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  • The Project Gutenberg EBook of Die Räuber, by Friedrich Schiller
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  • Title: Die Räuber
  • Ein Schauspiel
  • Author: Friedrich Schiller
  • Release Date: January 1, 2015 [EBook #47804]
  • Language: German
  • *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE RÄUBER ***
  • Produced by Jana Srna, Peter Becker and the Online
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  • Die
  • Räuber
  • ein Schauspiel
  • von
  • Schiller.
  • Neue verbesserte Auflage.
  • Tübingen,
  • in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung.
  • 1805.
  • =_Hippocrates._=
  • =Quæ medicamenta non sanant, _ferrum_ sanat, quæ ferrum non sanat,
  • _ignis_ sanat.=
  • Personen:
  • ~Maximilian~, regierender Graf von Moor.
  • ~Karl~, }
  • } seine Söhne.
  • ~Franz~, }
  • ~Amalia~, von Edelreich.
  • ~Spiegelberg~, }
  • }
  • ~Schweizer~, }
  • }
  • ~Grimm~, }
  • }
  • ~Razmann~, }
  • } Libertiner, nachher Banditen.
  • ~Schufterle~, }
  • }
  • ~Roller~, }
  • }
  • ~Kosinsky~, }
  • }
  • ~Schwarz~, }
  • ~Herrmann~, Bastard von einem Edelmann.
  • ~Daniel~, Hausknecht des Grafen von Moor.
  • ~Pastor Moser~.
  • Ein Pater.
  • Räuberbande.
  • Nebenpersonen.
  • (Der Ort der Geschichte ist Teutschland, die Zeit ohngefähr zwei
  • Jahre.)
  • Vorrede.
  • Man nehme dieses Schauspiel für nichts anderes, als eine dramatische
  • Geschichte, die die Vortheile der dramatischen Methode, die Seele
  • gleichsam bei ihren geheimsten Operationen zu ertappen, benutzt, ohne
  • sich übrigens in die Schranken eines Theaterstücks einzuzäunen, oder
  • nach dem so zweifelhaften Gewinn bei theatralischer Verkörperung zu
  • geitzen. Man wird mir einräumen, daß es eine widersinnige Zumuthung
  • ist, binnen drei Stunden drei ausserordentliche Menschen zu erschöpfen,
  • deren Thätigkeit von vielleicht tausend Räderchen abhänget, so wie es
  • in der Natur der Dinge unmöglich kann gegründet seyn, daß sich drei
  • ausserordentliche Menschen auch dem durchdringendsten Geisterkenner
  • innerhalb vier und zwanzig Stunden entblössen. Hier war Fülle in
  • einander gedrungener Realitäten vorhanden, die ich unmöglich in die
  • allzuengen Pallisaden des Aristoteles und Batteux einkeilen konnte.
  • Nun ist es aber nicht sowohl die Masse meines Schauspiels, als vielmehr
  • sein Inhalt, der es von der Bühne verbannet. Die Oekonomie desselben
  • machte es nothwendig, daß mancher Charakter auftreten mußte, der das
  • feinere Gefühl der Tugend beleidigt, und die Zärtlichkeit unserer
  • Sitten empört. Jeder Menschenmaler ist in diese Nothwendigkeit gesetzt,
  • wenn er anders eine Kopie der wirklichen Welt, und keine idealischen
  • Affektationen, keine Kompendienmenschen will geliefert haben. Es ist
  • einmal so die Mode in der Welt, daß die Guten durch die Bösen schattirt
  • werden, und die Tugend im Kontraste mit dem Laster das lebendigste
  • Kolorit erhält. Wer sich den Zweck vorgezeichnet hat, das Laster zu
  • stürzen, und Religion, Moral und bürgerliche Gesetze an ihren Feinden
  • zu rächen, ein solcher muß das Laster in seiner nakten Abscheulichkeit
  • enthüllen, und in seiner kolossalischen Grösse vor das Auge der
  • Menschheit stellen -- er selbst muß augenblicklich seine nächtlichen
  • Labyrinthe durchwandern, -- er muß sich in Empfindungen hineinzuzwingen
  • wissen, unter deren Widernatürlichkeit sich seine Seele sträubt.
  • Das Laster wird hier mit samt seinem ganzen innern Räderwerk entfaltet.
  • Es lößt in Franzen all die verworrenen Schauer des Gewissens in
  • ohnmächtige Abstraktionen auf, skeletisirt die richtende Empfindung,
  • und scherzt die ernsthafte Stimme der Religion hinweg. Wer es einmal
  • so weit gebracht hat, (ein Ruhm, den wir ihm nicht beneiden) seinen
  • Verstand auf Unkosten seines Herzens zu verfeinern, dem ist das
  • Heiligste nicht heilig mehr -- dem ist die Menschheit, die Gottheit
  • nichts -- beide Welten sind nichts in seinen Augen. Ich habe versucht,
  • von einem Mißmenschen dieser Art ein treffendes lebendiges Konterfey
  • hinzuwerfen, die vollständige Mechanik seines Lastersystems auseinander
  • zu gliedern -- und ihre Kraft an der Wahrheit zu prüfen. Man
  • unterrichte sich demnach im Verfolg dieser Geschichte, wie weit ihr's
  • gelungen hat -- Ich denke, ich habe die Natur getroffen.
