgete er,
- er gerte wider siner ger:
- er wolte dar und wolte dan. 11755
- der vergangene man
- versuochte ez in dem stricke
- ofte unde dicke
- (290) und was des lange st^te.
- der getriuwe der hrete 117G0
- zwei nähe gendiu ungemach :
- sweuu' er ir under ougen sach,
- und ime diu süeze Minne
- sin herze und sine sinne
- mit ir begunde seren,^ 11765
- so gedähte er ic der Eren,
- diu nam in dänne dervan.
- hie mite so kerte in aber an
- Minne . sin crbevofrctin :
- 11743 urhap stn., Anfang.
- 11753 kriryen swv., streben, trachten wollen. — 1175(j vtnjan'jtn adj. part.,
- der sich vergangen, verirrt hat. — 11757 atric stm., Strick, Bestrickuug;
- ein Bihl aus dem Jägerleben , ^welclies Gottfried öfters anwendet; vgl.
- 12179 fg. 13HS5. 19111. — IHiitJ Kra fem., hier personificiert, darum auch
- swf. ; dies nachzutragen zu Bcnecke's Bemerkung zu Iwein 1579. — 117*i3 an
- kCrcn mit acc, sich zu einem wenden, einen angreifen. — 117G9 erlccoge-
- t'm stf., Erblierrin, bildlich für die Macht, der er nicht cntgelien kann. —
- 56 XVI. DER MINNETRANK.
- der miiose er aber gevolgec sin. 11770
- in muoten harte sere
- sin triuwe und sin ere,
- so muote in aber diu Minne me,
- diu tete ime wirs danne we:
- si tete im me ze leide 11775
- dan Triuwe und Ere beide.
- sin herze sach si lachende an
- und nam sin öuge dervan.
- als er ir aber niht ensach,
- daz was sin meistez uügemach. 11780
- dicke besazte er sinen muot,
- als der gevängene tuot,
- wie er ir möhte entwenken,
- und begünde ofte denken:
- okere dar öder her, 11785
- verwandele dise ger,
- minn' unde meine anderswä!»
- so was ie dirre stric da.
- er nam sin herze und sinen sin
- und suochte anderunge in in, 11790
- sone was ie niht dar inne
- wan Isöt unde minne.
- Alsam geschach Isote:
- si versüochte ez euch genote,
- ir was diz leben ouch ande. 11795
- dö si den lim erkande
- der gespenstigen Minne
- und sach wol, daz ir sinne
- (297) dar in versenket wären,
- si begünde staten vären, 11800
- si weite üz unde dan:
- so klebete ir ie der lim an;
- der zoch si wider unde nider.
- 117S1 besetzen swv., hier wie in V. 7311. -z 11783 entwenken swv., ent-
- weichen, entfliehen. — 11790 anderunge stf , Änderung, Abwechselung.
- 11796 vgl. das ähnliche Bild in V. 845 fg. — 11800 s taten ( = F; staden
- B; M fehlt) gen. pl. von state , Gelegenheit, welches Wort wir auch im
- Plural gebrauchen: Gelegenheiten; öfters nicht ersichtlich, ob State im.
- Plural steht; ganz gewöhnlich ist bekanntlich ze staten, nhd. zu statten;
- der Singular State bei vären swv., erlauern, ersiiähen, in V. 11932; ähn-
- liche Wendung in V. 1455-1 fg. (Groote nach H Stades [W statesl, ebenso
- V. d. Hagen und Maümann.) —
- XVI. DER MIXXETRAXK. 57
- diu sclioeiic strcbetc allez wider
- und stuont an iogelichem trite. 11805
- si volgete ungcruc mite;
- si versuochte ez manegen enden:
- mit füezen und mit henden
- nam si vil manege kere
- unde versancte ie mere 11810
- ir hende unde ir füeze
- in die blinden süeze
- des mannes unde der minne.
- ir gelimeten sinne
- die enkünden niender hin gewogen 11815
- noch gebrucken noch gestegen
- halben fuoz noch halben trite,
- diu minne enwsere ie da mite.
- Isüt swar si gedähte,
- swaz gedankc si vür brähte, 11820
- sone was ie diz noch daz dar au
- wan minne unde Tristan:
- und was daz allcz tougen.
- ir herze unde ir ougen
- diu missehullen undcr in: 11825
- diu schäme diu jagete ir ougen hin,
- diu minne zoch ir herze dar. «
- diu widerwärtige schar
- maget unde man, minn' unde schäm
- diu was an ir ser' irresam: 11830
- diu maget diu wöite den man
- und warf ir ougen dar van;
- diu schäme diu wolte minnen
- und brahtc es uiemen innen.
- waz truoc daz vür? schäm unde maget, 11835
- als al diu werlt gemeine saget,
- llSOö stän. hier: stehen bleiben. — IIS07 manejen enden adv, dat., nach
- manchen Seiten hin, auf mancherlei Weise; vgl. 6020. — 11S14 g-Himet
- pari, adj., gefesselt; der Ausdruck würde heute nicht mehr edel sein ; v?!.
- auch zu S65; ebenso wie der Sinn werden die Augen rjeltmet genannt in
- V. 1190S. — llSlö fg. geiregcn (unentsclneden ob stv. oder swv.) heißt zu-
- nächst: sich bewegen, ist zugleich aber auch als Verbum von w-?c gebildet
- das verstärkte ^cegen (vgl. V. -lo), Wege bereiten. Dieser Doppelsinn des
- Wortes veranlasst dann den Dichter zu g^örucken. Brücke bereiten, und
- gestegen, Stege bereiten. — 11S17 vgl. die Wendung in V. ir)S2. — trite-=
- (rit. Tritt; Plural ist wohl kaum gemeint; Änderung (rii : mit wäre ge-
- wagt. — 11S28 iciderwartic adj., (widerwärtig), feindlich, entgegenstrebend. —
- 58 XVI. DER MINNETRANK.
- diu siiit ein also liaele dinc,
- so kurze wernde ein ursprinc,
- (298) sine liäbent sich niht lange wider.
- Isüt diu leite ir kriec dernider 11840
- und tete, als ez ir was gewant:
- diu sigelöse ergap zehant
- ir lip unde ir sinne
- dem manne unde der minne.
- si Llicte underwilen dar 11845
- und nam sin tougenliclie war:
- ir klären ougen unde ir sin
- die geliüllen do wol und er in.
- ir herze unde ir ougen
- diu schächeten vil tougen 11850
- und liepliehen an den man.
- der man der sach si wider an
- suoze und inneclichen.
- er begünde ouch entwichen,
- des in diu minne niht erlie. H855
- man unde iriaget si gäben ie
- ze iegelichen stunden,
- so si mit fuogen künden,
- ein ander ougenweide.
- die gelieben dühten beide 11860
- ein ander schoener vil dan e.
- deist liebe reht, deist minnen e:
- ez ist hiure und was ouch vert
- und ist, die wile minne wert,
- under gelieben allen, 11865
- daz s' ein ander baz gevallen ,
- so liebe an in wahsende wirt,
- diu bluomen unde den wuocher birt
- lieplicher dinge,
- dan an dem urspringe. 11870
- 11837 Jude SLtlj., verhohlen, dunkel, räthselhaft; vgl. zu 12700. — U83S mhd.
- Wortstellung, nhd. Schachtelang nöthig (vgl. 999): ein so knrz wäh-
- render ursprinc stm., hier: Hervorsprießen, etwa: Pflanze, Schöpfung. —
- 11839 U'ider haben refl., sich entgegenhalten, sich widersetzen, Widerstand
- leisten. — 11840 Ar?ec stm., Krieg, Kampf, Widerstreit. — 11848 under in
- gehellen stv., s. zu 892. — 118.54 entwichen stv., zurückweichen, nachgeben.
- — 11855 erläzen mit acc. und gen. (des nach B, N; dez W) wie in V. 542fi;
- des = dem, des. — 11862 e stf., hier synonym mit rehl. — 11863 vert adv.,
- vorjährig. — 11868 wuocher stm., Ertrag, Frucht. — 11870 ursprinc stm.,
- hier wieder: Ursprung, Anfang. —
- XVI. DER MINNETRAXK. 59
- diu wuocherbafte miiiiie
- diu schcenet nach beginne:
- daz ist der säme, den si hat,
- von dem si niemer zergät.
- Si dunket schoener sit dan e. 11875
- da von so tiuret minnen e.
- r/ediuhte minne sit als e,
- so zergienge schiere minnen e.
- MS71 u-uocherlta/t adj., Früchte tragend.
- 11876 tiuren swv., tiure werden, sich verschönen.
- XVII.
- DAS GESTÄNDNISS.
- Während der Weiterfahrt kommen die Liebenden einander leise näher
- nnd gestehen sich endlich in einsamer Stunde ihre Herzensneigung. Kur
- eine bemerkt ihres Wesens Veränderung und ihre Vertrautheit. BrangaBue
- befragt sie besorgt um den Grund ihres Ungemachs. Tristan bekennt seine
- und Isoldens Minne und klagt Brang£Enen an, sie irre und störe sie beide
- und sei schuld, wenn sie sterben müssten. Brangsene will ihnen nicht im
- Wege sein, räth ihnen aber zu strenger Verschwiegenheit. Des Nachts
- gibt Minne die Arztin die Liebenden einander zur Heilung ihres Siech-
- thums. — Hier schaltet der Dichter im Hinblick auf die Beseligung eines
- solchen Bündnisses eine kurze Betrachtung ein über die Liebe, die jetzt
- so selten in Wahrheit begehrt werde, von der nur der Name noch bestehe
- und die feil geworden sei. — Fortan ist es Tristan und Isolt wohl auf der
- Fahrt, nur das eine bekümmert sie , daß Isolt einem ungeliebten Manne
- werden solle, auch macht ihnen Isoldens «Weibheit» Sorge. In Kurne-
- wals Nähe freuen sich alle der baldigen Ankunft, nur nicht Tristan und
- Isolt. Diese bangen um ihre Ehre; aber das listige Mädchen weiß doch
- einen Rath und Ausweg zu finden.
- (299) Die kiele stiezen aber an
- und fiioren fröliche dan, 11880
- wan alse vil, daz Minne
- zwei herze dar inne
- von ir sträze haete brälit.
- diu zwei diu wären verdäht.
- bekümberet beide 11885
- mit dem lieben leide,
- daz solhiu wunder stellet:
- 11879 s. zu 2307. — 11SS7 stellen swv., hier: bewerkstelligen, ver-
- ursachen. —
- XVII. DAS GESTÄNDNISS. Gl
- daz Loncgeude gellet,
- daz süezeude siuret,
- daz touweude fiuret, 11890
- daz senfteiide smerzct,
- daz elliu herze entharzet
- und al die werlt verkeret:
- daz licete si verseret,
- Tristauden unde Isöte. 11895
- si twanc ein not genote
- und in selts?ener ahte:
- ir dewederez enmahte
- gehaben riiowe noch gemach,
- wan so ez daz ändere sach. 11900
- so si aber ein ander sähen,
- daz gieng in aber nähen,
- wan si enmohten under in zwein
- ir willen uiht gehaben enein:
- daz geschüof diu fremede und diu schäm, 11905
- diu in ir wunue benam,
- so si eteswenne tougen
- mit gelimeten ougen
- ein ander solten nemen war,
- so wart ir lieh geliche var 11910
- dem herzen unde dem sinne.
- Minne diu verwerraerinne,
- die endCihte es niht da mite genuoc,
- daz man si in edelen herzen truoc
- verholen unde tougen, 11915
- sine wülte undcr ougen
- 11S88 liuiiegend part. prses. von honegen, homyen swv. intrans. (179SG), voll
- Honig sein; daz honegendc bildlich für: das Süße. — geilen swv. traus., ver-
- gällen, verbittern. — ll^SS süezen swv. intrans., süß sein, süß schmecken
- (wohl nicht: süß maclicn wie in V. S311). — sturen swv., säuern, versäuern.
- — 11>90 touwen swv., thauen, nässen. — ßuren swv., feuerig machen, ent-
- zünden; vgl. zu iSOtjtJ. — li:sül sen/ten swv., selten wie hier intransitiv:
- senfte, sanft sein, wohlthun, behagen; vgl. 19117 und zu 100. — smerzen
- 8WV., in Schmerz verwandeln [nhd. schmerzen swv. intrans. :=mhd. &merzen
- stv.]. — llSy2 cntherzeii swv., des Herzens, der Besinnung berauben [vgl.
- entseelen]. — 11905 fremede stf., hier: das Fremdsein, Unvertrauthelt,
- Zurücklialtung ; vgl. 12041. — li9l2 verv-erra: rinne stf., Verwirreriu, Be-
- strickerin; diese Lesart nach Hs. \V, F, B und N scheint mir ganz dem
- Stile Gottfried's zu entsprechen, zumal er auch veruerren öfters gebraucht
- (vgl. auch strickarinne in V. l'JlsO), wogegen die Lesart von Hs. H und
- O periftTfHwe^ Färberin eher durclx falsche Lesung (ceriver'inne) 2^\\?> jener
- entstanden sein kann als umgekehrt; wegen ItcJi und var in V. 11910 und
- varu-e 11919 fg. gewinnt allerdings verwerinne einen Halt, allein so specielle
- Beinamen braucht Gottfried sonst nicht von der Minne, außer etwa arzä-
- tinne; vgl. auch 1754U fg. — 11916 under ougen hier=i/7i(/cr den ougen, im
- Antlitz (vgl. zu 739), augenscheinlich, offen. —
- 62 XVII. DAS GESTÄ^'DN16S.
- oucli offenboereii ir gewalt:
- der was an in zwein manicvalt.
- (300) unlange enein ir varwe erschein,
- ir varwe schein unlange enein: 11920
- si wehselten genöte
- bleich wider rOte,
- si wurden rot unde bleich,
- als ez diu Minne in understreich.
- hie mite erkande iewederez wol, 11925
- als man an solhen dingen sol,
- daz eteswaz von minnen
- in ietwederes sinnen
- ze dem andern was gewant,
- unde begunden ouch zehant 11930
- liepliche enein gebären,
- zit' unde State vären
- ir rüne unde ir maäre.
- der minnen wildenoere
- leiten ein ander dicke 11935
- ir netze unde ir stricke,
- ir warte unde ir läge
- mit antwürt' und mit frage :
- si triben vil msere under in.
- isote rede und ir begin 11940
- daz was vil rehte in megede wis:
- si kom ir trüt und ir amis
- alumbe her von verren an:
- von ende mante si her dan,
- wie er ze Develine 11945
- in einem schiifeline
- geflozzen wunt und eine kam;
- wie in ir muoter an sich nam
- und wie si'n ouch generte;
- von allem dem geverte, 11950
- wie si selbe in siner pflege
- schriben lernete alle wege,
- 11924 understnchen stv. ist im mhd. Wörterbuch II, 2, 687^* uacli Wacker-
- nagel erklärt: cmalen mit wechselnden Farben»; ich glaube vielmehr, daß
- hier Ellipse zu Grunde liegt = un(Ier ouffen strichen, also etwa : einstreichen,
- einmalen; vgl, 17545, Bech: understnchen, allgemein = schminken, färben.
- — 11935 fg. legen sagen wir noch in Verbindung mit: Fallstrick, Hinter-
- halt; hier auch nacheinander verbunden mit netze, warte (s. zu 3427) und
- läge stf. = Hinterhalt; rgl, die ähnlichen Wendungen in V. 13706. 14372 (lüge
- und läge). 16797 (rät legeyi), —
- XVII. DAS GESTÄNDNISS. Go
- latine uiule seitespil.
- der iimberede der was vil,
- die si im vür ougeu leite 11955
- von siner manlieite.
- lind ouch von dem serpande ;
- und wie si'n zwir erkande
- (301) in dem mose und in dem bade.
- diu rede was uuder in gerade, 11960
- si Seite ime und er seit' ir.
- «a», sprach Isöt «do ez sich mir
- ze also guoten staten getruoc,
- daz ich iuch in dem bade niht sluoc,
- got herre , wie gewarb ich so! 11965
- daz ich nu weiz, wist' ich ez do,
- benamen so waere ez iuwcr tot.»
- «war umbe?» sprach er «schcene Isöt.
- waz wirret iu? waz wizzet ir?»
- «swaz ich weiz, daz wirret mir; 11970
- swaz ich ich sihe. daz tuet mir we:
- mich müejet himel uudc se;
- lip unde leben daz swaeret mich.»
- si stiurte unde leinde sich
- mit ir ellebogen au in: 11975
- daz was der beide ein begin.
- ir spiegelliehten ougen
- diu vülleten tougen.
- ir begünde ir herze quellen,
- ir süezer munt üf swellen, 11980
- ir houbet daz wac allez nider.
- ir friunt begunde ouch si dar wider
- mit armen umbevahen,
- ze verre noch ze nähen
- niwan iu gastes wise. 11985
- er sprach suoz' unde lise:
- «ei, schoene süeze, saget mir:
- waz wirret iu, waz klaget ir?»
- Iiy54 uutberede stf., Herumreden, Unischweif. — U'jOO gerade adj., gleicli,
- gleichartig; vgl. 16856 fg. — 11973 swuren swv. mit acc, beschweren, be-
- trüben; vgl. 11991. 12Ü27 u. zu 7281. — 11974 stiuren swv. refl., sich
- stützen. — 11976 beide stf. (von bnlt ; vgl. 1096. 12039), Kühnheit; vgl. zu
- 8966. — 1197s vollen swv.. voll werden. — 11979 stv., hier (iu an-
- derer Bedeutung als in V. Il2(i3=:uhd.) ; schwellen, sich dehnen [nhd.
- vom Backwerk gebraucht]. — 119S1 nidfr icegen stv., sich niederwärts be-
- wegen, sich neigen. — 11985 gast stm., hier: Fremder, Fernstehender.
- 64: XVII. DAS GESTÄXDNISS.
- Der Miniieii vederspil Isot,
- «lameir» sprach si «daz ist min not, 11990
- lameir daz s\Y8eret mir den mnot,
- lameir ist, daz mir leide tuot. »
- do si lameir so dicke sprach,
- er bedähte unde besach
- anclichen unde kleine 11995
- des selben wortes meine.
- BUS begünde er sich versinnen,
- l'ameir daz wa3re minnen,
- (302) l'ameir bitter, la meir mer:
- der meine der dühte in ein her. 12000
- er übersach der drier ein
- unde frägete von den zvvein :
- er versweic die minne,
- ir beider vogetinne,
- ir beider trost, ir beider ger; 12005
- mer unde sür beredete er:
- ((ich wsene», sprach er «schoen« Isot,
- mer unde sür sint iuwer not;
- iu smecket mer unde wint:
- ich W3ene, iu diu zwei bitter sint.» 12010
- «nein, herre, nein! waz saget ir?
- der dewederez wirret mir,
- mir ensmecket weder luft noch se:
- lameir al eine tuot mir we.»
- Do er des wertes z'ende kam, 12015
- minne dar i'nne vernam,
- er sprach vil tougenliche z'ir:
- «entriuwen, schoene, als ist ouch mir,
- lameir und ir, ir sit min not.
- herzefrouwe, liebe Isot, 12020
- ir eine und iuwer minne
- ir habt mir mine sinne
- gar verkeret unde benomen,
- ich bin üzer wege komen
- so starke und also sere: 12025
- 11990 lameir, vieldeutiges Fremdwort, im Polgenden entwickelt. —
- 12006 bereden swv., besprechen, erwähnen; vgl. 5450. 17191. — 12009 smecken
- swv. mit dat., übel schmecken, einen widerlichen Eindruck machen.
- 12024 uzer prcep. mit dat., (außer), aus mit dat., außerhalb mit gen.;
- vgl. zu 11107. 15798. —
- XVir. DAS GESTÄNDNISS. 65
- ich erhol mich niemer mere.
- mich müejet und mich sw?eret,
- mir swachet unde unmferet
- allez, daz min oiige siht:
- in al der werkle enist mir niht 12030
- in minem herzen liep wan ir.»
- Isot sprach: «herre, als sit ir mir.»
- Do die gelieben under in
- beide erkanten einen sin,
- ein herze und einen willen, 12035
- ez begünde in beide stillen
- und offenen ir ungemach.
- ietwcderez sprach unde sach
- (303) daz ander baltlicher an:
- der man die maget, diu maget den man. 12040
- fremd' under in diu was do hin:
- er kuste si und Bi kust' in
- lieplichen unde suoze.
- daz was der minnen buoze
- ein sseleclicher anevanc. 12045
- ietwedcrz schancte unde tranc
- die süeze , diu von herzen gie.
- so si die State gewunnen ie,
- so gie der weh sei under in
- suchende her unde hin 12050
- vil tougeulichen unde also,
- daz niemen in der werlde do
- ir willen unde ir muot bevant
- wan si, der er doch was erkant.
- Brangsene diu wise, 12055
- diu blicte dicke lise
- und vil tougenliche dar
- und nam ir tougenheite war
- und dähte dicke wider sich:
- «ouwi, nü verstau ich mich, 12060
- diu minne hebet mit disen an.»
- 12028 sicachen swv, mit dat., swach , gering, wcrthlos , gleichgültig
- ■werden.
- 12044 der minnen buoze (oder mit Kurtz Zusammensetzung minnen-
- buozef), der Heilung von der Licbcsnoth, ist gen. abhängig von anecanc;
- ebenso gut auch als dat. zu fassen : für die Minnebuße. — 12049 u-eftsel
- 8tm., hier: der gegenseitige Verkehr [vgl. Liebeshandel]; vgl. zu 129S5.
- GOTTFRIED VON STEASSEURG. 11. 2. Aufl. .')
- 66 XVII. DAS GESTÄNDNISS.
- vil schiere wart, daz si began
- den ernest an in beiden sehen
- und uzen an ir libe spelien
- den inneren smerzen 12065
- ir muotes unde ir herzen.
- si muote ir beider ungemach,
- wan si si z'allen ziten sach
- ameiren unde amüren,
- siuften unde trüren, 12070
- trabten und pensieren,
- ir varwe wandelieren.
- sin' genä'men nie vor trabte war
- deheiner slahte lipnar,
- biz si der mangel und daz leit 12075
- an dem libe als überstreit,
- daz ez Brangsenen angest nam
- und ir diu vorhte da von kam,
- (304) ez waere ir beider ende,
- und dähte; «nü genende, 12080
- ervar, waz dirre rasere si!»
- Si gesäz in eines tages bi
- heinlichen unde lise,
- diu stolze, diu wise:
- «hie ist niemen» sprach si «wan wir driu: 12085
- saget mir ir zwei, waz wirret iu?
- ich sihe iuch z'allen stunden
- mit trähte gebunden,
- siuften, trüren unde klagen.»
- «höfsche, getorste ich'z iu gesagen, 12090
- ich sagete ez iu» sprach Tristan,
- «ja herre, vil woi: sprechet an;
- swaz ir weit, daz saget mir!»
- «sseligiu, guotiu», sprach er z'ir
- «i'n getär nilit sprechen vürbaz, 12095
- irn gewisset uns e daz
- mit triuwen und mit eiden,
- daz ir uns armen beiden
- 12069 ameiren swv. Premdwort , deutsche Bildung von ameir, l'ameir
- = amer, amare, lieben. — aiiiuren swv. Fremdwort, deutsche Bildung von
- ainur (1360), amour , amor, lieben. Dieselbe Verbindung beider Worte in
- V. 14914. Ygl. Jacob Grimm, Kl. Sehr. 1, 343 Anmerk. — 12071 pensieren
- swv. Fremdwort, franz. penser. synonym mit irahten.
- XVII. DAS GESTÄNDNISS. 67
- giiot iiiule genaedic wellet wesen :
- anders so sin wir ungenesen.» 12100
- Brangsene bot ir triuwe hin:
- si gelöbete iinde gewissete in
- mit ir triuwen und mit gote
- ze lebene nach ir geböte.
- «getriuwiu, guotiu», sprach Tristan 12105
- «nu sehet et got ze vorderst an
- und da nach iuwer saelekeit:
- bedenket unser zweier leit
- und unser angesliche not.
- ich armer und diu arme Isot, 12110
- i'ne weiz, wie'z uns Ergangen ist,
- wir zwei wir sin in kurzer frist
- unsinnic Avorden beide
- mit wunderlichem leide:
- wir sterben von minnen 12115
- und enkünnen niht geAvinnen
- weder zit noch State derzuo;
- ir irret uns spät' unde fruo,
- (305) und sicherliche sterben wir:
- da ist niemen schuldic an wan ir: 12120
- unser tot und unser leben
- diu sint in iuwer haut gegeben.
- hie mite ist iu genuoc gesaget.
- Brangsene, saeligiu maget,
- nu helfet unde genädet ir 12125
- iuAverr frouwen unde mir.»
- Brangsene Avider Isote sprach:
- "frouwe, ist iuAver ungemach,
- als er da gibt, von solher not?»
- wjä, herzeniftel» sprach Isöt. 12130
- Brangosne sprach: «daz riuwo got,
- daz der välant sinen spot
- mit uns alsus gemachet hat!
- nu sihe ich wol, es ist niht rät,
- i'ne müeze durch iiich beide 12135
- '5
- 12125 genäden swv., gnädig sein.
- 68 XVII. DAS GESTÄNDNISS.
- mir selber nach leide
- und in nach laster M^erben;
- e ich iiich läze sterben,
- ich wil iu guote State e län,
- swes ir wellet ane gän. 12140
- durch mich enlät nie mere,
- swes ir durch iuwer ere
- niht gerne wellet läzen;
- swä ir iuch aber gemäzen
- und enthäben müget an dirre tat, 12145
- da enthabet iuch, daz ist min rät.
- lät diz laster under uns drin
- v'erswigen unde beliben sin.
- breitet ir'z iht mere,
- ez gät an iuwer ere; 12150
- ervert ez iemen äne uns driu,
- ir Sit verlorn und ich mit iu,
- herzefrouwe, schoene Isot,
- iuwer leben und iuwer tot
- die sint in iuwer pflege ergeben: 12155
- leitet tot unde leben,
- als iu ze miiote geste.
- nach dirre zit enhabet nime
- (306) deheine vorhte her ze mir:
- swaz iu gevalle, daz tuot ir. » 12160
- Des nahtes, do diu schoene lac,
- ir triure unde ir trahte pflac
- nach ir trütamise,
- nu kom geslichen lise
- ze der kemenäten iu 12165
- ir ämis unde ir arzätin,
- Tristan und diu Minne:
- 12136 fg. nach leide ^ nach laster werben, zum Leid, zur Scliancle Lan-
- dein. — 12144 gemäzen swv. refl., sicli mäßigen, sich bezwingen. —
- 12145 enthüben swv. refl., sich enthalten; hier zugleich mit gemäzen mit
- der Prsep. an, sonst steht bei enthäben wie im Nhd. bei: enthalten der
- Gen. wie in V. 17973. 19378. — 12148 beliben part. hier halb adjectiviscb,
- unterblieben, nicht weiter zu erwähnen. — 12156 leiten swv. gebraucht
- Gottfried in diesem letzten Theile der Erzählung öfters ; hier kann es nur
- gemeint sein ähnlich im Sinne von V. 18354: lenken, in der Ge^valt haben,
- frei herbeiführen können. — 12157=16623 gesten steht öfters für sm;
- die VS''endung einem ze muote gesten entspricht unserm: einem belieben.
- 12163 ^/•«fa?r/('5 stm., Zusammensetzung: trauter Geliebter; vgl. zu 1417.
- 5860. —
- XVII. DAS GESTÄNDNISS. 69
- Minu^ diu arzätinne
- si füorte ze handen
- ir siechen Tristandeiiv 12170
- oucb vant si Isöte ir siechen da.
- die siechen beide nam si sä
- und gab in ir, im sie
- ein ander z' arzätie.
- wer hfiete ouch dise beide 12175
- von dem gemeinen leide
- vereinet unde bescheiden,
- wan einung' an in beiden,
- der stric ir beider sinne?
- Minne diu strickaerinne 12180
- diu stricte zwei herze an in zwein
- mit dem stricke ir süeze enein
- mit also grözer meisterschaft ,
- mit also wunderlicher kraft,
- daz si ünerlceset wären 12185
- in allen ir jären.
- Ein langiu rede von minnen
- diu swccret höveschen sinnen:
- kurz rede von guoten minnen
- diu guotet guoten sinnen. 12190
- Swie lützel ich in minen tagen
- des lieben leides habe getragen,
- des senften herzesmerzen,
- der innerhalp des herzen
- so rehte sanfte unsanfte tuot, 12195
- mir wisaget doch min muot,
- des ich im wol gelouben sol,
- den zwein gelieben wa3re wol
- (307) und sanfte in ir muoto,
- dö si die leiden huote, 12200
- die wären suht der minne,
- der Minnen viandinne
- 12173 Sit' acc. sing. = . st; diese sonst nngcwöhuliche zweisilbige Form wolil
- nur durch den Reim veranlasst. — 12174 arzatle stf. Fremdw., Arzenci. —
- 12177 vereinen svfv., liier nicht = nhd. vereinen, vereinigen (wiein.V. 11727),
- sondern: absondern (vgl. zu 1170), trennen, befreien. — bescheiden stv.,
- hier: scheiden, trennen. — 12179 utrlc stm., hier wieder bildlich: Band,
- Verknüpfung; vgl. 11757. — 12180 strickccrinne stf., Bcstrickerin. —
- 121S1 stricken swv., verknüpfen.
- 12190 guoten swv., gut sein, wohlthun, behagen.
- 70 XVII. DAS GESTÄNDNISS.
- von ir stigen hseten brälit.
- ich hau von in zwein vil gedäht
- und gedenke hiute und alle tage; 12205
- swenne ich liebe und senede klage
- vür miniu ougen breite
- und ir gelegenheite
- in minem herzen ahte,
- so wahsent mine trabte 12210
- und muot min hergeselle,
- als er in die wölken welle.
- swenn' ich bedenke sunder
- daz wunder und daz wunder,
- daz man an liebe funde, 12215
- der cz gesuochen künde;
- waz fröude an liebe la^ge,
- der ir mit triuwen phlsege:
- so wirt min herze sä zestunt
- groezer danne setmunt (?); 12220
- und erbarmet mich diu miune
- von allem minem sinne,
- daz meistic alle, die der lebent
- an minnen hangent unde klebent
- und ir doch niemen rehte tuot. 12225
- wir wellen alle haben muot
- und mit minnen umbe gän.
- nein, minne ist niht also getan,
- 12203 sligen (nach den Hss., nur B siegen; uiclit stigen Maßmaun,
- auch nicht stiegen Hagen) ist der Dat. pl. von stic, hier bildlich wie unser :
- aus dem Wege schaffen. — 12212 die wölken nach den Hss., nicht diu,
- danach der Singular der wölke swm. statt des regelmäßigen daz u-olken
- stn. [nhd. die "Wolke jünger]. — 12214 daz wunder und daz leunder ist
- ein bezeichnendes Beispiel von der Verstärkung und Steigerung des Aus-
- drucks durch Wiederholung; ähnliche Wendungen bei Gottfried sind:
- daz wundert unde wundert mich 9233. er wil und wil 104(3. ouge und ouge
- 1082 (s. die Anmerk.). ange und ange 1982. vil und vil 4138. incere und
- meiere 4057. xool und wol 8079. utube und umbe (wie noch im Nhd.) 11367.
- 16737. alumbe und umbe 17436. ein und ein 13015. — 12220 setmunt habe
- ich gewählt nach Hs. F in ungefährer Übereinstimmung mit B (setin zint);
- die Hss. gehen hier auseinander. Septimunt =Sie\)engehirge (bei Bonn)
- ist Conjectur von Groote, welcher Maßmann in seiner Ausgabe, Simrock
- in seiner Übersetzung folgten. Es ist hier sicher etwas anderes gemeint,
- aber die Erklärung noch nicht gefunden. Eine Anfrage (in Pfeiffer's Ger-
- mania 12, 321 fg.) blieb leider ebenfalls erfolglos (vgl. zu 8966). Ich ver-
- muthe einen astronomischen Ausdruck; xieUeicht spheremunf, Sphärenwelt
- (Hs. H se/remunt)? Oskar Jsenicke entscheidet sich (Zeitschr. f. d. Phil.
- [1370] 2, 184) für den a Septimer, über den man im Mittelalter häufig aus
- dem südwestlichen Deutschland nach Italien zog.« Wenn auch formal
- gegen diese Deutung nichts einzuwenden ist, so doch von Seiten der Poesie.
- Das Räthsel ist auch mit diesem Bergnamen noch nicht gelost. — 12223 mei-
- stic adv., meistens; hier bei Gottfried vereinzelt, sonst öfters die Zusammen-
- setzung almeistic; vgl. zu 3340. —
- XVII. DAS GESTÄNDNISS. 71
- als wir s' ein ander machen
- mit välschlichen Sachen. 12230
- wir nemen der dinge unrehte war,
- wir ssejen bilsensämtn dar
- und wellen danne, daz uns der
- liljen undc rösen her.
- entriuwen, des mac niht gewesen; 12235
- wir müezen daz her wider lesen ,
- daz da vor gewerket wirt ,
- und nemen, daz uns der säme birt.
- (308) wir müezen sniden unde masn
- daz selbe, daz wir dar gessen. 12240
- wir buwen die minne
- mit gegelletem sinne,
- mit valsche und mit äküst
- und suochen danne an ir die liist
- des libes unde des herzen: 12245
- sone birt si niuwan smerzen,
- unguot und unfruht unde unart,
- als ez an ir gebüwen wart.
- als ez uns danne riuwe birt
- und innerhalp des herzen swirt 12250
- und toetet uns dar inne,
- so zihen wir's die minne
- unde schuldegen si dar an,
- diu schulde nie dar an gewan.
- wir saejen alle valscheit, 12255
- so sniden laster unde leit.
- tuo uns daz leit iht sere we,
- so bedenken ez e,
- saejen bezzer unde baz
- 12230 i'ähchlich adj. [fälschlich,^ meist adv.], falsch, treulos; mit v. saclien =
- mit Falschheit. — 12232 hiht-nsame, J?amo vom (giftigen) Bilsenkraut, Toll-
- kraut. — 12237 werken swv., ins Werk setzen, insbesondere : Feld bestellen,
- säen, ilä ist wolil nicht zum Kelativum (daz). auch nicJit, wie Paul S. 9 will,
- zum folgenden Yerbum wie in V. 12282, sondern zu vor zu ziehen : vorher, im
- Voraus. — \22\() yesfen-='jesa'jen, gesäet haben. — 12241 buicvn swv. (dagegen
- gleich im Folgenden V. 1224S f/eOiiwen starkes Partie), bauen, bebauen, be-
- stellen, sagt der Dichter im Bilde fortfahrend. — 12243 uküst (Gottfried betont
- sonst so oder ukust ; vgl. anam 321) stf. (übeles Gegentheil von A-j^s^ 6677),
- Schlechtigkeit, Unredlichkeit ; vgl. 14520. — 12247 unguot stu., (Ungute), Übel.
- — unfruht stf., übele Frucht; vgl. zu 17S97. — 122.50 swirt 'i. pras. von sivm
- stv., schmerzen, weh thun [schwären ; vgl. Geschwür]. — 122.")3 tchuldegen swv.
- mit acc, beschuldigen, Schuld beimessen. — \22^>(^ sniden elhpt\sch=sniden
- v:ir indic. (wie auch einige jüngere Hss. haben). Hs. F hat, wie wir Neueren
- sagen würden: und sntdpn ; sü, liier: sonach, darum. — 122öS bedenken elliptisch
- =bi>d. "wVconjunct. : sosollen wir bedenken. — \22h^ scejen istnicht als Infinitiv
- zu fassen, abh. von 6, sondern steht coordiniertelliptisch=5cr;en wir. —
- 74
- XVII. DAS GESTANDNISS.
- von friuntliclien dingen,
- swaz wir mit rede vür bringen
- von den, die wilen wären
- vor manegen hundert jären,
- daz tiiot uns in dem herzen wol
- und sin der selben State so vol,
- daz lützel iemen wsere
- getriuwe unde gewsere
- und wider den friunt an' aküst,
- ern möhte sus getane lust
- von sin selbes sachen
- in sinem herzen machen,
- wan uns daz selbe z'aller zit
- mit jämer under füezen lit,
- da von ez allez üf erstät:
- deist triuwe, diu von herzen gät;
- diu treit sich uns vergebene an;
- so kere wir daz ouge dan
- und tri'ben die süezen
- unwertlich under füezen;
- wir haben si mit unwerde
- vertreten in der erde;
- ob wir si gerne suochten da,
- wir enwizzen alles gähes wä.
- so guot, so lonba^re
- triuw' under friunden wsere,
- war umbe lieben wir si niht?
- ein blic, ein inneclich gesiht
- üz herzeliebes ougen
- der leschet äne lougen
- hunderttüsent smerzen
- des libes unde des herzen,
- ein kus in liebes munde,
- der von des herzen gründe
- (311) her üf geslichen ksemc,
- ahi, waz der benseme
- seneder sorge und herzenöt!
- 12325
- 12330
- 12335
- 12340
- 12345
- 12350
- 12355
- 12360
- 12344 unwertlich, unwertliche adv., (unwürdig), geringschätzig, verächtlich ;
- Tgl. 13414. 15984. — 12345 unwert stm., (Unwerth), Geringschätzung. —
- 12348 alles gähes erklärt Bech: vor leidenschaftlichem Ungestüm, im Un-
- gestüm; danach ist dieses gähes nicht absolutes Adverbiura, sondern sub-
- stantivisch zu fassen; unter daz gähe würden sich auch die andern Wen-
- dungen (s. mhd. Wörterbuch I, 453) stellen lassen. ■ — 12349 lonbcere adj.,
- preiswürdig. — 12352 gesiht stn., nicht in unserm Sinne: Gesicht, Antlitz,
- sondern: Ansehen, Blicken,
- XVII. DAS GESTANDNISS.
- 75
- Ich weiz wol, Tristan unde Isot,
- die gebiteloseu beide
- bcnämen ouch ir leide
- linde ir triure ein ander vil,
- do si begriffen daz zil
- gemeines willen under in.
- jener gelange was do bin,
- der die gedanken anget.
- swes gelieben gelanget,
- des triben s' under in genuoc.
- so sich diu zit also getruoc,
- so si ze ir State kämen,
- si gäben unde nämen
- mit getriuwelichem sinne
- in selben unde der minne
- willigen zins unde zol.
- in was vil inneclichen wol
- an der reise und an der vart;
- do diu fremede liine wart,
- do was ir heinliche
- rilich unde riebe,
- und was daz wisheit unde sin:
- wan die sich helent under in,
- Sit daz si sich enbärcnt
- 12365
- 12370
- 12375
- 12380
- 12385
- 12363 gebitelos adj., (ohne Abwarten; vgl. bite 385ä), ungeduldig. —
- 12366 beyrifen stv., begreifen, erfassen, erreichen. — 12368 gelanffe swm..
- Verlangen, Sehnsucht; vgl. 16433. — 12369 angen swv. mit acc., einengen,
- fesseln; ein im letzten Theile gern angewandtes Wort; älinliche Wendung
- in Y. 17f^2.^; vgl. ferner 137^3. 18073; ohne acc. 17866. 18037. — 12370 7)iic/i
- gelanget mit gen., mich verlangt nach etwas, ich sehne mich; vgl. 17595.
- — 12380 hiJie werden, vorbei sein, schwinden; vgl. hin wesen^^rihd.. 12368. —
- 12384—86 werden im mhd. Wörterbuch I, 142 folgendermaßen citiert und
- erklärt: «rf/e sich helent under in, sit daz si sich enbarnt [3. pl. praes. von
- enbarn, entblößen] und danne in schäme varnt und gestent sich an liebe, die
- sint u. s. w. Liebende, die, nachdem sie sich einander unverhüllt gezeigt
- haben, einander etwas verbergen und sich vor einander schämen (in schäme
- statt ir sshame lesen alle Handschriften außer der Heidelberger. Wie
- Maßmann [311, 28] und v. d. Hagen ir schaute vürent [s. Wörterbuch,
- S. 437] verstehen, ist schwer zu errathen).^) Dagegen ist zu bemerken,
- daß von den Haupthandschriften (M fehlt) nur F in schäme hat; von den
- Nebenhss. schreiben B und N wie H und W ir schauie. Die Änderung
- varnt statt värent macht metrisch keine Schwierigkeit, nur müsste unde
- geschrieben werden, aber der Ausdruck in schäme varn für «sich scliä-
- men» wäre auch in Gottfried's gewählter Sprache sonderbar. Dagegen
- enbarnt statt enhärent ist metrisch unzulässig, auch schreibt H slt daz sich
- tnbarent. Das Wort enbarrn ist vielleiclit eine Gottfriedische Bildung zu-
- sammenhängend mit gebär. Benehmen, und bedeutet das Gegentheil von
- gebären: sich rückhaltslos betragen. Oder ist enbärcn^^ oiTenhären? Nach
- dem Sinne würde dies mit enbarn zusammenstimmen. Auch die Lesart
- von B einbarent (N et/tiebarent) verdient Beachtung, sich einbären (die
- einfache Bildung von unserm: sich vereinbaren), einbocre, cmig weidevL, Bic]i
- 76 XVIT. DAS GESTÄNDNISS.
- und tlaimc ir schäme vareut
- und gestent sich an liebe,
- die sint ir selber diebe.
- so si sich danne ie mere helent,
- so si ie mere in selben stelent 12390
- und mischent liep mit leide.
- dise gelieben beide
- die enhälen sich ze nihte:
- mit rede und mit gesihte
- v/ären si heinlich under in. 12395
- Sus triben si die reise hin
- mit wunneclichem lebene
- und doch niht gar vergebene.
- (312) in tete diu vorvorhte we:
- si bevörhten daz e, 12400
- da ez euch sider züo kam,
- daz in sit fröude vil benam
- und brähte si ze maneger not:
- daz was, daz diu schoene Isot
- dem manne werden solte, 12405
- dem si niht werden wolte.
- ouch twanc si beidiu noch ein leit:
- daz was Isöte wipheit.
- hier umbe was in leide:
- diz leidete si beide. 12410
- doch was in disiu swaere
- liht' unde tragebaere,
- wan si ir willen under in zwein
- vereinigen. — 12386 ir schäme värent ist elier zu verstehen als in seh. varnt.
- V. d. Hagen setzt das Wort unter vären in der Bedeutung «nachstellen,
- nachtrachten, beobachten» und mit vollem Kechte. vären, gevären mit gen.
- sind Lieblingsworte Gottfried's, ebenso gebraucht er im letzten Theile
- auch sehr gerne väre stf.; vgl. zu 8452. 11800. 12989. ört/-(?;i heißt hier:
- hütend beobachten, etwa entsprechend unserm: auf etwas eifersüchtig sein.
- Der Sinn ist also vielmehr: Xiiebende, die, nachdem sie einig geworden
- sind (die Schamhaftigkeit einmal hintangesetzt haben) und alsdann doch
- eifersüchtig aufihr Schamgefühl halten u.s. w. — l2Z'il gesten swv. refl. kann
- hier nur heißen: sich als gast, fremd behandeln, sich entfremden. —
- 12393 ze nihte, hier nicht im Sinne von nhd. : zu nichts, für nichts wie in
- V. 3069, sondern verstärktes niht, durchaus nicht, keineswegs.
- 12398 vergebene adv., hier : gratis ; ihr wonnevolles Leben war ihnen nicht
- geschenkt, sie mussten es bezahlen dadurch, daß sie sich ängstigen mussten.
- — 12408 wipheit stf., hier: Prauenthum (im G-egensatze zum magetuom),
- verlorene Jungfernschaft. — 12409 leide hier als Adverbium bei wesen mit
- dat. (ähnlich wie mir tuot leide 1044. 11992), einem weh sein, betrübt sein.
- — 12410 leiden swv. mit acc, Leid verursachen, betrüben; vgl. 13756 und
- zu 17831. — 12412 trageöcere aflj., (tragbar), erträglich.
- XVII. DAS GESTANDNISS. i i
- friliche haeten enein
- dick' und ze mauegem male. 12415
- Nu daz si Kuruewäle
- gefuoren also nähen,
- da-z si daz laut wol sahen,
- des frönten si sich alle do:
- si wären sin alle frö ^ 12420
- wan eine Tristan unde Isot;
- der angest was ez unde ir not:
- dei' wille, waere der geschehen,
- sine hceten niemer laut gesehen,
- diu vorhte ir beider eren 12425
- diu begünde ir herze seren,
- sine künden sich beraten nie,
- waz si getj?eten oder wie,
- daz Isote wipheit
- dem küuege würde verseit; 12430
- und doch, swie unrätb^ere
- kindesche niinnaere
- in ir kintheite sint,
- d'er rät geviel doch an daz kiiit.
- So minne an tumbeu kinden 12435
- ir spil geratet vinden,
- so mugen wir an den kinden
- witz' unde liste vinden.
- 12430 versagen swv., vorenthalten und insofern hier: verheimlichen;
- vgl. zu 152G2. — 12431 unrätbcere adj., zum Käthen nicht geschickt. —
- 12434 fjevallen mit prajp. an mit acc steht hier = f<« gevallen mit acc. (S407),
- einem zufallen: der Rath, die gute Auskunft, vrar doch dem unerfahrenen
- jungen Mädchen beschieden und vorbehalten.
- 12436 geratet (=geräth) 3. prses. von geraten stv., (gerathen), gelangen,
- anfangen.
- XVIII .
- BRANG^NE.
- Auf Isoldens Eath bitten die Liebenden Brangsene, sie möge in der
- ersten Nacht das Beilager mit König Marke halten. Branga^ne willigt
- endlich mit Schmerzen und Beschämung ein, weil sie sich wegen ihrer
- Unachtsamkeit schuldig fühlt, und entdeckt ihnen jenen verhängnissvollen
- Zufall und das Geheimniss des Minnetranks. — Tristan meldet dem Oheim
- die baldige Ankunft, und dieser bereitet einen festliclien Empfang. Nach
- achtzehn Tagen ist Marke's Vermählungsfest. Der Königin wird Kurnewal
- und England mit der Bedingung übereignet, daß, wenn sie ohne Erben
- bliebe, Tristan Erbe wäre.
- In der Brautnacht waren atißer dem Paare in Marke's Kemenate nur
- Tristan und Brangsene. Tristan führt Brangsene in der Königin Kleidern
- dem Könige zu; Isolt löscht die Lichter. Zu rechter Zeit entfernt sich
- Brangsene, und an ihrer Statt setzt sich Isolt vor das Bette. Alsbald ver-
- langt auch der König den Wein der Sitte gemäß. Tristan bringt Licht
- und "Wein. König und Königin trinken. Dem Könige ist eine wie die
- andere, der Täuschung wird er nicht gewahr.
- "Wie bei dem Könige so auch bei Land und Leuten steht Isolt in
- hohen Ehren, niemand ahnt Schlimmes in ihrem Verkehr mit Tristan.
- Die Königin ist in Sorgen, weil Brangsene um ihre Heimlichkeit weiß,
- und fürclitet ihren Verrath. Darum gewinnt sie zwei Knechte durch
- Versprechungen und beauftragt sie , die Jungfrau zu ermorden. Gegen
- Brangaene klagt sie Schmerzen und bittet sie, Heilkräuter zu suchen.
- Brangsene reitet mit jenen Knappen zum "Walde; als Hand an sie gelegt
- werden soll, fleht sie, ihre Unschuld betheuernd, um ihr Leben; nur das
- sei vielleicht ihr Verbrechen gewesen, daß. sie der Königin in der Braut-
- nacht ihr reines Hemde statt ihres beschmuzten geliehen habe. Die
- Knechte erbarmen sich , binden die Getreue auf einem Baume fest , bis
- sie zurückkehren, und schneiden einem ihrer Hunde die Zunge aus zum
- "Wahrzeichen. Darauf melden sie der Königin den vollbrachten Mord
- und erzählen ihr Brangsenens Kede. Isolt, aufs höchste bestürzt, droht
- ihnen mit dem Tode, wenn sie sie nicht zurückbrächten. Darauf ge-
- stehen sie, daß sie noch lebe. Einer bleibt zurück, der andere holt
- Brangsene herbei, die von der Königin mit Liebkosungen empfangen
- XVIII. BRANG^NE. 79
- wird. Seit dieser Prüfung sind beide wieder sich innig zugethan. — Die
- beiden Liebenden geben sich sorglos und unbeachtet ihrer Wonne hin.
- Ihre Zuneigung wird auf ihre Verwandtschaft bezogen. Isolt ist überall
- beliebt und Tristan berühmt und gefürchtet im ganzen Königreich.
- (313) ^ Lang' umberede si hin geleit:
- isöt vant in ir kintheit 12440
- eine witze imd einen list,
- den allerbesten zuo der frist,
- daz si nie mere taeten,
- niwan Brangtenen bieten,
- daz si an der ersten naht 12445
- sunder rede und simder braht
- bi Marke ir herren laege,
- geselleschefte im pflsege.
- ez enwürde im niemer baz entsaget,
- wan si was schcene und was ouch maget. 12450
- alsus so leret minne
- duruähtecliche sinne
- ze valsche sin verüizzen,
- die doch iiiht solten wizzen,
- waz ze sus getaner trüge 12455
- und ze valscheit gezüge.
- Die gelieben also täten:
- Brangienen si dö bäten
- alse lange und alse vil,
- biz si si brähten üf daz zil, 12460
- daz si'n ze urtaete
- gelobete, daz si'z tsete,
- und lobete ez ouch mit maueger not:
- sine wärt niht z'cinem male rot
- und missevar von dirre bete, 12465
- 12441 u-it:e stf., hier: verständiger Einfall, listiges Auskunftsmittel. —
- 12446 brcü.t stm., [Pracht stf.], Geräusch; sunder ör., stille, verschwiegen;
- vgl. 12603. — 12449 enfsaffen swv. mit dat., absprechen, sein Recht vor-
- enthalten; auf taz ruht der Nachdruck: nicht besser könnte dem Könige
- eine Entsagung auferlegt, sein Recht vorenthalten werden. Oder sollte
- ':ntfar/cn = unserm: entsprechen sein? ihm könnte nimmer ein besserer
- Ersatz geboten werden? — 12450 maget stn., Mädchen, Jungfrau; vgl.
- zu 105S. 14770. — 124Ö2 durnälitecllch adj., tüchtig, wacker, edel. —
- 12455 trürje stf., Betrug. — 1245G geziehen stv., verst. ziehen, sich beziehen,
- gehören.
- 12461 urtcEie dat. von urtut stf , Ausführung. — 124G5 missevar adj. hat
- hier deutlich den Begriff: blaß; vgl. zu 15205. —
- 80
- XVIII. BRANG.^NE.
- als ez ir michel not tete.
- diu bete was ouch seltsaene.
- «trüt frouwe», sprach Brangaene
- «iuwer müoter, diu frouwe min,
- diu sselige künigin
- diu bevälcli iucli mir in mine pflege,
- und solte iucli selbe an disem wege
- unde an dirre veigen vart
- von disem leide haben bewart,
- nu habet ir laster unde leit
- von miner warlosekeit.
- von diu so darf ich'z mäze klagen,
- muoz ich daz laster mit iu tragen;
- (314) ez waere ouch wol gefüege,
- daz ich ez eine trüege:
- möhtet ir dervon gesin.
- gensedeclicher trehtin,
- wie vergseze du min so!«
- Isot sprach zuo Brangaenen do:
- «stolziu niftel, sage mir,
- waz meinest du, waz wirret dir?
- mich wundert sere, waz du klages.»
- «frouwe, da warf ich anders tages
- üz dem schiffe ein glasevaz.»
- «so taete du: waz wirret daz?»
- «owi!» sprach si «daz selbe glas
- und der tranc, der dar inne was,
- der ist iuwer beider tot.»
- «war umbe, niftel?» sprach Isot
- «wie ist disem maere?» «im ist also»:
- Brangaene Seite in beiden do
- die rede von ende her dan.
- «nu walte es got!» sprach Tristan
- «ez waere tot oder leben:
- ez hat mir sanfte vergeben.
- i'ne weiz, wie jener werden sol:
- dirre tot der tuet mir wol.
- 12470
- 12475
- 12480
- 12485
- 12490
- 12495
- 12500
- 12472 elliptisch = i'c// solte. — 12476 warlosekeit stf. [nhd. noch mitunter
- gebraucht; vgl. verwahrlosen], Unachtsamkeit. — 12477 mäze adv. (dat.
- sing.?), mäßig, wenig. — 124SS anders tages, nicht in unserm Sinne: an-
- dern Tags, Tags darauf; sondern: neulich, vor Kurzem. — 12500 vergeben
- stv. mit dat., einem etwas Übeles geben, einen vergiften [wie noch ver-
- geben in Mundarten].
- XVIII. BRANG^liXE. 8[
- solle diu wunnecliche Isot
- iemer alsus sin min tot .
- so wolte ich gerne werben 12505
- umb' ein evveclichez sterben.»
- Lät alle rede beliben:
- ■^•ellen wir liebe triben,
- ez enmac so nilit beliben,
- wirn müezen leide ouch triben. 12510
- Swie sanfte nns mit der liebe si,
- so müezen wir doch ie da bi
- gedenken der eren.
- swer sich an niht wil keren
- wan an des li'bes gelust, 12515
- daz ist der eren verlast,
- swie wol Tristande t£ete
- daz leben, daz er h?ete,
- (315) sin ere zoch in doch dervan.
- sin triiiwe lag im allez an. 12520
- daz er ir wol gedashte
- und Marke sin wip brsehte.
- die beide triuwe und ere
- die betwüngen ime sere
- sin herze und sine sinne; 12525
- die da vor an der minne
- wären worden sigelös,
- do er die minne vür si kos :
- die selben sigelösen zwo
- die gesigeten an der minne dö. 12530
- Tristan der sante boten zehant
- in zwein batelen wider lant
- und enbot Marke msere,
- wie ez ergangen wasre
- I2.il(i leide stf., Leid, Kummer; vgl. 1^4>^^).
- 12520 (in ligen eineni = n\n\., doch hier nur von Personen gesagt |vgl.
- <;In Anliegen haben], mhd. : antreiben, veranlassen; vgl, zu 5098. —
- 1252!» die selben zw6 = triuwe und ere. — 12530 gesigen swv., verst. sigen
- (t;ii5>7) mit prrep. an mit dat., über einen oder über etwas den Sieg davon-
- tragen, die Oberhand behalten; vgl. an sigen mit dat. 1129. Hier an der
- 3iiinne = iXheT die Minne in stilistischem Gegensatze zu an der rninne = ia
- der Minne in V. 1252tj.
- 12532 i/atele Geschlecht unbestimmt, Fremdwort, franz. batel, batcau
- Barke.
- €OTTFEIED V0>- STEASSBUBG. II. 2. Aufl. 6
- 82 XVIII. BRANG^NE.
- iimbe die schoenen von Iilant. 12535
- Marke besaute zehant,
- swaz er besenden kiinde.
- da riten an der stunde
- tüsent boten nach ritterschaft :
- man empfie mit micheler kraft 12540
- die künden und die geste.
- daz ergeste und daz beste,
- daz Marke an disen zwein enpfie,
- mit den sin leben ouch hine gie,
- daz selbe enj^hieng er alse wol, 12545
- als ein man daz enpfähen sol,
- daz ime vor allen dingen ist.
- Marke der hiez an der frist
- den lantbarimen allen sagen,
- daz si in ähzehen tagen 12550
- alle ze hove k^emen,
- als si im wol gezaemen
- ze siner brütleite,
- diz allez was bereite.
- si körnen riliche dar: 12555
- dar kom manc wunnecliche schar
- von rittern und von frouwen
- ir ougen wunne schouwen,
- (31 G) die liebten Isöte.
- diu wart vil unde genöte 12560
- und ze wunder an gesehen
- und niwan des einen gejehen:
- «isot, isüt la blunde
- marveil de tu le munde :
- isot diu ist besunder 12565
- über äl die werlt ein wunder.
- ez ist war, daz man da saget
- von dirre sfeligen maget:
- si git der werlde wunne
- gelich alsara diu sunne. 12570
- ezn gewünnen elliu riebe
- nie maget so wunnecliche.»
- . 12553 brutleite stf. (Bildung wie tnlpite, svertlpitp.) , eigentlich : Braut-
- führung, dann : Vermählung, Hochzeitsfest. — 12564 murveil franz., Wunder,
- — tu adj. franz. = ^ow<, totus. — le Artikel, sonst li ; vgl. 332. — munde
- franz., iitutidus , neufranz. tnonde.
- XVIII. erang.v:ne. S3
- Xu si ze ir e bcstatct wart
- 'iml an ir rehte bewart,
- (laz Kurnewal iind.Eiigelant 12575
- so wart besetzet in ir hant,
- ob si niht erben brere,
- daz Tristan erbe w?ere,
- linde ir liulde wart getan :
- des nahtes so si solte gkn 12580
- slaf^n ze ir herren Marke,
- nu hseten si sich starke
- si lind Brangsene und Tristan
- vor hin geflizzen dar an,
- daz si ir State nnde ir stat 12585
- wislichen ha*ten besat
- imd wol vor hin beraten,
- in Markes kemenaten
- was niemen wan si vieriu,
- der künic selbe und si drin. 12590
- nu was ouch Marke nider komen.
- Brangiene bsete an sich genomen
- der küniginne kleider:
- diu kleider ir beider
- wären verwandelt under in. 12595
- Tristan fiiorte Brängienen hin
- die marter liden und die not.
- diu lieht diu laschte ir frouwe Isot.
- (31 7) Marke Brangienen zuo im twanc.
- i'ne weiz, wie ir der anevanc 12C0O
- geviele dirre sache:
- si dolte so gemache,
- daz ez gar äne braht beleip;
- swaz ir gespil mit ir getreip,
- si leiste unde werte, 12605
- swes er hin z'ir gegcrte,
- 12573 les(a'en swv., bestellen, bringen, c^?- e hf'!tf.=: cotlocare in nia-
- trin:onirnn , verheirathen. — 1*J574 hpwarn swv., hier: schützen, sicher
- stellen. — V2'ü^'> b>'si>tz<'n swv., hier: mit Bestimmung festsetzen, ans-
- eetzen, vermachen. — 12.").'<4 rnr hin adv., vorher [nhd. vorhin beschränk-
- ter]. — Vlh^h utatp stf. und stat Stf. hier wortspielend nebeneinander: Ge-
- legenheit und Platz; unser: Ort und Gelegenheit (so auch Kurtz, ebenso
- Simrock). — ll'öst:; h''si't:eii swv., hier etwa: wahrnehmen. — rJ595 ver-
- vdVfl'ln swv., verwechsehi, vertauschen. — 12G02 r/o/^^ pra-t. von r/')/H swv.,
- dulden, ertragen, geschehen lassen. — fiemachp adv. (von i/nriach adj. oder
- dat. von fjcinnrh stn.?), ruhig. — 12004 yrspil swm., Gespiele, (Jefiihrte,
- Liebhaber; vgl. lG4'.i'>. — 12<"05 Ichtcn swv., hier: entrichten. — vrrn swv.,
- gewähren, zahlen. — 12€0(j gpgern swv., verst. 'jrrn, begehren. —
- C*
- 81 XVIIl. i?RAN(..l':NE.
- mit iiKssing' und mit gokle,
- als wol, also er wolde.
- ich wil mich oiich des wol versehen,
- daz ez e selten si geschehen, 12G10
- daz ie so schoene mcssinc
- vür guldiniu tagedinc
- ze bettegelte würde gegeben.
- deiswär, ich sazte es wol min leben,
- daz Sit Adames tagen 12015
- als edel valsch nie wart geslägen,
- noch nie so gsebiii trügeheit
- an mannes siten wart geleit.
- Die wile ouch si zwei lägen,
- ir bettespiles pflägen, 12020
- al die wile heete Isot
- michel angest unde not;
- si dähte allez wider sich:
- cgot herre, nü beware mich
- und hilf mir, daz min niftelin 12625
- wider mich getriuwe müeze sin!
- tribet si diz bettespil
- iht ze lange und iht ze vil,
- ich fürhte, ez ir so wol behage,
- daz si vil lihte da betage: 12030
- so werden wir alle
- ze spotte und ze schalle.»
- nein ir gedanke unde ir nuiot
- die waren lüter unde giiot:
- dö si vür Isolde 12035
- 12G07 virsshic stm. (stn.^uhd. nur in mittoliL Quellen) ; niclit ganz was
- unser: Messing, sondern: Bronze; das Wort gebraucht Jiier der Dichter
- wie auch in Y. 12675 bildlicli und schalichaft im Gegensätze zu dem echten
- Gold als Ausdruck für die Unechtheit und die Täuschung. — 12(;r2 fa;/f'-
- dinc stm., hier: Abtragung eiuer Schuld, Zahlung; ebenso im Folgendeu,
- V. 12637 und namentlich 12676, doch liegt hier zugleich im Worte der
- Doppelsinn'der Allgemeinheit : fjuldiniii tchlinc^=g. dinc=Gro\d. — 1261,) bctfe-
- gelt stn., das Geld, die Zahlung, die im Bette, im Beischlaf geleistet wird;
- die Bildung rührt wohl vom Dichter her nach Analogie der vielen Zu-
- sammensetzungen mit ffell. — 12614 sr/zea swv. , hier: als Pfand setzen,
- einsetzen; r'.s, darum, darauf. — 12616 vctlsdi stm., hier bestimmt: falsches
- Geld. — 12617 gaebc adj., -annehmbar, angenehm [erhalten in cgaag und
- gäbe»].
- 12620 hettca2^il stn., Lust im Bette; der Ausdruck ist edeler als unser:
- Beischlaf. — 12630 hetugoi, swv., den Tag erwarten, bis zum Tage ver-
- weilen; vgl. 17335. — 12631 fg. scJial stm., hier wieder: Gerücht, Gerede
- wie in V. 9631. 1G208. ze schalle werden, ins Gerede kommen, [ze spulte
- n-crden=z\\m. Spotte werden im Nhd. orlialten.] —
- xviir. brang^:ne. 85
- geleiste, daz si solde,
- unde ir tagedinc ergie,
- von dem bette si sich lie.
- (318) DU was euch Isöt hantgar,
- viir daz bette saz si dar, 12640
- als ez diu selbe solte sin.
- zehant iesch ouch der küuec den win:
- da volgete er dem site mite,
- wan ez was in den ziten site,
- daz man des älliche phlac, 12045
- swer so bi einer megede lac
- und ir den bluomen abe genam,
- daz eteswer mit wiue kam
- und lie si trinken beide
- samet an' underscheide. 12G50
- der selbe site ergieng ouch da:
- Tristan sin neve der brähte iesä
- beide lieht unde win.
- der künec tranc und diu künigin.
- ouch sagent genuoge msere, 12055
- daz ez des trankes wsere,
- von dem Tristan unde Isot
- gevielen in ir herzenot.
- nein des trankes was niht me:
- Eranga^ne warf in in den se. 12ÖG0
- Nu si dem site gegiengen mite,
- beidiu getrunken nach dem site,
- diu junge künigin Isot
- diu leite sich mit maneger not,
- mit tougenlichem smerzen 120G5
- ir muotes unde ir herzen
- zuo dem künege ir herren nider.
- der greif an sine fröude wider:
- er twanc si nahe an sinen lip.
- i2V,M r/it'isf'-n swv., verst. Iris/Pti: doch hier r^eleisfe^=ge\Qistct liattc. —
- V2a:iH läzen refl., sich bewegen, sicli begeben [lihd. mit Adverbien verbun-
- »lon: sich herablassen u. dgl.]; vgl. zu 7(ij:». — 1JG39 hanfyar adj., wört-
- lich: handbercit, hier aber nicht: ..schlagfertig» (mhd. Wörterbuch I, 480),
- sondern liberhaupt: bereit, bei der Hand; vgl. zu '>^:>6. &737. — 1-2Ü42 iesch
- pra-t. von eischen stv., lioischcn, verlangen [uhd. heischen meist swv. nur
- noch in poetischer Sprache]. — l'iO.'iO underscheide stf., Unterschied; äne
- undenchtide verstärkt formelhaft den Begriff samet u. äliiil.; vgl. 183Ö«.
- 86 XVIII. BRANG.IONE.
- in (lullte wi'p älse wip: 12670
- er vant oiich die vil schiere
- von guoter maniere.
- imc was ein als ander,
- an ietwederre vander
- golt unde messinc. 12675
- oucli leisten si'm ir tagedinc
- also dan und also dar,
- daz er nie nihtes wart gewar.
- (319) isot diu was dö starke
- von ir herren Marke 126 SO
- geminnet unde gelieret,
- gepriset unde geeret
- von liute und von lande.
- wan man so maneger hande
- fuog' unde sselde an ir sach. 12685
- ir lop unde ir ere sprach,
- swaz lop gesprechen künde.
- under dirre stunde
- haete si und ir amis
- ir kurzewile manege wis, 12690
- ir wunne späte unde fruo.
- wan niemen wände niht derzuo,
- dane dä'hte weder wip noch man
- deheiner slahte Undinges an.
- wan si was in siner pflege 12695
- alle stunt und alle wege
- und lebete, swie si dühte guot.
- Hie mite so nam si in ir muot
- unde bedähte al ir dinc:
- Sit nieman ir hselinc 12700
- unde ir trügeliste
- iiiwan Brangsene wiste ,
- enwsero si dan eine,
- so dürfte s' iemer kleine
- 12679—83 fast gleiche Wendung wie in V. I.j7ö')— 5i. — 12694: undinc
- stn, liier im Singular; vgl. zu 10426.
- 12700 hoelinc stm., Verhehlung, Crelieimniss ; von nun an von Gottfried
- gerne gebraucht; vgl. z. B. 13088. 13554. — 12701 trü'jeitst stni., betrügerische
- List, «geheime Ränke». Kurtz. —
- XVIII. BRANG.T.NE. 87
- gesoi'gcn umbe ir ere. 12705
- bi sorgete vil sere
- und vorlite harte starke,
- lirangaene ob si ze Marke
- delieiue liebe bsete,
- daz si ime kimt tcete i2710
- ir laster unde ir m£ere,
- als ez ergangen wajre.
- diu sorchafte künigin
- diu tete an disen dingen scbin,
- daz man laster unde spot 12715
- mere fürbtet danne got.
- zwene knebte si besande
- fremde von Engelande:
- (320) die selben biez si beide
- sweren eide und eide, 12720
- triuwe über triuwe geben.
- da zuo gebot si'n an ir leben,
- swaz si si bieze ane gän,
- daz daz beidiu getan
- und oucb verholen wsere. 12725
- sus Seite si in ir nuere:
- diu mortraite sprach zuo zMn:
- muu merket beide minen sin:
- ich sende eine maget mit iu,
- die uemet und' ri'tet ir driu 127^0
- beinlicben unde balde
- etswar ze einem walde ,
- er si verre oder bi,
- der iu dar zuo gevellcc si ,
- da niemen heinliche habe, 12735
- und slahet ir daz houbet abe;
- und alle ir rede die merket ir,
- und swaz si sage, daz saget mir.
- ir Zungen bringet mir her dan.
- und Sit oucb des gewis dar an, 127-10
- swie so ich ez enein getrage,
- daz ich iuch morgen an dem tage
- l-'TOö fffHorfirn swv. , verst. sonifii. — 12727 inortrwte adj. subst. liier swf.
- wie iu V 12S77; vgl. 8749. — 12731 heinl'ichen hier und 12>i2S vereinzelt adv.,
- heimlich sonst bei Gottfried häutiger das Adjectiv. — 12733 Oi adv.=
- nahe (A, nahe. — 12735 heinlic/ie stf., hier: Wohuuug, Aufenthalt. —
- -88 XVllI. ERANG.T.NE.
- mit ritterlicher saclie
- Ijeide ritter mache
- und wil iu lihen iinde geben, 12745
- die wile ich iemer sol geleben.»
- Diu rede diu wart gewisset da.
- Isot diu nam Brangsenen sä:
- «•Brangaene», sprach si (cnim hie war,
- bin ich iht sere missevar? 127ÖO
- i'ne weiz, wie mir min dinc ste:
- min houbet tuot mir sere we.
- du muost uns würze bringen;
- wir müezen disen dingen
- ete suchen rät geben 1275:>
- öder ez gät mir an daz leben.»
- diu getriuwe Brangsene sprach:
- «frouwe, iuwer ungemach
- (321) daz müet mich harte sere.
- nune bi'tet ouch niht mere: 12700
- heizet mich wisen eteswar,
- da ich eteswaz ervar,
- daz z' iuwern dingen guot si.»
- ('Sich, zwene knappen sint hie bi,
- mit den rit, die wisent dich.» 12765
- "gerne, frouwe, daz tuon ich.»
- si saz üf unde reit mit in.
- Xu si zera walde komen hin,
- da würze, krüt unde gras
- der volle nach ir willen was, 12770
- Brangsene wolte erbeizet sin.
- nu fuorten si si baz hin in
- in die wüeste und in die wilde,
- nu si von dem gevilde
- verre hin in kämen, 12775
- 12745 lihen stv. mit dat. (oder ist iuch der Hss. richtig?), hier nicht allein :
- zu Lehen geben, sondern: belehnen. — ^e6e/i hier vielleicht nicht stv., son-
- dern swv. : begaben. —
- 12762 ercarn stv. wird im mhd. Wb. III, 247^ unter der Bedeutung
- «erreichen, einholen» erklärt: bekommen; sollte ervar n, hier nicht unter
- die Bedeutung «erfahren, erforschen» gehören: finden, ausfindig machen?
- vgl. 13725.
- 12770 der volle ist nicht rolle swm. im Nominativ, von dem Genitive
- abhängig sein müssten, sondern adverbialer Genitiv von eoUe stf., Fülle:
- in PüIIe. —
- XVIII. brang.i<:ne. 89
- die böveschcn si iiamen,
- die getriuwen, die werden,
- und sazteii si zer erden .
- mit triure und mit leide
- und zucten swert beide. 12780
- Brangaene do so sere erschrac,
- daz si an der erden gelac
- und lac also lange nider:
- ir herze erbibete und alle ir lider.
- erscbrockenlicbe si üf sach: 12785
- «herre, genädel» si do sprach
- «durch got, waz weit ir ane gän?»^'
- «da sult ir iuwer leben län. »
- «owe, war umbe? saget mir!»
- ir einer sprach: «waz habet ir 12790
- begangen wider die künigin?
- diu hiez iuch slahen; nu muoz ez sin:
- iuwer und unser frouwe Isöt
- diu hat geschaffet iuwern tot.»
- Brangaene vielt ir hende enein; 12795-
- weinende sprach si: «herre, nein,
- durch iuwer güete und durch got,
- so fristet beide diz gebot
- (322) und lät mich also lange leben,
- daz ich iu antwurt müge geben. ^2800
- da nach habt ir mich schiere erslagen.
- ir sult miner frouwen sagen
- und wizzet selbe, daz ich nie
- wider ir hulden niht begie,
- dar an ich mich versaehe, 12805
- daz ir leit gcschsehe,
- ez enwsere danne alse vil,
- des ich doch niht getrüwen wil:
- do wir zwo fuoren von Irlant,
- dö haeten wir zwo zwei gewant, 12810
- diu haiten wir uns beiden
- erweit und üz gescheiden
- von anderem gewaude;
- VJlS't erschrockenliche adv., erschrocken. — 1279-1 schaffen swv., liier: be-
- fehlen [wie noch in süddeutsclier Mundart].
- 121^'^ fristen swv., hier: (Frist geben), aufschieben. — 12S;00 antwurt
- (=Hs. W; M fehlt); vgl. zu 140'J.'5. — 12SÜ8 (jetruwen swv. mit gen., nicht:
- getrauen (9534), sondern: glauben, vermuthen, —
- ^0 XVIII. BRANGyi;NE.
- diu fuortcn wir von lande,
- zwei hcmede wiz alsam ein sne. 12815
- do wir do körnen üf den se
- her wider laut üf unser vart,
- so heiz ir von der sunnen Wiirt,
- daz si vil selten in den tagen
- an ir ilit künde vertragen 12820
- niwan ir hemede al eine,
- daz wi'ze, daz reine,
- sus liebete ir daz hemede an,
- do si ez üeben began,,
- biz daz si'z übcrüebete, 12825
- sine wi'ze gar betrüebete.
- dö ha^te ich aber daz mine
- heinliche in minem schrine
- in reinen wizen valten
- verborgen unde behalten. 12830
- und als min frouwe her kam,
- den künec ir herren genam
- und zuo im släfen solte gän,
- nune was ir hemede niht getan
- so schoene, alse ez solte 12835
- und als si gerne wolte:
- daz ich ir dö daz mine lech
- und ir's et eines verzech
- (323) und min so vil an ir vergaz,
- ir enwerre danne daz, 12840
- so wizze got wol, daz ich nie
- 12817 lier wider lant, hierher zu Land, her zu diesem Lande, — 1'2S23 an
- lieben swv. mit dat., stärker als das einfache lieben mit dat. (4631), be-
- hagen. Gefallen finden [vgl. anstehen]. — 12^24 we^e« swv., hier: benutzen.
- — 1282r> übeiueben svw., im Überma/Ö benutzen. ^ 12823 beträebeu swv.,
- trüb machen, beschmuzen. — 12829 calte fem. (sw. oder st. bei Gottfried
- nicht ersichtlich), (Falte), Tuch zum Einschlagen guter Stoffe oder Klei-
- der. — 12836 fg. Die Stelle ist zuaiichst hinsichtlich der Constructiou
- nicht leicht. Groote interpungierte (Semicolon) in der Ausgabe 12836, ver-
- bessert dies aber in der Anmerkung und erklärt: «Der Sinn scheint sicli
- mit sf) scha'ue alse ez solte zu sclilie(ien : dann folgt : vmd als sie nun wünschte,
- daß ich ihr das meinige leihen möchte, und ich mich so an ihr vergaß,
- daß ich ihr, wenn auch nur diese einzige Eitte (eht eines) abschlug, es sei
- denn, daß sie deshalb noch zürnt, sonst möge Gott wissen u. s. w.» Hagen
- setzt nach 12836 Doppelpunkt, Maßmann Komma, letzterer nach 12839
- Punkt. Auch die Üt)ersetzer verschieden: Kurtz: «... wollte: Daß ich
- ihr lieh das meine nun, Und wollt's vielleicht nicht willig thun , Und
- mich so gegen sie vergaß. Das müsste ihr wirren, und ist's nicht das, So
- weiß Gott, daß ich u. s. w.» Simrock: «... wollte. So daß ich ihr das
- meine gab. Zwar schlug ich ilir es anfangs ab Und vergaß insoweit wohl
- der rflicht. Verdachte sie mir dieses nicht, So weiß es Gott, ich über-
- XVIII. BRANG.l'JNE. 91.
- zc deheiuon ziten übergle
- weder ir bete noch ir gebot.
- iiu tuot ez beide saniet durch got,
- grüezet si von mir also wol, 12845
- als ein juncfrouwe ir frouwen sol.
- und got durch sine güete
- der bewär ir unde behücte
- ir ere, ir lip unde ir leben!
- und min tot si ir vergeben. 12350
- die sele die bevilhe ich gote,
- den lip hin z' iuwerme geböte.»
- Nu sähen dise zwene man
- erbärmecliche ein ander an
- und erbarmete s' an der reinen 12855
- ir inneclichez Aveinen:
- si geröu vil sere beide
- und nämen'z in ze leide,
- daz si gelobet hceten,
- daz si den mort taeten, 128GO
- dö si an ir niht funden
- noch erviuden künden,
- daz morde gebajre
- und tötbaere wa^re.
- si giengen raten under in zwein 128G5
- unde gerieten cnein,
- ez ergienge in swie ez in möhte ergän:
- si wolten si leben lan.
- die getriuwcn bünden si sä
- gieiig u. s. w." Mild. Wb. III, S79 «und ihr das, docli nur einmal, ah-
- 6cliluf{.> V. r-'S37 fg. kann nur von V. 12.S4u abliiingig sein; V. 12808 ist
- anders aufzufassen als in den biblierigen Erklärungen. Von einem i ab-
- schlagen" oder (.nicht willig thun» kann nicht die liede sein; das Gleich-
- niss würde aUdann ganz anders lauten als die Erzählung der vorhergehen-
- den Situatiiin. vfrzlhfn mit dat. (ir) und gen. ('s, es) lieiLM allerdings:
- jemandem etwas abschlagen , aber diese Bedeutung passt nicht. Man
- könnte dann irs auch nehmen als (ienitiv des Possessivpronomens »V,
- dann würde, da verzthen mit gen. «auf etwas verzichten" bedeutet, die
- Stelle lauten: >• und auf ihr beschmuztes Hemd nur (H) einmal (eines adv.
- gen.) verzichtete, es niclit des Tausches lür werth hieit.» Aber auch das
- genügt nicht, auch ist jener Genitiv irs für Gottfried's Zeit allzu unwahr-
- scheinlich. Vielleicht ist die Stelle verdorben und für verzi'di das seltene
- rerdich von rerdxhcu stv. zu lesen, mit der Bedeutuug: einem mit etwas
- zuvorkommen.
- rj'<.')4 Piijärmecüche adv., crbarmungsvoll. — l2S."i.s ze leide nemen refl.
- mit dat., ähnliche Wendung wie unser: sich zu Herzen nehmen; sich
- ^iner Sache mit Leid annehmen, es sich leid sein lassen; vgl. sich :<• stm-re
- netwn V.nH) und zu IUI?. — 12864 tC'.bücre adj., todeswürdig. —
- 92 XVIII. BRANGuENE.
- hohe üf einen boum da, 12870
- daz si die wolve iht nahmen,
- biz daz si wider ksemen;
- und sniten an der stunde
- einem ir vogelhunde
- die Zungen üz und riten dan. 12875
- Sus Seiten dise zwene man
- Isöte der mortrseten
- daz si den mort treten
- (324) mit jämer und mit leide.
- si sageten ir beide, 128^^0
- diu zünge diu wsere ir.
- Isot diu sprach: «nu saget mir,
- waz mseres sagete iu diu maget?)
- si sageten, alse in was gesaget,
- al von ende ir rede her dan 12886
- unde verswigen nie niht dar an.
- (fja», sprach si «seite s'iu niht me?»
- «nein, frouwe.» Isot diu rief: «ovre
- und wäfen dirre maere!
- unseelegen raordsere, 12890
- waz habet ir an gegangen?
- ir müezet beide hangen!»
- ((herre», sprächen jene dö,
- «wie lütent disiu msere so,
- vil wunderlichiu frouwe Isot? 12895
- ir habet uns doch mit maneger not
- erflehet unde ernoetet,
- daz wir si haben ertoetet.»
- «i'ne weiz, waz ir von flehe saget:
- ich bevalch iu mine maget 129CO
- in iuwer huote und iuwer pflege,
- daz ir ir pflseget üf dem wege,
- daz si mir solte bringen
- ein teil ze minen dingen.
- die müezet ir mir wider geben ~ 12Sü5
- oder ez gät iu an daz leben:
- 12S74 vofjelhuHt stm.: in iinserm « Vogelhund» unbestimmter Ausdruck j
- wir unterscheiden: Wachtelhund uiid Hühnerhund.
- 12S97 erflelien swv., erbitten, durch Flehen nöthigen, bewegen; vgl.
- 1G037. — p.ramten swv., nöthi;jen, durch Nothigung bewegen. — 1289S './-
- toiten swv., verst. toiten. [nhd. ertödten hat einen leise andern Sinn]. —
- XVIII. BRANGvENE. 98
- ir voigen mortslaiigcn
- ir werdet beide erhangen
- oder üf einer hurt verbrant.»
- « entriuwen )' , sprachen jene zehant 12?10
- cfrouw', iuwer herze und iuwer muot
- die ensint niht lüter unde guot,
- iuwer zi'mge ist harte manicvalt.
- nu frouwe fristet disen gewait;
- e wir Verliesen unser leben, 12915
- wir wellen s' iu e wider geben
- schceu' unde wol gesunde.»
- Isot sprach an der stunde
- (325) weinende harte sere:
- «nune lieget mir niht mere: 12920
- lebet Branga^ne od ist si tot?»
- «si lebet noch, wunderliche Isot.»
- «owe, so bringet mir si her
- den Worten, daz ich iuch gewer,
- swes ich iu gelobet hän.» 12925
- 0 frouwe Isot, daz si getan.»
- Isöt behabete ir einen da; •
- der ander reit dännen sä
- hin wider, da er Brangaenen lie;
- isote ir frouwen brähte er die. 12930
- und dö si vür Isote kam,
- Isot si zwischen arme nam
- und kuste ir wangc unde ir munt
- ze einer und ze maneger stuut.
- den zwein gaj) si ze solde 12935
- zweinzec marc von golde
- den Worten, daz diz mcere
- von in verholen wtere.
- IS'u daz diu künigin Isot
- Branga^nen in der endenöL 12940
- 12'Ji)S erhanf/en part. von erhahen stv., erliängcn stv. und swv. erh(inypnz=:
- nhd. gehangen oder erhangt. — 12909 hurt stf., Hürde. Flechtwerk, zum
- Verbrennen der Übeltliäter. — Vl^Vi manictaU SlA']., liier: verschiedenartig,
- ungleich, unbeständig. — 12924 clfn tcorten, unter der Bedingung, mit dem
- Versprechen: ebenso gleich im folgenden V. 12937, aber beide ^Vendungeu
- verschieden subjectiv und objectiv.
- 12927 behaben swv., hier=:belialten, zurückbehalten.
- 12940 endenot stf., letzte Koth, Todesnoth. —
- 94: XVIII. BRAXG7ENE.
- getriuwe nnde staete
- und an ir muote h?ete
- (liirnähte in alle wis bekant
- nnd in dem tegele gebrant
- nnde geliutert alse ein golt, 12945
- Sit des was Brangaen' imde Isolt
- von herzen und von sinne
- so getriuwe und so geminne,
- daz nie nilit under in beiden
- ir dinges wart gescheiden: 12950
- si wären mit ein ander dö
- ir muotes unde ir herzen fro.
- Brangaene was des hoves dö wol,
- der hof der was ir lobes vol:
- si was geminne in allen; 12955
- sine trüoc niemanne gallen
- uzen noch innerhalp der wät.
- si was rätgebe unde rät
- (326) des küneges unde der künigin.
- ze kamere künde ouch niht gesin, 129CO
- Brangaene enmüese ez wizzen.
- ouch was si verflizzen
- ze dieneste Isolde:
- si diende ir, swie si wolde,
- an Tristand' ir amise. 129C5
- Diz triben s' alse lise ,
- daz nie nieman dervan
- wän noch arcwän gewan.
- ir gebierde, ir rede, ir moere
- oder swäz ir dinges w^ere, 12970
- des nam in Kitzel iemen war:
- niemen haete wän dar.
- in was sanfte und alse wol,
- alse zwein gelieben sol,
- den ir State unde ir zit 12975
- ze staten und ze willen lit.
- da was amie unde amis
- alle zit und alle wis
- 12948 f/fiminne adj., in Liebe vereint, zugethan, freundlich; mit dat. int
- V. 129:)r., mit prsep. r„it in V. 13094. — 12960 ze kamere, (in der Kammer)»
- im engeren Kreise, in den intimen Verhältnissen des Hofes; vgl. zu 142.^5»
- XVIII. brang.i-:ne. i)5
- in der minnen bejagc.
- si begünden dicke in dem tage 12980
- ir ougen imderstricken
- mit inneclichen blicken
- in der menege und under liuten,
- da blicke sulen tiuten
- lind wehselmsere meinen, 12985-
- mit den man sich vereinen
- aller gelieben liebe mac.
- daz triben si naht unde tac
- und was daz äne väre:
- an rede und an gebäre 12990
- wären si beidiu gende,
- sitzende unde stende
- frilich und oiFenbsere.
- ir oifenlichiu maere,
- mit den si wunder künden, 12995-
- diu begünden s' under stunden
- mit klebeworten underweben;
- man sach dick' in ir maeren kleben
- (327) der minnen were von worten
- also golt in dem borten. 13000
- es gedähte aber niemen niht,
- daz ir wort und ir geschiht
- an liebe hseten keine kraft
- wan eine von der macschaft,
- die man so gröze erkande 13005
- under Marke und Tristande,
- mit der verkouften si vil,
- mit der ertrugen s' ir minnespil;
- mit der verspilte Minne
- 12979 bejac stm. ; liier scheint im Worte die Bedeutung: jagen, Jagd'
- durchzuklingen. — 129.S1 iinderntricleii swv., untereinander, gegenseitig vor-
- stricken. — iL'yH.'i we/i sfüna'/fl stn., Wechselrede, bildlich für: gegenseitige»
- Kiuverständniss. — r29!S7 fjeliep hier adj., gegenseitig lieb; vgl. Itls^'i. a. g. I.
- ist Genitiv abh. von sich tv'/-<'//t^« = nhd., d. h. sich verstiindigen in oder über
- etwas. — 12989 väre stf. (l.')070), Gefahr, d. h. Aufpasserei; vüre ein Licb-
- lingswort Gottfried's im letzten Theile. — lL'998 (= 1771.')) //-tiu;// adj., frei,
- schrankenlos. — 12997 klfhrwoit stn., wohl eine originale Bildung, festsitzen-
- des Wort; Wort, das die Aufniorksamkeit erregt. — underweben stv., da-
- zwischcnweben, iihnlicli unserm : eiiitiechten, einfließen lassen. — l3(Hi3 krajf,
- hier: die innere Wirkung, Ursaclie, (irund. — i;^004 cori der /näc^c/ui/t^
- von der Verwandtschaft (2'ü>) her, in Folge der Verwandtschaft. — l.'^l»n7 vr-
- kotiffn swv., Kauf. Handelschaft treiben, kann hier nur bildlicli })e(icuten :
- (tinredlichen) (Jewinn ziehen, täuschen. — l.'^008 ertrugen prset. i)l. von.
- ^-rtrirgen stv. mit acc. , hier nicht: betrügen, sondern: über etwas täu-
- schen, dnrch Betrug etwas verhehlen. — l.'iOU9 Cfrynln swv., (verspielen),
- durch Spiel zu nichte machen, täuschen. —
- ÖG XVIII. BRANG^NE.
- vil maneges herzen sinne, 13010
- der sich nie keinez künde enstän,
- wie'z umbe ir liebe was getan.
- diu was an in rein' iinde guot.
- ir beider sin, ir beider muot,
- daz was allez ein und ein, 13015
- ja unde ja, nein unde nein;
- ja unde nein, nein unde ja,
- eutriuwen, daz was niender da.
- an in was niht gescheiden,
- da wären beide an beiden. Io020
- Sus triben si zwei under in
- die stunde liepliche hin
- wilen sus und wilen so:
- si wären underwilen fro
- und underwilen ungemuot, 13025
- als liebe under gelieben tuot:
- diu briuwet in ir herzen
- die senfte bi dem smerzen,
- bi fröude kumber unde not.
- so Tristan und sin frouwe Isot 13030
- ir State zuo ir dingen
- niht künden vollebringen,
- daz was ir not; sus unde so
- wären si trürec unde frö.
- euch enwärt niht under in verhorn, 13035
- dane waere oucli underwilen zorn:
- ich meine zorn ane haz.
- und sprichet aber iemen daz,
- (328) daz zorn üngebsere
- under so gelieben wa^re, 13010
- benamen da bin ich sicher an,
- daz der nie rehte liep gewan;
- wan diz daz ist der Minnen site,
- hie enzüudet si gelieben mite,
- hie mite so fiuret si den muot: 13045
- 1301Ö ein und ein, verstärktes ein, wie sonst al ein (4530), durchaus eins,
- einig.
- 13027 briuwen stv. (Hs. F u. B prüeven), [brauen, brauen], bereiten,
- erzeugen. — 13035 verbern stv. (2590) hier in passivischer Wendung: es
- wurde nicht unterlassen, es unterblieb nicht, es ließ sich nicht vermeiden,
- daß auch war, stattfand u. s. w. (mhd. negative "Wendung mit Conjunctiv), —
- XVIII. BRANG-r*:NE. - ^7
- waii alse in zorn vil we getuot,
- so süenet si diu triuwe,
- so ist aber diu liebe niuwe
- und aber der triuwen me dan e.
- wie aber ir zorn üf erste, 13050
- wie si ane rat ze suone komen,
- daz habet ir dicke wol vernomeu.
- ^elieben dunket lihte, ,
- die dicke und ie gedihte
- ein ander mugen gewesen bi, 13055
- daz eteswer da lieber si
- und näher gende dan si sin,
- und machent umbe ein dunkelin
- €in michel zornma^re,
- iiz einer kleinen swsere 13060
- ein riliche suone;
- und ist oucli daz ze tuone;
- daz sol man in billichen:
- hie von sol liebe riehen,
- jungen unde niuwen 13065
- und fiuren an den triuwen.
- lieb' armet unde altet,
- si kuolet unde kältet,
- swä si ir fiures niene hat.
- so der zorn an ir zergät, 13070
- zehant engrüonet si niht.
- swenn' under friunden geschiht
- deheiner slahte zornelin,
- so ist triuwe ie da diu süenserin,
- frisch und iteniuwe: 13075
- diz niuwet die triuwe,
- diz liutert liebe alse golt.
- Alsus treip Tristan unde Isolt
- (329) mit liebe und leide ir stunde hin:
- 13054 gedihte adv., dicht, häufig, synonym mit dicke; vgl. 1209. — 1305S dun-
- kettn stn. (dimin. von dune stm., Bedünken), kleine Vcrmuthung, scliwacher
- Argwohn. — 130;)9 zornmara stn., Zornrede, doch kann aucli riKjere allge-
- meiner genommen werden, und zortuiuMre würde nur eine Gottfriedische
- Umschreibung von zoni sein. — 1306:» jungen swv., jung werden, sich ver-
- jüngen. — Hiuivfii swv. intrans., neu werden, sich erneuen. — i;ju6<; j'uuen
- swv. hier intrans., feurig werden, sich entzünden. — 13067 armen swv.,
- arm werden, verarmen. — alten swv., alt werden, altern [Bildung von
- Alter; alten in: veralten]. — 130t)8 kuolen swv., kühl werden, sich ab-
- kühlen. — 13073 zornelin stn., kleiner Zorn. — i;!(i7,') ituniuue adj., ver-
- stärktes niuK-e, ganz neu, erneut. — 13076 niuuen swv. trans. , erneuern.
- COTTllUED VON STEASSBUiJG. II. 2. Aufl. 7
- 98 XVIII. ERANG^NB.
- liep linde leit was under in 1308O
- in micheler iinmüezekeit:
- liep meine ich äne herzeleit.
- sine hinten dannoch beide
- (leheine herzeleide
- noch niht solher ungeschiht, ISOSS
- diu hin in daz herze siht.
- si verswigen ouch ir dinc
- und hälen ir hselinc
- vil anclich und vil ange
- und triben ouch daz lange. 3 309O
- si wären beide höchgemuot,
- ir muotes fri unde fruot.
- isöt diu küniginne
- diu was so geminne
- mit Hute und mit lande; 13095
- ouch sagete von Tristande
- beidiu liut unde laut:
- er was genenne unde erkant,
- orvorhten wunderliche
- in al dem künicriche. 13100
- 13084 Icrzeleide stf., Herzeleid; vgl. zu I2rjl0. — 130SÖ sehen steht
- hier poetisch für: dringen, gelangen. — 13u98 gt nenne adj., berühmt. —
- 13099 ercorhien part. adj., gefürchtet.
- XIX.
- ROTTE UND HARFE.
- Zu der Zeit kam ein Baron aus Irland, Gaudin mit Namen, an Marke's
- Hof. Er führte eine kleine Kotte auf dem Rücken, die er auch bei Tafel
- nicht ablegte. Marke bittet ihn , sein Kotteuspiel hören zu lassen. Der
- Gast willigt bedingungsweise ein. Da verspricht der König, ihm jede For-
- derung zu gewähren. Gundin spielt und verlangt die Königin und besteht
- auf seinem Rechte. Niemand wagt den Kampf mit ihm, und Gandin nimmt
- Isolt mit sich in sein Zelt am Gestade, wo er den Eintritt der Fluth er-
- warten will. Tristan kehrt von der Jagd zurück, erfährt den Vorfall und
- eilt mit seiner Harfe dem Ufer zu, nachdem er vorher sein Ross in einem
- Busche festgebunden. Er bittet Gandin, ihn mit nach Irland zu nehmen.
- Gandin willigt ein, wenn er liarfe und mit seinem Spiele die weinende
- Frau tröste. Dafür verheißt er ihm überdies das beste Gewand im Zelte.
- Während des Spiels kommt die Fluth. Ohne ein Ross kann man nicht
- zum .Schiffe gelangen. Tristan holt sein Ross lierbei, und die Königin will
- nur von dem Spielmann übergeführt sein. Gandin hebt sie selbst aufs
- Ross, und sogleich sprengt Tristan hinweg. Was Gandin dem Könige mit
- dem Rottenspiel betrügerisch abgewonnen liabe, das führe er mit der
- Harfe davon ; das beste Gewand sei ihm zu Tlieil geworden. Tristan
- bringt Isolt dem Oheim zurück; er möge die Königin künftig nicht wieder
- so leichten Kaufes hingeben.
- Nu Tristan was gemuothaft:
- ze erneste und ze rittcrschaft
- vertete er siner stunde vil.
- er dienete mit vedcrspil
- sinen müezigen tagen; 13105
- er reit birsen unde jagen,
- so ez an der zit also geviel.
- In den ziten kom ein kiel
- ze Kurnewäle in Markes habe.
- 13107 yctallcn Btv., hier: zufällig sein, etwa: sich machen.
- 7*
- 100 XIX. ROTTE UND HARFE.
- da reit ein ritter iiz^ und abe. 13110
- ein edel barün von Irlant,
- der was Gandin geoant
- und was bövescli, schoeu' unde rieh,
- des libes alse manlich,
- daz allez Irlant seite 13115
- von siner manheite.
- der kom schone gekleit
- mit ritterlicher Schönheit
- (330) und mit herlichen siten
- al eine üf Markes hof geriten 13120
- äne schilt und äne sper.
- über sihen rucke fuorte er
- eine rotten, diu was kleine,
- mit golde und mit gesteine
- geschoenet unde gezieret, 13125
- ze wünsche gecordieret.
- und alse er erbeizet was,
- er gienc in den palas
- und gruozte, alse er solde,
- Marken unde Isolde; 13130
- der ritter unde der amis
- was er gewesen manege wis
- und ouch ze manegem male
- und kom ze Kurnewäle
- durch ir willen von Irlant. 13135
- nü bekande ouch si'n zehant:
- «de US säl, messire Gandin!))
- sprach diu gefüege künigin.
- «merzi!» sprach Gandin «bele Isolt,
- schcen' unde schcener danne golt 13140
- in Gandines ougen!))
- nu Seite ouch Isot tougen
- dem künege, wer er wsere.
- den dühte ez alwsere
- und wunderte in genuoc, 13145
- daz er die rotten üf im truoc.