  • Nächst an diesem stehet ein anderer, der vielleicht nicht wenige meiner
  • Leser in Verlegenheit setzen möchte. Ein Geist, den das äusserste
  • Laster nur reitzet um der ~Grösse~ willen, die ihm anhänget, um der
  • ~Kraft~ willen, die es erheischet, um der ~Gefahren~ willen, die es
  • begleiten. Ein merkwürdiger wichtiger Mensch, ausgestattet mit aller
  • Kraft, nach der Richtung, die diese bekömmt, nothwendig entweder
  • ein Brutus oder ein Katilina zu werden. Unglückliche Konjunkturen
  • entscheiden für das zweyte, und erst am Ende einer ungeheuren
  • Verirrung gelangt er zu dem ersten. Falsche Begriffe von Thätigkeit und
  • Einfluß, Fülle von Kraft, die alle Gesetze übersprudelt, mußten sich
  • natürlicher Weise an bürgerlichen Verhältnissen zerschlagen, und zu
  • diesen enthusiastischen Träumen von Größe und Wirksamkeit durfte sich
  • nur eine Bitterkeit gegen die unidealische Welt gesellen, so war der
  • seltsame Donquixote fertig, den wir im Räuber Moor verabscheuen und
  • lieben, bewundern und bedauern. Ich werde es hoffentlich nicht erst
  • anmerken dörfen, daß ich dieses Gemählde so wenig nur allein Räubern
  • vorhalte, als die Satyre des Spaniers nur allein Ritter geisselt.
  • Auch ist itzo der ~grosse Geschmack~, seinen Witz auf Kosten der
  • Religion spielen zu lassen, daß man beinahe für kein Genie mehr
  • passirt, wenn man nicht seinen gottlosen Satyr auf ihren heiligsten
  • Wahrheiten sich herumtummeln läßt. Die edle Einfalt der ~Schrift~ muß
  • sich in alltäglichen Assembleen von den sogenannten witzigen Köpfen
  • mißhandeln, und ins Lächerliche verzerren lassen; denn was ist so
  • heilig und ernsthaft, das, wenn man es falsch verdreht, nicht belacht
  • werden kann? -- Ich kann hoffen, daß ich der ~Religion~ und der wahren
  • Moral keine gemeine Rache verschafft habe, wenn ich diese muthwillige
  • Schriftverächter in der Person meiner schändlichsten Räuber dem
  • Abscheu der Welt überliefere.
  • Aber noch mehr. Diese unmoralische Charaktere, von denen vorhin
  • gesprochen wurde, mußten von gewissen Seiten glänzen, ja oft von
  • Seiten des Geistes gewinnen, was sie von Seiten des Herzens verlieren.
  • Hierin habe ich nur die Natur gleichsam wörtlich abgeschrieben. Jedem,
  • auch dem Lasterhaftesten ist gewissermaßen der Stempel des göttlichen
  • Ebenbilds aufgedrückt, und vielleicht hat der große Bösewicht keinen
  • so weiten Weg zum großen Rechtschaffenen, als der kleine; denn die
  • Moralität hält gleichen Gang mit den Kräften, und je weiter die
  • Fähigkeit, desto weiter und ungeheurer ihre Verirrung, desto imputabler
  • ihre Verfälschung.
  • Klopstok's Adramelech weckt in uns eine Empfindung, worin Bewunderung
  • in Abscheu schmilzt. Milton's Satan folgen wir mit schauderndem
  • Erstaunen durch das unwegsame Chaos. Die Medea der alten Dramatiker
  • bleibt bei all ihren Greueln noch ein großes staunenswürdiges Weib,
  • und Shakespear's Richard hat so gewiß am Leser einen Bewunderer, als
  • er auch ihn hassen würde, wenn er ihm vor der Sonne stünde. Wenn es
  • mir darum zu thun ist, ~ganze~ Menschen hinzustellen, so muß ich
  • auch ihre Vollkommenheiten mitnehmen, die auch dem Bösesten nie ganz
  • fehlen. Wenn ich vor dem Tyger gewarnt haben will, so darf ich seine
  • schöne blendende Fleckenhaut nicht übergehen, damit man nicht den
  • Tyger beim Tyger vermisse. Auch ist ein Mensch, der ganz Bosheit
  • ist, schlechterdings kein Gegenstand der Kunst, und äussert eine
  • zurückstossende Kraft, statt daß er die Aufmerksamkeit der Leser
  • fesseln sollte. Man würde umblättern, wenn er redet. Eine edle Seele
  • erträgt so wenig anhaltende moralische Dissonanzen, als das Ohr das
  • Gekrizel eines Messers auf Glas.
  • Aber eben darum will ich selbst mißrathen haben, dieses mein Schauspiel
  • auf der Bühne zu wagen. Es gehört beiderseits, beim Dichter und seinem
  • Leser, schon ein gewisser Gehalt von Geisteskraft dazu: bei jenem, daß
  • er das Laster nicht ~ziere~, bei diesem, daß er sich nicht von einer
  • schönen Seite bestechen lasse, auch den häßlichen Grund zu schätzen.