- und nam si's alle wunder;
- 13123 rotte swf., Fremdw. altfranz. rote, aber keltischen Stammes, ein
- Saiteninstrument, eine Art Harfe, insofern sie gegriffen wird, wohl der
- Zither entsprechend; rottenspil in 13166. — 13126 cordieren swv. Fremdw.,
- mit Saiten beziehen. — 13131 beide dfr sind DemonstratiTa = (VMi". —
- 13137 messire masc. Fremdw. = neufranz. rnonsieur. —
- XIX. ROTTE UND HARFE. 101
- samet unde sunder
- hemarkteii si ez starke.
- iedoch so fleiz sich Marke 13150
- ze sinen eren scre
- so durch sin selbes ere
- so durch die bete Isote:
- diu bat in ie genote,
- daz er im ere bsere, 13155
- wan er ir lantman wpere.
- des was er gerne gemant.
- er sazte in bi sich zehant
- (331) und fragte in aller hande
- von Hute und von lande, 13160
- von frouwen und von hövescheit.
- Nu daz daz ezzen was bereit,
- und daz gesinde wazzer nam,
- und daz wazzer hin ze im kam,
- dö wart er vil unde vil 13165
- gebeten, daz er sin rottenspil
- von ime biete getan,
- des enkünde in niemen übergän.
- künic unde künigin
- die liezen ez mit guote sin. 13170
- so dühte ez aber genuoge
- unhöfscheit unde unfuoge.
- ouch engieng ez so niht hin,
- sine begunden 's under in
- vil lachen unde spotten. 13175
- der ritter mit der rotten,
- der herre mit der harnschar
- der nam es alles keine war :
- 131Ö7 gerne adv., hier: leicht; er ließ sich leicht dazu erbitten.
- 13168 üöeryän stv. mit acc. und gen., einen zu etwas veranlassen. —
- 13172 unliCfi'Jieit 1 uuhi'iveschi'it stf., das Gegeutheil von hövescheit (2260),
- Unhöflichkeit, Unanständigkeit. — vnfuogp stf. [verloren, erhalten: IJnfug
- £tm.], Gegentheil von fuoge (1049), Unschicklichkeit. — 13177 harnschar =
- harins:har stf., nwas zur Kränkung, Pein und C^ual auferlegt oder angestiftet
- ■wird, Strafe, Noth.' Mhd. Wb. II, 2, l.')3. Kurtz behält -Harenschar» bei
- und erklärt in der Anmerkung S. .'»92: harnschor, altgermanische Ehren-
- Etrafe, besonders im Sattel- und Huudetragen für treulose Lehensmannen,
- wie es unter Heinrich dem Finkler vorkommt und noch im Jahre 1156 von
- Kaiser Friedrich dem Pfalzgralen Hermann auferlegt wurde.» Simrock :
- der Ritter mit der Rotten, die er wie zur Strafe trug." Bech macht auf die
- Alliteration aufmerksam ritter mit der rotten, herre mit fter hdrunchar als
- Mittel neckenden Spottes; treflend ist Bech's Übersetzung: .der Herre
- mit der Hocke.»
- 102 XIX. KOTTE UNI) HARFE-
- or was nider gesezzen
- ze Markes siten ezzen; 13180
- er tranc und az, als ime gezam.
- Nu man die tische dan genam,
- er stuont üf und gie dannen
- sitzen ze Markes mannen;
- die gäben ime geselleschaft, 13185
- die wären mit im kumberhaft
- mit manegem liovem?ere.
- der künec der hovebsere,
- Marke der tugenderiche
- der bat in offenliche, 13190
- ob er iht rotten künde,
- daz er in allen gunde,
- daz si vernsemen sin spil.
- der gast sprach: «herre, ich enwil,
- i'ne wizze danne umbe waz. » 13195
- «herre, wie meinet ir daz?
- wellet ir iht, des ich hän?
- daz ist ällez getan:
- (332) lät uns vernemen iuwern list,
- ich gib iu, swaz iu liep ist.» 13200
- « diz si ! » sprach der von Irlant.
- er tete in einen leich zehant,
- der in allen sanfte tete.
- der künec der bat in sä ze stete,
- daz er aber einen machete. 13205
- der trügensere erlachete
- vil innecliche wider sich :
- «diu miete» sprach er deret mich,
- daz ich iu rotte, swaz ich sol.»)
- und tete den zwir alse wol. 13210
- Xu daz der ander w^as getan,
- Gandin gie vür den künic stän,
- die rotten truog er an der haut:
- «nu herre», sprach er «sit gemant.
- 13186 kumberhaft adj., mit Icumber, Kummer, Bedränguiss behaftet, be-
- lästigt, aber hier ist gewiss nicht der Sinn "die waren bei ihm, in sei-
- ner Gesellschaft, belästigt» (mhd. Wb. I, 91Ü), sondern kumhei-haft ist ia
- weiterem Sinne «beschäftigt» [vgl. sich kümmern, bekümmern]. — 13208 er-
- lacheri swv. , hier nicht: zu lachen beginnen (mhd. Wb. I, 922), sondern:
- lachen, auflachen, in Lachen ausbrechen; vgl. zu 149Ö9.
- XIX. ROTTE UND HARFE. 103
- ir gelobetet wider mich.» 13215
- der künec sprach: «gerne, duz tuon ich:
- saget mir, waz wellet ir?»
- <' Isolde» sprach er «gebet mir.»
- «friuüt», sprach er «swaz ir äne die
- gebietet, daz ist allez hie. 13220
- diz mac noch sus noch so gesin.»
- « entriiiwen, herre», sprach Gandin
- «i'ne wil groz noch kleine
- niwan Isöte al eine.»
- der künec sprach: « triuwen, dazn geschiht.» 13225
- «herre, so enwelt ir niht
- behalten iuwer wärheit?
- werdet ir des iiberseit,
- daz ir urweere sit,
- so ensult ir nach der selben zit 13230
- deheines landes künic wesen.
- heizet küneges reht lesen:
- und vindet ir ez niht da,
- ich gän von minem rehte sä.
- ouch jehet ir oder swer es gibt, 13235
- ir gelobetet mir niht,
- da volge ich minem rehte hin
- wider iuch und wider in,
- ((333) swie mir der hof erteilet:
- min lip der ist geveilet 13240
- mit kämpfe und mit vehte,
- i'ne kome ze minem rehte.
- swer so ir wellet oder ir,
- der rite in einen rinc mit mir:
- ich wil bereden an dirre frist, 13245
- daz diu schd?ue tsot min ist.»
- Der künic sach her unde dar
- und nam allenthalben war,
- übe er iemen möhte hän, *
- der in getörste bestän. 13250
- nune was da niemen, der sin leben
- an eine wäge weite geben;
- 13227 l.phaltcn stv., l)ier=nhd. lialtcn. — 1322S ühevia'jen swv. mit
- gCQ., einer Sache überführen. — 13229 vrwa're adj., nicht wahr, treulos. —
- 1323J oudi, hier: dagegen. — 13243 Ellipse =:;(a-^H s6 ir u-elU-(. da:: er rite,
- oder ir nclli't nten, der rite u. 3. w.
- 104 XIX. EOTTE UND HARFE.
- roch Marke selbe cnwolde
- iiilit vehten urabe Isolde,
- wan Gandin was von solher kraft, 13255
- so mänlich und so herzehaft:
- ir deheiner kerte sich dar an.
- Nu was ouch min her Tristan
- hirs^n geriten ze walde;
- der enwäs ouch nie so balde 13260
- von walde wider ze hove komen,
- ern hsete üf dem wege vernomen
- diu leiden niuwen msere,
- . daz si im gantwürtet wsere.
- ez was ouch war, si was also: 13265
- Gandin h?ete die schoenen dö
- vil innecliche weinende
- und manege klage erscheinende
- von hove gefüeret an daz stat,
- und an daz stat was ime gesät 13270
- ein pavelüne, diu was rieh,
- wol schcene unde herlich:
- da gieng er und diu künigin
- al die wile sitzen in,
- unz daz mer wider kseme 13275
- unde der kiel genseme
- den flüz und die flieze,
- wan er lac an dem grieze.
- (334) Nu Tristan wider heim kam
- und von der rotten vernam ' 13280
- diu msere baz unde baz,
- zehant er üf sin ors säz,
- sine härphen nam er an die hant,
- er kom wol bälde gerant
- bi unde nahe zuo der habe 13285
- und kerte do mit listen abe
- 132Ö0 nie so balde adv. mit folgendem negativ gewendeten Satze ent-
- spricht unserm: kaum ■ — so; vgl. zu 17f)3l. 18249. Die Erklärung im mhd.
- Wb. I, 84 : «er kam durchaus nicht so schnell , daß er nicht schon unter-
- wegs ...» ist wörtlich, aber nicht deutlich. — 13261 ze hoce kornea bezieht
- sich nicht auf die wirkliche Ankunft am Hofe, sondern deutet ganz all-
- gemein die Rückkehr an. — 13277 ßlpze stf. (1467.')) synonym mit fluz; von
- Gottfried im letzten TheiJe des Gedichtes öfters angewandt. — 13278 ijriez
- stm., Sand, Ufersand.
- XIX. ROTTE UND HARFE. 105
- z'einem büsche und bant da vaste
- sin ors ze einem aste.
- sin swert daz hienc er dar an;
- mit siner harphen lief er dan 13290
- und kom zer pavelüne
- und vant oueh dem barftne
- sitzende under armen
- die fröudelosen armen,
- die weinenden Isöte: 13295
- die tröste er ie genöte.
- nu half ez aber kleine,
- biz daz si den al eine
- mit der harphen gesach.
- den gruozte Gandin unde sprach: 13300
- «de te saut, beäs harpiers!»
- «merzi, gentil scheveliers.
- herre, ich hän» sprach aber er
- «gegähet harte sere her:
- man sagete mir an dirre zit, 13305
- daz ir von Irlande sit:
- herre, dannen bin ouch ich.
- durch iuwer ere, füeret mich
- hin wider heim in Irlant!»
- Der von Irlant sprach zehant: 13310
- «geselle, daz gelobe ich dir,
- nu sitze nider, harphe mir:
- getroestest du die frouwen min,
- daz si ir weinen läzet sin,
- ich gib dir die aller besten wät, 13315
- die disiu pavelüne hat.»
- «diz lobe ich, herre»; sprach Tristan
- «ouch hän ich guoten tröst dar an,
- (335) ezn si danne alse vil,
- daz si durch kein mannes spil 13320
- ir weinen welle läzen,
- so muoz si sich es mäzen.»
- sines werkes er begunde,
- er harphete an der stunde
- so rehte suoze einen leich, 13325
- 13301 saut tTa,Txz. = xaleet, TerscLieden von aal', vgl. zu 2(;79. — //«/•■
- j'iers masc. Fremdwort = /, Harfner.
- 106
- XIX. ROTTE UND HARFE.
- der isöt' in ir herze sleich
- und ir gedanken alle ergie
- so verre, daz si ir weinen lie
- und an ir amis was verdäht.
- Nu daz der leich was vollebräht,
- do was dem kiele wazzer komen,
- und liaete sinen fluz genomen.
- hie mite so sprächen jene her abe
- von dem kiele in die habe:
- «herre, herre, gät her an!'
- und kumet min her Tristan,
- die wile ir an dem lande sit,
- uns begät ein übel zit.
- ez stät gar in siner hant
- beide liut unde lant.
- ouch ist er selbe, so man seit,
- von also grozer manheit,
- so geherze und so gemuot,
- daz er iu lihte schaden tuot.»
- diu rede was Gandin' ungemach.
- üz grozem unwerde er sprach :
- «nu müeze ich haben gotes haz,
- ob ich von hinnen umbe daz
- tälanc dest' e ze schiffe ge!
- geselle, mache du mir me
- den leich von Didone :
- du harphest also schone,
- daz ich ez an dich minnen sol.
- nu harphe miner frouwen wol.
- ich füere dich ze minnen
- mit mir und mit ir hinnen
- 13330
- 13335
- 13340
- 13345
- 13350
- 13355
- 13332 Das Subject ist er (der kiel), nicht ez (daz wazzer); vgl. 13275 fg.
- <^len fluz oder wie hier shien fluz nenien (wie noch in unserm : Weg neh-
- men = gehen, Ende nehmen = enden) =.^/>2en; vgl. 10918. — 13338 begdn
- stv. mit acc, hier: treffen, über einen kommen. — 13343 geherze adj., be-
- herzt; vgl. zu 9228. — gemuot adj. muß hier nach dem Zusammenhange
- ähnliche Bedeutung haben wie in V. 6824 : unerschrocken , muthig. —
- 13346 unwert stm., hier nicht ganz in der Bedeutung wie in V. 12345, son-
- dern, an die Bedeutung von: Zorn anstreifend, = Indignation [vgl. un-
- wirsch aus unwirdisc/il. — 13353 ininuen mit prsep. an mit acc. ist unge-
- wöhnlich ; an hat hier die Bedeutung: gegen, gegenüber; in moderner
- Sprache würden wir eher den Dativ setzen. Der Sinn der ganzen Wen-
- dung wohl : daß ich es dir in Liebe gedenken , dir dafür dankbar seia
- muß. — 13355 ze minnen, hier: zum Geschenk, aus Dankbarkeit, Erkennt-
- lichkeit. —
- XIX. ROTTE UND HARFE. 107
- und gibe dir ouch alliie zeliant
- dint!n geheiz und diu gewant,
- (336) daz aller beste, daz ich hän.»
- Tristan sprach: «herre, deist getan.» 13360
- Der spilenian huop aber an:
- sin harphenspil er aber began
- so rclite suoze bringen,
- daz Gandin sinen dingen
- vil flizeclichen ore bot 13365
- und sach ouch wol , daz Isot
- ser' an die harphen was verdäht.
- nü der leich was vollebräht,
- Gandin der nam die künigin
- und wolte hin ze schiffe sin. 13370
- nu was diu fiioze unde der floz
- vor der schifbrucken also gröz,
- daz niemen an der stunde
- an' ein vil hoch ors künde;
- zer schifbrucken komen in. 13375
- «waz getüon wir nü?» sprach Gandin
- «wie kumet min frouwe dar an?»
- «seht, herre '^, sprach der spileman
- ~ «Sit daz ich des gewis bin,
- daz ir mich mit iu füeret hin, 133SO
- swes ich ze Kurnewale hän,
- des sei hie lützel bestäh.
- ich hän ein hohez ors hie bi,
- ich wöene , ez ouch so hoch si,
- mine fröuwen, iuwer friundin, 13385
- daz ich si wol zer brücken in
- so schone gefüere.
- 13358 ijcheiz stm., Verheißung, versprocliciier Lohn.
- 13371 rin: stni. synonym mit //iVic, Fluß, Strömung; dicsoUjc Wendung
- iu V. I!t4;;9. — 13372 die Erklärung in der 1. AuHagc befriedigt nicht, liier
- ist schifbrucke die Landungsbrücke , das vom Ufer nach dem Schiffe ge-
- legte, schräg aufwiirtssteigende l'.rct oder Uretergcrüst, dessen unterer Theil
- vom Wasser bespült war. In V. 1337.') dieselbe Bedeutung, wenn nicht doch
- vielleicht ein stilgemäßer Wechsel anzunehmen ist, etwa allgemein : Schiffs-
- eingang, und dieser wäre dann oben auf dem Schiffe zu denken. In
- Y. 13.i>; hat wohl />r*/c^^' jedenfalls die Bedeutung von scldf brücke in V. 13373
- ^auf der Brücke hineinführe). — Daß brurkp. in V. )S7()1 das <( Verdeck» be-
- deute, wie Bech vermuthete [vgl. eine Stube brücken], glaube icii nicht,
- weniRstens nicht schlechthin. An dieser Stelle wird brücke das den alten
- Schiffen eigenthümliciie vordere llalbdeck. Back genannt, sein, von dem aus
- die Be()l)aclitungea angestellt werden. Die Schiffsthür ist dann nicht all-
- gemein ' Scliiffseingang», sondern die Thür, welche zur KajiUc führt. —
- 108 XIX. ROTTE UND HARFE.
- daz si daz mer iht rüere.»
- Gaiidin sprach: «lieber spileman:
- bald' ile, brinc dm ors her an 13390
- linde oiich iesä diu gewant!»
- Tristan der brähte daz ors zehant
- und iesä, do er wider kam,
- sine härphen er ze rucke nam:
- «nu herre von Irlant», sprach er 13395
- «bietet mir mine frouwen her,
- ich füere si vor mir dar in.»
- « nein spileman » , sprach Gandin
- (337) «dune solt si niht rüeren,
- ich wil si selbe füeren.» ^ 13400
- «we, herre!» sprach diu schcene Isöt
- «diz m^ere ist allez äne not,
- daz er mich niht rüeren sol:
- nu wizzet endeliche wol,
- daz ich niemer kume dar an, 13405
- mich enfüere der spileman.»
- Gandin bot ime Isote dar:
- <- geselle», sprach er «nim ir war
- und füere s' also schone,
- daz ich dir's iemer lone.» 13410
- nu er Isolde z'ime gewan,
- er sprancte ein lützel her dän.
- und alse ez Gandin gesach ,
- unwertlich er im nach sprach:
- «inä gouch ! waz sol diz sin?» 13415
- «nein nein», sprach Tristan «gouch Gandin!
- friunt, ir stät an des gouches zil,
- wan daz ir mit dem rottenspil
- dem künege Marke ertrüget an ,
- daz füere ich mit der harphen dan: 13420
- ir trüget, nu sit ouch ir betrogen; i
- 13388 rüeren swv. mit acc, berühren. — iht (=H8. H u. F ; M fehlt)=n/Äf.
- 13414 unwirtlich adv., hier nicht wie in V. 12344, sondern im Sinne
- von unwert in V. 13346: indigniert, zornig. — 13415 inä interj. im Mhd.
- nicht häufig, bei Gottfried nur hier (vgl. Gr. 3, 248), entsprechend unserm:
- he! heda! — gouch stm., hier etwas anders als in V. 8631: Betrüger, aber
- nicht ganz so herb wie dieses nhd. Wort, Schalk; d.igegen im folgenden
- Verse nähert sich das Wort doppelsinnig der Bedeutung: Narr. — 13417 zil
- stn. mit gen. dient im Mhd. zur Umschreibung in poetischer Sprache und
- kann in diesem Falle selten durch unser: Ziel wiedergegeben werden j
- gewöhnlich ist zil gar nicht zu übersetzen. Bei Gottfried nur hier: j>
- ütüt an des goudies ii7 = ihr seid der Gauch. —
- XIX. ROTTE UND HARFE.
- 109
- Tristan der hat iu nach gezogen,
- biz daz er iuch beswichen hat.
- friunt, ir gebet riliche wät:
- ich hän daz beste gewant,
- daz ich dem sezelte vaut.»
- 13425
- Tristan reit sine sträze.
- Gandin was äne niäze
- trüric unde tiüresam.
- im tete schade unde schäm
- vil sere und innecliche we.
- er kerte wider über se
- mit schäme und mit leide,
- jene geverten beide,
- Tristan und Isöt kerten hin.
- ob si ünder wegen under in
- iender ze fröuden kaemen ,
- ruow' in den bluomen naemen,
- (338) daz wil ich äne wac-nen län:
- ich sol waenen unde wän
- minenthalben legen nider.
- Tristan der brähte Isöte wider
- sinem d'heime Marke
- und sträfete in starke:
- «herre», sprach er «wizze Krist,
- als liep als iu diu künegin ist,
- so ist ez ein michel unsin,
- daz ir si gebet so lihte hin
- durch harphen oder durch rotten,
- ez mac diu werlt wol spotten:
- wer gesach ie mere künigin
- durch rottenspil gemeine sin?
- her nach so bewaret daz
- und hüetet miner frouweu baz!')
- 13430
- 13435
- 13440
- 13445
- 13450
- 13423 beswichen stv., betrügen, überlisten.
- 13429 truresam adj. synonym mit ti'un'c ; vgl. zu 17. — 13441 ntinent-
- halben (nach Hs. H, W, F; Hs. M fehlt) adv., meinethalben, meinerseits;
- bei Gottfried nur hier. Das unorganische euphonische t war nicht zu til-
- gen, da Hs. M auch allent/ialOen 249^ schreibt.
- XX.
- MARJODO.
- Am Hofe besaß Tristan einen Freund, den Triicliseß Marjodo. Sic
- pflegten als Sclilafgenossen sich vor dem Einsclilafeu mit Eizälilungon
- zu unterhalten. Eines Nachts hatte Marjodo wieder mit Tristan geplau-
- dert und war dann eingeschlummert. Tristan schlich zur Königin. Brau-
- gsene lehnte ein Schachbret vor das Licht, vergaß aber die Thüre zu
- schließen. Derweil hatte der Truchseß einen erregten Traum. Er erwacht
- und will ihn dem Freunde erzählen. Da er keine Antwort erhält und
- Tristan's Entfernung gewahr wird, steht er auf, geht zur Thüre hinaus
- und erblickt Tristan's Spur im Schnee. Er verfolgt sie und gelangt zur
- Kemenate, kommt endlich auch unbemerkt an der Königin Bette und be-
- lauscht die Liebenden. Darauf kehrt er schmerzlich bewegt und voll
- Eifersucht nach seinem Lager zurück. Bald kommt auch Tristan wieder.
- Beide schweigen. Tristan merkt, daß ihn Marjodo beargwöhne. Dieser
- vertraut dem Könige, es gehe am Hofe ein übeles Gerücht über Tristan
- und Isolt, er möge auf der Hut sein. Marke aber findet keinen Anhalt,
- denn Tristan hatte der Königin des Truchseß Argwohn kundgethan.
- Tristandes lob und ere 13455
- die bluoten aber do mere
- ze hove und in dem lande,
- si lobeten an Tristande
- sine füoge und sine sinne.
- er und diu küniginne 13460
- si wären aber frö unde fruot,
- si gäben beide ein ander muot,
- so si iemer beste künden.
- In den selben stunden
- haete Tristan einen cumpanjün, 13465
- der was ein edeler barün,
- des küneges lantsseze,
- 13467 lantSKze swm., Landsasse, ein im Lande Eingesessener =Za«N
- hcrre, barün. —
- XX. MARJODO.
- 111
- sin oberster truhsaeze,
- und was geheizen Marjodö:
- der selbe was Tristande dö 13470
- gefriunt unde geminne
- durch die süezen küniginne,
- der truog er toiigenlichen muot,
- als manec man maneger frouwen tuot,
- da si sich lützel keret an. 13475
- der truhsaez' unde Tristan
- si zwene hseten under in zwein
- gemeine herberge enein
- (339) und wären gerne ein ander mite.
- ouch was des truhssezen site, 13480
- wan Tristan schoener m?ere phlac,
- daz er im ie nahtes bi gelac,
- daz er bereite hin ze im sprach.
- Eines nahtes ez geschach,
- dö h^ete er mit Tristande
- TÜ unde maneger hande
- rede unde mivre getriben
- und was släfende beliben.
- der minnaere Tristan
- der stal sich tougenliche dan
- an sine strichweide
- ze manegem herzeleide
- im selben unde der künigiu.
- do er unvermeldet wände sin
- und sicher siner dinge,
- dö haete im misselinge
- ir stricke, ir melde, ir arebeit
- an den selben pfat geleit,
- den er underwilen ie
- 13485
- 13490
- 13495
- 13471 gefriunt adj. hier mit dat., befreundet. — 13481 uan conj., weil. — ■
- 134S3 bereite adv. von öfreit, bereite, bereitwillig, gerne. Bei dieser Auf-
- fateang ist in beiden Versen 13482 u. 83 das Subj. er der Truchseß , die
- Conj. da: aber verschieden: das erste abh. von site, das zweite = weil, in-
- dem (er sich gerne mit ihm, mit Tristan, unterhielt). Anders Paul (S. 18):
- her'ite^in einer Weise, daß er ihm zur Hand war, bequem; auch will
- Paul lesen nach Hs. AV und F: so" /n, so nahe (lag, daß er, Tristan, bequem
- zu ihm, dem Truchseß, reden konnte).
- 13491 strichiveide stf., hier wieder in dem bekannten Bilde aus der
- Jägerei: der Jagdgang. — 13494 untern leldet part. adj., unverrathen, sicher.
- — 13497 melde stf., Mehlung, Verrath [die harmlose Bedeutung unseres:
- melden = verkündigen in älterer Zeit vereinzelt, fehlt aber nicht ganz,.
- Ä. B. Ezzo'e Lied von den AYundern Christi, Strophe 10, Zeile 3].
- 112 XX. MARJODO.
- ze isote froliche gie: 13500
- der was des iiähtes besnit.
- oucli schein der mäue ze der zit
- vil Hellte und vil kläre.
- Tristan nam keiner väre
- noch deheiner slahte merke war, 13505
- wan gieng et baltliche dar,
- aä man im sine tougenheit
- bescheiden haete und üf geleit.
- nu er in. die kemenäten kam,
- Brangsene ein schähzabel nam: 13510
- vür daz lieht leinde s' daz.
- nunc weiz ich, wie si des vergaz,
- daz si die tür offen lie
- und si wider släfen gie.
- Die wile und aber daz geschach, 13515
- der truhsaeze der gesach
- in sinem troume, da er slief,
- einen eher, der üz dem walde lief,
- (340) freislich unde freissam;
- üf des küneges hof er kam 13520
- schümende unde wetzende
- und sich ze wige setzende
- üf allez daz, daz er da vant.
- nu kom geloufen al zehant
- des hovegesindes michel kraft. 13525
- da lief michel ritterschaft
- umbe den eher her unde hin,
- und enwäs doch niemen under in,
- der in getörste bestän.
- sus liez er allez hine gän 13530
- limmende durch den palas;
- da Markes kemenäte was,
- da brach er zuo den türen in.
- daz sin bette solte sin,
- daz zewarf er hin und her 13535
- 13505 merke stf., Absicht, Hinterlist. — 13503 bescheiden stv., hier ziem-
- lich unserm: bescheiden entsprechend, veranstalten.
- I5bl9 freislich adj., schrecklich. — freissara adj., ebenfalls: schreck-
- lich, entsetzlich. Beide Worte sind Adjective und gehören als unflectierte
- Apposition zu eher im vorhergehenden Verse. — I353u hine gän lüzea ist
- hier eine ähnliche Wendung wie in V. 102S0 und steht für hine gan,
- umherlaufen. — 13531 liinmen stv., brummen, grunzen. — 13535 zewerfeni
- zerwerfen stv., durcheinanderwerfen. —
- XX. MAEJODO.
- 113
- mit sinem schüme solgete er
- daz bette und al die bettewät,
- diu küneges bette bestät.
- diz sähen alle Maikes man
- und nam sicb'z doch ir keiner an.
- 13540
- Nu Marjodoc erwachet was,
- den troum er in sin herze las :
- wan er was im sere ande.
- hie mite rief er Tristande
- und wolte im sagen ma?re,
- waz ime getroumet wsere.
- nu antwurte im niemen da.
- nu rief er aber und aber sä
- und reichete mit der hant do dar,
- und alse er nihtes wart gewar
- noch an dem bette niemen vant,
- nü bewände er in zehant
- umbe töugenüchiu tagedinc;
- aber ümbe sinen hrelinc
- hin zuo der ktiniginne
- des euha'He er keine sinne,
- ern ha'te deheinen wän dar an.
- doch nam er ime hin z'ime dar van
- (34:>) ein friuntlichez zornelin,
- so liep als er im solte sin,
- daz er im niht enseite
- von siner toufrenheite.
- 13645
- 13550
- 13555
- 135GO
- Marjodoc stuont üf zehant
- und leite an sich sin gewant.
- er sleich vil lise hin zer tür
- ünde wartete dervür
- und sach Tristandes spor dervor.
- hie mite so volgete er dem spor
- hin durch ein boumgärtelin.
- 135G5
- 13.i3ß sol'jen swv., beschmuzen. — 13537 betlewat stf., Bettzeug; das Wort
- steht in Verbindung mit bett" , welches in diesem Gegensatze als das fest-
- fctehende Bette , das Gestell und zugleich das Unterbett zu neluueu ist,
- formelhaft; noch mehr in V. 15204; vgl. auch zu 15rj8. — l35.'iS vgl. zu
- 4ÖS0. Dieser Zusatz ist culturgeschichtlich beachtenswerth.
- 13.')4ti mir ist ytroutnet ist im Mhd. die gewöhnliche Wendung, seltener
- •die dem Nhd. entsprechende niir hat getr. — 13052 Oewaunen swv. mit acc,
- beargwöhnen ; vgl. 13(jt)2.
- GOTTFHIED VON' STRASSBUBG. 11. 2. Aufl.
- 8
- IM XX. MARJOßO.
- oucli leite in des raäucn schin 13Ö70
- über siie und über gras,
- er vor hin gegangen was,
- iinz an der kemenäten tür.
- da gestüont er vorhtende vür,
- nnd misseviel ini^al zehant, 13575
- daz er die tür als offen vant.
- sus trabte er da lange
- nach Tristandes gange:
- er bedä'hte übel unde guot.
- iezuo so kom im in den miiot, 13580
- Tristan der waere komen dar in
- durch eteslich juncfrouwelin.
- so der wän iezuo was getan,
- so was al zehant sin wän,
- er wiere dar inne 13585
- durch die küniginne.
- der wän der gie hin unde her.
- Ze Jungeste genante er
- und gie vil li'se dar in
- und envänt da lieht noch mänen schin; 13590
- Avan von der kerzen, diu da bran,
- da gesach er lützel van :
- da leinde ein schähzabel vor. ■»
- sus gieng er ällez enbor
- und greifende mit henden 13595
- an müren unde an wenden,
- biz er z'ir beider bette kam,
- si beidiu samet dar an veruam
- (342) und hurte al ir gelegenheit.
- diz was im innecliche leit 1360O
- und tete im in dem herzen we,
- wan er hsete Isolde allez e
- 135S2 eteslich adj., hier: der eine oder andere und insofern = irgend ein.
- 13594 enbor yen heißt wohl nicht: empor, in die Höhe schreiten, denn
- Stufen werden kaum im Saale gewesen sein, und an die Tritte, welche
- sich vor den Betten befanden, ist Marjodoc noch nicht gelangt. Das mhd.
- Wb. I, l.'iO citiert: »er gie enbor weiterhin (hoher) )->\ das Gegentheil würde
- eher hierin liegen, wenn enbor = hoher genommen wird, denn höher gän,
- heißt sonst: weiter weg gehen und hoher stan zurücktreten (vgl. 2794).
- Sollte vielleicht enbor = in. der Höhe sein, in die Höhe gerichtet, d.h. auf
- den Fußspitzen, wie es auch Groote fasst, als ein anderer Ausdruck für
- ■eil Ilse in V. 135S9? Bech dagegen verbindet richtiger enbnr mit rnuren und
- wenden; und darf nicht stören. — 13595 greifen swv., greifen stv. (=mhd..
- yrljen), tasten. —
- XX. 3IAKJ0D0. 115
- lieb' imde holden imiot getragen.
- nu was daz allez underslagen
- mit hazze und mit leide. 13605
- er haete an ir dö beide
- baz linde leit, leit luule baz;
- in muote diz, in muote daz:
- erne künde sieb verriliten nibt,
- wie er ze dirre gescbibt 13G10
- also gewerben möbte,
- also ez fuogte und tobte.
- in reizete baz unde leit
- üf die gröze unbövescbeit,
- daz er ir dinc lütbferete 13615
- und ez al da vermserete.
- so zocb in aber Tristan
- und diu vorbte dervan,
- die er bin z'ime biete,
- ob er im ibt leides taete. 13G20
- sus kerte er umbe und gie dan:
- als ein geleidegeter man
- leit' er sieb aber wider nider.
- j
- Xu kom ouch Tristan scbiere wider.
- vil Ilse er an sin bette seic. 13625
- er sweic unde jener sweie,
- daz ir deweder nie wort gesprach,
- daz in doch selten e gescbach
- und des si e waren ungewon.
- von dirre fremede und hie von 13630
- so sach im Tristan daz wol an,
- daz er eteswaz hie van
- arcwände in sinem muote
- und bsete sine buote
- an rede und an geläze 13635
- in bezzerre mäze,
- dan er e mäles tsete.
- nu was ez aber ze spsete:
- (343) sin tougen was vermseret,
- sin bselinc goffenbseret. 136-iO
- 13604 underslahen stv., unterbrechen. — 13GV) iCäbocren swv., laut bekannt
- machen. — 13616 tennaeren swv., bekannt machen, verrathen ; vgl. l36o9. 14944.
- — 13622 geleideget part. (adj.) von leiilegen, beleidigen, betrüben, kränken.
- 1363s Das Adjectiv spccte ist im Mhd. im Gegensätze zu dem häufigen
- Adv. fpäte selten.
- 116 XX. MARJODO.
- Der iiidige Marjodo
- der nam den künec verholne do
- und Seite im, daz ein msere
- da ze liove entsprungen wasre
- von Isolde und von Tristande,' 13G45
- daz liute unde lande
- harte sere misseza^me,
- daz er es war nseme
- und rät dar umbe haete,
- v/az er dar zuo getsete; 13650
- ez gienge im harte sere
- an sin e und an sin ere.
- ern gewuog im aber des niht,
- daz er die wären geschiht
- als endecliche weste. 13655
- der getriuweste unde der beste,
- der einvalte Marke,
- den wunderte es starke
- und völgete es ungerne,
- daz er den leitesterne 13G60
- siner fröuden an Isolde
- iemör bewsenen solde
- ze deheiner slahte unguote.
- doch triiog er'z in dem muote
- leitlichen unde swäre 136G5
- und was in stseter väre
- alle zi't und alle stunde,
- ob er si ervinden künde
- an deheiner bewserde.
- ir rede und ir gebserde 13670
- daz bemärcte er allez sunder
- und enkünde si hier under
- an deheiner wärheit ervarn,
- wan Tristan der bat si'z bewarn
- und hsete Isolde kunt getan 13675
- des truhsöezen arcwän.
- 13655 endecliche ady.^^endeltcJie , hier: genau, gewiss. — 13657 einvalt
- adj., hier: (einfältig) , leichtgläubig. — 13665 leitLichen adv., mit Leid,
- schmerzlich. — 13666 vare stf., hier deutlich: Lauer; er hatte immer seiu
- Augenmerk. — 13673 ervarn stv., hier: erforschen, ertappen.
- XXL
- LIST WIDEK LIST.
- Um die Königin zu prüfen, gibt Marke vor, er beabsichtige eine Bitt-
- fahrt zu ujiternehmen, und fragt, in wessen Obhut sie während der Zeit
- bleiben wolle. Isolt nennt als den Geschicktesten Marke's Schwestersohn
- Tristan. Der König wird dadurch in seinem Argwohn bestärkt und theilt
- 09 dem Truchseß mit, der hierin den vollen Beweis ihrer Liebe erblickt.
- Isolt sagt fröhlich der Brangjene von der Bittfahrt ihres Herrn, und dann
- von ihrem Gespräch. Brangsene merkt die List, die vom Truchseß aus-
- gehe, und lehrt die Königin, sich das nächstemal anders und besser zu
- äußern. — Der Dichter sclialtet hier eine Betrachtung ein über den Zwei-
- fel und Argwohn in der Liebe. — Isolt sucht den König in demselben
- Strick zu fangen, welchen er ihr legte. Sie stellt sich höchst betrübt und
- unglücklich über seinen Entschluß, sie zu verlassen; und als er ihr Tri-
- stan nennt, bei dem sie gut aufgehoben sei, schildert sie ihn als einen
- Schmeichler, der ihrem Hasse durch Freundlichkeit zu begegnen strebe;
- sie habe nur zum Scheine sich ihm huldreich erwiesen; in seiner Obhut
- wolle sie nicht sein. Marke, seines Argwohns wieder entledigt, gibt dem
- Truchseß davon Kunde, der ihn aufs neue bewegt, Isolt nochmals zu ver-
- suchen. Er will, da seine Gemahlin dem Xetfen feindlich gesinnt sei, ihn
- nach Parmenien senden. Isolt dankt ihm dafür, gibt ihm aber zu beden-
- ken, sie würde als die L'rsache von Tristan's Verbannung angesehen wer-
- den; auch würde sich kein Mann finden, der wie er die beiden Lande
- schützen könnte. Aufs neue ist Marke's Argwohn rege. Brangsene, un-
- zufrieden mit Isoldens Rec'e, gibt ihr nochmals Kathschläge. Isolt ge-
- steht dem Könige, sie glaube, er wolle sie nur versuchen. Er möge sie
- von Tristan befreien, ihn nach Hause schicken oder mit auf die Fahrt
- nehmen ; der Zeit solle sie der Truchseß Marjodo behüten. Der König
- hält nun seine Gemahlin für unschuldig und den Truchseß für einen
- Lügner.
- ledocli versuoclite ez Marke
- änclichen unde starke
- (344) und warte es naht iinde tac.
- eines nähtes, do er bi ir lac 13G80
- und si zwei triben under in
- ir wehselrede her unde hin,
- 118 XXI. LIST WIDER LIST.
- er rillte iincle leite
- mit einer kündekeite
- einen strfc der künigiune , 13685
- und vienc si oiicli dar inne.
- «nu frouwe», sprach er «saget mir,
- wie dimket iiich, wie ratet ir?
- ich wil in kurzen ziten
- in beteverte riten ♦ 13690
- und bin vil lihte lange in wege:
- in wes huote und in wes pflege
- weit ir al die wile sin?»
- «got segene!» sprach diu künigin
- «durch weihe not sprechet ir daz? 13695
- in wes huote w£ere ich baz
- und iuwer liut und iuwer laut
- danne in iuwers neven haut,
- der unser wol gepflegen kan?
- iuwer swestersun, her Tristan, 13700
- der ist manhaft unde wis
- und wol bedoehtic alle wis.»
- Die rede begunde Marke
- bewsenen harte starke
- und misseviel im harte. 13705
- sine läge und sine warte
- leit' er ir aber me unde me
- und huote ir aber do me dan e
- und Seite dem truhssezen sä,
- als er ez hsete erfunden da. 13710
- der truhsseze antwurte im dö:
- «zewär«, herre, im ist also:
- ir müget hie selbe merken an,
- daz si sich niht gehelen kan
- der grozen liebe, die si'm treit, 13715
- 13683 rillten swv. hier in Verbindung mit (atric) l'';/en (in V. 138(55 mit
- tlhten), zurecht maclieu, stellen (Netze, Falle). — 13'j'H) beteverte dat. von
- betevort stf., Bittfahrt, Wallfahrt [vgl. Eittgang]. — in steht hier unge-
- wöhnlich; kaum darf übersetzt werden: zu einer Jiittfalirt, sondern in
- beteverte ist ein bestimmter Terminus, den Begriff: als Wallfahrer aus-
- drückend. — 13G91 in ifpge (auch entcegc) , auf dem Wege, unterwegs. —
- 13694 got segene (Pronominalellipse ; vgl. Gr. 4, 265), Ausruf wie iinser : Gott
- bewahre! da sei Gott vor! vgl. zu 2960. "
- 13714 gehelen stv., verst. lieler», refl. mit gen. (nicht von niht abhängig:),
- etwas verhehlen, sich mit oder in etwas verstellen. —
- XXI. LIST WIDER LIST.
- HO
- und ist ein michel tumpheit,
- daz ir in li'det da bi.
- als liep iu wip und ere si,
- (345) so enli'det in nimere.»
- diz muote Marken sere:
- der zwivel unde der arcwän,
- den er zein neven solte hän,
- der tote in z'allen stunden,
- und in oucli unerfimden
- und unervaren ha?te
- an aller slahte untcete.
- 13720
- 137
- Diu betrogen Isöt diu was do fro
- si Seite Branga?nen do
- vil froliche lachende
- und michel fröude machende
- von ir herren betevart ,
- und ouch wie si gefräget wart,
- in wes pflege si wolte sin.
- Branga?ne sprach do: «frouwe min,
- lieget mir nibt und saget mir,
- so helfe iu got, wen ieschet ir?»
- isot seit' ir die wärheit,
- reht* alse ez da wart üf geleit.
- «ä, tumbe!» sprach Brang^ene dö
- owar umbe sprächet ir also?
- swaz so hier an geredet ist,
- daz hoere ich wol, daz ist ein list,
- und weiz vür war, daz disen rät
- der truhssez' üf geleget hat.
- hie mite so wellent s' iucli ervarn.
- ir sult iuch her nach baz bewarn,
- gewähne er's iu iht mere,
- so tuot, als ich iuch lere,
- sprechet sus unde so.»
- ir frouwen lerte si do.
- 13730
- 1ri —r, '
- 13740
- 13745
- 13750
- 13716 tumpheit stf. ist nicht so stark wie unser: Dummheit, selbst: Thor-
- heit dürfte sich der Truchseß nicht erlauben; das Wort entspricht hier
- unsefm: Unklugheit, Unvorsichtigkeit; vgl. 13797. 14722 und zu 10-13. —
- 13724 und a. zu 212. — unerfunden part. adj. = «///.' erfunden, nicht wahr-
- genommen. — 13725 u7Xfirrarrn=zniht ervcrfn, niclit ertappt.
- 13742 list stm., hier entsprechend dem nhd. Worte; vgl. 13S71. —
- 13747 'ifVfUini'n, g>'vüli»'n''n swv. mit dat. der Person, gen. der Sache, einem
- gegenüber etwas erwähnen; vgl. zu 7GJ.
- 120 XXI. LIST WIDER LIST.
- Tvaz antwürt' ir gebsere
- ze disen listen wsere.
- Hier micler was ie Marke
- "bekumbert harte starke
- mit zweier hande leide: 13755
- in leideten beide
- der zwivel unde der arcwän,
- den er hsete und muose hän:
- (346) er arcwände genöte
- sin herzeliep Isote; 13760
- er zwivelte an Tristande,
- an dem er niht erkande ,
- daz välsche gebsere
- und wider den triuwen wa^re.
- sin friunt Tristan, sin frouwe Isöt 13765
- diu zwei wären sin meistiu not:
- si twungen ime herz' unde sin.
- er arcwände si und in
- und zwivelte si ouch beide.
- dem gebeidetem leide 13770
- dem gieng er rehte nach dem site
- und nach dem billiche mite,
- wan alse er an Isolde
- der liebe dienen wolde ,
- so wante es in der arcwän. 13775
- dem wolte er danne ie nach gän.
- und volgen üf die wärheit;
- als ime diu danne wart verseit,
- so tete im aber der zwivel we,
- so was ez aber rehte als e. 13780
- Waz mag ouch liebe näher gän,
- dan zwivel unde arcwän?
- 13759 arcHucnen swv. hier trans., beargwöhnen. — 137G9 zictvelen swv.
- hier trans. (selten), einen bezweifeln, in Verdaclit haben. — 13770 yebeidet
- part. defect. von beide, zweifach, etwa: gedoppelt. — 13774 dienen swv.
- trans. wie in V. 8175, verdienen, der liebe vielleicht gen. partit. statt des
- Acc, wie im Franz.: Liebe, etwas von Liebe. Kurtz übersetzt: «der
- Liebe fröhr.en wollte-, fasst also dienen^nhd. dienen und der liehe halb
- personificiert als Dativ. Simrock ist frei und unbestimmt. Groote erklärt
- in der Anmerkung und ähnlich im Glossar: uder liebe, wegen, in Rück-
- sicht der, aus Liebe zu Dienst sein; Minnepflicht erfüllen.) Sollte nicht
- der (deren) für ir stehen? — 13775 wenden swv. trans., zurückwenden,
- bindern ; es, daran.
- 13782 zwioel stm. wird durch xmser : Zweifel annähernd erreicht; es
- steht synonym mit arcu: wie ferner zicxvel und uän in V. 13M)2. 13S14.
- 14017. —
- XXI. LIST WIDER LIST.
- 121
- waz anget liebe gernden muot
- so sere, so der zwivel tiiot?
- da mite enweiz er, war er sol,
- wan iezuo so geswüere er wol
- von eteslicher ungeschiht,
- die er gehoäret oder gesiht,
- er Wcere iif dem ende,
- e man die hant gewende,
- so widerwirfet sich daz;
- linde geschiht ab eteswaz,
- daz ime aber zwivel birt,
- da von er aber verirret wirt;
- ■wan daz ez al diu werlt tuot,
- so ist ez ein harte imwiser muot
- und ist ein michel tumpheit,
- daz man an liebe zwivel treit;
- (347) wan niemen ist mit liebe wol,
- an dem er zwivol haben sol.
- so ist aber noch serer missetän,
- swer so den zwivel unde den wan
- üf die gewisheit bringet;
- wan swenne er daz erringet,
- daz er den zwivel wären weiz ,
- swes er sich ie da vor gefleiz
- ze birsene üf die wärheit,
- daz ist im danne ein herzeleit
- vor allem herzeleide,
- diu vorderen beide,
- diu im e beswärten den muot,
- diu diuhten in dan beide guot;
- möht' er si danne wider hän,
- so naeme er zwivel unde wan,
- daz er der wären künde
- niemer niht befünde.
- Sus kumot, daz übel übel frumet,
- biz daz daz ergere kumet;
- 13785
- 13790
- 13795
- 13800
- 13805
- 13810
- 13815
- 13786 (jesu-ern stv., verst. swern. — 137>i7 uiigeschilit stf., hier nicht im Siuiie
- von V. KU.'), sondern: Unthat, Unrecht. — 137.si) ■«/ dem ende wesen, am
- Ziele sein, auf den Grund gekommen sein. — 13791 wideruerjen stv. refl.,
- sich zurückwenden, sich umwenden, sich in das Gsfjentheil verkeliren. —
- l.'{7i»2 fg. und*' geschUit a. e., und wenn aber etwas geschielit; so nach Hg.
- M und F; Malimann mit Hs. II und W gesi/it, was eine gewagte Ellipse
- nach sich ziehen würde. Xhd. Wortstellung in V. 13794: (dann oder so)
- wird er davon u. s. w. Bech schlägt vor: nach 13791 Komma, nach 13794
- Punkt. — 13b06 fjejlizen stv. refl., verst. jiizen.
- 122 XXI. LIST WIDER LIST.
- SO daz daiuie wirs tuot,
- so diulite danne übel guot. 13820
- swie swsere an liebe zwivel si,
- ern ist ir nie so swsere bi,
- man e;?li'de in vil und verre baz
- danne den bewaerten haz.
- oucli niac daz nieman verbern, 13825
- diu liebe rnüeze zwivel bern.
- zwivel sol an liebe wesen:
- mit dem muoz liebe genesen;
- die wile si den zwivel hat,
- die wile mag ir werden rät. 13830
- so si die wärheit ersiht,
- zeliant enist ir dinges niht.
- ouch hat diu liebe einen site,
- da si sich allermeiste mite
- verwirret unde verworren hat: 13835
- swä ir dinc nach ir willen stät,
- dane wil si keiner stsete warn,
- •da lät si harte lihte varn;
- (348) und swä so si den zwivel siht,
- da von enscheidet si sich niht, 13840
- dar ist ir not uude gäch:
- dem gät si lagende nach
- und strebet noch mere durch daz dar,
- daz si ir herzeleit ervar
- dan durch die lust, die si dar an 13845
- ervinden unde gehaben kan.
- Dem selben sinnelosen site
- dem gieng ouch Marke vaste mite:
- er wante späte unde fruo
- allen sinen sin dar zuo, 13850
- daz er den zwivel unde den wän
- gerne hsete hin getan,
- und daz er mit der wärheit
- üf sin herzeclichez leit
- 13819 daz ist Demonstrativ = (7a3 firrjorp. — 13835 peruü.rret ist 3. Pers.
- des Praesens, nicht Particip ; vgl. zu 83(>. Solche Verbindung des Praesens
- mit dem Perfect öfters bei Gottfried , z. B. 30G5. — 13837 warn swv. mit
- geu., etwas gewahren, beachten, beobachten, halten. — 13838 vorn län,
- lahren lassen (wie V. 10^,55 auch ein heutiger Dichter sagen könnte), ver-
- gessen, verzeihen. — 13842 lägen swv., nachstellen, lauern; vgl. zu 11715.
- 11937. i
- XXI. LIST WIDER LIST. 12')
- vil gerne komen wsere: 13855
- des was er gevsere.
- Aber körn ez eines nabtes so,
- als er ez iincle Marjodo
- cnsament bieten üf geleit,
- daz er ab sine kündekeit 13860
- Isolde vür leite
- und si mit kündekeite
- gerne biete ervaren baz.
- do verkerte sich daz:
- den stric, den er ir ribte 13865
- und üf ir scbaden tibte,
- da vie diu küniginne
- ■ den künec ir berren inne
- mit ir Brangsenen lere.
- da balf Brangrene sere, 13870
- da frumte in beiden samet, daz list
- wider list gesetzet ist.
- der künec der twanc die künigin
- vil nähen an daz herze sin
- und kuste si ze maneger stunt 13875
- an ir ouge und an ir munt:
- «schoene», sprach er «nü ist mir
- niht herzelicbe liep wan ir;
- (319) und ich von iu nu scheiden sol,
- daz weiz got von bimele wol, 13880
- daz nimet mir mine sinne.»
- Diu gelerte küniginne
- si stiez sin wider sin;
- siuftende sprach si wider in:
- «owe mir, innecHcbe owe! 13885
- owe ! nu wände ich allez e ,
- daz diz vertane miere
- durch schimpf gesprochen wsere:
- 13S56 getoerp adj. mit gon., versessen auf etwas; vgl. 157'^8.
- l^^h'd ensament a.6.\-.. zusammen; sonst im Tristan ««?/<«/ und santef. —
- 13'^6(i tihtpji 8WV., Ulichten), erfinden, aussinnen.
- V^'^9'2 gi'lert adj., belehrt, unterriclitet, gewitzigt, u gewitzt". Kurtz. —
- 13S>t.3 .«/n steht hier entscliieden synonym mit list ; vgL KiSTl fg. und zu 2299.
- — xtnzen stv., hier wie in V. \'^^'t2^=si'tzen , einsetzen: ist das Bild vom
- Spiel genommen oder ist es allgemeiner? Bech: von Kampf und Streit. —
- 124 XXI. LIST WIDER LIST.
- nu hocre ich imde wciz ez wol,
- daz ez ein ernest wesen sol.» 13890
- si huop an imde begunde
- mit Öligen und mit munde
- leitliche klage erscheinen,
- so klageliche weinen,
- daz si dem einvalten man 13895
- sinen zwi'vel allen ane gewan,
- und wol gesworen h?ete,
- daz si'z von herzen t?ete.
- wan an den frouwen allen
- enist niht mere gallen , 13900
- also man üz ir munde giht,
- noch enhabent deheiner trüge niht
- noch aller valsche deheinen,
- wan daz si kunnen weinen
- äne meine und ane muot, 13905
- als ofte so si dunket guot.
- Isöt diu weinde starke.
- der geloubige Marke
- «schoene», sprach er «saget mir,
- waz wirret iu, waz weinet ir?;) 13910
- «ich mac wol weinen»; sprach Isot
- «klage ich, daz tuot mir michel not.
- ich bin ein eilende wip
- und hän nime wan einen lip,
- und so vil sinne, so ich hän, 13915
- diu zwei hän ich so gar verlän
- an iuch und iuwer minne,
- daz ich in minem sinne
- (350) niht dinges kan gemeinen
- noch geminnen wan iuch einen. 13920
- mirn ist niht rehte liep wan ir
- 13897 Ellipse: er wol g. 7i. — 13901 der Satz steht parenthetisch; Kurtz
- richtig: «wenn man nach ihrem Munde spricht»; Simrock frei und vrenig^
- zutreffend: «aus ihrem Munde kommt sie (die Galle) nicht". — 13905 meine
- stf., Meinung, Gedanken, innerer Beweggrund.
- 13908 geioubic adj, , gläubig, hier im Sinne von: leichtgläubig. —
- 13912 mir tuot mt (stf., vgl. zu 7075), ez t. iii. n. wie in V. 1560S entspricht
- ziemlich der gleichen modernen Wendung, ich Ifabe Ursache, ich kann
- nicht anders; mit gen. in V. 14069. 19255 (s. die Anmerk.). An unserer
- Stelle ist rnichel Adject. und darum Beweis für not als Subst., da Gottfried
- sonst nicht michel als Adverb verwendet. — 13910 diu 2nei^=lip und sinne.
- — 13919 gemeinen swv., geminnen^ verst. meinen, minnen; vgL zu 1111.
- XXI. LIST WIDER LIST. 125
- und woiz daz wärez, daz ir mir
- so holdez herze nilit eiltraget,-
- als ir gebäret iinde saget.
- daz ir den muot gewännet ie, 13925
- daz ir hin füeret und mich hie
- in dirre fremede soltet län ,
- da bi mac ich mich wol enstän,
- daz ich iu vil unma^re bin:
- des sol min herze und min sin * 13930
- vil selten iemer werden fro. »
- (cWar umbe, schoene?» sprach er do
- «ir habet doch ze iuwerr haut
- beidiu liute unde laut,
- diu sint iuwer unde min: 13935
- dar über Sit gebietcerin;
- daz sol ze iuwerm geböte stän,
- swaz ir gebietet, deist getan,
- die wile ouch ich bin under wegen,
- die wile so muoz iuwer pflegen, 13940
- der iuwer wol gepflegen kan:
- min neve der hövesche Tristan;
- der ist bedsehtic unde wis,
- der flizet sich in alle wis,
- wie er iu fröude und ere 13915
- gemache unde geniere.
- dem getrüwe ich alse wol,
- als ich von grözem rehte sol.
- dem Sit ir liep, also bin ich:
- der tuot ez durch iuch und durch mich.» 13950
- ((her Tristan?» sprach diu schoene Isot
- «zwäre ich waere gerner tot
- und e wolt' ich begraben sin,
- e danne ich mit dem willen min
- in siner pflege waere. 13955
- der selbe lössere,
- der ist mir z'allen ziten
- gelichsende an der siten
- (351) und allez smeichende bi
- 1394tj y^inac/i^n s-wv., verst. machen. — 139r)2 /^erwsr ad v. compar. [nlid.
- abgekommen] von yerne txdv., lieber. — 13956 los stm., Schmeichler; \jX.
- KU 14001 — I I
- 12G XXI LIST WIDER LIST.
- und gilit, wie liep ich ime si. 139GO
- iedoch weiz got wol sinen muot,
- in weihen triuwen er ez tuot.
- ouch weiz ich's selbe genuoc,
- wan er mir minen oeheim sliioc
- und an mir fürhtet den haz. 13965
- durch die vorlite und umhe daz
- ist er mich allez streichende,
- listende unde smeichende
- in einem välschlichem site
- und warnet ällez da mite 13970
- erwerben mine friuntschaft.
- nu hat ez aber arme kraft,
- sin smeichen hilfet kleine;
- und weizgot wan ir eine,
- daz ich durch iuch noch mere 13975
- dan durch min selbes sere
- friuntliche dar gebäre,
- son' gestehe ich in zewäre
- mit friundes ougen niemer an;
- und Sit ich niht verberen kan, 13980
- i'ne m.üeze in beeren unde sehen,
- so sol ez aber also geschehen,
- daz mines herzen da bi
- und miner triuwen lützel si.
- ich hän, daz ist unlougen, 13985
- mit herzelösen ougen,
- mit lügelichem munde
- dick' und ze maneger stunde
- an in gewendet minen fliz
- niuwan durch den itewiz: 13990
- man sprichet von den frouweu, daz
- si tragen ir manne friunden haz:
- durch daz hän ich im dicke
- mit manegem lückem blicke,
- 13967 streichen swv. mit acc, hier: streicheln, schön thun mit einem; vgl.
- 15885. — 13968 listen swv. mit acc, list an einem üben , einem heucheln
- [erhalten: überlisten]. — smeidien swv. mit acc, schmeicheln; vgl. zu
- .S185. — 13985 iinldu'jen stn. steht wie äne lougen in V. 11224 , Wahrheit.
- Die Hss. schreiben übereinstimmend daz ist unl., während der Genitiv
- steht: des in Hartmann's Gregor 264. 2670, im Wigalois 8569. der rede
- (statt die r.) in Hartmann's 1. Büchlein 374; vgl. zu 14346. — 13987 lügc-
- lich adj., lügenhaft. — 13990 durch den itewiz (vgl. zu 1489), um dein Vor-
- wurf zu entgehen. — 13994 lücke adj., ebenfalls: lügenhaft; sollte nicht
- auch ein Wortspiel gesucht sein mit lücke adj. = locker? —
- XXI. LIST WIDEK LIST.
- mit herzelosem munde
- '^^ betrogen sine stunde,
- daz er wöl gesworen htete
- daz ich ez von herzen taete.
- (352) herre , eulät iuch niht dar an.
- iuwer neve, min her Tristan
- dern gepfliget min niemer tac,
- ob ich es iuch erbiten mac;
- ir müezet min zwar' under wegen,
- ob ir gebietet, selbe pflegen,
- swar ir weit, dar wil ouch. ich,
- ir eine enwendet es mich,
- und es euirre mich der tot. »
- 127
- 13995
- 1400O
- 1400&
- Sus losete diu löse Isöt
- wider ir herren unde ir man,
- biz daz si'm lösende ane gewan
- beidiu zwivel unde zorn ,
- und er wol hjete gesworn,
- daz ir ernest .wsere.
- Marke der zwivelaere
- der was da wider ze wege komen.
- sin gesellin diu haet' ime benomen
- beidiu zwivel unde wän.
- ez was allez wol getan,
- daz si gesprach unde getcte.
- der künec der seite sä ze stete
- dem truhsiezen von gründe,
- £0 er ebeneste künde,
- ir antwurt unde ir maere,
- und an ir dingen waere
- deheiner slahte valscheit.
- 14010
- 1401i>
- 14020
- 14025
- 13999 läzen refl., an, dar an entspricht unserer Wendung: sich an etwas-
- kehren. — 14001 gepriegen stv., verst. pßeyen. — 14002 erbiten mit acc. und
- gen., einen um etwas bitten [nhd. erbitten nur mit acc. der Person oder
- erbitten von einem mit acc. der Sache]. — 14006 ivemlen swv. s. zu 1377i>
- (Ha.M erwenden, was dasselbe bedeutet, aber die Negation darf nicht fehlen}.
- 1400s lasen swv., schmeicheln. — lo.'s adj. ein Wortspiel mit dem vor-
- hergehenden Verbum = nhd. loa (im schalkhaften Sinne), verschlagen. —
- 14014 fg. zwivelcere stm. ist nicht ganz unser: Zweifler (während: Zweifel
- dem alten zwivel näher kommt); gemeint ist: der Unentschiedene, Schwan-
- kende, der in der Irre herumschweifende; darum im folgenden Verse bild-
- lich pr was icidcr ze wege ("auf den rechten Weg) komen. — 14016 gesellin
- stf., Freundin. — 14023 antwurt (Hs. M, W und H) stf. und stn., Antwort,
- sonst bei Gottfried antwürte im Vers (2735) und Reim (15420).
- 128
- XXI. LIST WIDER LIST.
- diz was dem truhssezen leit
- und tete im in dem herzen we;
- iedocli lert' er in aber do me
- und Seite im, wie er Isolde
- aber versuochen solde.
- 14030
- Des nahtes, do Marke aber lac,
- siner betemaere mit ir pflac,
- er leite ir aber mit frage
- sine stricke und sine läge
- unde betrouc si aber dar in. 14:035
- «seht'), sprach er «frouwe künigin,
- ich wsene, es muoz uns not geschehen;
- nu lät mich kiesen unde sehen,
- (353) wie frouwen kimnen lant bewarn.
- frouw', ich muoz von dem lande varn, 14040
- unde ir hie derbi bestän
- bi minen friunden, die ich hän.
- ez si der mäc, ez si der man,
- der mir deheines guotes gan,
- der muoz iu guot und ere bern, 14045
- als ir an in es wellet gern.
- und swer iu niht vil senfte bi
- und liep in iuwerii ougen si
- under frouwen unde mannen:
- die scheidet alle dannen. 14050
- irn sult widr iuwerm muote
- an liuten noch an guote
- niht weder hoeren noch gesehen,
- dar an iu leide müge geschehen.
- i'ne wil ouch niht des minnen 14055
- von herzen noch von sinnen,
- dem ir unholdez herze traget:
- daz si iu vür war gesaget.
- weset ir fro unde fruot
- und lebet, swie iucb dunke guot: 14060
- 14032 betemaire ist geschrieben nach Hs. M, H und W, welche öfters,
- namentlich M, einfaches t statt doppeltem setzen (vgl. zu 587. 53äl); an
- betemoere, Gespräch über die betevart ist nicht zu denken, sondern gemeint
- ist beltenimre (wie auch F hat), Bettgespräch, nicht mit Groote: « Euhe,
- Lust, das Spiel des Bettes»; unbestimmt übersetzt Kurtz : Bettgesellschaft;
- richtig Simrock: «Bettgespräche« (pl. slner b.) — 14050 scAe/cfe/« stv. trans.,
- hier entfernen, dannen seh., wegschicken.
- XXI. LIST WIDER LIST.
- 129
- da habet ir minen willen an.
- und Sit min neve Tristan
- unsenfte in inwerm herzen ist,
- so scheide ich in in kurzer frist
- von hove und von gesinde,
- swie ich die fuoge vinde;
- er sol ze Parmenie varn
- und sol sin selbes dinc bewarn,
- des ist im unde dem lande not.»
- 14065
- «Genäde, herre», sprach Isot 14070
- « ir redet getriuweliche und wol ;
- Sit ich an iu nu wizzen sol,
- daz ir daz gerne unmoeret,
- daz minem herzen swseret,
- so dunket ouch mich reht da bi, 14075
- swaz iuwern ougen senfte si
- und iuwerm muote liehe,
- daz ich dar an entwiche,
- (354) so ich verreste müge;
- und swaz iu z'iuwern eren tüge, 14080
- daz ich da späte unde fruo
- rät unde helfe biete zuo.
- und seht ir, herre, waz ir tuot:
- ez enwirt min rät noch min muot
- weder hiute noch niemer, 14085
- daz ir iuwern neven iemer
- von iuwerm hove gekeret,
- wau so wser' ich geuneret:
- da mite so seite man zehant
- über hof und über lant, 14090
- ich haete iu geraten daz
- durch die schulde und durch den haz,
- daz er mir minen ceheim sluoc.
- da würde rede von gcnuoc,
- diu mir laster baere 14095
- und iu kein ere waere.
- 14073 unmceren swv. hier trans., für unmcere ansehen, verschmähen;
- vgl. zu 14Ui»d. — 14078 entwic/ien stv. hier mit du>- an, in etwas, hierin
- uacligeben, sich darein schicken. — 14079 verrate adv. superl. von verre,
- fern, weit, sehr; nhd. : so weit ich es vermag, ao gut ich kann. — 14088 geun-
- eret part. von uncren; vgL zu 6137. —
- aOTTFEIED VON STEASSBURG. II. 2. Aufl. 9
- 130 XXI, LIST WIDER LIST.
- i'ne gevolge es uiemer,
- daz ir durch mich iemer
- iiiwer friuut geunmseret
- oder ieman beswaeret .14100
- und hazzet durch den willen min,
- dem ir genasdic sület sin.
- Ouch sult ir iuch versinnen,
- und keret ir von hinnen,
- wer beschermet iuwer zwei länt? 14105
- diu enstant in eines wibes hant
- noch wol noch frideliche.
- swer zweier künicriche
- reht' und nach eren pflegen sol,
- der bedarf sinn* unde herzen wol: 14110
- so enist in disen zwein landen
- äue mi'nen hern Tristanden
- dehein herre, läzet ir in da bi,
- daz er den landen frume si.
- an' in so kumet da niemen zuo, 14115
- dur den man läze oder tuo.
- ist daz urliuges not geschiht,
- des man sich alle tage versiht
- (355) und z'allen ziten muoz versehen,
- so mag ez lihte also geschehen, 14120
- daz uns da misselinget an;
- so wirt mir min her Tristan
- mit itewiz' und mit archeit
- dick' under öugen geleit;
- so wirt des m^eres vil gelesen: 14125
- «waere Tristan hie gewesen,
- uns enwsere niht ze dirre frist
- so misselungen, alse ez ist.«
- 14099 geunmaren swv., verst. unmccren , hier in etwas anderem , nämlich
- nocli stärkerem Sinne als kurz vorher: geringschätzig behandeln, wohl
- kaum mit dem mhd. \Vb. II, 1, 70 uin Übeln Ruf bringen.»
- 14107 frideliche adv., (friedlich), hier anders als in V. 6401 : unter/r/de,
- geschützt, sicher. — 14114 frume ist nicht adject. , sondern subst. : ein
- Nutzen, ein Vortheil, d. h. zum Vortheil sei. — 14115 zuo konien stv.. vielleicht
- Lier wie das einfache komen mit einem Adverbium (vgl. zu 5694. 17338) und
- dem Dat.: dazu passen? oder nach Bech : «dahin gelangen, dahin bringen
- (daß man um seinetwillen lasse oder thue, d. h. sich nach ihm füge, ge-
- horche),» — 14124 ander ougea legere, vorhalten [vgl. unter die Nase rei-
- ben]. — 14125 die Wendung mcEre lesen i?,t sprichwörtlich; lesen steht hier
- ähnlich wie in V. 134 in der Bedeutung: erzählen, sprechen. —
- XXI. LIST WIDER LIST. 131
- uml werdent mir Jan alle
- mit gemeinem schalle 14130
- gebende die schulde,
- ich habe im iuwer hulde,
- in und in ze schaden, verlorn.
- herr', ez ist bezzer verborn.
- versinnet iuch der dinge baz: 1-1135
- bedenket diz unde daz;
- eintweder hit mich mit iu varn
- oder heizet in diu laut bewarn.
- swie so min herze hin ze im si,
- er ist mir lieber doch da bi, 141-40
- danne ob uns ein ander man
- süm' unde velle dar an.»
- j
- Der künec enstuont sich ai zehant
- daz al ir herze was gewant
- ze Tristaudes eren 14145
- und begunde ouch iesa keren
- an zwivel unde an wän als e.
- hie von so was er aber dö me
- versunken unde vervallen
- wider in die zorngallen. 14150
- Isöt tet ouch Brangcenen kunt
- ir beider rede unz üf den grünt
- und Seite ir wider diz unde daz,
- daz si nie Wortes vergaz.
- uiz was Brangfenen sere leit, 14155
- daz si also hcTte geseit
- und daz diu rede ergangen was.
- einen niuwen briet' si'r aber dö las,
- (356) waz aber ir rede solte sin.
- 14129 werden mit folg. Part, prses. umschreibt hier wie in V. 870'' das Futurum.
- — 14134 verbern %t-., hier in passivischer Construction (vgl. zu 25'JO) : unter-
- lassen werden, unterbleiben. — 14i:?.!) verrinnen verb. rett. hier mit gen.,
- sich auf etwas besinnen, etwas bedenken, Eath schaffen wie in V. 7924.
- Hier ist wohl das starke Veibuni anzunehmen. Im mhd. Wb. II, 2, 310
- sind beide Verben nicht getrennt. — 14142 xiimen swv. hier trans. mit acc.
- der Person, einen hinhalten, hindern. — oellen swv. (=nhd. in V. 348.
- 27^«'), hier in allgemeiner Bedeutung: zu Fall, zu Schaden bringen, ver-
- derben.
- 141fiO zornyaUe swf., bildlich für: bitterer Zorn; vgl. zu 201ö. —
- 141,i8 briof le, sprichwörtliche Wendung [ähnlich wie unser : Text lesen]
- für: Eathschlag ertheilen, etwas vorsagen, mittheilen.
- 132 XXI. LIST WIDER LIST.
- Des nahtes, do diu künigin 14160
- ze ir herren aber släfeu kam,
- under arme si in nam:
- si halseteu, si kusten,
- ze ir senften linden brüsten
- twanc si in vil harte nähen 14165
- und begünde aber do vahen
- wider an ir wortläge
- mit antwürt' und mit frage:
- «herre», sprach si «saget mir
- durch minen willen, habet ir 14170
- von rehtem ernest üf geleit
- iuvrer dinc, als ir mir habet gescit
- von minem hern Tristande,
- daz ir in wider ze laude
- wellet senden durch den willen min? 14175
- möht' ich der rede gewis sin,
- ich wolte es iu genäde sagen
- hiut' unde in allen minen tagen,
- herr', ich getrüwe iu harte wol,
- als ich wol mac und alse ich sol; 14180
- doch ist min vorhte hie bi.
- daz ez gar ein versuochen si;
- und wiste ich es gewisheit,
- als ir mir habet vür geleit,
- daz ir mir woltet fremeden daz, 14185
- dem ich w£ere gehaz,
- so erkande ich an dem msere,
- daz ich iu liep wsere.
- ich haete lange mine bete,
- wan daz ich ez ungerne tete, 14190
- hier umbe gerne an iuch gewant;
- wan mir ist harte wol bekant,
- waz mir von ime mac üf erstän,
- sol ich sin lange künde hau.
- nu herre, nü bedenket daz 14195
- 14163 halseten (=Hs. H, W und F; M fehlt) = hals et e, haUte = hel-
- sete in in Congruenz mit kusten = k:uste in. Weisen swv. trans., umhalsen,
- swv. (mhd. halsen stv.), herzen. — 141fi6 s. zu «96. — 14167 wortlöge stf.,
- wörtlich: Wortnachstellung (vgl. 11937), eine Gottfriedische Bildung:
- verfängliche Rede, «Wortnetz-. Kurtz. — 141S5 fremeden swv., entfrem-
- den, entfernen. — 14194 künde stf., hier: Bekanntschaft, Umgang. —
- XXI. LIST WIDER LIST.
- 133
- und iedoch uiht durch minen haz
- sol er uu dirre lande pflegen
- die wile und ir sit undenvegen,
- (357) ist, daz iu danne missegät,
- als lilite an verten üf erstät,
- so nimet er mir er' unde lant.
- nu habet ir ez gar erkant,
- daz mir an ime gewerren kan.
- nü gedenket ouch dar an
- ze guote und alse der friunt sol,
- und Iceset mich, so tuot ir wol,
- von minem hern Tristande:
- schicket in wider ze lande
- oder schaffet, daz er mit iu var,
- und mich die wile bewar
- der truhsieze Marjodo.
- stüend' aber iuwer muot also,
- daz ir mich mit iu liezet varn,
- ich lieze hie diu lant bewarn
- und berihten, swer der wolte,
- et daz ich mit iu solte.
- über daz allez so tuot ir
- mit den landen und mit mir,
- reht' alse iuch selbe dunke guot:
- daz ist min wille und min muot,
- et' ich gedenke dar zuo,
- daz ich iuwern willen tuo,
- ich läze ez allez z'einer haut
- beide liut unde lant.»
- 14200
- 14205
- 14210
- 14215
- 14220
- Sus gie si ir herren losende an,
- biz daz si'm aber an gewan,
- daz er den zwivel aber lie
- und aber von dem wane gie
- ir muotes unde ir minne
- und aber die ktiniginne
- mitalle unschuldic hsete
- 14225
- 14230
- 14l'03 gewerren stv., verst. werren 975. .39S3) , wie ferner in V. 14337, hier
- mit prsep. an, Schaden erwachsen durch einen. — 14216 et daz, dummodo.
- — 14221 et ist auch hier Conjunction: wenn nur. — 14223 z' einer hant
- UUen, hei .Seite lassen, gleichgültig erachten.
- 134 XXI. LIST AVIDEE LIST.
- vor aller slalite iintaete.
- den truhssezen Marjodo
- den hsete er aber mitalle do
- ze einem lügensere, 14235
- doch er im diu wären msere
- und die reliten wärbeit
- von ir hrete geseit.
- 14235 hahen j? = halten für.
- XXII.
- ME LOT.
- Der Trucbscß versucht es nun auf andere Weise. Er gewinnt den
- Zwerg Melot, der die Königin Und Tristan beobachten und ausforschen
- solle. Dieser überzeugt sich avich von ihrer Liebe und entdeckt es dem
- Könige. Um die Wahrheit noch näher zu erkunden, bittet Marke seinen
- Neffen, sich von den Frauen fern zu halten. Die Liebenden können den
- Schmerz über ihre Trennung nicht verbergen. Um sie zu versuchen, be-
- gibt sich Marke zur Jagd auf zwanzig Tage und empfiehlt dem Zwerge,
- auf der Lauer zu sein. Tristan bleibt daheim, weil er siech sei. Bran-
- gajne gibt ihm den Itath, er solle, um mit Isolt heimlich zusammenzu-
- kommen, in ein Bächlein, welches an der Kemenate vorbeiflog, zu gelege-
- ner Zeit Späne, mit T und I bezeiciinet, als Liebesboten werfen, dann
- werde sie am Brunnen beim Ölbaume erscheinen. Achtmal treffen sie sich
- 80, von keinem bemerkt. Aber eines Nachts wird doch einmal der Zwerg
- den Tristan gewahr, wie er mit einer ihm unbekannten Prau zusammen-
- steht. Andern Tages bringt er ihm Grüße von der Königin , sie sei um
- iiin in großen Sorgen, er möge sie am bewussten Orte und zu gewohnter
- Zeit sprechen. Tristan entgegnet, er träume wohl und jagt ihn von dannen.
- (3o8) ^'^ (jg^jj (jgj, trubsaeze sach,
- daz sines willen niht gescbacli, 14240
- er versuochtc cz aber anders wä.
- ein getwerc was in dem bove da,
- daz selbe solte namen bän
- ]\Iel6t petit von Aquitän
- und kuude ein teil, also man gibt, 14245
- umbe verbölne gescbibt
- H242 getwerc, Zwerg stn. (das einfache twerc stm. und stn. ist selte-
- ner). — 142-J4 petit (oder petit?) adj. franz.. klein; vgl. ir>8ul. — 14246 f/e-
- ■scfii/it stf., (^Geschichte), Sache, Ding, verholne ffescfi., Geheimnias. —
- 136 XXII. MELOT.
- an dem gestirne iiahtes sehen.
- i'ne wil ab nihtes von ihm jehen,
- wan alse ich'z von dem buoche nim.
- nnne vinde ich aber niht von im 14250
- an dem waren msere,
- wan daz ez kündic "wsere,
- listic unde rederich.
- daz was dem ktinege heinlich
- lind oiich der kemenäten. 1-1255
- mit dem begunde er raten ,
- swenn' ez zen fronwen kaeme,
- daz ez da war n?eme
- Tristandes imde der künigin;
- möht' ez im dar zuo guot gesin, 34260
- daz man die wären künde
- der minne an in befünde,
- ez hsete es iemer mere
- wider Marken Ion und ere.
- Da kerte oiich ez spät' unde fruo 14265
- sine lüge und sine läge zuo:
- ez leite sine väre
- an rede und an gebäre
- ze iegelichen stunden
- und haete ouch schiere erfunden 14270
- die liebe an den gelieben zwein;
- wan si hseten under ein
- so süeze gebserde,
- daz Melot die bewserde
- der minnen al zehant da vant 14275
- und Seite ouch Marken al zehant,
- daz benämen da minne wsere.
- sus triben si dri diz msere,
- (359) Melot und Marke und Marjodo,
- biz si ünder in gevielen dö 14280
- mit gemeinem rate dar an,
- 14247 gestirne stn. collect, zu sterne, die Sterne, der gestirnte Himmel [nhd.
- Gestirne beschränkter = Sternbild]. — 14252 Mnrf/c adj., (kundig), listig.—
- 14253 li>itic adj. kommt hier unserm : listig nahe. — 14255 kemenäfe swf.,
- vorzugsweise das Frauengemach, entspricht hier ganz dem «Frauenzimmer»
- der Rococozeit; gemeint ist die Königin und ihr weiblicher Hofstaat. —
- 14260 vgl. zu 1234. — 14261 lünde hier wohl pl., Kunden, Zeichen, Beweise.
- 12466 läge stf., hier nicht einfach: Lüge, sondern: Lügenhaftigkeit,
- Verlogenheit; hier l. und läge leeren, in V. 14372 l. u. l. legen.
- XXII. MELOT.
- IM
- würde min her Tristan
- von dem liove gescheiden,
- man mühte an in beiden
- die Avärheit ofFenbsere sehen.
- 14285'
- Xu diz was al zehant geschehen,
- reht' alse ez wart geraten da:
- der künec bat sinen neven iesä
- durch sin selbes ere,
- daz er deheine kere
- zer kemenäten naeme
- noch niemer da hin kaeme,
- da der frouwen keiniu waere :
- der hof der tribe ein maere,
- man wolte es hüetende sin,
- da von im unde der künigin
- leit unde laster möhte enstän.
- nu diz was al zehant getan,
- daz er gebot und des er bat.
- Tristan meit iegeliche stat,
- da der frouwen heinliche was.
- kemenäten unde palas
- da enkom er niemer in.
- daz Ingesinde daz nam sin
- und siner fremede groze war:
- si redeten ime ze leide dar
- vil übel und anders danne wol.
- sin oren wurden dicke vol
- mit iteniuwem leide.
- 142 90
- 14295-
- 1430a
- 14305
- Er unde Isot, si beide
- si triben die zit mit sorgen hin.
- triur' unde klage was under in
- in micheler unmüezekeit.
- si haeten leit unde leit:
- leit ümbe Markes arcwän;
- leit, daz si niht mohten hän
- deheine State under in zwein,
- daz si geredeten enein.
- (360) ietwederem begunde
- von stünde ze stunde
- 14310^
- 14315-
- 1432(>
- UZ05 fremede stf., hier : Entfremdung, Entfernung, Zurückgezogenheit.
- 138
- XXII. MELOT.
- herz' unde kraft gpswichen;
- bleichen unde blichen
- begunde ir varwe unde ir lip:
- der man bleichete durch daz wip,
- daz wip bleichete durch den man;
- durch isote Tristan,
- durch Tristanden Isot:
- daz tete in beiden michel not.
- es wunderet mich kleine.
- was ir not gemeine
- und ir leit ungescheiden;
- ez enwäs ouch an in beiden
- niwan ein herze unde ein muot:
- ir beider übel, ir beider guot,
- ir beider tot,, ir beider leben
- diu wären alse in ein geweben:
- swaz ir dewederem gewar,
- des wart daz andere gewar;
- swaz so dem einem sanfte tete,
- des enpfant daz ander au der stete.
- si wären beide under in zwein
- mit übele und mit guote al ein:
- ir gemeiniu herzesw?ere
- diu wart so schinbsere
- undör ir beider ougen,
- daz man vil kleine lougen
- der minnen an ir varwe vant.
- U325
- 14330
- 14335
- 14340
- 14345
- Und Marke enstuont sich al zehant
- und kos wol an in beiden,
- ir fremeden unde ir scheiden
- daz in daz an ir herze gie;
- Westen si wä oder wie.
- 14350
- 14322 bleichen swv., bleich werden [nhd. beschränkter], hier verbun-
- den mit blichen stv., bleichen, erblassen. — 14344 schinbcBre adj., ^schein-
- bar), offenbar. — 14346 lougen ist hier Substantiv, wie in V. 17708,
- darum wohl auch in der Wendung äne lougen 11224 Subst., nicht subst.
- Infin., letzteres nur insofern, als lougen überhaupt wie leben stn. , icesen
- stn. infinitivisches Subst. ist. Die Bedeutung von lougen, welches Gott-
- fried im letzten Theile des Gedichts öfters anwendet, ist nicht leicht
- durch ein einzelnes modernes Wort poetischer Gattung wiederzugeben.
- Hier wie in jener formelhaften Wendung ^= Zweifel ; vil kleine ^^kleinez l.
- für: die sichere Wahrheit, den Beweis.
- 14350 fremeden swv. subst. inf., hier intrans. in der Bedeutung von
- fremede in V. 14305, Entfernung. —
- XXII. MELOT.
- 139
- bi sjclien gerne ein ander,
- ein ursuoche vander
- und hiez an den stunden
- die jägere mit den hunden
- ze \valde sich bereiten,
- er enbot in nnde soiten
- (361) und liicz oucli in den liof sagen,
- er wolte zweinzic tage jagen,
- sw6r mit gejägede künde
- oder swer so sine stunde
- da mite vertriben wolte,
- daz sich der reiten solte.
- iirloup nam er zer künigin
- und liiez si nach ir willen sin
- da heime frolich unde frö.
- verJiolne bevalh er aber do
- dem getwerge Meldte,
- daz ez Tristaud' unde Isote
- ZUG ir tougenheite
- lüge linde läge leite,
- ez genüzze es iemer wider in.
- er selbe fuor ze walde hin
- ^ mit michelme geschelle.
- 14355
- 14360
- 14305
- 14370
- 14375
- Sin weidegeselle
- Tristan beleip da heime
- und enbot dem oeheime,
- daz er siech wrere.
- der sieche weiden^ere
- weit' euch an sine weide,
- er unde Isot, si beide
- beliben an ir triure
- und suochten äventiure
- in anclichcr trabte,
- mit wie getaner ahte
- daz iemer künde geschehen
- 14380
- 14385
- 14:{.')4 ursuoche stf., hier: Versuchung; vgl. 15120. — 143G1 gejägede stn.,
- Jagd, Jägerei; vgl. 17624. — A(/«//('/t mitprsep. naV, sich auf etwas verstehen ;
- vgl. zu 2^UG. — 14:564 reiten svw. refl. liier einfach, sich rüsten; vgl. zu 411. —
- 14365 zer künigin , bei der Königin, und insofern: von der Königin. —
- 14373 n-ider in wie in V. 14264, ilim gegenüber, von seiner Seite.
- 14380 tL-eidenwre stm., Jäger, hier wieder lialb bildlich wie vorher
- n-eidegcselle und im folgenden A'erse weide. — 143?6 ivie getan part. adj.,
- wie beschaffen , welch ; vgl. sus getan 977. —
- 140 XXII. MELOT.
- daz si sich mühten gesehen,
- nune künden si'z ertrahten nie.
- Under disen dingen gie 14390
- Brangajne ze Tristande,
- wan si vil wol erkande,
- daz sin herzesw?ere
- vil nähe gende wsere.
- si klagete im unde er klagete ir 14395
- «ä reine», sprach er «saget mir,
- welch rät gewirdet dirre not?
- wie gewirbe ich und diu arme Isot,
- (362) daz wir sus niht verderben?
- i'ne weiz, wie wir gewerben, 14400
- daz wir behalten unser leben.»
- «Waz rätes mag ich iu gegeben?»
- sprach aber diu getriiiwe
- «daz ez got iemer riuwe,
- daz wir ie würden geborn! 14405
- wir haben elliu driu verlorn
- unser fröude und unser ere:
- wir enkomen niemer mere
- an unser friheit als e.
- isot owe! Tristan owe! 14410
- daz ich iuch mit ougen ie gesacli
- und allez iuwer ungemach
- von mir üf erstanden ist!
- und enweiz nu weder rät noch list,
- da mite ich iu gehelfen müge: 14415
- i'ne kän niht vinden, daz iu tüge.
- ich weiz ez alse minen tot,
- ir kumet es in groze not,
- belibet ir iht lange
- in huote und in getwange. 14420
- Sit ez niht bezzer mac gesin,
- so volget doch dem rate min:
- nu meine ich und ze dirre zit,
- die wile ir uns sus fremede sit,
- als ir des werdet gewar, 14425
- daz iu diu State widervar,
- 14389 ertrahten swv., durch tralite finden , ersinnen,
- 14396 reine adj., nicht in unserm Sinne: rein, keusch, sondern: edel,
- trefflich; vgl. 14652.
- XXII. MELOT.
- 141
- so nemet ein oleboumes ris
- und snidet spaene in lange wis
- und zeichent die mit nihte me,
- wan machet einhalp ein T
- und machet anderhalp ein I,
- daz niwan der erste buochstap si
- von iuwer beider namen dar an ,
- und leget da weder zuo noch van
- und get ze dem boumgarten in;
- ir wizzet wol daz bächelin,
- daz von dem brünnen da gät,
- hin da diu kemenäte stät:
- (363) dar in s6 werfet einen spän
- und lät in fliezen unde gän
- hin vtir der kemenaten ttir;
- da gän wir z'allen ziten vür
- ich und diu fröudelöse Isöt
- und weinen unser herzenöt,
- als wir in danne ersehen da,
- da bi erkennen wir iesä,
- daz ir da bi dem brunnen slt,
- dii der oleboum schate git.
- da wartet unde nemet war:
- diu senede gät ie zuo z'iu dar
- min frouwe und iuwer friundiu
- und ich ouch, alse ez mac gesin
- und ez an iuwerm willen ist.
- herre, diu selbe kurze trist,
- die ich noch ze lebene hän,
- diu sol mit iu zwein hine gän,
- daz ich iu beiden gelebe
- und iu ze lebene rät gegebe,
- solt' ich unib' eine stunde,
- in der ich iu zwein künde
- ze iuwern fröuden geleben,
- miner stunde tüsent geben:
- ich vorköufte alle mine tage,
- ichn gesenfte iu iuwer klage.»
- 14430
- 14435
- 14440
- 14445
- 14450
- 14455
- 14460
- 14428 in lange wis, auf lange Weise, d. h. länglich; der Länge nach.
- — 1443(1 fg. pinhalp, ander/ialp adv., auf der einen, der andern Seite; vgl.
- zu 2bl'2. 11189. — 14463 vcrkou/cn swv., hier: hingeben, Oi^fern; in V. 3776
- = nhd. — 14464 gp.'<<>n/te^=i/esen/tele von gcsen/ten, verst. seu/ten, trans.,
- besänftigen, lindern; vgl. 2459,
- 142
- XXII. :m£lot.
- «Genäiie, schcene!« sprach Tristan
- «i'ne hau da keinen zwivel an,
- an in si triiiwe und ere;
- der zweier wart nie mere
- in einem herzen begraben,
- solt' ich deheine saelde haben,
- die solte ich in wol keren
- ze fröuden und ze eren.
- swie kumberliche ez aber nu ste,
- swie kume so min schibe ge,
- west' ich, wie ich nu künde
- mine tage und mine stunde
- ze iuwern fröuden hin gegeben,
- ich wolte ouch deste kurzer leben:
- (oG4) des getriiwet unde geloubet mir!»
- weinende sprach er aber z'ir:
- «getriuwe, s^eligez wip!»
- hie mite twanc er si an sinen lip
- mit armen nahe und ange:
- ir ougen unde ir wange
- kust' er mit maneger quäle
- dick' und ze manegem male,
- «schcene», sprach er «nü tuet wol,
- und alse der getriuwe sol,
- und läzet iu bevolhen sin
- mich und die seneden sorgserin,
- die sselegen Isote;
- bedenket ie genöte
- uns beidiu samet, si unde mich.»
- «gerne, herre, daz tuen ich;
- gebietet mir, nu wil ich gän.
- tuet, alse ich iu geraten hän,
- und sorget niht ze sere. »
- ugot si, der iuwer ere
- und iuwern schcenen lip bewar!»
- ßrang?ene neic weinende dar
- und gienc trü'rende chin.
- 14465
- 14470
- 14471
- 14480
- 14485
- 14490
- 14495
- 14500
- 14469 begraben stv., bildlich: eingraben; Hagen setzt erklärend hinzu:
- «wie Buchstaben 0 ; in dieser Bedeutung hätte Gottfried wohl ergraben ge-
- wählt (vgl. 16724 und zu 2225) oder das einfache gegraben (part.), wie auch
- Hs. H haben soll nach Groote's Angabe. Ich fasse dagegen begrabene
- versenken, einpflanzen. Sollte ein Doppelsinn beabsichtigt sein, so würde
- ihn das nhd. «eingraben« erreichen, welches auch Simrock anwendet.
- XXII. MELOT.
- 143
- Der trürige Tristan
- der sneit und warf die sp^ene,
- als ime sin rät Brangaeue
- ze sinen dingen lere bot.
- sus kom er und sin frouwe Isöt
- zem brunnen an des boumes schate
- vil heinlicli und ze guoter State
- in ahte tagen wol ahte stunt,
- däz ez nie nieman wart kunt,
- noch ez kein ouge nie gesacb.
- wan eines nahtes ez gescbach,
- dö Tristan aber des endes gie,
- dö wart sin ]Mel6t, i'ne weiz wie,
- daz vertane getwerc,
- des välandes antwerc,
- von ungelücke gewar
- lind sleich allez nach im dar
- (365) und sach in zuo dem boume gän
- und niht vil lange da bi stän,
- und daz ein frouwe zuo z'im gie
- und er die nähe zuo z'im vie.
- wer aber diu frouwe waere,
- des was er ungewsere.
- 1450^
- 145l(>
- 1451ä
- 14ö2(>
- Do des andern tages wart, ]4ö2t>
- Melot sleich aber üf sine vart,
- ein lützel vor dem mitten tage,
- und haete mit välschlicher klage
- und mit vil arger äküst
- wol understözen sine brüst 14530
- und kom ze Tristande hin:
- (i entriuwen » , sprach er «herre, ich bin
- mit sorgen her gegangen,
- 14.^1« anfvcrc stn. , die Maschine, das Handwerkzeug [Handwerk
- öfters aus aw^«v/v entstellt und niissverstanden], hier bildlich : «das Werk-
- zeug in des Teufels Hand.n Kurtz, dem Simrock wiederum nachschreibt.
- — 14.M7 ron ungdücke, unglücklicherweise. — 14524 xnjeu-xre adj. mit gen.,
- ungewiss einer Sache.
- 14.^30 undfirstihen stv. mit acc, unter etwas stoßen, schieben; diese
- ■wörtliche Erklärung im mhd. \Vb. II, 2, üöC Groote dagegen mit Verwei-
- sung auf sfozen: (entzünden, anstecken, leidenschaftlich anregen»;
- Hagen: « unter futtern». Kurtz: «verpolstert», Simrock lialb abschreibend :
- (gepolstert". Diese letzten Fassungen sind wohl richtig: ?/nrf^/- hat manch-
- mal auch die Function von: hinein, und stozeti ist= stecken, understözen
- al60 = liineinsteckeu, vollstopfen. —
- 144: XXII. MELOT.
- wan ir sit so bevangen
- mit merke und mit väre, 14535
- daz ich mich her zewäre
- verstolen hän mit maneger not,
- und daz mich diu getriuwe Isot,
- diu tugenthafte künigin,
- erbarmet in dem herzen min, 14540
- diu leider nü ze dirre frist
- durch iuch in grozen sorgen ist;
- diu bat mich da her zuo z'iu gän,
- wan si anders niemen möhte hän,
- der ir ze disem maere 14545
- also gevellic waere.
- si bat mich unde gebot mir,
- daz ich iuch grüozte von ir
- und daz von herzen ta^te
- und iuch vil verre bsete, 14550
- daz ir si noch gesprechet da,
- i'ne weiz, ir wizzet wol wä,
- da ir nähest bi ir wäret,
- und ouch vil rehte väret
- der selben stunde unde der zit, 14555
- als ir gewon ze komenne sit.
- i'ne weiz, wes s' iuch da warnen sol.
- und sult ir mir gelouben wol,
- (366) ir leit und iuwer ungemach,
- daz mir nie leider geschach, 14560
- dan mir geschehen ist dar an.
- nu herre min, her Tristan,
- ich wil varn, gebietet mir;
- swaz ir weit, daz sage ich ir.
- i'n getär hie langer niht gesin: 14565
- daz hovegesinde, würde ez min
- an dirre verte innen,
- ich möhte es schaden gewinnen,
- si jehent doch alle und ist ir wän,
- swaz under iu zwein ist getan, ' 14570
- daz allez si mit mir geschehen.
- des wil ich hin ze gote jehen
- und hin z'iu beiden, daz ez nie
- mit deheinem miuem rate ergie.»
- 14571 mit pr£ep, hat hier die Bedeutung: im Beisein, vermittelst, durch. —
- XXII, MELOT. 145
- (■friunt, troumet iu?» sprach Tristan 14575
- owaz maere tribet ir mich an?
- waz ist der hoveliute wän?
- waz hat min frouwe und ich getan?
- Üz! strichet balde in gotes haz!
- und wizzet wierliche daz, 14580
- swes iemen waenet oder giht,
- liez' ich ez allermeiste nilit
- durch min selbes ere,
- irn geseitet niemer mere
- hin wider ze hove maere, 14585
- waz iu hie getroumet waere.»
- 14ö7'> an irV>en mit acc. der Person und der ^dLQ\\Q=etev:az fr. an einen,
- etwas gegen einen vollführen; vgl. 6^32, Hier die Wendung ; welche Reden
- {iva: rna:re gen. pl.) fülirt ihr gegen mich? — 14579 uz gehört wohl nicht
- zu strichet, sondern ist nach Y. 5449 selbständige Interjection: hinweg!
- (etwa^Marscli! ) So fasst es auch Maßmann, -während Hageu ohne Inter-
- punction schreibt uz str. balde, i. g. h. ! Groote iuterpungiert gar nicht und
- schreibt im Glossar: (.i-uzstrichen , von dannen ziehen, uzstricliet in gotes
- haz, fahrt zur Hölle. « Wie Hagen, so setzt auch Maßmauu nach balde
- Komma; wenn auch in gotes haz als selbständiger Ausruf stehen kann, so
- glaube ich doch, daß hier das Yerbum mit dem Adverbium f^akl'' damit zu
- verbinden ist. Die Übersetzer folgen Maßmann's Interpunctiou. Hagen
- und Maßraann setzen nach Hs. W streichet statt strichet, natürlich fehler-
- haft ; vgl. zu 2559.
- OOTTFKIBD VON STBASSBUßO. ir. 2. Aufl. 10
- XXIII.
- . BELAUSCHTES STELLDICHEIN.
- ZMelot sucht den König auf und berichtet ihm, was beim Brunnen
- geschehen ; er solle die Liebenden dort zur Nachtzeit belauschen, Marke
- und Melot setzen sich in Ermangelung eines andern Versteckes auf einen
- Ölbaum in der Nähe des Brunnens. Tristan kommt, lässt seine Boten
- fließen und gewahrt dann im Mondenscheine die Schatten der beiden
- Lauscher. Als Isot sich naht, bleibt er gegen seine Gewohnheit stehen.
- Sie wird auf eine GJ-efahr aufmerksam und erblickt drei Mannesschatten
- und vermuthet sofort, daß ihr Gemahl in der Nähe sei. Sie redet Tristan
- aus der Ferne an. Nur auf Brangfenens Eath sei sie hier erschienen,
- um seine Klage zu vernehmen. Sie beide seien miteinander in das Ge-
- rede gekommen, aber sie liebe nur den Mann, welchem die erste Rosen-
- blüte ihres Magdthums geworden sei. Mit Unrecht misstraue ihr der
- König. Sie habe in Tristan nur den Verwandten ihres Gemahls geehrt,
- und jetzt werde ihr das übel gedeutet. Tristan bittet, sie möge den König
- bewegen, seinen grundlosen Zorn mindestens noch die letzten acht Tage
- 2U verbergen bis zu seiner Abfahrt, damit es nicht heiße, Tristan sei in
- Ungnaden geschieden. Isolt versagt das; sie könne zu nichts rathen, wa&
- zu Tristan's Gunsten sei; sie verstärke nur dadurch den Argwohn des
- Königs. Sie versichert Tristan ihres Mitleids, später wolle sie ein gutes
- Wort für ihn einlegen. Tristan dankt und empfiehlt sie der Gnade des
- Kimmeis. Unter Seufzen scheiden sie.
- Der König, nun fest überzeugt von Tristan's und Isoldens Unschuld,
- zürnt dem Zwerge wegen seiner Verläumdung. Sie kehren zur Jagd zurück^
- die der König Tags darauf wieder verlässt. Er fragt die Königin nach
- Tristan. Isolt bringt dessen Klage vor, wie sie Marke vom Baume herab
- vernommen. Er erklärt, seinen Verdacht aufgeben zu wollen, Tristan
- solle bleiben, und die Königin wird wieder seiner Obhut anvertraut.
- Melötgie dan und reit zehant
- ze walde, da er Marken vant.
- vür war er ime dö seile,
- daz er der wärheite 14590
- ze ende wsere komen da;
- und seile ime wie unde wä
- XXIIl. BELAUSCHTES STELLDICHEIN.
- 147
- als ez zem brimiien was geschehen:
- t'ir müget die wärheit selbe sehen»,
- sprach Melot uherre, wellet ir,
- ze naht so ritet ir mit mir:
- i'n versihe mich keines (liuges baz,
- swie so si gefüegen daz,
- (367) sine körnen noch hinaht beide dar,
- SU müget ir selbe nemen war,
- wie si gewerben under in.»
- 14595
- 14600
- Der künec reit mit Meldte hin
- sines herzeleides warten,
- nu si in den boumgarten
- bi nahtzite kamen, 14605
- ir gewerbes war genämeu,
- done vant der künec noch daz getwerc
- deheine stat noch kein geberc,
- daz in reht unde gebsere
- zuo ir läge wffire. 14610
- nu stuont da, da der brunne tioz ,
- ein olboum, der was mäze groz,
- nider ünde doch billiche breit,
- da zno täten s' ir arbeit,
- daz si uf den beide gestigen: 14615
- üf dem säzen s' unde swigen.
- Tristan, do'z nähtende wart,
- er sleich aber iif sine vart.
- nu er in den boumgarten kam ,
- sine böten er ze banden nam
- und leite s' in die giezen
- und lie si hine tliezen.
- die Seiten ie genöte
- der seneden Isote,
- daz ir geselle waere da.
- Tristan giene über den brunnen
- da beide schate unde gras
- von dem oleboume was.
- sa,
- 14620
- 14625
- ^ 1460S ijeberc stu., (Verbergung), Versteck, Schlupfwinkel. — 14615 ge-
- stt'j' n ßtv., veret. sttgen.
- ]4^')2l fiiezfn acc. pL von gieze swm., Wasser, Bach. — 14627 fg. der
- Satz ist grammatisch pedantisch zu construieren da schate von dem ole-
- bourne unde gras was; die naheliegende Änderung cor dem oleö. ist ge-
- wagt. Nach Gottfried's Redeweise soll gesagt sein : im Grase war der
- 10*
- 148
- XXIII. BELACJSCHTES STELLDICHEIN.
- aldä gestuont er tralitende,
- in siiiem herzen ahtende
- sin tougenlichez uugemacli.
- sus kom, daz er den schale gesach
- von Marke und von Mek>te,
- wan der mane ie genote
- durch den boum hin nider schein,
- nu er des schales von in zweiu
- bescheidenliche wart gewar,
- nu hsete er michel ang'est dar,
- (368) wan er erlvande sich iesä
- der väre unde der läge da:
- «got herre», dähte er wider sich
- «beschirme Isote unde mich!
- ist, daz si dise läge niht
- bi diseme schate enzit ersiht,
- so gät si vür sich her ze mir.
- geschult ouch daz, so werden wir
- ze jämer und ze leide,
- got herre, habe uns beide
- durch dine güete in diner pflege!
- bewar Isote an disem wege:
- beleite sunder alle ir trite;
- warne die reinen etswä mite
- dirre läge und dirre archeit,
- die mau üf uns zwei hat geleit,
- e si iht gespreche oder getuo,
- da man iht arges denke zuo.
- ja herre got, erbarme dich
- über si und über mich!
- unser ere und unser leben
- daz si dir hinaht ergeben.»
- 14630
- 14635
- 14640
- 14645
- 14650
- 14655
- 14660
- Sin fröuwe diu künigin
- unde ir beider friundin,
- Brangsene diu reine,
- si zwo si giengen eine
- Tristandes boten warten
- 14665
- Schatten vom Ölbaum. So fasst es auch richtig Kurtz, dem Sirarock wie-
- der fast wörtlich nachschreibt, scltute unde gra^ steht wde eine Zusammen-
- setzung: Grasschatten oder für den Begriff: beschattetes Gras. — 14637 be-
- scheidenliche adv., hier: deutlich. — 14651 beleiten swv. =geleiten, leiten,
- behüten.
- XXIII. BELAUSCHTES STELLDICHEIN- 149
- in ir jamergarten,
- in dem si z'allen stuiulon,
- so si vor vare künden,
- ir jämer klageten under in.
- da giengen si her iinde liin 14670
- trurende iinde klagende,
- ir senenia.n'e sagende,
- viel schiere wart Brangrene
- der boten unde der spaene
- in der flieze gewar: _ 14675
- ir frouwen wincte si dar.
- Isöt diu vie si und sach sie an,
- si las Isot, si las Tristan;
- (369) si nam ir mantel al zehant,
- umhe ir houbet si den want 14C80
- und sleich durch bluomen und durch gras ,
- hin da boum unde bruune was.
- nu daz si kom so nähen,
- daz si beide ein ander sähen,
- Tristan stuont ällez ze stete, 14685
- daz er doch nie da vor getete:
- sine körn e mäles zuo z'im nie ,
- ern gienge verre gegen ir ie.
- Xu^ wunderte isöte
- sere unde genate, 14690
- waz dirre nijere wsere:
- ir herze daz wart swiere.
- si begiinde ir houbet nider län
- und vorhtliche gegen im gän.
- der verte si gröz angest nam. 14695
- nu si also lise gende kam
- dem boume ein lützel näher bi,
- nu gesäch si mannes schate dri
- und weste niuwan einen da.
- hie bi verstuont si sich iesä 14700
- der läge unde der väre
- und euch an dem gebäre,
- den Tristan hin ze ir haete.
- 140S5 cc stel*', auf der (selben) SteHe; -ganz stet und stille». Kurtz.
- « unbeweglich». Sirarock.
- 147UU cerstati refl. hier mit gen., etwas merken; vgl. zu 7502. —
- 150
- XXIII. BELAUSCHTES STELLDICHEIN.
- «ä dirre mortraete ! <>
- gedähte si «waz wirdet der?
- waz brähte dise läge her?
- benamen min lierre der ist hie bi,
- swä er hie bi verborgen si.
- ich wsene ouch, wir verraten sin.
- bescherme uns, herre trehtin!
- hilf uns, daz wir mit eren
- von hinnen mtiezen keren;
- herre, bewar in unde mich!»
- nu gedahte s' aber wider sich:
- «weiz Tristan dise ungeschiht
- oder enweiz er ir niht?»
- nü bedühte si zehant,
- daz er die läge hsete erkant,
- (370) wan si'n in den gebaerden sach.
- U705
- 14710
- 14715
- Si stuont von verre unde sprach;
- «herre Tristan, mir ist harte leit,
- daz ir miner tumpheit
- so gewis und alse sicher sit,
- und daz ir mir ze dirre zit
- deheiner spräche muotet.
- daz ir iuwer eren huotet
- wider iuwern oeheim unde mich,
- diu rede diu füegete sich
- und stüende iuwern triuwen baz
- und minen eren danne daz,
- daz ir so spsetiu teidinc
- und BUS getanen hselinc
- üf leget und ahtet her ze mir.
- nu sprechet an, waz wellet ir?
- ich stän mit ängesten hie,
- wan mich es Brangaene niht erlie.
- 14720
- 14725
- 14730
- 14735
- 14704 mortrcete gen. pl. von morfrat stm., Mordanschlag. — 147Ö5 werden
- mit gen. {der mortrcete) in solchen Fragesätzen mit ii:az entspricht unserm:
- daraus werden, geschehen mit. . ., sollen mit...; vgl. 15627 und zu 11595.
- 11725 rnuoten swv. hier mit gen. und dat., von einem etwas wünschen
- (vgl. zu 5681), anstreifend an: einem etwas zumuthen. — 14726 daz conj.,
- liier wieder: indem, wenn. — huotet ist sicher der Conj. prset. von hüeten =
- hütetet; vgl. 6050, wo auch der Conj. eher anzunehmen ist als der Indic. —
- 14733 aJtten swv., hier synonym mit vf legen: aussinnen, dann ziemlich:
- ansinnen, beantragen. — lier ze mir. eigentlich: gegen mich, an mich,
- dann: mir gegenüber; vgl. zu 78S2. —
- XXIII. BELAUSCHTES STELLDICHEIN. 151
- diu mich es bat und mir ez riet,
- also si hiute von iu schiet,
- daz ich her zuo z'iu kseme
- und iuwer klage verniemc. 14740
- daz aber ich ir's gevolget han,
- daz ist vil sere missetän.
- si sitzet aber hie nähen bi;
- und ouch swie sicher ich hie si,
- ich gxhe e doch zewäre 14745
- durch boeser liute väre
- ein min lit von miner liant,
- e iemen wa?re bekant,
- daz ich hie bi iu wsere.
- man hat so michel maere 14750
- von iu gemachet und von mir;
- si geswüeren alle wol , daz wir
- vil harte waeren kumberhaft
- mit valschlicher friuutschaft.
- des wänes ist der hof vol. 14755
- nu weiz ez aber got selbe wol,
- wie min herze hin ze iu ste;
- und wil ein lützel sprechen me:
- (371) des si got min Urkunde,
- und enmiieze ouch miner sünde 14760
- niemer anders komen abe,
- wan alse ich iuch gemeinet habe,
- mit welbem herzen unde wie;
- und gihe's ze gote, daz ich nie
- ze deheinem manne muot gewan, 14765
- und hiute und ienier alle man
- vor minem herzen sint verspart
- 14741 vo''jpn in der Kegel im Mhd. mit liahpn construiert. volgen mit dat.
- und gen., einem in einer Sache folgen. — lAlh'i kwuberliaft adj., hier wohl:
- belastet. — 14759 urkünd'' hier swm., Zeuge; vgl. 9820. — 14760 müeze
- elliptisch = ?c/( vi. — 147')1 abe komen mit gen., von etwas loskommen:
- und ich will sonst nicht selig werden. — 14762 die Construction ist frei,
- der lebendigen Rede nachgeahmt, wan knüpft an niemer ayiders an, wäh-
- rend man grammatisch du: erwartet mit einer Erklärung über Isoldeus
- eigenthümliche Beweise der Zuneigung. Der Vers 14759 steht coordiniert,
- Kurtz trennt ihn und setzt Doppelpunkt, Simrock ändert noch stärker,
- er fasst 14759 fg. als Conditionalsatz , dem 14764 fg. als Nachsatz folgt.
- Paul (S. 13) will ein in V. 14758 streichen oder mindestens in nu verwandeln,
- dann würde lützel = nicht sein, davon abhängig V. 14762 wan . . . Die Verse
- 1475.» — 61 kämen in Klammern. Paul übersetzt: «Ich will weiter nichts
- sagen, außer daß ich sn, wie ich wirklich gegen euch gesinnt gewesen bin,
- d. h. der Wahrheit gemäß sage, wie ich im Herzen gegen euch gesinnt
- gewesen bin.>< — 14767 versperren swv. mit procp. vor c. dat., ausschließen
- von etwas; vgl. vor (adv.) verxperren 7818, —
- 152 XXni. BELAUSCHTES STELLDICHEIN.
- iiiwan der eine, dem da v/art
- der erste rosenbluome
- von minem magetuome. 147 70
- daz mich min lierre Marke
- bewsenet also starke
- durch iiiwern willen, her Tristan,
- weiz got da missetuot er an,
- so gar als er erkunnet hat, 14775
- wie min herze hin ze iu stät.
- die mich ze msere habent hräht,
- weiz got, die sint vil imbedäht;
- in ist min herze vil unlmnt.
- ich hän iu himderttüsent stunt 14780
- friundes gebierde vor getan
- durch die liebe, die ich hän
- ze dem, den ich da lieben sol,
- dan durch valsch, daz weiz got wol;
- ez wsere ritter oder kneht, 14785
- so diuhte mich und w£ere ouch reht
- und erete ouch mich starke,
- swer minem herren Marke
- liep oder sippe w?ere,
- daz ich dem ere bsere. 14790
- nü verkeret man mir daz,
- und enwil ich iu doch niemer haz
- durch ir aller lüge getragen.
- herre, swaz ir mir wellet sagen,
- daz saget mir, wan ich wil gän: 14795
- i'ne mäc niht langer hie gestän.o
- «Saeligiu frouwe», sprach Tristan
- ui'ne hän da keinen zwivel an,
- 147t)i) roseabiuoiue swni., Eoseublume stf., Koseublüte, Knospe; das ein-
- fache bluoine in ähnlicher Wendung in V. 12647. — 14770 magetuuiu stm.,
- (Magdthnm stn.), Jungfernschaft ; vgl. zu 12450 und 12408. — 14782 zu dieser
- Stelle schrieb mir Bech: «hier scheint me zu fehlen; F hat es vor friundes;
- wegend an in V. 14784, das ich sonst nicht verstehen kann, ist nach meinem
- Dafürhalten nothweudig ein Comparativ wie me. » Dasselbe macht jetzt
- Paul (S. 13) geltend und sagt: uoder ist es eine elliptische Redeweise?»
- Ich glaube letzteres und liabe darum Bech's Erinnerung unbeachtet ge-
- lassen. Man muß sich nur die Bede laut vorsprechen und das Wort iieöe
- betonen, so kommt der Sinn auch ohne die grammatische Strenge heraus.
- Dann wäre es Willkür //te gegen die Hss. zu setzen. — 14789 ^ippe adj.,
- verwandt; daneben bei Gottfried yesijjpe 10654. — 14791 verktren swv., hier:
- fälschen, schlecht machen, übel auslegen; etwa: verketzern.
- XXIII. BELAUSCHTES STELLDICHEIN. 153
- (372) tlaz ir's die volge hoetet,
- irn sprechet unde taetet, 1-4800
- swaz tilgende und ere woere:
- inine länt iucli lügensere,
- die iuch mit mir sus hänt bedäht
- und uns undurften habent bräbt
- üz mines hcrren bulden 14805
- mit michelen unscbulden:
- daz got vil wol erkenneu sol.
- sseligiu, nü bedenket wol,
- tugenthaftiu küniginne
- und nemet in iuwer sinne, 14810
- daz icb so rehte unschuldic bin
- wider iuch und wider in,
- und ratet minem herren daz,
- sinen zorn und sinen baz,
- den er mir äne scbuble treit, 14815
- daz er den dur sine hövescbeit
- hele linde böveschliche trage
- niht langer wan dis abte tage.
- biz daz hab er und habet ouch ir
- die gebferde her ze mir, 14820
- als obe ir mir gensedic sit;
- so bereite ouch ich mich in der zit,
- daz ich von hinnen kere*.
- wir Verliesen unser ere,
- der künec min hcrre, ir und ich, 14825
- ist, daz ir alsus wider mich
- gebäret, alse ich hinnen var;
- 147iiy daz nicht abhängig von zwictl/i (sonst lüeße es en/toütet)., au
- welches sicli olme daz der folgende Vers anschlielot , sondern liier wieder
- = ja7 dcz, wenn. — vol'jc stf. ist hier objectiv zu fassen: die Zustimmung
- von Seiten anderer wie in V. 4%3; in weiterer Bedeutung ist dann vül(/e
- Beifall, Gunst. — 14!SÜ2 halbwegs im Nhd. zu verstehen : nun lassen eucli
- nicht, d. h. nun gestatten es euch nicht, halten euch ab. — 14803 bedenken
- swv. steht hier im Sinne von verdenken, Verdacht haben, beargwöhnen;
- vgl. ll>\lf> und zu 14yi;5. — 14SC4 undurften (übereinstimmend in den Hss.)
- adv. (wohl dat. pl. von undurft), unnöthig; vgl. zu 346Ö. Der Umlaut un-
- dür/te, iindür/ti'n , den nur Hs. W andeutet, müsste systemgemäß etymo-
- logisch angenommen werden, wenn nicht die Worte mit verengtem und
- speciellcm Sinne, mit Begriffen xaT £;oy/;v die Neigung hätten, die altcr-
- thümlichen Formen zu bewahren. — 14S24 — 27 sind nur von Groote (und
- nach ihm von Simrock) richtig verstanden worden, der nach 14S27 stärker
- iuterpuLgiert, während Hagen und Maßmann Komma setzen und es da-
- durch zweifelhalt lassen , wie sie vJ in Y. 14S28 nehmen. i5ei Kurtz; ist
- die Construction unklar. — 14S2(i alsus, so, d. h. in der bekannten, bisher
- eingehaltenen ungnädigen Weise. — 14827 alsc=aisv , s6 = sivenne, wann:
- 154
- XXIII. BELAUSCHTES STELLDICHEIN.
- SO sprechent unser vinde dar:
- «entriuwen, hie was etswaz an:
- nemet war, wie min her Tristan
- gescheiden ist von hinnen
- mit des küneges ucminnen.»
- 14830
- «Min her Tristan», sprach Isot
- «ich lite sänfter den tot,
- dan ich mi'nen herren bsete,
- daz er iht des dur mich taete,
- daz hin ze in wrere gewant.
- nu ist iu doch daz wol erkant,
- (373) daz er mir iezuo lange frist
- durch iuch vil ungeuaidic ist,
- und weste er unde wsere im kunt,
- daz ich bi iu ze dirre stunt
- ein' unde nahtes waere,
- ich kaeme es in daz msere,
- daz er mir niemer mere
- erbute liep noch ere.
- ob ouch daz iemer sus geschiht,
- entriuwen, des enweiz ich niht,
- und wundert mich des starke,
- wä von min herre Marke
- an disen arcwän kaeme,
- von wem er den rät naeme;
- unde ich mich doch nie enstuont,
- als doch diu wip vil schiere tuont,
- daz ir mir keine valscheit
- mit gebserden hsetet vür geleit.
- noch ich selbe hin ze iu nie
- valsch noch üppekeit begie.
- i'ne weiz, waz uns verraten hat,
- wan unser beider dinc daz stät
- übel unde erbärmecliche ,
- alse ez got der riebe
- enzit bedenken miieze
- und ez bezzere unde büeze.
- 14835
- 14840
- 14845
- 14850
- 14855
- 14860
- sogar beim Abschied. — 14828 so demonstrativ, alsdann. — 14332 unrninnen
- dat. pl. von rmminne stswf., (Tnliebe), Ungnade, Haß.
- 14837 wörtlich: was auf euch hin gerichtet wäre, d. h. was euere
- Person anlangte. — 14844 in daz ma're komen entspricht unserm: in das
- Gerede kommen: vgl. zu 8334. — 14858 üppekeit stf., (Üppigkeit), Leicht-
- fertigkeit. — 14863 em'it adv., hier: bei Zeiten, bald; in V. 14644 schwankt
- der Begriff zwischen dieser Bedeutung und der in Y. 1599.
- XXIII. BELArSCHTES STELLDICHEIN. 155
- Nu herre, nü gebietet mir: 14865
- ich wil gän, so gät ouch ir.
- iuwer swa^re und iuwer arebeit,
- (laz \vizze got, diu siut mir leit.
- ich hcete schulde hin ze iu vil,
- der ich doch nü niht haben wil, 14370
- daz ich iu solte sin gehaz;
- mich erbarmet aber daz,
- daz ir dur mich ze dirre zit
- äne schulde sus beswa}ret sit.
- durch daz wil ich ez übersehen, 14875
- und swenne der tac sol geschehen,
- daz ir von hinnen müezet varn,
- herre, so müeze iuch got bewarn;
- (374) der himelischen künigin
- der müezet ir bevolhen sin! 14880
- iuwer bete und iuwer boteschaft,
- und weste ich, obe diu keine kraft
- von minem rate hsete,
- ich riete unde ttete,
- swes so ich mich verssehe, 14885
- dar an iu wol gesch^ehe.
- nu fürhte ich aber sere, •
- daz er mir'z verkere.
- swie so ez dar umbe erge,
- swie harte ez mir ze väre ste, 14890
- ich wil iuch doch geniezen län,
- daz ir niht valsches habet getan
- wider mi'nen herren unde mich;
- swie mir gelinge, so wirb' ich
- iuwer bete, so ich beste kan.» 14895
- (iGenäde, frouwe», sprach Tristan
- «und swaz rede ir vindet da,
- daz enbietet mir iesä;
- wird' aber ich ihtes gewar
- und lihte also von hinnen var, 14900
- däz ich iuch nie mere sehe,
- 14'^7t; rjeschehen sagen wir nicht mehr von Zeitbestimmungen ; dafür :
- eintreten, kommen u. dgl. — 14.H81 boteschuft stf.. hier objectiv: (Entbie-
- tung), Auftrag. — 14890 ze vöre atön mit dat., gefälirlich für einen'stehen,
- 7uin i'bolu sich wenden, zum Nachtheil gereichen.
- 156 XXIII. BELAUSCHTES STELLDICHEIN.
- swaz SO mir claniie geschehe,
- vil tugenthaftiu küuigin,
- so müezet ir gesegenet sin
- von allem himelischera her! 14905
- wan got weiz wol> erd' iinde mer
- diu getrüogen nie so reine wip. '
- froiiw', iüwer sele und iuwer lip,
- iiiwer ere und iuwer leben
- diu sin iemer gote ergeben!» 14910
- Sus schieden si sich under in.
- diu küniginne diu gie hin
- siuftende unde trürende,
- ameirende unde amürende,
- mit tougenlichem smerzen 14915
- ir libes unde ir herzen-
- der trürffire Tristan
- der gienc ouch trürende dan
- (375) und weinende starke.
- der trürige Marke, 14920
- der üf dem boume da saz,
- der betrürete aber daz
- und gieng im rehte an sinen lip,
- daz er den ueven und daz wip
- ze arge hsete bedäht; 14925
- und die in dar an hseten bräht,
- die verflüochte er tüsent stunde
- mit herzen und mit munde.
- er verweiz ie genöte
- dem getwerge Melote, 14930
- daz ez in hsete betrogen
- und ime sin reine wip belogen.
- si stigen von dem boume nider
- und riten an daz gejägede wider
- mit jämer und mit leide 14935
- 14917 truroerii stm. (gebildet wie minncere), der Trauernde; wohl eine
- Gottfriedische Bildung; ferner in V. I.j790. Eine Hs. hat manchmal tru-
- rcere, wo die andere truii(/e. — 14925 bedenken swv. , hier wie in V. 14803,
- doch erst durch den Zusatz ze ar^je, und solche Zusätze mögen überhaupt
- die Bedeutung von bedenken = verdeuken veranlasst haben. — 14929 ver-
- letzen stv. mit dat. der Person = nhd. verweisen, einen tadeln, schelten;
- Gottfried braucht sonst das einfache wizen in V. 1015. lb39S. — 14932 be-
- ilegen stv., hier nicht=nhd. belügen (wie Kurtz übersetzt), sondern mit
- acc. und dat., einen bei jemand durch Lügen bereden , verleumden. Sim-
- rcck richtig: «verlügen».
- XXIII. BELAUSCHTES STELLDICHEIN. 157
- Mark' unde Melot beide.
- si liaeten zweier hande leit:
- Melot durch diu trügelieit,
- die er begangen solte liän;
- Marke durch den arcwan, 1494:0
- daz er den neven und daz wip
- und allermeist sin selbes lip
- so hsete beswseret
- und z' übele vermieret
- über hof und über laut. 149-45
- Des morgenes al zehant
- hiez er den jägeren allen sagen,
- daz si beliben und füeren jagen; *
- er selbe kerte wider in.
- «saget an», sprach er «frou künigin, 14950
- wie habet ir vertriben sit
- iuwer stunde und iuwer zit?»
- «herre, min unmüezekeit
- daz was undürftenez leit;
- so was aber min vire 14955
- diu harphe und diu lire.»
- ((undurften leit?» sprach Marke do
- «waz was daz und wie was dem so?»
- (376) Isot ersmierete unde sprach:
- «swie ez geschrehe, ez geschach 14960
- und geschiht ouch hiute und alle tage;
- triur' unde üppeclichiu klage
- deist min und aller frouwen site;
- hie reinen wir diu herzen mite
- und liuteren diu ougen. 14965
- wir nemen uns dicke tougen
- ein michel leit von nihte
- und läzon'z ouch enrihtc.»
- alsus treip si'z mit schimpfe hin.
- U^Jöiundurffen adj. (Bildung aus dem Adv. toidurften 14S04), unnötbig.
- — 141(55 vire stf., (Feier) = //«moci? , Ergötzung in freier Zeit. — 14951» er-
- srnien?n (daneben smielen) swv., lächeln, doch mehr als das einfache smie-
- ren 11>246; die Zusammensetzung: erlächcln besitzen wir nicht. Ich möchte
- nicht mit dem mhd. \Vb. II, 2, 429, 21 ersiaieren erklären «zu lächeln be-
- ginaeiio, sondern ei-- steht wie ersinftm (784); «auflächeln > fehlt im
- Nhd., während «auflachen» vorhanden ist. — 14962 üppedich adj., eitel,
- grundlos.
- 158 XXIIl. BELAUSCHTES STELLDICHEIN.
- Doch iiam ez Marke in sineii sin 14970
- und marcte ez al geraeine
- ir wort und ouch ir meine.
- <(nu frouwe», sprach er «saget mir,
- weiz iemen hinne od wizzet ir,
- wie Tristandes dinc ste? 14975
- man seite mir, im wsere we,
- do ich allernähest hinnen reit.»
- «dierre, iu wart ouch war geseit»
- sprach aber diu küniginne.
- daz meinde si zer minne: 14980
- si weste wol sin swjsre,
- daz diu von minnen waere.
- der künec sprach aber dö vürbaz:
- ((waz wizzet ir, wer seite iu daz?»
- «i'ne weiz, wan alse ich wssne, 14985
- und alse mir Brangsene
- von siner siecheite
- in kurzen ziten seite;
- diu sah in gester an dem tage
- und enbot mir, daz ich sine klage 14990
- und sin wort hin ze iu tsete
- unde iuch durch got bsete,
- daz ir im niht so sere
- gedaehtet an sin ere
- und haetet iuwer mäze 14995
- an übelem geläze
- dise ahte tage doch wider in,
- biz daz verrihtet er sich hin,
- (377) und läzet in mit eren
- von iuwerm hove keren 15000
- und von dem lande scheiden.
- 14977 allernuhest adv. verst. nahest (3959), ueulichst. — 14994 'jcdenken
- swv. ist liier niclit im Sinne von bedenken (14803) und verdenken (15010)
- zu nehmen, also nicht ohne weiteres «verdächtigen», wie Kurtz übersetzt,
- und wie es auch Groote und Hageö aviffassen, denn es steht der Dativ,
- nicht der Accusativ, vielmehr, wie wir auch jetzt noch denken, gedenken
- mit dat. und acc. gebrauchen, im Sinne von: einem etwas nachtragen,
- einem über etwas grollen, stellt sich gedenken mit dat. der Person und
- der Praep. an c. acc. zu der von Gottfried auch gebrauchten AVendung
- sprechen mit dat... der Person und prsep. an c. acc. (6365). Während
- sprechen auf das Äußerliche und Öffentliche geht, bezieht sich die Wen-
- dung mit gedenken auf die Gesinnung, also: nachtheilig über einen den-
- ken in Bezug auf . . ., und insofern nähert sich ihr allerdings die Bedeu-
- tung: Verdacht hegen. — 14995 fg. tndze stf. haben, Maß halten, Mäßigung
- bewahren, sich mäßigen; ««, in.
- XXIIl. BELAUSCHTES STELLDICHEIN. 159
- des gert er her ze uns beiden.))
- und Seite im alle sine bete,
- als er si bi dem brunneu tete,
- und alse er selbe wol vernam, löOül>
- wie'z umbe ir beider rede kam.
- Der küuec sprach aber: «frou künigin,
- unsselec müeze er iemer sin,
- der mich dar an ie brähte!
- daz ich in ie verdähte, 15010
- daz ist mir innecliche leit;
- wan ich hän sin unschuldekeit
- in kurzen ziten wol vernomeu:
- ich bin es alles z'eude konien.
- und sseligiu künigin, 15015
- als liep als ich iu siile sin,
- so si der zorn an iuch verlän;
- swaz ir getuot, daz si getan,
- uemet uns beide mich und in
- und leget ez under beiden hin.« 15020
- <'herr', i'ne wil» sprach diu künigin
- (hie mite niht harte uumüezec sin,
- wan leite ich ez hiute nider,
- ir griffet aber morgen wider
- an iuwern arcwän alse e. » 15025
- uuein zwäre, frouwe, uiemerme.
- i'ne wil im niemer mere
- gedenken an sin ere
- und iuch, frou küniginne,
- umb' üzerliche minne 15030
- iemer läzen äne wan.»
- diz gelübede wart da getan.
- Hie mite wart Tristan besant,
- unde der arcwän zehant
- gar hine geleit ze guote 15035
- mit lüterlichem muote.
- Isöt wart aber Tristaude
- 15010 verdenken swv. mit acc. der Peräon, Verdacht gegen eincu hegen,
- einen beargwöhnen. — 15Ü30 uzerlUh adj., äußerlich; seltenes Wort. Die
- Erklärung von der Hagen's: »außer der Ordnung, der Ehe» trifft gewiss
- den Sinn nicht; gemeint ist die sich nach außen zeigende, die angenommene
- Liebe, die Freundlichkeitsäußerune.
- 160 XXIII. BELAUSCHTES STELLDICHEIN.
- von liande ze hancle
- (378) bevolhen wider in sine pflege.
- der pflag ir aber alle wege 15040
- mit huote und mit rate.
- si und diu kemenäte
- diu wären niwan als er gebot.
- Tristan und sin frouwe Isöt
- die lebeten aber lieb' unde wol: 15045
- ir beider wunne diu was vol.
- sus was in aber ein wunscbleben
- nach ir ungemüete gegeben,
- swie kurz ez wernde wrere,
- an' iteniuwe swsere. 15050
- 15045 lieV, liebe adv., angenehm [im Xlid. selten geworden , häufiger
- der Compar.]. — 15047 wunsc/deb^n stn. , Leben der höchsten Seligkeit,
- ideales Leben; vgl. 16S50 und zu 1374. — lb04:6 unffeinüete stn., (Unmuthig-
- keit) , Kummer; Gottfried braucht das Adj. u/i^eiiiiiot nicht, dagegen un-
- iiiuotic 23.37.
- XXIV.
- DAS GLÜHENDE EISEN.
- König Marke lielJ eines Tages zur Ader und mit ihm, so wollte e
- seino Tücke, auch Isolt und Tristan. Sie pflegten des Tages der Eulie.
- In der Nacht lagen in der Kemenate nur Marke und Isolt, Tristan und
- Melot, und Brangaine und ein Jungfräulein. Zur IMettestunde begibt sich
- der König mit Melot. der Mebl auf den Estrich gestreut hatte, zur Kirche.
- Brangicne gewahrt das Mehl und warnt Tristan. Es verlangt ihn zur
- Königii^ und er springt, um im Mehle keine Spur zu hinterlassen, aus
- seinem iJette in das ihre. Dabei bricht ihm die Ader auf, und das Bette
- wird vom Blute besudelt. Dann springt er wieder in sei» Bett zurück.
- Der König wird auf dem Estrich nichts gewahr, entdeckt aber im Bette
- das Blut. Auf seine Frage erwidert Isolt, ihre Ader sei aufgebrochen.
- Wie zum Scherze hebt Marke Tristan's Bettdecke zurück und findet auch
- hier Blut. Er schweigt, und sein Herzeleid beginnt von neuem. Er hatte
- zugleich den Beweis der Schuld und der Unschuld in Händen. In seinem
- Zweifel besendet er seine Fürsten, welche ihm rathen, er möge zu Lim.
- ders in England ein Concilium halten. Marke klagt auf dem Goncil sein
- Leid über das Gerücht von Isoldens Untreue. Der alte Bischof von Ta-
- mise gibt den Rath, isolt solle sich selbst verantworten. Isolt vertlieidigt
- sich und ist bereit, ein Gericht über sich ergehen zu lassen. Marke ver-
- laugt das glühende Eisen. Auf sechs Wochen wird das Gericlit zi; Kar-
- liun festgesetzt. Über Isolt kommt die Angst. Sie schreibt an Tristan,
- er solle am bestimmten Tage in Karliuu ihrer harren. Tristan erscheint
- in Pilgertracht und mit verstelltem Antlitz. Isolt will von keinem Eitter,
- sondern nur von dem Pilgrim von der Schiffbrücke ans Gestade getragen
- sein. Sie raunt ihm, als er sie überträgt, heimlich zu, er möge auf dem
- Laude mit ihr wie von ungefähr zu fallen suchen. Für diese Unvor-
- sichtigkeit will das Gesinde den Pilgrim strafen, aber die Königin bittet
- für ihn, er sei schwach und wäre unfreiwillig gefallen. In Karliun geht
- Isolt im BülJergcwande zur INIessc. Reiche Gaben hatte sie ausgetheilt.
- Der Truchsef.) Marjodo will, dal» der Königin ein bestimmter Eid vorge-
- legt werde; sie aber will versuchen, ob sie dem Könige zu Dank schwöre.
- Kein Mann habe an ihrer Seite gelegen als außer dem Könige jener arme
- Waller. Damit läßt sich Marke genügen. Dann nimmt Isolt das glühende
- 1 COTTFIUED VOX STRASSBITEG. II. 2. Aufl. 11
- 162 XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN.
- Eisen in die Hand , und verbrennt sich nicht. Da wird es offenbar und
- vor der Welt bewährt, daß der Heiland windschaffen wie ein Ärmel ist.
- Von nun an steht die Königin bei INIarke wieder in hoher Gunst; sein
- Zweifel und Argwohn sind wieder dahin.
- Ich spriche daz wol überlüt,
- daz delieiner slalite nezzelkrüt
- nie wart so bitter noch so sür
- also der süre nähgebür
- noch nie kein angest also gröz 15055
- also der valsche liüsgenoz:
- ich meine daz zer valscheit,
- der friunde friundes bilde treit
- und in dem herzen vient ist,
- daz ist ein freislich mitewist; 15060
- wan der treit alle stunde
- daz honec in dem munde,
- daz eiter, da der angel lit;
- da bl^et der eiterine nit
- dem friunde misselinge 15065
- an iegelichem dinge,
- daz er gehceret unde gesiht
- und enhüetet niemen vor im niht.
- swer aber offenbare
- dem vinde sine väre 15070
- 1ÖÜ51 überlut adj. (nicht adv.), hier: offenbar, frei heraus; vgl. zu
- ?A)\2. — 15052 nezzelkrüt stn.^npzzel (17988); bezieht sich der Vergleich
- auf den bittern Geschmack der Nessel oder auf ihre Eigenschaft, daß sie
- brennt? vgl. 1789Ü. — 15057 meinen svvv. hier in Verbindung mit der Progp. ze
- (ähnlich wie im folg. zeln 15072), beziehen auf, halten für. — 15058 (ler =
- .•iwer. — bilde stn., hier: äußerer Schein. — l')06ü mitewist {von wesen) stf.,
- Zusammensein, Gesellschaft, abstract für: Gesellschafter, Genosse. —
- 15063 eiter stn., Eiter stm., Gift. — an^el stm., (Angel stf.), Stachel. Der
- Vergleich ist natürlich von der Biene genommen, — 15064 da adv. de-
- nionstr., hier, in dem Falle, wenn das so ist. Dagegen Bech: da, d. i. hinten
- im Gegensatze zu in dem munde, d. i. vorn. — bloet (=Hs. W, blat M^
- })leit 'F) = blajjet (bleivei H). blcejen swv.= nhd. blähen, blasen, «hauchen»
- die Übersetzer, die aber dann in freier Weise sicli des Verbums ((treffen»
- bedienen, um ein Transitiv zu gewinnen. Belialten wir d hauchen» bei,
- dann würde das Bild verändert, wir würden dann vielleicht an den Drachen
- zu denken haben, der mit seinem Gifthauch zu schaden sucht. Das würde
- aber nicht zur Ausführung des Bildes und namentlich nicht zu offenbare
- in V. 15069 passen. bUx'jen ist also anders zu fassen, und zwar so wie es
- Groote nimmt: «aufschwellen, aufblähen, in activer Bedeutung. Da er-
- zeugt der giftige Neid, beulenartig (wie der Stachel der Biene) dem Freunde
- Unheil an jedem Dinge.» — 15065 misselinge stf., hier stärker als in V.
- 1777: Unglück, Schaden. — 15068 hüeten swv. hier ausnahmsweise bei
- Gottfried intrans., acht haben, sich hüten. —
- XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN. 163
- ze schaden breitet uiule leit,
- des enzel ich uiht ze valscheit;
- die wilo er vicnt weson wil,
- die wile enschadet er niht ze vil.
- swenn' er sich heinliche dar, 15075
- so neme der man sin selbes war.
- Als tete Melüt und Marjodo:
- si wären aber Tristande do
- (379) dick' und ze manegen ziten
- valschlichen an der siten: 15080
- si truogen ime geliche
- mit valscho und mit äswiche
- ir dienest und ir heinliche an.
- hie vor hret' aber Tristan
- sine Warnung' ic genöte 15085
- und warnde oucli Isöte.
- ■.«seht», sprach er « herzekünigin ,
- nu hüctet iuwer unde min
- an rede und an gebäre!
- wir sin mit grozer väre 15090
- besetzet unde bevangen;
- uns gänt zwen' eiterslangen
- in tüben bilde, in süezem site,
- smeichende alle stunde mite:
- vor den habt iuwer sinne, 15095
- saeligiu küniginne!
- wan sv/ä die husgenozo sint
- geantlützet alse der tüben kint
- l.'iüT'J den ist wolil nicht masc, auf srrer bezüglich (Kurtz), sondern in
- freier Construction und aHgemein ncutr. (Simrock) : das zähle ich, nehme
- ich nicht an, zur Falscliheit, für 1\, als F.; vgl. zu 15057 und 17007. —
- \hy\l^\li eingehen swv. hier rcfl., sich heimlich, vertraut, zudringlich machen;
- Freundschaft heucheln. '
- 150s(t valsc/ilic/irn adv., fälschlicli, mit Falschheit, heuchleriscli. —
- 15081 'jelu'he adv., auf gleiche AVeise, gleichmüßig, zusannneu, einer wie
- der andere. — 15082 äswir/i stm. (von mvichen), Betrug, Heimtücke. —
- 150S3 heinüche stf., hier: Heimlichkeit, Vertraulichkeit, Freundschaft. —
- ISOS."") warnnn'je stf., liier nicht in unserm Sinne und objectiv: Warnung,
- sondern in stilistischem Gegensätze zu varnen im folgenden Verse (=nhd.),
- vielmehr wie in V. 5474 suhjcctiv : Vorsicht, Sclicu. — 15091 bevä/ien stv.,
- umfangen, einschliefoen. — 150;»2 pilrrHan'je swm., Giftschlange. — 150i)5 die
- sinn-' hahm, die IJesinnung behalten, die Sinne zusammcnnelimen. —
- 1509S grnntlützrt adj. part. defect. (gebildet wie (jchai-tet), mit einem Antlitz
- verschen; wohl Gottfriedische Bildung (in Congruenz mit 'jf-^af/fOi <^io am
- Ende nocli gebraucht werden könnte. ])ie Übersetzer: «von AntlitZ)'. —
- 11*
- 164 XXIV. DAS GLÜHEKDE EISEN.
- und alse des slangen kint gezagel,
- da sol man kriuzen vür den liagel 15100
- und segenen vür den ga?hen tot.
- Scßligiu frouwe , scha^ne Isöt,
- nu hüetet iucli genote
- vor dem slangen Melote
- und vor dem Kunde Mariodo!)^ 15105
- Si beide wären oucli also:
- jener slange, dirre bunt:
- wan si leiten z'aller stunt
- den gelieben zwein ir väre,
- an allem ir gebäre, 15110
- an iegelicbem gange
- also bunt unde slange.
- si triben fruo unde späte
- mit rüege und mit rate
- ir arcbeit vi^ider Marken an, 15115
- biz daz er aber M'ider began
- an siner liebe wenken,
- die gelieben aber bedenken,
- (380) und aber ir tougenbeite
- lag' unde ursuoche leite. 15120
- In einem tage er z'äder liez,
- als in sin valscber rät gebiez
- und mit im Isot und Tristan,
- diene wänden nibt, daz in bier an
- debeiner slabte swsere 15125
- vür gebreitet wsere
- und nämen keiner väre war.
- sus lac diu beinlicbe scbar
- näcb gemeinlicber sacke
- 15099 (jezagel adj., geschwänzt {züyel stm. , Schwanz kommt bei Gottfried
- nicht vor). — 15100 kriuzen swv., kreuzen [nhd. beschränkter], kreuzigen
- [nhd. ebenfalls beschränkter], das Kreuzzeiclien machen, sich bekreuzigen.
- 15114 rüege stf., Küge, Anklage.
- 15122 geheizen stv., hier verst. lietzen. — 15126 vür breiten (in ähnlicher
- Wendung V. 15071 das einfache //reiten), ausbreitend vorlegen; ein nhd.
- "Wort wird sich scliwer dafür finden lassen, die Übersetzer helfen sich mit
- «bereiten». Die passivische Wendung etwa: in Aussicht stehen. — 15129 fg.
- nach gerneinltcher sache^= gemeinliche , ähnlich wie mit 'jemeinlichen sacken
- in V. 5713, gemeinschaftlich. Die Wendung schließt sich an heinllche
- schar. Diese Lesart, obwohl nur in Hs. M, ist die allein berechtigte, der
- Situation angemessene. Hs. H hat gemclicher , das wäre: fröhlich, was
- XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN. 165
- den tac in ir gemache 15130
- ane schal und äne braht.
- des anderen tages ze naht,
- dö daz gesinde sich zerlie
- und Marke slafen gegie,
- done lac ze kemenäten, 15135
- als ez vor was geraten,
- nieman wan Marke unde Isöt
- und Tristan unde Melot,
- Brangaene und ein juncfrouwelin.
- ouch wären diu lieht unde ir schin 15140
- durch den glast bevangen
- under den umbehangen.
- Nu man zer mettinstunde
- liuten begunde,
- Marke der verdähte man, 15145
- der leite sich al swigende an
- und hiez Meldten iif stan
- und mit im hin zer mettin gän.
- nu Marke von dem bette kam,
- Melot sin mel ze banden nam, 15150
- den estrich er besaite,
- ob ieraen bi getraute
- dem bette dar oder dan,
- daz man in spurte ab oder an.
- hie mite giengen si zwAne hin. 15155
- uicht passt. W uud F schreiben gevipcldicln'. (und so Haqcu uud Mafi-
- niann). Wegen >jeinadi im folgenden Verse ist man geneigt, hier ein Gott-
- friedisches Wortspiel zn finden: sie lagen {n. gem. s.=:>iüch yeinac/ie, ge-
- iini'h'^ adv.) um der Gemächlichkeit , Ituho willen in ihrem Gemache,
- Zimmer. Das Adj. g'niuic/ilich bi-aucht Gottfried sonst nicht, und gfinach
- nie im nhd. Sinne, in ir gemache kann nur lieißen : in, an ihrer Ruhe,
- und eben darum ist die Lesart gemechltclier , die denselben Gedanken ent-
- halt, zu verwerfen. Es lieifit einfach: sie lagen gemeinschaftlich, eines
- wie das andere, den Tag über ruhig (in ihren Betten), um sich, weil sie
- zur Ader gelassen Jiatten, zu pflegen. — l.")l.'{<! raten stv., hier: berathen,
- besprechen, ausmachen. — 15141 becälien stv., hier: umfangen, umschließen,
- verhüllen.
- I.'il4."» efrdäht part. adj., hier wohl nicht wie in V. 2312, wenigstens
- nicht ausschlicfjlicli; sollte sich verda/it nicht oder nicht zugleich an ver-
- denken in der Bedeutung: beargwöhnen (l.")01(l) schließen, also=^arg-
- wöhnisch? — 1514G an legen refl. elliptiscli (die Kleider), entsprechend
- unserm : sich anziehen. — l.")l.')H dar oder da», liinwärts oder wegwärts wio
- das folgende ab oder an. — l.^l.'i4 sjjüren svw., hier in oigentliclistor Be-
- deutunc: die Spur eines wahrnehmen [vgl. aufspüren, Spürliund]; vgl.
- 17<14<'>. — a>> oder an wie in V. 83.»: herwiirts oder hinwärts, d. li. auf dem
- Weg vom Bette weg oder auf das Bette zu. —
- 166 XXIV. DAS GLÜHEKDE EISEN.
- ir andäht diu was under in
- vil kleine an kein gebet gewant.
- nu wart ouch Brangsen' al zehant
- (381) der läge bi dem mel gewar;
- si sleich ze Tristande dar, 15160
- si warnte in unde kerte wider
- und leite sich do wider nider.
- diu läge was Tristande
- vil inneclichen ande.
- sin herze in sinem libe 15165
- daz wart nach dem wibe
- volmüetic unde in trahte ,
- wie er dar komen mähte:
- er tete diu geliche wol,
- daz minne an' ouge wesen sol , 15170
- und liebe deheine vorhte hat,
- da si von erneste gät.
- «Ovve!» gedähte er wider sich
- «got herre, wie gewirbe ich
- mit dirre veigen läge? 15175
- nu stät mir disiu wäge
- ze einem hohen wette. »
- er stuont üf von dem bette
- und nam allenthalben war,
- mit welhem liste er kseme dar. 15180
- nu was so vil ouch liehtes da,
- daz er daz mel gesach iesä.
- nu dühte in diu gelegenheit
- ze einem sprünge ze breit;
- nu getörste er ouch dar niht gän. 15185
- iedoch muos' er ez an daz län,
- daz da was waeger under den zwein:
- er sazte sine füeze cnein
- 15156 andäht stf. scheint auf den ersten Blick dem heutigen Worte zu
- entsprechen, es ist aber allgemeiner: das Denken an etwas, die Gedanken.
- Das Wort von nun an öfters bei GrOttfried. — 151^7 volmüetic adj., voll
- Neigung, Begierde; vgl. muot in V. 3404 und zu 10^48. — 15169 dhi ge-
- liche (s. zu 135) tuon kann hier nicht wie sonst gel. t. heißen: sich stellen,
- den Anschein geben , sondern : ähnlich handeln (wie eine bekannte That-
- sache, wie es unter gleichen Umständen zu geschehen pflegt), entsprechen,
- bewahrheiten. — 15170 Paraphrase des Sprichwortes: die Liebe ist blind.
- 15176 tcäge stf., hier bestimmt: Wagniss. — 15177 loette stn., (Wette
- stf.), Wettstreit, Spiel, Pfand im Wettstreit, ze wette st an entsprechend
- unserm : auf dem Spiele stehen; vgl. zu 16^97. —
- XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN. 167
- iiiul trat vil vaste ze stete:
- Tristan der niiiiuen blinde tete 15190
- den ponder und die ritterscliaft
- ze harte über sine kraft:
- er spraiic hin au daz bette
- und verlos ouch an dem wette,
- wan ime sin äder üf brach, 15195
- daz ime sit michel ungemach
- und leit beguude machen,
- bett' unde bettelachen
- (38"2) diu missevärte daz bluot,
- alsc bluot von rehte tuot: 15200
- ez varte wä ünde wä.
- vil harte unlange lag er da,
- biz purper unde bliät,
- bette unde bettcwät
- mitalle wurden missevar. 15205
- aber sprang er wider alse dar
- an sin bette unde lac
- in trabte unz an den liebten tac. %
- Xu Marke der kom schiere wider
- und wartete an den estrich nider. 15210
- da nam er siner läge war
- und wart da nihtes gewar;
- und aber do er hine kam
- und an dem bette war geuam,
- do sah er blüot ünde bluot.» 15215
- daz beswärte ime den muot.
- cwie nii», sprach er «frou künigin,
- waz sei dirre msere sin?
- von wannen kom diz bluot her an?»
- lbl>>^ ze stete treten, antreten, Anlauf nehmen; vgl. Beck zu Erec 295. —
- 15191 jjoncler (=Hs. M. jjrindcr H, poinder W, pvndier F) stm. Fremdw.,
- I'ranz. jjoindre^ Anrennen, Stoß, uChoc» (Zarnclce), Sprung. Vgl. Zarncke's
- reichhaltigen Artikel im mhd. Wb. II, 1, 526 fg. — ritterscliaft drückt hier
- nach Gottfried's Redeweise in allgemeiner Bedeutung aus. was ponder
- speciell besagte, also: Kitterspiel, Turnier, Kampf wie in V. 680. — 15194 i-er-
- liesen stv. hier intrans., verlieren (im Spiel). — wette stn., hier: Spiel. —
- 1519f< bettelachen stn. [die niederd. Form : Laken noch geläufig], Betttuch,
- dasselbe was bettcwät 1:^537, 15204 und lllachen 18153. — 15199 missevärte
- prset. von rnissecäruen swv. mit acc, bunt färben (oder übel färben? vgl.
- zu 15567), beflecken. — I52ul väruen swv. hier ohne acc, färben, Flecken
- machen. — 15203 purper Geschlecht:", Purpur, Purpurstoff, Purpurdecke;
- jetzt ist Purpur eine bestimmte rothe Farbe, im alten Wort ist weniger
- die Farbe, als der Stoff betont, der dann auch andere Farbe haben kann.
- — bl^dt stm., golddurchwirkter Seidenstoff. — 15205 7/iissevar adj., hier:
- befleckt (auch hier die Frage : buntfarbig oder übelfarbig;.
- 168 XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN.
- «min äJer brast, da gieng ez van: 15220
- diu ist kume iezuo verstanden.»
- nii begunde er ouch Tristanden
- durch sine hende läzen gan,
- als ez in schimpfe w£ere getan:
- «wol üf«, sprach er ^her Tristan!» 15225
- lind warf daz deckekchen dan:
- er vant da bkiot alse dort,
- nu sweig er und gesprach nie v/ort.
- er liez in ligen und kerte hin.
- sine gedanke und sin sin 15230
- die wurden sw?ere dar van:
- er dahte und dähte, als ein der man,
- dem ez ze kleinem liebe ertaget,
- er hfete ouch da vil nach gejaget
- unz üf sin herzelichez leit. 1ü2o5
- iedoch ir beider tougenheit
- unde der wären geschiht
- der enweste er anders niht,
- 0 (383) wan alse er an dem bluote sach.
- diu bewrerde diu was aber swach. 15:'?40
- sin zwivel unde sin arcwän,
- die er e hsete gar verlän,
- ze den so was er aber geweten,
- wan er den estrich unbetreten
- vor dem bette funden hsete; 15245
- da von wand' er untaete
- von sinem neven äne sin;
- und wände er aber die künigin
- und sin bette bluotic vant,
- da von bestuont in al zehant 15250
- sin ungedanc und sin unmuot,
- also den zwivelhaften tuot.
- 15220 bresten stv., hier im körperlichen Sinne = nhcl. bersten, brechen :
- vgl. zu 258. 11279. — 15221 verstän stv. hier intrans., stehen bleiben,
- stocken, aufhören zu gehen, zu fließen. — 15223 durch die liende läzen
- gän, "Wendung für: mustern, untersuchen. — 15220 deckelachen stn., Decke-
- tuch, Deckzoug, Zudecke. — 15233 erlagen hier unpers. mit dat. und der
- Prsep. ze c. dat., wie in V. 7107, entsprechend unserm: ein Licht aufgehen,
- schwanen. — ze kleinem liebe, zu geringer Freude, zu großem Schmerze, in
- schmerzlichster Weise. — 15243 geweten part. von weten stv., Jochen, fesseln,
- weiterhin: gesellen; vgl. zu 94(3. 1(5322. — 15250 bestem stv. mit acc. wie in
- V. 2245. 8?21, einem entgegentreten, einen angreifen, erfassen. — 15251 un-
- gedanc stra., (üngedanke), übeler Gedanke, Unsinn, Verdaclit; vgl. 19170
- und zu 19359. — 15252 zivtcdha/t adj. subst., der mit Zweifel Eehaftete,
- der Schwankende. —
- XXIV. r>AS GLÜHENDE EISEN. lOf)
- mit disem zwivol onweste er war;
- er wände her, er wände dar,
- ern weste, waz er wolte 15255
- oder wes er wrenon solto.
- er haete ze den stunden
- an sinem bette fanden
- diu schuldigen minnen spor
- und vant deheinez dervor. 15260
- hie mite was ime diu wärheit
- beidiu geheizen unde verseit.
- mit disen zwein was er betrogen:
- disiu zwei war unde gelogen
- b?ete er beide in wäne 15265
- und was euch beider äne:
- ern wölte si niht schuldic hän
- and enwölte s' ouch niht schulde eilän;
- diz was dem zwiveliere
- ein nähe gondiu swfere. 15270
- Der vorirrete Marke
- älrerste was er starke
- bekumberet mit trahte,
- mit wie getaner ahte
- er sich hier üz berihte 15275
- und disen wän beslihte;
- wie er der zwivelbürde
- ledec und äne würde;
- (384) wie er den hof braehte
- von der missedsehte, 15280
- die er treip ie genote
- von sinem wibe Isote
- und sinem neven Tristande.
- sine fürsten er bcsande,
- dar er sich triuwon versach, 15285
- und kunte in sin ungemach
- und Seite in, wie diz rncere
- la ze hove ensprungen waero,
- 152^2 /, stv., hier: nennen, sagen.— cemagen swv., vorenthalten, ver-
- schweigen; vgl. zu V1A'\0.
- 15'_'77 zu-iceU>ürde stf., Last des Zweifels, tler Ungewissheit; eine Bil-
- dung mit hurdc bei Gottlried ist ferner ■cn^bürde in V. 1900'». — 1Ö280 misae-
- dw/ite dat. von inissedüht stf. (oder von miss^dce/itc stf.?) = ungc.danc,
- Verdacht. —
- 170 XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN.
- luid vorlite harte sere
- siner e und siner ere; 15290
- und jach des in diuhte niht ,
- Sit daz ir heider inziht
- so wfere geoffenhseret
- und in daz lant vermaeret,
- daz er henamen der künigin 15295
- holt oder heinlich wolte sin,
- sin' hehähete ofifenlichen e
- wider in ir Unschuld' unde ir e:
- hier üher suocht' er ir aller rät,
- den zwivel unihe ir missetät, 15300
- wie er den so hin getsete,
- als er es ere hsete,
- eintweder abe oder an.
- Sine friunde und sine man
- die gerieten ime zehant 15305
- daz er ze Lunders z'Engelaut
- ein conzilje leite
- und da der pfafheite,
- den witzegen antisten,
- die gotes reht wol wisten, 15310
- sinen werren tsete kunt.
- daz conzi'lje daz wart sä zestunt
- ze Lunders gesprochen
- nach der pfinkestwochen
- ze üz gendem meien. 15315
- pfaffen unde leien
- der kom zem tage ein niichel kraft
- durch des küneges boteschaft,
- (385) als er gebat und ouch gebot.
- nu dar kom Marke und kom isot 15320
- 15292 imUit stf. [von zihen, zeihen], Bezichtigung, Beschuldigung, Vor-
- wurf, Schuld; vgl. 15385 [nhd, Inzicht noch im Plural gebraucht = Indi-
- cien]. — 15297 be.Iiaben swv., behaupten, erhärten, beweisen. — 1529S e stf.,
- hier: eheliches Verhalten, Treue. — 15303 = 15341 abe oder an wie in V.
- 15154, aber allgemeiner: so oder so.
- 15307 concilje stn. Fremdw., concilium, nhd. Concil. (Die Haupthss.
- schreiben übereinstimmend concUie, Hs. W und F in V. 15312 concil). —
- 15308 pfa/fieit stf., Priesterschaft, Geistlichkeit; vgl. zu 7701. — 15309 witzec
- adj., verständig, gelehrt [nhd. beschränkter]; vgl. zu 7034. — antiste swm.
- Fremdw., Antistes, Kirchenvorsteher, Prälat. — 15311 werre swra., Ver-
- druß, Kummer; vgl. zu 975. — 15313 sprechen stv. , hier wie besprechen in
- V. 535, verabreden, festsetzen. — 15319 gebat in Congruenz mit geb6t:=bat;
- hei Gottfried sonst gebiten als verst. biten nicht. —
- XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN. 171
- LekiimbLTct beide
- mit vorhte und mit leide:
- Isot diu vorhte sere
- Verliesen lip und ere;
- so hsete Marke michel leit, 15326
- sine fröude und sine werdekeit
- daz er die swaclien solde
- an sinem wibe Isolde.
- Nu ISIarke an daz conzilje gesaz,
- sinen lantfürsten klagete er daz, 15330
- wie er beswseret wsere
- mit disem lastermtere:
- and bat si harte sere
- durch got und durch ir ere,
- ob si mit ihte künden, 15335
- daz si im hier über funden
- eteli'chen den list oder rät,
- da mite er dirre missetät
- räch' unde gerihte nseme
- und ir ouch z'ende koeme 15340
- eintweder abe oder an.
- hier über redete manic man
- in maneger wise sinen muot,
- einer übel, der ander guot,
- dirre sus und jener so. 15345
- Üf stuont der fürsten einer do,
- die bi dem rate wären,
- an Witzen unde an jären
- ze guotem rate wol gestalt,
- des libes edelich und alt, 15350
- beidiu grise und wise,
- der bischof von Tamise,
- 15327 swachen swv. traiis., hier beinahc = nhd. schwächen, erniedrigen,
- verringern.
- 15330 lantfürste (vorher V. 15284 einfach fürsten) swin. = lantfierre,
- lantharün. — 15332 lusternucre stn., Schandgerede, oschändliche Märe> .
- Kurtz. — l.')337 den Artikel nach fitlic/i setzen wir nicht mehr im Nhd.
- (Hs. M hat ihn auch nicht). — l.')339 rdche neiuen mit gen., an etwas
- Kache nehmen, Vergeltung üben. — >jerihte stn. steht liier fast synonym
- mit raclii' bei neiuen, Gerechtigkeit üben.
- 15349 wol f/estalt, wohl gebildet, wohl geeignet; vgl. zu 3337. —
- 15351 ffri-ie adj. ist hier wohl nicht abstract = greis , da vorher alt steht,
- sondern eigentlich = grau ; in V. 2739 adj. subst. synonym mit yetaget dem
- nhd. Begriffe entsprechend. Ebenso im folgenden V. 15429. —
- 172 XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN.
- über sine knicken lein Je er sich:
- "künec herre», sprach er «hoeret mich:
- ir habet uns her vür iuch besant, 15355
- niis fürsten hie von Engelant
- beidiu durch triuwe und (hirch rät,
- als iuch des not ane gät:
- (38G) der fürsten ich ouch einer bin,
- herr', ich hau ouch stat under in; 15360
- ouch bin ich in den tagen wol,
- daz ich wol vür mich selben sol
- beidiu tuon unde län
- und reden, swaz ich ze redene hau.
- ir iegelich der rede vür sich: 15365
- herre, ich wil iu sagen vür mich
- minen sin und minen muot;
- min sin, dank' er iuch danne guot
- und gevälle er iu, so volget ir
- minem rate unde mir. 15370
- min frouwe und min her Tristan
- die wsenet man ze Undingen an
- und sint an keiner wärheit
- noch überkomen noch überseit,
- als ich die rede vernomen hän. 15375
- wie müget ir nü den argen wän
- mit arge beslihten?
- wie müget ir gerihten
- über i'mvcrn neven und iuwer wip
- an ir ere und an ir lip, 15380
- Sit man si niht erfunden hat
- an deheiner slahte missetät
- noch niemer lihte ervinden kan?
- eteswer seit Tristanden an
- dise schulde und diso inziht, 15385
- ern beredet es hin ze ime niht,
- als er ze rehte solde.
- 15353 kracke swi. , Krücke stf., Stab; gemeint ist der Bischofstab, Dicht
- eine Krücke in unserm Sinne. — 15372 an ucenen mit acc. , gegen einen
- Verdacht hegen; mit Prgep. ze c. dat., auf etwas. — • 15374 überkomen stv.,
- überwinden, überweisen; vgl. zu 18700. — 1537^ gerihten swv., verst.
- rihtea. — 15381 ervinden stv., ähnlich wie ervarn, entdecken, ertappen;
- vgl. zu 13724 fg. — 15384 an saf/en swv. mit acc. der Person und der
- Sache, einen in einer Sache anklagen, gegen einen eine Sache vorbringen,
- vgl. zu 15486 und zu 1544^5. — 1538(5 ohne daß er u. s. w. , ebenso in
- V. 15.390. —
- XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN. 173
- SU bringet oiich Isolde
- lilit' ete.swer ze niedren,
- erii mag es niht bevva?ren. 15300
- Sit aber der hol' ir missetat
- so harte in arewäne hat,
- soiie sulet ir der kimigin
- ze bette noch ze tische sin
- geselleclich unz an den tac, 15395
- ob si ir unschiüde erzeigen mac
- so wider iuch so wider diu lant.
- den dirre liument ist erkant
- (387) und die in tribent alle tage.
- wan leider sus getaner sage 15400
- der ist daz 6re vil bereit
- zer lüge und zer warheit.
- ez si war oder gelogen,
- swaz in den liument wirt gezogen,
- der inziht da heizet, 154:05
- der kicket unde reizet
- ie zer ergeren liant.
- swie so ez hier umbe si gewant.
- ez si war oder niht,
- der liument und diu inziht 15410
- diu sint mit rede so verre komen,
- daz ir"z ze leide habet genomen
- und ez der hof vür übel hat.
- nu rate ich , herre , und ist min rät ,
- min frouwe diu künigin, 15415
- Sit si besprochen sol sin
- umbe solhe missewende,
- daz man si her besende
- z'unscr aller gagenwürte,
- 153'J8 liwaent (=H8. M in V. 15410, hier: lument; W lümcnt ; dagegen H
- liu/itt, F luinit) stm., Leumund, Gerücht. — 154UÖ Groote: «welches (=Ge-
- rücht, liument) da Laster und Untreue heifit.» Die Übersetzer frei, aber
- ziemlich treffend, namentlich Kurtz : »"Wo sich's um solche Inzicht han-
- delt.» Ich fasse der nicht als Eelativ auf liument bezogen, inziht als No-
- minativ, licizet = ii\id. licißt, genannt wird, ist, sondern der-=stver, wer,
- wenn einer, wenn man, sobald man. — inzild acc, eine Schuld. — da, hier,
- darin, im Gerücht. — heizet trans., nennt, geltend macht. — 1540G kicken ,
- auch quicken, swv. [erhalten: erquicken], lebendig maclien, erwecken, er-
- regen; vgl. zu 19ll'i. — 1Ö407 zer ergeren Iiant , auf die schlimmere Seite
- (14223), zum Schlimmem. — 1541(j besprechen stv., hier ziemlich ent-
- sprechend unserm : besprechen, einen im Gerede haben, beschuldigen ; vgl.
- l.S4.'>0. — 1J417 uiisseu-ende stf., liier: Tadel, Makel; vgl. l.')497. —
- 174 XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN.
- iiiwer änspräcli', ir antwürte 15420
- daz man diu beide also verneme,
- als ez dem hove wol gezeme. «
- Der künec sprach: «herre, des volge ich:
- diu rede und der rät dunket mich
- gefüege unde gevallesam.» 15425
- man besände Isolde, und si kam
- zem conzi'lje in den palas.
- uu daz si nider gesezzen was,
- der bischof, der grise,
- der wise von Tamise 15430
- er tete als ime der künec gebot,
- er stüont üf und sprach: «frouwe Isot,
- tugenthaftiu künigin ,
- min rede sol iu niht sw?ere sin:
- der künec min herre heizet mich 15435.
- sin wort hie sprechen, nü muoz ich
- hin ze iu leisten sin gebot,
- nü bekenne ez aber got:
- (388) swaz iuwerr wirde missezimet
- und iuwer reine lop beuimet, 15440
- daz ich daz vil ungerne trage:
- beidiu ze liehte und ouch ze ta^e,
- möht' ich es wol erläzen sin.
- Sceligiu, guotiu künigin,
- iuwer herre und iuwer man 15445
- der heizet mich iuch sprechen an
- umbe ein ofFenfiche inziht.
- i'ne weiz noch er enweiz ez niht,
- wä von ez si gerochen,
- wan daz ir Sit besprochen 15450
- von hove und von lande
- mit sinem neven Tristande.
- ob got wil, frouwe künigin,
- 1Ö420 anspräche stf., hier: Anklage; vgl. zu 15446.
- 15437 gebot leisten = Gebot, Willen erfüllen. — 15438 bekennen swv,
- mit acc, erkennen, wissen. — 15446 an sjjrechen mit acc. wie an sagen in
- V. 15384, einen anklagen; vgl. zu 10308 und 15420. — 15449 gerochen wird
- von Zarncke im mlid. Wb. II, 1, 683 als park, von rechen stv. (bSS^) «zu-
- sammenscharren» vermuthet (vgl. auch zu 19052). Als part. von rechen
- stv. =: rächen, strafen fasst es Bech: «woher, weshalb diese Strafe (vom
- Himmel) verhängt sei.« Sollte gerochen von riechen genommen sein als
- Bild vom Spürhund: wovon, woher es gerochen, gewittert, geschnüffelt,
- aufgeschnobert, ausgestänkert sei?
- XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN.
- 175
- der iintcTBtc sult ir sin
- imschuldic imde äne.
- iedoch hat er'z in wane,
- da von, daz es der liöf gilit.
- min herre selbe dern hat niht
- an iu befunden niuwan guot.
- von m^eren, diu der hof tüot,
- hat er den wän üf iuch geleit,
- niht von deheiner warheit.
- dur daz so sprichet er iuch an,
- daz ez sine friunde und sine man
- vernemen unde hoeren,
- ob er hie mite zestoeren
- disen liument unde dise lüge
- mit unser aller rate müge.
- nu dunket mich daz guot getan ,
- daz ir im umbe den arcwän
- rede gebet unde antwürte
- z'unser aller gagenwürte.»
- 15455
- 15-160
- 15465
- 15470
- Jsöt diu wol gesinne,
- diu gesinne küniginne,
- du ir ze sprechenne geschach,
- si stuont üf selbe unde sprach:
- I herre, min her bischof,
- dise läntbarüne und al der hof,
- (389) ir sult daz alle wizzen wol,
- swä so ich versprechen sol
- mines herren laster unde mich,
- entriuwen, daz verspriche ich
- ^ beidiu nü und alle stunt.
- ir herren alle, mir ist wol kunt,
- daz mich disiu torperheit
- vor einem jare ist ane geseit
- 15475
- 15480
- 15485
- 15474 gesimie adj., mit sin. Verstand begabt, besonnen, scharfsinnig. —
- 15475 mir ijeschiht mit dem Infinitiv bei prajp. ze ist dichterische Umschrei-
- bung für das einfache Verbum, doch liegt noch mehr die Möglichkeit,
- Füglichkeit, Gelegenheit und Nüthigung zum Handeln darin: da sie
- sprechen konnte oder musste, nicht einfach: da sie sprach; vgl. Gr. 4, 109,
- wo auch auf die entsprechende griechische Wendung i-(bit-rj u. s. w. auf-
- merksam gemacht ist; vgl. auch mlid. Wb. II, '2, 113''. Bei Hartmann
- von Aue hiiufig; bei Gottfried nur noch in V. 17773. — 15480 versprechen
- stv. mit acc, verantworten , entschuldigen. — 15485 fg. hier an sagen
- (V. 15384) in passivischer (,'onstruction : nom. der Sache, acc. der Person. —
- torperheit {=i stf., bäuerisches Wesen = J/w/^/oa-e , Unschick-
- lichkeit. —
- 17G XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN,
- beid' über Iiof und über laut.
- iu ist ab allen wol erkant,
- daz iiiemen alse s?elec ist.
- der al der werlde und alle frist 15490
- so wo] ze willen müge geleben,
- im e«werde aläster gegeben.
- von danne enwnndert mich es niht,
- ob mir der rede ouch not gescliiht;
- i'ne mölite niemer sin verswigen, 15495
- i'ne müese werden bezigen
- iinfuoge und missewende.
- dur daz ich bin eilende
- und endärf hie niender fragen
- nach friunden noch nach niagen: 15500
- mir ist leider lützel lernen bi,
- der mines leides leidec si.
- ir alle und iiiwer iegelich,
- ir Sit arm oder rieh,
- ir gelöubet vil gereite 15505
- miner torperheite,
- west' ich nu, waz geta?te,
- waz rätes hie zuo hrete,
- daz ich mine unschuldc
- an iuwer aller hulde 15510
- nach mines herren eren
- wol möhte gekeren,
- da haete ich guoten willen zuo.
- waz ratet ir nu, daz ich tuo?
- swaz gerihtes man mir üf geleit, 15515
- des bin ich gerne bereit,
- daz iuwer aller arcwän
- werde für der getan:
- (390) und aber noch micliel mere
- 15492 ulaster stn., Schmach, Makel. — \:A'j\ mir ':üchi.hf not mit gen. der
- Sache (wie schon vorher weniger deutlich in Y. 14(J37), ahnliche Wendung
- wie ndr ixt, tuot not, es fügt sich mir, etwas nöthig zu haben; mir steht
- etwas in Aussicht oder, wie hier: mich Letrittt etwas, »mir widerfährt».
- Simrock. — ouch wird zu mir gehören: auch mir. — rede stf., hier nicht:
- Rede, im Sinne etwa von übeler Nachrede, sondern wieder allgemein:
- Sache, das. — 15495 verswtyen stv., hier: mit Stillschweigen übergehen;
- verswigen part., etwa: unberedet, prosaisch: unbeklatscht. — 15496 be^'ihen
- stv. mit acc. und gen., einen einer Sache bezichtigen. — 15502 leidec adj.
- hier mit gen., über etwas betrübt; /. shi , etwa: bemitleiden. — 15505 be-
- reite adv. (bei Gottfried nur hier), bereit, leicht, gerne. — 15515 gerillte
- stn., hier: Gerichtsverfahren.
- XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN. 177
- ze behäbene die ere / 15520
- mines herren unde min.» ^
- Der künec sprach: «frouwe künigin,
- liier an läz' ich ez wol gestän:
- mac ich gerihte von in hän,
- als ir uns habet vür geleit, 15525
- so tuot es uns gewisheit:
- gät her in alrihte,
- vertriuwet daz gerihte
- ze dem glüenden isen ,
- als wir iuch hie bewisen.» 15530
- diu küniginne tete also:
- si vertriuwete ir gerihte do,
- als ir da wart besprochen,
- nach den selben selis wochen
- in die stät ze Karliüne. 15535
- künec ünde lantbarüne,
- al daz concilje schiet sich sä.
- Isöt beleih al eine da
- mit sorgen und mit leide:
- sorg' unde leit diu beide 15540
- twungen si harte sere..
- si sorgete umbe ir ere;
- so twanc si daz verholne leit,
- daz si ir unwärheit
- solte wärbseren. 15545
- mit disen zwein swseren
- 15523 gestän läzen=stän l. in V. 9277: dabei lasse ich es beruhen, be-
- wenden. — 15524 gerillte stn. , hier: Rechtfertigung, Genugthuung. —
- 15527 in alrihte adverbiale "Wendung, verst. in rihte, enrihte (3070); auch
- dieses von der Zeit: sogleich, alsbald; bei Gottfried nur hier. — 15528 ver-
- triuicen swv. traus. hier mit priep. ze ist im mhd. Wb. III, 111 unter die
- Bedeutung: versprechen, geloben gestellt wie V. 10204. In V. 15532 hat
- diese Bedeutung unbedingt zu gelten ; sollte vielleicht hier wegen der Wie-
- derholung der Worte kurz nacheinander eine leise andere Bedeutung anzu-
- nehmen sein? rertriui'-en wiire dann = vertrauen, anvertrauen; gerihte als-
- dann = Gerichtsspruch , Urtheil: gebt das Urtheil dem glühenden Eisen
- anheira? — Die Übersetzer geben gerihte ze dem gl. i: («Gericht mit dem
- gl. E. >; bei Simrock ist dies zutreffend: u Versteht euch zu dem Gerichte
- mit d. gl. E.>> — löb'io Leu isen swv. hier nur mit acc, wie in V. 4152, hier:
- anweisen, rathen. Oder ist bewisen Futurum: wie wir euch anweisen, be-
- stimmen, citieren werden?
- 15544 unuärheit stf., wohl niclit oder nicht allein = nhd. Lüge, son-
- dern wortspielend zugleich Gegentheil von wärheit als Synonym von triuive
- (vgl. zu H9G«i), Untreue. — Ihbib uär baren swv., hier: wahr machen, etwa:
- rein waschen. —
- GOTTFRIED VOK STEASSBURG. II. 2. Aufl.
- 12
- 178 XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN.
- enweste si, waz ane gän:
- si begimde ir swa^re beide län
- an den genaedigen Krist,
- der gehülfec in den noeten ist; 15550
- dem bevälch si harte vaste
- mit gebete und mit vaste
- alle ir angest unde ir not.
- In disen dingen hsete Isot
- einen list ir herzen vür geleit 15555
- vil verre üf gotes hövescheit:
- si schreip unde sande
- einen brief Tristande
- (391) und enbot im, daz er kseme,
- swä er die fuoge nseme, ■ 15560
- ze Karliün des tages fruo,
- so si da solte stözen zuo,
- und nseme ir an dem Stade war.
- nu diz geschach: Tristan kom dar
- in bilgerimes wsete. 15565
- sin antlütze er hsete
- missevärwet unde geswellet,
- lip unde wät verstellet.
- Nu Marke und Isot kämen,
- ir gelende da genämen, 15570
- diu künigin ersach in da
- unde erkande in ouch iesä;
- und alse daz schif an gestiez, '
- isot gebot unde hiez,
- 6p der wällsere 15575
- so wol mugende wsere
- und so vil krefte hsete,
- daz man' in dur got bsete,
- daz er si trüege hin abe
- 15550 gehülfec adj., behülflicli, liülfreicb. — l')r)52 vaate stf., Pasten subst.
- inf. stn. [das Hauptwort Fasten = Fastenzeit nur plurale tantum].
- 15567 missevärwen swv., hier sicher: übel färben, alsdann: durch Far-
- ben entstillen, stark schminken. Simrock scheint das Wort zu missevar
- adj. in der Bedeutung: blaß zu stellen: «ganz entfärbt». — swellen swv.
- trans., schwellen, geschwollen, wulstig machen. Dagegen nimmt Bech die
- factitive Bedeutung von swellen stv. im Sinne von «versclimachten » (mhd.
- Wb. II, 2, 791^*, 36) an, also: «machen, daß etwas abgezehrt und ver-
- schmachtet aussieht».
- 15576 mugende stn = mugen , doch mit leisem andern Sinne : mugende
- adj. part. , kräftig. Schwerlich ist mugende gen. von mugent stf., Ver-
- mögen , Kraft. —
- XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN. 179
- von der schif brücke in die habe; 15580
- sine wölte sich iiiht in den tagen
- deh einen ritter läzen tragen,
- sus riefen s' alle dar an:
- «gät her näher, sselec man,
- traget mihe frouwen an daz stat!» 15585
- er volgete, des man in da bat:
- sine frouwen die künigin
- die nam er an den arm sin
- und truoc si hin wider laut.
- Isöt diu runde ime zehant, 15590
- swenn' er ze lande k«me,
- daz er einen val da n?eme
- mit ir mitalle z'erden,
- swelch rät sin solte werden.
- er tele also; do 'r an daz stat 15595
- und üz hin an daz laut getrat,
- der walla3r' nider zer erden sanc
- und viel als äne sinen danc,
- (392) daz sich der val also gewac,
- daz er der künigin gelac 15600
- an ir arme und an ir siten.
- hie was unlangez biten:
- des gcsindes kom ein michel schar
- mit Stäben und mit stecken dar
- und wolten den wallsere 15605
- bereiten übeler m?ere.
- «nein, nein, lät stau!» sprach aber Isot
- «ez tete dem wallsere not:
- er ist ämähtic unde kranc
- und viel äne sinen danc.» 15610
- Xu Seiten si's ir sere
- beidiu genäde und ere
- [55S2 fg. deheincn ritter acc. abh. von läzen, wo wir erwarten: von keinem
- Ritter abh. von tragen; vgl. Gr. 4, 118 fg., 328 (Nachträge 956). Die Les-
- irt der Hs. M, der Hagen und Maßmann folgen, deheinein dat. ist, obwohl
- ingewöhnlicher, nicht an sich zu verwerfen ; läzen hat auch den Dativ bei
- sich, alsdann ist tragen als acc. gefasst; sich steht reflexiv wie im Lat.,
- NO wir das demonstrative Personalpronomen (hier: sie) gebrauchen, sobald
- assen nicht allein steht: sie erlaubte keinem Ritter (nicht), sie zu tragen.
- — 1Ö590 runen swv. hier mit dat. ohne adv. (wie schon vorher in V. 10704),
- ;inem flüsternd sagen = 2wo r. mit dat. 9848. — 15606 bereiten swv. mit acc.
- ier Person und gen. der Sache, «es ihm nicht vorenthalten, es ihn kennen
- iehren«. Benecke. — 15608 ez tuot mir not, s. zu l.')912. — 15609 ämähtic
- idj., unmüchtig, kraftlos.
- 12*
- 180
- XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN.
- und lobeten s' in ir muote,
- daz si sich mit unguote
- an dem armen niht enrach. 15615
- Isot do smierende sprach:
- «welch wunder wsere ouch nü dar an,
- op dirre wallende man
- mit mir wolte schimpfen?«
- diz begünden si ir gelimpfen 15620
- ze tugenden und ze hövescheit:
- ir eren wart do vil geseit
- unde ir lobes von manegem man;
- und Marke der sach allez an
- und horte diz unde daz. 15625
- isot sprach aber do vürbaz:
- «nune weiz ich, waz sin werden sol;
- iuwer legelich der siht nu wol,
- daz ich daz niht verrihten kan,
- daz äne Marken nie kein man 15630
- an minen arm kseme
- noch daz nie man genseme
- sin leger an miner siten.«
- BUS begünden si riten
- tribende ir schimpfmsere 15635
- von disem baltensere
- hin in ze Karliüne.
- da was vil barüne,
- (393) pfaffen unde ritterschaft,
- gemeines Volkes michel kraft; 15640
- bischove und preläten,
- die daz ambet täten
- und segenten daz gerihte.
- die wären ouch enrihte i
- mit ir dinge bereit: 15645
- daz isen daz was in geleit.
- Diu guote künigin Isolt
- diu hsete ir silber unde ir golt,
- 15620 fjelimpfen swv. mit dat. der Person, acc. der Sache, einem etwas
- nachsehen, zum Guten auslegen [vgl. glimpflich]. — 15629 verrihten swv.,
- hier: «so wie sich gehört darthun» (Zarncke) , beweisen, und zwar wohl
- nicht allgemein, sondern: gerichtlich beweisen. — 15635 schimpfmcere stn.,
- Scherzgespräch; hier wohl pl., Scherzreden. — 15636 baltencere, paltenoere
- stm. Fremdwort, Wallfahrer, Vagabund.
- XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN. 181
- ir Zierde und swaz si licete
- an pferden uude an w?ete 15650
- gegeben durch gotes hulde,
- daz got ir wären schulde
- an ir iht gedsehte
- und si ze ir eren brcehte.
- hie mite was si zem münster komen 15655
- und biete ir ämbet vernomen
- mit inneclichem muote.
- diu wi'se, diu guote,
- ir andäht diu was gotelich:
- si truoc ze nähest an ir lieh 15660
- ein herte hemede hserin,
- dar obe ein wullin rockelin
- kurz und daz me dan einer haut
- ob ir enkelinen want.
- ir ermel wären üf gezogen 15665
- vaste unz an den eilenbogen;
- arm' unde füeze wären bar.
- manec herze und ouge nam ir war
- swär' unde erbärmecliche.
- ir gewändes unde ir liehe 15670
- des wart da dicke war genomen.
- hie mite was ouch daz heiltuom komen,
- üf dem si sweren solde.
- alsus hiez man Isolde
- ir schulde an disen Sünden 15675
- got unde der werkle künden,
- nu hsete Isöt er' unde leben
- vil verre an gotes güete ergeben:
- (394) si bot ir herze unde ir haut
- vorhtliche, als ez ir was gewant, 15680
- dem heiltuom' unde dem eide.
- haut unde herze beide
- ergap si gotes segene
- ze bewärne und ze pflegene.
- Nu wären da genuoge 15685
- so grozer unfuoge,
- 15659 gotelich adj., hier wohl ähnlich wie gote gebcere in V. 2622, heilig,
- romm; vgl. zu 1963. — 15664 enkpitn = fnkelltn stn. dimiu. zu enkel 2640. —
- 5672 heiltuom stn., Heiligthum, Reliquien,
- 182
- XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN.
- (laz si der küniginue ir eit
- vil gerne haeten üf geleit
- ze schaden und ze valle.
- diu bitter nitgalle,
- der truhsseze Marjodo
- der treib ez sus unde so
- und manege wis ze ir schaden an.
- da wider was aber da manic man,
- der sich an ir erte
- und ez ir ze guote kerte.
- sus gie daz kriegen under in
- umbe ir eit her unde hin:
- der was ir übel und dirre guot,
- als man ze solhen dingen tuot.
- «künec herre» sprach diu künigin
- «min eit muoz doch gestellet sin,
- swaz ir deheiner gesaget,
- als iu gevället unde behaget:
- von diu so seht hie selbe zuo,
- waz ich gespreche oder getuo,
- ob ich ez iu mit eide
- ze danke bescheide:
- ir aller lere der ist ze vil.
- vernemet, wie ich iu sweren wil:
- daz mines libes nie kein man
- deheine künde nie gewan
- noch mir ze keinen ziten
- weder z' arme noch ze siten
- an' iuch nie lebende man gelac
- wan der, vür den ich niht enmac
- gebieten eit noch lougen,
- den ir mit iuwern ougen
- (395) mir sähet an dem arme,
- der wällpere der arme:
- so gehelfe mir min trehtin
- und al die beilegen, die der sin,
- 15690
- 15695
- 15700
- 15705
- 15710
- 15715
- 15720
- 15688 uf geleit , «nicht auferlegt, sondern in einer bestimmten Form
- vorgesprochen, gestellet (15702).» Benecke zu Iwein 1190. — 15690 nitgalle
- swf., s. zu 2915. — 15695 eren swv. refl. a.n eviem, sich gegen einen artig
- erweisen. — 15717 gebieten sty. = bieten eit, einen Eid darbieten, sich zum
- Eide erbieten. — lougen ist wohl Substantiv wie eit zu gebieteii gehörig,
- da auch die Wendung lougen bieten vorkommt, möglich aber auch Verbum
- lougen swv., läugnen, abschwören, ohne Casus. — 15722 der 3Ldv. = dar,
- dar, da; vgl. zu 193. —
- XXIV. DAS GLÜHENDE EISEN. 183
- ze sselden und ze heile
- an disem urteile!
- hän ich es niht genuoc geseit, 15725
- herre, ich bezzcr iu den eit,
- als ir' mir saget, sus oder so.»
- «Frouwe))f sprach der künic dö
- «es dunket mich genuoc hier an,
- alse ich mich's versinnen kan. 15730
- nu nemet daz isen üf die hant;
- und alse ir uns habt vor genant,
- als helfe iu got zc dirre not!»
- «amen!» sprach diu schoene Isöt.
- in gotes namen greif si'z an 15735
- und truog ez, daz si niht verbran.
- da wart wol goffenbaeret
- und al der werlt bewaeret,
- daz der vil tugenthafte Krist
- wintschaffen alse ein ermel ist: 15740
- er flieget unde suochet an,
- da man'z an in gesuochen kan,
- also gefüege und alse wol,
- als er von allem relite sol.
- er'st allen herzen bereit, 15745
- ze durnähte und ze trügeheit.
- ist ez ernest, ist ez spil,
- er ist ie, swie so man wil.
- daz wart wol offenba?re schin
- an der gefüegen künigin: 15750
- die generte ir trifgeheit
- und ir gelüppeter eit,
- der hin ze gote geläzen was,
- daz si an ir eren genas,
- und wart aber dö starke 15755
- 15726 bezzern swv. , hier in unserm Sinne: bessern, anders und besser
- machen,
- 15736 verbrinnen stv. intrans., verbrennen swv., sich verbrennen. —
- 15740 wintschaffen adj., beschaffen , daß es sich wie der Wind dreht. Sini-
- rock behält das alte Wort bei, Kurtz: « hantier] icli ». — ermel stm., hier
- nicht der enganliegende Ärmel wie in Y. 2845, sondern das Bild ist von
- den weiten, lang herabhängenden Oberärmeln genommen, die sich jeder
- Bewegung des Armes fügen und sie nie hindern. Vgl. zu dieser Stelle
- Einleitung S. XXVIII fg. — 15742 geauocfien swv., verst. suochen, versuchen.
- — 15746 iliirnühte stf., Yollkommenlieit, Aufrichtigkeit; vgl. zu 1166. 5761.
- — 15752 gelüppet part. adj., eigentlich: vergiftet (6947), verderbt, gefälscht.
- 184 XXIV, DAS GLÜHENDE EISEN.
- von ir herreii Marke
- geminnet iinde geeret,
- gepriset unde geheret
- (396) von Hute und von lande.
- swaz so der künec erkande, " 15760
- dar an ir herze was gewant ,
- daz was sin wille zehant:
- er bot ir ere unde guot.
- . al sin herze und al sin muot
- die wären niwan an si geleit 15765
- an' aller slahte valscheit.
- sin zwivel unde sin arcwän
- diu wären aber dö hin getan.
- XXV.
- PETITCRIÜ.
- Tristan begibt sich von Engeland nach Swales zum Herzog Gilau,
- dem er willkommen ist. Der Gast wird selten froh. Eines Tages sitzt
- Tristan trauernd bei Gilan, und dieser lässt, um Tristan von seiner
- Schwermuth zu befreien, sein Hündlein Petitcriu bringen, welches er von
- einer Fee aus Avelun zum Geschenk erhalten hatte. Dieses Hündlein
- schillerte wunderbar in vielen Farben ; von der Schelle , die es am Halse
- trug, wurde jedes Ungemach verscheucht. Tristan vergisst beim Anblick
- des Hundes und beim Klang der Schelle seines Leides. Sobald aber der
- Hund hinweggetragen wird, beginnt Tristan's Kummer aufs neue. Er
- denkt darauf, für seine Herrin Isolt das Hündlein zu erwerben. Das aber
- war schwer, denn Gilan hätte es um keinen Preis hingegeben.
- Nun wohnte neben dem Lande Swales ein Riese , Urgan li vilus,
- welchem Gilan und sein Land unterthan und ziuspflichtig waren. Damals
- war er ins Land gebrochen und nahm Viehheerden als Tribut in An-
- spruch. Tristan ist bereit, seines Freundes Land zu befreien, und Gilan
- verspricht, ihm dafür jede Forderung zu erfüllen. Tristan sucht den
- Riesen auf, findet ihn und besteht ihn nach zwiefachem hartem Kampfe.
- Der Sieger erinnert Gilan an sein Gelübde und fordert Petitcriu. Gilan
- will ihm lieber seine schöne Schwester und die Hälfte seines Besitzthums
- gewähren. Tristan besteht auf der Forderung, und Gilan willigt endlich
- mit Schmerzen ein. Ein Spielmann aus Swales überbringt Brangaenen das
- für Isolt bestimmte Geschenk Tristan's und seine Briefe. Isolt meldet
- zurück, Tristan solle kommen, IMarke sei versölint. Darauf kelirt Tristan
- zurück. Die Ehre, die ihm am Hofe wieder erwiesen wird, ist von Seite
- Marjodo's und Melot's nur eine äulierliche. Isolt gibt au , sie habe das
- Hündlein von ihrer INIutter, der Königin von Irland, erhalten. Sie erfreut
- sich an dem Hündlein und an der Schelle Klang, aber aus Liebe zu Tri-
- stan, den sie in Trauer und Klage weiß, will sie allein nicht froh sein;
- sie bricht die Schelle ab von der Kette am Halse, da hört sie auf zu
- klingen.
- Tristan, Isolde cumpanjün,
- do er si ze Karliim 15770
- hrete getragen an daz stat
- und geleistet da, des si in bat,
- er fuor des selben mäles
- von Engelant ze Swales
- \
- 18G XXV. PETITCRIU.
- ze dem herzogen Giläne; 15775
- der was do wibes äne
- lind was jiinc iinde rieh,
- fri unde frolich.
- dem was er groze willekomen;
- der ha3te ouch e von ime vernomen 15780
- vil manlicher dinge
- und vil seltsaener linge.
- der was vil harte sere
- verflizzen an sin ere,
- an sine fröude, an sin gemach: 15785
- an swelhem dinge er sich versach,
- daz sin fröude wsere,
- des was er gevaere
- und leite sinen fliz dar an.
- wan der triirsere Tristan 15790
- der was ze allen stunden
- mit gedanken gebunden,
- mit trahte und mit triure
- umbe sme äventiure.
- Eines tages gefuogte daz, 15795
- daz Tristan bi Giläne saz
- in triure unde in trahte
- und ersü'fte üzer ahte.
- (397) nü des wart Gilän gewar;
- er gebot, daz man im braehte dar 15800
- sin hundelih Petitcriu
- sines herzen spil von Aveliu
- und siner öugen gemach.
- daz er gebot, daz geschach:
- ein purper edel unde rieh, 15805
- fremede unde wunderlich
- al nach des tisches mäze breit
- wart vür in üf den tisch geleit,
- ein hundelin dar üf getragen.
- daz was gefeinet, hörte ich sagen, - 15810
- 15795 fg. sind in Pleier's Garel vom blühenden Thal benutzt und an-
- gezogen : vgl. Pfeiffer's Germania 3, 26 fg. — 15795 fjefücfjen^ svw., hier wie
- in V. 7844 = .s/cA gef Hegen, f Hegen; vgl. zu 3503. — 15798 uzer ahte «ohne
- daran zu denken». Mhd. Wb.; «unbewusst». Kurtz; ebenso Sirarock. —
- 15810 gefeinet part. adj., hier wohl: feenhaft, magisch, wunderbar, ein
- Wunder. Bech: «bezaubert». —
- XXV. PETITCRIU. 187
- und wart dem herzogen gesant
- üz Avelün, der feinen lant,
- von einer gotinne
- durch liebe und durch niinne.
- daz -was mit solher wisheit 15815
- an den zwein dingen üf geleit
- an der varwe und an der kraft,
- daz zunge nie so redehaft
- noch herze nie so wise wart,
- daz sine scha3ne und sinen art 15820
- künde geschriben oder gesagen.
- sin varwe was enein getragen ~
- mit also fremedem liste,
- daz niemen rehte wiste
- von welher varwe ez wsere; 15825
- ez was so missehaere,
- als man ez gegen der brüst an sach,
- daz niemen anders niht enjach,
- ez enwan'e wizer danne sne,
- zen lanken grüener danne kle, 15830
- ein Site roter danne grän,
- diu ander gelwer dan safrän;
- unden gelich läzüre,
- oben was ein mixtüre
- gemischet also schone enein, 15835
- daz sich ir aller dehcin
- üz vür daz ander da bot:
- däne was grüene noch rot
- (398) noch wiz noch swarz noch gel noch blä
- und doch ein teil ir aller da, 15840
- ich meine rehte purperbrün.
- daz fremede werc von Avelün,
- sach man ez widerha^res an,
- sone wärt nie kein so wise man,
- der sine varwe erkande: 15845
- si was so maneger hande
- und so gar irrebaere.
- 15818 redehaft adj., redebegabt, beredt. — löS20 art liier atm. (fem. in V.
- 9659^ 17937), Art, Wesen, Natur; vgl. 17971. — 15821 rje.^chriben , verst.
- schriben. — 15826 missehccre adj., verschiedenhaarig, schillernd. — 15831
- grün stf., Scharlach. — 15833 läzur stn., lapis lazuli, (Blau). — 15834 mix-
- türe stf. Fremdw., Mixtur, Mischung. — 15837 fg. uz bieten refl., sich her-
- ▼orthun , heraustreten. — 15843 ividerhmres adv. , wider das Haar, gegen
- den Strich. — 15847 irrebare adj., irreführend, unbestimmt. —
- 188 XXV. PETITCRIU.
- als da kein varwe wtere.
- ime gienc umbe sin krägelin
- ein ketene, diu was guldin: 15850
- dar an so hienc ein sclielle
- so süeze und so helle,
- do ez sich rüeren began,
- der trürsere Tristan,
- daz er siiier äventiure 15855
- an sorge unde an triure
- ledec linde äne gesaz
- unde des leides gar vergaz,
- daz in durch Isote twanc.
- so süeze was der schellen klanc, 15860
- daz si nieman gehorte,
- sin' beuseme im und zestorte
- sine sorge und al sin ungemach.
- Tristan der hörte unde sach
- daz wunderliche wunder an: 15865
- hunt unde schellen er began
- bemerken unde trabten,
- ietwederz sunder ahten,
- den hunt und sine fremede hüt,
- die schellen unde ir süezen lüt: 15870
- ir beider nam in wunder
- und dühte in doch hier under
- daz wunder umbe daz hundelin
- vil michel wunderlicher sin
- dan umbe den süezen schellenklanc, 15875
- der ime in sin ore sanc
- und nam im sine triure.
- diz dühte in äventiure,
- (399) daz er mit liebten ougen
- siner ougen lougen 15880
- an allen disen varwen vant,
- wan ime ir keiniu was bekant,
- swie vil er ir genseme war.
- er greif gefuocliche dar
- 15851 schelle swf. wird in früherer Sprache auch von ganz kleinen Glocken
- und Klingeln gesagt, während unser: Schelle (außer in Zusammensetzung)
- sich auf mittelgroße zu beschränken beginnt.
- 15SS0 lougen stn., hier: Täuschung; vgl. 17784, 17798. — 15884 gefuoc-
- liche adv. , mit fuoge, aber hier nicht : «mit Geschicklichkeit, Kunstfertigkeit»
- (mhd. Wb. III, 437), sondern: mit Zartheit; «sacht und gefüge». Kurtz. —
- XXV. PETITCRIÜ. 189
- uud streichele ez mit banden. 15885
- nii diihte Tristanden,
- dö er cz handelen began,
- er griffe palmätsiden an,
- so linde was ez über al:
- weder ez engrein noch enbal, 15890
- noch erzeigete ungebserdc nie,
- swaz Schimpfes man mit ime begie:
- ouch enaz ez noch entranc niht,
- also daz msere von im gibt.
- Nu daz ez dannen wart getragen, 15895
- Tristandes trüren und sin klagen
- daz was aber frisch alse e
- und aber so vil der triure me,
- daz er alle sine trabte,
- die er gehaben mähte, 15900
- an die gedanke leite,
- mit waz gefuogheite
- oder mit weihen sinnen
- er möhte gewinnen
- siner fröuwen der künigin 15905
- Petitcriu daz hundelin,
- durch daz ir senede swsere
- al desto minner waere.
- nune künde er aber niht ersehen,
- wie'z iemer möhte geschehen 15910
- von bete oder von liste;
- wan er daz vil wol wiste,
- daz ez Gilän niht hsete gegeben
- an' eine vür sin selbes leben
- umb' dehein guot, daz er ie gesach. 15915
- diu trabte und daz ungemach
- 15887 handelen swv. mit acc. , hier wörtlich: mit der Hand angreifen, be-
- tasten; vgl. zu 7765. — 15888 jjalmätside swf., Seidevon j)almät Geschlecht
- unbestimmt, ein reicher Seidenstoif; Etymologie noch unaufgeklärt. —
- 15890 grinen stv. , knurren, brummen [nhd. greinen swv. für: weinen,
- flennen mundartlich häufig noch gebraucht; selten in der Schrift].
- 15902 gefuogheit stf., (jeschicklichkeit, schickliches Betragen, geschick-
- tes Anbringen des "Wunsches; oder objectiv in der Bedeutung wie fnoge
- in V. 1084, Gelegenheit, (wie auch Hs. M hat), günstige und passende Art
- und Weise; für die erste subjective Bedeutung spricht in V. 15911 bete
- (liste entspricht hier sinnen in V. 15903). —
- 190
- XXV. PETITCRIU,
- daz lag im in dem herzen ie,
- und tete doch diu geliche nie.
- (400) Als uns diu wäre istörje seit
- von Tristandes manheit, 15920
- so was des selben mäles
- dem lande ze Swäles
- ein rise bi gesezzen,
- hochvertic unde vermezzen,
- und haete üf der rivägen hüs 15925
- und hiez der Urgän li vilüs.
- dem selben risen dem was Gilän
- und sin lant Swäles undertän
- und sollen ime den zins geben,
- daz er daz lantliut lieze leben 15930
- äne not und äne leit.
- hie mite wart in den hof geseit,
- Urgän der rise waere komen
- und haete vür sich genomen,
- daz sin zins da solte sin: 15935
- rinder, schäf unde swin,
- und hiez daz vor im dannen jagen.
- hie mite begunde ouch Gilän sagen
- sinem friunt Tristande maere,
- wie dirre zins waere 15940
- mit gewalte und mit archeit
- von allererste üf geleit.
- «nu saget mir, herre», sprach Tristan
- «ob ich iuch des benemen kan
- und iu gehilfe in kurzer zit, 15945
- daz ir des zinses ledic sit,
- die wile ir iemer sult geleben:
- waz weit ir mir ze löne geben?»
- «Entriuwen, herre», sprach Gilän
- ((ich gibe iu gerne, swaz ich hän. » 15950
- Tristan sprach aber do vürbaz:
- 13918 kanu nur gefasst werden ähnlich wie in V. 15169: er entdeckte es
- nicht, brachte es nicht zur Sprache.
- 15921 des selben mäles, zur selben Zeit, dazumal. — 15925 riväge swf.
- Fremdwort, Ufer. — 15926 der hier bei hiez demonstr. (nicht Artikel) wie
- in V. 2263 bei luas genant. — vilus (:/ius ferner in V. 16014) adj. subst.
- Fremdwort, wohl aus lat. viUosus, der Rauhe, Behaarte; vgl. zu 16241.
- XXV. PETITCRIU.
- 191
- «herre, vertriuwet ir mir daz,
- mit swelher rede so ich'z getuo,
- so hilfe ich iu benameu derzuo,
- daz ir nach kurzlicher zit
- Urganes iemer ledic sit,
- oder ich verliuse daz leben.»
- «entriuwen, herre, ich sol iu geben
- (401) swes ir gemuotet»; sprach Gilän
- «swaz ir gebietet, deist getan.»
- er bot im triuwe unde hant.
- Tristande wart zehaut besant
- sin ors und ouch sin isen.
- hie mite bat er sich wisen
- hin, da des välandes barn
- mit dem röube solte wider varn.
- 15955
- 15960
- 15965
- Tristan zehant bewiset wart
- vil rehte üf Urganes vart
- in einen harte wilden walt,
- und stiez der an des risen gewalt
- des endes, da der roup ie
- über eine brücke wider gie.
- roup unde rise die körnen sä.
- nu was ouch Tristan vor in da
- und enlie den roup niht vürbaz gän.
- nu daz der veige rise Urgän
- werr' an der brücke wart gewar,
- er kerte unstäteliche dar
- mit einer harte langen
- stähelinen Stangen,
- die truog er hohe unde enbor.
- nu er den ritter da vor
- SO wol gewäfenden sach,
- unwertHch er im zuo sprach:
- «friunt üf dem orse, wer sit ir?
- war umbe enläzet ir mir
- 15970
- 15975
- 15980
- 15985
- 15952 certriuvoen swv. hier mit acc. und dat., hier deutlicli: ver-
- spreclien, geloben. — 15959 'jemuoten swv., verst. muoten (5681. 14725) mit
- gen., wünschen. — 15965 vgl. zu 2320.. 6217. — 15977 iverr\ werre (Hs. M
- und H verre ; W und F wer) stf., Verwirrung, Störung (veranlasst durch
- den Aufenthalt und das Hinderniss von Seite Tristan's). — 1597S unstäte-
- liche adv., eilig, unverweilt; es ist das (iegentheil von stätltche, stctliche
- V. 5329. — 1.59S0 stanye hier und in V. 16026 im Dat. swf., acc. in
- V. 15994 stf. —
- 192
- XXV. PETITCRIU.
- miiie habe niht über gän?
- weiz got, daz ir ez habet getan,
- daz engät in niuwan an daz leben,
- oder aber ir müezet iuch ergeben.»
- Der üf dem orse sprach zehant:
- «friunt, ich bin Tristan genant;
- weist dii'z vil wol, nii fürhte ich
- dine Stange unde dich
- niht eine halbe bone.
- von diu so var vil schone
- und wizze waerlichen daz .
- din roup enkumet niht vürbaz,
- (402) als verre als ich'z erweren kan.»
- «ja», sprach der rise «her Tristan,
- ir waenet haben bestanden
- Mörolden von Irlanden,
- mit dem ir iuwer vehte
- mit grozem unrehte
- umbe niht zesamene truoget
- und in durch hochvart sluoget.
- ouch enist ez niht ümbe mich gewant
- als umbe jenen von Irlant,
- den ir mit schalle an kämet
- und ime die schoeuen nämet,
- die blunden Isolde,
- die er bereden solde.
- nein nein, diu riväg' ist min hüs,
- und heize ich Urgän li vilüs:
- wol balde von der sträzen!»
- 15990
- 15995
- 16000
- 16005
- 16010
- 16015
- Hie mite begunde er mäzen
- mit beiden sinen banden
- 15989 niuwan adv., hier: nicht als, nicht anders als, und insofern: sicher.
- 15995 niht eine halbe bone, nicht das Geringste; vgl. 168S0 und zu
- 8673. — 15999 erwern swv., abwehren. — 16005 zesamene tragen steht wie
- enein tragen in V. 820, zu Stande bringen. — 16008 fg. beziehen sich auf
- das Abenteuer mit Gandin. — 16009 mit schalle, nicht, wie es Kurtz auf-
- fasst : «mit Lärm«, auch nicht nach Groote: «mit Musik», sondern: mit
- Spott (vgl. zu 12632), Übermuth, Hohn; aber auch Simrock trifft das Eich-
- tige nicht: «zu dem ihr prahlend kämet » , denn Tristan trat ja im Anfang
- ganz bescheiden auf; es heißt vielmehr: dem ihr in spöttischer Weise be-
- gegnet seid , den ihr mit Hohn behandelt habt (mit Bezug auf die nach-
- gerufenen Worte in V. 13416—26). — 16012 bereden swv., hier: beanspruchen.
- — suln , hier: nicht allein: wollen oder können: sondern geradezu: be-
- rechtigt sein.
- 16016 mäzen swv., hier trans. , abmessen, zielen. —
- XXV. PETITCRIÜ.
- 193
- die rillte wider Tristanden
- einen wurf und einen swanc ,
- der was groz unde lanc:
- dem lisete er sine maze
- an der seige und an dem läze
- reht' in der merke gegeben,
- daz er Tristande an sin leben
- solte sin gegangen,
- und alse er mit der Stangen
- hin z'ime begunde swenken,
- Tristan begunde wenken;
- iedoch entwanete er niht also,
- er enwürfe ime daz ors do
- vor den goffen gar enzwei.
- der ungehiure rise erschrei
- und rief Tristanden lachende an:
- «so helfe iu got, her Tristan;
- engähet niht ze ritene,
- geruochet min ze biteue,
- ob ich iuch müge erflehen.
- daz ir mich min lautlehen
- ((403) mit genadcn und mit eren
- vürbaz läzet keren. »
- 16020
- 16025
- 16030
- 16035
- 16040
- Tristan erbeizete an daz gras,
- wan ime daz ors erslagen was;
- und mit dem sper so kerte er her,
- er stach Urgäne mit dem sper
- zem ougen eine wunden,
- da was der veige funden.
- der ungehiure rise Urgän
- er lie wol balde hine gän
- des endes, da diu Stange lac.
- nu er die hant dar nach gewac,
- nu biete euch Tristan sin sper
- 16045
- 16050
- IßOlS die ri/ite nicht von viüzcn abhängiges Oljject, welches im folgenden
- Verse steht, sondern acc. absei., die Kichtung liin, gerade. — 16019 siranc
- stm., hier: Schwingung beim Werfen, der Wurf selbst, Stoß. — 16022 sei;7e
- stf. (von sigen 1741), Senkung, Neigung, Richtung. — läz stm. [nhd. ver-
- loren, erhalten: Ablaß, Aderlaß, Verlaß], Art des Loslassens, Abschuß. —
- 1602.) merke stf., liier: Absicht. — 16027 swenken swv. trans., hier aber
- ohne Object, schwingen, werfen. — 16028 v.-enken svrv.-=wanke7i, weichen.
- — 16032 erschrien stv. , aufschreien, einen Schrei erheben. — 16037 vgl.
- Bech zum zweiten Büchlein .").'U. — 16038 lantlehen stn., Lehen vom Lande,
- liandzins.
- 16046 fanden^ gefunden, d. h. erreicht, getroffen. —
- GOTTFRIED VOK STR.\SSBURO. II.
- Aufl.
- 13
- 194
- ' XXV. PETITCRIU.
- von ime geworfen unil kom her
- gerüeret mit dem swerte.
- er traf in, alse er gerte.
- wan er sluoc ime die selben hant,
- diu nach der Stangen was gewant,
- daz si an der erden belac,
- und gab im aber einen slac
- zem schenke! unde kerte dan.
- Urgäu der schadehafte man
- greif mit der linken hant dernider,
- die Stangen zucte er aber wider
- und lief an sinen anden:
- er jagete Tristanden
- und er den boumen urabe
- manec äugesliche krumbe.
- sus was der floz älse gröz,
- der von Urgänes wunden floz,
- daz der välandes man
- vil sere fürhten began,
- im solte von dem bluote
- an krefte unde an muote
- in kurzen ziten abe gän.
- er lie roup unde ritter stän
- und nam die hant, da er si vant,
- und kerte wider heim zehant
- in sine veste balde.
- 16055
- 16060
- 16065
- 16070
- 16075
- Tristan stuont in dem walde
- (404) bi sinem roube al eine.
- sin angest was niht kleine,
- daz ürgän lebende danuen was.
- er saz nider üf daz gras
- gedenkende unde trahtende,
- in sinen sinnen ahtende,
- Sit daz er siner t*te
- deheine bewserde haete
- wan eine den zins unde den roup,
- sone trüege in niht vür umbe ein loup
- sin angest und sin arebeit.
- 16080
- 16085
- 16073 abe gan hier unpers. mit dat. {im 16071) und praep. an, an etwas ab-
- nehmen, Einbuße erleiden.
- 16088 umbe ein loup, dichterische ■Wendung = um. für nichts, nichts;
- vgl. zu 3641.
- XXV. PETITCRIU.
- 195
- die er dar an hsete geleit;
- und dähte, im solte Gilän
- sines gelübedes abe gän ,
- als linder in zwein was benant.
- er kerte üf sinen wec zehant
- und lief vil ebene üf dem spor,
- als Urgän was geloufen vor,
- und da diu erde und daz gras
- mit bluote hin gevärwet was.
- 16090
- 16095
- Nu er ze dem kastele kam,
- vil flizecliche er war nam
- Urgänes wä unde wä.
- nunc vand er weder in da
- noch niemen, der ie leben gewan;
- wan der verserete man
- der hsete, als uns daz msere seit,
- sine verlorne hant geleit
- üf einen tisch in sinem sal
- und was er von der burc ze tal
- den berc geloufen würze graben,
- die er zen wunden solte haben,
- an den er ouch wol wiste
- die kraft si'ner geniste,
- ouch hsete er'z also vor bedäht,
- haet' er die hant zem arme bräht
- mit liste, den er künde,
- enzit und e der stunde,
- daz si mitalle wsere tot,
- er waere wol von dirre not
- (405) an' ouge mit der hant genesen.
- nü ensolte des niht wesen,
- wan Tristan der kom iesä
- unde ersach die hant da;
- und alse er s' ane wer da vant,
- er nam si und kerte dan zehant
- reht' alse er ouch was komen dar.
- 16100
- 16105
- 16110
- 16115
- 16120
- 16125
- Urgän kom wider und wart gewar,
- daz er die hant haite verlorn,
- 16092 abe gän mit dat. und gen., hier: einem in einer Hache nicht
- nachkommen.
- 16112 genist stf., hier: Genesung, Heilung.
- 13*
- 196
- XXV. PETITCEIU.
- ime was leit unde zorh:
- sin erzeiiie warf er nider,
- er kt'rte näcli Tristande wider.
- der was hin über die brücke komen
- und hsete guote war genomen,
- daz er nach ime gerüeret kam.
- des risen hant er balde nam,
- under einen ronen er si bare,
- alrerste was sin angest starc
- ze dem imgehiuren man ,
- wan da enwas kein zwivel an,
- ez enmüese ir eines tot sin:
- eintweder des risen oder sin.
- er kerte gegen der brücke her
- unde begegente im mit dem si)er:
- daz stach er üf in , daz ez brach ,
- und al zehant, daz er gestach,
- so was ouch der vertane iesä
- Urgän mit siner stangen da:
- so gitecliche er üf in sluoc ,
- wan daz der slac verr' über truoc,
- wser' er von ere gewesen,
- ern wsere niemer genesen,
- nu half ab in, daz er genas,
- daz sin Urgän so girec w^as;
- wan er was ime ze nähe komen
- und hsete sinen swanc genomen
- ze verre hinder ime hin dan:
- e do der ungehiure man
- die Stange hsete wider gezogen,
- do hsete im. Tristan an erlogen
- .(406) einen stich zemougen:
- er stach im äne lougen
- in sin ander ouge einen stich.
- 16130
- 16135
- 16140
- 16145
- 16150
- 16155
- 16160
- 16142 begegenen swv., nicht bloß in unserm Sinne : begegnen, sondern :
- entgegentreten. — 16144 gestach plusquamperf. = gestochen hatte. —
- 16147 gitecliche adv., (geizig), gierig. — 16148 fg. Maßmann setzt nach truoc
- Semikolon, bezieht also vielleicht wan daz aut su. Die Construction ist
- vielmehr folgende: Urgan schlug so gierig auf ihn los, daß er (Tristan),
- wenn nicht der Schlag weit über truoc, zu weit über das Ziel hinausgieng,
- nimmer davongekommen wäre, selbst wenn er (Tristan) von ere (dat. von
- er stn.) , von Erz gewesen wäre. Die Übersetzer helfen sich beide ge-
- schickt mit zwei Sätzen. — 16158 an erliegen mit acc. der Sache und dat.
- der Person, einem etwas durch trügerische , listige Weise, durch Finte -
- beibringen. —
- XXV. TETITCRIU.
- 197
- hie mite sluoc ürgan umbe sich
- also mit rehte ein blinder man.
- er gieug ez so mit siegen an,
- ilaz Tristan fiöch hin von im stän
- lind liez in slahende umbe gän
- mit siner linken hende.
- sus kom, daz er dem ende
- so nähen sinen trit genam,
- daz Tristan dar gerüeret kam
- und leite an dise ritterschaft
- alle si'ue mäht und sine kraft,
- er ruorte snelliche hin,
- mit beiden banden kerte er in
- von der brücken an den val;
- er stiez in obene hin ze tal,
- daz der ungehiure last
- an dem velse aller zerbrast.
- 16165
- 16170
- 16175
- Hie mite nam aber Tristan,
- der sigesaelige man,
- sine hant und lie hin gän
- und kom vil schiere, da Gilän
- der herzöge gegen im reit,
- dem was vil innecliche leit,
- daz sich Tristan ie an genam
- und ie ze disem kämpfe kam;
- wan ime gar ungedäht was ,
- daz er geusese, als er genas;
- und alse er in zuo loufen sach,
- frölicbe er ime zuo sprach:
- «ä, bienvenjanz. gentil Tristan!
- saeliger man, nu saget an,
- wie stät ez iu, sit ir gesunt?»
- nu liez in Tristan sä zestunt
- die toten hant des risen sehen
- und Seite im, alse ez was geschehen,
- sin gelücke und sine linge
- 1G180
- 16185
- 16190
- 16195
- 161GS t'ndt' stn., hier: Rand (der Brücke). — 1<]173 snelltc/ie a,dy.^= snt'lle,
- mit Schnelligkeit. — 1()174 fg. kKren swv. einen an den val, einen zu Fall
- bringen (die active Wendung zu eal nemnn). — 16178 zerbreaten stv., zer-
- brechen, zerbersten, zerschellen.
- Itjlt^O sige-ffelic arlj., siegbeglückt. — 1C191 hionvmiunz franz., will-
- kommen! —
- 198 XXV. PETITCR1L\
- an allem disem dinge.
- (407) des wart Gilän harte fro.
- hin wider zer brücke riten si do 16200
- und fanden, alse in was geseit,
- nach Tristandes wärheit
- emhn zervallenen man
- und sähen den ze wunder an.
- hie mite so kerten si hin; 16205
- den roup triben si vor in
- froliche wider in daz laut.
- hie von wart michel schal zehant
- ze Swäles in dem lande ;
- man sagete da Tristande 16210
- prisimde lop und ere:
- der drier wart nie mere
- in dem lande geseit
- von eines mannes manheit.
- Ku Gilän unde Tristan, 16215
- der sigesaelige man,
- hin wider ze hüse kämen,
- ze lianden aber genämen
- ir gelücke unde ir msere,
- Tristan der wunderaere 16220
- der sprach zem herzogen zehant:
- «herzöge herre, sit gemant '
- der triuwen unde der Sicherheit,
- als under uns wart üf geleit,
- und alse ir lobetet wider mich.« 16225
- Gilän sprach: «herre, daz tuon ich
- vil harte gerne; saget mir:
- waz ist iu liep? wes muotet ir?»
- «herre Gilän, ich muote iu,
- daz ir mir gebet Petitcriu.» - 16230
- Gilän sprach: «so rate ich baz.»
- Tristan sprach : « lät hoeren waz. »
- 16203 zervallen part. adj., in Stücken auscinandergefallcn , «zerschellt».
- Kurtz. — 16204 ze wunder, hier: für ein Wunder, als ein Wunder.
- 16220 tvundera're stm., hier von einem Helden gesagt (vgl. zu 1U013);
- wundercere ist namentlich Ercc's Beiname; vgl. Bech zu Erec 9307. 10044
- und Einleitung S. XI, — 16229 rnuoten swv. hier allein mit dat. (üf = Hs.
- M und H; hin z'iu W, cm uch^ia F), einem etwas zumuthen, von einem
- etwas wünschen, und statt des Gen. ein Nebensatz mit daz. —
- XXV. PETITCRIU.
- 199
- «da lät ir mir daz huiideliii
- und nemet die schoenen SMTSter miu
- und zuo ir halbez, daz ich hau.»
- «nein, herre herzöge Gilau,
- weset der trunven gemant;
- wan elliu riche und elliu laut
- (408) die naeme ich zware niht dervür,
- der mir ez lieze an mine kür:
- ich shiog Urgänen li viliu
- durch niht wan durch Petitcriu.»
- «Eutriuweu, min her Tristan,
- lit iuwer wille baz hier an
- dan alse ich iu hän vür geleit,
- so loese ich mine wärheit *
- und leiste, swaz iu liep ist:
- ichu wil niemer valsch noch list
- gewenden noch getuon hie zuo.
- swie rehte ungerne ich ez tuo,
- swaz ir gebietet, daz sol sin.»
- hie mite hiez er daz hundelin
- vür sich und vür Tristanden tragen,
- «seht», sprach er »herre, ich wil iu sagen
- und wil iu sweren einen eit
- üf alle mine sfelekeit,
- daz ich des niht gehaben kan
- noch nie so liebes niht gewan
- äne min ere und ane min leben,
- i'ne wölte ez iu vil gerner geben
- dan minen hünt Petitcriu:
- nu nemet in hin und habet in iu;
- got läze in iu ze fröuden komen.
- ir habet mir zware an ime benomen
- daz beste miner ougen spil
- und mines herzen wunne vil. »
- 16235
- 16240
- 16245
- 16250
- 16255
- 16260
- 16265
- 16235 zuo ir, außer ihr. — halhez adj. stark 11., das Halbe, die Hälfte. —
- 16241 ciliu (=Hs. M und F; vrlhi W) acc. von vilus (l.i92()). Die Lesart von
- Hb. H vüu, der Maßmanu folgt, scheint auf den ersten Blick passender, aber
- dann müsste auch mit ^Slaßmann V'titcriu {iu zweisilbig) geschrieben werden,
- während der Name durch die Reime in (dat. pl.) 1622!), 16261 und driu 16663
- gesichert ist. In Y. I.VSOI schreibt Maßmanu ebenfalls l'ctitcriu im Reime
- a,\x{ Avelit ; letzteres Wort, sonst in der Form Avelnn (:briin) 15342 ge-
- sichert, ist aber als Eigenname nicht maßgebend und üljerdies schreiben
- an jener Stelle Hs. M und F Avcliu, Avaliu.
- 16260 nhd. das ich euch nicht lieber geben wollte. — 16263 ze fröuden
- lomen, zur Freude gereichen wie in V. 3844, liier von einem lebenden
- Wesen gesagt.
- 200 XXV. PETITCRIU.
- Tristan J6 er daz Imndelin
- gewau in die gewalt sin,
- ern haste waerliclie
- Rome und elliu riclie, 16270
- elliu lant und elliu mer
- derwider gealitet niht ein ber.
- sin herze daz wart nie so fro
- ane mit Isolde alse dö.
- ze siner heinlich' er gewan 16275
- von Gäles einen spileman
- gefüegen unde wisen;
- den begünde er underwisen
- (409) der fuoge unde der sinne,
- wie er'z der küniginne, 16280'
- der schoeuen Isolde
- ze ir fröuden bringen solde.
- er verband ez dem Gälotten
- wisliche in siner rotten;
- er schreip brieve und sande ir die 16285-
- unde enbot ir, wä und wie
- er ez durch si haste bejaget.
- Der spilman, alse im was gesaget,
- und alse er underwiset wart,
- also kert' er üf sine vart 16290
- und kom also ze Tintajoel
- in des küneges Markes kastei,
- daz ime üf siner sträze nie
- an deheinen dingen missegie.
- Brangaenen die gesprach er, 16295
- hunt unde brieve antwurte er der;
- diu antwurt' ez Isöte.
- isot besach genote
- 16272 nilit ein ber stf. u. stn., (Beere stf.), nicht das Geringste; vj^l.zu SS73.
- — 16275 heinüche (Hs. M vollzieht die metrisch gebotene Apokope /leinllch)
- kann hier verschieden gefasst werden, als: Vertraulichkeit, Freundschaft
- wie in V. 15083 oder als Geheimniss, wie in V. 7444; unser: Vertrauen (er
- zog in sein Vertrauen) birgt ähnlichen Doppelsinn. — 16283 vcrbindfiti stv.
- (Lesart von Hs. M und H) hat hier den allgemeinen und abstracten Sinn
- von: verstecken, unkenntlich und unsichtbar machen; vgl. 1267, wo die
- eigentliche Bedeutung sich der allgemeinen nähert. Die entschieden jüngere
- Lesart verlhude von W und F sucht drastisch die Art des Verstecks in
- einem hölzernen Instrumente, welches nicht zugebunden, sondern nur ge-
- leimt werden kann, darzustellen; überdies ist auch graphisch verlimdes
- leicht aus verbandez herzuleiten.
- XXV. PETITCIIIU. 201
- samet uiide sunder
- daz wunderliche wunder, 16300
- daz si an dem hundeline vant.
- dem spileman gap si zehant
- ze lone und ze solde
- zehen marc von golde.
- si schreip unde sande 16305
- briev' unde enbot Tristande
- flizecliche und starke,
- daz ime ir herre Marke
- holt unde willic widere,
- noch hin ze im dirre mtere 16310
- niemer war genseme;
- daz er benamcn kaeme,
- si haete ez allez hin geleit.
- Tristan tet, alse im wart geseit:
- er kerte wider heim zehant. 16315
- künec ünde hof, Hut unde laut
- die buten im aber ere als e.
- eren der wa,rt ime nie me
- (•110) da ze hove erboten danne do.
- wan so vil, daz im Marjodö 16320
- er' üzerhalp des herzen bot
- und sin gewete petit Melot,
- die sine vinde e wären:
- swaz eren ime die baren,
- da was vil lützel eren bi. 16325
- hie sprechet alle, wie dem si:
- da diu samblanze geschiht,
- weder ist ez ere oder niht?
- ich spreche nein unde ja:
- nein unde ja sint beidiu da: 16330
- nein an jenem, der si birt;
- ja an disem, dem si wirt.
- diu zwei sint beide an discn zwein,
- man vindet dii ja unde nein.
- waz ist der rede nu mere?j 16335
- ez ist ere an' ere.
- 16322 geicete swm. (zu iceten 1.'243), der Verbundene, Geselle, Freund. —
- 16327 samblanze stf. Fremdw., franz. ^^/utlame, Anschein, äußerer Schein.
- 202
- XXV. PETITCRIU.
- Nu Seite Isot diu künigiu
- ir herren umbe daz liundelin,
- ir muoter liaete ez ir gesant,
- diu wise künegin von Irlant;
- und haete im heizen machen
- von kostlichen Sachen,
- von gesmi'de und von golde,
- als man ez wünschen sohle,
- ein wunnecliches hüselin,
- und was im da gespreitet in
- ein richer pfelle, üf dem ez lac.
- sus was ez naht unde tac
- offenliche und tougen
- Isolde vor den ougen.
- si hsete die gewoneheit,
- swä so si was, swar so si reit,
- sone kom ez üz ir ougen nie:
- man fuorte ez oder truog ez ie,
- da si'z mit ougen ane sach;
- und entete daz durch dehein gemach,
- si tete'z, als uns diz msere seit,
- ze niuwenne ir senede leit
- (411) und ze liebe Tristande,
- der ez ir durch liebe sande.
- 16340
- 16345
- 16350
- 16355
- 16360
- Sine haete dehein gemach dervan;
- ir senfte dern lac niht derau.
- wan diu getriuwe künigin
- da mite und ir daz hundelin
- ze dem allerersten kam,
- und si die schellen vernam ,
- von der si ir triure vergaz,
- iesä beträhte si daz,
- daz ir friunt Tristan wsere
- durch si beladen mit swaere
- und gedähte ouch iesä wider sich:
- «owe, owe! und fröuwe ich mich,
- wie tuon ich ungetriuwe so?
- 16365
- 16370
- 16343 gesnnde stn., kostbare Schmiedearbeit [nlid. Geschmeide fast
- auf den getragenen Metallschmuck beschränkt, in weiterer Bedeutung auf
- die Fassung der Edelsteine und dann auf dieso selbst bezogen]; hier ist
- gesmide wohl objectiv: Metall; vgl. zu 16715.
- 16362 vgl. zu 2188. 5097. der ist gen. abl . von niht, senfte vielleicht
- ebenfalls, aber ebenso gut nomin.
- XXV. PETITCRIU.
- 203
- war umbe wirJe ich iemer fro
- deheine stunde und keine frist,
- die wilc er durch mich trüric ist,
- der sine fröude und sin leben
- durch mich ze triure hat gegeben?
- wes mag ich mich gefröun. an' in ,
- des triure unde des fröude ich bin?
- war umbe erlaclie ich iemer,
- Sit daz sin herze niemer
- dehein gemach gehaben kan,
- min herze daz ensi dar an?
- ern hat niht lebendes niuwan min :
- solt' ich an' in nu lebende sin
- frö unde fröudebsere
- und daz er trüric waere?
- nune welle got der guote,
- daz ich in minem muote
- iemer fröude an' in gehabe!»
- hie mite brach si die schellen abe
- und lie die ketenen dar an.
- hie verlos öuch diu schelle van
- al ir reht und al ir kraft:
- sine was nie mere lüthaft
- reht' in ir tugenden als e.
- man seite, daz si niemer me
- (412) erlaschte noch zestorte,
- swie vil man si gehörte,
- deheines herzen sw?ere.
- daz was Isöte unmsere,
- sine wolte doch niht frö sin:
- diu getriuwe staete scnedserin,
- diu hsete ir fröude unde ir leben
- sene unde Tristände ergeben.
- 16375
- 16380
- 16385
- 16390
- 16395
- 16400
- 16405
- 16379 gefröun, gefröuwen swv., verst. fröuwen , erfreuen. — 1K396 lüt-
- liaft adj., Laut gebend. — l(i399 erleschen swv., hier wie in V. S299 in all-
- gemeiner und bildlicher Bedeutung, synonym mit zestonren: vertilgen.
- XXVI.
- DIE VERBANNUNG.
- Tristan und Isolt leben nun wieder am Hofe zusammen und sind dem
- König Marke tlieuer wie vorher. Aber ihre Liebe blieb nicht verborgen,
- Marke's Argwohn wurde aufs neue rege, er überzeugte sich, daß sein
- Weib den Neffen mehr liebe als ihn, und das reizte ihn zu solcher Leiden-
- schaft, daß er sich selbst vergaß. Er lässt beide vor sich kommen in
- Gegenwart des Hofes und erklärt ihnen, er sei sicher ihrer Liebe; er
- wolle sie weder strafen noch hindern, aber er könne die Schmach nicht
- mehr dulden. Sie sollten beide Hof und Land räumen. So ziehen Tri-
- stan und Isolt in die Verbannung. Tristan nimmt außer einer Summe
- Goldes seine Harfe, sein Schwert, seine Pirschambrust und sein Hörn
- wie auch seineu Leithund Hiudan mit. Sein Gesinde sendet er an seinen
- Vater Rual, nur Kurveual reitet mit ihnen vom Hofe hinweg. Brangajne
- aber lassen sie trauernd zurück in der Hoffnung, sie werde in Kürze eine
- Versöhnung mit König Marke ermöglichen.
- Aber lisete Tristan imcle Isöt
- überwunden ir sorge unde ir not
- und wären aber des lioves wol;
- der liof was aber ir eren vol: 16-110
- ir beider lobes wart nie me.
- si wären aber heinlich als e
- ir beider herren Marke,
- oiich hälen si sich starke;
- wau so si ir State under in zwein 16-115
- niht wol mohten gehaben enein,
- so dühte si der wille guot,
- der gelieben dicke sanfte tuot;
- der trost und der gedinge,
- wie man daz vollebringe, 16420j
- dar an daz herze danne lit:
- 16417 Wille swm., hier der That entgegengesetzt wie in V. 16430, also
- dem uhd. Wille entsprechend, vgl. zu UA'il. —
- XXVI. DIE VERliANyi'NG. 205
- daz gibot dem herzen alle zit
- lebende lust und blüende kraft,
- diz ist diu relite trütschaft,
- diz sint die besten sinne 16425
- an liebe und an der minne:
- SAva man der tat niht haben müge,
- da nach als ez der minne tüge,
- daz man ir gerne habe rät
- und neme den willen vür die tat. 16430
- swä der gewisse wille si,
- da si diu guote State bi.
- man sol gelangen stillen
- mit dem gewissen willen.
- gespilen unde gesellen 16435
- die ensülen nicmer geweilen,
- daz in diu State widerseit,
- oder si wellent al ir leit.
- (413) so man enmac, der dannc wil,
- 1(;424 trulschaft stf., Licbschai't ; hier iiiiicrlicli : Liebe; vgl. 19437. —
- 16431 fg. der gewisse wille wird als Gegensatz zu wiUe vorher und im Fol-
- genden gefasst von Kiehard Hcinzel in seinem Aufsatze über Gottfried
- von Straßburg (Zeitschrift f. d. üsterr. Gymn., 1S6S, VII. und VIII. Heft.
- S. 53S Anmerk.): u wille ist, wie die Apposition lt;4l9 fg. zeigt, hier keines-
- wegs nur die freundliche Gesinnung der Liebenden zueinander, sondern
- verlangende Hoffnung auf Genuß, also nahe verwandt dem r/edinge und,
- nach Tristan 1()41^ und 1()448 auch ohne State ein angenehmer Zustand;
- demnach sehr verschieden von dem gewissen, d.i. «wirklichen« willen, der
- den Liebenden quält, wenn er die state nicht hat. Letzteres ist auf die
- That gerichtet und entspricht demnach unserm neudeutschen Worte.»
- Ich glaube vielmehr, daß wille und gewisser iville nicht im Gegensatze
- stehen, sondern gewisser -wille ist Verstärkung und nähere Bestimmung
- (vgl. unser: "Wille und: guter Wille). Im Gegensatze zur tat steht der
- wüle -• mit dem Willen des einen ist es aber nicht gethan, beider Wille ge-
- hört dazu und das sichere Bewusstsein vom Willen des andern ; und das
- drückt gewisser wille aus, wie später in V. 16447 gemeiner wille. der ge-
- meinschaftliche, gegenseitige Wille. Die Verse 16431. 32 verleiten zu der
- Annahme des Gegensatzes; \. 16431 ist Umschreibung für bi dem gewissen
- willen und st in V. 16432 ist Optativ: da soll sein, während sl vorher
- reiner Conjunctiv ist von s«« abhängig = /.s^ Die Bedeutung ist: mit dem
- sichern Willen soll (im Sinne der Liebenden) die gute Gelegenheit gleich
- dabei verbunden sein; der Wille soll die Gelegenheit mit vertreten; statt
- der That soll man sich mit dem Willen begnügen , wie Tristan und Isolt
- thaten, und das wiederholen in anderer Weise die folgenden Zeilen. Kurtz
- hat den Sinn annähernd erreicht: oWo der gewisse Wille ist, da ist Er-
- füllung auch zur Frist.» Noch anders Bech: «Wenn eine Neigung' auf
- Erfolg rechnen will, darf ilir die geeignete Gelegenheit nicht fehlen.» Das
- passt, wie mir scheint, nicht auf die Situation von Tristan und Isolt.
- Noch anders Paul (S. 19); er setzt nach Zeile 16432 Komma und übersetzt:
- < der gewisse Wille vorhanden ist, es sei denn auch die günstige Ge-
- legenheit dabei, da soll man sein Verlangen mit dem gewissen Willen
- stillen.» Das liieße den Liebenden eine zu große Enthaltsamkeit zu-
- gcmuthet, widerspricht auch dem Gedanken in V. 1641.5 — 17. — 16436 ge-
- ^velle» anom. v., verst. wi'llen; hier vereinzelt. — 16437 iridersagen swv.,
- hier: versagen, verweigern. — 16439 der, wieder =:A!(e/", so der, so man. —
- 206
- XXVI. DIE VERBANNUNG.
- daz ist ein harte unwsege spil.
- so man wol müge, so welle:
- daz ist guot spilgevelle ,
- dane lit niht herzeleides an.
- die gespilu Isot und Tristan
- so si der state nilit mohten hän,
- so liezen si die State gän
- mit dem gemeinen willen hin.
- der wille der sleich imder in
- lieplichen iinde suoze
- in miclieler unmuoze:
- gemeine liebe, gemeiner muot
- die dühten si süez' uude guot.
- die gelieben die hälen
- ir liebe z'allen malen
- vor dem hove und vor Marke
- als verre und alse starke,
- so si diu blinde liebe lie,
- diu mit in beiden umbe gie.
- 16440
- 16445
- 16450
- 16455
- Nu ist aber der minnen arcwän
- und sin säme also getan:
- swä so er hin geworfen wirt,
- daz er die wurzelen gebirt,
- da ist er alse frülitec,
- so biric und so zühtec,
- die wile er keine fiuhte hat,
- daz er da kiime zergät
- und joch niemer mac zergän:
- der unmüezige arcwän
- der begünde aber genote
- an Tristand' unde Isöte
- sinen wuocher bern und spil.
- 16460
- 16465
- 16470
- 16440 unwoege adj., Gegentheil von ivage (5392), unvortheilhaft. — 16441 welle
- elliptisch — welle man. — 16442 spilgevelle stn., Chance, Glück im Spiel, glück-
- liches Spiel; vgl. zu 9928 (beinahe wie dort schreibt hier Hs. M: daz spil gif
- guot gevelle, was vielleicht in Congruenz mit V. 16440 die echte Lesart ist).
- 16463 /Vw/iiec adj., fruchtbringend, fruchtbar; vgl. zu 17897. — 16464 biric
- adj. (zu bern), tragbar, ergiebig. — zühtec adj., (züchtig), der Zucht ent-
- sprechend, gedeihend. — 16465 keine=(lefieiiie, irgend welche, nur einige.
- — fiuhte stf., Feuchte [nhd. selten geworden; erhalten: Nässe, Kälte
- u. dgl.], Feuchtigkeit. — 16467 joch adv. , hier: auch. — 16471 wuocher
- stm., hier bildlich und in körperlichem Sinne: Frucht (nicht abstract :
- Ertrag). — spil ist hinzugesetzt, ohne daß die Wendung spil bern anzu-
- nehmen ist. wuocher und spil steht für einen Begriff: spilnder wuocher
- XXVI. DIE VERBANNUNG.
- 207
- da was der fiuhte gar ze vil,
- der süezen geb?erde,
- an der man die b ewserde
- der minnen z'allen ziten sach.
- er haete vil war, der da sprach:
- swie man es liüetende si,
- si sint doch gerne ein ander bi
- (414) daz ouge bi dem herzen,
- der vinger bi dem smerzen.
- des herzen leitesterne
- die schachent vil gerne,
- dar daz herze ist gewant.
- ouch gät der vinger und diu hant
- vil dicke und ze maneger zit
- des endes, da der smerze lit.
- als täten die gelieben ie:
- sine möhten noch enkunden nie
- dur deheine ir angest verlän,
- sine büweten den arcwän
- mit mauegem süezen blicke
- vil oftc und alze dicke ;
- wan leider, alse ich iezuo las,
- des herzen friunt, daz ouge, was
- gewendet nach dem herzen ie,
- diu hant ie nach dem smerzen gie.
- si begüuden dicke under in zwein
- ir ougen unde ir herze enein
- mit blicken so verstricken,
- daz si sich üz ir blicken
- oft' und ze manegen stunden
- nie so verrihten künden,
- Mark' enfünde ie dar iune
- den balsemen der minne.
- 16475
- 16480
- 16485
- 16490
- 16495
- 16500
- Dur daz nam er ir allez war.
- sin ouge daz stuont allez dar:
- er sach vil dicke tougen
- die wärheit in ir ougen
- 16505
- oder etwa: wuucher in spilfs wtne, natürlich irouisch , etwa: die Eifersucht
- begann — ganz erfreulich ihre Frucht zu tra{;eu; vgl. sc/tate unde gras
- 14627. Bech vermuthet im Anschluß an Hs. P sin u-uocherbceren (vgl. wär-
- hctren) unde spil. — 18490 bnwen swv., hier: bauen, pflanzen, heranziehen,
- pflegen. — 16504 balsemrn (Hs. M balscin) acc. von balseme swm. , Kaisam,
- Süßigkeit; vgl. zu 17987.
- 208 XXVI. DIE VERBANNUNG.
- und anders aber an nihte
- niwan an ir gesilite: 16510
- daz was so rehte minueclicli,
- so süeze und also senerich ,
- daz ez im an sin herze gie,
- und solhen zorn dervon gevie,
- solhen nit und solhen haz, 16515
- daz er diz unde daz,
- zwivel unde arcwän
- allez ze einer hant lie gan:
- (415) im hsete leit unde zorn
- sinn' unde maze verlorn. 16520
- ez was siner sinne^ ein tot,
- daz sin herzeliep Isot
- iemen solte meinen
- mit triuwen wan in einen;
- wan ime was ie genote 16525
- niht dinges vor Isote
- und was ie dar an stcete.
- swaz Zornes er hiete,
- so was im ie sin liebez wip
- liep unde lieber dan sin lip, 16530
- swie liep si'm aber woere,
- doch brähte in disiu swasre
- und diz vil tobeliche leit
- in also groze tobeheit, ■
- daz er sich es gar bewac 16535
- und niwan an sinera zorne lac. .
- ern hsete niht gegeben ein här,
- wser' ez gelogen oder war.
- In disem blinden leide
- besande er si beide 16540
- \ür den liof in den palas ,
- da al daz hovegesinde was.
- ze Isote er offenliche sprach,
- daz al der hof hört' unde sach:
- 16512 senerich adj., selmsuchtsvoll. — 16514 elliptisch er gevie. ye-
- vähen stv., verst. vähen, hier: fassen [vgl. Abneiguog fassen], bekommen,
- in sich aufnehmen. — 16518 ze einer liant gän läzen steht wie ze einer
- hant läzen 14223, bei Seite lassen, gleichgültig erachten. — 1653.3 tobelich
- adj., unverständig, rasend, leidenschaftlich. — 16534 tobeheit stf., Tob-
- sucht, Käserei. — 16537 niht ein här, dichterische Wendung: nicht das
- Geringste; vgl. zu 8873.
- XXVI. DIE VERBANNUNO. 209
- «min frouwe Isot von Irlant, 16545
- liut' linde lande ist wol erkant,
- wie sere ir gearcwant sit
- nu lange und vor maneger zit
- mit minem neven Tristande.
- nu hän ich maneger hande 16550
- lag' unde list üf iuch geleit,
- ob ir iuch dirre tumpheit
- dur mich woltet mäzen;
- nune wellet ir'z niht läzen:
- i'ne bin niht ein so tumber man, 16555
- i'ne wizze und sehe iu daz wol an
- offenließe und tougen,
- iuwer herze und iuwer ougen
- (416) daz diu sint z'allen stunden
- üf miiien neven gebunden. 16560
- dem bietet unde erzeiget ir
- süez^r geböerde danne mir.
- bi der gebaerde erkenne ich mich, '
- daz er iu lieber ist dan ich.
- swaz ich mir hüote genim 16565
- beidiu hin z'iu und hin ze im,
- daz enmäc ze deheinen staten gestän:
- €z ist ällez umbe niht getan,
- swie vil ich es getribe.
- ich hän iuch an dem Übe 16570
- so dicke gesundert,
- daz mich es iemer wundert,
- daz ir so lange und alle zit
- des herzen so gemeine sit.
- iuwer süezen blicke 16575
- hän ich gescheiden dicke
- und enkän doch au iu beiden
- die liebe niht gescheiden
- und hän iu des ze vil vertragen.
- nu wil ich iu daz ende sagen: 16580
- i'ne wil diz laster und diz leit,
- 16560 gebunden sin vf einen , bildlich entsprechend unaerm: gefesselt
- sein von einem, aber mit anderm Bilde, nämlich durch Zauber gefesselt,
- gebannt [vgl. auf einen versessen sein]. — 16565 huote nemen, genemen
- (doch ge- hier wohl perf.), Acht, in Obacht nehmen, hüten trans. , Hut,
- Vorsicht anwenden; mir, für mich, in meinem Interesse. — \&bl^ vertragen
- mit dat. der Person und gen. der Sache, einem etwas oder in etwas nach-
- sehen. —
- 60TTFBIED VON STBA3SBUR0. II. 2. Aufl. 14
- 210 XXVI. DIE VERBANNUNG.
- daz ir mir habet üf geleit
- mit solhen arebeiten,
- mit iu niht mere leiten;
- i'ne li'de dirre unere 16585
- nach dirre zit nimere.
- ouch enwil ich mich dur dise geschiht
- an iu so sere rechen niht,
- als ich von rehte solte,
- ob ich mich rechen wolte. 1G590
- neve Tristan, min fromve Isot,
- daz ich iu beiden den tot
- oder iht herzeleides tuo,
- da Sit ir mir ze liep zuo,
- des ich doch vil ungerne gihe; 16595
- Sit ich nu an iu beiden sihe,
- daz ir ein ander alle zit
- wider allem minem willen sit
- (417) lieber dan ich iu beiden si,
- so weset ouch beide ein ander bi, 16600
- als iu ze müote geste:
- durch mine vorhte lät nime.
- Sit iuwer liebe so groz ist,
- sone wil ich iuch nach dirre frist
- beswseren noch betwingen 16605
- an deheinen iuwern dingen.
- nemet ein ander an die hant
- und rümet mir hof unde lant.
- sol mir leit von iu geschehen,
- daz enwil ich hosren noch sehen. 16610
- diu gemeinde under uns drin
- diu enmäc niht länger gesin;
- ich wil iuch zwei derbi län,
- ich eine wil dervone gän,
- swie ich mich dervone geloese. 16615
- disiu gemeinde ist boese:
- ich wil ir gerne haben rät.
- der künec der wizzenliche hat
- an minnen cumpanie,
- 16585 leiten swv. , hier wohl niclit: fortführen, sondern: führen, tragen,,
- haben. — 16605 betwingen stv. , zwingen, Zwang anthun, beJästigen. —
- 16611 gemeinde (=Hs. M und H) stf., Gemeinschaft. —
- XXV-T. DIE VERBANNUNG.
- deist michel torperie.
- yart ir beidiu gote ergeben,
- leitet liebe imde leben,
- als iu ze müote geste:
- dirre cürapanie wirt nime.«
- Nu diz ergieng und diz geschach,
- reht' alse ez Marke vor gesprach:
- Tristan und sin frouwe Isöt
- si nigen mit msezlicher not,
- mit küelem herzeleide
- dem künege ir herreu beide,
- da nach der massenie.
- diu getriuwe cumpanie
- bi banden si sich viengen,
- üf den hof si giengen.
- Brangaenen ir gesellin
- die hiezen si gesunde sin
- und bäten si, daz si belibe
- und da ze hove die zit vertribe,
- (418) biz si aber von in vernaärae,
- wie in zwein ir dinc kaeme:
- daz befülhen si ir vil starke.
- Tristan nam zweinzic marke
- von Isolde golde
- im selben unde Isolde
- ze ir notdurft und ze ir lipnar:
- dar ZUG so brähte man im dar,
- des er zer verte hsete gegert,
- sine harphen und sin swert,
- sin birsarmbrust und sin hörn,
- da zuo haete er ime erkorn
- uz sinen bracken einen
- beide schämen unde kleinen,
- und was der Hiudan genant:
- den nam er selbe an sine haut,
- sin gesinde bat er got bewarn
- und hiez si wider ze lande varn
- an sinen vater Rüälen;
- 211
- 16620
- 16625
- 16630
- 16635
- 16640
- 16645
- 16650
- 16655
- 620 lorperie stf. Fremdwortbildimg, (Dörferei, Tölpelei), = /o'"jo^r7/c/7
- >48r)), Rohheit, Niederträchtigkeit. — 1GG22 leiten, ähnlich wie in V. 10585:
- egeu ; vgl. minne leiten 18277.
- 14*
- 212
- XXVI. DIE VERBANNUNG.
- wan eine Kurvenälen,
- den behäbete er an siner schar.
- dem bot er ouch die harphen dar.
- daz armbrust er selbe nam,
- daz hörn ünde den hunt alsam,
- Hiudanen, niht Petitcriu.
- sus riten si dan von hove, si driu.
- 16660
- Brangsene diu reine
- diu beleip älterseine
- mit jämer und mit triure.
- diu trürege äventiure
- und daz vil leide scheiden
- von ir gefriunden beiden
- daz gieng ir so mit smerzen
- und alse gar ze herzen,
- daz ez ein michel wunder was,
- daz si vor leide genas,
- ouch schieden jeniu beide
- von ir mit manegem leide,
- wan daz si si da durch den list
- eine kurzliche frist
- (419) entwelen und bliben hiezen
- und si bi Marke liezen,
- daz si die suone von in zwein
- wider Märke aber trüege enein.
- 16665
- 16670
- 16675
- 16680
- 16670 gefriunt hier adj. subst. plur. , Freunde.
- enttwelen swv., sich aufhalten, verweilen.
- 16G79 entwelen-
- XXVII.
- DIE MINNEGROTTE.
- Die drei wenden sich der Wildniss zu und gelangen nach zwei Tage-
- eisen zu einer Minuegrotte, welche Tristan früher einmal zufällig ent-
- leckt hatte. Diese Höhle war einst zur Heidenzeit von Riesen erbaut
- worden. Sie war schön geformt und kostbar geschmückt. Oben waren
- deine Fensterlein, um das Licht hineinzulassen. Umgeben war sie von
- Säumen, ein kühler Brunnen floß dabei. Im Walde sangen die Vögel,
- ^.ugc und Ohr wurde entzückt. Dort lassen sich die Liebenden nieder
- md senden Kurvenal zurück; er solle sagen, sie seien nach Irland ge-
- ahren. Sie wünschen, daß Kurvenal ihnen immer nach zwanzig Tagen
- ■^^achricht bringe. Tristan und Isolt leben nun ein glückliches Liebeleben.
- - Der Dichter polemisiert hier gegen diejenigen, welche Anstoß an einem
- olchen nahrungslosen Leben nehmen. Auch fügt er eine mystisch-alle-
- forische Deutung der Minnegrotte ein. — Des Morgens gehen die Lieben-
- len zur Aue und lauschen dem Vogelsange, dann hören sie dem Rauschen
- les Brunnens zu. In der Sonnenhitze gehen sie zur kühlenden Linde,
- lann suchen sie ihre Klause auf und vertreiben die Zeit mit Harfenspiel
- ind Gesang. Bisweilen auch reiten sie zur Jagd, gefolgt von ihrem Hunde
- iiudan, dem Tristan lehrte ohne Gebell zu jagen.
- bus kerten si (Irin under in
- allez gegen der wilde hin
- über wält und über beide 16685
- vil nach zwo tageweide.
- da wiste Tristan lange e wol
- in einem wilden berge ein hol ,
- daz h?ete er z'einen stunden
- von äventiure fanden: 16690
- 16680) tagexceide stf., wörtlich : die Strecke, welche in einem Tage ab-
- geweidet wird, dann entsprechend unserm: Tagereise. — 1668S hol stn.,
- Höhle stf. (dieses aus hüle, hölfi, ahd. fioli), Grotte. —
- 214 XXVII. DIE MINNEGßOTTE.
- do was er da geriten jagen
- und haete in sin wec dar getragen.
- daz selbe hol was wilen e
- under der heideneschen e
- vor Corineis jären, 16695
- do risen da herren wären,
- gehouwen in den wilden berc.
- dar inne hseten s' ir geberc,
- so si ir heinliche wolten hän
- und mit minnen umbe gän. 16700
- und swä der einez fanden wart,
- daz was mit ere bespart
- und was der Minnen benant,
- la fossiur' a la gent amant:
- daz kit der minnenden hol. 16705
- der name gehal dem dinge ouch wol.
- euch saget uns diz maere,
- diu fossiure wsere
- sinewel, wit, hoch unde üfreht,
- snewiz, alumbe eben und sieht. 16710
- daz gewelbe daz was obene
- beslozzen wol ze lobene;
- 16694 ^ stf., hier wohl nicht wegen lieidenisch : Eeligiou, sondern allge-
- meiner: Zeitalter. — 16702 er stn. bezieht sich hier auf die ehernen
- Thüren; soll hier nicht ein Wortspiel mit ere stf. gesucht sein? — be-
- sperren swv., versperren, verschließen ; vgl. zu 17034. — 16703 fg. die Con-
- struction dieser Zeilen wird verschieden genommen. Groote schließt V.
- 16704 in Anführungszeichen, so daß es scheint, als fasse er benant als:
- genannt; erklärt auch in den Anmerkungen: «die Höhle erhielt den
- Namen von, nach der Minne», dagegen im Glossar : « das wurde der Minne
- geweiht». Hagen setzt Komma nach 16702 und ebenfalls Komma nach
- 16703. benennen erklärt er: «durch den Namen zueignen». Maßmann setzt
- nach diesen Versen keine Interpunktion. Kurtz: «Dieselbe war mit Erz
- verwahrt und wurde der Minne nach benannt La fossiure u. s. w.» Simrock
- ähnlich und ebenso «nach der Minne benannt'). Ich glaube dagegen, daß
- V. 16704 nicht Attribut ist zu benant, sondern dem Originale entnommene
- Apposition zu hol, insbesondere zu daz in V. 16702 : nämlich als la fossiure
- u. s. w. Wegen name in 16706 ist benennen nicht als: benennen, nennen
- aufzufassen, den Namen gibt hinlänglich V. 16704 an, vielmehr fasse ich
- benennen als: zutheilen, weihen (vgl. zu 16726), und Minnen, personificiert
- der Liebesgöttin, ist Dativ, der nicht heißen kann: «nach der Minne).
- Sonst hätte Gottfried ebenfalls nach minnen gesagt (vgl. 1643 fg.) oder von
- minnen (vgl. 1998 fg.). — 16704 fossiure fem., hier franz. Wort, vom Dichter
- sonst als Fremdwort verwendet (im Reime fossiure: äventiure 17229), um
- mit hol abzuwechseln. — gent fem. franz., Leute. — amant part. = neufr.
- aimant , lat. amans. — 16705 kil = k'iclet , quirlet 3. pers. prseg. von queden
- stv., sprechen; wie sprechen im Mhd. auch öfters den Begriff hat: heißen,
- bedeuten, so auch queden namentlich in der Wendung daz feit. — 16706 ge-
- sellen stv. mit dat., hier: mit etwas zusammenstimmen, einem entsprechen;
- vgl. die ähnliche Wendung mit gehellesayn in Y. 2018. — 16709 vfreht adj.,
- emporgerichtet (in V. 1448 = nhd.), in die Höbe strebend. —
- XXVII. DIE MINNEGROTTE.
- 215
- oben uf dem sloze ein kröne,
- diu was vil harte schöne
- mit gesmide gezieret,
- mit gimmen wol gewieret,
- und unden was der esterich
- glat imde lüter unde rieh,
- (420) von grüenem marmel alse gras.
- ein bette in mitten inne was
- gesniten schone und reine
- üz kristallinem steine
- hoch unde wit, wol üf erhaben,
- alumbe ergraben mit buochstaben;
- und selten ouch diu msere,
- daz ez bemeinet wfere
- der gotinne Minne,
- zer fossiur' oben inne
- da wären kleiniu vensterlin
- durch daz lieht gehouwen in,
- diu lühten da unde hie.
- da man üz und in gie,
- da gieng ein tür eriniu vür;
- und uzen stuonden obe der tür
- estericher linden dri
- und obene keiniu me derbi;
- aber ümbe und umbe hin ze tal
- da stuonden boume äne zal,
- die dem berge mit ir blate
- und mit ir esten baren schate.
- und einhalp was ein plänje,
- da flöz ein funtänje,
- ein frischer küeler brunne,
- durchlüter als diu sunne.
- da stuonden ouch dri linden obe
- schon' und ze lobelichem lobe,
- die schermeten den brunnen
- 16715
- 16720
- 16725
- 16730
- 16735
- 16740
- 16745
- 1*>713 sloz stn., (Schloß), Schluß, insbesondere wie hier: der Schlußstein
- des Gewölbes; vgl. 1094S. — 16715 gesnude stn., hier nicht bloß: das Me-
- tall, sondern: die feine Schmiedearbeit. — 1G716 wieren swv. , mit edelem
- Metall oder Gestein auslegen, fassen. — 1()726 berneinen swv. mit dat.,
- einem etwas zudenken, widmen, weihen (Hs. F hat wie in V. 1(5703 be-
- npunpt , wodurch meine Auffassung dieser Stelle einige Bestätigung er-
- hält). — 16733 i'rin adj., ehern [dagegen ein «Eher» aus er verloren],
- erzen. — 16737 — 64 sind wiederliolt und benutzt im Wigamur V. 1164 —
- 1231. — 16741 plänje stf. Fremdwort, neufranz. plaine, Ebene. — 16742 fun-
- tänje stf. Fremdwort, neufranz. fontaine, Quelle. —
- 216
- XXVII. DIE MINNEGROTTE.
- Tor regene und vor sunneu.
- liehte bluomen, grüene gras,
- mit den diu plänje erliuhtet was,
- die kriegeten vil suoze enein.
- ietwederez daz schein
- daz ander an enwiderstrit.
- ouch vant man da ze siner zit
- daz schoene vogelgedcene.
- daz geddene was so schoene
- und schoener da dan anderswä.
- ouge und öre hseten da
- (421) weid' unde wunne beide:
- daz ouge sine weide,
- daz öre sine wunne.
- da was schate und sunne,
- der luft und die winde
- senfte unde linde,
- von disem berge und disem hol
- so was ein tageweide wol
- velse äne gevilde
- und wüeste unde wilde,
- dar enwas dehein gelegenheit
- an wegen noch stigen hin geleit;
- doch euwäs daz ungeverte
- des endes niht so herte,
- Tristan enkerte dar in,
- er und sin trütgesellin ,
- und nämen ir herberge
- in dem velse und in dem berge.
- 16750
- 16755
- 16760
- 16765
- 16770
- 16775
- Nu daz si sich geliezen nider,
- si sanden Kurvenälen wider,
- daz er in dem hove jaehe,
- und swä es not geschsehe,'
- daz Tristan und diu schoene Isot
- mit jämer und mit maneger not
- hin wider ze Irlant wseren,
- ir Unschuld' offenbaeren
- wider liute und wider laut;
- 16780
- 16785
- 16751 hier das beliebte Bild vom "Wettstreit (kriegen) der Blumen und des
- Grases. — enein, hier wie unser : zusammen in der Bedeutung: miteinander,
- gegenseitig. — 16774 trütgesellin stf., traute Freundin; vgl. zu 1417,
- XXVII. DIE MINNEGROTTE. 217
- und daz er sich ouch al zehant
- da ze hove nider lieze,
- swie in Brangaene hieze,
- und mit durnähtekeite
- der dürnähti'gen seile, 16790
- ir beider friundinne,
- ir friuntschaft unde ir minne; >
- und erfüere ouch, waz der maere
- umbe Markes willen waere,
- ob er deheinen argen rat 16795
- deheiner arclichen tat
- üf ir leben leite ;
- daz er in iesä seite
- (422) und daz er ouch geuote
- Tristanden unde Isote 16800
- in sine trahte naeme
- und ie dar wider kaeme
- mit so getanen maeren,
- diu rät ze muote baeren,
- ie z'einem male in zweinzec tagen. 16805
- waz mac ich iu uu mere sagen?
- er leiste, daz man ime gebot.
- hie mite was Tristan unde Isot
- enein gezogen ze hüse
- in dirre wilden klüse. 16810
- Genuoge nimet hier under
- virwitze unde wunder
- und habent mit frage gröze not,
- wie sich Tristan unde Isöt
- die zwehe geverten 16815
- in dirre wüeste ernerten.
- 1678C er hier und im Folgenden Kurvrnal. — 16790 durnähtic adj.
- (daraus durnähtekeit ."iTfU), vollkommen, aufrichtig, liebevoll. — 16798 sagen
- ohne acc, hier ähnlich wie in V. 107.s6 in der Bedeutung: ausrichten, Be-
- richt abstatten. Dagegen bezieht Bech in als acc. sing, auf argen rät. —
- 16804 Groote erklärt im Wörterbuche: «Nachrichten, welche Stoff zu neuen
- Hoffnungen, Trost für das zagende Herz enthalten.» In diesem Falle hätte
- Gottfried dem muote gesagt. Dagegen erklärt Groote in den Anmerkungen :
- «Nachrichten, wonach sich würde bestimmen lassen.» rät stm. ist hier:
- Hülfe, Abhülfe, gutes Verhältni.ss. — ze innote wollte ich nicht zu ba'ren
- (brächten, iu Aussicht stellten), sondern zu rät ziehen; ich glaubte, die
- Wendung vertrete ein Adjectivum: zur Freude = freudig, willkommen.
- Kichtiger Bech mit Verweis a.uf muote stf., Begegnung (mhd. Wb. II, 1, 241)
- V ze muofe=: rand. to möte , ohvidin, dagegen, d. h. gegen Marke's dreien
- rdt.n — 16810 klüse stf. Fremdwort, mittellat. clusa, Klause, Einsiedelei.
- 16S12 virwitze stf. (daneben im Mhd. viruiz stn.), Fürwitz stm., Neugier :
- virw. nemen in Verbindung mit ivunder n. (= wundern), fürwitzig sein. —
- 218 XXVII. DIE MINNEGROTTE.
- des wil ich si berihten,
- ir virwitze beslihten:
- si sähen beide ein ander an,
- da generten si sich van: 16820
- der wuocher, den daz ouge bar,
- daz was ir zweier lipnar;
- I si enäzen niht dar inne
- wan muot imde minne.
- diu geliebe massenie 16825
- diu was ir mangerie
- in msezlichen sorgen,
- si truogen verborgen
- innerhalp der wsete
- daz beste lipgersete, 16830
- daz man zer werlde gehaben kan.
- daz truoc sich in vergebene an
- und ie frisch unde niuwe :
- daz was diu reine triuwe;
- diu gebälsemete minne, 16835
- diu übe unde sinne
- als innecliche sanfte tuot,
- diu herze fiuret unde muot:
- (423) diu was ir bestiu lipnar.
- deiswär si nämen selten war 16840
- deheiner spise niuwan der,
- von der daz herze sine ger,
- daz ouge sine wunne nam
- und ouch dem libe rehte kam.
- hie mite so hseten si genuoc. 16845
- in streich diu liebe ir erbepfluoc
- 16818 beslihten swv., hier: ins Gleiche bringen, etwa: befriedigen. —
- 16825 geliep hier adj. wie in V. 12987, in der Bedeutung wie in Y. 4270. —
- 16826 mangerie ( = Hs. H und W [hier fehlerhaft manerie] , menserte F
- wohl von mensa ; M fehlt) stf. Fremdwort von manger (manducare), Spei-
- sung, Essen. — 16830 lipgera^te stn. , Lebensunterhalt: vgl. zu 16921. —
- 16832 an tragen refi. mit dat. [im Khd. nur noch von Personen gesagt],
- sich einem darbieten. — 16835 gebaliemet part. adj., gebalsamt, versilßt;
- vgl. zu 17987 (das mhd. Wb. I, 80 citiert nach Hagen , der F folgt [Ab-
- druck fehlerhaft gewalsannte] , gebalsamite und stellt es unter Walther's
- balsannte). — 16838 für ßuret von Hs. H und W vermuthet Bech wohl
- mit Kecht fuoret (Hs. F vitret ; M fehlt) = ernährt; vgl. zu 17863. —
- 16846 ir erbepßuoc stm., die bei Gottfried beliebte Bildung mit erbe- wie
- vorher erbevogetin 11769, ferner erberninne 19133, erbesmerze 19131: der
- durch Erbschaft überkommene , bestimmt zugehörende Pflug. Im Mhd.
- wird pfluoc häufig zu dichterischem Bilde benutzt, während im Nhd.
- mehr das Yerbum: pflügen dazu dient. Die Wendung hier wird verschie-
- den gefasst. Groote: v-mite strichen, nachziehen», also intransitiv ge-
- nommen, wie deutlich aus der Anmerkung hervorgeht: «die Liebe, der
- XXVII. DIE MINNEGROTTE.
- 219
- niwan an iegelicliem trite
- und z' iegelichen stunden mite
- und gab in alles des den rät,
- des man ze wunschlebene hat.
- Oucli muote si daz kleine,
- daz si in der wüeste als eine
- und äne liute solten sin.
- nu wes bedorften s' ouch dar in
- oder wäz solt' iemen zuo z'in dar?
- si haeten eine gerade schar:
- däne was niuwan ein und ein.
- haeten s' iemen zuo in zwein
- an die geraden schar gelesen,
- so waere ir ungerade gewesen
- und wseren mit dem ungeraden
- ser' überlestet unde beladen.
- ir zweier geselleschaft
- diu was in zwein so herhaft,
- daz der sselige Artus
- nie in deheinem sinem hüs
- so groze hohgezit gewan,
- da mere ir libe lustes van
- und wunne visere entstanden.
- 16850
- 16855
- 16860
- 16865
- Pflug ihres Erbtheils, zog ihnen und zwar auf jedem Schritte und zu jeder
- Zeit nach. Die Liebe war ihnen Egge und Pflug, womit sie ihr Erbe (Zu-
- friedenheit, Lust und Freude) stets ungestört bauten » ; ebenso das mhd.
- Wb. II, 2, 68»i; damach steht mite strichen mit da.t. = mit (praep.) in strichen
- w^ie stricfien in V. 11649, und ir erbepßuoc ist Apposition zu liebe und des-
- halb in Kommata eingeschlossen. Auch Hagen fasst vielleicht ir erbepfluoc
- als Apposition zu liebe, denn er paraphrasiert : oDie Liebe vertrat ihnen die
- Stelle eines Erbbauern, pflügte, säete und erntete für 8ie>j, und verweist auf
- V. 12241 fg. Anders die Übersetzer, welche strichen als Transitiv nehmen
- und ir erbepßuoc als Accusativ ; Kurtz: Liebe zog ihnen ihren Pflug; ähn-
- lich Simrock. Ich dachte anfangs über die Stelle so: ?« steht selbständig =
- für sie, in ihrem Interesse, streich mite trans., zog mit, führte mit sich in
- Congruenz mit geben in V. 16849. erbepßuoc ace., aber ir nicht auf Tristan
- und Isolt bezogen, sondern auf liebe. Der Sinn würde dann zum 2. Theil
- von Hagen's Paraphrasierung stimmen; doch glaube ich jetzt, daC) strichen
- besser als Intransitiv zu nehmen ist; erbepßuoc möchte ich modern abstract
- geben durch: Lebenselement. — 16847 niwan adv. steht liier ungewöhnlich,
- vielleicht wie V. 15989? — 16849 rot stm., hier allgemein: Bedarf.
- 16856 r/i'racfe adj. entspricht hier unserm: gerade, gleich aus zwei
- Zahlen, paarweis; in V. 16861 das Gegentheil ungerade als adj. Subst. —
- 16860 ungerade wird von J. Grimm Gr. 4, 759 als Adverb gefasät (ir =
- eorurn)^ früher Gr. 1, 750 als schwache Form. Sollte nicht ungerade hier
- stehen als unflectierter substantivischer Singular wie tv7, genuoc, ivenic?
- — 16862 überlesten swv., überlasten, übermäßig, allzusehr bedrücken. —
- 16864 herhaft (nicht herhaft, wie Maßmann schreibt) adj., wie in V. 4022
- scharenweise u scharenhaft » (Kurtz), zahlreich. — 16S66 die Lesart von
- M (und B) nie da heime in sinem hvs (d. h. in Karidol) steht vereinzelt,
- ist nicht zwingend, hat aber viel für sich. —
- 220
- XXVII. DIE MINNEGROTTE.
- man haste in allen landen
- deheine fröude fanden,
- die si zwei ze den stunden
- wolten haben gekoufet dar in
- umbe ein glesin vingerlin.
- 16870
- Swaz iemen künde ertrahten,
- ze wunschlebene geahten ,
- in allen landen anderswä,
- daz haeten s' allez bi in da.
- (424) sine haeten umbe ein bezzer leben
- niht eine bone gegeben
- wan eine umbe ir ere.
- waz solte in ouch da mere?
- si haeten hof, si haeten rät,
- dar an diu fröude elliu stät.
- ir staetez ingesinde
- daz was diu grüene linde,
- der schate und diu sunne,
- diu rivier' unde der brunne,
- bluomen, gras, loup unde bluot,
- daz in den ougen sanfte tuot.
- ir dienest was der vögele schal:
- diu kleine reine nahtegal,
- diu troschel unde daz merlin
- und ander waltvogelin ;
- diu zise und der galander
- die dienden wider ein ander
- enwette unde enwiderstrit.
- daz gesinde diende z'aller zit
- ir ören unde ir sinne,
- ir hochzit was diu minne,
- ir fröuden übergulde,
- diu brähte in durch ir hulde
- des tages tüsent stunden
- 16875
- 16880
- 16885
- 16890
- 16895
- 16900
- 1G874 umbe ein glestn vingerlin, um ein gläsernes, ■werthloses Ringlein, d. h.
- um eine Kleinigkeit, um das Geringste; vgl. zu 3641.
- 16876 geahten. verst. ahten, erachten. — 16880 niht eine hone, vgl. 15995
- und zu 88'(3. — 16888 riviere stf. Fremdwort, Bach; vgl. 5348. — 16891 die-
- nest stm., hier collectiv wie noch heute vom Hofdienst gebraucht (vgl. die
- Herren vom Dienst, der große Dienst) = die für den Dienst Bestimmten. —
- 16893 merlin stn. Lehnwort, lat. merula, Amsel. — 16895 zise (=Hs. M)
- stf., Zeisig stm. (Hs. H zisch, W tizisc, F sitich). — galander stm. Fremd-
- wort (franz. calandre, mittellat. calandrus, lat. caliendrurn, Haube), Hauben-
- lerche. — 16897 emveite &Av.=zin wette, um die "Wette; vgl. zu 623. —
- 16901 Überguide stf., Übergoidung, Wertherhöhung; vgl. zu 17546. 17555.
- XXVII. DIE MINNEGßOTTE. 221
- Artüses tavelrunden
- und alle ir massenie dar. 16905
- waz solte in bezzer lipnar
- ze muote oder ze libe?
- da was doch man bi wibe,
- so was oucli wip bi manne:
- wes bedürften si danne? 16910
- si hoeten, daz si solten,
- und wären, da si wolten.
- Nu tribent aber genuoge
- ir msere und ir unfuoge,
- des ich doch niht gevolgen wil: 16915
- si jehent, ze sus getanem spil
- da hcere ouch ander spise zuo.
- dane weiz ich rehte, weder ez tuo.
- (425) des danket mich genuoc hier an.
- ist aber anders ieman. " 16920
- der bezzeren liprät
- an disem lebeue erkunnet hat,
- der jehe, als er'z erkenne;
- ich treip ouch eteswenne
- alsus getane lebesite: - 16925
- dö dühte es mich genuoc dermite.^ '
- Nune söl iuch niht verdriezen,
- ir enlät iu daz entsliezen,
- durch welher slahte meine
- diu fossiur' in dem steine 16930
- betihtet waere, also si was.
- si was, als ich iezuo da las,
- sinewel, wit, hoch unde üfreht,
- snewiz, alumbe eben und sieht,
- diu sinewelle binnen 16935
- 16918 weder conj. wie in V. 340. 875, hier aUein stehend ohne ein
- zweites Glied mit oder — niht; die Wendung = M'erf?r e^ zuo gelioere (vgl. zu
- 1)87. 8718) oder niht. In diesen Fällen würden wir für das das Verbum
- vertretende tuon setzen: ob es der Fall sei. — 16921 tiprät stm., Lebens-
- bedarf, Unterhalt; vgl. lipnar, lipgeroete. — 16925 lebesite stm. (hier pl.),
- Lebensart , Lebensweise.
- 16928 entsliezen stv., eröffnen, mittheilen. — 16930 stein stm., im Mhd.
- auch von größeren Massen: Fels. — 16935 sinewelle stf. (zu sinewel, sin-
- we/ 6674), Rundung, Wölbung. — binnen a,dY. = bi innen, beinnen, innerhalb
- [nhd. binnen beschränkter nur praep.]. Diese Bildung mehr nieder- und
- mitteldeutsch, doch scheint sie mir nicht, wie 0. Jänicke S. 22 seiner
- Abhandl. uüber die niederd. Elemente in unserer Schriftsprache» bemerkt,
- für Gottfried unwahrscheinlich, da er auch sonst manches Wort besitzt,
- das sonst für den mitteld. Sprachschatz charakteristisch ist. —
- 222 XXVII. DIE MINNEGROTTE.
- daz ist einvalte an minuen:
- einvalte zimet der minne wol,
- diu äne winkel wesen sol.
- der Winkel, der an minnen ist,
- daz ist äkust unde list. 16940
- diu wite deist der minnen kraft,
- wan ir kraft ist unendehaft.
- diu hohe deist der höhe muot,
- der sich üf in die wölken tuot;
- dem ist ouch nihtes ze vil, 16945
- die wile er sich gehaben wil
- hin üf, da sich der tugende göz
- ze samene weihet an ein slöz.
- so gevselet ouch daz niemer,
- die tugende die ensin iemer 16950
- gesteinet unde gewieret,
- mit lobe also gezieret,
- daz wir, die nidere sin gemuot,
- der muot sich allez nider tuot
- und an dem esteriche swebet, 16955
- der weder swebet noch enklebet:
- wir kaphen allez wider berc
- 16936 einvalte stf., Einfalt, Einfachheit. — 1*J942 unendehaft adv., endlos,
- tinbegränzt. — 16946 hin üf ge/iuben refl., sich emporrichten, erheben. — •
- 16947 go: stm. steht synonym mit sldz und gewelbe in V. 17131, auch hier
- bedeutet es «SchluiSstein« , aber welches ist des Wortes Etymologie und
- Geschichte? Bech: ((j;o2 = Guß, fusile opus, das Kunstwerk.» — 16949 Hs.
- M fehlt; Hs. H hat gevelet, W gecellet. Die Lesart von P gefeilet (das i
- im Original mit einem Punkte getilgt), ist wohl nur =:gefcelet. IMeine Er-
- klärung gefeilet = er wagt (mit Beziehung auf Gottfried's beliebtes oeilen,
- geveilen 9965. 13240. 9896) gebe ich auf. Auch bei den Herausgebern und
- Uebersetzern verschiedene Auffassung: Groote erklärt: «... so ver-
- sagt ihm nie die Kraft», und im Glossar ageoelen, fehlen, irren»;
- Hagen ngecelen, fehlen». Auch Simrock nimmt geaelen swv. , verst. vcelen
- an: «Es gebricht auch daran nimmer». Ebenso neuerdings Paul (S. 9):
- «es trifft immer zu, daß die Tugenden mit Steinen und Goldarbeit ge-
- ziert sind», welcher Erklärung ich mich jetzt anschließe, wenn sie mir
- auch im Zusammenhange der ganzen Stelle nicht recht genügen will. Da-
- gegen schreibt Maßmann nach W gevellet, und danach übersetzt Kurtz:
- «Und der zerfällt auch nimmer» (nämlich der Schluß, in den sich der
- Tugenden Fug und Guß zusammenwölbt). Wollte man geeellet der Hs. W
- nehmen als gevället , gevallet , gefällt, erregt Gefallen, so würde das sehr
- abstract und unpoetisch klingen inmitten der pathetischen Stelle. Vielleicht
- findet sich noch eine bessere Deutung durch eine glückliche Conjectur. —
- 16951 steinen swv., mit Steinen, Edelsteinschmuck besetzen; kommt in
- dieser Bedeutung nur wie hier im Part. vor. — 16953 nidere, nider adv.,
- niedrig, kleinlich, n. gemuot, Gegentheil von hohe gem., höchgem. — 16954
- der relat.=quorum , abh. von wir. — nider tuon refl., sich herablassen,
- niedersinken. — 16956 der Te]. = qui , abh. von muot; oder der=--der , daz
- er? — 16957 freie Construction: der Dichter lässt den Nebensatz mit daz
- in V, 16953 fallen und fährt in directer Rede fort. — ivider berc, empor;
- hier bildlich, wörtlich in V. 2567. —
- XXVII. DIE MINNEGROTTE. 223
- und schouwen obcne an daz werc,
- (426) daz an ir lügenden da stät,
- daz von ir lobe her niJer gät, 1G960
- die ob uns in den welken swebent
- und uns ir schin her nider gebent:
- die kaphent wir ze wunder an.
- hie wahsent uns die vedern van,
- von den der muot in flücke wirt, 16965
- fliegende lop nach tugenden birt.
- Diu want was wi'z, eben und sieht:
- daz ist der durnähte reht,
- der wize und ir einbaere schin
- der ensöl niht missemälet sin. 16970
- an ir sol ouch dehein arcwän
- weder bühel noch gruobe hän.
- der marmeline esterich
- der ist der staete gelich
- an der grüene und an der veste. 16975
- diu meine ist ime diu beste,
- von varwe und von siebte
- diu staete sol ze rehte
- ingrüene sin, reht' alse gras,
- glat unde lüter alse glas. 16980
- daz bette inmitten inne
- der kristallinen minne,
- daz was vil rehte ir namen benant.
- 16959 nach dem Sinne construiert; es ist kein Wort vorhaudeu , auf das
- sich ir grammatisch beziehen könnte; der Dichter aber meinte ohne Zwei-
- fel die steine. — 16961 die kann mau dann ebenfalls von steine abhängig
- machen, aber auch grammatisch von tugenden. — 16965 in ßücke nach Hs.
- H und W. Hagen schreibt halb nach der Lesart envliicken in Hs, F : en
- ßukke. Im mhd. Wb. III, 344 wird citiert enßäcke unter vlücke stf., das
- flügge sein, fliegen. In Grrimm's Grammatik 4, 815 wird die Stelle in die
- mit werden gebildeten Redensarten eingereiht, also en ßücke werden soviel
- wie: flügge werden, fliegen. Grimm bezieht cou den auf cedern. Oder
- steht der Satz dem vorigen coordiniert: von den wie Jiie van. nur bestimm-
- ter bezogen auf tagende oder steine? Sollte nicht ßücke adj. sein wie es
- Gottfried einmal gebraucht in V. 5483? Dann müsste in auf redern be-
- zogen •werden. Aber da hätte wohl der Dichter gesagt von den der muot
- uns fl. w. Bech fasst inßücke als componiertes Adject. wie ingrüene, in-
- brünstic. — 16966 fliegende part. auf muot bezüglich, im Fluge.
- 16969 der demonstr. = fy?, auf durnähte bezogen. — 16970 vtissemalen
- 8WV., verschieden malen, buntscheckig machen. — 16972 hühel stm., (Eühl),
- Hügel, Erhöhung. — 16975 grüene stf., grüne Farbe [nhd. (Jrüne fast ganz
- abgekommen, Schwärze erhalten]. — veste stf., Festigkeit. — 16977 slehte
- ist wohl kaum dat. von slaht stf. in voller Form, während in bestimmten
- Wendungen slahte vorherrscht (vgl. hande und fiende), auch nicht dat. von
- sle/itc stn. = gesle/ite , Geschlecht, Art, sondern dat. von slf/ite stf.^=!di>ite
- (2570), ebene, glatte Fläche.
- 224 XXVII. DIE MINNEGROTTE.
- er hsete ir reht vil rehte erkant,
- der ir die kristallen sneit 16985
- ze ir legere und z'ir gelegenheit:
- diu minne sol ouch kristallin,
- durchsihtic und durchlüter sin.
- Innen an der erinen tür
- da giengen zwene rigele vür. 16990
- ein valle was oucli innen
- mit kündeclichen sinnen
- hin üz geleitet durch die want,
- aldä si ouch Tristan da vant;
- die meisterte ein heftelin, 16996
- daz gie von uzen dar in
- und leite si dar unde dan.
- noch sloz noch slüzzel was dar an,
- (427) und wil iu sagen umbe waz:
- dane was niht slozes umbe daz: 17000
- swaz man gerüstes vür die tür
- (ich meine üzerhalp dervür)
- ze rüme oder ze slöze leit,
- daz tiutet allez valscheit;
- wan swer zer Minnen tür in gät, 17005
- den man von innen niht in lät,
- daz enist der minnen niht gezalt,
- wan daz ist valsch oder gewalt.
- durch daz ist da der Minnen tor,
- diu erine tür vor,
- die niemen kan gewinnen,
- ern gewinne si mit minnen.
- ouch ist si durch daz erin,
- daz dehein gerüste müge gesin
- weder von gewalte noch von kraft, 17015
- von liste noch von meisterschaft,
- von välscheite noch von lüge,
- da mite man si verscherten müge.
- 16991 valle swf., «einfallende Thürklinke». Mhd. Wb. — 16995 mei-
- stern swv. , regieren. — heftelin stn., dimin. zu ha/t 17041, kleine Fasse,
- kleiner Griff. — 17001 gerüste stn. ist ein allgemeiner Ausdruck für 5^02;
- Vorrichtung. — 17003 rum stm., (ßaum) , Käumung, Öffnung, Öffnen. —
- 17007 im mhd. Wb. III, 845 unter zeln., zelten swv. mit dat. erklärt: «(das)
- passt nicht zur Minneo ; vielmehr, ähnlich wie in V. 15072: das ist nicht
- für Minne zu rechnen, das gilt nicht als Minne. — 17018 verscherten swv.,
- schartig machen, verletzen. —
- XXVII. DIE MINNEGROTTE. 225
- und iunen letweder rigel,
- ietweder minueii ingesigel, 17020
- daz was zem anderen gewant
- ietwederhalben an der want;
- und was der einez cederin,
- daz ander helfenbeinin.
- nu vernemet die tiute ir beder: 17025
- daz eine insigel der ceder
- daz meinet an der niinne
- die wisheit und die siune;
- daz von dem lielfenbeine
- die lausche und die reine. 17030
- mit disen zwein insigelen,
- mit discn reinen rigelen
- so ist der Minnen hüs bewart,
- valsch' unde gewalte vor bespart.
- Daz tougenliche heftelin, 17035
- daz von uzen hin in
- zer Valien was geleitet hin,
- daz was ein spinele von zin:
- (428) diu valle was von gokle,
- als si ze rehte solde: 17040
- vall' unde haft, diz unde daz,
- diu enmohten beide niemer baz
- an ir eigenschaft sin bräht.
- daz zin daz ist diu guote andäht
- ze tougenlichem dinge; 17045
- daz golt daz ist diu linge.
- zin unde golt sint wol hier an:
- sin andäht mag ein ieclich man
- nach sinem willen leiten,
- smalen oder breiten, 17050
- kürzen oder lengen, .
- 17022 ietweder halben adv. (dat. pl.), auf jeder von beiden Seiten; vgl. zu
- 2S91. — 17023 cederin adj., von Cederuholz [nhd. cedern selten.] —
- 17025 tiute stf., Deutung. — 17026 ceder im mlid. Wb. III, SGI ausschließ-
- lich als stm. angeführt, wie es auch noch Luther gebraucht; der c. kann
- hier nicht Nominativ und Apposition zu insigel sein, sondern ist, weil es
- in V. 17029 heißt vo7i dem lielfenbeine, Genitiv, ceder also vielleicht bei
- Gottfried = nhd. stf., wenn nicht der c. gen. plur. — 17030 kiusclie stf.,
- Keuschheit. — reine stf., Keinheit. — 17o34 vi)r bexjjerren swv. mit dat.,
- vor etwas abschließen; vgl. zu 167(i2. 7818.
- 17033 xpinele fem., Spindel, kleine Stange. — 17041 fia/t stm., Griff. —
- 17043 eigenschaft stf., Eigenthümlichkeit. — 17050 smalen swv, trans.,
- schmal machen, schmälern. — • breiten swv., ausbreiten, ausdehnen. —
- GOTTFRIED VON STRASSBURG. Tl. 2. Aufl. 15
- 22G XXVII. DIE MINNEGROTTE,
- frieu oder twengeu,
- siis oder so, her oder hin,
- mit lihter arbeit also zin,
- und ist da lützel schaden an; 17055
- swer aber mit rehter güete kan
- ze minnen wesen gedanchaft,
- den treit benamen dirre haft
- von zine, dem swachen dinge,
- ze guldiner linge 17060
- und ze lieber äventiure.
- Obene in die fossiure
- da wären niwan driu vensterlin
- schon' unde tougenlichen in
- gehouwen durch den ganzen stein, 17065
- da diu sunne hin in schein,
- der einez ist diu güete,
- daz ander dieniüete,
- daz dritte zuht. ze disen drin
- da lachet in der süeze schin, 17070
- diu sselige gleste,
- er', aller liehte beste,
- und erliuhtet die fossiure
- wertlicher äventiure.
- ouch hat ez guote meine, 17075
- daz diu fossiure als eine
- in dirre wüesten wilde lac;
- daz man dem wol geliehen mac,
- (429) daz minne und ir gelegenheit
- uiht üf die sträze sint geleit 17080
- noch an dehein gevilde;
- si löschet in der wilde.
- ze ir klüse ist daz geverte
- arbeitsam unde herte.
- die berge ligent dar umbe 17085
- in maneger swaeren krumbe
- verirret hin unde wider.
- 17Ü52 frien swv., befreien, ungebunden lassen. — twengen swv., einzwängen,
- beengen.
- 17071 gleste stf., Glanz; vgl. glast 9379. — 170S2 loschen swv,, verbor-
- gen sein. — 17083 geverte stn., hier: Weg. — 17084 arbeitsam adj., müh-
- sam [nhd. beschränkter]. — VtOil verirret part. adj., entsprechend unserm:
- zerstreut. —
- XXVII. DIE MINNEGROTTE. 227
- die stige sint üf imde iiider
- uns marterseren allen
- mit velsen so vervallen, 17090
- wir engan dem pfade vil rehte mite,
- verstüze wir an einem trite:
- wir enkömen niemer mere
- ze guoter widerkere.
- swer aber so saelic mac gesin, 17095
- daz er zer wilde kuniet hin in,
- der selbe hat sin arebeit
- vil saeleclichen au geleit:
- der vindet da des herzen spil;
- swaz so daz öre hoeren wil, 17100
- und swaz dem ougen lieben sol,
- des alles ist diu wilde vol.
- so waere er ungern' anderswä.
- Diz weiz ich wol, wau ich was da.
- ich hän ouch in der wilde 17105
- dem vögele unde dem wilde,
- dem hirze unde dem tiere
- über mänege waltriviere
- gevolget unde nach gezogen
- und aber die stunde also betrogen, 17110
- daz ich den hast noch nie gesach.
- min arbeit und min ungemach
- daz was an' äventiure.'
- ich vant an der fossiure
- den haft und sach die vallen. 17115
- ich bin ze der kristallen
- ouch under stünden geweten.
- 17U90 vervallen stv., hier: durch Fallen unwegsam machen, versperren. —
- 17092 verstozen stv., einen Verstoß machen, irren, fehlen.
- 17109 volgcn swv. ist hier ein speciell weidmännischer Ausdruck wie
- etwa unser: revieren ; vgl. Bech zu Iwein 3S95. — 17110 die stunde betrieben,
- die Zeit unnütz hinbringen [vgl. Tagedieb]. — 17111 vgl. zu 2S27 fg. Uer
- Dichter bleibt im Bilde, er meint unter hast, dem letzten Theile des Jagens,
- das Ende, das Ziel. — 17116 kristalle swf. (selten swm.), Krystall stm.; in
- V. 16985 unbestimmt, aber wohl auch sing, (acc.) — 17117 geweten ist nicht
- part. zu K'eten stv. (vgl. zu 15242), sondern eine Art Mischform des Parti-
- cipiuma von weten swv. (gewetetj und von waten stv. (gcu-aten) , waten,
- gehen [unser nhd. waten als swv. auch eine Mischung]. Eine Änderung
- m gewetet und des stereotypen Keimes getreten in getretet, wie sie im mhd.
- Wb. III, 535 vorgeschlagen ist, scheint deshalb gewagt, weil sie in der
- handschriftlichen Überlieferung keinen Halt hat. —
- 15*
- 228 XXVII. DIE MINNEGEOTTE.
- ich hän den reien getreten
- (430) dicke dar und ofte dan,
- i'n gerüowete aber nie dar an: 17120
- und aber den esterich da bi,
- swie lierte marmelin er si,
- den hän ich so mit triten zerbert,
- haet' in diu grüene niht ernert,
- an der sin meistiu tugent lit, 17125
- von der er wahset alle zit:
- man spurte wol dar inne
- diu wären spor der minne.
- ouch hän ich an die liebten want
- miner öugen weide vil gewant 17130
- und hän mich obene an daz goz,
- an daz gewelbe und an daz sloz
- mit blicken vil geflizzen,
- miner öugen vil verslizzen J
- an der gezierde dar obe, 17135
- diu so gestirnet ist mit lobe.
- diu sunne bernde vensterlin,
- diu habent mir in daz herze min :
- ir gleste dicke gesant. ^
- ich hän die fossiure erkant 17140 i
- Sit minen eilif jären ie
- und enkom ze Kurnewäle nie. i
- Diu getriuwe massenie,
- Tristan und sin amie
- si haeten in der wilde 17145
- ze walde und ze gevilde
- 17118 7-eie swm., Keigen , Tanz, den reien treten (uebeu gen, springen),
- bildlich für: sich fröhlich dahin wenden. — 17123 zerbern swv., zerschla-
- gen, zertreten. — 17134 versitzen stv. hier verbal (vgl. zu 3995), abnutzen. —
- 17135 gezierde stf., verst. zierde, Schmuck. — 17142 das Selbstbekenntniss,
- welches der Dichter in den vorhei-geheuden Zeilen von V. 17104 an ab-
- legt, wird gewiss immer in seinem Endergebnisse räthselhaft sein, aber im
- Einzelnen ist in den Vergleichungen und Beziehungen seines Lebens zur
- Minnehöhle keine Schwierigkeit, aber diese letzte fein humoristische Zeile
- ist an sich nicht ohne weiteres klar. Heißt es: ich habe eine Minnehöhle
- kennen gelernt, aber nicht eine solche, wie sie Tristan in Kurnewal fand,
- oder: icli habe wie Tristan eine Minnehöhle gefunden, aber ich bin nicht
- nach Kurnewal gekommen wie er, d. h. ich bin kein Tristan, ich war nicht
- so glücklich wie er? Paul (S. 19): «Ich habe die Grotte kennen gelernt,
- d. h. das, was nach der allegorischen Auslegung in ihr enthalten ist, und
- dazu brauchte ich nicht nach Kurnwal zu gehen.)'
- XXVII. DIE MINNEGROTTE. "229
- ir muoze imd ir uiimuoze
- besetzet harte suoze :
- si wäreu z'alleu ziten
- ein ander au der siten: 17150
- des morgens in dem touwe
- so suchen si zer ouwe,
- da beide bluomen unde gras
- mit dem touwe erküelet was.
- diu küele präerie 17155
- was danne ir banekie.
- da giengeu si her unde hin,
- ir maere sagende under in
- (431) und loseten mit dem gange
- dem süezen vogelsange. 17160
- " so danne nämen s' einen swanc,
- hin da der küele brunne klanc,
- und loseten sinem klänge,
- sinem sliche und sinem gange-,
- da er hin üf die plänje gie, 17 105
- da gesäzen si. durch ruowen ie,
- da loseten si dem duzze
- und warteten dem fluzze,
- und was daz aber ir wunne.
- Als aber diu liebte sunne 17170
- iif begunde stigen ,
- diu hitze nider sigen,
- so giengen si zer linden
- nach den linden winden,
- diu bar in aber danne lust 17175
- uzen und innerhalp der brüst,
- si erfröuweten ougen unde sin.
- diu süeze linde süezete in
- luft unde schate mit ir blate.
- die winde wären von ir schate 17180
- süeze, linde, küele.
- 17154 erküelen swv. [uliil. fast abgekommen, erhalten: erwärmen],
- kühlen, abkühlen, erfrisclien. — 17155 präerie stf. Fremdwort, neufranz.
- prairie. Wiese; vgl. 17390. — 17Uj1 einen swanc nemen, Wendung nehmen,
- Schwingung machen , d. h. sich bewegen , gehen. — 171(i2 klingen stv.,
- entsprechend unserra: rauschen. — \lHu duzze dat. von duz stm. (zu diezen
- 4044), Getöse, Rauschen. — 1710S warten swv. hier mit dat., auf etwas
- warten, schauen, etwas in Augenschein nehmen.
- 230 XXVII. DIE MINNEGROTTE.
- der linden gestüele
- daz was von bluoraen und von grase
- der baz gemalete wase,
- den ie linde gewan. 17185
- Da säzen si ze ein ander an,
- die getriuwen senedtere,
- und triben ir senemaere
- von den, die vor ir jären
- von seue verdorben wären. 17190
- si beredeten unde besageten,
- si betrüreten unde beklageten,
- daz Villise von Träze,
- daz der armen Kanäze
- in der minnen namen geschach; 17195
- daz Biblise ir herze brach
- durch ir bruoder minne;
- daz ez der küniginne
- (432) von Tire und von Sidone,
- der seneden Didone 17200
- dur sene so jaemerliche ergie.
- mit solhen maeren wären s' ie
- unmüezic eteswenne.
- So si aber der msere denne
- vergezzen wolten under in, 17205
- so suchen s' in ir klüse hin
- und nämen aber ze banden,
- dar an si ir lust erkanden,
- und liezen danne klingen
- ir harphen unde ir singen 17210
- seneli'chen unde suoze.
- si wehselten unmuoze
- mit banden und mit zungen:
- si harpheten, si sungen
- leich' unde noten der minne. 17215
- si wandelten dar inne
- ir wunnenspil, swie si gezam.
- sweder fr die harphen genam ,
- 17182 f/estüele stn. (collectiv zu sfuol), Sitz, Ort, auf dem gesessen oder
- gestanden wird; «die Kuhebank». Kiirtz, ebenso Simrock. — 17184 baz adv.,
- hat hier die Function des Superlativs , nicht die des Comparativs ; vgl.
- Haupt zu Erec (2. Ausgabe) 2476.
- 17218 sweder hier eigentliches Pron. correl., welcher von beiden, wer;
- vgl. zu 5806.
- XXVII. DIE MINNEGROTTE. 231
- SO was des änderen site,
- daz er diu notelin dermite 17220
- suoz' unde seneliche sanc.
- ouch lütete ietweder klanc
- der harphen mit der ziingen,
- so si in ein ander klungen,
- so siioze dar inne, 17225
- als ez der süezen Minne
- wol z'einer klüse wart benant
- la fossiur' ä la gent amant.
- Swaz aber von der fossiure
- von alter aventiure 17230
- vor hin ie was bemaeret,
- daz wart an in bewseret.
- diu wäre wirtinne
- diu haete sich dar inne
- alrerste an ir spil verlän: 17235
- swaz e dar inne ie wart getan
- von kurzewile oder von spil,
- däzn lief niht ze disem zil;
- (433) ezn was niht von meine
- so lüter noch so reine, 17240
- also ir spil was under in.
- si triben der minne ir stunde hin
- so wol so nie gelieben baz:
- sine taten niht wan allez daz,
- da si daz herze zuo getruoc. 17245
- Der kurzewile was genuoc,
- der si in dem tage begunden:
- si riten under stunden,
- so si des gelüste,
- mit dem armbruste 17250
- birsen in die wilde
- nach vogelen und nach wilde
- unde ouch z'eteslichen tagen
- nach dem roten wilde jagen
- mit Hiudane ir hunde, 17255
- der dannoch niht cnkunde
- 17238 loufen ze disem zil, darauf hinauslaufen. — 17242 der minne ist
- Genitiv: mit der Minne; vgl. zu 1897.
- 17247 in dem tage, jeden Tag, täglich.
- 232 XXVJI. DIE MINNEGROTTE.
- unlütes loufen sus noch so.
- in hsete Tristan aber do
- geleret harte schiere
- nach dem hi'rze und nach dem tiere, 17260
- nach aller slahte wilde
- durch walt und durch gevilde
- ze wünsche loufen üf der vart,
- so daz er niemer lüt wart.
- mit dem vertriben si manegen tac, 17265
- niht durch deheinen den bejac,
- der an solhen dingen lit,
- niuwan durch die kurzen zit,
- die man hie mite haben sol.
- si üebeten, daz weiz ich wol, 17270
- den bracken unde daz armbrust
- me durch ir herzen gelust
- und durch ir banekie
- dan durch mangerie.
- ir geschäfede unde ir pflege ^ 17275
- was alle zit und alle wege
- niht anders wan des si gezam
- und in ze muote rehte kam.
- 17257 unlütes adv. (gen.), nicht laut, d. h. ohne bellend anzuschlagen. —
- 17263 vart stf., hier: Fährte [dieses aus dem Plural]. — 17268 kurze zit =
- kurze wile, Kurzweil, Belustigung. — \121b pßege stf., hier: Beschäftigung,
- Gewohnheit [nhd. erhalten diese Bedeutung im Verbum pflegen].
- XXVIII.
- ENTDECKUNG UND VERSÖHNUNG.
- Um seinen Trübsinn zu zerstreuen, reitet Marke zur Jagd. Die Huude
- verfolgen einen seltsamen Hirsch, der in der Nähe der Minuegrotte ent-
- flieht und entkommt. Tristan und Isolt hatten den Jagdlärm gehört und
- vermutheu, sie wären dem Könige verratheu. Andern Tages in der Frühe
- folgte der Jägermeister allein mit seinem Leithund der Spur des Hirsches.
- Die Liebenden waren wieder in die Aue gegangen und ergötzten sich am
- Vogelsange. Dann kehrten sie zurück und suchten die Ruhe, aber auf
- Tristan's Rath legen sie sich voneinander abgewandt und zwischen ihr
- Lager legt Tristan sein bloßes Schwert. Darauf entschlafen sie. Jener
- Jäger kommt zur Grotte, und entdeckt, da er die Thür verriegelt findet,
- zufällig oben ein geheimes Fensterlein. Er blickt liinein, erschrickt und
- meldet, was er gesehen, dem Könige : er habe eine Minnehöhle gefunden,
- iu der ruhe ein Mann und eine Göttin; ein bloßes Schwert liege zwischen
- ihnen. Marke lässt sich dahin führen. Er erkennt, als er zum Fenster
- hineinschaut, seinen Neffen und sein "Weib. Beim Anblick ihrer getrennten
- Lage , des bloßen Schwertes kämpft wieder der Zweifel in seiner Brust.
- Er hält sie für unschuldig, und seine Liebe zu Isolt erwacht aufs neue.
- Die Sonne schien durch eines der Fenster auf die Schlafende und ver-
- schönte ihre holde Gestalt. Damit der Schein ihr nicht schade, verstopft
- Marke das Fenster mit Gras , Blumen und Laub. Schmerzvoll kehrt er
- zur Jagd zurück. — Beim Erwachen gewahren Tristan und Isolt, daß ein
- Fenster verstopft sei und finden auch eines Mannes Spur im Sande. Ihr
- Trost ist, daß, wenn selbst Marke gekommen sei, er sie voneinander ab-
- gewandt und in der gedachten Weise gefunden habe.
- (434) Under diu do diz geschach,
- so haete ie michel imgemach 17280
- der trCirige Marke:
- er trürete starke
- umbe sin ere und umbe sin wip.
- ime begunde muot unde lip
- von tage ze tage swaeren, 17285
- er' unde guot unmaeren.
- sus gereit er in denselben tagen
- in disen selben walt jagen
- 234 XXVIII. ENTDECKUNG UND VERSÖHNUNG.
- und me durch sine triure
- dan durch kein äventiure. 17200
- nu si zem walde kämen,
- die jägere ir hunde nämen
- und funden eine trünne stän:
- da begunden si in ze ruore län,
- und an der selben stunde 17ö95
- so geschieden die hunde
- einen fremeden hirz hin dan,
- der was reht' alse ein ors geman,
- starc unde michel unde blanc:
- daz gehürne kleine unde unlanc, 17300
- vil küme wider entworfen,
- als er ez hin geworfen
- hset' in unlanger zite:
- den jageten si ze strite
- und mit gewalte under in 17305
- unz vaste vür den äbent hin.
- dö verstiezen s' an der vart,
- also daz in der hirz entwart
- und sine fluht hin wider genam,
- von dannen er ouch dar bekam, 17310
- hin da diu fossiure was ;
- äldar floch er unde genas.
- Nu muote Marken sere,
- die jägere michels mere,
- daz in zem hirze also geschach; 17315
- do man in alse fremeden sach
- beid' an der varwe und an der man;
- si haeten alle unmuot dervan.
- 17293 trünne stf., Hudel. — 17294 in ze ruore lan, wieder ein weid-
- männischer Ausdruck (vgl. zu 3428). /« fasse ich als dat. i)l. = den hunden;
- ein Accusativ ist verschwiegen, etwa trünne, wilt. — län, hier in dieser
- Wendung nicht: loslassen, sondern überlassen. — ze ruore, hier : zur Hatz.
- Dagegen zieht Bech in zu da, da: da hinein, d. h. in die trünne (in diesem
- Falle müsste in geschrieben werden) , und danach ist das verschwiegene
- Object hunde, und ?a« = loslassen. — 1729G bescheiden stv., verst. scheiden,
- trennen (vom Eudel ab). — 17301 entworfen part. von enticerfen im mhd.
- Wb. III, 736 unter die Bedeutung «werfe in die Höhe, lasse aufstreben"
- gestellt ziigleich mit der Frage: «oder ist hier die allgemeinere Bedeutung:
- gestaltet, gebildet anzunehmen?» Sicher letzteres; die eigentliche und
- sinnliche Bedeutung würde stilgemäß gar nicht zu dem folgenden liin ge-
- worfen passen; vgl. 4711,12, wo derselbe rührende Beim durch die geistige
- xind sinnliche Bedeutung möglich und ästhetisch wirksam wird. — 17308
- entxcerden stv., entgehen. — 17310 bekornen stv., hier verst. 'komen.
- 17314 michels adv. gen. bei Comparativen, um vieles, viel. — 1731.5 ze,
- entsprechend in dieser Wendung unserm: mit. —
- XXVIII. ENTDECKUNG UND VEESÖHNUNG. 235
- (435) liie mite laren s' ir Lunde wider
- und liezeii sich die naht da nider, 17320
- wan in was allen riiowe not.
- nu haete ouch Tristan unde Isot
- den tac allen wol vernomeu
- den schal, der in den walt was kernen
- von gehürne und ouch von hunden. 17325
- und dähten an den stunden,
- daz ez niuwan Marke w?ere.
- des wart ir herze swa3re;
- ir beider angest was iesä,
- si M'?eren ime vermseret da. 17330
- Des anderen tages fruo
- nu l'uor der Jägermeister zuo,
- e danne er küre den morgenrot;
- sinen ündertanen er gebot,
- daz si da wol betageten 17335
- und danne nach im jageten.
- an ein leiteseil er nam
- einen bräcken , der im rehte kam ,
- und brähte den rehte üf die vart.
- der leite in allez hinewart 17340
- über mänic ungeverte,
- über velse und über herte,
- über dürre und über gras,
- da ime der hirz des nahtes was
- gestrichen unde geflohen vor; 17345
- dem volgete er rehte üf dem spor:
- biz daz diu enge ein ende nam
- und diu sunne wol üf kam:
- dö was er zer funtänje
- üf Tristandes plänje. 17350
- Des selben morgens was Tristan
- und sin gespil geslichen dan
- 17320 lesen stv., hier: zusammenlesen, sammeln. — 17330 vennocren swv.,
- hier: verrathen. —
- 1733S re/ite konien mit dat. hier der Person, für einen passen, einem
- recht, augenehm sein; in Y. 16844 und 17278 ist das Subject eine Sache. —
- 17342 /lerte stf., (Härte), harter Boden, synonym mit vels ; so mhd. Wb.
- I, 63*^. Dagegen nach Bech herte pl. von /lart, "Wald. — 17343 dürre
- Btf., dürres Land [diese Bedeutung nhd. fast abgekommen wie jene von
- Härte]. — 17347 enc/e stf., enge eingeschlossenes Thal.
- 17352 gespil hier swf., Spielgenossin, Freundin (vgl. zu 12604); mög-
- licherweise aber auch swm. ; vgl. 17479 fg. —
- 23r>
- XXVIII. ENTDECKUNG UND VERSÖHNUNG.
- behauden gevaiigeu
- und körnen hin gegangen
- vil fruo und in dem touwe
- üf die gebluoten ouwe
- und üf daz wunnecliche tal:
- galander unde nalitegal
- (436) die begünden organieren,
- ir gesinde salutieren ;
- si gruozten ie genote
- Tristanden unde Isöte.
- diu wilden waltvogelin
- hiezen si willekoinen sin
- vil suoze in ir latine.
- mangem süezen vogeliue
- dem wären si da willekomen.
- si haäten sich al an genomen
- eine wunnecliche unmuoze.
- den gelieben zwein ze gruoze
- si sungen von dem rise
- ir wunue berude wise
- in maneger anderunge:
- da was manc süeziu zuuge,
- diu da schantoit und discantoit
- ir schanzün' unde ir refloit
- den gelieben z'einer wunne.
- si enpfie der küelc brunne,
- der gegen ir ougen schöne entspranc
- und schöner in ir ören klanc
- und runende ällez gegen in gie
- und si mit siner rüne enpfie :
- er rü'nete suoze
- den gelieben ze gruoze.
- si gruozten ouch die linden
- mit ir vil süezen winden:
- die frönten s' üz und innen
- an ören unde an sinnen.
- 17355
- 17360
- 17365
- 17370
- 17375
- 17380
- 17385
- 17356 (/ebluot part. ist vielleicht nicht zu fassen als pait. von blüejen=ge-
- hlüht, erblüht, sondern als part. defect. = geblutet von öluoi wie unser:
- geblümt, noch eher Bildung wie geman (jubatut), 'jetnüc (affinls) u. ähul. ;
- vgl. Gr. 2, 745 fg. — 173fi5 latine stf. (vgl. zu 3690;, Latein, hier: die besondere,
- sonst unbekannte Sprache; wird öfters von der Sprache der Vögel, von
- ihrem Gesänge gesagt. — 11^1 '6 anderunge stf., hier: Abwechslung, Wech-
- sel, Variation. — 17375 schantoit franz. praet. von achanter, chanter, singen.
- — discantoit franz. praet. von discanter, dechanter, die zweite Stimme singen;
- etwa: secundieren. —
- XXVIII. ENTDECKUNG UND VERSÖHNUNG. 237
- der boume flörie,
- diu lichte präerie, 17300
- aic Lluomen, daz ingrüeiie gras,
- lind allez, daz da blüeiide was,
- daz lachete allez gegen in.
- ouch gruozte si her unde hin
- der tou mit siner süeze, 17305
- der küelete in ir vüeze
- und was ir herzen gemach.
- Und alse des genuoc geschach,
- (437) si suchen wider in ir stein
- und -wurden under in eneiu, 17400
- wie si der zit getreten,
- wau si des angest hceten
- und vorhten, alse ez ouch crgie,
- daz eteswer und eteswie
- dar von den hunden kceme, 17405
- ir tougen da vernaeme.
- hier über vant Tristan einen sin,
- dar an gevielen s' under in.
- si giengen an ir bette wider
- und leiten sich da wider nider 17410
- von ein ander wol hin dan
- reht' alse man ünde man,
- niht alse man unde wip.
- da lac lip unde lip
- in fremeder gelegenheit. 17415
- ouch hsete Tristan geleit
- sin swert bar enzwischen si;
- hin dan lac er, her dan lac si.
- 17381» ßorie stf. Fremdwort, Blüte.
- 17401 der zU (vgl. zu (;288) ist nicht abhängig von yetaiten = tceten, thiin
- sollten, soudern=::nlicl. der Zeit, derzeit, jetzt, unter diesen Umständen. —
- 1740.1 Simrock frei: «Daß von den Jägern etwa jemand zu ihnen käme».
- Kurtz fasst von als pra-p. des Grundes und übersetzt: «durch diese Hunde».
- Ebenso Groote : «durch die Hunde geführt». Vielmehr: daß irgendjemand
- auf irgendwelche Weise {und in V. 17404 steht in Gottfriedischer Weise
- für uns unnöthig) dahin weg, sich entfernend von den Hunden, vom all-
- gemeinen Jagdtross käme; vgl. 174.i8. — 17411 fg. hin dun adv. steht hier
- wie in V. 11575 und ist wohl zum Verbum sich leycn zu ziehen: sich weg-
- legen und von ein ander ist nähere Bestimmung, nicht umgekehrt. —
- 17417 bar adj., baar, bloß [nhd. lieschränkter; vgl. 4007J. — 17418 hin dan
- adv., hier: hinwärts, auf die eine Seite (des Schwertes), her dan, her-
- wärts, auf die andere Seite. — li^ien stv. ist hier wegen dieser Adverbien
- und im stilistischen Gegensatze zu lägen (=nhd.) im folgenden Verse wohl
- zu fassen ^^ sich legen.
- 238 XXVIII. ENTDECKÜNa UND VERSÖHNUNG.
- si lägen siinder, ein und ein.
- alsus entsliefen s' under in zwein. 17420
- Der Jäger, von dem ich nu las,
- der zuo dem brunnen komen was,
- der spurte in dem touwe,
- da Tristan und sin frouwe
- vor ime geslichen wären hin. 17425
- hie mite so kom er an den sin,
- ez w?ere niwan des hirzes trat:
- er erbeizete und trat üf den pfat
- und volgete dem selben spor,
- daz si im hseten getreten vor 17430
- biz hin an der fossiuren tür.
- da giengen zwene rigele vür:
- ern mohte da niht vürbaz komen.
- nu ime der wec da was benomen,
- er versüochte ez an die krumbe 17435
- und gienc alumbe und umbe
- und vant von äventiure
- obene an der fossiure
- (438) ein tougenlichez vensterlin;
- da luogete er mit vorhten in 17440
- und sach zehant dar inne
- daz gesinde der minne,
- niwan ein wip und einen man.
- die sach er ouch ze wunder an;
- wan in dühte an dem wibe, 17445
- daz nie von wibes libe
- dehein creatiure als üz erkorn
- ze dirre werlde würde geborn.
- iedoch sach er unlange dar,
- wan iesä dö er wart gewar, 17450
- daz daz swert so bar da lac,
- er tete sich dannen unde erschrac:
- ez dühte in angestbaere;
- er dähte, daz ez waere
- etswaz von wilden dingen: 17455
- daz begünde im vorhte bringen.
- 17427 trat stf., Tritt, Spur. — 17435 krumbe stf.. Krümme, Krümmung
- (wörtlich in V. 6S38), hier: Bogen, Umweg. — 17455 wilde adj., hier ähn-
- lich wie in 4C63, nur intensiver: wunderbar, zauberisch, lolldiu dinc,
- Zauberei.
- XXVIII. ENTDECKUNG UND VERSÖHNUNG. 239
- er kerte den vels wider uider
- und reit hin gegen den hunden wider.
- Nu hsete sich ouch Marke
- vor den jägeren starke 17460
- üf siner verte vür genomen
- und was ileude üf in komen.
- »-seht», sprach der wildensere
- «künec herre, ich sage iu msere ,
- ich hän an disen stunden 17465
- schoen' aventiure funden.»
- «sage an, waz aventiure?«
- «eine minuenfössiure. »
- «wä funde du die oder wie?»
- «herre, in dirre wilde alhie.» 17470
- «in dirre wüesten wilde?» «ja.»
- «ist aber iemen lebender da?»
- «ja herre, da ist inne
- ein man und ein gotinne:
- diu ligent an einem bette 17475
- und släfent alse enwette.
- der man ist alse ein ander man ;
- min zwivel der ist aber dar an,
- (439) sin gesläfe da bi
- däz der ein mensche si: 17480
- der ist schcener danne ein feine.
- von fleische noch von beine
- enkunde niht gewerden
- so schoenes uf der erden.
- und i'ne weiz durch weihen sin, 17485
- ein swert daz lit da zwischen in
- schone lüter unde bar.»
- der künic sprach: «wi'se mich dar!»
- Der Jägermeister fuorte in dan
- die wilde wider üf sine ban, 17490
- biz hin da er erbeizet was.
- der künec erbeizete üf daz gras
- und streich üf an sinen pfat.
- 17461 tür neinen stv. refl., [vgl. nhd. sich übernehmen], voraus eilen,
- ■voraus sein; vgl. 18965. — 17479 gesläfe swm. (hier, wie aus dem folgenden
- Verse hervorgeht, nicht swf.), Schlafgenosse.
- 240 XXVIII. ENTDECKUNG UND VERSÖHNUNG.
- der Jäger der habete an der stat.
- DU Marke der kom hin zer tür: 17495
- er lie si stän und kerte vür
- und iizen an dem steine
- und an des Steines kleine
- da nam er manege kere
- nach des jägeres lere, 17500
- und vant ouch er ein vensterlin;
- er lie sin ouge dar in
- nach liebe und nach leide:
- diu sach er ouch da beide
- in der kristallen ligen enbor, • 17505
- und sliefen dannoch als da vor.
- er vant si, als euch jener vant,
- wol von ein ander gewant,
- daz eine her, daz ander hin,
- daz bare swert enzwischen in. 17510
- er erkante neven unde wip:
- sin herze in ime und al sin lip
- erkaltete vor leide
- und ouch vor liebe beide.
- diu verre gelegenheit 17515
- diu was ime liep unde leit:
- liep meine ich von dem wäne, '
- si wseren valsches ane;
- (440) leit meine ich, daz er sich ez versach.
- in sinem herzen er sprach: 17520
- ((genaedeclicher trehtin,
- waz mag an disen dingen sin?
- ist iht des under disen geschehen,
- des ich mich lange hän versehen,
- wie ligent si alsus danne? . 17525
- wip sol doch liebem manne
- under armen z'allen ziten ■ ,
- kleben an der siten: ^
- wie ligent dise gelieben so?»
- wider sich so sprach er aber dö: 17530
- <(ist noch an disen dingen iht,
- 17498 Heine stf., (Kleinheit), hier: Spitze. — 17525 danne gehört wohl
- zu wie, verstärktes: wie; warum denn, wie alsdann. Der Nachdruck liegt
- auf alsus. Groote zieht danne zu ligen, «abgewandt liegen», wohl im Hin-
- blick auf V. 17418. — 1752S kleben swv., in älterer Sprache edeler als heute,
- überhaupt: haften, angeschmiegt sein;=:nhd. in V. 847; vgl. zu 865.
- XXVTII. ENTDECKUNG UND VERSÖHNUNG. 241
- weder ist hie scliulde oder nilit?»
- hie mite was aber der zwivel da.
- «schulde?» sprach er «triiiwen, ja.»
- «schulde?» sprach er «triuwen, nein.» 17535
- Diz treib er an mit disen zwein',
- biz aber der wegelose man
- Märke zwivelen began
- umbe ir zweier minne.
- Minn^ diu süenserinne 17540
- diu kom da zuo geslichen,
- gestreichet unde gestrichen
- ze wunderlichem flize:
- si truoc üf daz wize
- gevärwet under ougen 17545
- daz guldine lougen,
- ir allerbesten varwe: nein:
- daz wort daz lühte unde schein
- dem künege in sin herze.
- der ander sin smerze, 17550
- daz wort, daz ungenseme ja
- dazu sach Marke niender da;
- daz was mitalle hin getan,
- däne was zwivel noch wän:
- der minnen übergulde, 17555
- 17537 wegelos adj., den kein Weg leitet; [vgl. planlos]. — 17544 fg. tw^
- adj. subst. swn., die weiße Farbe, Schminke, zugleich ist das Wort ge-
- nommen als Farbensymbol der Unschuld; vgl. 17555 fg. — 17546 da: gul-
- dine lougen, die goldene Täuschung, steht wie in V. 16901 und gleich im
- folgenden V. 17555 »wie übergulde, etwa: das Gold der Täuschung. Zu-
- gleich aber liegt in lougen der Sinn des Leugnens, Verneinens, also zu-
- gleich : das bestechende Nein. Schwieriger als der Wortlaut ist in diesem
- Satze 17544 — 47 die Construction. Im mhd. Wb. ist keine Erklärung ver-
- sucht. Groote erklärt: «Sie war unter den Augen (auf den Wangen) ge-
- schminkt mit dem hellen, goldenen Schimmer des Verneinens, mit ihrer
- vorzüglichsten Farbe dem Nein!» Das ist im allgemeinen wohl der Sinn,
- aber der Satz wird dadurch nicht deutlich. Kurtz: «Da trug sie auf das
- Weiße Gemalt in ihren Zügen Das goldne Wort der Lügen, Mit ihrer
- besten Farbe, Nein.) Simrock: «Sie hatt auf das Weiße Gelegt mit feinen
- Zügen Das rothe Gold der Lügen Mit der besten Schminke: Nein!» Rich-
- tig fassen die Übersetzer vf daz wize , am deutlichsten ist Simrock. Wir
- würden . da uns das Gefühl für solche Accusative bei Verben der Be-
- wegung ziemlich entschwunden ist, lieber sagen: auf dem Weißen, ge-
- räru-et ist Apposition zu wtze. Nhd. Schachtelung: sie trug auf der ins
- Antlitz gemalten weißen Farbe, d. h. auf ihrem unschuldvollen Antlitz.
- Die Übersetzer scheinen ir aller besten varwe als Genetivwendung zu neh-
- men. Ich fasse die Worte gleichstehend mit daz guldine lougen als Object
- von truoc. — 17551 ungenocine adj. [nhd. abgekommen], nicht genehm, un-
- angenehm , verhasst. —
- GOTTFRIED VON STRASSBURG. II. 2. Aufl. 16
- 242
- XXVIII. ENTDECKUNG UND VERSÖHNUNG.
- diu guldine uuscliulde,
- diu zöch im ougen unde sin
- mit ir gespenstekeite hin,
- (441) hin da der österliche tac
- aller siner fröuden lac.
- er schouwete ie genöte
- sines herzen wunne Isöte,
- diu geduhte in ouch da vor und e
- nie so rehte schcene me.
- 175GO
- I'ne weiz von welher arebeit
- diz m^ere spellet unde seit,
- von der si erhitzet solte sin,
- und lühte ir varwe unde ir schin
- als suoze und alse löse
- als ein gemischet rose
- hin üf allez wider den man:
- ir munt der fiurete unde bran
- rehte alse ein glüender kol.
- ja ich erkenne mich nu wol,
- waz dirre arebeite was:
- isöt was, alse ich iezuo las,
- des morgens in dem touwe
- geslichen zuo der ouwe
- und was da von enbrunnen.
- so gieng ouch von der sunnen
- ein kleinez str«melin dar in,
- daz gleste ir üf ir hiufelin,
- üf ir kinne und üf ir munt.
- zwo schcene hseten an der stunt
- ein spil gemachet under in zwein:*
- da schein lieht unde lieht enein.
- diu sunne und diu sunne
- die hseten eine wunne
- und eine höchzit dar geleit
- 17565
- 17570
- 17575
- 17580
- 17585
- 17558 gespenstekeit stf., Verführung; vgl. zu 1408.
- 17570 gemischet part. adj,, mehrfarbig, bunt. — 17579 enbrinnen stv.,
- entbrennen swv, intrans., glühen; vgl. 1094. — 17581 stroemeltn stn., dim.
- zu sträiii, nhd. Strom (bei Gottfried nicht vorkommend), kleiner Streif,
- Strahl. — 17582 hiufelin (=Hs. H und W) stn. dimin. zu hiufel stn.,
- Wänglein. Hagen und Maßmann schreiben mit Hs. M und F hüffelin, das
- wäre : kleine Hüfte , was nach dem Zusammenhange unmöglich gesagt sein
- kann; übrigens ist das doppelte/ in den Hss, noch kein Beweis, daß die
- Schreiber nicht hvffelin, hiuffelin. gemeint haben. — 17589 dar legen, an-
- stellen. —
- XXVIII. ENTDECKUNG UND VERSÖHNUNG. 243
- isöte z'einer saelekeit: 17590
- ir kinne, ir munt, ir varwe, ir lieh
- daz was so rehte wimneclich,
- so lieplich und so muotsam,
- däz ir Marken gezam:
- in gelängete unde gelüste, 17595
- daz er si gerne kuste.
- Minne warf ir flammen an,
- Minne erflammete den man
- (-142) mit der schceue ir libes;
- diu schoene des wibes 17600
- diu spuon im sine sinne
- z'ir libe und z'ir minne.
- sin ouge stuont im allez dar:
- er nam vil innecliche war,
- wie schöne ir üz der waete schein 17605
- ir kele unde ir brustbein,
- ir arme unde ir hende.
- si haste äne gebende
- ein schapel ut'e von kle:
- sin' gedü'hte ir herren nie me 17610
- so lustic und so hissam.
- Xu er der sunnen war genam,
- diu von obene dur den stein
- üf ir antlütze schein:
- er vorhte, ez waere ir an ir lieh 17615
- schade unde schädelich:
- er nam gras, bluomen unde loup,
- daz venster er da mite verschoup
- und bot der schoenen sinen segen ;
- er bat ir got den guoten pflegen 17620
- und schiet er weinende dan.
- also ein trüriger man
- kert' er ze sinen hunden wider,
- er leite sin gejägede nider;
- '593 maotsüiu adj., aumuthig. — 17595 mich gelanyet, mich verlangt, hier
- it folgendem Satze mit duz: vgl. zu 12370. — 17598 erßaiiunen (=Hs. W,
- •fiarte Hs. M) swv., entflammen (Hs. H und F enflaiiuaen), erhitzen. —
- '601 spuon praet. von sparten stv., locken. — 17(308 gebende Btn., Kopfputz
- sr Frauen.
- 17616 schade ist hier nicht subst. Schade, ein Schade, sondern adj.,
- rnonym mit schädelich [nhd. schade beschränkter]. — 17618 verschieben
- v., (durch Hineinschieben) verstopfen.
- 16*
- 244 XXVIII. ENTDECKUNG UND VERSÖHNUNG.
- er hiez an den stunden 17625
- die jägere mit den liimden
- wider ze hüse keren hin.
- daz tete er aber durch den sin,
- daz nieraen anders kseme dar,
- der ir da würde gewar. 17630
- So schiere was der künec niht dan,
- Isot erwachete und Tristan,
- nu si begunden umbe sehen
- und nach dem sunnenschine spehen,
- done schein diu sunne niht dar in 17635
- niuwan durch zwei vensterlin.
- nu nämen si des dritten war,
- und alse in daz niht liehtes bar,
- (4-43) des wunderte si sere.
- nune biten s' ouch nimere: 17640
- si stuonden üf beid' under ein
- und giengen uzen an den stein:
- loup unde bluomen unde gras,
- daz vor dem vensterline was,
- daz selbe funden s' ouch zehant. 17645
- ouch spurten si zwei durch den sant
- üf der fossiure unde dervor
- mannes trite und niannes spor
- beidiu dar unde dan.
- da erschräken si van 17650
- unde ervorhten ez stärke:
- si dähten sä, daz Marke
- €teswie wsere komen dar
- und wsere ir worden gewar.
- der wän der was in vür geleit: 17655
- deheine gewisheit
- die enhseten s' dar an niht.
- doch was ir raeistiu zuoversiht,
- swer si da, hsete funden,
- daz er si ze den stunden 17660
- so von ein ander gewant
- und in der wise ligende vaut.
- 17631 Su schiere — nifit, nicht alsbald, d. L. kaum; vgl. zu 13260. 18249.
- Hier ist der folgende Satz positiv gewendet auch ohne Conjunctiön. — ,
- 17655 vür legen swv. in passivischer Construction, hier etwa: vor Atigen
- o^tehen, vorschweben.
- XXIX.
- SCHEIDEN UND MEIDEN.
- Auf den Rath seiner Getreuen sendet König Marke Kurvenal als
- Eoten zu Tristan und der Königin mit dem Geheiße zurückzukehren. Er
- versichert sie seiner Huld , verlaugt aber auch von ihnen , ilirer Vertrati-
- lichkeit zu entsagen. Marke erfreute sich herzlich an seinem Weibe, aber
- auch die Eifersucht erwachte von neuem.
- Hier schaltet der Dichter eine Betrachtung ein über die Verblendung
- der Liebenden und über die Hute, durch welche erst, wie es an Eva ge-
- schah, bei den Frauen die Lust zur Übertretung des Gebotes erweckt
- werde. Ein Weib, die solcher weiblichen Schwäche nicht ergeben sei und
- vor der Welt sich rein erhalte, verdiene den höchsten Preis.
- Eines Tages zur heißen Mittagszeit lässt Isolt, welcher wie auch dem
- Tristan die Hute großen Schmerz verursacht, im kühlen Schatten ein Lager
- bereiten. Nur Brangjene darf bei ihr bleiben. Tristan erhält Botschaft zu
- Isolt zu kommen. Brangsene entfernt sich und lässt die Thüren verschließen.
- Da kam der König und fragte nach der Königin. Ihm wird geantwortet,
- sie schlafe, und man weist ihn auf seine weitere Frage in deu Baumgarten.
- Marke geht sogleich dahin und findet Weib und Neffen schlafend im Bette.
- Schweigend geht er von dannen: er wähnte nicht mehr, er wusste. Tri-
- stan erwacht, sieht den König noch fortgehen und weckt Isolt : er glaube,
- sie seien verrathen, der König wolle gewiss Zeugen holen. So nehmen die
- Liebenden unter großen Schmerzen Abschied. Isolt gibt Tristan einen
- King; bei seinem Anblick solle er stets der Treue eingedenk sein. Wie
- der König mit Gefolge zurückkehrt, findet er nur noch Isolt. Seine Be-
- gleiter schelten ihn darum, er handele übel an seinem Weib und an seiner
- Ehre. So lässt er seinen Zorn und geht, ohne Raclie genommen zti haben,
- von dannen.
- Der künec iesä besande
- ze hove und in dem lande
- sinen rät und sine mäge 1766Ö
- durch rät und durch rätfräge:
- er Seite in unde tele in kunt,
- als ich iu seite an dirre stunt,
- wie er si funden haete,
- 246 XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN.
- und jach, daz er untsete 17670
- von Tristand' imde Isolde
- niemer gelouben wolde.
- sin rät enstuout sich al zehant,
- wie sin wille was gewant
- und daz sin rede so was getan, 17675
- daz er si wider wolte hän.
- si rieten, als die wisen tuont,
- da nach als ime daz herze stuont
- (444) und alse er selbe wolde,
- daz er sin wip Isolde 17680
- und sinen neven besande,
- Sit er da niht erkande,
- daz wider den eren wsere,
- und niemer boeser maere
- von ime genseme deheine war. 17685
- Man besande Kurvenälen dar
- und wart der hin ze in beiden
- ze einem boten bescheiden,
- wan er ir dinc erkande.
- der künec enböt Tristande 17690
- und ouch der küniginne
- sine hülde und sine minne,
- und daz si wider ksemen
- und niemer war gensemen
- deheines arges wider in. 17695
- Kurvenal der kerte hin
- und Seite in beiden Markes muot.
- diz dühte die gelieben guot
- und wurden in ir herzen fro.
- die fröude hseten s' aber do 17700
- vil harter unde mere
- dur got und durch ir ere
- dan durch iht anders, daz ie wart,
- si kerten wider üf ir vart
- an ir herschaft alse e. ■ 17705
- sine würden aber niemer me
- in allen ir jären
- 17688 bescheiden stv., hier: bestellen, auseraehen.
- 17705 herschaft stf., hier: Herrlichkeit, hehres, glückliches Leben,
- Wonne. —
- XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN. 247
- SO heinlich, so si e wären,
- nochn gewiiimen nie ze ir fröuden sit
- so guote State so vor der zit. 17710
- iedoch was aber Marke
- hof imde gesinde starke
- geflizzen an ir ere.
- sine wären aber nie mere
- frilicli und ofFenbsere. 17715
- Marke der zwivelsere
- gebot und bat genote
- Tristanden unde Isote,
- (445) daz si durch got und ouch durch in
- ir fuoge hseten under in 17720
- und die vil süezen stricke
- ir inneclichen blicke
- vermiten unde verbseren
- und niht so heinlich wseren
- noch so gemeine ir rede als e. 17725
- diz gebot tet den gelieben we.
- Marke der was aber do fro.
- ze fröuden hsete er aber do
- an sinem wibe Isolde,
- swaz so sin herze wolde, 17730
- niht z'eren wan ze libe:
- ern hsete au siuera wibe
- noch minne noch meine
- noch al der eren keine,
- die got ie gewerden liez, 17735
- wan daz si in sinem namen hiez
- ein frouwe unde ein künigin
- da, da er künic solte sin.
- diz nam er ällez vür guot
- und truog ir allez holden muot, 17740
- als er ir vil liep wsere.
- diz was diu alwsere,
- diu herzelose blintheit,
- von der ein Sprichwort da seit:
- «diu blintheit der minnen 17745
- diu blendet uze und innen,
- 17725 gemeine adj., hier: vertraut,
- 17733 meine stf., hier synonym mit minne, wie die Verba minnen und
- vieinen verbunden; vgl. 1306G und zu IUI. — 17746 üze (=H3. H; M fehlt,
- 248 XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN.
- si blendet oiigen unde sin;
- daz si wol sehent under in,
- des enwellent si niht sehen.»
- also was Marke geschehen: , 17750
- der weste ez wärez alse den tot
- und sach wol, daz sin wip Isot
- ir herzen unde ir sinne
- an Tristandes minne
- mitalle was verüizzen, 17755
- und enwölte es doch niht wizzen.
- wem mac man nü die schulde geben
- umbe daz erlöse leben,
- (446) daz er sus mit ir hsete?
- wan zware er missettete, 17760
- der ez Isöte seite
- ze deheiner trügeheite:
- weder s^ entroug in noch Tristan;
- er sach ez doch mit ougen an
- und weste es ungesehen genuoc, 17765
- daz si im deheine liebe truoc
- und was si'm doch liep über daz.
- «war umbe, herre, und umbe waz
- truog er ir inneclichen muot?»
- '< dar umbe ez hiute maneger tuot: 17770
- gelüste unde gelange
- der lidet vil ange,
- daz ime ze lidenne geschiht.
- I
- Hei waz man ir noch hiute siht
- der Marke und der Isolde, 17775
- ob raan'z bereden solde,
- die blinder oder alse blint
- ir herzen unde ir ougen sint!
- irn ist niht deheiner,
- W US, F uzen) adv., Nebenform von uzen, außen. (In der 1. AuÜage war
- schon uze geschrieben, darum Haupt'S Anmerkung zu Erec [2. Ausg.] 2290
- unnöthig.) — 17753 Dativwendung nach Hs. H u. W=in ihrem Herzen und
- ihrem Sinn, durch ihr Herz und ihren Sinn. F hat herze. Paul (S. 10)
- will auch herze schreiben und erklärt die ganze Zeile als Apposition zu
- wtp, also : ihr Herz und ihre Sinne in Kommata eingeschlossen. Sollte für
- ir vielleicht in zu schreiben sein ? — 17761 sagen mit acc. der Sache, dat.
- der Person und prsep. ze , etwas einem für etwas anrechnen, auslegen. —
- 17765 ungesehen part. pass. in activer Bedeutung, ohne gesehen zu hauen. —
- 17771 gelüste swm. (neben gelust stf. 7015), Gelüst stn., Begierde. — 17773
- gescliehen unpers. mit dat. und inf. mit ze, hier: muß; vgl. zu 15475.
- XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN. 249
- ir ist maniger und einer 17780
- an blintheit so verflizzen,
- ern wil des niht gewizzen,
- daz ime lit an den ougen
- und hat daz vür ein lougen,
- daz er wol weiz und daz er siht. 17785
- wer mag im dirre blintheit iht?
- welle wir den billich schouwen ,
- sone sulen wir den frouwen
- deheine schulde geben hier an.
- si sint unschuldic wider die man, 17790
- so si si mit ougen sehen länt,
- swaz si gewerbent oder begänt.
- swä man die schulde gesiht,
- da enist man von dem wibe niht
- weder überkerget noch betrogen; 17795
- da hat gelüste gezogen
- den nacken vür diu ougen; ^
- gelänge der ist daz lougen,
- (447) daz al der werlde und alle zit
- in wol gesehenden ougen lit. 17800
- swaz man von blintheit geseit,
- sone blendet keiniu blintheit
- als anclich uude als ange
- so gelüste unde gelange.
- swie wir'z verswigende sin, 17805
- ez ist doch war ein wortelin:
- «schoene daz ist hoene.»
- diu wunderliche schcsne
- der blüenden Isöte
- diu blante ie genöte 17810
- Marken uze und innen
- an ougen unde an sinnen;
- 17786 vgl. zu 1022. — 1779.') überkergen swv. , überlistcu: karc adj.,
- (karg), listig und die andern Bildungen kommen bei Gottfried nicht vor.
- — 17796 den nacken vür diu ougen ziehen ist vielleicht eine bildliche Rede-
- wendung für : etwas verkehrt nehmen , rückwärts und vorwärts verwech-
- seln, nicht deutlich sehen können (vgl. zu 19237), aber seltsam wäre sie
- ohne Zweifel. Ich glaube, daß hier eine Verderbniss vorliegt. Sollte nicht
- für nacken (nak Hs. F; M fehlt) der Dichter nagel gesagt haben in der
- Bedeutung von: Naselfell, welches sich über das Auge hinzieht und die
- Sehkraft hindert? Dazu würde das Folgende eine logisch richtige Fort-
- führung sein. Bech.aber macht dagegen geltend, 7iagel sei zu unhöfisch. —
- 17807 sdiaene ist hier in stilistischem Gegensatze zu sclioene stf. im folgenden
- Verse Adject. subst. = rfa3 sc/irene, A«ne ist ebenfalls Adj., und zwar eigent-
- liches, fioine wird im mhd. Wb. I, 701 unter die Bedeutung: «hochfahrend,
- übermüthig» gestellt; das passt nicht, es soll gesagt sein: gefährlich.
- 250 XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN.
- ern künde niht an ir gesehen,
- des er ir z'arge wolte jehen;
- und swaz er an ir weste, 17815
- daz was daz allerbeste.
- daz aber diu rede beslozzen si:
- er was ir alse gerne bi,
- daz er ez allez übersacli,
- swaz leides ime von ir gescliacli. 17820
- Swaz in dem herzen alle zit
- versigelt unde verslozzen lit ,
- deist müelich ze verberne:
- man üebet vil gerne,
- daz die gedanken anget. 17825
- daz ouge daz hanget
- vil gerne an siner weide.
- herze und ouge beide
- diu weident vil oft' an die vart,
- an der ir beider fröude ie wart; 17830
- und swer in daz spil leiden wil,
- weiz got der liebet in daz spil.
- so man s' ie harter dannen nimet,
- so si des spils ie me gezimet
- und so s' ie harter klebent an. 17835
- alsam tet Isöt und Tristan:
- al zehant do daz geschach,
- daz in ir wunne und ir gemach
- (448) so mit der huote vor bespart,
- so mit verböte benomen wart, 17840
- do was in ande und ange:
- der gespenstige gelange
- der tete in allererste we,
- we unde maneges wirs dan e.
- in was do zuo ein ander 17845
- vil anger und vil ander,
- dan in da vor ie würde.
- diu bercswaere bürde
- der verwäzenen huote
- diu lag in in ir muote 17850
- 17823 müelich adv., hier: mühsam, schwierig, nicht so leicht; vgl. zu
- 11576. — 17831 leiden swv. mit acc. der Sache und dat. der Person, verleiden;
- vgl. das andere leiden in V. 12410. — 17841 ande hier adv., unleidlich,
- übel zu Muthe; vgl. zu 8992. — 17846 ander compar. zu diesem ande. —
- XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN.
- 251
- swser' älse ein blii'ner berc.
- diu huote daz vertane antwerc,
- diu viendin der minne,
- diu nam in alle ir sinne,
- und aber benamen Isote
- der was ande und note,
- Tristandes fremede was ir tot.
- so ir ir herre ie me verbot
- die lieinliche wider in,
- so ir gedanke unde ir sin
- ie harter an in was begraben,
- diz muoz man ouch an huote haben;
- diu huote fuoret unde birt,
- da man si fuorende wirt,
- niwan den hagen unde den dorn;
- daz ist der angende zorn,
- der lop und ere seret
- und manic wip enteret,
- diu vil gern' ere hsete,
- ob man ir rehte trete,
- als man ir danne unrehte tuot,
- so swäret ir er' unde muot.
- sus verkeret si diu huote
- an eren unde an muote.
- und doch swar man'z getribe,
- huot' ist verlorn an wibe,
- dar umbe daz dehein man
- der übelen niht gehüeten kan.
- (44;9) der guoten darf man hüeten niht,
- sie hüetet selbe, also man gibt:
- und swer ir hüetet über daz,
- entriuwen, der ist ir gehaz,
- der wil daz wip verkeren
- an libe und an den eren
- und wsetlich also sere,
- 17855
- 17860
- 17865
- 17870
- 17875
- 17880
- 17885
- 17856 note adv., hier: sorgenvoll zu Muthe. Zarncke fragt im mhd. W'b. II,
- 1, 413; «richtig? oder ist Isot : 7i6t zu lesen?» Die Hss. geben dafür kei-
- nen Anlaß. Wegen des Adverbiums antle ist der stilistischen Congruenz
- das Adverb note ganz angemessen, das Gottfried in anderer Bedeutung in
- V. 2177 anwendet. — 17863 ft/oren swv., nähren, erziehen. — 17864 Futur-
- wendung : wenn man sie nähren wird , nähren will (vgl. zu 3985), doch
- kann hier gerade einfache Umschreibung vorliegen, in der wirt = ist, also
- fuorende u-irt=fuoret. — 17865 hagen stm., (Hain), Dorn. — 17875 getriben
- stv., verst. trtben. — 17878 gehüeten swv., verst. hüeten. — 17881 über daz=.
- überdies, noch dazu, trotzdem.
- 252 XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN.
- daz si sich niemer mere
- so verrihtet an ir site,
- im hafte iemer etswaz mite
- des , daz der hagen hat getragen :
- wan iesä so der süre hagen 17890
- in also süezem gründe
- gewurzet z'einer stunde ,
- man wüestet in unsanfter da
- dan in der dürre und anderswä.
- Ich weiz wol, daz der guote muot, 17895
- der dem so lange unrehte tuet ,
- biz er mit übele unfrühtic wirt,
- daz der noch erger übel birt,
- dan der ie übel ist gewesen.
- deist war, wan daz hän ich gelesen. 17900
- durch daz so sol ein wise man
- und swer dem wibe ir eren gan,
- wider ir guotem muote
- dehein ändere huote
- ze ir töugenheite keren 17905
- wan wisen unde leren,
- zarten unde güeten:
- da mite sol er ir hüeten;
- und wizze wserliche daz,
- ern gehüetet ir niemer baz; 17910
- wan si si übel oder guot,
- der ir ze dicke unrehte tuot,
- si gevähet lihte ein muotelin,
- des man gern' äne wolte sin.
- ja sol ein ieclich biderbe man 17915
- und der ie mannes muot gewan,
- getrüwen sinem wibe
- und oucli sin selbes libe,
- (450) daz si aller slahte unmäze
- 17892 yewurzen swv. , verst. würzen, doch hier ge- perfect. = Aa< gewurzet.
- tüMrse«, Wurzel schlagen. — z'' einer stunde, zu einer Zeit, ganz entsprechend
- nnserm : einmal, in V. 16(i89 pl. z'einen stunden. — 17893 wüesten swv.
- trans., wüeste machen, verwüsten, ausrotten.
- 17896 der dern = sicer, wenn man, dem. — 17897 unfrühtec adj.^ Gegen-
- theil von frühtec (16463), aber nicht: unfruchtbar, sondern: übele Frucht
- tragend; etwa unser: schlecht tragend würde ähnlichen Doppelsinn haben.
- — 17907 zarten swv., zart, zärtlich sein. — güeten swv., gut, gütig sein. —
- 17913 muotelin stn. gevähen , ein wenig Mutli fassen , einen Eigensinn an-
- nehmen. — 17919 unmäze stf., Gegentheil von juäze (963), Unziemlichkeit.
- i
- XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN. 253
- dur sine liebe läzc. 17920
- swie dicke man's beginne,
- dem wibe enmag ir minne
- niemen üz ertwingen
- mit übelichen dingen:
- man leschet minne wol dermite. 17926
- huot' ist ein übel minnen site:
- si wecket scliädelichen zorn;
- daz wip ist gar dermite verlorn.
- Der oucli verbieten mölite lan,
- ich wiene, ez wsere wol getan: 17930
- daz birt an wiben manegen spot.
- man tuot der manegez durch verbot,
- daz man ez gar verbsere ,
- ob ez ünverboten waere.
- der selbe distel unde der dorn, 17935
- weiz got der ist in an geborn:
- die frouwen, die der arte sint,
- die sint ir muoter Even kint;
- diu brach daz erste verbot:
- ir erlöubete unser herre got 17940
- obez ünde bluomen unde gras,
- swaz in dem paradise was,
- daz si da mite tsete,
- swie so si willen hsete,
- wan eincz, daz er ir verbot 17945
- an ir leben und an ir tot;
- die pfaffen sagent uns msere,
- daz ez diu vige wtere:
- daz brach si und brach gotes gebot
- und verlos sich selben unde got. 17950
- ez ist euch noch min vester wäu,
- £ve enhsete ez nie getan,
- und enw?ere ez ir verboten nie.
- ir erste werc, daz si begie,
- dar an so büwete si ir art 17955
- und tete, daz ir verboten wart,
- swer sich aber der dinge enstät,
- so hspte es ßve guoten rät
- 17931 Spot stm., hier: Schniacli. — 17y.")5 f/üicen stv., hier: gründen,
- begründen, bildl. für: bewähren. —
- 254 XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN.
- (451) umbe daz obez daz eine;
- si höete doch gemeine 17960
- diu anderen alle
- nach allem ir gevalle,
- und enwölte ir keinez niuwan daz,
- dar an si ouch alle ir ere gaz.
- Sus sint si alle Even kint, 17966
- diu nach der Even gevet sint.
- hi, der verbieten künde,
- waz man der Even funde
- noch hiutes tages, die durch verbot
- sich selben liezen unde got! 17970
- und Sit in daz von arte kumet
- und ez diu nätiur' an in frumet,
- diu sich es danne enthaben kan,
- da lit vil lobes und ereu an.
- wan swelh wijd tugendet wider ir art, 17975
- diu gerne wider ir art bewart
- ir lop, ir ere unde ir lip,
- diu ist niwan mit namen ein wip
- und ist ein man mit muote;
- der sol man ouch ze guote, 17980
- ze lobe und ze eren
- alle ir sache keren.
- swä so daz wip ir wipheit
- unde ir herze von ir leit
- und herzet sich mit manne, 17985
- da höneget diu tanne,
- da balsemet der scherlinc;
- der nezzelen ursprinc
- .der roset ob der erden.
- 17962 gevalle dat. von geval stm., Gefallen stm.; ferner im Keime in V.
- 18057. — 17964 yaz=-geaz ; geezzen mit den Formen findet sich nicht in den
- Hss. geschrieben , die Synkope ist stets vollzogen [daher unser seltsames
- Part, gegessen],
- ndüßgeoet^geevet, nach Art der Eoe, Eva, gerathen; eine Gottfriedische
- Bildung. — der demonstr. = dirre , jener ; Artikel vor Eigennamen im Mhd.
- noch nicht gebräuchlich. — 17973 vgl. zu 12145. — diu=correl., wenn
- eine. — 17975 fügenden swv. hier ohne Object (vgl. zu 175), Tugend zeigen,
- tugendhaft sein. — 17983 wipheit stf., hier: das Weibsein, Weiblichkeit,
- ohne den ethischen Begriff von «Weiblichkeit», den das Wort in V. 10259
- hat, anstreifend an den Begriff: weibliche Schwäche. — 17985 herzen swv.
- refl. mit prsep, wzi< kann nur heißen : sich das Herz eines aneignen. — 17986
- honegen swv., hier: Honig tragen, geben, d. h. da träufelt anstatt Harzes
- die Tanne gegen ihre Natur Honig; vgl. zu 11888. — 17987 balsemen swv.,
- Balsam geben. — 17988 ursprinc stm., hier: Ursprung, Hervorsprossen im
- Sinne von: Wurzel. — 17989 rusen swv., Rosen tragen, zur Böse werden.
- XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN.
- Waz mag ouch ierner werden
- so reines an dem wibe,
- so daz si wider ir übe
- mit ir eren vehte
- nach ietweders rehte
- des libes unde der eren!
- si sol den kämpf so keren,
- daz si den beiden rehte tuo
- und sehe ietwederm also zuo,
- (452) daz daz ander da bi
- von ir iht versümet si.
- ezn ist niht ein biderbe wip,
- diu ir ere durch ir lip,
- ir lip durch ir ere lät,
- so guote State so si des hat,
- daz si s' beidiu behabe:
- enge noch dem noch disem abe,
- behalte si beide
- mit liebe und mit leide,
- swie so si'z ane gevalle.
- weiz got si müezen alle
- stigen in ir werdekeit;
- mit micheler arebeit
- bevelhe unde läze
- ir leben an die mäze;
- da besetze ir sinne mite,
- da ziere mite lip unde site;
- mäze diu here
- diu heret lip und ere.
- Ezn ist al der dinge dehein,
- der ie diu sünne beschein,
- so rehte saelic so daz wip,
- diu ir leben unde ir lip
- an die mäze verlät,
- sich selben rehte liebe hat;
- und al die wile und al die frist,
- daz si ir selber liep ist,
- so ist der billich ouch derbi,
- daz si äl der werlde liep si.
- 255
- 17990
- 17995
- 18000-
- 18005
- 18010
- 18015
- 18020
- 18025
- 18000 versumen swv. , versäumen, vernachlässigen.
- ti8ch = 5i enye, si behalte; ebenso 18013 fg.
- 18005 fg. ellip-
- 256 XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN.
- ein wip, diu wider ir libc tuot,
- diu so gesetzet ir muot, 18030
- daz si ir selber ist gehaz,
- wer sol die minnen über daz?
- diu selbe ir lip mim?eret
- und daz der werlt bewseret,
- waz liebe oder waz eren 18035
- sol iemen an die keren?
- man lescliet gelangen,
- so der beginnet angen,
- (453) und wil daz namelose leben
- dem geliereten namen geben. 180-iO
- nein nein, ez ist niht minne,
- ez ist ir sehtserinne,
- diu smaehe, diu böse,
- diu böse getelose,
- diu enwirdet wibes namen niht, 18045
- als ein wterlicliez Sprichwort gibt:
- (( diu manegem minne sinnet,
- diu ist manegem ungeminnet.»
- diu gerne da nach sinne
- daz si äl diu werlde minne, 18050
- diu minne sich selben vor,
- zeig' al der werlt ir minnen spor:
- sint ez durnähte minnen trite,
- al diu werlt diu minnet mite.
- Ein wip, diu ir wipheit 18055
- wider ir selber liebe treit
- der werlde ze gevalle,
- die sol diu werlt alle
- wirden unde schoenen,
- blüemen unde kroenen 18060
- mit tägelichen eren,
- ir ere mit ir meren.
- 18030 gesetzen swv., verst. setzen, liier wie unser: stellen (auf etwas),
- (dahin) richten. — 18039 namelos adj,, (namenlos), wesenlos. — 18042 oehta-
- rinne stf. [erhalten : ächten, Acht mit kurzem Vocal], Verfolgerin, Feindin.
- — 18043 sma'Iie adj. subst., schmählich, verächtlich. — böse adj. subst.
- Nebenform von hcese [erhalten in: Bosheit], böse, gemein. (Paul nimmt
- Anstoß an der Form böse und ändert.) — ISOii g et e lös adj. subst., (eigent-
- lich gattenlos, genossenlos), ungebunden, zügellos, lüderlich. Paul (Ö. 30)
- nimmt getelmse als svibst. an, Zügellosigkeit , Lüderlichkeit und schreibt
- beidemal boßse. — 18047. 18048 ohne Zweifel Paraphrase des Spruches von
- Publius Syrus: mulier quae mtdtis mtbit , multis non placef; s. Haupt zu
- Engelhard 1005.
- <
- XXIX. SCHEIDEN UXD ]MEIDEN. 257
- an swcn oucli diu genendet,
- an den si gar gewendet
- ir lip uude ir sinne, 18065
- ir meine unde ir minne,
- der wart S£elic ie geborn,
- der ist geboren unde erkorn
- ze lebenden sselden alle wis,
- der hat daz lebende paradis 18070
- in sinem herzen begraben;
- der endärf deheine sorge haben,
- daz in der hagen iht ange,
- so er nach den bluomen lange ;
- daz in der dorn iht steche, 18075
- so er die rosen breche,
- da enist der hagen noch der dorn:
- da enhät der disteline zorn
- (454) mitalle niht ze tuone.
- diu rosine suone 18080
- diu hat ez allez üz geslagen:
- dorn unde distel unde hagen.
- in disem paradise
- da entspringet an dem rise ,
- cngruonet noch cnwahset niht, 18085
- wan daz daz ouge gerne siht.
- ez ist gar in blüete
- von wiplicher güete;
- da enist niht obezes inne
- wan triuwe unde minne, 18090
- er' unde wertlicher pris.
- Ahi, ein so getan pardis,
- daz alse fröudebsere
- und so gemeiet wsere,
- da möhte ein seliger man 18095
- sines heizen sajlde vinden an
- und siner ougen wunne sehen,
- waz wrere ouch dem iht ^virs geschehen
- dan Tristand' unde Isolde?
- 1S063 genenden swv. hier mit proep. an c. acc, einem gegenüber Muth
- fassen, sich an einen wagen, einem sich nahen. — 18078 distelin adj. {disteln
- abgekommen], von Disteln, distelartig. — 18030 rosin adj., rosig. — 18081 &z
- ila/ien stv., abschlagen, ausrotten.
- ISOdi tjetiieiet -pait. &dj., wie der Mai angethan, etwa: lenzverschönt.
- GOTTFRIED VON STEASSBTJEG. 11. 2. Aufl. 17
- 258 XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN.
- (1er rair's gevolgen wolde, 18100
- ern dörfte nilit sin leben geben
- nmb' delieines Tri'ständes leben;
- wan zwäre ein rehte tuonde wip,
- an swen diu lät er' unde lip
- und sich der beider dar bewiget, 18105
- hi, wie si des von herzen pfliget!
- wie hat siii in so süezer pflege!
- wie rumet s' alle sine wege
- vor distele und vor dorne,
- vor allem senedem zorne! 18110
- wie friet si'n vor herzenöt,
- so wol so nie dehein Isot
- deheinen ir Tristanden baz.
- und hän ez ouch benamen vür daz:
- der suochte, also er solde, 18115
- ez lebeten noch Isolde,
- an den man ez gar funde,
- daz man gesuochen künde.
- (455) Nu suln wir wider zer huote komen.
- den gelieben, alse ir habet vernomen, 18120
- Isöte und Tristande
- den was diu huote als ande,
- verbot daz tete in alse we,
- daz si alse flizeclichen e
- z'ir State nie gedähten, 18125
- biz si'z ouch voUebrähten
- nach allem ir leide:
- si gewünnen es beide
- leit unde totliche klage.
- Ez was an einem mitten tage 18130
- und schein diu sunne sere:
- leider üf ir ere.
- zweier hande sunnen schin
- der gleste der künigin
- in ir herze und in ir sinne, 18135
- diu sunne und diu minne,
- 18118 gesuochen swv., verst. auochen, suchen.
- XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN. 259
- (1er seuede muot, diu heize zit
- diu muoten si eiiwidersrit.
- sus wülte si dem strite,
- dem muote unde der zite 181-iO
- mit einem liste entwichen sin
- und viel enmitten dar in.
- si begünde in ir boumgarten
- ir gelegenheite warten:
- si suochte zuo ir State schate, 18145
- schate, der ir zuo ir State
- schirm unde helfe bsere,
- da kiiele und eine woere.
- und al zehant daz si den vant,
- si hiez ein bette dar zehant 18150
- rilich und schoene machen:
- kulter und lilachen,
- purper unde bliät,
- küniclicher bettewät
- wart über daz bette vil geleit. 18155
- nu daz daz bette was bereit,
- sö'z iemer beste künde,
- dö leite sich diu blunde
- (45G) in ir hemede dar an.
- die juncfrouwen hiez si dau 18160
- entwichen al gemeine
- niwan Brangsenen eine.
- Xu was Tristande ein böte getan,
- daz er'z durch niht solte län,
- ern sprceche Isöte sä ze stete. 18165
- uu tete er rehte als Adam tete:
- daz obez, daz ime sin Eve bot,
- daz näm er und äz mit ir den tot.
- er kom, und gie Urangoine hin
- zen frouwen und saz nider zuo z'in 18170
- mit angeslicher swa^re.
- si hiez die kameriere
- all^ die türe besliezen
- und niemen ouch in liezcn.
- 18148 eine stf., Einsamkeit. — lS\i)2 lult';r stir., Polster, hier aber
- ■wohl insbesondere: Matratze des Unterbettes. — lilacfien=:linlachen stn.,
- eigentlich: Leinentx;ch, Leilach, Bettuch = Octteluclien 1Ö19S und iettewät.
- 17*
- 260 XXIX, SCHEIDEN UND MEIDEN.
- si selbe cnhieze in in län. 18175
- die türe die wurden zuo getai,.
- und als Brangsene nider gesaz .
- nü bedähte si daz
- und betrurte in ir muote,
- daz vorlite noch huotc 18180
- an ir frouwen niht vei'vie.
- Innen disen trahteu gie
- der kameraer' einer vür die tür
- und was so schiere nie dervür,
- der künec engienge gegen im in 18185
- und frägete nach der künigin
- vil harte unmüezecliche.
- nu sprach ir iegeliche:
- «si släfet, herre, ich wsene.»
- diu verdahte Brangsene, 18190
- diu arme erschrac unde gesweic,
- ir houbet üf ir ahsel seic,
- hend' unde herze enphielcn ir.
- der künec sprach aber: anu saget mir,
- wä släfet si, diu künigin?') 18195
- si wisten in zem garten in;
- und Marke kerte hin zehant,
- da er sin herzeleit da vant:
- (457) wip unde neven die vander
- mit armen zuo ein ander 18200
- geflöhten nähe und ange.
- ir wauge an sinem wange,
- ir munt an sinem munde.
- swaz er gesehen künde,
- daz in diu decke sehen lie, 18205
- daz für daz deckelachen gie
- ze dem oberen ende:
- ir arme unde ir hende.
- 18181 vervähen stv. an einem, bei einem anschlagen, ausrichten,
- nützen.
- 18182 Innen adv. prsep., hier abstract zeitlich: während; vgl. zu 8814. —
- 18187 unmüezecliche adv., unmüfJig, mit Unmufje, schnell, hastig. — 1818S ir
- ie gelic/ie, iegeViche, iegÜche schreiben alle Hss. Wilhelm Grimm schlägt
- «Zur Geschichte des Keims» S. 527 vor zu schreiben: ir gplic/ie, einer von
- ihnen, nämlich von den kamerauren {geliche swm., eigentlich: der einem
- gleich ist, ein solcher), ie auszuwerfen scheint aber gewagt; ir iegeliche
- bezieht sich auf die Jungfrauen, die Zofen : jede von ihnen, d. h. eine wie
- die andere.
- XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN. 261
- ir all sei umle ir Iirustbein
- diu wären also uäbe enein 18210
- getwimgen iinde geslozzen,
- und wsere ein werc gegozzen
- von ere und von golde,
- ez endörfte noch ensolde
- niemer baz gefüeget sin. 18215
- Tristan und diu künigin >
- die sliefen harte suoze,
- i'ne weiz, nach waz unmuoze.
- Der künec dö er sin ungemach
- sus oifenbserliche ersach, 18220
- dö was im erste vür geleit
- sin endeclicliez herzeleit.
- er was ab ein verrihter man:
- wän unde zwivel was do dan,
- sin altiu überleste; 18225
- ern wände niht, er weste:
- des er da vor ie hrete gegert,
- des was er alles dö gewert,
- entriuwen, ez ist aber min wän,
- im haete dö vil baz getan 18230
- ein Wccnen danne ein wizzen.
- des er ie was geflizzen
- ze komene von der zwivelnöt,
- dar an was dö sin lebender tot.
- sus gieng er swi'gende dan; 18235
- sinen rät und sine man
- die nam er suuder dort hin.
- er huop üf unde seite in,
- (458) daz ime gesaget waere
- vür ein wärez msere, 18240
- daz Tristan und diu künigin
- bi ein ander selten sin,
- daz si alle mit im giengon dar
- und nsemen umbe si beidiu war,
- und ob man s' also funde da, 18245
- 1S'_'23 eerriht, verrihtet part. adj. — ein verr. man ist nicht nach Groote
- •«ein rathloser, verlorener, sich ganz aufgebender Mann», sondern im
- (iegentheile ein wohl berichteter, auf die rechte Spur, ins Reine gekom-
- mener Mann, was dann die folgenden Verse kundgeben. — 18225 überleste
- stf., übermäßige Last; vgl. zu 10SG2. — 18238 uf heben stv. = anheben,
- beginnen. —
- 262 XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN.
- relit unde gerihtc tsete,
- also daz lantrcht lijete.
- Nunc was oiicli daz so scliiere nie,
- daz Marke von dem bette gie 18250
- und harte unverre was dervan,
- so daz erwacliete ouch Tristan
- und sacli in von dem bette gän.
- «ä», sprach er, cwaz habt ir getan,
- getriuwe Brangsene! 18255
- weiz got, Brangsene, ich wsene,
- diz släfen gät uns an den lip.
- Isöt wachet, armez wip 1
- wachet , herzekünigin !
- ich wsene, wir verraten sin.» 18260
- «verraten?» sprach si «herre, wie?»
- «min herre der stuont obe uns hie:
- er sach uns beide, und ich sach in.
- er get von uns iezuo da hin ,
- und weiz benamen alse wol, 18265
- so daz ich ersterben sol;
- er wii ze disen dingen
- helf unde geziuge bringen:
- er wirbet unseren tot.
- herzefrouwe, schcene Isot, 1S270
- nu müeze wir uns scheiden
- so wsetlich, daz uns beiden
- so guotiu State niemer me
- ze fröuden widervert als e.
- nu nemet in iuwer sinne, 18275
- wie lüterliche minne
- wir haben geleitet unze her,
- und seht, daz diu noch staete wer;
- (-459) lät mich üz iuwerm herzen niht!
- wan swaz dem mihem geschiht, 18280
- 18247 reht stn. und gerihte stn. hier synonym und in der Bedeutung von
- ^er/Z/^einV. 15524: Sühne und Genugthuung. i^'^e alsdann = nhd. verschaffte.
- 18249 fg. so schiere wie = kaum wie in V. 17631 mit zunächst folgen-
- dem, sich an van anschließenden daz v/ie in der modernen Sprache und
- mit dem den Nachsatz beginnenden ao daz, wo wir mit: so ausreichen. —
- 18268 geziuge nach dem mhd. \Vb. III, 918 plur. von geziuc stm. in der Be-
- deutung: Zeugniss, Beweis. Das wäre sehr abstract; wenn auch helfe an
- sich ebenfalls ein Abstractiim ist, so ist es doch in solcher Verbindung
- wie unser: Hülfe auch concret gedacht = Ae(/tt're. Geziuge ist vielmehr
- Plur. von geziuc in der Bedeutung: Zeuge, wie es auch die Übersetzer
- nehmen. —
- XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN. Zbö
- üz enkiimet ir iiiemer:
- Isöt diu muoz iemor
- in Tristandes herzen sin.
- nu sehet, herzefriundin,
- ■daz mir fremde und verre 18285
- iemer hin z'iu gewerre!
- vergezzet min durch keine not.
- duze amie, bele Isöt,
- gebietet mir und küsset mich!»
- Si trat ein lützel liinder sich, 18290
- siuftende sprach si wider in:
- uherr', unser herze und unser sin
- diu sint dar zuo ze hinge,
- ze anclich und ze ange
- an ein ander verflizzen, 18295
- daz si iemer suhi gewizzen,
- waz under in vergezzen si.
- ir Sit mir verre oder bi,
- sone sol doch in dem herzen min
- niht lebenes noch niht lebendes sin 18300
- wan Tristan, min lip und min leben,
- herr', ich hän iu nu lange ergeben
- beidiu leben unde lip;
- nu sehet, daz mich kein ander wip
- iemer von iu gescheide, 18305
- wirn sin iemer beide
- der liebe unde der triuwe
- stsete unde uiuwe,
- diu lange und alse lange frist
- so reine an uns gewesen ist. 18310
- und nemet hin diz vingerlin:
- daz lät ein Urkunde sin
- 18284 — 86 sind uicht, wie ich anfaugs glaubte, ein Versprechen Tristan's
- im weiterfiUireuilen Anschluß an die zunächst vorhergehenden Zeilen,
- sondern eine Bitte an Isolt wie die Verse 1^275—79 und l'^287 — S'.). nx sefn't
- wie in V. 18278 u. ls.iiiö = nun seilt zu, achtet darauf, sorgt dafür, ver-
- haltet euch so. — 1828.') //v'(/tr/(? und vefre sind Substantiva: Fremde und
- Ferne, verre stf. im mhd. Vv^b. nicht verzeichnet, nur tv/ve stf. ; das Wort
- ist aber als Analogiebildung aus dem Adj. verre ganz spruchgemäß und
- kommt nach Bech's Naclnveise öfters vor. — 1828B iemer ebenso gut hier
- mit: jemals wie mit: niemals zu übersetzen. — ///« z'iu, hin nach euch, iu
- meinem Verhältniss zu euch. — Im Conj. yewerre (vgl. zu 142(i3. 975) liegt
- einigermaßen Futurbegriff; ebenso in wer in V. 18278 und in yescheide in
- V. 18305.
- 1^^290 hinder sich , wie noch in Mundarten : zurück. — 18206 (jewizzen
- swv., verst. witzen^ wie vorher in V. 17782, hier im Sinne von: erfahren,
- «lernen'). Kurtz. — 1S297 verijezzen ist subst.- i'ufiu. stn., Vergessen.
- 264
- XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN.
- der triuwen iinde der miniie,
- op ir deheine sinne
- iemer dar ziio gewinnet,
- daz ir an' mich iht niinnet;
- daz ir gedenket da bi,
- wie minem herzen iezuo si.
- (460) gedenket an diz scheiden,
- wie nähen ez uns beiden
- ze herzen und ze libe lit.
- gedenket maneger swaeren zit,
- die ich durch iuch erliten hän,
- und enlät iu niemen näher gän
- dan isold', iuwer friundin.
- durch niemen so vergezzet min:
- wir zwei wir haben liep unde leit
- mit solher gesellekeit
- her unz an dise stunde bräht:
- wir suln die selben andäht
- billichen leiten üf den tot.
- herr', ez ist allez äne not,
- daz ich iuch alse verre mane:
- wart isot ie mit Tristane
- ein herze unde ein triuwe,
- so ist ez iemer niuwe,
- so muoz ez iemei* stcete wern.
- doch wil ich einer bete gern:
- sw^elch enden landes ir gevart,
- daz ir iuch, minen lip, bewart;
- wan swenne ich des verwiset bin,
- so bin ich, iuwer lip, da hin:
- mir, iuwerm libe, dem wil ich
- durch iuwern willen, niht dur mich
- fliz unde schcene huote geben;
- wan iuwer lip und iuwer leben,
- daz weiz ich wol, daz lit an mir:
- ein lip, ein leben daz sin wir.
- 18315
- 18320
- 18325
- 18330
- 18335
- 18340
- 18345
- 16330 andäht stf., hier: Andenken. — 18331 vf prajp., hier: bis auf,
- bis an. — 1S341 verwiset^H und F (M fehlt, "W verweset). verwUen mit
- gen., von etwas verweisen, verbannen; hier die Wendung: wenn ich dem
- entzogen bin. Sollte nicht der Dichter poetischer verweiset gesagt haben,
- wie auch einige der Nebenhss. haben: wenn ich daran zur Waise geworden
- bin, wenn mir das erstorben ist? Auch Paul (.S. 10) erklärt sich für ver-
- weiset. — 1S345 für geben viüxdan wir jetzt in dieser Verbindung : (Sorgfalt
- und Beachtung) schenken gebrauchen. — 18347 ligen an einem [nhd. be-
- schränkter], hier: von einem abhängig sein, mit einem verbunden sein. —
- XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN. 265
- Uli bedenket ie genöte
- mich, iuwern lip, Isöte. 18350
- ]ät mich an iu min leben sehen,
- so ez iemer schierest müge geschehen,
- und seht ouch ir daz iuwer an mir.
- unser beider leben daz leitet ir.
- nu gät her unde küsset mich: 18355
- Tristan und Isöt, ir und ich,
- wir zwei sin iemer beide
- ein ding an' underscheide.
- (461) dirre küs sol ein insigel sin,
- daz ich iuwer unde ir min 183GO
- beliben staete unz an den tot,
- niwan ein Tristan und ein Isöt.»
- '5
- Xu daz diu rede versigelt wart.
- Tristan der kerte üf sine vart
- mit jämer und mit maneger not. 18365
- sin lip, sin ander leben Isot
- beleip mit manegem leide:
- die spilgesellen beide
- die geschieden sich e mäles nie
- mit solher marter alse hie. 18370
- Hie mite was ouch der künic komen
- und hsete ein her ze sich genomen
- von sinem hoveräte.
- si komen aber ze späte:
- si funden niwan Isöte; 18375
- diu lag ouch ie genöte
- in trabten an ir bette als e.
- nu daz der ktinec da niemen me
- wan eine sine Isöte vant,
- sin rät der nam in al zehant 18380
- und fuorte in sunder dort hin dan:
- uherreo, sprächen si «hier an
- missetüot ir harte sere,
- iuwer wi'p und iuwer ere,
- daz ir die z' alse maneger zit 18385
- 18359 insigel stn., hier: Besiegelung, Zeugniss, wie Urkunde iu V. 18312.
- 18363 versifjeln swv,, hier bildlich: besiegeln, bekräftigen (durch
- den Ku3S).
- 266 XXIX. SCHEIDEN UND MEIDEN.
- ziehende iiiule zogende sit
- ze lasterliclier inziht
- gar äne not und umbe nilit.
- ir hazzet ere iinde wip
- und allermeist iur selbes lip. 18390
- wie müget ir iemer werden fro,
- die wile ir iuwer fröude also
- an iuwerm wibe swachet
- und si ze spelle machet
- über hof und über lant, 18395
- und habet an ir noch niht erkant,
- daz Mider ir eren müge gesin?
- waz wizet ir der künigin?
- (462) war umbe velschet ir die,
- diu nie valsch wider iu begie? • 18400
- herre, durch iuwer ere
- getuot ez niemer mere :
- vermidet sus getanen spot
- durch iuch selben und durch got.»
- sus nämen si'n mit rede dervan, 18405
- daz er in volgen began,
- und aber siuen zorn lie
- und ungerochen dannen gie.
- 183'^6 ziehen stv. und zogen swv. (fi82) hier wortspielend nebeneinander
- wie in V. 5608: hin- und herziehen, ziehen und zof/en, hier: beschuldigen,
- bald auf diese, bald auf jene Weise. — I83fs7 ze (in solchen Fällen steht
- auch vf), auf, wegen. — inziht stf., hier nicht: Beschuldigung, sondern
- wie in V. 1ö40.t geradezu: Schuld, Verbrechen. — 18399 veUchen swv.,
- hier: verleumden. — 18408 ungerochen hier adj. part. pass. mit activer Be-
- deutung : ohne sich gerächt zu haben ; vgl. zu 10284.
- XXX.
- ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- Ti-istan begibt sich mit seinem Ingesinde nach der Normaudie, und
- ils er vernimmt, dali in Almanje ein großer Krieg sei, wendet er sich dort-
- lin und dient dem römischen Reiche mit Eitterlichkeit. — Unterdessen
- ebt Isolt daheim in großem Leide. Wie sehr sie des Geliebten Entfer-
- i\ung betrauex't, so ergibt sie sich darein, weil sein Kommen ihm gefahr-
- irohend sei und weil er in der Fremde sich ihr erhalte. — Xach einem
- lialben Jahre und darüber kehrt Tristan aus Almanje nach der Normandie
- zurück und begibt sich iiach Parmenien zu den Söhnen Eual's. Ihn selbst
- and seine Pflegemutter Flora?te findet er nicht mehr am Leben. Längere
- Zeit verweilt Tristan bei Rual's Söhnen und vertreibt mit ihnen die Zeit
- lurch Turnier und Jagd.
- Zwischen Eritannie und Engeland war ein Herzogthum gelegen mit
- S'amen Arundel. Der alte Herzog Joveliu und die Herzogin Karsie hatten
- äinen Sohn, Kaedin geheißen, und eine Tochter, Isolt mit den weißen
- Händen. Tristan hört, in Arundel sei Krieg und, um sein Leid zu ver-
- gessen, fährt er dahin und findet als wohlberühmter Held bei dem Landes-
- lierrn ehrenvolle Aufnahme. Mit dem jungen Kaedin schließt Tristan
- jinen Freundschaftsbund. .Diese beiden ziehen dem Feinde entgegen, und
- Tristan ruft die Söhne Eual's zu Hülfe. Kaedin und Tristaix bleiben Sie-
- Ejer, die Fülirer der Feinde werden gefangen. Dadurch wächst Tristan's
- Ansehen bei Hofe und im Lande. — Kaedin's Schwester Isolt erregte Tri-
- stan's Aufmerksamkeit und Wohlgefallen. Durch ihren Namen wird er
- beständig an die blonde Isolt von Irland erinnert. So bereitete Isolt
- Weißhand ihm Freude und zugleich Trauer. Auch sie war ihm hold und
- so begegneten sie sich in ihrer Neigung. Aber in einsamer Stunde klagt
- Tristan sich der Untreue an, und dennoch flieht er nicht die Gegenwart
- der weißhändigen Isolt. Er verkürzt ilir die Zeit durch Saitenspiel und
- Gesang. Er dichtet auch den werth gelialtenen Leich Tristan. Eines sei-
- ner Liedlein besingt im Eefrain seine Geliebte Isolt; darum glauben alle,
- er meine damit ihre Isolt. In Tristan's Herzen kämpft die alte Neigung
- mit der neuen, die Liebe mit der Treue. Aber die Treue gibt er auf, weil
- sie ihm kein Heil bringe. Er sei schlimmer daran als sie, die blonde
- Isolt, sie sehne sich nicht so nach ihm wie er nach ihr. Sie habe ihren
- 268 XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- Freund, ihren Herren Marke, er sei allein. Warum sende sie niclit nach
- ihm, da sie ihn so leicht finden könne? Um ihretwillen meide er alle
- andern Frauen und müsse darum jeder Lebensfreude entbehren.
- (Mit diesem Selbstgespräche bricht Gottfried's Gedicht ab).
- iristan ze herbergen kam,
- sin ingesinde er allez nam 18410
- linde zogete sich mit in
- wol balde gegen der habe hin.
- daz erste schif, daz er da vant,
- dar in so kerte er al zehant
- und fuor ze Normandie 18415
- er und sin massenie.
- nu was er aber unlange da,
- wan sin gemüete riet im sä,
- daz er etswie suochte ein leben,
- daz ime libunge künde geben 18420
- und trost ze siner triure.
- hie merket äventiure:
- Tristan floch arbeit unde leit
- und suochte leit und arebeit;
- er floch Marken unde den tot 1842(>
- und suochte die tötliche not,
- diu in in dem herzen tote,
- diu l'remede von Isote.
- waz half, daz er den tot dort floch
- und hie dem tode mite zoch? 18430
- waz half, daz er der quäle
- entweich von Kurnewäle,
- und si im doch üf dem rucke lac
- alle zit naht unde tac?
- dem wibe nerte er daz leben, 18435
- und was dem lebene vergeben
- m'uwan mit dem wibe.
- ze lebene und ze libe
- (463) enwas niht lebendes sin tot
- 18420 libuny/e stf. (zu beliöefi, bleiben), Kühe, Schonung; im mhd. Wb.
- I, 969 nur in der Zusammensetzung underlVjunye nachgewiesen. Paul will
- das hsl. libunye (in M H u. F) in licbtinye ändern; dessen Sinn sein müsste:
- Erquickung und Erfreuung (wie das moderne: Beliebung). — 18430 mite
- ziehen mit dat. = einem nachziehen. — 1843G das Subject ist nicht er,
- sondern das verschwiegene ez (was). — (lern lebene ^=sine)n l. — vergeben
- hier in anderer Construction als in V. 12500: mir ist very. mit . . . ich
- bin vergiftet mit . . ., ich trage durch etwas den Todeskeim in mir:
- vgl, 1S548. —
- XXX. ISOT ALS FLANSCHE MAINS.
- niwau sin beste leben, Isöt:
- BUS tvvang in not iinde tot.
- nu gedähte er, solte im disiii not
- iemer üf der erden
- so tragebaere werden,
- daz er ir möhte genesen,
- daz müese an ritterscbefte wesen.
- Nu was ein lantmaere,
- daz groz urliuge wsere
- ze Almänje in dem lande,
- diz Seite man Tristande.
- sus kerte er wider Schampänje
- dännen ber ze Almänje.
- bie diente er alse scbone
- dem zepter unde der kröne ,
- daz roemescb riebe nie gewan
- linder sinem vanen einen man,
- der ie würde als sagebaft
- von manlicber ritterscbaft.
- gelückes unde linge
- an manlicbcm dinge
- und äventiure erwarp er vil,
- der icb aller nibt gewäbenen wil;
- wan solte icb alle sine tat,
- die man von ime gescbriben bat,
- reeben al besunder,
- des magres würde ein wunder,
- die fabeleu, die bier under sint,
- die sol icb werfen an den wint:
- mir ist docb mit der wärbeit
- ein micbel arbeit üf geleit.
- Tristandes leben und sin tot,
- sin lebender tot, diu blunde tsot,
- der was we und ande.
- des tages do si Tristande
- 2GU
- 18440
- 18445
- 18450
- 18455
- 18460
- 18465
- 18470
- 18440 niv.'on adv., hier = M-'a«, als.
- 1.S4")4 vgl. zu .3328. — 18457 sageliaft adj., berühmt. — 18467 fabelen
- sind nicht, wie es auf den ersten Blick scheint, Fabeln in unserm Sinne,
- unwahre Geschichten, sondern überhaupt : Geschichten und im Zusammen-
- hange: unnütze. — i8468 an den vint ivcrfen, eine Wendung ähnlich der
- uuseru: in den Wind schlagen für: gUichgültig behandeln, unbeachtet
- lassen. — 1S469 doch adv., hier: ja doch, ohnehin.
- 270 XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- und sinem kiele «ach sach, 18475
- daz ir daz herze do niht brach,
- daz schuof daz, daz er lebende was.
- sin leben half ir, daz si genas;
- (464) sine möhte leben noch sterben,
- äne in niht erwerben. 18480
- tot unde leben h?et' ir vergeben:
- sine möhte sterben noch geleben.
- daz lieht ir liebten ongen
- daz nam sin selbes loiigen
- oft' und ze maneger stunde. 18485
- ir zunge in ir munde
- diu gesweic ir dicke ze der not:
- dane was weder leben noch tot
- und wären doch da beide.
- si wären aber von leide 18490
- ir rehtes also rehtelös,
- daz si dewederez da kos.
- do si den segel fliegen sach,
- ir herze wider sich selben sprach:
- aOwi, owi, min her Tristan, 18495
- nu klebet iu min herz' allez an,
- nu ziehent iu min ougen nach,
- und ist iu von mir harte gäch.
- wie gäbet ir alsus von mir?
- nu weiz ich doch vil wol, daz ir ^ 185CO
- von iuwerm lebene ziehet,
- swenn' ir Isolde fliehet;
- wan iuwer leben daz bin ich.
- iht mere müget ir äne mich
- iemer geleben deheinen tac, 18505
- dan ich an' iuch geleben mac.
- unser lip und unser leben
- diu sint so sere enein gewebeu,
- so gar verstricket under in,
- daz ir min leben füeret hin , 18510
- und läzet mir daz iuwer hie.
- 18481 vergehen stv. steht hier wie in V. 12500, nur hier mit bestimmterem
- Subject. Kurtz: ^Beides (Leben und Sterben) war ihr mit Gift vergeben.»
- Simrock behält: «vergeben« bei, wodurch der Satz unklar wird. — 16484 low-
- yen stn. nemen, sich verleugnen, d. h. aufhören.
- XXX. ISOT ALS BLANSCHB MAINS.
- 271
- zwei leben diu eiiwurdeu nie
- alsus gemischet iinder ein.
- wir zwei wir tragen und er uns zwein
- tot unde leben ein ander an;
- wan unser dewederez enkan
- ze rehte sterben noch geleben,
- ez enmüeze ime daz ander geben.
- (465) hie mite enist diu arme Isot
- noch lebende noch rehte tot.
- i'ne kan weder dar noch dan.
- 18515
- 18520
- Nu herre, min her Tristan,
- Sit daz ir mit mir alle zit
- ein lip unde ein leben sit,
- so sult ir mir ouch lere geben,
- daz ich behabe lip unde leben
- iu z'aller erste, dar nach mir.
- nu leret an! wes swiget ir?
- uns wsere guoter lere not.
- waz rede ich sinnelose Isot?
- Tristandes zunge und min sin
- die varnt dort mit ein ander hin.
- Isöte lip, isöte leben
- diu siut bevolhen unde ergeben
- den segeln unde den winden,
- wä mtig ich mich nu vinden?
- wä mag ich mich nu suochen, wä?
- nu bin ich hie und bin ouch da
- und enbi'n doch weder da noch hie.
- wer wart ouch sus verirret ie?
- wer wart ie sus zerteilet me?
- ich sihe mich dort üf jenem se
- und bin hie an dem lande,
- ich var dort mit Tristande
- und sitze hie bi Marke,
- und kriegent an mir starke
- beidiu tot unde leben:
- mit disen zwein ist mir vergeben,
- ich stürbe gerne, möhte ich;
- nü enlät er aber mich,
- 18525
- 18530
- 18535
- 18540
- 18545
- 18550
- 18526 behüten swv., hier: behalten. — 1S528 an leren swv. , zu lehren
- beginnen. —
- 272
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- an dem min leben behalten ist.
- nune mag ich ouch ze dirre frist
- weder mir noch ime geleben v/ol,
- Sit daz ich äne in leben sol.
- er lät mich hie, und vert er hin
- und weiz wol, daz ich äne in bin
- reht' innerhalp des herzen tot.
- 18555
- Weiz got diz rede ich äne not;
- (466) min leit ist doch gemeine,
- i'ne träge ez niht al eine :
- ez ist sin alse vil so min,
- und wsene ez ist noch mere sin.
- sin jämer und sin pine
- diu ist grcezer dan diu mine:
- daz scheiden, daz er von mir tuot,
- beswseret mir daz minen muot,
- ez swceret noch den sinen me.
- tuot mir daz in dem herzen we,
- daz ich sin hie bi mir enbir,
- ez tuot im noch wirs danne mir.
- klage ich in, so klaget er mich,
- und klaget er niht billiche als ich,
- ich wil mir wol ze rehte sagen,
- daz ich mir trüren unde klagen
- billiche nach Tristande nime;
- wan min leben daz lit an ime,
- da wider so lit an mir sin tot.
- durch daz so klaget er äne not.
- er mac vil gerne von mir varn,
- sin ere und sinen lip bewarn:
- wan solte er lange bi mir wesen,
- so enkünde er niemer genesen.
- durch daz sol ich sin haben rät;
- swie rehte nähen ez mir gät,
- ern sol durch den willen min
- sin selbes niht in sorgen sin.
- mit swelher not ich sin enber,
- mir ist doch lieber vil, daz er
- gesundes libes von mir si,
- 18560
- 18565
- 18570
- 18575
- 18580
- 18585
- 18551 behalten sin, hier: bewahrt, zur Bewahrung übergeben, aufgehoben sein.
- 18565 vgl. zu 937. — 18572 und conj., hier: und doch. —
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS. 273
- dan er mir also wa?re bi, 18590
- daz ich mich des versa^he,
- daz im schade bi mir geschaehe;
- wan weizgot swer ze sinem fromen
- mit siues friundes schaden wil komen,
- der treit im kleine minne. 18595
- swaz schaden ich sin gewinne,
- ich wil Tristandes friundin
- gern' äne sineu schaden sin;
- (467) daz ime sin dinc ze liebe erge,
- i'ne rüoche, und ist mir iemer \ve: 18600
- ich wil mich gerne twingen
- an allen minen dingen,
- daz ich min unde sin entwese,
- durch daz er mir und ime genese.»
- 1)6 Tristan, alse ich iezuo las, 18605
- ze Almänje gewesen was
- ein halp jär oder mere,
- nu belangete in vil sere
- hin wider in die künde,
- da er etswaz befünde, 18610
- waz der lantma^re
- von siuer frouwen wsere.
- in sinem muote er sich beriet,
- daz er von Almänje schiet
- und aber sine reise nam 18615
- da hin, von dannen er dar kam,
- hin wider ze Normandie,
- dannen ze Parmenie
- hin ze Rüäles kinden.
- in selben wände er vinden 18620
- und wolte im künden sine not.
- leider nü was er ab tot,
- er und sin wip Florsete.
- sine sünc, die er ab hsete.
- 18600 ritochen mit Negation, sich nicht kümmern, sich aus etwas nichts
- machen, einem gleichgültig sein, resignieren. — und, natürlich wieder
- conj. relat.: wenn, wenn auch; ebenso ist daz im vorhergehenden Verse
- nicht mit Simrock als: damit aufzufassen, sondern = indem, wenn: wenn
- er nur glücklich ist, dann ist es mir gleich, wenn ich fortan auch Leid
- erdulde. — 1SG03 cntwesen stv. mit gen., einer Sache beraubt sein, sie ent-
- behren müssen.
- 1S60S mich belang et ■=mich. verlangt, ich sehne mich; vgl. 12370.
- GOTTFKIED VON STRASSBÜRG. 11. 2. Aufl. IS
- 274
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- daz sult ir wizzen, daz die dö 18625
- von inneclichem herzen frö
- Tristandes künfte wären,
- der antfanc, den si'ni baren,
- der was rein' unde süeze:
- sine hende und sine füeze, 18630
- sin Ollgen unde sinen munt
- die kusten si ze maneger stunt.
- aherre», sprächen si zehant
- «got hat uns an iu wider gesant
- beidiu vater und muoter. 18635
- getriuwer herre guoter,
- nu läzet iuch hie wider nider
- und habet iu daz ailez wider,
- (468) daz iuwer und unser solte wesen,
- und lät uns hie mit iu genesen, 18640
- als unser vater mit iu genas,
- der iuwer ingesinde was,
- als euch wir iemer gerne sin.
- unser muoter iuwer friundin
- und unser vater sint beidiu tot; 18645
- nu hat got unser aller not
- genaedecliche an iu bedäht,
- daz er iuch uns her wider hat bräht.»
- Der trüreere Tristan
- der haete aber hie van
- triur' unde michel ungehabe.
- er bat sich wisen zuo ir grabe,
- da gienc er trürende hin,
- da stuont er guote wile ob in
- weinende unde klagende,
- siniu klägemsere sagende,
- er sprach vil innecliche:
- «nu erkenne ez got der riebe,
- sol ez iemer dar zuo komen,
- als ich von kinde hän vernomen,
- daz triuwe und ere werde
- begraben in der erde,
- so ligent si beidiu hie begraben;
- 18650
- 18655
- 18660
- 18628 ant/anc = B.s. M; vgl. zu 487.
- 18652 sich refl. wie im Lat. se , im Nhd. dafür: ihn bei: bitten, bei:
- lassen ebenfalls : sich. —
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS. 275
- und sol ouch triuwe und ere haben
- mit gote gemeine, also man gibt, 18665
- sone zwivel ich zewäre niht
- und ist benamen kein loiigen,
- sine sin vor gotes ougen:
- Küal und Floraete,
- die got der werlt so haete 18670
- gewerdet unde geschoenet,
- die sint ouch dort gekroenet,
- da diu gotes kint gekroenet sint.»
- diu saelegen Rüäles kint
- diu leiten do Tristande vür 18675
- mit vil durnähter willekür
- ir hiuser, ir lip unde ir guot
- und alse dienesthaften muot,
- (469) so si iemer beste künden.
- si wären z'allen stunden 18680
- sinem dienste uudertän:
- swaz er gebot, daz was getan
- an iegelichen dingen,
- diu si möhten vollebringen:
- si fuoren mit im schouwen 18685
- ritter unde frouwen;
- si dienten ime ze manegen tagen
- turnieren, birsen unde jagen,
- swaz kurzewile er wolte pflegen.
- Nu was ein herzentuom gelegen 18690
- zwischen Britanje und Engelaut,
- daz was Arundel genant
- und stiez daz üf daz mer also,
- da was ein herzöge dö
- frech unde hövesch und wol getaget, 18695
- dem hseten, als di istorje saget,
- 186G5 gemeine hier Bubst. stf. wie in V. 8014. — 18688 die Infinitive sind
- accusativisch zu fassen abh, von dienen (die Herausgeber setzen Komma
- nach tagen, wodurch der Zusammenhang leidet); nhd. dafür: dienen mit
- pr?ep. mit, in.
- 18690 herzentuom {=Hs. M und ii) = herzogentuom (Hs. W. und P)
- stn., nhd. Herzogthum [vgl. Bisthum = Eischofthum]. —
- 18*
- 276 XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- sin iimbesgezen starke
- sin gerillte und sine marke
- verurliuget unde benomeu.
- si hseten in gar üborkomen 18700
- beid' üf dem lande und üf dem mer.
- vil gerne lisete er sich ze wer
- gesetzet, nü enmohter.
- einen sün und eine tohter
- hset' er von sinem wibe; 18705
- an lugenden unde au libe
- ■wären si beidiu vollekomeu.
- der sun der lisete swert genomen
- und was dar an verflizzen gar.
- da mite lisete er wol driu jär 18710
- vil lobes und eren bejaget.
- sin swester was schoen' unde maget
- und liiez Isot als blansche mains,
- ir bruoder Käedin li frains,
- ir vater der herzog Jovelin; 18715
- ir müoter diu herzogin
- diu was genant Karsie.
- Nu man ze Parmenie
- (470) gesagete Tristande,
- daz urliug' in dem lande 18720
- ze Arundele woere,
- er gedähte siner sw?ere
- aber ein teil vergezzen da.
- von Parmenie fuor er sä
- hin wider Arundele 18725
- gegen einem kastele,
- da er des landes herren vant:
- daz was Karke genant.
- da kerte er z'allererste hin.
- herr' unde gesinde enpfiengen in, 18730
- 18398 gcrihte stn., hier: Gerichtsbarkeit, Bezirk. — mar'kc stf., (Grenze),
- hier synonym mit gerihte: Bezirk, Land. — 18699 verurli)i(jcn swv,, durch,
- Krieg (338) vernichten [vgl. verheeren]. — 18700 M6(?rA:ome« stv., hier : über-
- winden, zwingen. — 18713 als franz. = ä les (neufranz. aux). — blansche
- (man erwartet blanchcs) pl. franz. blanche, blank, weiß. — mams=: neu-
- franz. Hier die franz. Bezeichnung wie ferner in V. 19048 für: mit den
- weißen Händen; übersetzt mit den wizen, blanken handen 189G1. 19290;
- außerdem: diu wUgehande 19388. — 18714 frains adj. subst. franz., aus
- francnsl oder aus /ra.r?«z
?
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS. 277
- als man ze not den biderben sol.
- si erkänden in von sage wol:
- Tristan, als uns daz maere seit,
- der was von siner manlieit
- in al den inseien erkant, r8735
- die wider Occene sint gewant.
- durch daz wären sin dise frö.
- der herzöge ergap sich dö
- sinem rate und siner lere.
- sin laut und sin ere 18740
- da bat er in herre über sin.
- sin sun der hövesche Käedin
- was sere an in verflizzen:
- swar an er mohte wizzen
- sine wirde und sin ere, 18745
- dar an fleiz er sich sere,
- da stuont al sin gedanc hin.
- si zwene wären under in
- alle stunde und alle zit
- enwette unde enwiderstrit 18750
- wider ein ander dienesthaft:
- triuwe unde geselleschaft
- gelobeten si zwen' under in zweiu
- und behielten ouch die wol enein
- unz an ir beider ende. 18755
- Tristan der eilende
- Käedinen er zuo sich nam,
- an den herzogen er kam ,
- (471) er vorschete unde bat im sagen,
- sin kriec, wie sich der dar getragen 18760
- von sinen vinden hsete,
- von wannen man im tsete
- 1S731 ze not übersetzt Zarncke im mhd. Wb. II, 1, 410: owenn man in
- Notli ist»; also mit Beziehung auf die bedrängte Lage des Landes; ebenso
- die Übersetzer: uin Noth«; oder vielleicht ze not allgemeiner und formel-
- haft: mit Nöthigung, pflichtgemäß, mit Recht? — 18732 von sage stf. (137),
- aus der Sage, dem Gerüchte, entsprechend unserm: von Hörensagen. —
- 18736 Occcne (occene = IIs. H, W u. F; Hs. M weicht dem Worte aus) er-
- klären Groote und Hagen mit: Occident und schreiben es, -wie auch nach
- ihnen Maßmann, demgemäß klein (eine Nebenhs. hat auch occidenten).
- Kurtz: «Occene» mit Erklärung in den Anmerkungen, das Wort könne
- wohl nur Occident bedeuten; Simrock frei: «gegen Abend». Gemeint ist
- wohl vielmehr der Ocean , den der Dichter als bestimmte Örtlichkeit
- auffasst.
- 18760 dar tragen stv. (10682) hier mit prsep. von, durch, mit. —
- 278 XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- den aller grcezesten schaden,
- mit dem er wasre überladen.
- nu ime daz allez wart benant, 18765
- wie daz urliuge was gewant,
- und im vil rehte wart geseit
- der vmde gelegenheit,
- wä si zuo riten mit ir gezoge,
- nu hsete der herzöge 18770
- ein guot kastei in siner päege,
- daz lac den vinden üf ir wege;
- aldä gezöch sich Tristan in
- und sin geselle Käedin
- mit maezlicher ritterschaft. 18775
- sine waren niht so statehaft,
- daz si deheinen veltstrit
- moht^n gehaben ze keiner zit,
- wan so vil, so si ie künden
- ze eteslichen stunden 18780
- mit roube und mit brande
- geschaden der vinde lande
- geswäslich unde verstolne.
- Tristan sante verholne
- wider heim ze Parmenie: 18785
- siner lieben massenie,
- Rüäles kinden, er enbot,
- im wfere ritterschefte not,
- der bedürfte er nie so sere,
- daz s' ir tügent unde ir ere 18790
- vil verre an ime bedsehten
- und ime ir helfe brsehten.
- die brähten ime an einer schar
- fünfhundert covertiure dar,
- bereitet wol ze iDrise. 18795
- und grozen rät von spise.
- und alse Tristan vernam .
- daz ime von lande helfe kam,
- (472) er fuor selbe gegen in
- 18773 in geziehen stv. refl., sich daliinein begeben. — 13776 staleliaft adj.,
- in der state^ Lage; gerüstet [nhd. statthaft nur von Sachen = geeignet]. —
- 1S7S2 geschaden swv., verst. schaden. — 18784 verho(ne = vfrholene adv. von
- verholn, verholen par^. adj., verhohlen, heimlich. — 18794 covertiure stf.
- (4578) pL steht hier wie unser: Sättel für die Pferde und die Schaar der
- Beiter. —
- XXX. ISOT- ALS BLANSCHE MAINS. 279
- und leite s' allez nahtes hin 18800
- und fuorte s' also in daz lant,
- daz ez lützel ieman bevant
- wan die, die friunde wären
- und im helfe dar zuo baren.
- die halben er ze Karke liez: 18805
- aldä gebot er unde hiez,
- daz si sich sere in tseten
- und deheiue war des hceten,
- swer dar ze strite kseme,
- biz man vür w^är vernaeme, 18810
- daz Käediu und er da striten,
- daz si si daune vor an riten
- und also versüochten ir heil.
- hie mite nam er daz ander teil,
- da mite kert' er üf sine vart 18815
- zer burc, diu ime bevolheu wart.
- dar in so brähte er si bi naht
- und hiez ouch die dar inne ir mäht
- verhelen alse starke
- als jene da ze Karke. 18820
- Des morgens do ez tagen began,
- nu hsete aber Tristan
- ritter üz gesundert
- niht minner danne hundert;
- die andern liez er in der stat. 18825
- Käedi'nen er bat,
- daz er den sinen sagete,
- op man in dar gejagete,
- daz man sin war nceme
- und ime ze helfe kseme 18830
- von dannen und von Karke.
- sus reit er üf die marke;
- er roubete unde brande
- offenlichen in dem lande,
- swä er der vinde veste 18835
- und ouch ir stete weste.
- dannoch vor naht do wart der schal
- 18300 hin leiten swv. wie in V. 4333, hin (dem Ziele zu, an den Platz) gelei-
- ten, führen. — 1S805 die l/alOen acc. pl. von halp adj. subst., die Halben,
- d. h. die zur Hälfte getheilten, und insofern: die Hälfte, der eine Theil.
- 1SS23 gejagen swv., verst. jwien, aber hier ge- plusquamperf. : gejagt
- hätte. — 13832 marke stv., hier: Grenze, vf die m., über die Grenze. —
- 280 XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- in uem lande fliegende über al,
- (473) daz der stolze Käedin
- liz geriten solte sin 18840
- mit oifenlicher reise.
- Rügier von Doleise
- nud Nantenis von Hante
- und Rigolin von Nante,
- der vinde leitaere, 18845
- den wart daz maere swoere:
- al die State und al die mäht,
- die si mohten bi der naht
- besenden, diu wart gar besant.
- des anderen tages zehant 18850
- wol hin iimbe den mitten tac,
- dö sich ir State enein gewac,
- si kerten wider Karke hin.
- ritter hseten s' ander in
- vierhundert unde mere 18855
- und versähen sich des sere,
- si solten sich da nider län,
- als ouch da vor haeten getan
- vil ofte und ze manegem tage.
- nu kerte Tristan üf ir slage 18860
- und sin geselle Käedin,
- da jene vil sicher wänden sin,
- daz iemen ze den ziten
- mit in getörste striten.
- dö fingen dis allenthalben zuo, 18865
- ir deheiner wände envollen fruo
- den vihden genähen.
- Nu daz die vinde ersähen,
- daz ez ze strite was gewant,
- si kerten an den strit zehant. 18870
- si kömen mit ein ander her.
- alhie flouc sper unde sper,
- ros unde ros, man unde man
- so vientliche ein ander an,
- daz da vil raichel schade ergie. 18875
- 18860 slage (häufiger im Mhd. die zusammengezogene Form sla) stf., Weg-
- spur (wohl zunächst gesagt vom Hufschlag). — 18S66 envollen adv., in
- Fülle , in vollem Maße, sehr, so sehr.
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS. 281
- si taten schaden dort imde hie:
- hie Tristan unde Käedin,
- dort Rugier unde Rigolin.
- (474) swes iemen mit dem swerte
- oder mit der lanzen gerte, 18880
- daz hcete er da, daz vander.
- si riefen wider ein ander:
- hie: «schevelier Hante,
- Doleise unde Nante ! »
- dort: «Karke und Arundele!» 18885
- Do jene in dem kastele
- den strit ze stete sähen stän,
- si liezen üz den porten gän
- und anderhalben in die schar,
- die täten si her unde dar 18890
- mit häzlichem strite.
- in harte unlangem zite
- durchbrächen si si her unde hin.
- si riten houwende under in
- als eher under schäfen. 18895
- baniere unde wäfen,
- diu der höubetvinde wären,
- der begünde Tristan vären
- und sin geselle Käedin.
- da wart Rugier und Rigolin 18900
- und Nautenis gevangen
- und michel schade begangen
- under ir massenie.
- Tristan von Parmenie
- und sine lantgesellen 18905
- die riten vinde vellen,
- slahen unde vähen.
- nu daz die vinde ersähen,
- daz in diu wer niht tohte,
- swie sich der man dö mohte 18910
- mit flühto oder mit listen
- generen oder gefristen,
- des was ir iegelichen not:
- fluht oder flehen oder der tot
- die schieden einsit den strit. 18915
- 18892 iit hier übereinstimmend in Hs. M und H stn. — 18914 flehen
- Bubst. inf. stn., flehentliche Bitte (um Schonung), Ergebung.
- ■282 XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- Xu daz der strit in eine sit
- mitalle entschumpfieret wart
- und die gevangenen bewart
- (475) und behalten, da si solten sin,
- Tristan unde Käedin 18920
- die nämen alle ir ritterschaft ,
- alle ir state und alle ir kraft
- und riten dö erste in daz lant:
- swä man der vinde deheiuen vant
- oder iht ir dinges weste 18925
- so habe, so stete, so veste,
- daz was verloren, alse ez lac.
- ir gewin und ir bejac
- den sanden si ze Karke.
- nu si der vinde marke 18930
- gar under sich gebrächen
- und wol ir zorn gerächen
- und hseten z'ir hant allez lant,
- Tristan der schickete al zehant
- sine läntmässenie 18935
- wider heim ze Parmenie
- und dankete in vil tiure,
- daz er ere und äventiure
- von ir genäden liDete.
- Tristan der nächraete, 18940
- do sin gesinde dannen schiet,
- umbe die gevangenen er riet,
- daz si ze hulden ksemen
- und von ir lierren nsemen, '
- swaz er'n ir guotes wider lech, 18945
- den Worten, daz er in verzech;
- unde versigelten ouch daz,
- daz disiu schulde und dirre haz
- dem lande unschadebsere
- 18917 entschuinpfieren-=:ensdiumpfieren swv. Fremdwort (gebildet mit
- Anklang an schumpfen, schimpfen) ^ franz. desconfire , überwinden, durch
- Niederlage entscheiden; vgl. zu 5613. — 18930 marke stf. wohl pl., hier
- wie in V. 18698, aber noch bestimmter : Landbesitz. — 18931 fg. ge- in ge-
- brächen^ gerächen plusquamperf. brechen stv. under sich, unter seine Ge-
- walt zwingen. — 1S935 lantmassenie stf. wie lantgesinde , Mannschaft aus.
- dem Lande, der Heimat. — 18940 nachröste adj. subst., überlegend, klug. —
- 18947 für versigelten auch die Lesart vergiselten, die zu erklären sein würde :
- durch Geiselschaft, Bürgschaft festsetzten. — 18949 unschadebcere d^dii^Gregen.-
- theil von schadebcere (bei Gottfried nicht vorkommend), unschädlich. —
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS. 283
- irhalben iemer wsere; 18950
- und komen allesamet dar an
- die houbetberren unde ir man.
- Hie mite was aber Tristande
- da ze höve und da ze lande
- vil lobes und eren vür geleit. 18955
- sine sinne und sine manbeit
- diu prisete bof unde lant.
- diu beidiu wären oucb gewant
- (476) niht anders wan als er gebot.
- Käedines swester Isot, 18960
- diu mit den wizen banden,
- diu bluome von den landen,
- diu was stolz unde wise
- und baäte sieb mit prise
- und mit lobe so vür genomen , 18965
- daz si al daz laut liset' überkomen,
- daz daz nibt anders seite
- wan von ir sselekeite.
- do die Tristan so scboene sacb,
- ez frischete ime sin ungemacb: 18970
- sin altiu herzeriuwe
- diu wart aber dö niuwe.
- si mante in ie genote
- der andern Isote,
- der lüteren von Irhmt; 18975
- und w^an si Isot was genant,
- swenn' er sin ouge an si verlie,
- so wart er von dem namen ie
- so riuwec und so fröudelos,
- daz man im under ougen kos 18980
- den smerzen sines berzeu.
- docb liebete er den smerzen
- und truog im inneclicben muot:
- er dühte in süeze und dübte in guot.
- er minnete diz ungemacb 18985
- dur daz, wan er si gerne sacli;
- 1S950 irhalben adv., ihrethalben, ihrerseits; vgl. zu 13441. — 18952 houbet-
- herre swm., Hauptmann, Anführer.
- 1S958 diu = hof unde lant. — rjewant hierin persönlicher Construction,
- bewandt, beschafifen. — 1S959 gebieten stx.., hier in allgemeiner Bedeutung :
- wünschen. — 18970 frischen swv. traus., auffrischen, erneuen.
- I
- 284
- XXX. ISOT ALS ELANSCHE MAINS.
- SO sah er si gerne ümbe claz :
- im tete diu triure verre baz,
- die er nach der bkinden hsete,
- dan im ander fröude tsete.
- isot was sin liep und sin leit,
- ja, Isot sin beworrenheit,
- diu tete im wol, diu tete im we
- so ime Isot sin herze ie me
- in dem^ namen Isote brach ,
- so er Isöte ie gerner sach.
- 18990
- 18995
- Yil dicke sprach er wider sich:
- «ä de benie, wie bin ich
- (477) von disem namen verirret!
- er irret unde wirret
- die wärheit und daz lougen
- miner sinne und miner engen,
- er birt mir wunderliche not:
- mir lachet unde spilt Isot
- in minen ören alle frist,
- und enweiz iedoch, wä Isot ist:
- min ouge, daz Isote siht,
- daz selbe ensiht Isote niht:
- mir ist Isot verre und ist mir bi:
- ich fürhte, ich aber gisötet si
- zem anderen male,
- ich wsene, üz Kurnewäle
- ist worden Arundele,
- Kark' üz Tintajoele
- und Isot üz Isote.
- mich dunket ie genote,
- als iemen iht von dirre maget
- in Isote namen saget,
- daz ich Isote funden habe,
- hie bin ouch ich verirret abe.
- wie wunderliche ist mir geschehen!
- daz ich Isote müese sehen,
- des gere ich nü vil lange frist;
- nu bin ich komen, da Isot ist,
- 19000
- 19005
- 19010
- 19015
- 19020
- 19000 werren stv. Mer mit acc, verwirren. — 19010 gis6tet = geis6tet
- Bildung wie gehet in V. 17966; Simrock behält bei, Kurtz: «verzaubert
- mit Isolden»; ein neuer Dichter könnte vielleicht : verisotet gebrauchen. —
- »
- f
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- und enbin Isote nieuder bi ,
- swie nähen ich Isöte' si.
- isote sihe ich alle tage
- und sihe ir niht: daz ist min klage,
- ich hän Isote fuuden
- und iedoch niht die blunden ,
- diu mir so sanfte unsanfte tuet,
- ez ist isot, diu mir den muot
- in dise gedanke hat bräht,
- von der min herze als ist verdäht:
- ez ist diu von Arundele
- und niht Isot la bele;
- der ensiht min ouge leider niht.
- swaz aber min ouge iemer gesiht,
- (478) daz mit ir namen versigelt ist,
- dem allem sol ich alle frist
- lieb' unde holdez herze tragen,
- dem lieben namen genäde sagen,
- der mir so dicke hat gegeben
- wunn' unde wunneclichez leben.»
- Alsolhiu maere treip Tristan
- vil ofte wider sich selben an,
- swenn' er sin senftez uugemach,
- Isote als blansche mains gesach.
- diu fiuwerniuwete ime den muot
- mit der glimmenden gluot,
- diu ime doch naht unde tac
- betrochen in dem herzen lac.
- er enwäs dö niht gedanchaft
- ze ernste noch ze ritterschaft;
- sin herze und sine sinne
- die wären uiwan an minne
- und an gemuotheit geleit.
- er suochte gemuotheit
- in wunderlicher ahte:
- er besäzte sine trahte,
- er wolte liebe und lieben wän
- 285
- 19025
- 19030
- 19035
- 19040
- 19045
- 19050
- 19055
- 19060
- 19Ü3-1 verdäht part. adj. hier mit prsep. von, durch etwas in Gedanken ver-
- sunken.
- 1^049 fiuwemiuwen swv., eine eigenthümliche Zusammensetzung, aufs
- neue entzünden, etwa: glutherneuen. — 19052 betrochen part. von d/efrec//en
- stv., bedecken, verbergen. —
- 286
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- (479)
- wider die maget Isote bau,
- sin gemüete gerne twingen
- ze ir liebe üf den gedingen,
- ob ime sin senebürde
- mit ir ibt ringer würde.
- er üebete au ir dicke
- sin innecliche blicke
- und saute der so manegen dar,
- daz si benamen wol wart gewar.
- daz er ir boldez berze truoc.
- oucb hsete si da vor genuoc
- durch in gedanke vür bräbt.
- si hsete vil durcb in gedäbt;
- Sit si geborte unde gesach,
- daz man im so vil lobes spracb
- über bof uud über laut:
- Sit was ir berze an in gewant.
- und alse Tristan denue
- sin ougen eteswenne
- durcb äventiure an si verlie,
- so widerlie s'ir ougen ie
- als inneclichen an den man,
- daz er gedenken began,
- mit welber slabte dingen
- erz möbte vollebringen ,
- daz al sin berzeswaere
- dermite erloschen wsere,
- und was gedanchaft derzuo.
- er sach si späte unde fruo,
- swenn' ez mit ibte mobte sin.
- 19065
- 19070
- 19075
- 19080
- 19085
- 19090
- Vil schiere wart, daz Käedin
- ir zweier blicke wart gewar
- und fuorte in oucb do dicker dar,
- dan er e mäles tsete;
- wan er gedingen haste,
- 19095
- 19065 senebürde stf., Liebesbürde. — 19067 blicke Heben, häufig Blicke wen-
- den, zu blicken pflegen. — 19079 denne adv. pron. Nebenform von danne,
- dann, alsdann; nochmals im Eeime in V. 19233. — 190S2 iciderläzen stv.,
- wohl nicht mit dem mhd. Wb. I, 952 «zurücklassen», sondern: entgegen
- lassen, entgegen gehen lassen, zurückwerfen, erwidern (alsdann ougen=^
- Blicke; vgl. zu 1082). — 19091 iht hier subst. mit ihte , mit etwas (so =
- nhd. in V. 15335), hier: auf irgend eine Weise.
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- 287
- op si'm ze herzen beklibe,
- daz er si naeme und da belibe,
- so bsete ouch er mit ime verant
- sin urliug' über al daz lant.
- sus bat er ie genöte
- sine swester Isote,
- daz si'z mit rede Tristande bute,
- reht' alse er selbe vor gebute
- und niemer kseme an keine tat
- an' in und äne ir vater rät.
- Isot diu leiste sine bete,
- wan si'z ouch selbe gerne tete,
- und bot ez Tristand' aber dö baz:
- rede ünde gebserde und allez daz,
- daz die gedanke stricket,
- minn' in dem herzen quieket,
- daz begünde s' an in wenden
- alle wis und allen enden,
- biz daz si'n ouch enzunde,
- daz ime der name begunde
- den oren senften an der stete,
- der ime da vor unsanfte tete:
- (480) er horte und sach Isolde
- vil gerner danne er wolde.
- reht' alse tete ouch in Isolt:
- si sach in gerne und was im holt.
- er meinde si, si meinde in:
- hie mite gelobeten s' under in
- liebe unde geselleschaft
- und wären ouch der flizhaft
- ze iegelichen stunden,
- so si mit fuoge künden.
- 19100
- 19105.
- 19110
- 19115
- 1912a
- 19125
- Eines täges do gesaz Tristan,
- und giengen in gedanke an
- von sinem erbesmerzen.
- er bedähte in sinem herzen
- 19130
- 19097 befcliben stv., haften, Wurzel schlagen. — 19107 bete leisten, Bitte
- erfüllen. — 19111 stricken swv. trans., bestricken. — 19112 quicken swv.
- hier mit Object, wecken ; vgl. zu 15406. In V. 17927 schreiben Hs. M und
- H wecket, wo Hs. W chucket (=kicket), F qwicket. — 19126 fltzhaft adj. mit
- gen., beflissen.
- 19131 erbesmerze swm. , der überkommene, alte, unvergängliche
- Schmerz. —
- 288
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- manege und maneger hande not,
- die sin ander leben Isot,
- diu blunde küniginne,
- der slüzzel siner minne
- durch in erliten haete
- und ouch dar an so stsete
- in allen noeten wsere.
- er nam ez ime ze swaere,
- und gieng ini relite an sinen lip,
- daz er an' Isold' ie kein wip
- durch minne in sinen muot genam
- und ie an die gedanke kam.
- leitliche sprach er wider sich:
- «ich ungetriuwer, waz tuon ich?
- ich weiz doch wärez alse den tot,
- min herze und min leben Isöt,
- an der ich hän geunsinnet,
- diu enmeinet noch enminnet
- niht dinges iif der erden,
- noch enkän ir niht gewerden
- liep wan ich al eine,
- und minne ich unde meine
- ein leben, des si niht bestät:
- i'ne weiz, waz mich verkeret hat.
- waz hän ich mich genomen an,
- ich triuweloser Tristan!
- (481) ich minne zwo Isolde
- und hän die beide holde,
- und ist min ander leben, Isoit,
- niwan einem Tristände holt.
- diu eine wil deheinen
- Tristanden wan mich einen,
- und wirbe ich ie genote
- nach anderer Isöte.
- we dir, sinnelöser man,
- verirreter Tristan !
- lä disen blinden unsin,
- tuo disen ungedanc hin!»
- 19135
- 19140
- 19145
- 19150
- 19155
- 19160
- 19165
- 19710
- 19140 vgl. zu 12S58. — 19149 unsinnen swv., hier: unsinnig bandeln; vgl.
- 10396. — 19154 und conj., hier wieder: und doch. — 19155 mich bestät hier
- nicht mit gen., sondern des von niht abhängig (daneben die ebenso gute
- Lesart daz); vgl. zu 4142. — 19160 holde acc. pl. von holt; ebenso gut
- könnte es holt heißen. Ähnlich flectierte Adjective z. B. ferner in V. 119.
- 19207 (vgl. Gr. 4, 493 fg.), unbestimmt z. B. in V. 2146.
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS. 289
- Hie mite kom er des willen wider,
- minn' iinde muot leit' er dernider,
- den er der meide Isote truoc;
- iedoch so bot er ir genuoc
- so süezer gebaerde, 19175
- daz si alle die bewcerde
- siner minne wände hau.
- do was ez anders getan:
- ez gieng, also ez solde.
- isot diu haete Isolde 19180
- Tristanden muoteslialp genomen.
- Tristan was aber mit muote komen
- wider an sin erbeminne:
- sin herze und sine sinne
- die tribeu do niwan ir altez leit. 19185
- doch begieng er sine hövescheit:
- do'r an der mägode gesach
- ir senelichez ungemach,
- daz sich daz üeben began,
- do leite er sinen fliz dar an, in90
- daz er ir frönde b?ere:
- er Seite ir schceniu msere,
- er sanc, er schreib ir unde las;
- und swaz ir kurzewile was,
- da ZUG was er gedanchaft: 10195
- er leiste ir geselleschaft,
- er kürzete ir die stunde
- etswenne mit dem munde
- (4:82) und underwilen mit der hant.
- Tristan der machete unde vant 19200
- an iegelichem seitespil
- leich' unde guoter noten vil,
- die wol geminnet sint ie Sit.
- er vant ouch ze der selben zit
- den edelcn leich Tristanden, 19: 05
- den man in allen landen
- so lieben und so werden hat,
- die wile und disiu werlt gestät.
- oft' unde dicke ergieng ouch daz,
- so daz gesinde enein gesaz , 19210
- 19171 wider lomen mit gen., von etwas zurückkommen, abkommen. —
- 191S1 muoteshalp adv., um des nmotes , der Neigung willen. — 19183 erbe-
- minne stswf. wie erbesmerze. —
- GOTTFRIED VON STRASSBURG. II. 2. Aufl. 19
- 290 XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- er unde Isöt und Käedin,
- der herzog und diu herzogin ,
- frouwen und barüne,
- so tihte er schanzüne,
- rundate und liöveschiu liedelin 1921^
- und sang ie diz refioit dar in:
- «Isöt ma drüe, Isöt m'amie,
- en vüs ma mort, en vüs ma vie»!
- und wände er daz so gerne sanc, •
- so was ir aller gedanc, 19220
- und wänden ie genöte,
- er meinde ir Isöte
- und frönten sich es sere,
- und aber niemen mere
- dan sin geselle Käedin: 19225
- der fuorte in üz, der fuorte in in
- und sazte in z'allen ziten
- der swester an ir siten.
- diu was sin ouch von herzen fro;
- diu nam in aber ze banden do 19230
- und wante danne ir fliz an in.
- ir klären ougen unde ir sin
- diu spilten üf in denne;
- so warf ouch eteswenne
- der kranke magetliche name 19235
- sine kiusche und sine schäme
- zem nacken von den ougen,
- si leite im dicke untougen
- (-483) ir hende in die sine,
- als obe ez Käedine 192-40
- ze liebe geschsehe.
- swes aber sich der verssehe,
- ir selber fröude lac dar an.
- 19216 reßoit stn. Fremdwort, hier deutlich: Eefrain, und danach bestimmt
- sich die Bedeutung des Wortes in V. 2293 und an den andern Stellen. —
- 19217 drüe adj. subst. franz. Wort deutschen Stammes, Traute. — ainie
- fem. franz. im Unterschied vom Lehnwort ainie (11492) mit einsilbiger
- Endung, aber ie nicht = neufranz. i, sondern diphthongisch = mhd. ie ;
- vgl. zu 2396. — 1921S en praep. franz., in, an. — 19230 ze handen nemen
- mit acc, hier allgemeiner als in V. 4978 und nicht wörtlich nach V. 19238
- fg.: bei der Hand, sondern: zu sich nehmen, seine Gesellschaft suchen. —
- 19234 fg. diese bildliche Redewendung zem nacken von den ougen werfen
- für: hintansetzen, aus den Augen lassen u. dgl. ist klar und ohne alle
- Schwierigkeit, und sie mag Anlaß zu der gezwungenen und, wie mir
- scheint, fehlerhaften gegeben haben in V. 17796 fg.
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS. 291
- Diu maget diu wart sich wider den man
- so rehte lieplicli machende, 19245
- smierende unde lachende,
- kallende unde kosende,
- smeichende unde losende,
- biz daz si'n aber enzunde,
- daz er ab wider beguude 19250
- mit muote und mit gedanken
- an siner liebe wanken:
- er zwivelte an Isolde,
- ob er wölde oder enwolde.
- ouch tete es ime entriuwen not, 19255
- daz si'z im alse suoze bot.
- er dähte dicke wider sich:
- «weder wil ich oder enwil ich?
- ich wsene nein, ich wsene ja.»
- so was aber diu stsete da: 19260
- «nein», sprach si «herre Tristan,
- sich dine triuwe an Isot' an,
- gedenke genote^
- der getriuwen Isöte,
- diu nie fuoz von dir getrat.» 19265
- sus was er aber an der stat
- von den gedanken genomen
- und aber in solhen jämer komen
- durch Isöte minne,
- sines herzen küniginne, 19270
- daz er gebserde unde site
- so gar verwandelte dermite,
- daz er an iegelicher stete
- niht anders niuwan trüren tete.
- und swenne er aber ze Isöte kam, 19275
- 19244 fg. Umschreibung mittelst des Prset. von werden und dem Part,
- prses. für das einfache Prset. ; vgl. Gr. 4, 7 ; dieser Fall bei Gottfried nur hier.
- — 19245 machen refl. mit adv. (lifplic/i) wie noch heute in der Kede des Lebens
- [vgl. sich niedlich, liebenswürdig machen]: sich benehmen. — liepltch,
- liepltche adx., lieblicli, in angenehmer Weise, ziemlich entsprechend unserm :
- liebenswürdig; wohl subjectiv dagegen in V. 11851 : mit Liebe. — 19246 sinie-
- ren bwv., lächeln; vgl. zu 14959. — 19250 ab wider, verstärktes wider
- und aber (in der Bedeutung: abermals): abermals wiederum [vgl. oder
- aber]. — 19255 für es schreibt Zarncke mhd. Wb. II, 1, 411*^, 34 ez mit der Be-
- merkung: »hier ist es eine ungescliickte Verbesserung des Herausgebers«.
- es findet sich aber in allen Hss., und der Genitiv ist in der Wendung mit
- nut ganz sprachgemiiß (vgl. 18913) ; im Wechsel ez ist not und es ist not
- liegt verschiedene Auffassung, die den Sinn nicht weiter berührt; derselbe
- Wechsel in der Wendung mit unlougen (vgl. zu 13985).
- 19*
- 292 XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- sine rede mit ir ze banden nam.
- j
- daz er sin selbes gar vergaz
- und siuftende allez bi ir saz;
- (484) sin tougenlicbiu swsere »
- diu wart als offenbsere, 19280
- daz al daz ingesinde jach,
- sin triure und sin ungemach
- daz wsere durch Isote gar.
- si bseten ouch entriuwen war:
- Tristandes triure und sin not 19285
- daz enwäs niht anders wan Isot.
- Isöt diu was sin ungeschibt;
- und aber diu mitalle niht,
- da si'z da vür erkanden,
- diu mit den blanken banden: 19290
- ez was Isot la bele,
- niht diu von Arundele.
- si wänden 's aber alle do.
- so wände ouch Isot selbe also
- und wart verirret gar dervan; 19295
- wan sich ensenete Tristan
- deheine zit so genote
- dur deheine sine Isote,
- si ensenete sich noch nie durch in.
- Sus tribeu si zwei die stunde hin 19300
- mit ungemeinem leide,
- si seneten sich beide
- und hseten jämer under in zwein;
- und gie der ungeliche enein.
- ir niinne unde ir meine 19305
- die wären ungemeine:
- sine giengen do niht in dem trite
- gemeiner liebe ein ander mite,
- weder Tristan noch diu maget Isot.
- Tristan der woite z'einer not 19310
- ein ander Isolde,
- und isot diu enwolde
- 19301 ungemeine adj., Gegentbeil von geraeine (13G1), nicht gemeinsam
- (da sie in ihrer Neigung sich nicht vereinten). — 19304 ungeliche enein
- f\än, ungleich zusammengehen, nicht zusammenstimmen; vgl. zu 707. —
- 19310 2' einer, ze einer nut: vielleicht ze stner 7i6t? Bech: v. z'einer not, un-
- ablässig.» —
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS-
- 293
- Sin.
- keinen andern Tristanden,
- diu mit den wizen banden;
- si minnete iinde meinc^e in:
- an ime lac ir lierz' unde ir
- sin triiire was ir ungemach;
- und so si in eteswenne sach
- (485) under öugen also blieben
- und danne als inneclicben
- dar under siuften began,
- so saeb si'n inneclicben an
- unde ersüfte si dan mite,
- nach vil gesellecbcbem site
- truoe si daz trüren mit im ie,
- des si docb lützel ane gie.
- si twanc sin leit so sere,
- daz ez in an ir mere
- dan an im selben müete.
- die liebe und die güete,
- die si im so stseteclicbe truoc,
- die betrürete er genuoc
- in erbärmete, daz si ir sinne
- so verre an sine minne
- ümbe niht h?ete verlän
- und üf also verlornen wän
- ir herze haete an in geleit.
- doch begieng er sine bövescbeit
- und fleiz sich alle stunde,
- so er suozeste künde
- mit gebcerden und mit masren,
- daz er si üz disen swaereu
- vil gerne hsete genomen.
- nu was ab in die swaere komen
- ze verre und alze sere;
- und so er sich's ie mere
- pinete unde nöte,
- so er die maget Isote
- von stunde ze stunde
- ie mere und mere enzunde,
- biz si ze jungest dar an kam,
- 19315
- 19320
- 19325
- 19330
- 19335
- 19340
- 19345
- 19300
- VJ'6'20 elliptisch: daz er danne. — 19344 was allein in Hs. H und F (M
- fehlt); W setzt si hinzu; Maßmann was's (=««.5 es oder = «.-as s, sif);
- ohne Zweifel ist s/, Isolt, das Subject; es braucht aber nicht ergänzt zu
- werden. — 19347 n6 prrct. von netten swv., nöthigeu. n. refl. mit gen.,
- sich um etwas bemühen. —
- 294
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MATNS-
- daz minne an ir den sige genam,
- so daz si'm alse dicke
- ir gebjierde, ir rede, ir blicke
- als innecliche suoze erbot,
- daz er aber in sine zwivelnot
- zem dritten male geviel,
- und aber sines herzen kiel
- (486) begunde in imgedanken
- fluoten unde wanken,
- und was da kleine wunder an;
- wan weizgot diu lust, diu dem man
- alle stunde und alle zit
- lachende under ougen lit,
- diu blendet ougen unde sin,
- diu ziuhet ie daz herze hin.
- 19355
- 19360
- 19365
- Hie mügen die minnaere
- kiesen an dem msere,
- daz man vil michels baz vertreit
- durch verre minne ein verre leit,
- dan daz man minne nähe bi
- und näher minne äne si.
- ja zwäre, als ich'z erkennen kau,
- vil lieber minne mag ein man
- baz verre enbern und verre gern
- dan nähe gern und nähe enbern,
- und kumet der verren lihter abe,
- dan er der nähen sich enthabe.
- hie verwär sich Tristan inne:
- er gerte verrer minne
- und leit durch die groz ungemach,
- die er weder horte noch ensach,
- und enthäbete sich der nähen,
- die sin ougen dicke sähen.
- er gerte z'allen stunden
- der liebten, der blunden
- Isöte von Irland en
- und flöch die wizgehanden,
- die stolzen maget von Karke.
- er quäl nach jener starke
- 19370
- 19375
- 19380
- 19385
- 19390
- 19359 ungedanc stm., hier soviel wie: ohne Gedanken, in ungedanhen, ge-
- dankenlos, fassungslos.
- 19388 wi^^e/mM^adj. [abgekommene Bildung], weißgeliändet, mit weißen
- Händen. —
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS. 295
- und zoch sich liie von dirre.
- sus was er beider irre:
- er wolde unde enwolde
- Isolde unde Isolde;
- er flöcli dise und suochte jene. 19395
- diu maget Isot diu baete ir sene,
- ir triuwe und ir durnähtekeit
- einvalteclicbe an in geleit:
- (487) si gerte des, der von ir zoch,
- und was den jagende, der si floch. 19400
- daz was des schult, si was betrogen.
- Tristan hset' ir so vil gelogen
- mit disen zwein handelungen
- der ougen unde der zungen,
- daz si sins herzen unde sin 19405
- gewis und sicher wände sin
- und al der trügeheite,
- die Tristan an si leite:
- so was ie daz diu volleist,
- diu ir herze allermeist 19410
- an Tristandes liebe twanc,
- daz er daz also gerne sanc:
- «Isöt ma drüe, Isot m'amie, ]
- en vüs ma mort, en vüs ma vie!»
- daz locte ir herze allez dar; 19415
- daz was, daz ir die liebe bar.
- Die rede nam si sich allez an
- und gie dem fliehenden man
- als innecliche suoze mite,
- biz daz si'n an dem vierden trite 19420
- 19391 ziehen stv. refi. mit prsep. von, sich von etwas wegbegeben, sich
- zurückziehen. — 19;)92 irre hier adj.; im Nhd. die Wendung: irre sein mit
- gen. weniger häufig als: irre werden, irre wesen, hier im Sinne von:
- sich verirrend etwas verfehlen; vgl. zu 28. — 19398 einvaltecliche adv.,
- (einfältiglich), ungetheilt.
- 19420 fg. Von hier an können wir den Anschluß Gottfried's an das
- französische Gedicht des Thomas wahrnehmen. — Der Herausgeber kann
- unmöglich alle diese Einzelheiten berühren, sondern verweist alle, welche
- dieser interessanten Frage nachgehen wollen, auf die Schrift von Bessert
- (s. meine Einleitung, S. xxxvii fg.), sowie auf den Aufsatz von Richard
- Heinzel (s. Einleitung, S. xxxviii). namentlich auf die Seiten 377 — 3Sl. —
- vierde adj. Zahlwort, steht sprichwörtlich für eine beliebige kleine Zahl;
- an dem vierden trite, schon bei den ersten Schritten, nach kurzer Zeit;
- vgl. Benecke zu Iwein 821. Paul (S. 20) nimmt dagegen vierden wörtlich:
- es sei eben erzählt, daß Tristan sich dreimal (vgl. V. 19357) den Ver-
- suchungen der Minne entzogen habe. Jetzt bei dem vierten Versuche hole
- sie ihn ein. Es ist aber hier von Isolt (als Subject), nicht von der Minne
- die Eede. —
- 29G XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- der minne erzöch, da er si flöcb,
- und in zuo ir her wider zöch,
- daz er sich aber dar bewac
- und aber dö was naht unde tac
- gedenkende unde trahtende 19425
- und angeslichen ahtende
- umbe sin leben und umbe sich,
- «ei», dähte er «herre, wie bin ich
- mit liebe alsus verirret!
- diz liep, daz mir sus wirret, 19430
- daz mir benimet lip unde sin,
- da von ich sus beswseret bin,
- sol mir daz üf der erden
- iemer gesenftet werden,
- daz muoz mit fremedem liebe wesen. 19435
- ich hau doch dicke daz gelesen
- und weiz wol, daz ein trütschaft
- benimet der anderen ir kraft.
- (488) des Eines flieze und sin floz
- der enist an keiner stat so groz, 19440
- man enmüge dervon gegiezen
- mit einzelingen fliezen
- so vil, daz er sich gar zerlät
- und mÄzliche kraft hat.
- sus wirt der michele Rin 19445
- vil küme ein kleinez rinnelin.
- deliein fiur hat ouch so groze kraft,
- ist man dar zuo gedanchaft,
- man enmüge's so vil zesenden
- mit einzelen brenden, 19450
- biz daz ez swache brinnet.
- als ist dem, der da minnet,
- der hat dem ein gelichez spil:
- er mag als ofte und alse vil
- 19421 der minne zieht Müller im mhd. Wb. III, 928 mit Eecht zu trite,
- nicht zu erzoch; Kiirtz unbestimmt, Simrock: «mit Minne». Gemeint ist
- nicht der Tritt, den die minne thut (dann müsste man auch Minne schrei-
- heu), sondern trit der minne vertritt Zusammensetzung riiinnetrit. — er-
- ziehen stv., hier wie in V. 7049, aber noch bestimmter: einholen, fangen.
- — 19430 — GS sind nach K. Heinzel S. 539 des gedachten Aufsatzes (s. zu
- 16431 fg.) Eeminiscenzen aus Ovid's Kemedia amoris 441 — 452. — 19441 ge-
- giezen stv., verst. giezen, vergießen, ausgieföen. ■ — 19442 einzelinc adj.=
- einzel, einzeln. — ßieze stf., hier: der Abfluß, Abzugskanal. — 19446 rinne-
- lin stn., Einnlein, Bächlein (nicht Rtnelin, wie Maßmann schreibt). —
- 19449 zesenden, zersenden swv., auseinandersenden, zerstreuen. —
- XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS, 297
- sin gemüete zegiezen 194:55
- mit einzelen fliezen,
- sinen müot so manegeu enden
- zeteilen und zesenden,
- biz daz sin da so lützel wirt,
- daz er msezlichen schaden birt. 194:60
- als mag ez ouch mir -wol ergän:
- wil ich zerteilen und zerlän
- mine minne und mine meine
- an maneger danne an eine;
- gewende ich mine sinne 19465
- me danne an eine minne:
- ich wir de li'hte dervan
- ein triurelöser Tristan.
- Nu sol ich ez versuochen:
- wil min gelücke ruochen, 19470
- so ist zit, daz ich's beginne:
- wan diu triuwe und diu minne,
- die ich ze miner frouwen hän,
- diu enmac mir niht ze staten gestän;
- ich swende an ir lip unde leben 19475
- und enmäc mir keinen trost gegeben
- ze libe noch ze lebene.
- ich lide alze vergebene
- (489) disen kümber unde dise not.
- ä süeze amie, liebe Isöt, 19480
- diz leben ist under uns beiden
- alze sere gescheideu.
- ez enstät nu niht als wilen e,
- dö wir ein wol, dö wir ein we,
- eine liebe und eine leide 19485
- gemeine truogen beide;
- nu stät ez leider niht also:
- nu bin ich trüric, ir sit frö;
- sich senent mine sinne
- nach iuwerre minne, 19490
- und iuwer sinne senent sich,
- 19462 zerlän stv. hier traiis., auseinanderlasseu, auflösen, zugleich mit dem
- Düppelsinn: überlassen. — 11»4G4 maneijer ist nicht dat., sondern acc.
- des Comparativs, mehrere. — 19408 triurelos adj., wohl üottfriedische Bil-
- dung, trauerlos, der Trauer, der Liebesnoth erledigt.
- 1947Ö sivenden swv., verschwenden, verbrauchen. —
- 298 XXX. ISOT ALS BLANSCHE MAINS.
- ich waene, mäzlich umbe mich,
- die fröude, die ich durch iuch verbir,
- owi, owi, die tribet ir
- als ofte, als iu gevellet. 19405
- ir Sit dar zuo gesellet:
- Mark', iuwer herre und ir, ir sit
- heim' unde gesellen alle zit;
- so bin ich fremde und eine.
- ich wsene, ich wirde kleine 19500
- von iu getroestet iemer
- und ich enkan doch niemer
- mit minem herzen von iu komen.
- dur waz habt ir mich mir benomen,
- und ir min also kleine gert 19505
- und min ouch iemer wol enbert?
- ä süeziu küniginne Isot,
- mit wie vil maneger herzenot
- gät mir min leben mit iu hin,
- und ich iu niht so maere bin, 19510
- daz ir mich hsetet sit besant
- und etswaz umbe min leben erkant.
- si mich besande? ä, waz red ich:
- nu wä besande si mich
- und wie befunde si min leben? 19515
- (490) ich bin doch nü vil lange ergeben
- als ungewissen winden,
- wie künde man mich vinden?
- i'ne kän ez niht erdenken wie:
- man suoche da, so bin ich hie; 19520
- man suoche hie, so bin ich da:
- wie vindet man mich oder wä?
- wä man mich vinde? da ich bin:
- diu laut enloufent niender hin;
- so bin ich in den landen, 19525
- da vinde man Tristanden,
- ja, der ez et begunde,
- der suochte, unz er mich funde;
- wan swer den varnden suochen wil,
- dem enist dehein gewissez zil 19530
- 19496 gesellet sin, mit einem Gesellen, Freund, Liebhaber verbunden; pro-
- saisch: verheirathet sein. — 19498 /leime adv. (dat. von heim), daheim, zu
- Hause. — 19505 und conj., hier wieder relat. : indem. —
- I
- I
- XXX. ISOT ALS BLÄNSCHE MAINS. 299
- an siner suoche vür geleit,
- wan er muoz sine nnmüezekeit
- übel öder wol bewenden,
- Avil er dermite iht enden.
- min frouwe, an der min leben lit, 19535
- weiz got, diu solte nach mir sit
- vil tougenliclie haben ersant
- al Kurnewal und Engelant,
- Franz' unde Normandie,
- min lant ze Parmeuie, 19540
- oder swa man seite maere ,
- daz ir friunt Tristan waere:
- daz solte sider gar sin ersuocht,
- und haete si min iht gemocht:
- nu ruochet si min kleine, 1954:5
- die ich minn' unde meine
- me daune sele unde lip.
- durch si mid' ich al ander wip
- und muoz ir selber ouch enbern.
- i'ne mac von ir niht des gegern, 19550
- daz mir zer werlde solte geben
- fröud' unde frolichez leben.»
- 19533 b<'wenden swv., anwenden. — 19537 erbenden swv., auf Kundschaft
- aussenden, dann : auskundschaften, durchforschen. — 19543 f?-.vwoc/ swv,,
- aussuchen, durchsuchen. — Hs. F, B und N haben am Schlüsse die fol-
- genden Verse :
- Ich alte in wunderlicher llage
- Tiäne järe und mine tage.
- \
- KURZE NACHERZÄHLUNG
- DER FORTSETZUNGEN
- ULRICHVS VON TOPJiEIM Ü.ND HEINRICirS VON FREIBERG,
- VORBEMERKÜJsG.
- Es war kein Dichter von Gottes Gnaden, welcher den ersten
- Versuch wagte, Gottfried's Meisterwerk fortzusetzen und die
- Erzählung von Tristan und Isolt zum Abschlüsse zu führen.
- Ulrich von Türheim, aus dem Thurgau stammend, ist ein
- Dichter, welcher seinem untergeordneten Talente gemäß eine
- Neigung für Fortsetzungen gehabt haben muß. So besitzen
- wir von ihm einen Rennewart, welches Gedicht an Wolfram's
- von Eschenbach unvollendeten Wilhelm anknüpft. Ja wir
- haben guten Grund, ihm noch eine dritte ähnliche Arbeit zu-
- zuerkennen. Rudolf von Ems erwähnt in der bekannten lite-
- rarischen Stelle seines Wilhelm den Türheimer als Verfasser
- eines Clies, welcher bis jetzt nicht aufgefunden wurde. Höchst
- wahrscheinlich ist dieses Werk Ulrich's eine Fortsetzung des
- unvollendeten Clies von Konrad Fleck (vgl. Franz Pfeiffer,
- ((Zur deutschen Litteraturgeschichte», S. 29 fg., und ((Freie
- Forschung», Nr. V).
- Den ersten Lesern von Ulrich's Tristan mag wohl, wenn
- auch nicht in gleichem Maße wie uns , der bedeutende Ab-
- stand fühlbar geworden sein, welcher zwischen der Dichter-
- sprache des Fortsetzers und der seines bewunderten Vor-
- gängers waltet, aber dennoch scheint die schwächere und noth-
- dürftige Weiterführung des beliebten Romans, weil sie einem
- Bedürfnisse entgegenkam. Anklang gefunden zu haben; denn
- wir besitzen sie in vier Handschriften. Gedruckt ist sie drei-
- mal (vgl. meine Einleitung zu Tristan, S. xlii). Eine noch-
- malige Ausgabe ist fürs erste nicht geboten.
- Ulrich von Türheim erscheint in Augsburger Urkunden
- 1-236 — 4:6. Die Zeit der Abfassung seines Tristan lässt sich
- mit Hülfe eines noch andern Anhaltspunktes noch genauer
- VORBEMERKUNG. 301
- feststellen. In den Eingangsworten erwähnt der Dichter, daß
- er auf Wunsch des Schenken Konrad von Wiuterstetten seine
- Fortsetzung des Tristan begonnen habe. In seinem Renne-
- wart beklagt er dieses seines Gönners Tod, der erweislieh
- im Jahre 1242 oder 1243 erfolgte. Wir erhalten somit für
- den Tristan als das frühere Gedicht in runder Summe zunächst
- die Jahrzahl 1240. Viel weiter zurück nach der classischen
- Periode zu den Tristan zu setzen, verbietet die Sprache des
- Dichters, welche schon mancherlei Freiheiten und mundartliche
- Eigenheiten aufweist.
- Auf eine Quelle beruft sich Ulrich nicht. Seine Erzählung
- entfernt sich von der Tradition, welcher Gottfried folgte, und
- nähert sich der Fabel Eilhart's, der populären Erzählung.
- Später wurde nochmals Gottfried's Tristan fortzusetzen
- und zu beschließen versucht, und zwar, wie wir Neueren zu
- urtheilen haben, mit besserem Glücke. Es geschah dies von
- einem der sprachgewandtesten Dichter der Epigonenzeit, von
- Heinrich von Freiberg, der sich in den Geist der Gottfriedi-
- schen Dichtung vollkommen einlebte, der den Stil und die
- Darstellungskunst des Meisters in trefflichster und beinahe
- in überraschender Weise nachzuahmen und zu beherrschen
- verstand. Wir kennen von Heinrich noch zwei kürzere Dich-
- tungen, ein Gedicht von der Ritterfahrt des Johann von
- ;Michelsperg (Hagen's Jahrbuch, II, 93 fg.) und ein Gedicht
- vom heiligen Kreuz nach lateinischer Vorlage (Pfeiffer's Altd.
- Übungsbuch, Nr. XII): beide erreichen bei weitem nicht den
- Werth des Tristan und mögen wohl Jugendversuche des Dich-
- ters sein, wenn sie überhaupt von diesem Heinrich von Frei-
- berg herrühren.
- Heinrich's Gedicht befindet sich in zwei Handschriften.
- Abgesehen von der Möglichkeit, daß andere Niederschriften
- nicht auf uns gekommen sind, scheint allerdings die geringere
- Anzahl der Überlieferungen auf eine geringere Theilnahme
- von Seite der Lesewelt hinzudeuten, die indes weniger in
- der Nichtanerkennung des Talentes des Dichters, als in der
- veränderten Geschmacksrichtung zu suchen ist. Gedruckt ist
- Heinrich's Tristan zweimal (s. a. a. 0.). Von der Hagen be-
- nutzte nur die ältere Florentiner Handschrift. Eine kritische
- Ausgabe lässt sich ermöglichen, und sie scheint mir wün-
- schenswerth (vgl. Einleitung, S. xliii Anmerk.).
- Es hat als ausgemacht zu gelten, daß Heinrich aus dem
- sächsischen Freiberg stammte (vgl. Fr. Pfeiffer in der «Ger-
- mania», II, 253 fg.). Heinrich dichtete den Tristan auf Wunsch
- 302 I. FORTSETZUNG ULRICH'S VON TÜRHEIM.
- Reimund's von Leuchtenburg, eines böhmischen Herrn, der
- geschichtlich zu Anfang des 14. Jahrhunderts erwähnt wird.
- Da der Dichter von der Jugend seines Gönners spricht, so
- können wir für die Entstehungszeit des Gedichtes das Jahr
- 1300 festsetzen.
- Auch Heinrich benutzte eine Tradition, welche der des
- Eilhart verwandt ist. Hinsichtlich des Stoffes scheint es
- von Wichtigkeit, daß bei Heinrich die Tristansage mit Artus
- verknüpft wird. Wenn der Dichter erklärt, daß er in das
- Deutsche bringe, was Thomas von Britania in lampartischer
- Zunge gesprochen habe, so dürfen wir auf dieses Selbst-
- bekenntniss kein Gewicht legen. Das ist sicher nur eine An-
- lehnung an Gottfried's Worte. Das Verhältniss Heinrich's
- zu seiner Quelle verdient noch im Einzelnen untersucht zu
- werden.
- Im Folgenden wird eine einfache , gedrängte Nacherzäh-
- lung der beiden Fortsetzungen gegeben, damit, wie bemerkt,
- der Leser sachlich einen Abschluß finde (vgl. Einleitung,
- S. xLiii). Wo Heinrich mit Ulrich in den Hauptzügen der Er-
- zählung übereinstimmt, ist möglichste Kürze erstrebt worden.
- Die Eingangsbetrachtungen sind im Original wiederholt: ein-
- mal schien es passend, von beiden Dichtern eine Probe zu
- geben, dann aber sind diese Einleitungen zugleich wichtige
- literarische Zeugnisse für die Existenz und den Ruhm der
- Dichtung Gottfried's (vgl. Einleitung, S. xxv), welche hier ihre
- beste Stelle finden.
- J
- L
- ULRICH VON TÜRHEIM.
- Uns ist ein schade groz geschehen;
- des mac diz msere ze schaden jehen,
- wan ez beliben ist in not,
- Sit meister Götfrit ist tot,
- der dises büoches begunde.
- er hat siner tage stunde
- mit künste erzeiget wol dar an.
- er was ein künste richer man:
- uns zeiget sin getihte
- 2 jehen stv. mit gen. (des) und prsep. ze., etwas zu, für etwas erklären,
- in Anspruch nehmen, sich etwas als , . . anrechnen; ebenso in V. 32.
- I. FORTSETZUNG ULRICH's VON TÜRHEIM. 308
- vil künstliche geschulte. 10-
- ez ist eben unde ganz:
- kein getihte an Sprüchen ist so glänz,
- daz ez von künste ge dervür,
- der ez wiget mit wiser kür.
- owe der herzelicher klage, .15'
- daz im der tot sin lebende tage
- leider e der zit zebrach,
- daz er diz buoch niht vollesprach!
- Sit ez alsus nü ist komen,
- daz in der tot hat hin genomen, 20-
- so hän ich mich genomen an,
- als ich allerbeste kan,
- daz ich diz buoch iinz an sin zil
- mit Sprüchen vollebringen wil.
- des hat mit flize mich gebeten 25
- Kuonrät der schenke von Wintersteten,
- daz ich'z im ze liebe tuo.
- herz' unde sin, da ratet zuo,
- daz ich im dran gediene so,
- daz er mihes dionstes werde fro 30
- und im geuäde von ir geschehe,
- der sin herze ze frouwen jehe.
- wolt' ich in lobes rüemen
- und mit höhen Sprüchen blüemen,
- als er ez doch gedienet heit, 35
- sin lop daz würde wol so breit,
- daz es genuoge hteten haz.
- ez tuot mit guote nieman baz
- den ich iergen erkenne.
- Ir habet eteswenne 40
- wol vernomen, waz Tristan
- grözer arbeit gewan
- und waz Isoten beschach.
- 11 yanz adj., vollkommeu. — 12 getihte an sprächen, Spruchgedicht (im
- Gegensätze zur Lyrik, zur gesungenen Poesie), dann: erzählendes tiedicLt.
- — 'jlan: adj., glänzend. — 13 künste c\a,t. = kunst. von A-. = an Kunst. —
- (lercür gän, vorausgehen, vorleuchten, den Vorzug haben. — 14 der = swer,
- wenn man.
- 21 an neinen stv. refl., sich entschließen. — 33 lohes gen., mit Lob. —
- 35 heit Nebenform = /'/a^
- 40 eteswenne adv., hier: vormals, vorher. — 43 Geschehen stv. =^e-
- schehen.
- 304 I. FORTSETZUNG ULRICH's VON TÜRHEIM.
- I. (44 — 373.) Tristan beschließt, die unsinnige und schän-
- dende Liebe zu Isolt von Irland aufzugeben und die weiß-
- handige Isolt von Karke zu erwählen. Seinem Freunde Kaedin
- thut er seinen Wunsch und Willen kund, mit der Bitte, sich
- für ihn bei Altern und Schwester zu verwenden. Die Herzo-
- gin willigt mit Freuden ein, Tristan sieht sich wohl empfangen
- und begrüßt, und die Jungfrau wird ihm unter der Bedingung
- zugesprochen, daß er fortan immer in Karke bleibe. Die
- jungen Vermählten legen sich unter dem Segen der Herzogin
- nieder, aber Tristan lässt sein Weib unberührt. Isolt die
- Blonde, der er sich entschlagen, kommt ihm wieder in den
- Sinn. Er klagt sich der Untreue an, weil er ihr entsagt und
- eine andere Isolt geliebt habe. Auf Tristan's Geheiß erhebt
- sich die enttäuschte Isolt und kleidet sich nach der Sitte der
- Ehefrauen. Vor den Leuten weiß sie ihr Leid zu verbergen.
- Auch später bleibt ihr Tristan zu ihrem Schmerze fern.
- Eines Nachts redet sie ihn an und fragt ihn, aus welchem
- Grunde er sich so gegen sie betrage, sie habe noch nie eine
- Umarmung noch Kuss von ihm empfangen. Tristan er-
- widert, ihn binde ein heiliges Gelübde: wenn er ein Weib
- nehme, dürfe er innerhalb eines Jahres nicht zu ihr kommen.
- •Sei diese Frist vollendet, dann wolle er ihren Kummer ver-
- scheuchen. Isolt erblickt in seiner Zurückhaltung den Mangel
- seiner Liebe; es sei die blonde Isolt, die jenes Gebot geboten
- habe. Gerne aber wolle sie bis an das festgesetzte Ziel die
- . Sache dulden und verhehlen.
- IL (374 — 847.) Der Herzog und die Herzogin begeben sich
- mit Gefolge von Rittern und Frauen auf eine Jagd. Sie rei-
- ten gemeinschaftlich durch eine Aue auf schmalem Wege.
- Auf dem Wege war eine Höhlung voll Wassers. Isoldens
- Pferd tritt hinein, daß das Wasser ihr unter das Gewand
- - springt. Lachend, wenn auch die Pfütze verwünschend, sagt
- sie halblaut vor sich hin: «Das Wasser ist kühner als der
- kühne Tristan.» Ihr Bruder Kaedin dringt in sie, sie solle
- bekennen, was sie da gesagt habe; erst weigert sie sich, dann
- aber gesteht sie, Tristan, ihr Gemahl, versage ihr ihr Recht,
- . sie sei noch Jungfrau. Kaedin erräth den Grund: um Isol-
- dens Liebe willen, der Blonden von Irland, wolle er ihr ent-
- rinnen. Seinen Altern berichtet er davon und stellt voll Zorns
- Tristan zur Rede: das solle sein Tod sein. Tristan aber ent-
- gegnet unerschrocken: «Ich habe eine Isolt, die alle Frauen
- .an Schönheit überstrahlt; sie erweist es meinem Hunde schöner
- I. FORTSETZUNG üLRICH's VON TÜRHEIM. 305
- als deine Schwester mir. Gib mir den Tod, Kaedin, wenn ich
- gelogen habe: ich wollte, du hättest sie gesehen.» Ivaedin
- will die Schönheit Isoldens sehen, und beide kommen darin
- tiberein, daß, wenn Tristan die Wahrheit nicht gesprochen
- habe, sein Leben verwirkt sei.
- Die Jagdgesellschaft suchte mancherlei Kurzweil, Tristan
- aber und Kaedin gehen gemeinsam auf den Anstand. Da
- kommt ein Reh, gefleckt wie eine Elster, an sie heran; sie
- vergessen des Schusses, das Reh geht auf sie zu und wirft
- aus dem Ohre einen Brief und ein Ringlein in Tristan's
- Schoß, dann verneigt es sich vor ihm und läuft von danneu.
- Tristan las den Brief, in welchem ihn Isolt der Treue mahnt,
- ihn erinnert an ihr Liebeleben in der Fossiure und ihn bittet
- zurückzukehren. Tristan reicht seinem Freunde auf seine
- Bitten den Brief, und Kaedin will die Fahrt nach Irland allso-
- gleich antreten. Der Herzog gibt widerwillig und erst auf
- Zureden selbst von Seite Isoldens den gewünschten Urlaub
- und rüstet Kaedin und Tristan, Kurvenal und Paligau sowie
- zwanzig Knechte reichlich aus zu ihrer Reise. Tristan und
- Isolt scheiden freundlich voneinander. Tristan ist seines
- Fehls eingedenk und wünscht noch seines Weibes Huld zu
- verdienen.
- III. (848—1359.) Auf Tristan's Befehl sucht und gewinnt
- Kurvenal einen erfahrenen Schiffer für die Überfahrt. Die
- Reise geht zunächst nach Litan, wo Tinas, des Königs Sene-
- schall, saß. Tinas, mit Tristan in Freundschaft verbunden,
- heißt die Gäste willkommen und geht mit einer Botschaft
- Tristan's an die Königin nach Tintajol. Er trifft Marke und
- Isolt beim Bretspiel und gesellt sich als dritter Spieler zu
- ihnen. Die Königin gewahrt an seinem Finger den ihm von
- Tristan mitgegebenen Ring, deutet dies sogleich auf dessen
- Ankunft, verlässt das Spiel und bescheidet Tinas zu sich, der
- ihr den Ring übergibt und meldet, Tristan werde morgen in
- den Forst kommen; er dulde Herzenspeiu; ein Späher sei
- mit ihm, dem sein Leben zu Pfände stehe. Denn Tristan
- habe gesagt, er wisse ein Weib, die es seinem Hunde besser
- erweise als ihm die weißhaudige Isolt: von dieser Xoth solle
- sie ihn entbinden. Isolt ist bereit. Sie beredet den König,
- eine Jagd zu veranstalten, die andern Tags auch stattfindet.
- Kaedin und Tristan halten sich im Forst versteckt. Sie scheu
- nacheinander verschiedene des königlichen Gesindes vorbei-
- kommen, auch Frauen und Ritter vom Hofe. Zuletzt kommen
- GOTTFRIED VON STBASSBUKG. 11. 2. Aufl. 20
- 306 I. FORTSETZUNG ULRICH's VON TÜRHEIM.
- die Hoffräulein Brangaene und Kamele, die, am Waldrande auf
- ihre Herrin wartend, sich besprechen, wie Tristan und die
- Königin wohl am besten eine Weile zusammen sein könnten.
- Wie Isolt erscheint, gesteht Kaedin, es sei ihm, als wären
- zwei Sonnen aufgegangen; seit Eva's Zeit sei nie ein schö-
- neres Weib gewesen als Isolt. Die Königin steigt vor dem
- Walde ab und sendet ihren Neifen Antret weg, um ihr ihren
- vergessenen Schrein zu holen und um dem König zu sagen,
- sie Y/arte hier auf ihn. Dann liebkost sie das Hündlein Petit-
- criu und mit den Worten: «wann soll ich deinen Herrn so
- küssen und liebkosen?« gibt sie Tristan das Zeichen sich her-
- vorzuwagen. Liebreich und mit Küssen empfängt sie ihren
- Freund und ladet ihn ein, in ihr Zelt zu kommen. Sie wolle
- Krankheit vorgeben. Brangaene veranlasst, da der falsche
- Antret nahe, die Trennung der Liebenden. Antret verwehrt
- der Königin, hier zu verweilen, da der König eine andere
- Straße ziehen wolle. Isolt aber folgt nicht, sondern gebietet
- Antret, weil sie siech sei, sie in das Zelt zu tragen.
- IV. (1360 — 1890.) Kurvenal kommt zu Tristan und Kaedin
- und berichtet, der Schiffer sei bereit, mit der Rückfahrt auf
- sie zu harren. Er wird nach Litan zurückgesandt mit dem
- Befehle, am andern Morgen ihnen entgegenzukommen.
- Marke fragt nacheinander Antret, Brangsene und Paranis
- nach dem Befinden der Königin, wird aber abgehalten zu ihr
- zu gehen. Darauf kommen Tristan und Kaedin in das Zelt.
- Isolt heißt letzteren willkommen und weist ihn in die Ge-
- sellschaft der Fräulein. Kaedin begehrt Kamele's Liebe, wird
- aber zurückgewiesen; auf Isoldens Wunsch willigt aber Ka-
- mele ein, nachdem ihr gerathen ist, sie solle das Schlafkissen,
- dessen sich Isolt in ihrer Liebessehnsucht bediene, Kaedin
- unter das Haupt legen. Während Tristan uud Isolt der Minne
- pflegen, ist Kaedin, durch das Kissen betäubt, neben der ge-
- liebten Kamele eingeschlafen, wird deshalb am Morgen ver-
- spottet und scheidet zornig von dannen.
- Y. (1891—2228.) Tristan und Kaedin begeben sich am
- Morgen dahin, wo Kurvenal mit den Bossen ihrer harren
- sollte. Kurvenal kam ihnen eilends zu Fuße entgegen. Die
- Pferde seien von ihm zurückgelassen und er von Pleherin,
- einem von Marke's Mannen, vertrieben worden. Pleherin
- habe ihn im Glauben, er sei Tristan, in der Königin Namen
- zum Stehen aufgefordert; er sei aber aus Furcht erkannt zu
- I. FORTSETZUNG CLRICH's VON TÜRHEIM. 307
- werden, entflohen und nach Litan zurückgekehrt; eines der
- Pferde hätten sie verloren.
- Pleherin meldet in Tintajol der Königin, Tristan sei im
- Lande; er habe ihn anrennen wollen, er sei aber entflohen,
- trotzdem er ihn der Königin Namen genannt. Isolt ist hoch
- erzürnt und sendet Paranis an Tristan mit bittern Vorwürfen
- über seine Feigheit. Tristan entschuldigt sich, droht an
- Pleherin Rache zu nehmen und bittet Paranis, ihm die Huld
- der Königin wieder zu gewinnen. Isolt aber beharrt in ihrem
- Zorne, hält selbst Paranis für bestochen und will von Ver-
- söhnung nichts wissen. Paranis verkündet das Tristan, der
- ihn mit nach Litan zu nehmen wünscht, worauf aber Paranis
- nicht eingeht.
- Tristan geht zu Fuße nach Litan zurück und klagt Tinas
- seine Noth. Mit Kurvenal will er hier bleiben, Kaedin soll
- zu Schiff'e gehen. Kurvenal räth ab: er möge das Schiff vor
- Erreichung seines Ziels nicht davonfahren lassen. Dagegen
- ist Kurvenal dafür, daß Tristan morgen als siecher Mann
- verkleidet zur Königin gehe. Sie verlassen Litan und fahren
- an einen verborgenen Ort in die Nähe des Landes.
- VL (22-29 — 2-1:70.) Tristan legt zerlumpte Kleidung an,
- entstellt sein Antlitz, nimmt eine Klapper in die Hand und
- geht nach Tintajol. Die Königin erkennt ihn an einem Finger-
- ring. Auf seine Bitte, sie möge sich seiner erbarmen, heißt
- sie Paranis im Zorne, er solle den zudringlichen Missel-
- süchtigen schlagen. Drei Knappen treiben ihn mit Schlägen
- weg, worüber die Königin laut lachte. Betrübt geht Tristan
- zu seinem Schiffe zurück und erzählt Kurvenal, wie es ihm
- ergangen sei. Der gibt ihm den Rath, er solle nach solcher
- Schmach sich die Königin aus dem Sinne schlagen und zur
- Isolt nach Arundel zurückkehren. «Nein», entgegnet Tristan,
- «ich will's ihr vergelten mit dem Karies Lothe» (s. zu Tri-
- stan 275). Isolt sei so an sein Herz gefesselt, daß kein Weib
- sie von ihm scheiden könne. In Knappenanzug und mit ge-
- schminktem Antlitz gehen beide, Tristan und Kurvenal, andern
- Tags als Kuriere nach Tintajol. Isolt schaute unter einer
- Linde dem Spiele der Ritter und Mädchen zu, da kamen die
- Garzunö gegangen; Isolt grüßt sie und fragt, woher sie ge-
- kommen seien. < Aus Arundel.» Auf die weitere Frage, ob
- ihnen nicht eine Frau mit Namen Isolt bekannt sei, erröthet
- Tristan; gleich denkt die Königin: «das ist gewiss Tristan».
- Sie fragt ihn, wie er heiße. Er antwortet: «Plöt». Das
- 20 *
- 308 I. FORTSETZUNG ÜLRICH's VON TÜRHEIM.
- glaube sie nicht, antwortet sie. Er sei vielmehr Tristan ge-
- nannt. Sie setzt hinzu: «mein viel herzlieber Mann». Sie
- verzeihen sich und sind wieder versöhnt. Isolt wünscht, daß
- Tristan jetzt zurückkehre und sich den Weisungen des Knap-
- pen Peliot füge. Tristan willigt ein und bestimmt, Isolt möge
- diesen nur nach dem Hafen zu Tribalesen senden, wo sein
- Aufenthalt sei. Die Königin räth Tristan, sich zum Thoren
- zu machen und an allen Feinden zu rächen. Beim Scheiden
- thut Tristan vor Freuden einen Sprung, wie ihn niemand
- springen konnte. Die Ritter wunderten sich; diese Stärke
- trauten sie nicht einem schwachen Kuriere zu.
- Marke hörte alsbald davon und er forschte nach, wer die
- Garzune wären. Antret und Melot verrathen, die Garzune
- hätten sich viel mit Isolt unterhalten; sie kämen w^ohl von
- Tristan, der irgendwo im Lande sei. Marke solle ihn suchen
- lassen. Der König geht darauf nicht ein, sondern verweist
- beiden zornig ihre verläumderischen Reden wdder seiner
- Schwester Kind.
- VIL (2471 — 284:2.) Isolt lässt Tristan durch Peliot sagen,
- er solle über vierzehn Tage sich verborgen halten, dann in
- Thorenweise kommen. Tristan erfüllt das Gebot. In der
- Kapuze seines grauen Rockes hatte _er zwei Käse liegen, einen
- schweren Kolben führte er bei sich. Er kommt zur Königin,
- redet im vertraulichen Tone mit ihr und wirft ihr einen
- Bissen Käse zu als gute Thorenspeise. Isolt fordert Marke
- auf, den Thoren wegschaffen zu lassen; niemand wagt ihn
- anzurühren. Wie Antret ihn packen will, erhält er einen
- Schlag, daß er besinnungslos niederfällt. Man eilt aus seiner
- Kähe, selbst der König flieht. Ungehindert geht nun der
- Thor auf dem Hofe einher; den Zwerg Melot fasst er am
- Beine und trägt ihn über den Hof hin; keiner kann ihn be-
- freien. Erst als die Königin kommt, lässt er ihn wohl zer-
- bläut los. An des Königs Tische nimmt er sich von den Ge-
- richten, was ihm beliebt, und das gönnte ihm Isolt.
- In der Nacht legt sich der Thor vor Isoldens Kemenate
- und thut, als ob er schliefe. Der Brangsene entdeckt er sich.
- Als Isolt und Marke kommen, singt er in Thorenweise.
- Dann springt er wüthend auf, daß alle von daunenr fliehen,
- selbst der König. Melot wird von Tristan gerauft und muß
- ein Auge lassen. Isolt sah das gerne, der König beklagte
- es sehr.
- Andern Morgens ritt der König auf vierzehn Tage zur
- I. FORTSETZUNG ULRICH's VON TÜRHEIM. 309
- Jagd. Da konnte der Thor Tristan wohl seine Isolt haben.
- Des Tags spielt er den Thoren, des Nachts pflegte sein eine
- Königin. Eines Morgens aber entdeckt sie Antret zusammen;
- laut ruft er: «Tristan ist bei der Königin!» Beide sollen den
- Feuertod leiden. Tristan scheidet auf Isoldens Wunsch von
- dannen; und wo ihm die Straße verlegt wird, macht er sich
- mit dem Kolben Bahn.
- Im Walde begegnet er dem König, der noch nicht sein
- Leid vernommen, und jagt ihn mit dem Kolben in die Flucht.
- An einem Bach findet er ein Schifi'lein und setzt über. Plehe-
- rin, der ihm nachgejagt war, fordert ihn auf, bei der Liebe
- zur Königin umzukehren. Er folgt dem Rufe, Pleherin läuft
- ihn an, er streckt ihn aber mit dem Kolben nieder. Dann
- fährt er wieder über, entflieht so dem nacheilenden König, und
- stößt in die See.
- Marke beklagt Pleherin's Tod. Er will Isolt mit ihm be-
- graben lassen. Sein Rath aber beredet ihn, seinen Zorn
- gegen die Königin aufzugeben; Antret sei ihr feind und habe
- sie sicher nur falsch beschuldigt.
- VIII. (2843 — 3301.) Tristan tröstet sich auf dem Meere:
- an Isolt werde niemand Hand legen, seit er entronnen sei. —
- Kaedin liebt Kassie, die Frau des Nampotenis vom Lande
- Gamaroch, welches an Arundel grenzt. Nampotenis hält sein
- Weib eingeschlossen und trägt die Schlüssel beständig mit
- sich. Sie fahren dem Lande zu, Kaedin spricht aus der Ferne
- die geliebte Kassie während der Abwesenheit ihres Gemahls
- und bittet sie auf Tristan's Rath, sie möge die Schlüssel ent-
- wenden. Wachsabdrücke nehmen und diese dann in den Gra-
- ben werfen. Kassie ist bereit; Kaedin bringt das Wachs zu
- einem Schmiede, der ihm die Schlüssel bald zu fertigen ver-
- spricht.
- Darauf reiten Kaedin und Tristan unangemeldet nach Karke
- und werden wohl empfangen. Tristan und Isolt sind nun in
- Liebe vereinigt.
- Der Schmied bringt die Schlüssel, und Kaedin reitet mit
- Tristan nach Scharize, der Burg des Nampotenis, der diesen
- Tag zur Jagd gefahren ist. Die Pferde lassen sie vor der
- Burg stehen. Wie sie über die Brücke gehen, weht der Wind
- Kaedin's Schapel in den Graben. Die Thore werden aufge-
- schlossen, Kassie empfängt beide mit Freuden; Kaedin pflegt
- der Minne, Tristan weilt unterdes bei den Frauen. Dann
- verlassen sie die Burg.
- 310 I. FORTSETZUNG ÜLRICH'S VON TÜßHEIM.
- Bei der Rückkehr gewahrt Nampotenis jenes Schapel im
- Graben liegen, schließt auf eines Mannes Anwesenheit und
- mit Gewalt erpresst er seiner Frau das Geständniss. Er jagt
- in den Wald nach, findet die beiden, schlägt Kaedin nieder
- und wird von Tristan durchbohrt. Tristan wehrt sich tapfer
- gegen die Mannen des Nampotenis, erhält aber von einem
- eine Wunde mit vergiftetem Speere. Den todten Freund
- bringt er nach Karke zu den Seinen. Mit großem Leid wird
- Kaedin zu Grabe getragen. Isolt beklagt Tristan's Todeswunde.
- IX. (3302— Schluß.) Tristan entsendet seinen Wirth, den
- Kaufmann Gaviol, nach Tintajol zur Königin; er sei verwun-
- det mit einem vergifteten Speere, sie möge um seiner Hei-
- lung willen kommen. Weiß solle das Segel sein, wenn sie
- komme, schwarz, wenn er sie nicht bringe. Isolt ist bereit,
- mit ihrer Salbe sofort zu reisen. Brangsene kann sie nicht
- mitnehmen. Sie starb aus Gram über ihrer Herrin Leid.
- Isolt von Karke erfährt von des Kaufmanns Weibe die An-
- kunft des Schiffes. Die weißhandige Isolt meldet es Tristan,
- seine Isolt wäre gekommen. Auf seine Frage, wie das Segel
- sei, antwortet sie: «Das ist schwarz wie eine Kohle», obgleich
- sie ein schneeweißes erblickte. Tristan voll Schmerz über
- diese Kunde kehrt sich um und stirbt.
- An die Bahre im Münster setzt sich Isolt; die andere Isolt
- tritt heran und fragt sie: «Warum sitzt ihr bei dem Todten,
- den ihr getödtet habt? Geht von dannen und setzt euch
- dorthin!» Isolt legt sich auf die Bahre und verscheidet: nicht
- die weißhandige, es war Isolt die Blonde.
- Marke erfährt den Tod Isoldens und Tristan's. Er schifft
- sich ein nach Karke und vernimmt unterwegs, daß beide den
- unseligen Minnetrank getrunken. Er findet in der Kirche
- beide auf der Bahre und führt beide in zwei Särgen nach
- Kurnewal und lässt sie in dem Kloster, wo sein Vater lag,
- in Marmelsteinen bestatten. Einen Rosenstock und eine Wein-
- rebe pflanzt er hier und dort, die Rebe auf das reine Weib,
- die Rose auf Tristan's Leib. Rose und Rebe flechten sich in
- der Erde zusammen.
- Marke stiftet ein Kloster und fastet und betet viel zu sei-
- nem und der beiden Todten Seelenheil.
- II. FORTSETZUNG HEINRICH's VON FREIBERG. 311
- I
- n.
- HEINKICH VON FEEIBERG.
- Vvä nu richer künste hört,
- wä schoene rede, wä blüende wort,
- wä vünde fiolin gevar,
- wä Sprüche sam die rosen klär,
- wä sinnic satz, wä vündic sin? 5
- der aller ich ein weise bin.
- getichtes des gar spehen,
- des riehen und des wehen
- bin ich ein erbeloser man,
- und hab mich doch genumen an 10
- ze volbringene diz mer',
- daz so blüende hat unz her
- mit schoener rede betichtet
- und meisterlich berichtet
- sin herre, meister Götfrit 15
- von Sträzburc, der so manegen snit
- spehen unde riehen
- schön' unde meisterlichen
- nach durnechtiges meisters siten
- üz blüendem sinne hat gesniten, 20
- und hat so richer rede kleit
- disem sinne^ an geleit.
- dise materien er hat
- gesprenzet in so liechte wät,
- daz ich zwivele dar an, 25
- ob ich indert vinden kan
- in mines Sinnes gehüge
- rede, die wol stende tüge
- bi diseii Sprüchen güldi'n.
- nu müge wir nicht gehaben sin: 30
- got unser schöpfer daz gebot,
- 3 vünde pl. von runt, hier geradezu: dichterischer Ausdruck, ebenso
- in V. 35-, vgl. die Stelle aus Rudolf V. 19 in der Einl. S. XXI. — fioLin,
- rwlin gevar adj., veilchenartig gefärbt, d. h. anrauthsvoll. Die Lesart statt
- des handschriftlichen Holen gevar ist Besserung von \V. Grimm zu Athis
- S. 7ö und empfiehlt sich wegen des Metrums. — 5 satz stm., Ausdruck,
- Gedanke. — vündic adj., erfinderisch, dichterisch. — 8 vuehe = iooehe (e in
- Heinrich's Mundart auch an Stelle von «?) adj., zierlich, künstlerisch. —
- 10 'jenuiiten, in Heinrich's 'M\i-ada.Tt = ffenomen (ebenso kumen). — 24 spren-
- zen swv., schmücken. — 26 indert Sidv. = iender. — 27 gehüge stf., Gedanke,
- Andenken, Erinnerung. —
- 312 II. FORTSETZUNG HEINRICH's VON FREIBERG.
- daz in genumen hat der tot
- hie von dirre broeden werlt.
- wol geblüemet und wol geberlt
- ist siner blüenden vünde kränz; 35
- vil reine, lüter unde glänz
- ist siner richer künste hört.
- die toten mit den töten dort,
- die lebnden mit den lebnden hie!
- Sint daz er diz buoch verlie 40
- und sin nicht hat voltichtet
- und tichtende berichtet
- mit dem getichte sinen,
- dem reinen und dem finen,
- so hän ich mich genumen an, 45
- ich tummer künstenloser man,
- daz ich ez volbringen wil
- mit rede unz an daz jämerzil,
- daz Tristan und die blunde Isöt
- in glüender minne lägen tot, 50
- ob er mich lät so lange leben,
- der lip und leben mir hat gegeben.
- Daz aber ich dise arbeit
- hab minem sinne vür geleit,
- daz machet eines herren tugent; 55
- sin höhez adel, sin edele jugent
- ez mir gebot und mich sin bat.
- der triuwen stic, der züchte pfat
- hat er mit an gebornen triten
- gebent nach herlichen siten, 60
- vrouwen Eren ämis üz erkorn:
- in Behemlant ist er geborn,
- dem ich diz senecliche mer'
- mit innecliches herzen ger
- voltichten und volbringen sol; 65
- an dem ist daz erkennet wol,
- daz er mit tugentlicher tat
- vil hoer wirde erworben hat.
- 83 broecle adj., schwach. — 34 geberlt part. adj., geperlt, mit Perlen ge-
- schmückt.
- 40 Sint &dy.^ Sit. — 56 adel stD, = Adel stm. — 60 gebent part.=
- geebenet. —
- IT. FOKTSETZÜNG HEINRICH's VON PREIBERG. 313
- zucht, mäze mit bescheidenheit.
- sin ellentliaftez herze treit 70
- manheit, triuwe iiiid milte.
- er ist euch under schilte
- ein ritter vrecli und gar kurtois
- und ist ein Liuchtenburgonois,
- von Liuchtenburc ist er genant, 75
- sin nam in eren ist bekant
- und ist genennet er Reiwmuut.
- ja reine in sines herzen grünt
- ist er an' allez kunterfeit
- der rechten reinen reinekeit 80
- gar siner tat und siner werc:
- dem ich Heinrich von Friberc
- voltichte disen Tristan,
- als ich allerbeste kan.
- Wir hau gehört, wie Tristant 85
- in Arundele daz lant
- zu dem herzogen quam ....
- und wie er da zu Karke bleip: 106
- daz hab wir allez wol vernumen
- nu sulle wir zu der rede kumen,
- da si der meister hat verlän,
- der dises buoches erste began.
- I. (111—1128.) Tristan entsagt der blonden Isolt und be-
- gehrt und gewinnt Isolt von Karke. Nach vier Wochen ist
- die Hochzeit festgesetzt, die mit Freuden gefeiert wird. Tri-
- stan führt die Braut zum Tanze, und nach dem Tanze kam
- ein Bischof, der sie ihm zu rechter Ehe gab. Sie tauschen die
- Ringe und am Abend begibt sich Tristan zu Bette. Isolt wird
- ihm von einer Frauenschar zugeführt, und die Herzogin legt
- sie ihm an die Seite und gibt ihnen den Segen. Während
- Tristan den Riegel vor die Thür schiebt, rüstet sich Isolt,
- ihr Magdthum zu vertheidigen. Wie er sich ihr freundlich
- naht, fällt sein Blick auf den Ring am Finger, den ihm die
- 70 ellentha/t, ellenhaft (3. zu Tristan 7010) adj., kraftvoll, mannhaft. —
- 77 er vor dem Namen =:/ifr, her, Herr. — 80 Genitivwendung: von rechter
- reinen Reinheit. — Sl ebenfalls Genitivwendung: an aller seiner That und
- seinen Werken. — Stj Heinrich hat zwei Betonungen von Arundele, auch in
- Arundele daz l. möglich. — 87 zu altmitteld. = nhd. = mhd. ze.
- 314 II. FORTSETZUNG HEINRICH's VON FREIBERG.
- andere Isolt beim Scheiden gegeben, und die Minne zu ihr
- zieht wieder stürmisch in sein Herz. Isolt von Arundel behält
- ihr Magdthum. Am Morgen kommt Karsie und legt der
- Tochter reiche Kleider und den bräutlicheu Kopfschmuck an.
- Zuerst geht man zur Messe, dann findet die Tafel statt.
- Beide, Tristan und Isolt, aßen nicht viel, sondern waren in
- Gedanken versunken. Auch in der zweiten Nacht pflegt Tri-
- stan der Liebe nicht.
- Nach Beendigung des Festes fragt Isolt eines Nachts ihren
- Tristan, warum er zürne; sie wolle, wenn sie ihm Leides ge-
- than, es wieder gut machen. Tristan entschuldigt sich: er
- habe zu Weisefort in Irland mit Lebensgefahr einen Serpant
- erschlagen und, um sich zu kühlen, sich in eine Lache ge-
- senkt. In dieser Noth habe er der Gottes Mutter ein Ge-
- lübde gethan, daß, wenn ihm eine Maid zum Weibe angetraut
- werde, er sie ein umgehendes Jahr lang Jungfrau lassen wolle.
- Da seien ihm wie Engel vom Himmel zwei schöne Frauen er-
- schienen und hätten ihm Hülfe gebracht.
- Hierauf versöhnt sich Isolt mit ihm; sie denkt, das eine
- Jahr könne doch nicht ewig währen. Sie leben zusammen,
- wie Lieb mit Liebe leben soll, daß Herzog und Herzogin
- und Kaedin sich höchlich darüber freuen.
- IL (1129 — 2358.) Ein halbes Jahr nach Tristan's Ver-
- mählung mit Isolt geschah es, daß Tristan und Kaedin bei
- Rückkehr von der Jagd unter einer Linde einen reich geklei-
- deten Garzun sitzen finden, der, von König Artus gesandt,
- den Fürsten und Helden aller Lande die Gründung und die
- Gesetze und Ehren der Tafelrunde verkünden soll. Tristan
- folgt dem Rufe. Er erhält von allen den Urlaub , auch von
- Isolt, die bei sich denkt, sie müsse seine Minne doch noch
- ein halbes Jahr entbehren. Wohl gekleidet und gerüstet
- schifft sich Tristan mit Kurvenal und Gefolge ein. Gutes
- Wetter und guter Wind ist ihnen auf der Fahrt bescheert.
- In Britannien angelangt lassen sie sich in einem Städtlein,
- kaum eine Meile von Karidol, dem wonniglichen Haus des
- Königs Artus, rastend nieder. Um die Burg zu Karidol lag
- €in schöner Tann, in welchem die Ritterschaft Abenteuer
- suchte. Am Morgen reitet Tristan wohl gewappnet in Beglei-
- tung Kurvenal's, der seinem Herrn den Helm nachträgt, in
- den Tann. Ein Ritter zu Ross kommt ihm entgegen, Kurve-
- nal bindet Tristan den Helm auf, reicht ihm einen Speer und
- entfernt sich mit den übrigen Begleitern der Sitte gemäß vom
- i
- II. FORTSETZUNG HEINRICH'S VON FREIBERG. 315
- Kampfplatz. Die beiden Kämpfer rennen sieb so stark au,
- daß die Speere brechen, und daß Rosse und Reiter fallend
- den Sand suchen. Die enteilenden Rosse fängt Kurvenal auf.
- Die Helden greifen zu den Schwertern und schlagen kräftig-
- lich aufeinander los. Freudig lässt Tristan den gewohnten
- Ruf: «Parmenie, Parmenie!» erschallen; darauf hin gibt sein
- Gegner den Kampf auf, weil dieser Ruf seinem liebsten
- Freunde zugehöre, nämlich von Parmenie Tristan. Es ist
- Gawan, der mit ihm gestritten. Beide Freunde und Ver-
- wandte reiten nach herzlicher Begrüßung und Umarmung zu-
- sammen gen Karidol, wo Tristan herrlich empfangen wird.
- König und Königin führen ihn zur Tafelrunde, die Ritter-
- schaft freut sich , daß ihre Schar durch ihn gemehrt werde.
- Tristan bewährt seinen Ruhm; er besiegt die Ritter Dalcors
- und Keie. Letzterer muß sich, als er ohne Ross nach Kari-
- dol zurückkehrt, viel Spottes gefallen lassen. — Gawan will es
- ermöglichen, daß Tristan Isolt, die blonde Königin, wiedersehe.
- III. (2359 — 3004:.) Gawan veranstaltet mit dem Könige
- eine Jagd. Die Könige Artus und Marke hatten einen ge-
- meinsamen Grenzwald. Dorthin lenkt Gawan die Jagd und
- richtet es so ein, daß die Jäger am Abend Tintajol näher
- sind als Karidol. Gawan reitet voraus und erbittet für König
- Artus und für alle seines Gefolges bei König Marke Gast-
- freundschaft und Frieden. Die Gäste werden mit Freuden
- und in allen Ehren bewillkommt. Tristan und Isolt grüßen
- sich verstohlen mit Blicken. König Artus wird mit den Sei-
- nen in den Palas gebettet. König Marke ruhte mit der Köni-
- gin in einer Kemenate, aber ihr Bette stand entfernt von dem
- seinen an einer andern Wand. Das erfuhr Tristan durch das
- Kind Tantrisel, den Sohn seiner Muhme. König Marke hatte
- in seinem alten Argwohn wider Tristan vor das Gemach einen
- Block mit zwölf Sensen legen lassen. In Tristan und Isot er-
- wacht aufs neue die Liebesglut; er besiegt alle' Bedenken
- und MÜl zu ihr schleichen. Da schneidet er sich an den
- Sensen, daß das heiße Blut auf den Estrich rinnt. Er will
- zurück zum Lager, aber die Minne treibt ihn zur Königin.
- Er verbindet die Wunden, gibt an der Thür das Zeichen und
- wird eingelassen. Von seiner Wunden Blut wird Leilach und
- Kolter im Bette und des Saales Estrich naß. Als Tristan zu
- seinem Schlafgenossen Gawan zurückgekehrt ist und er diesem
- seinen Unfall geklagt hat, räth Keie, alle Tafelrunder sollten
- sich mit Getöse verwunden, damit Marke keinen Argwohn
- 316 II. FOETSETZUNG HEINRICh's VON FKEIBERG.
- gegen Tristan fasse. Der Rath wird befolgt. Wie Keie zau-
- dert, ergreift ihn Gawan und stößt ihn in die Sensen, daß
- er die größte Wunde empfängt. Marke hört den Lärm und
- verweist seinen Gästen ihre Unzucht. Als am Morgen alle
- wund und hinkend vor ihn kommen, bittet Marke seinen Gast
- Artus, ihm nicht darum zu zürnen. Artus will die Bitte ge-
- währen, wenn auch er eine gewähre. Als Gast habe er zu
- gebieten, nicht zu bitten, antwortet Marke. Da bittet Artus,
- Marke möge seinen Zorn wider seinen Neffen Tristan auf-
- geben. Marke sagt zu, Tristan solle wieder in seinen Hulden
- sein. Artus nimmt Abschied und reitet von dannen. Tristan
- bleibt bei Marke zurück.
- IV. (3005 — 3607.) Der Minnetrank zwingt die Liebenden
- abermals. Tristan zieht das Kind Tantrisel in sein Vertrauen
- und sendet durch dasselbe der Königin geheime Botschaft,
- Beide treiben ihr altes Erbespiel, und neue Gerüchte ent-
- stehen. Marke, aufs neue argwöhnisch, gibt eine Reise an
- König Artus' Hof vor, übergibt Tristan sein Haus und sein
- Gesinde in Obhut, kehrt dann in der Nacht durch ein Pfört-
- lein zur Burg zurück und überrascht Tristan bei der Königin.
- Er lässt beide binden und in den Kerker legen. Auf Bitten
- des Truchseß Tinas von Litan, des Freundes von Tristan,
- werden sie der Bande entledigt. Das Gericht verurtheilt die
- Liebenden zum Tode, Isolt zum Scheiterhaufen, Tristan zum
- Rade. Des Tinas Fürsprache ist vergebens.
- Die Königin und ihr Freund werden alsbald an die Stätte
- geführt, wo man die Ungetreuen zu verderben pflegte. Am
- Wege neben dem Flußufer lag eine Kapelle, in welcher Tri-
- stan beten will. Der Wunsch wird ihm erst versagt, dann
- auf des Tinas Befehl gewährt. Während sie vor der Kapelle
- seiner harren, springt Tristan durch ein Fenster in den vor-
- beifließenden Strom und schwimmt abwärts; Kurvenal und
- Tantrisel hatten auf ihn gewartet, bringen ihm Ross und
- Rüstung, und so reitet er, während sich die meisten zu seiner
- Verfolgung anschicken, dem Scheiterhaufen zu. Den Potestat
- haut er durch den Deckelhut bis auf die Zunge, Kurvenal
- schlägt zwei der Schergen todt, das andere Volk flieht, Tri-
- stan hebt die Königin auf sein Ross und reitet mit ihr in
- jenen Wald zur Fossiure, die Meister Gottfried beschrieben.
- Sie finden sie aber nicht und erbauen sich deshalb eine Hütte.
- — Marke tröstet sich über ihre Flucht, Gott selbst möge
- ihnen hin geholfen haben.
- II. FORTSETZUNG HEINRICH'S VON FREIBERG. 317
- Tristan und Isolt leben in der Wildniss vom Wildpret und
- vom Lautertrank, der aus einem Felsen floß. Sie hatten ein
- Gericht mehr als Kurvenal und Tantrisel: das war die süße
- Minne.
- Nach etwa einem halben Jahre begab es sich, daß Tristan
- mit Kurvenal zur Jagd geritten und Isot mit Tantrisel an der
- Hütte zurückgeblieben war. Dann brechen sie Aste und
- pflücken Blumen, um damit die Hütte zu schmücken. König
- Marke war in diesen Wald geritten und hatte sich von seiner
- Jagdgesellschaft getrennt. Da gewahrte er die Königin, und
- wird wiederum von ihr bemerkt, doch thut sie, als habe sie
- ihn nicht gesehen. Sie fragt Tantrisel: «Wie lange mag es
- sein, daß mein Schwager Tristan mich so männlich vom Feuer-
- tode erlöste?» Das Kind weiß nicht, was sie damit meint;
- sie winkt ihm mit den Augen und tritt ihn auf den Fuß, was
- der König nicht bemerkt. Tantrisel antwortet: «Das wisst
- ihr ebenso gut oder vielleicht noch besser als ich.» «Es
- dünkt mich jetzt beinah ein halbes Jahr», spricht Isolt darauf.
- Das Kind spricht: «Herrin, ihr habt recht.» Weiter spricht
- sie: wie mannhaft sich auch Tristan dünke, an ihnen habe
- er als ein Feigling gehandelt, weil er am selben Tage davon-
- geritten sei und sie in dieser Noth zurückgelassen habe.
- «Zeter über die», ruft sie aus, «die mich und den guten Mann
- bei meinem lieben Herrn, dem König, so verlogen haben!
- Tantrisel, liebes Kind, mich wundert, daß wir zwei so lange
- einsam hier gewesen sind in dieser Wüste und von den wil-
- den Thieren verschont blieben und daß wir weder Brot noch
- Wein noch andere Speise gehabt haben als Wasser und Kräu-
- ter. Gott will, daß ich in dieser Wildniss meine Sünden büße.
- Vielleicht sehe ich nie wieder ein Menschenbild. Ich danke
- Gott für seine Gnade, daß er dich, liebes Kind, bei mir ließ.»
- Sie seufzt und spricht: «Ach, König Marke, lieber Herr, daß
- wir durch falscher Neider Trug also geschieden sind!» Sie
- vergießt Zähren, lässt Kräuter und Blumen 'fallen, windet die
- Hände und sinkt nieder in den Klee. König Marke springt
- vom Pferde, läuft auf die Königin zu, fällt vor ihr nieder,
- umfängt und küsst sie und bittet sie, ihm die Schuld zu ver-
- geben. Er ruft mit seinem Hörne das Jagdgesinde herbei;
- alle freuen sich über diesen Fund. Der König führt die Kö-
- nigin mit sich heim und lebt mit ihr fortan in Liebe vereint.
- Y. (3G0S — 4094.) Tantrisel hatte sich listig davongestohlen
- und berichtet dem Oheim Tristan die Begebenheit. Dieser
- 318 II. FORTSETZUNG HEINRICH's VON FREIBERG.
- sendet das Kind zurück und entbietet der Königin seinen
- Segen und seine Treue, und fährt nach Karke, wo er von
- Herzog und Herzogin, von seinem Schwager Kaedin und der
- weißhandigen Isolt in Liebe empfangen wird. Isot hofft, daß,
- da das Jahr des Gelübdes vergangen sei, Tristan mit ihr
- leben würde, wie Lieb mit Liebe leben soll. Allein ihre Hoff-
- nung ist vergeblich.
- Einmal reiten Herzog Jovelin, die Herzogin Karsie, Kaedin
- und Isot Blanschemanis zur Jagd. Tristan begleitet sie. Bei
- dem Wege gewahrt Isolt an einem Wässerlein Blumen stehen;
- sie steigt ab, um sie zu einem Kranze zu pflücken. Sie tritt
- in das Wasser, und dabei springt es ihr unter das Gewand,
- Sie lächelt und spricht halblaut : «Das Wasser ist weit kühner
- als der kühne Tristan.» Kaedin hört die Worte, fragt, Isolt
- entdeckt ihm, daß sie noch Magd sei. Zornig stellt er Tri-
- stan zur Rede; der gesteht ihm seine Liebe zu einer andern,
- zur blonden Isolt, erzählt ihm von seinem Abschied von ihr
- und von dem Ringe, der ihn an sie allein binde; berichtet
- ihm ferner von dem Hündlein aus Avelunder, welches seine
- andere Isolt besser halte, als es ihm hier Isolt die Weißhandige
- erweise. Zur Wahrheit verpfändet er Leib und Leben. Kae-
- din ist sofort bereit, deshalb die Reise anzutreten. Sie geben
- vor, Abenteuer suchen zu wollen, und werden von Vater und
- Mutter reichlich ausgerüstet. Kaedin tröstet beim Abschiede
- seine Schwester: wenn er mit Tristan zurückgekehrt sei, werde
- sie nicht länger Magd bleiben.
- Sie finden einen Schiffer aus Litan, dem Truchseß Tinas
- untergeben, welchen sie zur Überfahrt gewinnen.
- VI. (4095 — 5014.) Tinas heißt die Gäste willkommen und
- geht dann in Tristan's Auftrage nach Tintajol, wo er König
- und Königin beim Schachspiele antrifft. Er gesellt sich als
- Zuschauer zu ihnen, Isolt erkennt an seinem Ring die An-
- wesenheit Tristan's, erhebt zum Schein mit dem König einen
- Zwist wegen des Spiels, um es zu beenden. Isolt bescheidet,
- während der König ausgeritten ist, Tinas zu sich; er richtet
- die Botschaft aus: sie solle ihrem Freund das Leben retten.
- Eine Jagd nach dem blanken Lande wird verabredet. Isolt will
- Tantrisel, ehe sie komme, voraussenden. Andern Morgens
- harren Tristan und Kaedin im Hage versteckt; sie schauen
- den königlichen Zug. Bei jeder Frau des Hofes fragt Kaedin,
- ob das die Königin sei ; und als er Kameline von der Schete-
- liure mit Brangäne vorbeireiten sieht, gesteht er, nie ein
- II. FORTSETZUNG HEINRICH's VON FREIBERG. 31^
- schöneres Weib gesehen zu haben. Dann kamen zwei Zelter,,
- die eine Bahre trugen, auf welcher 'das Hundhäuslein Petit-
- criu's stand. Dann erst erscheint Isolt reich geschmückt, ge-
- leitet von Tantrisel und dem listigen Antret. Kaedin erschrickt
- bei dem Anblicke und er spricht: ((Eine Sonne steht am Him-
- mel, und hier geht eine zweite Sonne auf.» «Jene Sonne «^
- entgegnet Tristan, «ist des Himmels Sonne, diese ist meines
- Herzens Wonne, die Königin Isolt.» Tantrisel springt vom
- Pferde und hebt das von Tristan hingeworfene Zweiglein auf.
- An dieser Stelle steigt die Königin ab, setzt sich in den Klee,
- lockt das Hündlein und liebkost es. Als Kaedin das gesehen,
- erlässt er dem Schwager den Eid: so habe es seine Schwe-
- ster Isolt bei all ihrer Liebe ihm nie erwiesen; ein schöneres
- Weib habe er nie gesehen.
- Isolt heuchelt Krankheit und sendet Antret zum König mit
- der Botschaft, sie könne den Weg nicht fortsetzen; er möge
- sie diese Nacht meiden. Dann läuft sie dem Hag entgegen,
- wo Tristan verborgen war, und gibt ihm in einer Anrede an
- die Yöglein des Waldes Kunde, wo sie die Nacht zubringen
- wolle. Des Abends erhält er durch Tantrisel noch genauere
- Botschaft. Auf das verabredete Hornzeichen treten Tristan
- und Kaedin in das Zelt, wo außer der Königin sich nur Pa-
- ranis und Tantrisel, Brangane und Kameline befinden.
- Isolt begrüßt die Gäste, Tristan bleibt bei ihr. Kaedin, der
- bei Brangane und Kameline gesessen, findet an beiden Ge-
- fallen. Isolt wirft der Kameline ein Kissen zu, welches sie
- unter Kaedin's Haupt legen solle. Die kannte die Art des
- Kissens und verstand den Wink. Kaedin begehrt Kameline's
- Liebe, sie gewährt ihm die Freiheit, legt ihm das Zauber-
- kissen unter das Haupt, daß er einschläft. Am Morgen wird
- er von allen verspottet; er klagt sich selbst an, daß er die
- Schöne gemieden habe. Tristan und Kaedin scheiden dann
- aus dem Zelte, begeben sich dahin, wo Kurvenal mit den
- Pferden gewartet hatte, und reiten gen Litan zu ihrem
- Freunde Tinas.
- VII. (5015 — 5718.) Die Königin begibt sich zu König
- Marke. — Tristan wird in Litan siech, wovon Isolt vernimmt.
- Sie sendet ihm durch Paranis und Tantrisel Arznei, welche
- ihn heilt. Sein Lockenhaar schert er ab. Tantrisel räth ihm,
- weil sein Äußeres durch die Krankheit verändert und ent-
- stellt sei, Narrenkleider anzulegen und sich wie ein Thor zu
- geberden und so zur Königin zu gehen. Das befolgt Tristan.
- 320 II. FORTSETZUNG HEINRICH's VON FßEIBERG.
- Er scherzt wie ein Narr mit Marke und Isolt, wirft ihr einen
- Bissen Käse zu, und als ihn der König am Ohre zieht, schlägt
- er mit seinem Kolben nach ihm. Antret will den Schlag auf-
- fangen und wird so getroffen, daß er betäubt liegen bleibt.
- Der Narr haut um sich, alle fliehen ; dann macht er Friede.
- Durch das Kind Tantrisel erfährt die Königin, der Narr sei
- Tristan.
- Der Narr isst an der königlichen Tafel, wo er dem Zwerge
- Melot eine siedend heiße Pfefiferbrühe ins Antlitz gießt, daß
- seine Augen verbrennen. — Der König reitet auf acht Tage
- zur Jagd, der Narr bleibt in der Königin Pflege. Auf die
- Frage der Frauen, wie er heiße, antwortet der Narr: «Peil-
- netosi», aus M^elchem Namen Isot hinterrücks «Isoten liep»
- herausliest und Tristan in ihm erkennt. Durch Brangane
- fordert sie den vor der Kemenate liegenden Thoren auf, ihr
- Bettgeselle zu sein. Am Morgen legt er sich allemal wieder
- mit dem Kolben auf sein Strohlager.
- Der falsche Ritter Pfelerin meldet der Königin die An-
- kunft des Königs. Die Liebenden müssen sich trennen. Beim
- Abschied aus der Burg thut der Thor zu Dienst Isoldens
- einen so gewaltigen Sprung, wie ihn noch niemand ersehen:
- Pfelerin vermuthet daran Tristan, was ihm der Name Peil-
- netosi bestätigt. Er jagt ihm nach, erreicht ihn, fordert ihn
- auf bei der Liebe zur Königin umzukehren. Tristan folgt dem
- Rufe, sie kämpfen: Pfelerin fällt unter den Streichen des Kol-
- bens. König Marke kommt dazu, erkennt in dem Thoren
- seinen Neffen und befiehlt, die Jagd auf ihn fortzusetzen. Tri-
- stan aber entkommt nach Litan zu Tinas. Dem Könige wird
- es auszureden versucht, daß der Narr Tristan gewesen sei;
- er möge seinen Argwohn wider die blonde Königin fahren
- lassen.
- VIII. (5719 — 6315.) Tristan verabschiedet sich mit seinen
- Gesellen Kurvenal und Kaedin von Tinas und fährt zurück
- nach Arundel. Auf der Reise erbittet sich Kaedin Tristau's
- Beistand. In Gamaroch, dem Nachbarlande von Arundel,
- wohne auf der Burg Gamarke der Ritter Nampotenis, dessen
- Gemahlin Kassie er von Kind auf geliebt habe. Sie werde
- von Nampotenis streng gehütet und verschlossen gehalten.
- Wie sie der Burg nahen, werden sie von dem entgegenreiten-
- den Wirthe als Gäste willkommen geheißen. Tristan schreibt
- für Kaedin ein Brief lein, das dieser der Herrin geben soll. In
- dem Brieflein wird sie ersucht, dem Gemahl während des
- II. FORTSETZUNG HEINRICh's VON FREIBERG. 321
- Schlafes die Schlüssel zu stehlen, sie in Wachs abzudrücken
- und das Wachs vor die Thür der Kemenate zu legen. Sie
- thut es, Kaedin findet in Freuden das Wachs und reitet
- andern Morgens mit Tristan nach Karke. — Dort werden sie
- von Herzog Jovelin, von der Herzogin und von der tugend-
- reichen Isolt liebreich empfangen. Tristan lebt fortan mit
- Isolt, wie ein Mann mit liebem Weibe leben soll.
- Kaedin trägt sein Wachs zu einem kunstfertigen Schmiede,
- der ihm die Schlüssel liefert. Mit Tristan bricht er nach
- Gamarke auf; sie schaffen sich, während Nampotenis jagt,
- Eingang. Kassie nimmt Kaedin zu sich in die Kemenate,
- Tristan bleibt die Zeit bei den Frauen. Beim Ausreiten aus
- der Burg verliert Kaedin seinen Schattenhut von Blumen.
- Nampotenis erblickt den Hut bei der Rückkehr im Graben
- liegen, vermuthet Gäste, sucht die Burg aus und zwingt
- schließlich Kassie zum Geständniss. Dann jagt er nach, ereilt
- die beiden Helden und bringt sie durch den Ruf, um Isolden
- und um Kassie's Liebe umzukehren, zum Stehen. Nampotenis
- ersticht den Kaedin und fällt von Tristan's Hand. Einer sei-
- ner Begleiter verwundet Tristan mit einem vergifteten Speere.
- Tristan kann noch den todten Freund nach Karke führen, der
- von allen beklagt und in der Kirche fürstlich begraben wird.
- IX. (6316 — Schluß.) Dem todtwunden Tristan kann kein
- Arzt helfen. Er sendet daher Kurvenal nach Tintajol zu Isolt,
- sie möge kommen, um ihn zu heilen. Der Schiffer solle ein
- weißes Segel anbinden, wenn sie komme, ein schwarzes, wenn
- sie nicht komme. Isolt ist sogleich bereit zu fahren.
- Isolt Blanschemanis pflegte derweil ihren Tristan; vielleicht
- grämte es sie, daß er nach jener Isolt gesandt hatte. Sie tritt
- oft an das Fenster, um des Schiffes Ankunft zu erspähen.
- Endlich sieht sie das weiße Segel glänzen. Aber auf Tristan's
- Frage, wie das Segel beschaffen sei, antwortet sie: «Ich sah
- ein schwarzes Segel.» « Schwarz? » sprach Tristan. « Ja », sprach
- Isolt. Alsbald brach sein Herz. Isolt schrie voll Jammer : «Ich
- habe gescherzt, Tristan! Das Segel ist weiß, das ich dort
- auf dem Meere gesehen habe.» Aber wie viel sie rief, es war
- geschehen. — Tristan's Leichnam wird eingebalsamt, aufgebahrt
- und mit Blumen bestreut. Die Glocken läuten, als Kurvenal
- mit Isolt von Kurnewal ans Land tritt. Sie fragen die Kla-
- genden um Tristan. «Er ist todt, Tristan», ist die Antwort.
- «Welcher Tristan?» spricht weiter das schöne Weib, weil sie
- hoffte, es hieße noch einer Tristan wie er. «Der Parraeuois»,
- GOTTFRIED VON STEASSBURG. II. 2. Aufl. 21
- 322 II. FORTSETZUNG HEINRICH's VON FREIBEKG.
- spricht der Gefragte. Isolt fällt in Ülinmaclit, weinen kann
- sie nicht. Dann führt sie Kurvenal zum Münster und zu dem
- Todten auf der Bahre. Sie stürzt sich auf ihn, kein Wort
- kommt aus ihren Lippen, der Tod bricht ihr daz Herz ent-
- zwei. Isolt, die todte Königin, wird sogleich eingebalsamt, in
- den Sarg gelegt und auf die Bahre. Kurvenal erhebt laute
- und innige Klage. — Herzog Jovelin denkt an das Begräbniss
- der beiden Todten.
- König Marke hört die Märe von Isoldens Flucht und fährt
- gen Karke und wird von Herzog Jovelin empfangen und ver-
- nimmt die Trauerkunde. Kurvenal verschweigt ihm nicht, was
- er weiß, wie ihnen der Trank auf der See gegeben ward, von
- Tristan's tödtlicher Verwundung zu Gamaroch. Marke klagt:
- «0 weh, Tristan, hättest du mir das bekannt, ich hätte dir
- Isolt zum Weibe gegeben!»
- Marke nimmt die Todten mit sich nach Tintajol, wo sie
- auf der Burg in zwei Särgen von edelem Marmelstein begraben
- werden. Er stiftet ein Kloster ze Sente Merjen Stern; dort
- ünden sie ihre Ruhe, dorthin begibt sich auch Marke, nach-
- dem er Kurvenal beide Königreiche übereignet hatte. Auf
- Tristan's Sarg lässt König Marke einen Bosendorn, auf Isolt
- eine grüne Weinrebe pelzen. Die Wurzeln wachsen zusam-
- men, Busch und Rebe flechten sich ineinander.
- WORTREGISTER.
- c mit Ausnahme von Aspirata ch an Stelle von k oder ;; unter k; /
- öfters an Stelle von v. Die Adjectiva auf -iy auch gegen den Text ver-
- zeichnet -ic außer in Zusammensetzung.
- a franz. prcup. 239(j.
- -ä fjeitii Iniper. 3715.
- ab- s. ap-.
- ab, abe ado. da — abe lOllG. dar
- abe 4617. abe und, odei* an 833.
- 15154. 15303. an — und abe 890. —
- bei Vurbens. brechen, gän. kernen,
- nemen, genemen. leiten, gewinnen,
- gewanken.
- ab adv. Kärzun = Ah&r.
- äbenden swo. übende werden 7343.
- aber, ab ade. 409. aber wider 19250.
- conj. und aber 748.
- adjüt franz. 3135.
- after pruip. 6934.
- agestein stm. 8092.
- alii interj. 4620.
- ahselbein stn. 2558.
- sehtaerinne stf. 18042.
- ahtbteren nivv. 6077.
- ahte Zahlw.^=acht.
- ahte stf. = Acht. 3087. 80S3. a. ge-
- winnen 10398. üzer ahte 1579H.
- ahte prcet. = achtete.
- ahten sicv. 922. 14733.
- ahzehen Zahlic\ = achtzehn.
- äkust stf. 12243.
- al adj. {fem. u. pl. neutr. elliu=
- alliu) II. adv. — adj. alles gähes
- 12348. — adv. al besunder 1271. al
- eine (adj.) 1272. al gemeine 2255.
- al geliche 2448. — ade. conj. al
- fV2tJ7. — al eine 222. des al ein
- 11582 (?). — s. betalle, mitalle.
- Alamanje swm. 3701.
- älaster stn. 15492.
- aide conj. 340.
- allenthalben adv. mit gen. 2498.
- allerbeste adv. 1373.
- allerjungest adv. 3180.
- allermeiste adv. = allermeist.
- allernähest adv. 14977.
- allez adv. 572.
- allez adj. subst. 193.
- allez franz. imper. 3204.
- ällich adj. 770.
- ällich, älliche adv. 608,
- almeistic adv. 3340.
- alrerste adv. 788. 1092.
- alrihte. in alr. adv. 15527.
- als, alse, also adv. demonstr. 27. relat.
- u. conj. 3. 51. 1545. 2265. 2306. 9746.
- reht' als 25.
- als franz. 18713.
- alsam adv. 285.
- alsus adv. s. zu 43.
- alten swv. 1.3067.
- alter stn. alterseine adj. 11566.
- alwsere adj. = albein.
- ämähtic adj. 15609.
- amant franz. 16704.
- ambet stn. 3320. 4564.
- ameiren sivv. 12069.
- amie franz. 19217.
- amie stf. 11492.
- amis franz. 2679.
- amme siof.y nhd. stf. sing.
- ampnere stf. 9157.
- 21 *
- 324
- AMUR — BAR
- amür franz. 1360.
- amüren swv. 12069.
- an prcep. mit dat. 152. 14ö3. 2188.
- 3664. 5081. .5254. 860.'). 12530. 14994.
- 14996, 18347. mit acc. 1308. 1382.
- 3284. 4372. 4423. G365. 6781. 13351.
- 14994. 18063.
- an, ane adv. dar an 93. 10562. hier
- an 6152. 9755. an — und abe 890.
- abe und, oder an 833. 151.54. 15303.
- — bei ]'erben s. gän. grifen. heben,
- keren. komen. legen, lieben, erlie-
- gen, ligen. nemen, genemen. rüe-
- ren. sagen, sehen, sigen. spilen.
- sprechen, stözen. stricken, suo-
- chen. tragen, triben. ertriegen.
- gevähen. vallen. wahsen. wsenen.
- gewinnen, zemen. — dar an bei
- Verben s. komen. läzen. ligen.
- änam sunt. 321.
- andaht stf. 15156. 18330,
- ande adj. 8992.
- ande adv. 17841. comimr. ander 17846.
- ande su-m. 7088.
- ande prcet. = endete.
- anden swv. mich andet 9359.
- ander arfj. (ander öfters=nhd. andere,
- anderer.) 1370. 6683. selb ander
- 11184. anders tages 12488.
- anderhalben adv. 11189,
- anderhalp adv. 14431.
- anders adv. 7.
- anderstunt 1424.
- anderswä 183,
- anderunge stf. 11790. 17373.
- äne adj. mit gen. 1490. 4368.
- änepr^fjo. 627. 9356. ä. lougen 11224.
- ä. misaewende 1807.
- anegenge sin. 3989.
- (anen sivv. Hs. F. 9359.)
- anevanc stra. = Anfang.
- 'ange adv. 1209. 1982. 4352.
- angel stm. 15063.
- angen stov. 12369.
- angeslich, ängeslich adj. 1597.
- angest subst. 1257. 1550. jjlur. 9223.
- a. nemen 9120.
- angestbsere adj, 6438.
- angesten swv. subst. inf. stn. 9314.
- angesthaft adj. 9626.
- anclich, ancliche adv. 4352.
- anspräche stf. 5637. 15420.
- ante prcet.=endete.
- antiste sw7n. 15309.
- antliltze stn, = Antlitz.
- antlützen stcv, 15093.
- antphanc stm, 487. antfanc 18628.
- antwerc st7i, 14516.
- antwurt stf, stn. 14023,
- antwurte praet,= antwortete,
- antwürte stf. stn. = Antuort.
- antwurte 2^^(^^- conj. = antivortete.
- antwürteu stcv. 5962. 11037;
- apgründe stn. 2427,
- ar sw7n. = Aar stm. siom.
- arbeit, arebeit stf. 974.
- arbeitsselic adj. 2128, .
- arbeitsam adj. 17084.
- arc adj. 5978. zer ergeren hant 154Ö7.
- arc stm, 9863.
- arke sivf. 8113,
- archeit stf, 289.
- arcwän stm. = Argwohn,
- arcwsenen swv, 13759.
- arm adj. 198. 12312.
- arm stm, an den arm 1308. under
- armen 3328.
- armbrust stn. = Annbrust stf.
- armekeit stf, 6154.
- armeclich adj. 4000.
- armen swv, 13067. .
- armuot stn. 3795. 4454.
- art subst, 3794. 6723, s^m, 15820. stf.
- 9659,
- arten swv, pari, gartet 9938,
- arzät, arzet stm, = Arzt. pl. arzäte,
- arzätie stf. 12174.
- arzätin, arzätinne stf ,=z Ärztin.
- arzätlich adj,=ärztlich.
- äswich stm. 15082,
- avant franz, 3204. i
- äventiure stf, 151, 246. 3269. 11637.
- von ävent. 735. an ä. geben 6162,
- äventiuraere stm, 9328.
- bal proEp. von bellen, nhd. swv. bellte.
- balle swm, in ballen wis 1028.
- balde adv. nie so b. 13260, compar.
- balder 8950,
- bälderichen (?) 8966,
- balmen plur. 2647,
- balseme swm. 16504,
- balsemen swv. 16835. 17987.
- baltensere stm. 15636.
- baltliche, bältliche adv. 10651. com-
- par, baltlicher 1096.
- hSiTa. stm, 7206.
- ban stf. := Bahn.
- baneken swv. refl. 2100.
- banekie stf. 410.
- banier subst, 5582.
- baniere stf, 4578, 4797.
- bar adj, 17417.
- EAR — BESLIHTEN
- 325
- bar proet. von bereu, bern.
- bjBre proEt. conj. von bern.
- baren swv. üf b. 5620.
- barke sw/. = nhd. stf. sing.
- barn stn. muoter b. 2320. vulandes
- b. 159G5.
- barön strn. = Baron.
- barünie st/: = Buronie.
- bast strn. 2827. Ulli,
- bataljen swv. sahst, inf. ?,85.
- batele subst. 12532.
- baz ado. 447. 17184. b. koraen 5(!94.
- beä Jranz. 10721. beäs 2395.
- bedact j)urt. = f^deckt.
- bedäht pari, kurze bed. 4556. wol
- bed. 2690.
- bedsehtekeit stf. 9991.
- bede = beide.
- bedenken swv. 496. 14803, 14925.
- bedühte pnet. von bedunken , be-
- dünkeu.
- begän, begen stc. 705. 13.338. beg.
- mit einem 5143. rejl. mit (jen. 3286.
- begarwe ade. 777'S.
- begeben stc. 5296,
- begegenen swv. 16142.
- beginnen ststvc. 160. mit yen. 2085.
- begunde />ra;^=began.
- begraben stc. 14469.
- begrifen stc. 12366.
- behaben swc. 11302. 11341. 12927,
- 15297, 18.526.
- behalten stv. 6240, 1.3227. 18S52. vor
- beb. 2071.
- behanden adv. 2173. 11156.
- behendekeit stf. 8142.
- behendecliche'*arf», 700,
- beherten swv. 6305.
- beide adj. b. — und 1293, beider sit
- 5525.
- beiden swö.] purt. gebeidet adj. 13770.
- beidenthalben ade. 8496.
- bein stn. 6931, ze beine gän 6486,
- beit proet. von biten.
- beite:=beitete prent, von beiten.
- beiten swc. 5916.
- bejagen swv. 4878.
- bejac stiH. 12298. 12979.
- bekennen swv. 3819. 15438.
- bekliben stc. 19097.
- bekomen stv. 17310. mit dat. 7117.
- becroieren swv. 5060.
- bekunibern swv. = hekürniuern.
- belangen swv. unpprs. 18608,
- beide stf. 11976,
- bi'le franz. 741,
- beleip prat. von beliben = iit>6.
- belelien 5u-y. = belchcncn, belehnen.
- beleiten ««.'».14651.
- belibe prctt. conj. von beliben.
- beliben part. von beliben. — part.
- adj. 1214S.
- beliben, bliben sfr. 4356.
- beliegeu sto. 14932.
- beiigen stv. 6098.
- bemseren swc. 125.
- bemeinen swv. 16726.
- bemeistern swv. 6650.
- bemerken swv. proit. bemarcte 9337.
- benahten swv. 2518,
- benamen ade. 143.
- benemen stv. 2595.
- benennen swv. 535. 16703. (Hs, F
- 16726.) vor ben, 11383,
- beniten pra;t. plur. conj. von beni-
- den, beneiden.
- benie franz. 2683, de ben. 2960.
- ber swm. = Bär.
- ber stf. stn. nilit ein b. 16272.
- beraten sie. 4062.
- bereden swv. .5447. 12006. 16012.
- bereit, bereite adj. 2470. 2918.
- bereite ade. 13483.
- bereite prait.= bereitete.
- bereiten swc. mit acc. und 'jen. 15606,
- bereitschaft stf. 3992. 4928.
- beren, bern stv. 253.
- berihten swv. 2406. 11435.
- beriten stc. 1125.
- berc stin. wider b. 16957.
- berlin stn. =: Perle stf.
- besagen swc. 4775.
- besamenen swc. 6416.
- besät part. von besetzen,
- beschaben part. adj. 3995.
- bescheiden stc. 6389. 7885. 11020,
- 12177. 13508. 17688. reß. 4512.
- bescheiden part. von bescheiden =
- nhd. beschieden. — part. adj. = nhd,
- 57.54.
- bescheidenheit stf. 3059.
- bescheidenlich adj. 5050.
- bescheidenliche adv. 2105. 14637.
- bescheinen swc. 4213.
- beschelen, bescheln swv. 287S.
- beschouwen swc. 11665.
- besehen stc. 2243.
- besenden swv. 1127.
- besengen swv. 9247.
- besetzen swv. 524, 7311. 7336. 8165,
- 11020. 11781. 12576. 12586.
- besingen stv. Allh.
- besitzen stv. .383. 435.
- beslihten swt. 2405. 16818.
- 326
- BESNABEN
- BORTELIN
- besnabcu siov. 4662.
- bcsniden atv. part. besniten 3274.
- besnit part. ■=■ beschneit.
- besorgen swv. besorget werden 2359.
- bespart part. von besperren.
- besperren swv. 16702. vor besp. 17034.
- besprechen stv. 535, 15416.
- bestän, besten stc. anom. 1531. 5806.
- ■mit dat. 9589. mit acc. 15250. mich
- bestät 4142. 4580. 19155.
- bestaten sicv. prcvt. bestatte. 12573.
- bestaeten swv. 9980.
- beste adj. zem besten gezalt 6512.
- beste adv. 3374.
- besunder adv, 629. al bes. 1271.
- besuochen swv. 8863.
- beswseren sk'». 754.
- beswichen stv. 13423.
- betagen sivv. 12630.
- betalle adv. 7019.
- bete stf. 525. b. leisten 19107. mit
- geböte und (noch) mit b. 525. 6252.
- betevart stf. 13690.
- betewip stn. 1265.
- betihten swv. 4941. 11436.
- betouwet part.=^bethaut.
- betragen swv. reß. 8813.
- betrahten swv. 18.
- beträhtic adj. 3116.
- betrechen stv. part. betrochen. 19052.
- betriegen stv. die stunde betr. 17110.
- betrouc prait. = l>etrog.
- betrüeben swv. 12826.
- bettegeit stn. 12613.
- bettelachen stn. 15198.
- bettemeere stn. 14032.
- bettespil stn. 12620.
- bettewät stf. 13537.
- betwingeii stv. 16605.
- betwungenlicli adj. 2069.
- bevalch projt. von bevelhen, bef eitlen.
- bevelhen stv. 442.
- beviln sivv. niich bevilt init gen. 4939.
- bevinden stv. 1927.
- bevolhen pnrt. von bevelhen.
- befulhen ^jrösif. pl. von bevelhen.
- bew^nen swv. 13552.
- bewac proit. von bewegen,
- bewserde stf. 6491. 11235.
- bewaren , bewarn swv. 1512. 2042.
- 3320. 12574. refl. 3437. 9735.
- bewseren swv. 5447.
- bewegen stv. refl. mit gen. 1707. dar
- 5796.
- bewenden swv. 19533.
- bewiget 3. pers. prxs. von bewegen,
- bewisen swv. 1541. 4152. 15530.
- beworrenheit stf. 873.
- bezihen slv. part. bezigen 15496.
- beziunen swv. 5543.
- bezzeren swv. 5234. 15726.
- bi proip. 120. 4172. 5410. 10924.
- bi adv. 12733. da bi 3658. — hei Ver-
- ben s. erkennen refl. stän. fra-
- gen (?). wesen. wonen.
- biben swv. ■= beben.
- bfderbe adj. 360.
- bienvenianz franz. 16191.
- bieten stv. 1527. 1544 (1537). refl. 393.
- üz b. refl. 15837.
- bickelwort stn. 4639.
- bil stm. 2765.
- bilant stn. 449.
- bildsere st7n. = Bilder, (Bildner).
- bilde stn. 1802. 15058.
- bilgerim stm.=Pilgriin.
- bilgerln adj. (?) valken bilgerine 2202.
- billich stm. 6429. 9374.
- billiche adv. 2914. b. wol 3692.
- billichen swv. 5675.
- bilsensäme sicm. 12232.
- binden stv. 16560. nähe gebunden
- 2642.
- binnen adv. 16935.
- biric adj. 16464.
- birsen swv. 2116.
- birt 3. pers. prms. von beren.
- bite stf. 3855. 8860. 9979.
- biten stv. 12295.
- biten prcet. plur. von biten.
- biten stv. 1664.
- biute 1. j)ers. prais. von bieten.
- blä adj., gen. bläwes, blau.
- bleejen swv. 15064.
- blanche franz. 18713.
- blante pra't. = blendete.
- bleichen swv. 14322.
- bliät stm. 15203.
- blichen stv. 14322.
- bliin adj.z=bleien, bleiern.
- blintlichen adv. 1290.
- blüejen, blüen swv. = blühen.
- blüemen swv. 23.
- blunde adj. = blonde.
- bluome strn. = Blu)ne stf. sing.
- bluot stf. = Blüte.
- bluote proit. = blühte.
- böne stf. nicht eine b. 16880. niht
- eine halbe b. 15995.
- boneure franz. a b. 3200.
- bore stm. 277.
- bort St. subst. 5246.
- borte swm. 10911.
- bortelin stn.-=Börtlein.
- B03E — DES
- 327
- •büsc a<1j. 1S643.
- böte sicin. boten tuon 52(i.
- boteschaft stf. 5911. 8531. 148S1.
- braht stm. 12446.
- bräht 2Jurt.'= gebracht.
- bracke sicm. 3039.
- bran^jra;f . »0« brinuen, nhd. brannte.
- brast proet. von b res teil.
- btäte su-in, 29UO.
- brechen stv. 1744. 8982. reß. «273.
- 11314. abe br. 371.
- breiten sicv. 3602 17050. vür br. 15126.
- bresten stv. 258. 15220.
- hrief stm., gen. brieves. 814.'!. 14158.
- bringen stv. 7680. in gedanke br.
- 8511. ze mjere br. 8334. innen br.
- 10425. üz br. 10460.
- brinnen stv. 113. 11122.
- britel st/n. 7045.
- briten stv. 667.
- Britün s/)it. 330. 429.
- britünisch, britiinsch adj. 152.
- Britünois stm. 3678.
- briuwen stv. 13027.
- brot stn. niht ein halbez br. S673.
- brücke sn-f. 8701.
- brim adj. 665.
- brünieren swv. 6615.
- brunne swm. = Brunnen stm.
- brimreideloht adj. 3334.
- brünreit adj. 3919.
- bruoder pl. = ßrüder.
- brüste dat. sg. von brüst,
- brütleite stf. 12353.
- bü sttn. gen. büwes. 2525.
- büege plur. von buoc.
- büezen swc. 1511.
- bübel stm. 16972.
- bühse swf. 4669. 7948.
- buburdieren swv, 617.
- buliurt stm. 650.
- buoch stn. der buoche lere 2063.
- swarziu buoch 4688.
- buochstap stm.=Buchstabesum.plur.
- buoc still. 2884.
- buocbein stn. 2874.
- buosem stm.=Busen.
- buoze stf. 12044. ze b. stau 781.
- bürge dat. u. pl. von huTC,'^ Burg,
- Burgen.
- bürgen 2}rait. plur. ton bergen, =
- bargen.
- bürtic adj. 2694.
- huien prcet . plur . von bieten, = ?;o^e«.
- büwen svcv. {pari. st. gebüwen) 9533.
- 12241. 16490. 17955.
- buzele franz. 742.
- da ade. dernonstr. 3972. 15064. da —
- da 11. 12. da und da 9206. da —
- abe 10116. da bi 3658. da engegene
- 10907. da mite 2806. da van 11356.
- da vor 488. 2070. 8742. 12237. dS,
- ze hove 4809. 4871. da zuo 7747.
- relat. 22.
- damoisele franz. 9169.
- dau franz. 3751.
- dan adv. 783. 9407. dar oder d. 15153.
- her d. 10040. 17418. hin d. 10915.
- 17411. 17418. von d. 4227. — bei
- Verben s. keren. scheiden, stricken.
- — her d., hin d. s. ligen. tragen,
- tuon.
- dane=da, da-ne (Negation).
- danc stm. äne d. 4761.
- danne adv. 35. 17525. nach comp.
- 124, ouch d. 10399. von d. 1618.
- dannen adv. 838.
- dannoch adv. 196.
- dar adv. 302. 5796. d. oder dan 15153.
- dar abe 4617. dar an 93. 10562.
- — bei Verben s. haben, legen, spre-
- chen, tragen.
- darte pra't. von derren , = dorrte.
- daz pron. dernonstr. durch d. 87.
- über d. 17881. umbe d. 779. relat.
- 2470. conj. 293. 14726. 14799. 18599.
- et d. 14216.
- de franz. 471. de benie 2960.
- dehein, kein adj. pron. 52. 95. 6607.
- 16465. deh. me 2150. deh. sin . . . 3795.
- deist = daz ist.
- deiswar = daz ist war.
- deckelachen stn. 15226.
- den acc. sing. = nhd., dat. plur. art.
- = nhd., dat. pl. demonstr. xi. relat.
- = nhd. denen.
- denken swv. 8512. 7nit gen. 3522.
- 10459. hie zuo d. 6381.
- denne adv. 19079.
- der pron.-=nhd.; der gen. u. dat.
- fem. sing., gen. pl. demonstr. nnd
- relat. = 7ifid. deren, derer. — de-
- monstr. 2263. 5736. 15926. 17966.
- relat. = swer 1123. 8917. 15405.
- 16439. 17896. art. vor Adj. 744.
- 15337. vor Possessivpron. 39.
- der adv. = d&T, dar, da 193. 15722.
- der- = dar-, (nhd. dar- und da-)
- unter den betreffenden Adverbien.
- des pron. gen. art.^nhd., des de-
- monstr. und relat. =nhd. dessen.
- — gen. neutr. demonstr. des niht
- 4340. relat. 1802. adv. 322. des al
- ein 11582 (?). sit des 4121.
- 32S
- BESTE — EINE
- deste== desto.
- den frani. 2679. deus 3135.
- deweder adj. pron. 817.
- die plur. neutr.=^d\\}. 2541.
- diech stn. 6928.
- diemüete adj. 5027.
- diemüete stf. 5048.
- dienen swc. mit acc. 8175. 13774.
- 18687.
- dienest, dienst stm. 5137. 7812. 16891.
- dienestbsere adj. 5963.
- dienesthaft adj. 2408.
- diet stf. 7104.
- diezen stv. 4044. 4865.
- dicke adj. 1267.
- dicke ade. 278.
- din gen. des Personaler. ■=nhd. dein,
- deiner.
- dingen stvv. 8202.
- dinc stn. 25. 107. 1206. plur. 1238.
- alle siniu d. 701. in (unter) disen
- dingen 2399. wildiu d. 17455.
- dirre juro«. = disere, dieser.
- dis vereinzelt in der Senkung= dise,
- disiu.
- discantoit franz. 17375.
- distel stm.i nfid. stf. sing.
- distelin adj. 18078.
- dit franz. 742.
- diu fem. nom sing. u. neutr. plur. von
- der, nhd. die. — diu correl. 17973.
- diu instrument. von daz. diu geliche
- 135.- 151^9. 15918. unter d. 2618.
- von d. 123.
- diube stf. 12298.
- diuhte prcBt. conj. von dünken.
- dö adv. demonstr. 470. wie dö 5225.
- conJ. 303.
- doch adv. demonstr. 110. 18469. und
- doch 93. conj. 109.
- dolen, doln swc. 12602.
- dön stm. (3246).
- dcenen swv. 3586. 4790.
- dorfte prost, von dürfen.
- dorperheit stf. 15485.
- dorperie stf. 16620.
- döz stm. 9053.
- döz praet. von diezen.
- drsejen swv., prcet. drsete. 10900.
- dräte adv. 6134.
- driakel stm. 9440.
- drien swv.l pari, gedriet adj. 1828.
- drihe swf. 6559.
- drin dat. von dri::=drin, nhd. dreien.
- driu neutr. von dri.
- drö stf 6436.
- drüe franz. 19217.
- drungen prat. pl. von dringen, =
- drangen.
- dühte pr(£t. von dünken,
- duin franz. 3267.
- duc franz. \i d. 332.
- düme swm.=: Daumen stm.
- dunkelin stn. 13058.
- duo adv.=dö.
- dur proep. = durch.
- durch pra-p. 5782. 5791. 13990. d.
- daz 87.
- durchliuhtic adj. 4900.
- durchliiter adj. 11730.
- durnähte adj. 1166.
- durnähte stf. 15746.
- durnähtekeit stf. 5761.
- durnähteclich adj. 12451.
- durnähtic adj. 16790.
- dürre stf. 17343.
- dürfen swo. anom. 2667.
- duz st/n. 17167.
- duze franz. 3267, duz 10721.
- e adv. = ehe, eher, e niäles = "A^-
- mals.
- e stf. 11862. 15298. 16694. gotes e 8191.
- eben, ebene adj. 4659.
- eben- 248. 10874.
- ebene ado. 56. 5689. 6685. 7409.
- ebenen swv. 457.
- ebengelich adj. 4987.
- ebengröz adj. 248.
- ebenguot adj. 10874.
- ebenher adj. 4387.
- ebenlieht adj. 6638.
- ebenmäzen swo. 8100.
- ebenrich adj. 4988.
- ebenwillic adj. 4523.
- ebenziere adj. 49S8.
- edelen swv. 174.
- edelich adj. 2855.
- edelkeit stf. 5025. 6051.
- egeslich adj. 8973.
- ehaft adj. 8205.
- eigen adj. subsf. stm. 6087.
- eigenschaft 5^/. 6112. 17048.
- eigenschalc stm. 6150.
- eilif Zahlw. = eilf, elf.
- eime, eim=eineme, einem,
- ein öfters = einer, eine, einez. —
- unbest. Art. 8799. 11225. im Plur.
- 5399. (17892). neutr. über ein 5687.
- under ein 10933. s. enein adv. des
- al ein 11582 (?).
- eine adj. 1163. 1486. 11446. in eine
- Sit 6885. al eine 1272. s. alterseine.
- EINE
- ERBEMINNE
- 329
- eine, al eine udv. conj. 222.
- einbsere aclj, 2391.
- einbiereliche ado. 911.
- eine atf. 1S148.
- eines ade. 11637. 12838.
- einhalp adv. 14430.
- einic adj. 7724.
- eincede sahst. 1274.
- eintweder conj. s= entweder.
- einungc stf. 12178.
- einvalt adj. 11720. 13657.
- einvalte stf. 16936.
- einvaltecliche adv. 19398.
- einwic stni. .5972.
- einzel adj. ^= einzeln.
- einzelinc adj. 19242.
- eischen slv. pr. iesch. 12642.
- eiten swv. 4891.
- eiter stn. 15063.
- eiterin adj. 15064,
- citerslange swm. 15092.
- eliche adv. •= ehelich.
- eilen stn. 7010.
- eilende adj. 2481.
- elliu fem. u. pl. neutr. von al.
- emzekeit stf. = Emsiykeit.
- en- proklitische Negation s. -ne.
- en- öfters =^ent-, aiich=:Hhd. em-.
- en prcep. franz. 19218.
- enbären swv. 12385 (?).
- enberen, enbern stv. 117. 3366.
- enbesten sii-v. 2811.
- enbir 1. pers. praes. von enbern.
- enbizen stv. 11462.
- enbor adv. enb. gen 13594.'
- enbrinnen stv. 17579.
- enbute prcet. conj. von enbieteu,=
- entböte.
- ende stn. 2901. 16168. des endes 5346.
- manegen enden 11807. swelhen
- ende 2511. swelhen enden 6020.
- mit einem ende 2013. von ende
- 3311. e. nemen 8922. ze e. komen
- mit gen. 10605.
- ende- 1934.
- endehaft adj. 9616.
- endeclich adj. 3761. 5072.
- endecliche adv. 13655.
- endeliche adv. 3101.
- endelös adj. superl. endelöst 12285.
- endenöt stf. 12940.
- endetac stm. 1934.
- endezil stn. 10902.
- enein adv. 396. 820. eneine 410. s.
- ferner die Verla gän. gehellen.
- komen. tragen, triben. werden,
- enge stf. 17347.
- eugegene adv. da eng. 10907. eng.
- machen 559.
- engen swv. 10909.
- enkel stm. 2640.
- enkelin stn. 15664.
- enkern swv.:=ankern (7413).
- enmitteu adv. 4855.
- enph- öfters, ^=entf-.
- enrihte adv. 3070. 6840.
- ensament adv. 13859.
- enterben stvc. 2034.
- enthaben swv. reff, mit gen. 17973.
- mit prvep. an 12145.
- entlierzen swv. 11892.
- entlesteu swv. 2914.
- entnsejen swv. 2872.
- entrennen swv. 2875.
- entrinnen stv. vor entr. 9040.
- entriten stv. 2698.
- entriuwen adv. 1037.
- entsagen su-v. 12449.
- entschumpfieren swv, 18917.
- entseben stv. 845.
- entsitzeu stv. 11047.
- entsllezen stv. 16928. ■
- entsorgen swc. 79.
- entstän, enstän stv. refl. 1077.
- entstricken swv. 9406.
- entwseten swc. 2871.
- entwelen swv. 16679.
- entwenken swv. 11783.
- entwerden stv. 17308.
- entweren, entwern swv. 9570. 12272.
- entwerfen stv. 3083. 17301.
- entwesen stv. 18603.
- entwichen stv. 4530. 11242. 11854.
- 14078.
- entwürken swv. anoin. 9093.
- envollen adv. 18866.
- enwec adv. 2933.
- enwette adv. 16897.
- enwiderstrit ade. 623.
- enzelt adv. 8950.
- enzwischen prcep. 3953.
- er- in Verben 1735.
- er stn. 16149. 16702.
- erbsere stm. 10567.
- erbsere adj. 419.
- erbarmekeit stf. 4269.
- erbärmeclich adj. 1764. compar.
- 1743 (?).
- erbärmecliche adv. 12854.
- erbe- 16848.
- erbeiten swv. 1438.
- erbeizen swv. 3324.
- erbeigen stv. part. erbolgen adj. 765.
- erbeminne stswf. 19183.
- 330
- ERBEN — GA
- erben swv. 5193. 5850. 8507.
- erbepfluoc stm. 16848.
- erbesmerze swru. 19131.
- erbevater stm. 4299.
- erbevogetin stf. 11769.
- erbiben swv. ^= erbeben.
- erbieten stv. 1.537.
- erbiten stc. mit acc. 946 (?). 7nit acc.
- u. gen 14002.
- erbiten part. tind preßt, plur. von er-
- biten.
- erbiten stv. 3080.
- erblenden sicv. 1037.
- ere stf. 487. 5800. lip und e. 1243.
- üf die e. nemen 5035. swf. perso-
- nificiert 11766.
- ere dat. von er.
- eregir adj. 413.
- eren swv. mit gen. 43S1. reß. 15695^
- ergälien swv. 2764.
- ergän, ergen ste. intrans. 1321. un-
- pers. 5804. frans. 7275.
- ergoucben swv. reß. 1035.
- ergraben ptart. adj. 2225.
- erhaben ^ar^ von erheheu, = erhoben
- (adj. = nftd.).
- erhallen stv. 12908.
- erheben stv. 1862.
- erhellen stv. 9058.
- erholen, erholn swv. refl. 4439.
- erin adj. 16733.
- erkalte prait.=: erhaltete.
- erkant part. adj. 461.
- erkennen swv. 120. 450. refl. 5254.
- 5410.
- erkomen stc. 3224.
- ex'kOTVipart. adj. üz erk. mit gen. 7743.
- erküelen swv. 17154.
- erkunnen swv. 1253.
- erlachen swv. 13206.
- erlangen swv. unpers. 8905.
- erläzen, erlän stv. 5426. 5896. 11855.
- erleschen swv. 8299. 16399.
- erliegen stv. an erl. 16158.
- erloufen stv. 3447.
- er'm = er im.
- ermel stm. 2845. 15740.
- ern = erne, er ne (Negation).
- er'n = er in.
- erneren, emern swv. 330. 6949.
- ernest stm. = Ernst.
- ernestkreiz stm. 6754.
- ernoeten 510». 12897.
- erre adj. comp. 10555.
- erscheinen 51t'». 2334.
- erschellen stv. 7017.
- erschrien stv. 16032.
- crschrockenliche udv. 12785.
- evschuUen pra2t. plur. von erschellea.
- ersenden swv. 19537.
- ersiuften swv. an ers. 784.
- erslahen stv. 1142.
- ersmieren swv. 149.59.
- erspringen stv. 4738.
- er'st = er ist.
- erste adv. 8318. von erste 313.
- ersteinen swv. 172s.
- ersterben stv. 1232.
- ersterben sivv. 1472.
- erstummen swv. 1735.
- ersuochen siov. 19543.
- ertagen swv. 8272. unpers. 7107. 15233.
- erteilen swv. 9966.
- ertceten swv. 12898.
- ertrahten swv. 14389.
- ertrenken swv. 11115.
- ertriegen stv. 13008. an ertr. 11592.
- ervaren, ervarn stv. 8449. 12762. 13673.
- ervinden stv. 8866. 15381.
- erflammen swv. 17598.
- erflehen swv. 18037.
- ervorhten 2^cirt. adj. 13099.
- erführten swv. 8378.
- erwecken swv. 3847.
- erweit part. adj. 4901.
- erwenden swv. 1249 (14006 Hs. M).
- erwerben stv. 1231.
- erweren, erwern swv. 10384. 15999.
- (erweten stc. 946?)
- erwinden stv. 2641.
- erwünschet pjart. adj. 6670.
- erzenie stf.=Arznei.
- erziehen stv. 7049. 19421.
- es gen. von ez 9.
- eschin adj. ■^eschen.
- esterich stm. 11193.
- et franz. 3138.
- et ade. 302. 12838. conj. 14221. et
- daz 14216.
- ete-, etes-, ets-=w//rf. et- [nur ete-
- verzeichnef^.
- etelich adj. 199. 7634. 13582. etel.
- der 15337.
- etewä adv. 8960. 8969.
- etewar adv. 7748.
- etewenne adv. 8380. 8960.
- etewer pjron. 759.
- etewie adv. 8380.
- even sicv.] part. gevet 17966.
- ezzich stm. 11223.
- g- öfters = ge- in Verben.
- gä imper. von gatn, =geh.
- GABE
- GEGUNNEN
- 331
- gäbe stf. 4866.
- gsebe adj. 12617.
- gkch adj. mir ist .g. ol8o. alles
- gähes 12348.
- gagenwürte = gegen würte.
- gaehe adj. 314.
- gäheu swv. 5554.
- gähes rtrfr. 4267.
- galander stm. 16895.
- galle su\f. 2015.
- gälois adj. 3625. a7<667. 368H.
- Gälois stm. 3511.
- Gälotte swrn. 3676.
- gan 1. u. 3. jjers. prois. von gunneu,
- gönnen,
- gän, gen stv. 5295. 5451. 8278. abe
- g. 1235. 16092. unpers. 16073. ane,
- an g. 1172. 2324. 2792. not an g.
- 7161. enbor g. 13594. in g. 537.
- irre g. 28. mite g. 2064. 6523. über
- bort g. 5246. üf den rucke g.
- 5491. vür sich g. 2178. ze beine
- g. 6486. enein g. (geliche, un^e-
- liche) 707. 19304. g. läzen .5054.
- hine g. 1. 8943. 13530. umbe g. 1.
- 10280. ze einer hant g. 1. 16518.
- gangen ^ja?-f. = gegangen 2378.
- ganc imper. von gän, = geh.
- ganzlich adj. 337. 1076. '
- gar adj. 5956.
- gar adv. 795.
- garte su"m.-= Garten stm.
- gartet parf.:= geartet,
- garwe adv. 1298.
- garzi'm stm. 5057.
- gast stm. 5492. 11985.
- gästlichen adv. = gastlich.
- gaz pra;t. 17964.
- ge- in Verben 35. 145. — für l'erfect-
- hegriff 35 (?). 93 (?). 145. 447. 1594.
- 2701. 8073. 8612. 12240. 16565. 17892.
- für Begriff der Wiederholung 9204.
- für Flusquamperfect 356. 436. 635.
- 967. 968. 3457. 5559. 6695. 12636.
- 16144. 18931.
- gearten swv. 11642.
- gebalsemet part. adj. 16835.
- gebär stm. 714. 2056.
- gebaerde stf. 8030. 8769.
- geba?rdehalp adv. 6720.
- gebaere adj. 198.'!. gote geb. 2622.
- gebären swv. 1916. subst.inf. stn. 2850.
- gebartet adj. part. 2624,
- gebe stf. 2610.
- gebeidet adj. part. 13770.
- gebecken swv. 9204.
- geben stv. 384. 18345. herze g. 2662.
- ze künde g. 154. ouge g. 1032.
- eine stille g. 8799. swert g. 5733.
- 7086. an äventiure g. 6162. an
- die wäge g. 6098. zil g. 5072. üf
- g. 5210.
- geben ^;lar^ = gegeben,
- geben stvv. (V) 12745.
- gebende stn. 17608.
- geberc stn. 14608.
- gebieten stv. 18959. mit dat. 1420.
- ■mit acc. 1376. 3331. 7222. eit geb.
- 15717. an den lip geb. 3516.
- gebilden sivv. 6894.
- gebitelos adj. 12363.
- gebiten stv. 15319.
- gebiten part. von biten, gebiten.
- gebiten stv. 2514.
- gebluot adj. (part.?) 17356.
- geborn jjart. an einem geb. sin 997.
- gebot stn. 6480. geb. leisten 15437.
- mit geböte nnd (noch) mit bete
- 525. 6252.
- gebrechen stv. 18931.
- gebreste swrn. 10076. 10081.
- gebresten stv. 11279.
- gebriten part. von briten.
- gebrucken swv. 11816.
- gcbürte gpn. u. dat. von geburt.
- geburteclich adj. 2025.
- gedanc stm. pl. sw. gedanken 3594.
- inneclich gedanc 4769. in gedanke
- bringen 8511.
- gedanchaft adj. 272.
- gedelt _pö/Y. = geedelt.
- gedenken swv. 3522. mit dat. v.prap.
- au 14994. dar zuo g«d. 7747.
- gedienen swv.. 447.
- gedihte adv. 13054.
- gedihtecliche adv. 1209.
- gedinge swmi. 1186. üf den gedingen
- 9182.
- gedoene stn. = Getön.
- gedraet part. = gedreht.
- gedriet pa)'t. adj. 1828.
- gedrücken swv. 9007.
- gedunken siov. anom. 2238.
- geenden swv. 1621.
- geevet] gevet adj. part. 1796G.
- geezzeu] gezzen stv. prost, gaz 17964.
- gegän stv. mite geg. 6353.
- gegen pira;pj. mit dat. 6157.
- gegenwürte siibst. ze gegeuw. 6347.
- gegeren, gegern swv. 12606.
- gegiezen stv. 19442.
- gegunnen srcv. anom. 2370.
- 392
- GEHABEN
- GEMEREN
- gehaben swv. 2706. 31G6. 11610. hin
- üf geh. reß. 16946.
- gehalten sto. 29S1.
- gehäret adj. part. 2624.
- geharphen awv. 7753.
- gehaz adj. 1140(>.
- geheiz stin. 13358.
- geheizen stv. 1405.
- gehelen, gehein sto. 13714.
- gehellen ^to. mit dat. 4508. 16706.
- enein geh. 892. under in geh. 11848.
- gehellesam adj. 2018. 4538.
- gehelfe sicni. 1466.
- gehelfen xtv. 7781.
- geherbergen swe. 35.
- geherze adj. 13343.
- geherzen sivv. 6152.
- geherzet arf^'.joar/. 118. part. adj. 9228.
- gehtenen swv. 9288.
- gehoeren swv. 230.
- gehouwen stv. 3308.
- gehüeten swv. 17878.
- geil adj. 8319.
- gein ^/•a?/>. = gegen,
- geisötet] gisotet adj. part. 19010.
- geistliche adv. (?) 2647.
- gejägede stn. 14361.
- gejagen swv. 18828.
- gekeren swv. 356.
- geklagen swv. 1485.
- gekielt par^ = geklaget,
- gekielt j3arf. = gekleidet,
- gekrüspet part. adj. 3335.
- gel adj., gen. gelwes,= gelb .
- gelange swrn. 12368.
- gelangen swv. unpers. 12370. 17595.
- gelangte adj. 10072.
- gelante prcet. von gelenden,
- geläz stm. 964.
- geläzen, gelän stc. 6159. 11259.
- geläzen subst. Inf. stn, 6026.
- geleben swv. 3974. 7432.
- gelegen SK». 30.30.8473. nider gel. 9604.
- gelegen part. adj. 8469.
- gelegenheit stf. 3433. 7667.
- geleisten swv. proet. geleiste 126.36.
- geleit part. = geleget.
- geleit _/3a/-<. = geleitet,
- geleit prcet. von geliden.
- geleite swm. 2366.
- geleite stn. von dem gel. 291.
- gelende stn. 2152.
- gelenden swv. 11661.
- geleren swv. 734.
- gelernen swv. 2089.
- gelert part. adj. 13882.
- gelesen stv. 165.
- gelich, glich adj. = fjleic/i.
- (geliche swm. 18188?)
- geliche, gliche adv. 150S1. al gel.
- 2448. diu gel. 135. 15169. 15918.
- geliehen swc. 8089.
- geliehen swv. 4596.
- gelichsenen swv. 1918.
- gelide, geliden gen. u. dat. plur. con
- gelit.
- geliden stv. 973.
- gelieben plur. von geliep.
- gelieben swo. 183. 7675.
- geliegen stv. 8710.
- geliep adj. 12987. 16825 plur. subst.
- die gelieben 4270.
- geligen stv. 6104. 8324.
- gelimpfen swv. 15620.
- gelingen stv. unpers. 407.
- gelip adj. 9872.
- gelit stn., gen. gelides, = Gi^VJ.
- gelit = geliget,
- geliune stn. 4033.
- geloben swv. 3376.
- gelönen swc. 5492.
- geloesen swo. 2894.
- geloube swm. =^ Glaube.
- gelouben swv. 4528.
- geloubet part. adj. 3149.
- geloubic adj. 13908.
- gelten stv. 270. 275. 360. 10157.
- gelübede stf. 6368.
- gelücke stn. = Glück.
- gelüppe stn. 7272.
- gelüppet part. adj. 6947. 15752.
- gelust stf. 7015.
- gelüste swm. 17771.
- gemach adj. subst. neutr. wunders
- gem. 8251.
- gemach stn. 1274. 15130.
- gemache ado. 12602.
- gemachen swv. 13946.
- (gemächlich adj. 15129?)
- geman adj. 9194.
- geman adj. = nhd. gemahnt.
- gemäzen swv. reß. 12144.
- gemäzen proit. plur, von gemezzeu,
- mezzen.
- gemeiet adj. part. 18094.
- gemeinde stf. 16611.
- gemeine adj. 1361. 7696. 16447. 17725.
- gemeine adv. al gem. 2255.
- gemeine stf. 8014. 18665.
- gemeinen swv. 13919.
- gemeinlich adj. mit gemeinl. Sachen
- 5713. nach gemeinl. Sache 15129.
- gemeinliche adv. 2272.
- gemeren swv. 355.
- GEMERKE — GESIGEN
- 333
- gcmcrkc stn. 7422.
- gcmerkcu sicv. 2740.
- gemezzeu stv. 4li(>.
- geminnc adj. 12948.
- geniinnen swv. 10494. 1392Ö.
- gomiscliet ;jar^ adJ. 17570.
- gemuot adj. ti824. 9873. 13343. höhe
- gem. 5S93.
- gemüete stn. ,5643.
- gemuoten swv. 15953.
- gemuothaft adj. 6130.
- gemuotheit stf. 953. — s. Namen-
- verzeiclniiss.
- genade .xC/. 1543. 10221. genäden
- wünschen 1783.
- genaedeclich adj. 2G53.
- genäden swv. 12125.
- genähen svv. 7044.
- genaeme adj.-=genehiu.
- genant 2Jart. von genenden ; genante
- j)roet.
- genant 2)art. = nlid. yenannt.
- genoeren 2J7'a^t. j'lur. conj. von ge-
- nesen.
- genDete part. (f); subst. (?) 2632.
- genemen stv. 287. ende gen. 8922.
- an gen. reß. 967.
- genenden sti-v. 9121. 10562. 18063.
- genenne adj. 13098.
- genennen swv. 5436.
- generen, genern su-r. 7770.
- genesen stv. 66. 2529. 7847, vor gen.
- viit daf. 6141.
- genigen str. 2682.
- genise 1. ^^er*. pras. von genesen.
- genist stf. 6.302. 16112.
- geniste stn. 8612.
- genisten sivv. 8612.
- genöte adv. 7211.
- genöz stm.=: Genoß, Genosse sivm.
- gent franz. 16704.
- gentil franz. 3353.
- genuoc adj. 322. neutr. 9626.
- genuzze prcct. conj. von geniezen, ^
- ;/enösse.
- gejjflegen stv. 14001.
- geprüeven sur. 4582. 4849.
- geprüevieren swv. 4975.
- ger stf. 242. 452. richiu g. 5892.
- ger prcrs. conj. von geren, gern.
- gerade adj. Wim. 16856.
- gerate stn. 4966.
- geraten stv. 93. 5559'. 9641. 12436.
- gerechen stv. 281:}.
- gereden swv. 1459.
- gereise svm. 9370.
- gereit adj. 8321.
- gercitc adv. 15505.
- gereite stn. 93.36.
- geren, gern swv. 94.
- gerihte stn. 15339. 15515. 15524. 15528.
- 18247. 18698.
- gerihten swv. 15378.
- geringen swv. 76.
- gerinc stm. 188.
- geriten part. adj. 2577. 3414.
- geriteu stv. 3434.
- geriuwen stv. 4156.
- gerne o.dv. 13157. compar. gerner
- 13952.
- gerochen part. 15449 (v).
- gerüeren suv. 849.
- gerümen swv. 9445.
- gerüne stn. 11199.
- geruochen swv. 1533. 2721.
- geruowen swv. 9072.
- gerüste stn. 17001.
- gesagen swv, 1226.
- gessejen, gessen swv. 12240.
- gesät part. von setzen,
- geschach 2JfCEt. = ffsscfiah.
- geschaden stov. 18782.
- geschäfede stn. 4500.
- geschaffen stv. 296.
- geschaffte adj. 7928.
- gescharaen swv. reß. 8805.
- geschehen stv. 14876. mir geschiht
- 7nU inf. bei pra;p. ze 15475. 17773.
- mir gesell, not 15494.
- gescheiden stv. 17296.
- gescheiden part. von scheiden, = ^c-
- scltieden.
- geschelle stn. 2769.
- geschepfede stn. 4070.
- geschiht \'i.2)ers.proes. von geschehen,
- geschiht stf. 215. 2421. verholne
- gesch. 14246.
- geschribeh stv. 15821.
- geschulden swv. 512.
- gesegenen swv. 787.
- gesehen stv. '635. 10774.
- geseit ;>ar^ =gesaget.
- geselle swm. (1417). 4587. des hasen
- ges. 4636.
- gesellekeit stf. 1431. 3389.
- geselleclich adj. 516.
- gesellecliche adv. 6963.
- gesellen swv. gesellet sin 5081. 19496.
- geselleschaft stf. 3487. 8206.
- gesellin stf. 14016.
- gesenften sivv. 14464.
- gesetzen .uov. 6707. 18030.
- gesigen swv. 12530.
- gesigen part. von sigen.
- 334
- GESIHT — GEPROMEN
- gesiht stn. 12352.
- gesin anom. v. 514.
- gesinde stn. 3640 (':*).
- gesinden swv. reß. 252S.
- gesingen sto. 4815.
- gesinne adj. 15473.
- gesinnet part. adj. 4922,
- gesippe adj. 10654.
- gesint st in. 3640 (?).
- gesite adj. = nhd. gesittet.
- gesitzen sfv. 6698.
- gesläfe sw7)i. 17479.
- gesläfen sto. 3652.
- geslahen sto. 8073. 10244.
- gesiebte st n.=z Geschlecht.
- gesliffen part. adj. 9026.
- gesmide stn. 16343. 16715.
- gesmogen part. in gesm. part. adj.
- 6666.
- gesorgen swo. 12705.
- gespenstekeit stf. 1735S.
- gespenstic adj. 1408.
- gespil swm. 12604. swf. (?) 17352.
- gesprechen stv. 6356. vor gespr. 7260.
- gesprengeu swv. 738. vor gespr. 4482.
- gesprenget part. adj. 10931.
- gespunnen part.-=^ gesponnen.
- gestalt 7y«r<. =gestellet. — wol gest.
- part. adj. 15349.
- gestän, gesten sto. anom. 844. 6778.
- 7845. ze muote gest. unpers. 12157.
- ze staten gest. 2413. gest. läzen
- 15523.
- gestanden part. adj. 6488. 9229.
- gestaten swo. mit gen. 1238.
- geste stf. 8946.
- gesteclien sto. 16144.
- gestegen swo. 11816.
- gesteine stn. 2223.
- gesteinet part. adj. 16951.
- gestellen stoo. 4802.
- gesteil et/)a/-^. wolgest.par/. arfy. 3337.
- gesten swo. refl. 12387.
- gester adv.=gestern.
- gestigen sto. 14615.
- gestirne stn. 14247.
- gestözen sto. 7046. üz gest. 2153.
- gestreichet part. adj. 10999.
- gestrichen part. adj. 10365.
- gestüele stn. 17182.
- gesuochen swo. 7882. 15742. 18118.
- geswäsliche adv. 10701.
- gesweren, geswern stv. 13786.
- geswichen stv. prcct. gesweich, part.
- geswichen. 1295.
- geswigen stv. subst. inf. stn. 8793.
- geswinden sto. unpers, 1424.
- getaget pari. adj. 2623.
- getan part. adj. sus get. 977. wie
- get. 14386.
- getar prtes. von geturren.
- getelös adj. 18044.
- geteidingen swv. 11046.
- getihte stn. = Gedicht.
- getraben swo. 4661.
- getragen sto. enein getr. 1366. vür
- getr. 6204. ^tr. rerf. 472. 684.
- getreit 3. pers. jt>r«;.v. = getraget,
- getreten sto. 2053.
- getriben sto. 5603. 17875.
- getrinken sto. 11443.
- getriuwelicli adj. 5209.
- getrüeben swo. 10358.
- getrüwen swv. 12808.
- getuon sto. anom. 658. 17401.
- geturren swo. anom. 1226. 3537.
- getwanc stm. 2083. 6274.
- getwerc stn. 14242.
- geüeben swv. 10353.
- geuneren swv. 6137.
- geunmseren swo. 14099.
- geunsinnen swv. 10396.
- gevähen sto. 2969. 7276. 7835. 16514.
- an gev. 4589.
- geval stm., gen. gevalles. 17962.
- gevpelen swo. 16949.
- gevallen .5^«;. 15. 16. 1036. 6094. 9677.
- 13107. 12434. (16949?).
- gevallesam adj. 2002.
- gevar adj. 4679.
- gev^re adj. 13856.
- gevaren, gevarn stv. 1815. 1819.22701.
- gevären swo. 8452.
- geveder adj. 10961.
- geveigen swv. 6456.
- geveilen swv. 9896. (16949?)
- gefeitieren swv. 10846.
- gevelle stn. 2770, 9928.
- geveilen swv. 3457.
- gevellic adj. 5420.
- geverte swm. 2363.
- geverte stn. 8248. 8787. 8790. 10580.
- 17083,
- gevidert part. adj. 5243.
- geflizen sto. refl. 13806.
- geflizzeu part. von flizen.
- gevolgen sii:o. 102, 9290.
- gevolgic adj. 6958,
- gefranzet part. adj. 10909.
- gefreischen stv. 8250.
- gefristen swv. 1879.
- gefriunt adj. 9194. 13471.
- gefriunt stm. 16670,
- gefromen swv. 5465,
- GEFKOÜWEN — GRA
- 335
- gefröuweu, gefrüuu sivv. 16379.
- gefüegc ndj. 4605. 4821.
- gefüegeu sicv., prent, gefuogte 7844.
- 157y5. refl. 3503. 6707.
- gefuoge stf. 5423.
- gefuogheit stf. 15902.
- gefuocliche adv. 15884.
- gefürdern swo. 8178.
- gewahen sto. 765.
- gewähenen swo. 13747.
- gewac prcet. von gewegen.
- gewahsen sto. 1239.
- gewahsen pari. wol. gew. part. adj.
- 4399.
- gewalt st)it. 269.
- gewaltaerinne 5^/. 959.
- gewalten swt. 11.''07.
- gewaltessere stm. 11031.
- gewandeshalp ado. 4028.
- ge wanken (gewenken?) sue. abe
- gew. 1594.
- gewant part. gew. sin pers. 18958.
- unpers. 5121. 14837. mir ist gew.
- 1657. 1874.
- gewar adj. 2733.
- gewar prcet. von gewerren.
- gew£ere adj. 4288.
- gewärliche ado. 6398.
- gewarnet part. adj. 5309.
- gewsefene stn. 6506.
- gewegen s(v. unpers. 971. üf gew.
- reß. 9140.
- gewegen stsicv. 2864. 11815.
- gewelbe stn. = Gewölbe.
- gewellen swv. ano)n. 164.36.
- gewenden sivv. 1622.
- gewerben ste. 1815.
- gewerden sto. 2654.
- geweren, gewern sico. 2214. gewert
- sin 4907.
- gewerldet part. adj. 44. 65.
- gewerp stn>. 10461.
- gewerren sto. 14203. 18286.
- gewesen stv. 1234.
- gewete swm. 16322.
- geweten part. 17117.
- gewinnen sto. 2.300. 10398. abe gew.
- 2942. 6248. an gew. 6941. 7596.
- gewia adj. 16431. gew. tuon 326.
- gewisen sivo. 3852.
- gewislich adj. 7361.
- gewissen swo. 6497. 10524.
- gewizzen swo. anom. 18296.
- gewollen part. üf gew. part. adj.
- 10898.
- gewon adj.-=nhd. gewohnt.
- gewoueheit stf.z=('ifeivohnheit.
- gewonlieh adj. 966.
- gewuoc pr(et. von gewahen.
- gewürhte stn. 2534.
- gewurzen swo. 17892.
- gezagel adj. 15099.
- gezam prcet. von gezemen; gezaeme
- conj.
- gezseme adj. 5398.
- gezeigen sivo. 6088.
- gezemen ste. mit dat. 968. 3546. un-
- pers. mit acc. u. gen. 3145. 7976.
- 10069.
- geziehen sto. 12456. in gez. reß. 18773,
- gezierde stf. 17135.
- gezigen part. von zihen,= geziehen
- oder sw. gezeiht.
- geziuc stm. i)4583. 2)18268.
- gezoc stm. 5328.
- gezweiet part. adj. 9678.
- gezwivelen swo. 1250.
- gezzen/>n/'/. = geezzen,nÄf/. gegessen.
- gibe 1. pers. pries, von geben.
- gie />/Yt^ = gienc.
- giel stm. 8981.
- gieze swm. 14621.
- giezen sto. 4669.
- gige sv:f. 11365.
- gihe, gihest, gibt prois. von jehen.
- gilte projs. von gelten.
- gimme swf. 1906.
- gir stf. 1936.
- giric adj. 6860.
- giselschaft stf. 9983.
- git = gibet.
- gitecliche ado. 16147.
- glaseväzzelin stn. 11438.
- glast stm. 9379.
- glesin adj. gl. vingerlin 16874.
- gleste stf. 17071.
- glesten swo. prcet. gleste (566.) 9.384.
- gloie swf. 11126.
- glöse stf. 4687.
- goife swf. 6668.
- gorge swni. 2982.
- got still, pl. gote. — g. segene interj.
- 13694. sam mir, semir g. interj.
- 1055. so dir g. interj. 7070. so
- helfe in g. interj. 2229. weiz. g.
- interj. 276. gotes e 8191. gotes
- kint 2625. in gotes haz interj.
- 5449. gote gebtere 2622.
- gotelich adj. 15659.
- goteliche adv. 1963.
- gotinne stf. g. Minne 4807.
- gouch st7n. 8631. 13415
- güz stn. 16947.
- gra adj. 10931.
- oob
- GRAN
- HEINLICH
- grau stf. 15831.
- gicif prcc f. von grifen, = 5rn^.
- greifen sivv. 13.')93.
- griez slm. 13278.
- grif stm. 9025.
- grifen stv. 935. an gr. 3750.
- grimme adv. 9054.
- grinen stv. 15890.
- grise adj. 15351.
- griuwelich ad j.=^ greulich.
- groz adj. gröze und kleine 326G.
- gröze adv. 607.
- grüene stf. 16975.
- grundelos adj. 9367.
- grünt stm. von gründe 10747. ze
- gründe 8239.
- gruonen swv.=grünen,
- gruoz stm. 3565.
- guldin adj. =golden.
- gälte sff. 353.
- gun- öfters ^=g&xi.Vi-.
- gunnen swv.anora. prent, gunde. 4873.
- güeten swv. 17907.
- guot adj. 5. 1234. 14260. guoter kneht
- 1668.5416. guote war 3317. mit folg.
- Part. 172. ze guoter mäze 2576. —
- subst. 2. 92. in g. 5. 7. mit guote
- 3201. ze guote 1.
- guote adv. 5236.
- guoten SU.T. 12190.
- guotlich adj. 8796.
- guotliclie adv. 2676.
- gurte prcet. = gürtete.
- habe stf. i)2971. 2)SS9.
- habecli stm. = ffabichi 2204.
- haben swv. prcet. habete (im Einzel-
- nen unentschieden) 5365. mit dat.
- 5710. 8218. dar h. 10446. üf h.
- 1186. an lant h. 8775. die sinne
- h. 15095. hin h. reß. 11574. wider
- h. refl. 11839. — haben, hän swv.
- prcet. indic. v. conj. haete. 5395.
- 8439.. mit adj. 2146. 19160. haz h.
- 4423. an dem Übe h. 9486. rät h.
- 10412. rät h. mit gen. 4926. ze
- werde h. 722. war h. 2449. zit
- h. 7491. — Hülfsu'ort für fut. exact.
- 4476. bei volgen 14741.
- haft adj. 851. ^
- haft stm. 17041.
- haft stf. 2881 (?).
- hafte prciei.=^haftete xi.=-heftele.
- hage stf. 47.
- hagen stnt. 17865.
- hal pra't. von helen.
- halbe swf. dat. pl. halben 3003. von
- — halben 1810.
- hsele adj. 11837.
- hselinc stm. 12700.
- halde swf. = Halde stf. sin/j.
- halp adj. fuoz noch halben 1682.
- halbe bone 15995. subst. neutr.
- halbez 16235. jA. die halben 18305.
- — adv. in einhalp u. a.
- halsperc stm. 4933.
- hältürlin stn. 9326.
- handelen swv. 7765. 15887.
- hant stf. gen. v. dat. hende neben
- hant, vereinzelt dat. hande. pl.
- hende u. hande. — die hende vür
- sich twingen 2672. die hende val-
- ten 5437. hant von hande 1639.
- h. wider hende 9967. an der
- hant 8713. ze h. 9937. zer ergeren
- h. 15407. in die h. nemen 9597.
- ze banden nemen 4978. 19230. ze
- einer hant keren 10326, läzen 14223,
- gän läzen 16ö]8. — einer hende
- ade. gen. 2641. — beider Hande
- 158. welcher h, 3539.
- hänt 3. pers. pliir. j)ra!s. von haben.
- hantgar adj. 12639.
- hantspil stn. 7971.
- här stn. nicht ein h. 16537.
- härm stm. 3550.
- harmblanc adj. 8070.
- hännin adj. 2549.
- harnasch stm. = I{ar)iisch.
- harnschar stf. 13177.
- harphaere stm. = Harfer, Harfner.
- liarphe sicf.-=^ Harfe stf. sing.
- harphenspil stn. 8068.
- harpiers franz. 13301.
- hart stm. pl. herte 17342 (?).
- harte adv. 9. compar. harter 903.
- hase siom. des hasen geselle 4636.
- haz stm, 5098. in gotes h. interj.
- 5449. h. hän 4423.
- hazlich adj. 1888.
- heben stf. reß. 610. üf h. 18238. an
- h. reß. 8318.
- hefte stn. 2381 (?).
- heftelin stn. 16995.
- hei interj. 37.
- heidenisch adj. 2538.
- heiltuom stn. 15672.
- heim adv. hin h. 336.
- heime adv. 19498. hie h. 3726.
- heimuot stn. heimuote stfstn. 406.
- heimwist stf. 8945.
- heinlich adj. 2045. 3459. 6400. 10913.
- nach heinl. Sache 11543.
- HEINLICHJERE — HUETEN
- 337
- heinlichaere stm. 8589.
- lieinliche, heinlichen adv. 12731.
- heinliche stf. 7444. 10112. 10415.
- 12735. 15083. 16275.
- heinlichen swv. 9533. 15075.
- helen, heln stv.=hehlen swv, — reß.
- 8711.
- helfe stf., Hülfe.
- helfe stvm. (V) 2385.
- helfen sto. mit acc. 3767. so helfe
- iu got 2229,
- helfenbein stn.-= Elfenhein.
- lielfenbeinin adj. = elfenbeinern.
- helsen swv. prcef. balsete 14163.
- hemede stn.,nhd. schiv. Plur. Hemden.
- hende s. hant.
- hengen swv. pnef. hancte. 9165.
- her adv. 124. 1958. 2929 (?) h. wider
- prcep. 12817. h. ze mir 7882. 14733.
- vvol her interj. 2245. h. dan 10040.
- 17418. h. -wider 6318. — bei Ver-
- ben s. rüeren. tragen, tuon (?).
- her stn. 471.
- her=herre. min h. 3524.
- herberge sff. ze herbergen 2249.
- herbergen swv. unpers. 599.
- heren, heru swv. 391.
- hSren swv. 5869.
- herhaft adj. 4022. 16864.
- herre swm. 243. in der Anrede nach-
- fjesetzt 1555. ja h. interj. 755.
- herschaft stf., gen. u. dat. herschefte.
- 1118. 4042. 4047. 4280. 17705.
- herte adj. 8780.
- herte sff. 17342 (?).
- hervane swm, ■= Heerfahne stf.
- herverten swv. subst. inf. stn, 6306 (?).
- herze swn. pers. 1418. h. geben 2662.
- h. tragen 48.
- herze- 80.
- herzeger stf. 196.
- lierzeklage stf. 87.
- herzeleide stf. 13084.
- herzeliep stn. 61. 185. 1168.
- herzelös adj. 6528.
- herzen swv. 118. reß. 17985. part.
- adj. geherzet 9228.
- herzentuom stn. 18690.
- herzeric stm. 2969.
- herzesere stf. 1414.
- herzesorge stf. 80.
- herzewol adv. 116. , ,
- herzöge swm. = Herzv'j stm.
- hi interj. 6565.
- hier, hie adv. hie heimc 3726. hie
- mite 400. 769. 3043. hier under 798.
- 1606, hie vor 8741. hie zuo 6381.
- hin, hine ade, h. dan 10915. 17411.
- 17418. h. heim 336. hin ze prcep.
- 6432. sus h. 43. vor h. 12584. —bei
- Verben s. gän. haben, keren. legen,
- leiten, tragen, tuon. warten, wer-
- den.
- hinaht adv. 2722,
- hinder pra'p. h. sich 18299.
- hinewart adv. = hinwürts.
- hinne adv. 8698.
- hinnen adv. 2366. s. ferner tragen.
- hirneschal sff. = Hirnschale.
- hirz stm. = Hirsch.
- hiu proit. von houwen, = //2et.
- hiufelin stn. 17582.
- hiune swm. 4034.
- hiure adv. = heuer.
- hiute ade. hiutes tages=hiute des
- tages.
- hiute dat. von hüt.
- hücli adj. hoher muot 4539. liöhes
- muotes 1604.
- höchgemuot adj. 626. 642. 5030.
- hochsprünge adj. 4638.
- hOchvart stf. = Hoffahrt.
- höchzit, höchgezit stf. 522.
- höhe adv. h. gemuot 5893. — comp.
- hoher : üf h. 2794.
- höhe stf. = Höhe.
- hol stn. 16688.
- holt adj. 4473. holde (pl.) han 19160.
- hcene adj. 17807.
- honegen swv. 11888. 17986.
- honec stn. -.= Honig stm.
- hörä imjier. 3715.
- beeren swv. 365. mit dat. 3193. \\.
- sagen 51.
- horndön stin. 3246.
- hört stm. 4909.
- hosen pl. 4934.
- houbetherre swm. 18952.
- houbetman stm. 4590.
- hof stm. rede des hoves 7958. da
- ze hove 4809. 4871. ze h. komen
- 13261. niht von h. getan 5232.
- hovebsere adj. 2285. 3978.
- hovediet stf. 3221.
- hoveliche, hofliche adv. 2271.
- hovemaerc stn. 2286.
- hovemäze stf. Hill.
- hoven swv. reß. 3052.
- hövesch, liövisch, höfsch adj. 419.592.
- hövescheit stf. 2260.
- hövcschliclie, höfschliche ade. 592.
- hovesite stm. 492,
- hovespil atn. 2119.
- hüeten su-v. intrans. 15068.
- GOTTFRIED VON STBASSBUEG. II. 2. Aufl.
- 22
- 338
- HUFBEIN
- CAMENIgCH
- hufbein stn. 2877.
- hulde stf. 757. 5291. ze hiilden 8752.
- hüllen prcet plur. von hellen.
- hunt stm. pl. 3039.
- huop proet. = Jiob.
- huote stf. h. nemen 16565.
- huote _pra;f. = hüetete conj. 14726.
- hürnen stov. 2770.
- hurst stm. 9002.
- hurt stf. 12909.
- hurten swv. 7016.
- hüs pl.=^ Häuser.
- hüte (hütte) su'/. 5?,bl.
- hüten swv. 587. 596.
- hütesnuor $if. 5584.
- i i«ier;. 10207.
- ie adv. 110. 18188 (?). = nie 9355. ie
- me, mere 1946. so ie me — s6 ie
- me 103 — 105. ie der man 5325.
- iedoch adv. 14. 10972.
- iegelich, ieclich adj.=jeglich. —
- 18188.
- ieman, lernen adj. pron.= jemand. —
- mit gen. pl. 5067.
- iemer adv. = immer. — 94. iemer
- me, mere 637. 1244. 3309.
- iender adv. 9183.
- iesä adv. 433.
- iesch prmt. von eischen.
- ietweder pron. adj. 1673. pl. 2206.
- iet\vederhalp adv. 2891.
- ietwederhalben adv. 17022.
- ieweder pron. adj. 9398.
- iezuo ade. 834.
- Vat pron. adv. 1. öfters ^nilii. subst.
- 1857. ihtesiht2806. mit ihte 19091.
- ime dat. = ihm, zioeisilbig oder ein-
- silbig in der Hebung; im in der Sen-
- kung. — 15, 16.
- impeten sicv. 4736.
- in prxp. 2399. 4539. 13690. 13691.
- 15527. s. wis, kriuzewis.
- in acc.^=ihn, dat. pl. = ihnen.
- in adv. bei Verben s. gän. legen, tra-
- gen, tuon. geziehen.
- inä interj. 13415.
- i'ne, i'n=ichne, ich uc (Negation).
- ingesigel s insigel.
- ingesinde svjm. 3393.
- ingesinde stn. 558.
- ingrüene adj. 2547.
- inleite stf. 1962.
- inne adv. s. ligen.
- innecliche adv. =^ inniglich.
- innen adv. pruap. 8814. 18182. adv.
- 1062. 10953. — bei Verben s. bringen.
- werden,
- inner adv. jjrwp. 7962.
- innerhalp adv. prmp. 4549.
- innerhalben adv. 10954.
- insigel, ingesigel stn. 7816. 18359.
- (inflücke adj. 16965?)
- inziht stf. 15292. 18387.
- ir dat. u. nom. pl. =i/ir, gen. sing,
- u. pl.=ihrer.
- ir pron. poss. unflectierter Gen.^ nlul.
- ihr flectiert.
- irhalben adv. 18950.
- irre adj. i. wesen mit gen. 19392.
- adv. i. gän mit gen. 28.
- irrebsere adj. 15847.
- irrecliche adv. 10021.
- irren swv. 7810. 10329.
- irresam adj. 9892.
- istörje stf. 448.
- Itelhende adj. 7130.
- iteniuwe adj. 13075.
- itewiz stm. 1489. 13990.
- iu dat. von iv, = euch.
- jach proBt. von jehen.
- jächant stm. 10974.
- jage- = n/(c?. Jagd-.
- jägelich adj. 3004.
- Jagemeister .■itin. 3419.
- jagen swv. 2116.
- jagereht stn. 3060.
- jagerie stf. := Jägerei.
- jaget stn. ^= Jagd stf.
- jämeric adj. 7112.
- jsemerlichen adv. 1451.
- jär stn. ze järe 2100.
- jehe stf. 101.
- jehen stv. 150. 6935. mit dat. u. gen.
- 1659. mit gen. u. prcep. ze ?741»
- mit proip. an c. acc. 4372.
- joch adv. 1046. 16467.
- jugent stf. 2275. pl. (?) 4529.
- juncherre swm. = Jungherr , Junker.
- jungen swv. 13065.
- jungest superl. adj. 3177- ze jungeste
- 854. s. allerjungest.
- justieren swv. 618.
- juvente franz. 3138.
- kallen swv. 581.
- kalten swv. 10091.
- camenisch adj. 48S9.
- KAMERE — KRÜMBE
- 339
- kamere .. ze kameie 12900.
- kamerterc slm. 77G3.
- kamerserin 4809.
- kämpf strn. (i'M<'t
- kampflich adj. r)S79.
- kampfrehten .-swv. 11299.
- kiirapfwerc xln. (1918.
- kuinpfvvise stf. ir211.
- kanzwagen stm. 9219.
- kaplien swv. 3(105.
- kastei stn. = Castell.
- kastelaii s/m. .')3G4.
- kcbesliche ach. 149.'^.
- kein pron. s. dchein.
- kciseiilch adj. 708. 4-171.
- keiserliclie ado. (190.
- kel sl/. = J{e/de.
- kemenate sie/. 40(11. 14255.
- keinpfe sunti..= Kämpe.
- l:ere stf. SOOG. k. nemen (ISJl.
- kören 5u;ü. (350) (7413 HaM). S9t;6 (?).
- trans. ze einer hant k. 1032(5. an
- den val k. If;i74. an k. 117(;8.
- dan k. 342(5. hin k. 8994. zuo k.
- 8929.
- kerne swrn. 10380.
- ketene swf. 4(JG5.
- kielkemenäte sivf. 11542.
- kiesen sto. 2004. Ü118.
- kicken swv. 1540G. s. quicken.
- kindisch adj. (>22S.
- kint sin. 244. gotes k. 2(525. von
- kindc 11591. kiudesinneligen 1897.
- kintheit stf. 292. '
- kirche suf. ze kirchen 1(529.
- kiuschc stf. 17030.
- kiuse 1. pers. jjrces, vnn kiesen.
- klage stf. 1042.
- klagehcere adj. 1G75.
- klagema;re stn. 141G.
- klagen swv. iSß. 1041. trans. 1154.
- subst. inf. sin. 198.
- klagenot stf. 2375.
- klam prat. von klimmen stv., nhd.
- stc. (kldiiiiu) u. snc.
- klärlichen adv. 11113.
- kleben swv. 17528.
- klebewort sin. 12997.
- kleine adj. 3549. 114-10. kl. kraft 353(5.
- ze kleinem liebe 15233. mit klei-
- nen sinnen 11440. sic/'Sf. gröze
- und kleine 32(5(5,
- kleine ade. 4922. 9118.
- kleine sff. 17498.
- kleincjedc stn. 2219.
- kleit pl. = klaidcT.
- kl^\tü^= klfiidnle.
- klingen stv. 17162.
- klüse stf. 1(5810.
- kneht stm. guoter kn. 1GC8. 541G.
- knieweu stvv.=knien.
- kol stjn.^= KohlP, stf.
- kom pra:t.-=kam, k6mQn-= kamen.
- comant franz. 239G.
- komen pur t.^=^ gekommen.
- komen sto. Tibi, unpers. 1197. 1990.
- baz k. 5695. pers. mit prcep. an
- c. acc. 2172. abe k. 74G2. mit gm.
- 147151. an k. G394. mit acc. iriS.
- 4G29. 1G009. dar au k. G693. enein
- k. mit . 114*55. über ein k. r)i.it
- gen. 5G86. vür k. 2129. G295. vür-
- baz k. 1820. wider k. mit gen.
- 19171. zuo k. 14115. rehte k. 1733S.
- in daz ma^re k. 14844. ze ende k.
- 10G05. ze hove k. 132GI. ze U-im-
- den k. 16263.
- condewieren swv. 3327.
- contenanze stf. 6493.
- conterfeit stn. 5079. 12309.
- concilje stn. 15307.
- köpf stm. 8761.
- cordieren swv. 13126.
- cors franz. 2396.
- kos pruit. von kiesen, nhd. = (er-) kor.
- koste stf. 5738.
- kouf stm. umbe k. 2198.
- koufgenuz stm. 7588.
- koufrat stm. 2161. 7577.
- koufschif stn. 2150.
- covertiure stf. 4578. pl. 18794.
- kraft stf. 271. 353. 4959, 13003. mit
- gen. 5274. kleine kr. 3536.
- krage sicm. 2985.
- kraue adj. 2834.
- creatiure stf. = Kreatur.
- krefte gen. u. dal. von kraft,
- kricchesch adj. = griechisch.
- kriegen swv. 11753. 16751.
- kriec stm. 11243. 11840.
- krisolite swm.=^ Chrysolith.
- Krist 7wm. prop. wizze Kr. interj.
- 10414.
- kristalle swf. 6592. 17116.
- kristallin adj. = krist allen.
- kristen adj. subst. 1971.
- kristenheit stf. 1968.
- kristenllcli adj. = christlich.
- kriuzen swv. 15100.
- kriuzewiS ado. in kr. 2976.
- cröiereu swv. 5578.
- kröne stf. 3328.
- krucke swf. 15353.
- krumbe stf. 17435.
- 22*
- 340
- QUAL
- LAZEN
- quäl prast. von quelen.
- quäle s//. = (luo.L
- quartier sin. 2802.
- quedeu atn. 3. pers. pr(jL's. kit 16705.
- queleu , queln stv. 1742. 1769. mit
- acc. (?) 5093.
- queleu, queln awv. =nhd. quälen swv.
- quellen ^tv. 11979.
- quicken swv. (17927) 19112 s. kicken,
- cuire stf. 3021.
- kulter shn. 18152.
- kum prccs. von komen.
- cum franz. 3362.
- kum adj. 850.
- kumber stut. = Kummer.
- kuniberlich adj. 38.
- kumberliaft adj. 13186. 14753.
- küme adv. 1286.
- kümecliclie adv. 6581.
- cumpanie atf. (2684).
- cumpanjün s(m. 5463.
- künde awm, 2597.
- künde pra't. indic. u. conj. = X~onnte,
- könnte.
- künde stf. 4743. 8530. 11599. 14194.
- jjI. 14261. ze k. geben 154.
- küudekeit stf. 4346.
- kündecliclie adv. 2S96.
- kündic adj. 14252.
- kuuft itf. 4379.
- künic, künec (einsilbig) stiii,=^ Köai'j.
- kUnicriche stn. 11162.
- kunnen swe. anom. mit acc. 2700.
- init prcep. mit 14361. da, liie mite
- k. 2806. 3043.
- kunst stf. 33. 36.
- kuute pr(et.-=^ kündete.
- kuolcn swv. 13068.
- kuulte 2JrüEt.-= kühlte.
- kuppe .SM'/. 7056.
- kuppeln swc.^= koppeln.
- kür 6//. 1527. 4643.
- kürbaere adj. 6185.
- küre, kür proet. conj. von kiesen,
- curie stf. 2959. (oU21.)
- cürtois franz. 2395.
- cürtösie stf. 2294.
- kurz adj. kurze zit 17268.
- kurze adv. k. bedäbt 4556.
- kurzewile stf. 72.
- kürzlich adj. 6677.
- kust stf. 6677.
- kuste pra;f. = küsstc.
- la franz. 741.
- lä iiiiper. von län, läzeu.
- lache SV f. ^= Lache stf. sing.
- lägaerin stf. 11715.
- läge 67/. 11937.
- lägen swv. 13842.
- lahter stn. 3369.
- laisieren, leisieren swv. 2107;
- lameir 11990 fg.
- län s. läzen.
- lang, lanc piwt. von lingen.
- langer coiti2). = lünger.
- lanc adj. 3549. über 1. 9121.
- lanke fem. 2901.
- lant stn. 9264. von lande 5404. ze I.
- 1421. her wider 1. 12817. an I.
- haben 8775.
- lant- 153.
- lantbaniere stf. 5589.
- lantbarün stm. 8595.
- lantgenöz stm. 6039.
- lantgeselle swm. 5595. 9075.
- lantgesinde stn. 495.
- lanther stn. 6376.
- lantherre swm. 153.
- lantlehen stn. 16038.
- lantliut stn. 5837. pl. lantliute 4240.
- lantman st n. = Landsmann.
- lantmsere stn. 8918.
- lantmassenie stf. 18935.
- lantsseze swm. 13467.
- lantschaft stf. 6501.
- lantschal stm. 9309.
- lantsite, lantspräche = Landess.
- lantstrit stm. 6385.
- luntsuone stf. 10793.
- lantvehte stf. 5973.
- lantfürste swm. 15330.
- lantwer stf. 1674.
- Ifere adj. = leer.
- lären prcet, 2->l- = lcisen.
- laschte ^jra7. = leschete, löschte.
- last stm. = Last stf.
- laster sin. 470.
- lasterbjcre adj. 6267.
- lasterlich, lästerlich adj, 12296.
- lästerliche adv. 1472.
- lastermaere stn. 15332.
- latin adj. 159.
- latine stf. 3690. 17365.
- läz stm. 16022.
- läzen, län stv. 3444. mitjjarl.prois.
- 2347. tuon oder 1. 14116. init acc.
- 1276. 7045. reß. 12638. mit dopp.
- Acc. 15582. niht 1. mit acc. 14802.
- 1. mit prap. an 2421. reß. mit
- prcep. an 6384.6779. st£Ete 1. 6370.
- nider 1. refl. ze samene 1. 9068.
- dar an 1. refl. 13999. ze einer hant
- LAZUR — LITE
- 341
- 1. 14223. von ruore 1. 3428. ze
- ruore 1. 17294. £ine sorge 1. 935G.
- gevvunnen spil 1. 11061. gän 1.
- .^0.^4. hin g. 1. 8943. 13530. umbe
- g. 1. 10280. ze einer hant g. 1.
- 16518. stän 1. 2792. 9277. gest. 1.
- 15523. varn 1. 13838.
- läzür sin. 15833.
- le franz. 12564.
- leal fiam. 1360.
- lebeiich adj. 1731.
- lebelichen adv. 7830.
- leben stn. 2661.
- lebere stf. = Leber.
- lebesite stm. 16925.
- l§cli prcet. von lihen , = lieh.
- legen swo. 534. 628. 7nit prcep. an
- c. acc. 3284. an 1. 11066. reft.
- 15146. dar 1. 17589. hin 1. 1762.
- hin dan 1. refl. 17411. in 1. reft.
- 1895. nider 1. 3749. 4410. nidere
- 1. 6489. üfl. 4561.6243. 6633. 15688.
- vür 1. 46. 72. 6112. 10785. 17655.
- wider geleit werden 6432. under
- ougen 1. 14124.
- leger &tn. dat. legere.^ Lager.
- leich stm. 3508. 8618.
- leide adv. 1044. 12409.
- leide stf. 13510.
- leiden stcv. 12410. 17831.
- leider adj. comp. 1752.
- leidigen swv. 13622.
- leidic adj. 2321. mit gen. 15502.
- leinen swv. ^lehnen.
- leisten swv. prcet. leiste. 1431. 12605.
- bete 1. 19107. gebot 1. 15437.
- leit adj. 62.
- leit stn.pl. leit (^= Leiden), ze leide
- nemen reß. 12858.
- leit=leget.
- leit prcet. = litt.
- leite proet.=: legete (5325).
- leiten swv. prcet. leite. 5320. 12156.
- 16584.16622. abel. 6246. hin 1.18800.
- leiteseil .s., leitesterne swm. = Leit-
- seil, Leitstern stm.
- leitlichen ade. 13665.
- lenge stf. 273.
- lengen swv. 5871.
- löre stf. der buoche 1. 2063.
- lören swv. an 1. 18528. part. adj.
- geirrt 1.3882.
- lernunge stm. 2071.
- leschen swv. 36. n
- lesen stc. 132. 134. 152. 2650. 15158.
- 17319. hin heim 1. 336.
- lesten swv. 6511.
- li franz. 332.
- libunge stf. 18420.
- lieh stf. 1297. 10914.
- liehen swv. 6392.
- liduc franz. 332.
- lie prcet. z=liez.
- liebe stf. 94.
- liebe dat. von liep.
- liebe adv. 15045.
- lieben swv. {ahd. liebju) Irans, mit
- acc. 174. mit dat. n. acc. 492.
- lieben sv:v. (ahd. liobera) intrans. 27.
- (183). mit dat. 179. 4631. an 1. mit
- dat. 12832.
- liegen stv. 46C5. mit dat. 8837.
- lieht stn. pl. lieht = Lichter.
- liebten swv. 8827.
- liep adj. 897. Jnit part. 218. 11628.
- liep stn. ') 115. ze kleinem liebe
- 15233. -■) 1107.
- liepliche, liejplich adv. liepl. machen
- reß. 19245.
- ligen stv. mit pruep. an c. dat. 2188.
- 18347. an 1. 5098. 12520. dar an
- 1. 5097. 16362. hin dan, her dan
- 1. 17418. inne 1. 1897. che 1. 390.
- lihen stv. 5379. 12745.
- lihte adv. 6766. vil 1. 10498.
- lihtesam adj. 3873.
- lilachen stn. 18152.
- lim stm. 11796.
- limen swv. 710. 865. 11814. rime 1.
- 4713. daz gelimde zwi 844.
- limmen stv. 13531.
- linde adj. 3549.
- linde swf.= Linde stf. sing.
- linge stf. 5074.
- lingen stv. 5076.
- linhosen pl. 2640. (2642.)
- linkappe stvf. 2629.
- lip stm. 90. 1067. 1, und ere 1243.
- an dem übe haben 9486. an den
- 1. gebieten 3516.
- lipgersEte stn. 16830.
- lipnar stf. 7347.
- liprät stm. 16921.
- lire swf. 8068.
- liren swv. 3680.
- lise praes. von lesen,
- lispen swv. 8619.
- list stm. 21 fg. 2032. 13742. pl. 1880.
- listen swv. 1.3968.
- listic adj. 9441. 14253.
- listwürksere stm. 4932.
- lit stn. 2943.
- lit = liget.
- lite swf. 10908.
- 312
- LlUGE — MÄZEN
- liugc proes. von liegen.
- liument stm. 15393.
- liut stn. 463.
- liutsaelic adj. 11092.
- lobebaere adj. 2136.
- lobebrunne swm. 11202.
- lobelich adj. 1763.
- loben svw. 3376.
- loberis stn. 4645.
- lois franz. 5999.
- lonbasre adj. 12349.
- lop stn. 21 fg. ze lobe 22. lop
- dich interj. 2665.
- lörschapclckin shi. 4640.
- lorzwi stn. 4635.
- lös adj. 14008.
- losaere sto. 13956.
- löschen swv, 17082.
- losen swv. 3507.
- lösen swv. 14008.
- löste ^rce^ = loesete.
- löt stn. Karies 1. 275.
- loufen stv. 273. ze dem zile 1. 17238.
- lougen swv. 15717 (?).
- lougen stn. 14346. 15717 (?). 15880.
- 18484. äne 1. 11224.
- loup stn. umbe ein 1. 16088.
- löz sin. 5960. 1. mezzen 6065.
- luft stm. -^-^ Luft stf.
- lüge stf. 14266. sunder 1. 4520.
- lügelich adj. 13987.
- lühte prcet.=^ leuchtete.
- lucke stf. = Lücke.
- lücke adj. 13994.
- lumbel subst. 2941.
- lüppen swv.} part. adj. gelüppet 6947.
- 15752.
- lussam adj. 4691.
- lust stm. u. stf. = Lust stf.
- lustic adj. 6566.
- lütbseren swv. 13615.
- lüten swv. 10110.
- lüter stn. (?), lütere (?), luter (?) 6616.
- lüteren swv. 8149.
- lüterlich adj. 196.
- lüthaft adj. 16396.
- lützel adj. subst. 11. 195. adv. 1857.
- lüzen swv. 10725.
- 'm = im,
- ma franz. 9170.
- machen swv. mit subst. Praidicat 4391.
- maere m. 3140. wunder m. 1638.
- cngegene m. 559. lieplich m. refl.
- 19245. ze fröuden m. refl. 5286.
- mäge pl. von mäc.
- magct stf., pl. u. rjen. mägedc, me-
- gede. 1264. 12450. der m. sun 3849.
- magetlich adj. 1058.
- magetuom stm. 14770.
- mäht stf. 2436. über ra. 7393,
- mäht 2. pers. prajs. von mugeu,=
- magst.
- malitc p>-(X'^ = mohte.
- rasejen sivv. = iii.ä/ien.
- mains franz. 18713.
- mal stn. 5736. 15921. dos iiiäles 4532.
- Sit des m. 427. 6 Tnä\cs=: ehemals.
- ze dem male 661. 2468. z'einem
- m. 529. z'allera m. 5555.
- man stm.pl. ma,n = Männer, Mannen.
- 11565. der m. 276. 3047. ie der m.
- 5325.
- man, mane stf. := Mähne.
- mane = man ne 4613.
- manc swtn. = Mond stm.
- Taa.nen swv. rjiit gen. 1907. mitpra'j).
- umbe 2958. gerne ra. mit gen. 13157.
- mangerie stf. 16826.
- manierc stf. 4572.
- raanic, manec , manc adj. = manig,
- 'manch, maucgen enden 11807. —
- mancgcs ado. gen. 1004. compar.
- maneger 19464.
- manicvalt adj. 10355. 12913.
- manicvaltcn ,. 12927.
- manlich, mänlich adj. 5944.
- manslaht stf. 10397.
- msere adj. 475. 7308.
- msere stn. 73. 718. 3083. 4664. 4665.
- senelichez m. 97. msere lesen 14125.
- m. machen 3140. m. sagen 1565.
- in daz m. komen 14844. ze m.
- bringen 8334. ze m. tragen 1042.
- marke stf. 18698. 18832. 18930.
- market stm. = Markt.
- raarcte jorosi. = mcrketc.
- marmel stm. ■=^ Marmor, marmelin
- adj. = 'marmorn.
- marnajre stm. 7396.
- marschalc stm. = Marschall.
- marscliandise stf. 4353.
- marschant stm. 3128.
- marterrere stm. 7545.
- marveil franz. 12564.
- massenie stf. 2923.
- mäze stf. 963. 4503. der m. 8858.
- 9726. beider m. 10995. üz der m.
- 5002. üzer m. 11107. ze m. 3191.
- ze guoter m. 2576. m. haben 14995.
- Mäze fem. pers. 10995.
- mäze adv. 12477.
- mäzen swv. 16016. refl. vdt gen. 10336
- MAZLICH — MUOT
- 343
- inäzlich, ra£Ezlicli adj. 9853.
- raazliche adv. 9083.
- me=mer, mere.
- megede voii maget.
- mehnie franz. 3257.
- mehte pra2t. = m6\iie 1488.
- meie swm. = Mai strn. u. swm.
- meien s^t•t•.];i/ar^ acf/. gemeiet 18094.
- meiesch adj. 2547.
- meine stf. 4625, 13905. 17733.
- meinen awv. 1101. 1111. mit prcep.
- ze 15057.
- meister stm. 151. 2252. 4734. 7757.
- 11574.
- XQeisteren, meistern suv. 16995.
- meisterin, meisterinne stf. 1198.
- meisterlich adj. 4937.
- meisterliche adv. 2225.
- meisterlös adj. 1043.
- meisterschaft stf. 3535.
- meistic adv. 12223.
- meit 2)roet. = mied.
- melde 5^/. 13497.
- menege stf. ^ Menge.
- mer, mere, me adv. ie m. 1946. 8612.
- ie m. — ie m. 103 — 105. iemer m.
- 637. 1244. 3309. nie m. 488. de-
- hein m. 2150. raiuner noch m.
- 16S9. — s. niemere.
- mergrieze swf. (swm.f) 4670.
- merke stf. 6508. 13505. 16023.
- merken sicv. 6510. 9997.
- merlin .5^«. 16893.
- raerzi franz. 742. 10206.
- merzten suv. 3358.
- messinc stm. 12607.
- messire franz. 13137.
- mettin stf. = Mette. — mettinstunde
- stf. = Mettenstunde.
- mez stn. 5569.
- mezzen stv. lös m. 6065. witerm. 3151.
- mezzer stn. m. werfen 4712.
- michel adj. 93. 10868. — michels adv.
- gen. 17314.
- miete stf. 7222.
- mile stf. wälsche m. 2756.
- milte adj. 250.
- milte stf. 5038.
- minenthalben adv. 13441.
- minna?re stm. 12315.
- minne stswf.ze minne.u pl. 6829. 13355.
- Minne fem.pers.^öd. gotinneM. 4807.
- minnen swv. WW.rait pra;p. an 13353.
- minnenmuot stm. 111.
- miuner adv. m. noch mere 1689.
- miuren swv. = mindern.
- mir'st = mir ist.
- mischen swf.] parf. adj. gemischet
- 17570.
- misse- 8.
- missedäht stf. 15280.
- missegän stv. 3968.
- missehagen sivv. 138.
- missehaere adj. 15826.
- misselinge stf. 1777. 15065.
- missemälen swv. 16970.
- missereden swv. 6663.
- missestän stv. anoin. 969.
- missetuons^i". anom. jaa^'^.missetän. 8.
- missevar adj. 12465. 15205.
- missevärwen swv. prat. missevarte.
- 15199. 15567.
- missewende stf. 15417. äne m. 1807.
- missezemen stv. 96.
- mit pra;p. 1519. 1564. 4491. 5143. 6252,
- 8751. 10317. 12345. 14361. 14571.
- 16009.
- mitalle adv. 939.
- mite, mit adv. dermite 10906. hie
- m. 400. 769. — bei Verben s. gän.
- sin (wesen). strichen, ziehen. —
- da mite s. kunnen.
- mitewist stf. 15060.
- mitte adj. 8831.
- mixtüre stf. 15834.
- möräliteit stf. 8008.
- morgen adv. m. oder noch 1241.
- morträt stni.^ gen. pAur. mortraete,
- 14704.
- mort adj. 5488 (franz.). 9245,
- mortliche adv. 8382.
- mortraete ac/J. suhst.swnif. 8749. 12727,
- m ortsam adj. 9042,
- mortschal stm. 9057,
- mos stn. 9402.
- mü franz. 3611.
- müeden swv. 9079.
- müejen swv. proit. muote u. raüete.
- 6027.
- müelich adj. 11576.
- müelich adv. 17823.
- müezekeit stf. = Müssigkeit.
- müezegen swv. 91,
- müezen swv. anom. 580. 4815,
- mugen sivv. anom. 373. mit gen. 1022.
- mugende sin 15576.
- munde franz. 12564.
- munt stm. eines mundes 3474. üz
- dem m. 13901. ze m. 2282.
- muot stm. 78. 91. 500. 1774. ze muote
- gestän unpers. 12157. z. m. wer-
- den unpers. 3554. höher m. 1604.
- 4539. richer m. 4469. muotes rieh
- 5010. (4998.)
- 344
- MÜOTE — OD
- muote stf. ze m. 16804.
- muote proet. von müejen.
- muoten swo. 5681. mit gen. u. dat.
- 14725. mit dat. u. conj. daz 16229.
- muoterbarn stn. 2320.
- muotgedoene stn. 8128.
- muotsam adj. 17593.
- muotriche adj. 4998,
- muotveste adj. 5699.
- müzaere stn-^. 2204.
- n' = ne (Negation).
- 'n = in acc. u. dat.
- nach prcep. 1646. 1572. 1819. 4943.
- 6202. 6227. 11543. 12136.
- nach adv. 5575. 7064. vil n. 102.
- nächgebür subst.= Nachbar.
- nächraete adj. 18940.
- nagel stm. 3557. (17797.)
- nähe, nähen adv. 2642. 2763. n. gende
- 69. n. sehende 33. n. tuon reß.
- 4630. n. gebunden 2642. compar.
- näher ruofen 3570.
- nähest adv. superl. 3959. s. aller-
- nähest.
- naht stf. nahtes adr. = Nachts, der
- nehte 5508. wider naht 3651.
- nahtegal swf. pl. 4749.
- nsejen sivv. 4570.
- nacke swrn. 17797. 19237.
- nacketage swrn. 3983.
- name swrn. 450. 1053. 1481. 1617. 3590.
- 5707.
- namelos adj. 18039.
- namen swv. 3169.
- natiure stf. ^ Natur.
- -ne enclitische Negation.
- neic pr(ßt. von nigen.
- nemen stv. 520. 2226. mit dat. reß.
- u. acc. 1018. (enden. 8922.) huote
- n. 16565. kere n. 6851. lougen
- n. 18484. ruowe n. 6859. stuol n.
- 10866. swanc n. 17161, swert n.
- 3913. tac n. 9704. val und valt n.
- 10918. fluz n. 13332. war n. 1530,
- wunne n. 8283. angest n. unpers.
- 9119, abe n. 1917. da van n. 11356.
- an n. reß. (967). mit gen. 4454. init
- prcep. ze 2035. vür n. reß. 17461.
- üf die ere n. 5035. in die hant n.
- 9567. in trahte n. 3088. ze ban-
- den n. 4978. 19230. ze leide", ze
- swsere n. reß. 19140.
- nennen swv. vor n. 2926.
- ner stf. 5612.
- neren, nern swv. 1891.
- netze stn. 2941.
- nezzel swf .-= Nessel stf. sing.
- nezzelkrüt stn. 15052.
- niden stv. part. geniten. 8397,
- nider ado. n. vür sich 2707^ — hei
- Verben s. legen, gelegen, tragen.
- tuon. wegen,
- nidere ade. 16953. n. legen 6489,
- nideren, nidern swv. 1500.
- nidic adj. 10795.
- nie adv. 2309, n. mere 488. s. balde,
- schiere,
- nieman, niemen adj.pron.^=niemand.
- niemer adv. 93. n. — noch 183.
- niemere adv. 10593. nime, nimere
- 2464. 2504.
- niender adv. 380. 5575.
- niene adv. 26.
- niftel swf. 9425.
- nigen stv. 747. 783.
- niht Negation 2. subst. 3. nihtes
- 379. ze nihte 3969. 12393.
- nime, nimere s. niemere.
- nit stm. 35.
- nitgalle swf. 15690.
- niuborn part. adj. 8317.
- niuwan, niwan adv. 6. 4038. 15989.
- 16847 (?). 18440.
- niuwe adj. 219. 1790/^.
- niuwen swv. intrans. 13065. trans^
- 13076.
- noch adv. 230. morgen Odern. 1241.
- conj. alleinstehend 10935, noch —
- noch 190. niemer — n, 184,
- nostre franz. 5488,
- Norwaege swrn. 2400,
- not stf. n. geschehen 15494. n. tuon
- mit dat. 15603. mit gen. u. dat.
- 19255. michel n. tuon 13912. n,
- werden 7078, n, an gän 7161. n,
- wesen 7075, mit grözer n. 10317.
- ze n. 18731. ze einer n, 19310.
- mit nceten 1686.
- note swf. 3615.
- note adv. 2177. 17856.
- nceten swv., proet. nöte. reß. mit gen.
- 19347.
- nu, nü, nuo adv. 29. conj. demonstr.
- 273. relat. 435. nu daz 333,
- ob, op, obe conj. 1048. waz obe 6766,
- obe adv. s. ligen.
- obene adv. 5455. von o. 8239.
- obez stn. = Obst.
- od conj. Kürzung (in der Senkung) =
- oder.
- OFFEN
- EICH
- 345
- offen aclj. C667.
- offenbsere adj. 10997.
- offenbseren swc. = offenbaren.
- offenliche adv.-= öffentlich.
- oehein [im Reime) «<7/i. = oeheim,
- Oheim.
- olboum, oleboum stm.= Ölbaum.
- Opfer stn. 1964.
- öre swn.= Ohr stn. sing.
- organieren sivv. 4803.
- ors stn. 663.
- ouch conj. 13235. o. danne 10399.
- ouge swn. o. und o. geben 1082.
- under ougen 4069. 11916. under
- ougen sehen 739. o. widerläzen
- 19082. under o. legen 14124.
- ougenweide stf. 1752.
- ouwe stf. = Aue.
- öuwe interJ. = owe .
- palas stm. 3229.
- palmätside swf. 15888.
- panze swm. 2907.
- papegän stm. =^ Papagei.
- pärät stf. 874. 11588.
- pardis 5frt. = paradis 18092.
- Parmenie swm. 3673.
- Parmenois masc. 3512.
- parrieren swv. 669.
- partiertere stm. 8350.
- pas stm. 2907.
- pastur^'le subst. 8076.
- pavelüne stf. 5350.
- pensieren swv. 12071.
- petit franz. 14244.
- pfaffe swrn. 7701.
- pfafheit stf. 15308.
- pfärit Ä^7i.=:pfärt, pfert.
- pfat stn. = Pfad stm.
- pfelle stm. 662. 11127.
- pflege stf. 443. 17275.
- pflegen stv. (mtrans. 32.J trans. mit
- gen. 29. mit gen. u. dat. 1932. 3738.
- pflige pra's. von pflegen. pfllt =
- pfliget, nhd. pflegt, imper. pflic.
- (prtuoc stm. 16846).
- phnäat stm. 8989.
- pin stm. 10845.
- pine stf. =^Pein.
- pinen swv. refl. 160. subst. inf. stn. 5220.
- plänje stf. 16741.
- plectrün stm. 3556.
- pönder stm. 15191.
- präerle stf. 17155.
- pris stm. 2537. ze prise 2291.
- prisant stm. 3050.
- prlsanten swv. 3054.
- prisen swc.=preisen stv.
- prisliche adv."] compar. priallcher
- 6564.
- prüeven swv. 4520. (13027.)
- puneiz stm. 6753.
- punieren swv. 6751.
- purpur stm. 15203.
- räch pra^t. von rechen.
- räche stf. 15339.
- ram stf. 4692.
- rappe swm. = Rabe.
- rät stm. 601. 1219. 1220. 1484. 1553.
- 7634. 16804. 16849. r. hän 10412.
- r. haben mit gen. 4926. r. werden
- 7nii gen. 1602. 2519. ze rate wer-
- den 2297.
- raten stv. 1555. 4442. 15136.
- rätgebe sw7ii. 2616.
- rätman stm. 8582.
- rätfräge stf. 9710.
- rechen stv. 8626. 15449 (?).
- rechen, recheneu swv. 11182.
- rede stf. 56. 5717. 6816. 10335. 15494.
- r. des hoves 7958. der rede gen.
- 9262. der r. sin 2306. 11692.
- redehaft adj. 15818.
- redelich adj. 4834.
- reden swv. mit gen. u. praip. an 749.
- rederich adj. 4723.
- refloit stn. 2293. 19216.
- reht sin. 2637. 3593 (?). 11019. 11209.
- r. und gerihte tuen 18247. von
- rehte 4009. ze r. 9587.
- rehte adv. 134. 1520. 9612. r. als 25.
- wan r. 6590. r. kernen 17338.
- rehte stf. (?) 3593.
- reichen swv. 7192.
- reie swm. 17118.
- reine stf. 17030.
- reinekeit stf. = Reinigkeit , Reinheit,
- reinen swv. 4701,
- reise stf. 4198.
- reisekappe swf. 5326.
- reit pra:t.-= ritt,
- reiten swv. 14364. iiz r. 411.
- reitgeselle swm. 4982.
- reizen swv. 1406.
- recken swv. 5428.
- riant franz. 3138.
- ribalt stm. 3794.
- rieh imper. von rechen.
- rieh, riebe adj. 250. 389. 401. 741. 745.
- 4069. muotes r. 5010. (4998). richiu
- ger 5892. richer muot 4469,
- 346
- RICHE
- SCHACHEN
- riebe proes. von rechen.
- riche adv. 689. 4487.
- richeit stf. 412.
- riclien swv. 746. 5676.
- riebe swf. 2905.
- riechen stv. pari, gerochen 15449 (?).
- riezen stv. 6046.
- rife swm. = Reif stin,
- ribte stf. 149. 2573. die r. acc, absol.
- 16018.
- ribten siuv., prent, ribte, 162.
- ribtic adj. 6839.
- ric sim. 2978.
- rllich adj. 8898.
- riliche adv. 481.
- rim stm. 4713. rime limen 4714.
- ringe acy. 6755. 6774.
- rinc stm. 628. 5054. 5322. 6452. unz
- iif den Jungesten r. 6319.
- rinnelin stn. 19446.
- rippe stn. 2891.
- ris stn. (4645). 4747.
- rise fem. 1267.
- riten stv. intrans. 9173. trans. 2565.
- s. geriten.
- ritterschaft stf., gen. ih. dat. ritter-
- schefte. 680. 761. 5504. 15191.
- riuwe stf. 1789.
- riuwecliche adv. 1437.
- riuwen stv. 11704.
- riuwevar adj. 10368.
- riuwic adj. 2646. 8584.
- riväge suf. 15925.
- riviere stf. 16888.
- roi, rois franz. 3353.
- rockelin stn. ^= Röcklein.
- rone swm. 9l52. (swf. Hs. H u. F
- 9211).
- rosen swv. 17989.
- rosenbluome siorn. 14769,
- rösin adj. 18080.
- rot adj. 2205.
- rotruwange subst. 8077.
- rotte stf. 3207.
- rotte swf. 11365. 13123.
- rotten swv. 3675.
- rottieren swv. 3205.
- roupher stn. 7586.
- roupliche adv. 2447.
- rüege stf. 15114.
- rüeren swv., proit. ruorte. 2105. 3551.
- 13388. an r. 6981. 9013. her r. 9049.
- rucke stm. (1623. 2991. üf den r.
- gän 5491.
- ruckebein stn. 2645.
- rüm sim. den r. witen 5591. ze
- rüme 17003.
- rumen swv. = rawnen.
- ruudate subst. 8077.
- n'me stf. 10796.
- rünen swv. mit dat. 15590. zuo r. 9348.
- rünen subst. Inf. stn. 4049. 9679.
- ruoch stm. 89.
- ruoche stf. 10439.
- ruochen swv. 9364. mit Negation
- 10205. 18600.
- ruofen s<». eine stiller. 11825. einem
- näher r. 3570.
- ruoft stm. 5479.
- ruore stf. 3423. 17294.
- ruorte proit. =rührte.
- ruowestf., YUOvfenswv.=Ruhe, ruhen.
- 's = es.
- s' = si, si, sie.
- sa franz. 3257.
- sä adv. 805.
- Sache stf. 1436. 5713. 11543. 15129.
- sage stf. 137. von s. 18732.
- sagebaere adj. 659. 4006. 5864.
- sagehaft adj. 18457.
- sagen swv. 10785. 16798 (?). mit dat.
- u. prasp. ze 17761. maere s. 1565.
- an s. 15384. 15486.
- sainte franz. 2684.
- sal franz. 741. 2679.
- sselde 5//. 217. 496. 2741. 3493. 9430.
- sseldelös adj. 1009(5.
- sselegen swv. 1632.
- sffilekeit stf. 1222. (1218).
- sseleclich adj. 188.
- sselic adj. 187. 578. 1218. 1452.
- salme swm. 2648.
- salüieren swv. 4328.
- -sam (adj.) 1768.
- sam adv. 8490. (sam mir got 1055).
- sambelieren swv. 2108.
- sambiiit siebst. 3680.
- samblanze stf. 16327.
- samen, samenen swv. = sammeln.
- samet adv. 59.
- sament adv. 3170.
- samit stm. = Sammt.
- sanfte adv. 1368.
- sancte ^rcef. = senkete.
- sardin stm. 11139.
- särjant stm. 5902.
- Sarrazin stm. 2535.
- satelboge swm, 7050.
- saut franz. 13301.
- säzen swv. 3427,
- sazte j)rcet. = setzte.
- schäcben swv. 10963.
- SCHACHBLIC
- SERPANT
- 347
- schächblic sfm. 10961.
- schäcbzabel atn. 2219. *
- schade adj. 17616.
- schade swni. pl. 280.
- schadehaft a(fj. 363. 762.
- scbädelich adj. 17616.
- schaffen stv. 22. 4575. 7nit prcep.
- umbe 4469. reß. 970.
- schaffen swv. 12794.
- Schaft s. 2113.
- schal stin. 6435. 9631. mit schalle
- 4491. 16009. ze seh. werden 12632.
- schale stm. 6087.
- schalcheit 6482.
- schallen swv. 3497. subst. inf. stn.
- 6441.
- schalten stv. 6736.
- scliame, schäm stf. 11601.
- schamelich o«//. 3792.
- schämeliche adv. 743.
- schämen swv. = scJtümen.
- schancte ^/•a^ = sckenkete.
- schantoit franz. prcct. 17375.
- schanze stf. 6494,
- schanzün stf. 2292.
- schapel stn. 3149.
- schapclekin stn. 676.
- scharsahs stn. 9028.
- scharte snf. 7190. 7193. 10189. 10192.
- scliate stm. = Schatten stm.
- scheiden stv. 6452. dan seh. 4918.
- schein pra;t. = schien.
- schelle swf. 15851.
- schellen su-v. 4801.
- sehende stf. 11370,
- schephen swv. 21. 136. 10116.
- sclierlinc stm. = Schierling.
- schermen i'«/'r. = schirmen,
- schevelicr franz. 5580.
- schibe sivf, 7165.
- schielte probt, conj. von schalten,
- schiere adv. 1123. nie b6 seh. 2710.
- s6 seh. nilit, nie 17631. 18249. superl.
- schiereste 6313.
- schif brücke svf. 13372.
- schiffen swv. 7374.
- scliiffunge stf. 3863, 7352.
- schif tür stf. 8701,
- schifwise stf. 7348,
- schimpf stm. 968. 6756.
- schimpfbaere adj. 6755,
- schimpfen swv. IblO.
- schimpfmaere stn. 15635.
- schin adj. seh. tuon 127.
- schiuba^re adj. 14344.
- schinbajreliclie adv. 932.
- schinen sts. 34. 2646.
- schirmen swv. 2121.
- schöne adv. zu schcsne.
- schcene adj. 3534, subst. 17807,
- schcene stf. 6635,
- Schönheit stf. 533. 627.
- schoenen sivv. 6636.
- schouwe stf. 542. 688.
- schrsejen sxvv. üf sehr. 6933.
- schranken sivv. 11258.
- schreip prait. = schrieb.
- schrin stm. 4479.
- schroten stv. 2906.
- schulde stf. 1888. von schulden 767.
- 3961. ze schulden 758.
- schuldegen swv. 12253.
- schümen swv. = scliäumen.
- schünden srvv. 3111.
- schumpfentiure stf. 5613.
- schuollist stm. 7971,
- se stm. = See stf.
- se imper. interj. 3538.
- segel stm. =: Segel stn.
- segenen swv. got segene 13694.
- sehe stf. 6509.
- sehen stv. 10309. 13086, 18284. an s,
- 9812. nach s. 10547. wider s.mi^rfa^.
- 1096. nähe sehende part. adj. 33,
- seige stf. 16022,
- seic proit. von sigen.
- seil stn. an daz s, vazzen 9883.
- seit, seite= saget, sagete.
- seit-, Seite- = 'Sa'Vera-.
- selp adj. pron. sin selbes 295. selb
- ander 11184.
- selten adv. 269.
- seltssene adj. 3553.
- semir, sem mir got 1055.
- sene stf. 127.
- senebürde stf. 19065.
- senedaere stm. 98.
- senedserin stf. 128.
- senede j^c^^^- <^'^J- 61- 83,
- senegenöz stm. 1428.
- senegluot stf. 112.
- senelich adj. 97.
- seneliche adv. 3522,
- senema;re stn. 168,
- senerich adj. 16512.
- senefiuwer stn. 929.
- senfte adj. (11S91).
- senfte stf. 75. 4425. 12276.
- senften swv. intrans. 11891. Irans,
- 100. 2459.
- senkel stn. 18027.
- sere adv. cornpar. serer 114.
- seren swv. 8993,
- serpant stm. 8907.
- 348
- SETZEN — SPEHE
- setzen swv. mit gen. 12614.
- sez stn. 5570.
- si in der Senkung, si in der Hebung
- sich acG. refl. 18652. hinder s. 18299.
- vür 8. 2270,
- sich imper. = sie?i.
- Sicherheit sf/. 5096. 11518.
- side swf. 593. 667. 2199.
- sider adv. 1095.
- sidin adj. = seiden.
- sige stm. = Sieg.
- sigebsere adj. 6189.
- sigen stv. an s. mit dat. 1129.
- sigen proßt. plur. von sigen.
- sigen stv. 1741.
- sigesselic adj. 16180.
- sihe proBs. von sehen.
- sillabe swf . = Silbe stf. sing.
- si'm, si' m=^si im, si im.
- simphonien], Symphonien swv. 3674.
- sin stTd. 36. 2299. 4539. 11469. 13883.
- nähe sehender s. 33. die sinne
- haben 15095. mit — sinnen 462.
- mit kleinen s. 11440. üz vollen s.
- 4725.
- si'n, si'n = si in, si in.
- sin gen. ■=! sein, seiner. — neutr. 1602.
- 2300.
- sin pron. poss. die sine pl. adj.
- subst. 480.
- sin stv. anom. s. wesen.
- sinewel, sinwel adj. 6674.
- sinewelle stf. 16935.
- singen stv. 4726.
- sinnebsere adj. 7913.
- sinnecliche adv. 3090.
- sinnesam adj. 2691.
- sinnic adj. 4723.
- Sippe adj. 14789.
- sir, sire franz. 4025. sires 4588.
- Sirenen pl. swf. 4870.
- sis 2. pers. prces. conj. = seist.
- Sit adv. 263. 2876. adv. prcep. sit des
- 4121. Sit des males 4207. conj.
- 118. 2956.
- Sit stf. beider s. 5525. in eine s.
- 6885.
- Site stm. 281. mit siten 4929. von
- lasterlichen s. 12296.
- siteliche ado. 11090.
- sitzen stv. 1290. 6706.
- siuften swv. subst. inf. 799 (?).
- siure stf. 10242.
- siuren swv. 11889.
- si'z, si'z=:siez, si ez; = si daz 7775.
- slage stf. 18860.
- slagen swe. 7100.
- slahen stv. 3551. 8687. part. gesla-
- gen 8762. geslagen sin 8829.
- slaht, slahte stf. aller sl. 24.
- slac stm, 5451. 7279.
- slange swm. = Schlange stf. sing.
- sieht 3. p)ers. prois. von slahen.
- sieht adj. 4659. 5632.
- siebte stf. 16977.
- &\Q\ch. pr (Et. ■= schlich.
- slihte stf. 2570.
- slihten swo. 8144.
- sloz stn. 1278. 16713.
- smsehe adj. 18543.
- smac stm. 7280.
- smacken swv. 7839 (?). 11602.
- smalen swv. 17050.
- smeichen swv. mit acc. 13968. subst.
- inf. stn. 8185.
- smecken swv. 7839 (?). 12009.
- smerze swm.-= Schmerz stswm.
- smerzen swv. 11891.
- ßmiegen stv.] part. adj. in gesmo-
- gen 6666.
- smieren swv. 15616.
- smirlin stn. 2203.
- sne dicke adj. 10962.
- sneit prcBt. = schnitt.
- snelliche adv. 16173.
- sniden stv. zesamene sn. 4568.
- snit stm. 4981.
- so adv. 2469. conj. demonstr. 43.
- 4530. 4826. 12256. 16949. relat. 43.
- so — so 103/^. 191/^. 525. so — so
- so 184 fg. niht so — s6 daz
- 9769 fg. da mite so 91. swä so
- 82. swaz so 4581. swie so 1188.
- 1339. so dir got 7070. so balde^
- schiere s. balde, schiere,
- solgen swv. 13536.
- sorgsere stm. 2616.
- sorge stf. pl. 10593. äne s. län 9356.
- sorgehaft adj. 79. sorchaft 8636.
- sorclich adj. 6438.
- sote swm. 8631.
- sp^he adj. 2292. 9904. 9905.
- spEehe adv. 4803.
- spsehe stf. 3034.
- spaeheit stf. 10979.
- Spanen stv., prost, spuon. 17061.
- spaniol stm. 9215.
- spannen stv., proit. spien. 6552.
- sparen, sparn swv. 3604. 6449.
- spärwosre strn.=^ Sperber.
- spate ado. zu spsete, spät.
- spsete adj. 13638.
- spehe stf. 6510.
- SPEL
- STUNDIC
- 349
- spei stn. 18394.
- spellen sviv. 4059. refl. 8618.
- Spelte swf. 6559.
- sper stn. 9660.
- spil stn. 3730. 16471. gewunncu sp.
- 11061.
- spilen.spiln swe. 296.313.3734(3730).
- an sp. 2270.
- apilgevelle stn. 16442.
- spinele fem. 1703S.
- spor stn. 3174.
- Spot strn. 17931. ze spotte 5574.
- spotten swc. IblO.
- spräche stf. 6212.
- sprächen swv. suOst. in/, stn. 9679.
- sprancte prcut. = sprengcte.
- sprechen ste. 4125. mit prap. nach
- 6227. mit dat. der Pers. 1956. der
- ti. 9863. mit dat. u. prcup. an 6365.
- mit acc. der Pers. 1881, 15446. der
- S. (noinin. passivisch) 15313, mit
- acc. u. prcnp. mit 10308. an spr.
- 1227. dar spr. 4793.
- spreiten swv. 3011.
- sprengen suv. part. adj. gespreuget
- 10931.
- sprunc titm. von sprungo 2106.
- spüren swc. prast. spurte 15154.
- stähelin adj. = stählern,
- stal 2jrait. = stahl.
- stalte prcet.= stellte.
- stän, sten ste. anoin. 706. 2322. 2647.
- 11805. // j9/ceja. umbe 9717. bist.
- 106. vor St. 10628. dar zuo st. 110.
- üf höher st. 2794. ze väre st.
- 14890. ze buoze st. 781. an eines
- zil St. 13417. st. läzen 2792. 9277.
- gestanden part. adj. 6488. 9229.
- Stange stswf. 15980.
- atampcnie stf. 2293.
- stant impjer. von stän , =:6Vg//.
- stapfen sicc. 8970.
- starke adc.=stark.
- stärkte />/•«;/. = stärketc.
- stat sttnn., ijen. Stades. 2383.
- stat stf. State und st. 12585. an der
- stete 695. an einer stete 3507 (?).
- von der stat 7526. ze stete 14685.
- ze stete treten 15189.
- State stf. 613. 1253. 1660. 7393. 7678.
- pl. 11800. St. und stat 12585. st.
- tuon mit fjen. 5396. ze staten stau,
- gestän 2413.
- staete adj. 181. st. lau 6370.
- stjcto stf. 8489. ze st. 2155.
- sta;teclich adj. 5068.
- Btajtecliche adi\ 3781.
- slaetelicli adj. 6717,
- stseten swt.., prast. stäte. 175. 399.
- 8461.
- stätliche adv. 5329.
- Stege pl. von stec. — stf. (?) 37.
- Stegen swv. 40. 2564.
- stegereif stm, 2711.
- steigen siko. 7998.
- stein stni. 16930.
- steingevelle stn. 8995.
- steinen .sM;ü./?ar<.arf;". gesteinet 16951.
- stcc still. 37.
- stellen swc. 1909. 3442. 4078. 11887.
- gestellct, gestalt part. adj. 3337.
- 15349.
- sterben swc. 8544.
- stete *. stat.
- stich, Stiche pross. von stechen.,
- Stic stm. 2702. 12203.
- stille stf. 2451. 8799. 11226. 11S25.
- stiure stf. 678. 1116. 2419.
- stiuren swf. refi. 11974.
- stoc stm. 4671. ^
- stoubelin stn. =^ Stäublein. *
- stoubin adj. 4670.
- stüzen stv. 1278. 13883. an st. 929.
- 1581. 2307. 11879. üz st. 478. zuo
- st. 3763.
- strac adj. 6710. strackes adv.yen. 387,
- stracte prwt. = streckte.
- sträle stf. 4944.
- straemelin stn. 17581.
- sträze stf. 11112.
- streich prcct. = strich.
- streichen swc. 13967. gestreichet
- part adj. 10999.
- %ixeii prait. = stritt.
- strenge adj. 4418.
- strich stm. 11128.
- strichen ste. 14579. üf str. 2559. Irans.
- mite Str. 16846 (?). gestrichen
- part. adj. 10365.
- strichweide stf. 13491.
- stric stm. 11757. 11936. 12179.
- strickoerinne stf. 12180.
- stricken swc., prwt. stricte. 12181.
- 19111. an Str. 5019. dan str. 9407.
- strit stm. 8855. zc stritc 3445.
- striteclichc ado. 3866.
- stritcn sto. mit proip. umbe 4504.
- stro stn. niht ein strö 8873.
- stucke stn. = Stück.
- stumpfen swc. 6511.
- stunde stf. 100. 1311. an der st. 3249.
- 3818. an den stunden 2650. z' einer
- st. (z'einen stunden) 17892.
- stündic adj. 5100.
- 350
- STUNT
- TOBEHEIT
- stunt stf. zustünde. — tüsent st. 1310.
- stuol stm. einen st. nemen 10866.
- sturmeliche udv. 5t61.
- süenserinne sff. 11725.
- süeze adj. 60.
- süeze si/. 308.
- süezen swv. intrans. 11889. trans.
- 8311.
- süezlicli adj. 1936.
- süft stm. 796.
- süfte proet. von siu.{teii, = seufzte.
- suln swv. anom. 14. 1604. 1708. 8544.
- 16212. auxüiar 16. 1251. 1605. sin
- s. 1901. 1957. 2210.
- sumen swv. 4438. 14142.
- sumer stm. (4756).
- sumerkraft 679.
- sumerwise stf. 4756.
- sun stm. der megede s. 3849.
- sunder adj. 329.
- sunder udv. 922. 1202.
- sunderlant stn. 5623.
- sunderlich adj. 630.
- sunlich adj. 1933.
- sunne swf.-= Sonne stf. sing.
- sunnewende pl. = Sonnenwende sing.
- suoche stf. 163.
- suochen swv. die füeze eines s. 1546.
- an s. 10916.
- suoze adv. = siiß. (comp, süezer =
- nhd.)
- suozecliche adv. 1442.
- suozte prct't. von süezen.
- sus adv. s. hin 43. s. getan 977.
- swä adv. correl. s. so 82.
- swach adj. 1481. 4687.
- swacheit stf. 6293.
- swaLchen swv. intrans. 947. 1858.12028.
- trajis. 1500. 15327.
- swächlich adj. 9286.
- swanc stm. 10993. 16019. sw. nemen
- 17161.
- swar adv. correl. 356.
- swäre adv. 1007.
- s\v£ere stf. 52. ze sw. nemen reß. 19140.
- swären swv. 72S1.
- swEeren swv. 11973.
- swarz adj. swarziu buoch 4688.
- swaz pron. correl. neutr. (zu swer) 4.
- sw. so 4581.
- sweben swo. 888. 9082.
- sweder pron, correl. 17218. conj. 5806.
- swederhalp adv. 10616.
- sweic pr(ßt. = schwieg.
- sweimen swv. 4720.
- swelch pron. correl. swelhen ende
- 2511. swelhen enden 6020.
- swellen swv. 15567.
- swenden siro. 19475.
- swenken swv. 16027.
- swenne adv. conj. correl. 1084.
- swer pron. correl. 7.
- sweren, swern stv. 793. 12250.
- sweren, swern stv. = schwören.
- swert stn. sw. geben. 5733. 7086.
- sw. nemen 3913. sw. zucken 5354.
- swertleite sff. 4592.
- (swibelen sivv. Hs. F. 9044).
- swichen stv. 9474.
- swie adv. correl. 34. sw. so 1188. 1339.
- swigen stv. geswigen sin 4779.
- swinde adv. 8332.
- tach stn. 10952. 11118.
- tagedingen, teidingen sivv. 11298.
- tagedinc, teidinc stn. 6832. 11323.
- 12612.
- tagen swv. 1) intr. 8280. tagende
- werden 5511. — getaget 2^ci,rt. adj.
- 2623. — 2) trans. 395. 9267.
- tagesterne swm. 304.
- tageweide stf. 16686.
- tac stm. 393. 9262. 9703. tages ado,
- gen. 3723. anders tages 12488. in
- dem tage 17247. von den tagen
- 2691. für disen t. 1512.
- tal stn. ze t. 2800.
- tälanc adv. 2958.
- tassel stn. 10939.
- tsete gen. von tat.
- teidinc s. tagedinc.
- teil subst. ein t. 961.
- teile stf. 5698 (5717.)
- teilen swv. 4872.
- teilieren swv. 2975.
- Teiie swm. = Däne.
- tete, tet (in der Senkung) pra;t.=
- that.
- tier stn. 2510. 3307.
- tihte stf. 162.
- tihten swv., proit. tihte. 13866.
- timit stm. 11124.
- tinne stn. 923.
- tjoste stf. 9214.
- tiure adj. 8659.
- tiure adv. 6605.
- tiuren swv. 11876.
- tiutsere stm. 4682.
- tiute stf. 17025.
- tiuten swv. (6799). mit prcep. mit
- 8778. mit dem vinger t. 2840.
- tiutisch adj. = deutsch.
- tobeheit stf. 16534.
- TOBELICH
- TWINGEN
- 351
- tobelich adj. 1G533.
- tcedic ailj. 1463.
- tohte, töhte prost, ind. u. covj. von
- tilgen,
- tören su-v. 3592.
- tot utrn. in Formel 119.
- tötbsere adj. 12864.
- tüte swtn. 11695.
- töte pra.'/. = toetete.
- tötlich adj.^=tödlich.
- tötslec adj. 1140 (?).
- touf sttn.=^ Taufe stf.
- toufiere stm. 1972.
- touflich adj. 1974.
- tougen adv. 1085.
- tougen stn. 7317.
- tougenheit stf. 9907.
- tougcnlichen ade. 729.
- toup adj. 2r)0.').
- touwe dat.= 77iaue.
- touwen swv. 11M90.
- trageba-rc adj. 12412.
- tragen stv. 48. 251. 773. 11119. reß.
- 1863. mic prcep. mit 3726. an tr.
- mit doppeltem Acc. 896. 2142. reß.
- mit dat. 16832. an und abe tr. 890.
- dar tr. reß. 10682. viit jjroep. von
- 18760. enein tr. 396. her tr. reß.
- 4160. hin tr. 2573. hin dan tr.
- 10915. hinnen tr. 368. in tr. 10941.
- nider tr. 7057. über tr. 16148. vür
- tr. (6204). 7267. Juit acc. 6919. ze
- msere tr. 1042.
- traben stm. 7496.
- trabte stf. 791. in tr. nemen 3088.
- trabten swv. prcet. trahte. 792.
- tranc stn.= Trank stm.
- trat stm. 17427.
- trebtin stm. 2653.
- treip 2jra't.r= trieb.
- treit '.'). per s. = traget, traget,
- treten stc. den reien tr. 17118. ze
- stete tr. 15189.
- triben stv. 98. 10114 (V). an tr. 1746.
- 6832. mit acc. der Fers. 14576.
- enein tr. 10736.
- triskamere stf. 4481.
- trisor stm. 4481.
- Tristan stm. Titel 8605.
- triste stf. 1997.
- trite stm. 11817.
- triuge proes. von triegen stv., trü-
- gen.
- triure stf. 1992.
- triurclös adj. 19468.
- triuten sico. 1445.
- triuwe adj. =: treu.
- triuwe stf. 8440. pl. 11883. triuweu
- adv. dat. 10650.
- troschel stf. = Drossel.
- trouc prcet. = troff.
- troumen swv. mir ist getroumet
- 13546.
- trüge stf. 12455.
- trügeheit stf. 1408.
- trügelist sttn. 12701.
- trügena;re stm. 12316.
- trügesite st7n. 12312.
- trubsoeze sw7n.-=Truchspß stm. u. swm.
- trünne sff. 17293.
- trursere stm. 14917.
- trüreclich adj. 2005.
- trüresam adj. 17429.
- trüt adj. su()St. 1226.
- trütamis stm. 12163.
- trute prait. von triuten.
- trüte jyrcet. von trüwen.
- trütgeselle swm. 1417.
- trütgesellin stf. 16774.
- trütherre swm. 5860.
- trüwen swv. 380.
- tu franz. 12564.
- tübe swf. = 2'aube stf. sing.
- tugen su-v. anom. 374. 1196. 10832.
- tugenden swv. intrans. 17975. trans,.
- 175.
- tugent stf. 37. 294. 11164. pl. 176.
- tugenthaft adj. 455.
- tumben swv. 3592.
- tump adj. 1043.
- tumpheit stf. 13716.
- tuo imper. 3364.
- tuon stv. anom. inIrans. (8). mit
- proip. umbe 1704. trans. 6. 745.
- 5914. läzen oder t. 14116. boten
- t. 526. leich t. 3508. State t. 5396.
- wän t. 6202. twon mit part.lOi^b.
- Verbum vertretend 987. 8718. 9563.
- 16918. her t. 2929. hin t. 9597.
- in t. 375. nider t. reß. 16954. üf
- t. 4460. fürder t. 6825. diu ge-
- liche t. 135. 15169. gewis t. 326.
- nähe t. reß. 4630. schadehaft t.
- 363. schin t. 127. wol t. unpers.
- mit dat. 3405. so wol t. 2718. daz
- ist allez getan 7883.
- türmelen swv. 7067.
- turnei stm. 389.
- turnieren swv. 2107.
- tuschen swv. 5607.
- twahen stv. pari, getwaheu 4648.
- twengen swv. 10910. 17052.
- twingen stv. 1319. die hendc vür
- sich tw. 2()72.
- 352
- UBELE — UNGEMEINE
- übele adv. = n/td. übel,
- Übelich adj. 8708.
- über prcEp. 7393. ü. daz 17881. über
- ein s. komen.
- über adv. s. tragen,
- über- 855. 3012.
- übergän stv. 5671. jiät acc. u. yen.
- 13168.
- übergenöz stm. 1758.
- Überguide stf. 16901.
- überkergen suv. 17795.
- überkomen stv. 15374. 18700.
- überkrefteclich adj. 1586.
- überlanc (adj.) adv. 11687.
- überleste sf/. 18225.
- überlesten su-v. 16862.
- überliuhten swv. 543.
- überlüt (adj.) ado. 3012. 15051.
- übermüete stf. 582 (?).
- übermüetekeit stf. 6447.
- übermuot stm. 266 (?). 297.
- übermuot stf. 266 (?). 582 (?).
- übersagen swv. 13228.
- übersehen stv. refl. 5226.
- übcrsigen swv. 855.
- übersniden stv. 5004.
- überstriten stv. 12076.
- übertragen stv. Ibli.
- überüeben swv. 12825.
- üeben swv. 12824. 19067. reß. 8325.
- üf ijroep. mit acc. 1732. 2907. 3685.
- 5035. 9182. 18331. 18832.
- üf, üfe, üffe adv. = auf. — üf höher
- 2794. — bei Verben s. hären, haben.
- heben, legen, schrsejen. stän. tuou.
- wegen, gewegen. widen. — pari.
- gewollen,
- üfreht adj. 16709.
- üfrihtic adj. 6675.
- xxxnbQpjroep. 1068. 1198. 1550. 1783. 1990.
- 2959. 3554. 7503. 8318. 9717. u. daz
- 779. umbe den wint u. ühnl. Wen-
- dungen 3641.
- umbe adv. bei Verben s. gan. läzeu.
- umbehanc stm. 4710.
- umbemezzen stv. 5542.
- umberede stf. 11954.
- umbesseze swrn. 9708.
- un- 3862.
- unart stf. 11642.
- unbereit adj. 3862.
- unbetrogen part. adj. .")027.
- unde, und (in der Senkung) cunj. de-
- rnonstr. adversativ 18572. 18154. u.
- aber 748. u. doch 93. relativ con-
- ditional 2l2. 13724. 18600. 19505.
- relativ nach subst. 1236.
- ünde stf. 242S.
- ünden swv. 8105.
- under i)r. u. diu 2618. u. armen
- 3328. u. ein 10933. u. in 34. s.
- gehellen, u. in zwein 819. u. ma-
- len 3671. u. ougeu 739. 4069. 11916.
- 14124. u. den lüezen 10919.
- under ado. hier u. 798. 1606.
- under- 540.
- underbint sin. 3064.
- underbriten stv. 2.539.
- underkomen stv. 9529.
- uudernemen stv. refl. 821.
- underscheide stf. 12650.
- underschcidunge 6//. .5007.
- undersehen stv. refl. 540.
- uuderslahcn stv. 13604.
- undersniden stv. 942. uudcrsniten
- part. adj. 9676.
- understän stv. anoia. 6814.
- understözen stv. 14530.
- understrichen stv. 11924.
- understricken swv. 12981.
- undertän ^J«r^ adj. 2390.
- undertsenic adj. mit gen. 6284.
- undertreten stv. 6269.
- undervarn stc. 9281.
- underflehten stv. 4646.
- underweben stv. 12997.
- uuderwerren stv. 681.
- underwilen adv. 371.
- underwisen swv. mit gen. 7858.
- underwürken swv. 2539.
- undinc stn. 10426. 12694.
- undurfte adv. 3465.
- undurften adj. 14954.
- undurften adv. 14804.
- unendehaft adj. 16942.
- unendeclichen adv. 882.
- unerbärmic adj. 5978.
- uneren swv. 14088.
- unerkomen adj. part. 6487.
- unervarn adj. part. 13725.
- unerfunden adj. part. 13724.
- ungebjsre adj. 2908.
- ungebairde stf. 10446.
- ungedäht adj. part. 916. 8525.
- ungedanc stm. 15251. 19359.
- ungedienet adj. part. 9827.
- ungehabe stf. 1692.
- ungehazzct adj. pari. 8416.
- ungehiure adj.=ungeh€uer.
- uugelich axlj. mit dat. 10036.
- ungeliche adv. 4997. 19304.
- ungelücke stn. von ungel. 14517.
- Ungemach stn. 8614.
- ungemeine adj. 19301.
- ÜNGEMIJETE — VALTE
- 353
- uugcmüctc 5/«. 1Ö048.
- ungcnäde sf/. nach ungenäden 1819.
- ungenaeme aclj. 17551.
- ungencsen adj. j^art. 6957. 8841.
- ungerade adj. subst. 16860.
- ungereht stm. 9882.
- ungcrochen adj. part. 10284. 18409.
- ungescheiden adj. part. 207. 6978.
- ungeschiht xtf. 1845. 13788.
- ungesehen adj. part. 17765.
- ungeverte stn. 8779. 8949. 116Ö5.
- ungefüege adj. 6898.
- ungefüere stn. 5583.
- ungewaere adj. 14524.
- ungewarnet adj. part. 5471.
- unguot stn. 12247.
- unhovebaere adj. 4027.
- unhöfscheit stf. 13172.
- unkünde stf. 3124.
- unlange adr. 9048.
- uulanges adv. gen. 11656.
- unlanc adj. 408.
- unlidic adj. Idbl*
- unlüugen stn. 13985,
- unlütes adv. 17257.
- unmaht stf.= Ohvmacht.
- unmanic adj. 5774.
- unmiere adj. 2146.
- uuraviTCu swv . prat .VLTiTukrtQ.intrans .
- 7282, trans. 11073.
- unmäze stf. 17919.
- unminne stsuf. 14832.
- unmüezekeit stf. 45.
- unmüezecliche adv. 18187.
- unmuoze stf. 78,
- unuöt stf. 1695.
- unnütze adv. 999.
- unräthsere adj. 12431.
- uurehteu siw. 11307.
- unrekant adj. part. 11680.
- unruoch stni. 25. 4760.
- unruochen suc. 4509.
- unruochliche adv. 12344.
- unsalekeit stf. 1398.
- unsanfte adv. 10494.
- unschadebsere adj. 18949.
- unschamclich adv. 6045,
- unschuide stf. mit Unschulden 8751.
- unsenfte adj. 7957.
- Unsinnen swv. 19149.
- unstäteliche adv. 15978.
- unticte gen. von untät.
- untougen adv. 6045.
- untröst stm. 6997.
- unvergezzen adj. part. 9455.
- unvermeldet arf.;. part. 13494.
- unversprochenlichen adv. 5635.
- GOTTFRIED VON STKASSBUKO. II. 2. Aufl.
- unversuocht adj. part. 6538.
- unverwant adj. part. 11493.
- unverwänt adj. part. 3380.
- unvcrzigen adj. part. 748.
- unfruht stf. 12247.
- unfrühtic adj. 17897.
- unfuoge *//. 13172.
- unwaege adj. 16440.
- unwärheit stf. 15544,
- unwendic adj. 1463.
- unwert stm. mit unwerde 12345.
- unwertlich adv. 12344. 13414.
- unwizzende adj. part. 761.
- unz, unze prap. u. conj. 164.
- üppekeit stf. 14858.
- üppeclich adj. 14962.
- urbor stn. 4466.
- urhap stm. 11743.
- Urkunde svin. 14759.
- Urkunde stn. 9820.
- urliuge stn. 338.
- urloup stn. 1419. 3542,
- ursprinc stvi. 4729. 11324. 11838. H870.
- 17988.
- ursuoclie sff. 3552, 10123. 14354.
- urtät stf. 12461.
- urwa;re adj. 13229.
- iiz i^rojij. üz der mäze 5002.
- iiz adv. 5449. 15579. — bei Verben s.
- bieten, bringen, reiten, slahen.
- gestözen. — part. erkorn.
- üze adv. 17745.
- üzer prxp. mit dat. 1798. 11107. 120^4
- 15798.
- üzer adj. subst. der ü. = der ävßere.
- iizerlich adj. 15030.
- vadem stm.— Faden.
- vähen stv. intrans. 303. trans. mit
- proEp. an 9201.
- vaht yrait.r= focht.
- val stm. den v. nemen 10918. an
- den V. kören 16175.
- välant stm. 6217. välandes barn
- 15965.
- valle SU- f. 16991.
- Valien stv. mit prwp. in 4539. an
- V. 314. 1396.
- valsch stm. 9579. 12616.
- valschaft adj. subst. 1403.
- valschelös adj. 11280.
- valsclilich, valschlich adj. 12230.
- valschlicben adv. 15080.
- ralt stm. pl. 6560. den v. nemeu
- 10918.
- valte fern. 12829.
- 23
- 354
- VALTEN — VERSPERREN
- valten sto. die hende v. 5437. wider
- V. 2845.
- van adv. 180. da v. s. nemen.
- var stf. 8215.
- var stn. 2310.
- var adj., gen. varwes. 6592.
- väre stf. 12989. 13666. ze v. stän 14890.
- varen, varn stv. 43. 124. un2)ers.
- 2319, V. läzen 13838.
- vären swv. 11800. 12386.
- vart stf. 2704. 10131. 17263.
- varte prcBt.^= färbte.
- värwsere stm. 4689.
- vassal franz. 3352.
- vaste adv. 8869. compar. vaster. 904.
- vaste stf. 15552.
- vater stm. anom. 3380. fjen. vater
- 1484. 4368.
- vaterriche (?) stn. 11601.
- vaterwän stm. 4229.
- vaz stn. 11697.
- vazzelin stn. 11675.
- vazzen swv. an daz seil v. 9883.
- veder stswf. pl. 848. 10952. röte ve-
- deren 2205.
- vederspil stn. 2165. 10901.
- vehen swv. 669.
- vehte stf. 1667.
- veige adj. 1674. 2591.
- veigen swv. 1669.
- veicheit stf. 9240.
- veiclicli adj. 281.
- veilen swv. 9965.
- feine swf. 4698.
- feinen swv. 4702. 15810.
- feitieren swv. 670.
- feitiure stf. 4577,
- veilen swv. 7998. 14142.
- vels stm. = Fels swm., Felsen stm.
- velschen swv. 9. 18399.
- verant /»ar^ = verendet,
- verberen, verbern stv. 2590. ver-
- born werden 13037.
- verbinden stv. 1267. 16283.
- verbrinnen stv. 15736.
- verchwunde swf. 9415.
- verdäht part. adj. 2312. 15145. rait
- praep. von 19054.
- verdarbte prmt. = verderbete.
- verdenken swv. tranx. 15010.
- verderben stv. 66.
- (verdilien stv. 12838?).
- verdoln swv. 7765.
- verdriezen stv. unpers. mit gen. 9210.
- verdanken swv. anom. unpers. 6226.
- vereinen swv. intrans. 1170. trans.
- 12177. rfjl. mit gen. 12987.
- verenden swv. 3644.
- vergän stv. anom. 955.
- vergangen part. adj. 11756.
- vergeben stv. 12500. 18481. 18436.
- vergebene adv. 41. 12398.
- vergezzen stv. subst. inf. stn. 19297»
- (vergiselen swv. 18947.)
- verhelen, verheln stv. vor verh. 8375,
- verholen , verholn pjart. adj. ver-
- bolne geschiht 14246.
- verholne adv. 8129.
- verirren swv. 4831, verirret ^arf. adj..
- 17087.
- verjehen stv. 3930.
- verkeren swv. 6301. 14791.
- verkiesen stv. 10670.
- verklüteren swv. 11627.
- verkoufen swv. 13007. 14463.
- verläzen, verlän stv. 431. 886. 2177.
- 7547. refl. mit prcBp. an 6781. 7068.
- mit gen. u. proep. ze 10335.
- Verliesen stv. prces. verliuse, prait.
- verlos, pi. verluren. = verlieren. in-
- trans. 15194. trans. factitiv 8920.
- (verlimen swv. Hs. W u. F 16283).
- verlorn part. adj. mit proejj. an 998..
- vermaeren swv. 13616. 17330.
- vermezzen part. adj. 5942.
- vermiden stv. 4148.
- vernamen swv. 12289.
- vernozzen 2iart. adj. 4001.
- verprisen swv. refl. 4925.
- verraten stv. 7578.
- verre adj. 260. compar. verrer 124.
- verre .s. 18285.
- verrihten swv. 4883. 5044. 15629. refl.
- 868. 3439.
- verrihtet part. adj. 18223.
- versaclien swv. 6149.
- versagen swv. 12430. 15262.
- verscherten swv. 17018.
- verschieben stv. 17618.
- verschroten stv. 9206.
- versehen stv. 8195. mit gen. u.proip.
- an 6405.
- verseilen swv. 6149.
- verselwet 2^0'^t. adj, 4001.
- versereri swv. 991.
- versigelen, versigeln swv. 4781. 7818.
- 9660. 18363. (18947).
- versinnen stv. (?) 14135.
- versinnen swv. mit gen. 7924.
- verslizen s^y. 17134. verslizzen ^ar^
- adj. 3995.
- versmähen swv. unpers. rait dat. 7554.
- trans. (?) 3892.
- versperren swv. 14767. vor versp. 7818.
- VERSPILN
- VOLLEKOMEN
- 355
- verspiln swv. 13009.
- verspreclien siv. 1.0480.
- verstän, verstßn slv. anom. intrans.
- refl. mitgen. 14700. mit proep. \\i->2\.
- timbe 7.')02.
- verstcleii, versteln stv. vor verst. 7.10.
- verstolne part. a. 18783.
- verstözen stv. 17092.
- versüenen su-r. 11582.
- versömen swv. 18000.
- versuochen swv. rfiß. 492.').
- verswenden suw. 8991.
- verswigen sto. 3.")17. verswigen sin
- 1.5495.
- vert adv. 11 SOS.
- vertan ],art. ailj. 10086.
- verte von vart.
- vertragen atv. mit ge.n. u. dat. lfi.')79.
- ■subst. inj', stn. 2(17.
- vertriben stv. (18.
- vertriuwen sivr. 10204. l."i.")2S. I.');"i32.
- 159.52.
- vertuon stv. anom. 2093.
- vertuschen swo. 9032.
- verurliugen xwv. 18(599.
- versähen stv. 18181.
- vervallen stv. vervallen sin 17090.
- verfilzen stv. verflizzen sin 7932.
- verfüeren sivv. 2495.
- verwalken part. adj. 4004.
- verwandeln $wv. 12595.
- verwäzen part. adj. 8323.
- verwerrairinne stf. 11912.
- verwerren ste. 83G. 13835.
- verwisen swv. 18341.
- verwizen stv. 14929.
- verwizzen swv. anom. 5S(U.
- verwerten stev. 12289.
- verwurren pra:t. pl. von verwerren.
- verzihen stv. 5380. 1087C. 12838 (?).
- reß. 43(;7.
- verzinsen swv. 8729.
- veste .*'/. 1()975.
- viant, vient, vint stm.— Feind.
- vidern swv.] gevidort part. adj. 5243.
- vie yyrcK?.=: vienc.
- vie franz. 239(1.
- vielt /(/cc/. ro« valten, nhd.^=falteti>.
- vier Zahlw. in viere 2801.
- fier franz. (;493.
- vierde Zahlw. adj. 19420.
- figieren *u». 4G24.
- ligiure stf. = Figur.
- vil adj. sut,st. 9. 29. adv. 198. v.
- lihte 10498. v. nach 102.
- vilüs franz. 1592(). viliu acc. 16241.
- viudcere stm. 40(53.
- vinden stv. .3091. 16046.
- vinger stm. mit dem v. tiuten 2840.
- vingerlin stn. 4285. umbe ein glesin
- V. 16874.
- violate stm. 11125.
- vire stf. 14955.
- virwitze stf. 16812.
- fiuhte stf. 1(5465.
- fiiir, fiuwer stn.^= Feuer.
- fiurffirinne stf. 928.
- fiuren suv. intrans. 13066. trans.
- 11889.
- fiurin udj. 4944.
- finwerniuwen swv. 19049.
- flehe stf. 4860.
- flöhen .s'«'f. aubst. inf. stn. 18914.
- flehliche adv. 1212.
- fleiz prtet. von flizen.
- fliegen stv. 5282.
- flieze stf. 13277. 19442.
- fliezen stv. 679(5.
- fliz stm. ze flize 663. 10291.
- flizekeit stf. 7725.
- flizecliche adv. 2227.
- flizeu stv. pra't. fleiz. pl. flizzen.
- 3664. reß. 623.
- flizen stv. .fuf).ft. inf. stn. 5220.
- flizhaft adj. 19126.
- flüch prwt.=ßo/t.
- floitieren swv. 10924.
- flörie stf. 17389.
- flouc proit. =flog.
- flöz stm. 13371.
- flözte 2i''cet.^=fli>ßte.
- fingen /jr«'^. pl.=ßogen.
- fiiihen pra;t. pl.=ßo/ien.
- flücke adj. 5483. 16965 (?).
- fiücke .ftf. (?) 1(5965.
- fiiiz stm. fl. nemen 13332.
- fiuzzen prat. pliir.^=ßossen.
- vogelliunt stm. 12874.
- voget sfiii.^-z i'ogt.
- foitenant franz. 467.
- vol ailj. 11124. öz vollen sinnen
- 4725. V. wesen mit gen. 508.
- vol-,volIe, vollen (nhd. nur : fo;Z-^1637.
- folate subst. 8078.
- volgajre stm. 11524.
- volge stf. 81. 4641. 14799.
- volgen sH-v. mit gen. der Sache 6316.
- mit gen. >i. dat. und construit'rt
- mit hal)en 14741.
- volle adv. 1232.
- volle .«f//. 12770.
- vollegän, vollegßn stv. 4451.
- volleist *//. 1020.
- vollokonien stv. 1637.
- 23'
- 556
- VOLLEN
- VUS
- volleu swv. 11978.
- vüllevaru stv. 4443.
- vüücziehcii sfv. 4511).
- vülrnacnc stiu 9464.
- voliuüetc adj. 10848.
- volmüetic ädj. 15167.
- volunliers //am. 3611.
- von prap. 291. 7.".'). 1041. 2106. 3615.
- 17405. 1S732. 18761. v. dan, danne
- 1618. 4227. V. diu 123. v. ende
- 3311. V. erste 313. v. halben 1810.
- V. kiudc 11591. v. sinen tagen
- 2691. waü V. 3639.
- vor adv. 315. 2876. v. hin 12584. da
- V. 488. 2070. 8742. 12237. dervor
- 1465. hie v. 8741. — bei Verben s.
- belialten. verhelen. nennen, be-
- nennen, genesen, entrinnen, be-
- aperren. versperren, gesprechcn.
- gesprengen. verstelen. zclen.
- vorbedachte stf. 7911.
- vorbcdsDhtic adj. 7908.
- vorbcsihtic adj. :>00,
- vorder adj. 7984.
- vorderlich adj. 4462.
- vorlite stf. pl. 9143.
- vorlite pra;t.= fürchtete.
- vorlitliclie adv. 445.
- vorlitsam udj. 59.38.
- vorsehe *//. 9700.
- vorvehtaere .stra. 5945.
- vorvorhte stf. 6771.
- Vorwerken aivv. 12282.
- fossiure stf. 16705.
- fragen suv. bi fr. (?) 3658.
- frains fram. 18714.
- franze slf. (?) 10906. — adj. part.
- gelianzet 10909.
- franzois adj. 3626. subxt. 3690.
- frccli adj. 641.
- freche adv. 2106.
- frecheit stf. 8669.
- freise sff. 9120.
- frcissam adj. 13519.
- fremede, fremde adj. 10o2. 2692.
- frcmede, fremde sff. 11905. 14305.
- 18285.
- frcmedeclich, fremdeclich adj. 2537.
- frcmeden sicc. 14185. subst. inf. stn.
- 14350.
- frezzen part. =z gefressen.
- fri adj. mit . 11220.
- fride stm. 396. 9598. 10527.
- frideliche adv. 14107.
- frien swv. 17052.
- frilich adj. 12993.
- friliche adv. 2455. 7166.
- frischen swv. 13970.
- frist stf. 8657.
- fristen sirv., proet. friste. 1243. 6916.
- 12798.
- friunt stm. ze fr. 4187.
- frölich adj.=frv}dich.
- frome .s-. frume,
- fröude stf. fr. tragen 251. ze fröu-
- den komen 16263. zc fröuden
- machen refl. 5286.
- fröudebsere adj. 622.
- fröudehaft adj. 586.
- frouwe swf. 1259. 11565. min fr.
- 5230.
- fröuwin adj. 6562.
- früej e adj. =früh.
- frühtic adj. 16363.
- frum adj. 1847.
- friinic, frome swm. 1.342. sines fru-
- men 10499. ze frumen pt. 3040.
- frume s-. 5842.
- frumede stf. hll'I.
- frumekcit stf. 1148.
- frumen swv. 191.
- fruo adv.=frv.U.
- fruot udj. 641.
- fliegen swv., jrra^t. fuogte. intrans.
- 2955. 10085. mit dat. 6623 (V).
- iruns. 1558.
- füllen swv., proit. fulte. 2548.
- funde, fünde yra;t. conj. =^ fände.
- funden pyrtit. pA.^^ fanden; parl.=^
- gefunden.
- funt stra. 4741.
- funtänje stf. 16742.
- fuoge stf. 1049. 1084. 3010. 3633. 4820.
- fuogen (?) swv. 6623.
- fuore stf. 3894.
- fuoren swv. (16838V). 17863.
- fuoz stm. f. noch halben 1682. die
- füeze suochen 1546 nider ze fuoze
- län retl. 3775. under den füezen
- 10919.
- vür pra2p.=^nhd. für u. vor. — v.
- sich 2270. — s. gän.
- vür adv.^=nhd. meist: vor. — bei
- Verben s. breiten, komen. legen.
- tragen , getragen,
- vürbaz adv. 1710. — s. komen.
- fürder adv. f. tuon 6825.
- fürdern swv. 5719.
- fürhten swv., mit dat. 10592.
- furke «?<•/. 2935.
- furkie sff. 2924.
- vürspan stn. 10826,
- fürste sw7n. 248.
- vüs franz. 741.
- WA — WERDE
- 357
- wä a ICO. — Wi'i unde \vä i'>!>li.
- wäfen stn.= W'ajj'e ■■iif.
- "wäfen, wafeneD= waßnen, wappnen.
- wäfen ai/v. interj. 100i)S.
- wäge stf. 1Ö17G. au die w. gel)en
- 6098.
- waejje adj. 539.'i. 1041.5.
- wahs a(lj. 9027.
- wahsen .slv. an w, 280.
- waejen suv. ()934,
- wäc still. 7513.
- walgen swv. 3601.
- wälhisch, walsch, wälsch adj. 159.
- wälsche mile 2756.
- wallsere xtm. 2621.
- wallestap stm. (2621). 2635.
- walten sfv. mit gen. 1805. 6787.
- waltriviere stf. 5348.
- waltstic still. 2570.
- wan cony. =waude 77.
- wan adv. conj.^= nisi, nur, als, son-
- dern 7. 107. 302, 342. 3170. w. daz
- 260. w. rehte 6590. = « arta7« 1552.
- wän stm. 801. lieber w. 897. wän
- hän 4640. w. tuon 6202. nach
- wäne 6202.
- wänbruoder stm. anom. 2172.
- wände, wan conj. demonstr.ll. relat.
- 268. 1874. 1.3481.
- wände jo/fe/. = waenete.
- Wandel stm. 10017.
- wandelbaire adj. 10014.
- wandelen sicv. 7766.
- wandelieren swv. 4804,
- wandeiunge stf. 4787.
- wsenen swo. 285. an w. 15372.
- wange stn. 1210.
- wanc stm. w. tuon 1682.
- wanken swv. 895 (?).
- wancte prcet. von wanken u. wenken.
- wannen adv. 2688.
- want stf. 6669. 8069.
- war adv. 899.
- war stj. w. nemen 1530. guote w.
- 3317.
- war praet. von werren.
- war adj. w. hän 2449. pra:dicativ
- flectiert bei wizzen 119. s. zewäre.
- wärbiere adj. 6SS0.
- wäibaeren swv. 6471, 15545.
- waren, warn swv. 13837.
- wärheit stf. 156. 6966. 9747. vbn der
- w. 6056.
- waerliche, wjerlichen adv. 1633.
- warlösekeit s'f. 12476.
- warnen su:c. gewarnet part. adj.
- 605. 5309.
- warnuuge stf. 5474. 15085.
- warte stf. 3422. 3427.
- warten sv}c., prnet. warte. 2498. 9330.
- 9423. 17168. hin w. 10546.
- was pr<£t. = war.
- wase swm. .562,
- wät stf. gen. u. dat. wajte. 603. 2199.
- waete ^^/-ce^^wsejete, wehte.
- wsetlich ado. 11329.
- waz pron. neutr. 10832. mit gen. 756.
- 1668. w. von 36.39. 7ail werden
- und ijen. 11595. 14705. w. obe
- conj. 6766.
- weben stc, nhd. stswo. geweben part.
- =gewotjen und gewebt.
- weder pron. interr. 3629. conj. 16918.
- w. — oder (aide) 340, 1529.
- wege s. wec.
- wege stf. (?) 38.
- wegelos adj. 17537.
- wegen sto. infrans. 10067. ritit dat.
- 10354. mit prcep. ze 6930. nider
- w. 6586. 11981. üf und nider w.
- 6589. trans. 30. 31, 40 (?), 4872.
- her wider w. 6318.
- wegen swv. intrans. 2463. trans. AO.
- 800.
- wegeweide stf. 8102.
- wehscl stm. 9677 12049.
- wehselmaere .5/«. 12985.
- weide stf. 6590. 6704. 11003.
- weiden swv. 11004.
- weidenaere stm. 14380.
- weine stf. 11507.
- weinen swv. trans. 1157.
- weise swm. I8I8.
- weiselln stn. 1822.
- weizgot interj. 276.
- wec stm. 38, 39. in wege 13691. ze
- wege 14015. 5. euwec.
- weih /;/-ort. = welch,
- wellen stv."] gewollen part. adj. üf
- gew. 10898.
- wellen swv. anom. ^wollen, welle
- imp. 9927. — 4643. in Ellipse 2325.
- Hülfsieitw. 6444.
- wenden swv. mit acc. 6943. mit acc.
- u. gen. 13775. 14006. s. gewant.
- wenken swv. 895 (?), 16028.
- wenne adv. conj. 8388.
- wer swm. 5197.
- wer stf. 361. 1877. 1878. 5522. 8854.
- wer stf. 5518.
- werben stv. 139, 2296. 8531. 12137.
- werde adv. 490.
- werde dat. von wert, Werth.
- werde dat. von wert, Werder.
- 358
- WERDEKEIT — WIS
- werdekeit stf. 518.
- werden stv. mit waz und yen. 11595.
- 14705. mit pari, proes. umschrei-
- öendöbll. 7343. für Futurum 14129.
- enein w. 410. hine w. 12380. inneu
- w. 1062. ze muote w. unpers. 3554.
- not w. 7078. rät w. 1602. 2519.
- ze rate w. 2297. ze schalle w.
- 12632. in flücke w. (?) 16965.
- werden swb. 4995.
- weren, wem swb. 1503.
- weren, wern sivv. 12605.
- werfen slv. an den wint w. 18468.
- werc stri. 4934. 11117.
- werken swc. 12237.
- wercman \lm. 6632.
- werlde = werlt (?) 50. 10868.
- werlden suv.'\ gewerldet pari. adj.
- 44. 65.
- werlt, werlde (?) »tf. 2. 4. 1863. al
- der werlde 8854. aller werlde 50.
- diu michel w. 10868.
- (werltlich adj. 4600?)
- werre swm. 15311.
- werre stf. 15977.
- werren stv. 975. 3983. 5397. mit acc.
- 19000.
- wert adj. 17. 191.
- wert stm. 6745.
- wert stn. 20. ze werde haben 722.
- wes gen. von wer. neutr. adv. 6260.
- wesen stv. anom. Verbum substan-
- ticum neben sin [auch dieses hier
- verzeichnet^. 105. 1329. unpers. mit
- yen. 6140. s. suln 1901. 2210. bi
- w. 1525. 10458. mite w. 965. wider
- s. mit gen. u. dat. 5780. wol w.
- mit gen. 507. ze hant w. 9937,
- wesen stn. 559. 1912.
- weste proet.=^wusste.
- weten stv. 15243.
- weten swv. geweten st. part. 17117.
- wetervar adj. 4008.
- wette stn. 15177. 15194. s. enwette.
- wie stm., yen. wiges. 5956.
- wiegar adj. 8737.
- wicwer 67/. 8755.
- widen suv. üf w. 3048.
- wider proep. mit dat. 295. mit acc.
- 8995. w. berc 16957. w. naht 3651.
- wider adv. aber w. 19250. — bei Ver-
- ben s. haben, komen. legen, sehen,
- valten. wesen (sin).
- widerglesten sivv. 566.
- widerlachen swv. bl'2.
- widerhseres ade. 15843.
- widerkere stf. 5339.
- widerkeren swv. 6300.
- widerpflegen stv. 32.
- widerläzen sfo. 19082.
- widersagen swv. 6294. 6606. 16437.
- widerschaffen stv. 2404.
- widerstän stc. anom. 107.
- widertriben stv. 4559.
- widerunge sff. 10540.
- widervart sff. 5333.
- widerwart adj. 10263.
- widerwarte sff. 9888.
- widerwartic adj. 11828.
- widerwerfen stc. 13791.
- wie ade. 1454. w. danue 17525. w.
- dö 5225. w. getan 14386.
- wielen jjruit. pl. von wallen , nhd. =
- watlten.
- wielt pra't. von walten , nhd. =
- waltete.
- wieren swv. 16716.
- wiht stn. ein w. 3768.
- wildeuaere stm. 4664.
- wildu =:wiltu, wilt du=^ willst du.
- wile sff. die w. 16. die w. und
- 1236. s. underwilen.
- wilen adv. 6369. w. — ■ w. 833.
- Wille swm. 773. 1321. 5686. 16417.
- der gemeine w, 16447 (16431). der
- gewisse w. 16431. mit — willen
- 1519. durch — w. 5782. 5791.
- willeklage sff. 1917.
- willekür stf. rainer w. 169.
- willic adj. 5062.
- wilt adj. wildiu dinc 17455.
- wilt 2. j)ers. prass. = willst.
- winden stv. mit dat. 5457. enein w.
- 2557.
- wint stm. als ein w. 2279. umbe den
- w. 3641. an den w. werfen 18468.
- wintschaffen adj. 15740.
- wip pL, gen. wibe,= lFei6«r.
- wipheit stf. 10259. 12408. 17983.
- wir pl. pers. pron. l.ann fehlen 1859.
- 12256 fg.
- wirbe proes. von werben,
- wirde prass. von werden, wirdet
- volle i^orn« = wirt, wird.
- wirden swv. intran-. 8401. frans.
- 1650. 4468.
- wirken swv. s. würken.
- wirs adv. 7030.
- Wirt ttm. 4868.
- wirtinne sff. 4868.
- Wirtschaft sff. 4108.
- wis imper. von wesen, = nÄrf. sei.
- wis, wise stf. (stm.) 2292. alle wis
- 1611. manege, manegen, in ma-
- WIS
- ZIEHEN
- 359
- liege wis 668. in lange w. 14428.
- in ballen w. 1028. s. kriuzewis.
- ■wis, wise adj. 6264.
- •wiselös adj. 7512.
- ■wisen sicv. = weisen stv.
- ■wisheit sff. 4728.
- •wisagiune sff. 6.')99.
- ■wiste pnct.=u-tisste.
- wit stf. 3047.
- witen adv. 4743. compar. yvlter^läl.
- witen sirv. 5091.
- witweide adj. 4638.
- witze sff. 7034. 12441.
- witzigen su-v. 7715.
- witzic adj. 15309.
- wiz adj. wize subst. su-n. 17544.
- wize stf. 10922.
- wizen .s*v. mit dat. 1015.
- -wizenare -stm. 8748.
- ■wizgehant adj. 19388.
- wizzen stv. anoin. in Formel 119.
- weiz got interj. 276. wizze Krist
- interj. 10444.
- ■wizzeiiliche adv. ■= wissentlich.
- ■wol adv. 13. 15. billiche w. 3692.
- w. her interj. 2245. w, bedäht part.
- 2690. w. gestellet, gestalt pai-t.
- 3337. 15349. w. gewabsen part.
- 4399. 80 w. tuon 2718. w. tuon mit
- dat. 3405. w. wesen mit gen. 507.
- wölke swm. 12212.
- wonen swv. bi w. 3908.
- worhte pra;t. von würken.
- wort stn. den worten 12924.
- wortbeide stf. 4637.
- wortläge stf. 14167.
- wortwise adj. subst. swm. 3716.
- woitzeichen stn. 9850.
- wiiesten swv. 17893.
- wullin adj. = u-oUen.
- wunde s>rf.= Wunde stf. sing.
- wunden proet. pl. = wanden.
- wunder stn. 1217. daz w. und daz
- w. 12214. Wunders gemach 8251.
- ze w. 4699. 16204. w. machen 7638.
- wundertere stm. 10013. 16220.
- wunderlich adj. 672.
- wunne stf. w. nemen 8283.
- wunneclichen adv. := wonniglich.
- wünsch stm,. 1374. 3710. 4746. perso-
- nificiert 10902. ze wünsche 605. 706.
- wünschen sivv. genäden w. 1783.
- wunschleben stn. 15047.
- wuocher stm. 11868. 16471.
- wuocherhaft adj. 11871.
- wuoft stm. 5480.
- würken su-v. anom. 1838. 6695.
- würz stf. 6953.
- Wurzel swf. (auch stf.) = Wurzel stf.
- sing.
- 'z = ez.
- z' = ze.
- za za zä interj. 3013.
- zabelwortelin stn. 2287.
- zal sff. 3634. 6514.
- zalen, zaln swv. 4771. 6513.
- zalte prcet. von zalen ?/. zelen.
- zam proBt. von zemen, nhd.=zieiitte.
- zarten swv. 17097.
- ze proep. mit dat. , verkürzt z', ver-
- stärkt her ze 7882. 14733. zuo ze
- 35. da ze 4809. 4871. — 80. 1455.
- 2282. 6512. 6347. 7087. 10399. 12960.
- 17315. in Formeln und zur Bildung
- von Adjectiv- u. Adverbialbegriffen
- 1. 605. 706. 854. 2291. 4582. 8752.
- ze-=zer = n//c?. [nur zer- verzeich -
- nef.'l
- zech jjrcet. = zieh.
- ceder sff. (?) 17026.
- cederin adj. 17023.
- zehant adv. 468.
- zeichen stn. 2633. 5590.
- zein stm. 6710.
- zelen, zeln swv. 6513. 15072. 17007.
- vor z. 3061.
- zem = ze dem, zum.
- zemen stv. 13. unpers. mit acc. 3145.
- an z. 10862.
- zen = ze den, zu den.
- zer=ze der , zur.
- zer- neben ze=:nhd. zer-.
- zerbern swv. 17123.
- zerbresten stv. 16178.
- zergän, zergen stv. 731. 4485.
- zergiezen stv. 19455.
- zerhellen stv. 9693.
- zerhouwen stv. 673.
- zerkiuwen .itv. 9247.
- zerläzen stv. 19462. reß. 732.
- zerloesen swv. reß. 2461.
- zersenden swv. 19449.
- zersniden stv. 668.
- zertriben stv. 4616. 10114.
- zervallen part. adj. 16203.
- zerwerfen stv. 13535.
- zestunt adv. 1136.
- zese adj., gen. zeswes. 7051.
- zewäre, zware adv. 1008.
- ziehen stv. mit praip. ze 9580. 18386.
- refl. 19391. mite z. 18439. üf z.
- 10200. üz z. 10074.
- 3()0
- ZIERE — ZWO
- ziere adj. 5490.
- Zilien sto. proet. jil. zigen, = zeihen
- stv. u. swv.
- ciclät still. 11106.
- zil stn. üf daz z. 378. unz üf ein
- z. 8790. z. geben 5072. ze dem z.
- loufen 17238. an eines z. stän
- 13417.
- zile stf. bi zilen 10924.
- zimer subst. 2903.
- zinsaerin stf. 4467.
- zinshaft adj. 5934.
- Zirkel stm. 10967.
- zise stf 16895.
- zit stf. 6288. der z. 17401. z. haben
- 7491. hl den ziten 4172. nach —
- zit 2875. kurze z. 17268.
- zit stn. 18892.
- zite dat. neben zit. — zite pl. =
- Zeiten.
- zitic adj. 42.
- zogen swv. 682. 18386.
- zöher = z6ch er, zog er.
- zorn strn. z. gevähen 16514.
- zornelin stn. 13073.
- zorngalle swf. 14150.
- zornmsere stn. 13059.
- zouber stn.= Zauber stm.
- zuhten swv. .5497.
- züJitic adj. 16464.
- zuc strn, 7059.
- zücken .sirr.^jra^^zucte. swertz..5454.
- zunge sirf.^=Zunije stf. siny.
- zuo proip. 5736. 16235.
- zuo adv. Ijei Verben s. denken, keren.
- komen. sehen, stän. stözen.
- zwäre a^it'. ^^zewäre.
- zwei Zahlw. neutr. in zw. 10271.
- under in zwein 819.
- zweien swv. 57. gezweiet /ja/'^ adj.
- 9678.
- zweinzic Zahlw. = zwanzig.
- zwelf, zweive Zahlwort = zwölf,
- zwölfe.
- zwene Zahlw. 'iii.asc.=^zwei.
- zwl Htn., fjen. zwiges. 844.
- zwir adv. 346().
- zwisele stf. 2934.
- zwivalt adj. 11721.
- zwivel stm. 9682. 13782.
- zwivelsere stm. 14014.
- zwivelbürde stf. 15277.
- zwivelhaft adj. subst. 15252.
- zwlvelen, zwiveln swo. intruns. 9044.
- trans. 13769.
- zwo Zahlw. fpm.^= zwei.
- MMENVEHZEICHNISS.
- Adam, gen. Adamen 12(iir).
- ^////«»vc.Dciitschlaua lS44'Jfg. ISCU«
- fg. ; vgl. zu H701.
- Anfcryinan(:'jan), Ortsu. (naclimlid.
- Wb. 1,41 vcmiutlilicli Cenfer yni-
- gnant von ijuiyner, lauern): daz
- tal ze A., Aufenthalt des JJracheu
- 8944.
- Apulle, Apollo 4R(;'.>.
- Aquitän dat., Aciuitanieu. 14244 ; s.
- Melot.
- Aräbe dat. (: (jdbc): von A., Ara-
- bien 4893.
- Artus 16S(5'). gen. Artuses 1G9U4.
- Arundel , Arttndclc, dat. Anindele,
- HcrzügtliunizwisclicnlJrjtanjeund
- Engeland 18*i92 fg. ; «s. Juvelin. — •
- pers. iia Schlachtruf: Karke u. A.
- 18885.
- Aurore swf., Aurora 8270.
- Aceliu 15802, Aoeluri 15812. 15842 (s.
- zu 1(;241), das Land der Feen; s.
- VctitcriK.
- liäbilön sti., Vinhyhni 'M\'y\ s. Tisjxj.
- ßiblU (Tochter des INliletus, in Liebe
- entbrannt zu ilireni Eruder Cau-
- nus) 17190.
- Blanschcßfir (:avnir) 1359, lUunsche-
- ßuur (:(;rfuor) 138.'i ; dat. u. acc.
- lUunschefliurp. (: aventiure , triure)
- 919. 1607. 1991. 4185, Schwester
- König Marke's, Cicliebtc und Gat-
- tin Riwalin's, Mutter Tristan's,
- die Heldin von Abschnitt I.
- Uli1 : von Steinafie B., Dich-
- ter des T'mhangs 4(;9t», Zeitgenoß
- Gottfried's; vgl. Fr. l'fciffer ..Zur
- deutschen Tiitteraturgeschicl)te» S.
- 1 fg. oder «Freie Forschung» Nr. II.
- Bra»g(V7in swf. (bei Hcinricli von
- Froiberg Bruriyune) Niftcl (9425)
- der Königin Isolt, Vertraute der
- jungen Isolt und Tristan's Ab-
- sclinitt XVIII.
- Britanjc, Land der Brituno, ver-
- tauseiit den Kamen mit Engeland
- 4.r2 fg.
- Britanjr, Bretagne V 7584, Zwischen
- Br. und E)igcland am Meere liegt
- Arundel 18091.
- Britavje s. Munjün und Thomas.
- Britun Personn., König Artus 3555.
- JJcceÜn, dat. Dcoellm; und Develin,
- Hauptstadt und Königssitz in Ir-
- land 7403. 7629. 7697. 8287.
- Bidö, dat. bidonc (: schone), Königin
- von Tyrus und Sidon 17200. Icich
- von D. 13351. •
- Dlnts: (leich) von San Dintsc, St. Dio-
- nysius 8066.
- Doleisc Landesn. : lluyler von I>. 18842.
- pers. im Schlachtruf 18884.
- FAikon stm., Helikon 4863. 4895.
- Knylant, Besitz der Sachsen von
- Gales, davon der Name 422 fg.
- Land unter BotmüfMgkeit König
- Marke's von Kurnewal 435 fg. Zwi-
- schen Britanjc und E. am Meere
- liegt Arundel 18691.
- kve swf., Eva 17938 fg.
- Galen Landesn. : die Sachsen von G.
- vertreiben die Brituno und geben
- dem Laude den Namen Engeland
- (Enga,land) 426 fg. — Ein Spiel-
- mann von (/. 10276.
- GANDIN
- KRIST
- Gandin stm., ein Baroa von Irland,
- Freund der blonden Isolt (der
- ritter mit der rotten 1j17ü_j Ab-
- schnitt XIX.
- Gemuotheit s. Gurmün.
- Gilan stm., Herzog in Swales, unter-
- tlian dem Eiesen Urgan, Freund
- Tristan's, erster Besitzer desHünd-
- leins Petitcriu 15775 fg.
- Grälant stm. (Held einer Novelle,
- vermutlilich des Inhalts, daß Gr.
- gemordet und seiner Geliebten zum
- Essen vorgesetzt wird) : leich von
- der stolzen friundta Grälandes des
- schoenen 3585.
- Gurmün stm. mit dem Beinamen Ge-
- muotheit, Sohn eines Königs von
- Afrika, König von Irland, Gemahl
- der Königin Isolt , Vater der
- blonden Isolt, Schwager Morold's
- 5086 fg. 7159.
- Gurdn stm.? : (leich, noten) von nunem
- kern Gurüne und von stner friun-
- dinne 3524.
- Hagenonwe stf. : diu (nahteyal) von
- H., vermuthlich Keinmar der Alte,
- der berühmte Liederdicliter , zu
- Gottfried's Zeit geschieden 4777 ;
- vgl. Einl. S. XXIX.
- Hante Landesn. : Sautenis von H.
- 18843. pers. im Schlachtruf 18883.
- Hartman der Ouiva^re , sonst be-
- kannt unter dem Namen H. von
- Aue oder von der Aue, der clas-
- sische Dichter des deutschen Mit-
- telalters,Gottfried'sVorgilnger und
- Zeitgeuoß ; vgl. Bech's Einlei-
- tungen zu den vorhergehenden
- Bänden dieser Sammlung.
- Heinrich: von Veldfken ZT.. lyrischer
- und epischer Dicher des 12. Jahrh.,
- der Vater der höfischen Poesie, zu
- Gottfried's Zeit schon geschieden
- 4724.
- Hiudan stm., Jagdhund Tristan's
- 16653 fg. 17255.
- Iberne, Hibernien, Irland 8818.
- irlant (pl. von, ze Irlanden), von
- König Gurmün in Besitz genom-
- men, Heimat Morold's und der
- beiden Isolden 591i> fg.
- iiolt, gen., dat. u. acc. Isolde, gen.
- u. acc. pl. Isolde, 17775. 19159;
- Nebenform IsCt, gen., dat. !u. acc.
- Isote. 1) Schwester Herzog Mo-
- rold's, Gemahlin König Gurmun's
- von Irland , Mutter der blonden
- Isolt, berühmte Heilkünstlerin
- (5937) Abschnitt XI, Verfertigerin
- des Minnetranks Abschnitt XVI,
- — 2) holt, isnt mit. dem Beinamen
- die blonde 9l70. 19386, Tochter
- König Gurmun's und Isoldens von
- Irland, Geliebte Tristan's, Gemah-
- lin König Marke'3, die Heldin des
- Gedichts. — 3) Isolt, Isot mit dem
- Beinamen als blansche mains 18713,
- Tochter Herzog Jovelin's und Kar-
- sie's, Schwester Kaedin's, zweite
- Geliebte (später Gemahlin) Tri-
- stan's Abschnitt XXX.
- Ispanje Spanien 7583.
- Joveltn stm., Herzog von Arundel,
- Gemahl Karsie's, Vater Kaedin's
- undderweißhandigen Isolt (später
- Schwiegervater Tristan's) 18715 fg.
- Käedin, dat. Käedine, acc. Kdedtnen,
- mit dem Beinamen li frains (bei
- Heinrich von Freiberg U frenis),
- 18714, Sohn Herzog Jovelin's und
- Karsie's, Bruder der weißhandigen
- Isolt, Freund (später auch Schwa-
- ger) Tristan's Abschnitt XXX.
- Canienenswf. pl., die Kamoenen 4869.
- Kanäze dat. (Tochter des Aeolus,
- Schwester und Gattin des Maca-
- reus) 17194,
- Kanel, dat. Kanele , zweiter Name
- Kiwalin's 406. 1645. .t192 fg.
- Kanl'lengres, Beiname (äname) Kiwa-
- lin's 321. 507. 790. 1142. 1644.
- Kano'H, dat. Kanoele und Kanoel,
- Sitz Kiwalin's, daher seine Namen
- Kanel und Kanelengres 1641 fg. 5276.
- Karke , Schloß Herzog Jovelin's in
- Arundel. 18728. pers. im Schlacht-
- ruf 18885.
- Karl: Karies lot 275.
- Karliun, dat. Karliune 15535 u. Kar-
- liün 15770, Stadt in Engeland, Ge-
- richtssitz.
- Kars'ie, Gemahlin Herzog Jovelin's
- Mutter Kaedin's und der weißhan-
- digen Isolt (später Schwiegermut-
- ter Tristan's) 18717.
- Cassander (: ander), Kassandra4948.
- Corineis gen., vielleicht Quirinu3
- nach Bech, kaum mit GrooteChro-
- nos 16693.
- Kriechenlant 8280.
- Krist stm,, Christus 15549. 15739.
- KüRNEWAL
- TINTAJOEL
- 363
- Kurnewal, vereinzelte Nebenform
- Kurnewäle 3830, dat. Kurnewäle,
- seltener Kurnewal, Erbland König
- Marke's 424 fg., wird Isolt zur
- Morgengabe verheißen 11399 und
- gegeben 12575.
- Kurvenal, gen. Kurvenales, Lehrmei-
- ster und Freund Tristan's 2263 fg.
- Lohnois, das Geburtsland Kiwalin's
- nach einer vom Dichter verworfe-
- nen Sage 325.
- Lunders, Stadt in Engeland, Lon-
- don, Ort des Concils 15306 fg.
- Lut= Luders? = Lalutf (s. Bech zu
- Erec 9723.) 3679. 8072.
- Marjodo (:du) 13469, Marjodoc ISbil,
- Truchseß anMarke'sHofe; Freund,
- dann Gegner Tristan'sAbschn. XX.
- Marke, König von Kurnewal, Ober-
- herr in Engeland, BruderBlansche-
- flur's , Oheim Tristan's, Gemahl
- der blonden Isolt.
- Melot (stm.) jictit von Aquitän, Zwerg
- anMarke'sHofe, Gegner Tristan's
- Abschnitt XXII.
- Morgan stm. , Herzog in Britanje,
- Lehnsherr , Gegner und Besieger
- Kiwalin's Abschnitt I. von Tri-
- stan getödtet Abschnitt IX.
- Morolt, gen. Muroldes, Herzog in Ir-
- land , Bruder der Königin Isolt,
- Schwager Gurmun's , Feind Mar-
- ke's, von Tristan besiegt Ab-
- schnitt X.
- Mijceiie s. zu 8269.
- Sautenls 18901. N. von Hanfe 18843,
- Feind Jovelin's, von Kaedin und
- Tristan besiegt und gefangen.
- ^Yaft. : RigoluivonN. 18844.
- pers. im Schlachtruf 18884.
- Sonnandte stf. 8808. 18415. 19539.
- 2ioriL-cEr)e st. subst., Norwegen 2149.
- 3736.
- Occene (?) s. zu 18736.
- Orphees gen. von Orpheus (d. i. mhd.__
- Orpheus; vgl. Pegases) 4788.
- Ouwoife stm., der Auer, einer von
- Aue 4634. 4652. llartmann der 0.
- 4619.
- Paranis, dat. Faranlse 9322, acc. Pa-
- ranisen 10051, Knappe der Königin
- Isolt von Irland.
- Parmenie stf. , das Geburts- und
- Erbland Riwalin's 243 fg. pers.
- im Schlachtruf 6580. 5602.
- Pegases gen. von Pegasus 4729.
- Petitcriu, Feenhündlein aus Avelun,^
- dem Herzog Gilan, dann Tristan
- gehörig, von diesem der blonden
- Isolt verehrt Abschnitt XXV.
- Rigoltn 18878. 18800. R. von Nunte
- 18844, Feind Jovelin's, von Kaedin
- und Tristan besiegt und gefangen.
- Rhi, gen. Rines, Rhein 19434. 19445.
- Riwalin, Herr in Parmenie 243 (nicht
- von Lohnois 325) , Geliebter und
- Gemahl Blanscheflur's, Vater Tri-
- stan's, Vasall Morgan's , von die-
- sem besiegt, der Held von Ab-
- schnitt I.
- Rorne stf., Rom 5988 fg.
- Rüal, Nebenform Rüalt, 3739. 3854.
- gen. Ruäles, mit dem Beinamen
- U foitenant, auch Foitenant, Mar-
- schall Riwalin's, Gemahl Florse-
- te's , Pflegevater Tristan's Ab-
- schnitt III.
- Rugier 18900. R. von Doleise 18842,
- Feind Jovelin's, von Kaedin und
- Tristan besiegt und gefangen.
- Balisen Volksn. s. Gälesu. Engelant.
- Salerne, Salerno 7334. 7385.
- San s. Dinis.
- Sanze: (Icich) von S.f 8066.
- Schampänje, Champagne in Frank-
- reich 18451.
- Sidon, dat. SidOne , Stadt in Phöni-
- cien 17199,
- S/re/ic/i,.?^?-^«^« Sw.pl. 4870.8091.8115.
- Spanjenlant 6664.
- Steinahe dat. (von Steinach) Ortsn. :
- Bliker von St. 4690.
- Siväles, Land des Herzogs Gilan,
- unter Botmäßigkeit des Riesen Ur-
- gan 15774. 15922 fg.
- TItamise dat. Ortsn.: (von der
- Themse?) 8072. der bischof von
- Th. 15352. 15430.
- l'antris , acc. Tantrtsen 10155, Ver-
- steckname von Tristan Abschnitt
- XI. XIV.
- Tenemarkc, Dänemark 3799.
- Tintajoel (: kastei) 3151, dat. Tinta-
- jvle 476. Tintujnl 539, Schloß und
- Wohnsitz König Marke's- in Kur-
- newal.
- 364
- TINTARIDES
- ZITHERON
- Tiniarides 8270,
- Tire dat., Tyrus 171'jy.
- Tispe : (Icich) de la curtoise T. von
- der cdten ßäbilune 3614.
- Thomas von Britanje , der aventiure
- metiffer, Gottfricd's Gewährsmann
- 150. 326.
- Träze dat., Tbracicn; ViUis von Tr.
- 17193.
- Tristan , vereinzelt Tristant franz.
- ( : comant) 2395, gen. Tristandes,
- dat. Tristande, vereinzelt Tristane
- (:m.ane) 18334, acc. Tristanden,
- Sohn Riwalin's uudBlanscheflur's,
- Neffe Marke's, Pflegesohn Rual's
- ündFlorrete's; Sieger über Morold,
- Morgan, den Drachen in Irland,
- Urgan, die Feinde Jovelin's ; Ge-
- liebter der blonden Isolt; dann
- auch der weißhandigen Isolt (spä-
- ter deren Gemahl), der Held des
- Gedichts.
- Urgan mit dem Beinamen li vilus,
- acc. viiiu 15926. 16241, Riese herr-
- schend über das Land des Her-
- zogs Gilan , von Tristan besiegt.
- Veldeken dat. (iiiederd. ^= Veldektn,
- Feldchen) : von V. Heinrich 4724.
- Villts ((^at. Vitlise) von Truze, Phillis
- von Thraeien (Lykurg's Tochter,
- welche sich aus Liebe zu Demo-
- phoon tödtete) 17193.
- Florcete swf. , Gemahlin des Mar-
- schalls Rual , Pflegemutter Tri-
- stan's 1904. 5865. 18623.
- Foitenant stm. , dat. Foitenande
- (:hande), Beiname Rual's 1640.
- 1873. 1892. 2022; s. zu 467.
- Vogelweide: diu (nahtegal, meiste-
- rinne) von der V. (d. i. Walther
- von der y.) der berühmte Lieder-
- dichter, Zeitgenoß Gottfried's 4799.
- Frame, Frankreich 10906.
- Vulkan 4930. 4970.
- Weisefort, dat. Weise/orte, Königs-
- stadt in Irland 8683. 9217. 9263.
- 9704.
- Zitheron, dat. Zitherone (=Hs. M u.
- H ; Cijtherone W; Cyfarone F), der
- Kytheron 4806.
- Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig.
- >C'^52C5
- '^^r^'^^'-/_
- nr.
- ^^?^:
- :f,/<^/^-
- \'*^Ä-Vr
- •^^/^^fö^
- t^jä??^^^ --:-■
- 'A^,^
- ■^M/^'*^'
- O
- H
- O
- CD
- ö
- •H
- a>
- 4) ^
- ää
- :i o
- ■fl 0)
- yi 33
- d
- ;h ,>>
- -P ,Q
- 0 •
- J
- Ö 0)
- o
- > -..
- ö
- ^ 0
- 0) -P
- •H Ol
- ?H H
- H ^
- •
- -^^ 6-«
- .\i
- -P
- •
- O
- ö
- a
- ^
- -P
- CD
- CD
- V-r-
- University of Toronto
- Library
- :
- DO NOT
- REMOVE
- THE
- CARD
- FROM
- THIS
- POCKET
- Acm« Library Card Pocket
- LOWE-MARTIN CO. UMTTED
- O 0>