  • ~Meinerseits~ entscheide ein Dritter -- aber von meinen Lesern bin
  • ich es ~nicht~ ganz gesichert. Der Pöbel, worunter ich keineswegs
  • die Gassenkehrer allein will verstanden wissen, der Pöbel wurzelt,
  • (unter uns gesagt) weit um, und gibt zum Unglück -- den Ton an. Zu
  • kurzsichtig, mein ~Ganzes~ auszureichen, zu kleingeistisch, mein
  • ~Grosses~ zu begreifen, zu boshaft, mein ~Gutes~ wissen zu wollen, wird
  • er, fürcht' ich, fast meine Absicht vereiteln, wird vielleicht eine
  • Apologie des Lasters, das ich stürze, darin zu finden meynen, und seine
  • eigene Einfalt den armen Dichter entgelten lassen, dem man gemeiniglich
  • alles, nur nicht Gerechtigkeit widerfahren läßt.
  • Es ist das ewige =Dacapo= mit Abdera und Demokrit, und unsre guten
  • Hippokrate müßten ganze Plantagen Nießwurz erschöpfen, wenn sie dem
  • Unwesen durch ein heilsames Dekokt abhelfen wollten. Noch so viele
  • Freunde der Wahrheit mögen zusammenstehen, ihren Mitbürgern auf Kanzel
  • und Schaubühne Schule zu halten, der Pöbel hört nie auf, Pöbel zu seyn,
  • und wenn Sonne und Mond sich wandeln, und Himmel und Erde veralten wie
  • ein Kleid. Vielleicht hätt' ich, den Schwachherzigen zu frommen, der
  • Natur minder getreu seyn sollen; aber wenn jener Käfer, den wir alle
  • kennen, auch den Mist aus den Perlen stört, wenn man Exempel hat, daß
  • Feuer verbrannt, und Wasser ersäuft habe, soll darum Perle -- Feuer --
  • und Wasser konfiscirt werden?
  • Ich darf meiner Schrift, zufolge ihrer merkwürdigen Katastrophe,
  • mit Recht einen Platz unter den moralischen Büchern versprechen; das
  • Laster nimmt den Ausgang, der seiner würdig ist. Der Verirrte tritt
  • wieder in das Geleise der Gesetze. Die Tugend geht siegend davon. Wer
  • nur so billig gegen mich handelt, mich ganz zu lesen, mich verstehen
  • zu wollen, von dem kann ich erwarten, daß er -- nicht den Dichter
  • bewundere, aber den rechtschaffenen Mann in mir hochschätze.
  • Geschrieben in der Ostermesse.
  • ~1781~.
  • Der Herausgeber.
  • Erster Akt.
  • Erste Scene.
  • Franken.
  • Saal im Moorischen Schloß.
  • Franz. Der alte Moor.
  • ~Franz.~ Aber ist euch auch wohl, Vater? Ihr seht so blaß.
  • ~Der alte Moor.~ Ganz wohl, mein Sohn -- was hattest du mir zu sagen?
  • ~Franz.~ Die Post ist angekommen -- ein Brief von unserm
  • Korrespondenten in Leipzig --
  • ~D. a. Moor.~ (_Begierig._) Nachrichten von meinem Sohne Karl?
  • ~Franz.~ Hm! hm! -- So ist es. Aber ich fürchte -- ich weiß nicht -- ob
  • ich -- eurer Gesundheit? -- Ist euch wirklich ganz wohl, mein Vater?
  • ~D. a. Moor.~ Wie dem Fisch im Wasser! Von meinem Sohne schreibt er? --
  • wie kommst du zu dieser Besorgniß? Du hast mich zweymal gefragt.
  • ~Franz.~ Wenn ihr krank seyd -- nur die leiseste Ahnung habt, es zu
  • werden, so laßt mich -- ich will zu gelegnerer Zeit zu euch reden,
  • (_halb vor sich._) Diese Zeitung ist nicht für einen zerbrechlichen
  • Körper.
  • ~D. a. Moor.~ Gott! Gott! was werd' ich hören?
  • ~Franz.~ Laßt mich vorerst auf die Seite gehn, und eine Thräne des
  • Mitleids vergiessen um meinen verlornen Bruder -- ich sollte schweigen
  • auf ewig -- denn er ist euer Sohn: Ich sollte seine Schande verhüllen
  • auf ewig -- denn er ist mein Bruder. -- Aber euch gehorchen, ist meine
  • erste traurige Pflicht -- darum vergebt mir.
  • ~D. a. Moor.~ O Karl! Karl! wüßtest du wie deine Aufführung das
  • Vaterherz foltert! Wie eine einzige frohe Nachricht von dir meinem
  • Leben zehen Jahre zusetzen würde -- mich zum Jüngling machen würde --
  • da mich nun jede, ach! -- einen Schritt näher ans Grab rückt!
  • ~Franz.~ Ist es das, alter Mann, so lebt wohl -- wir alle würden noch
  • heute die Haare ausraufen über eurem Sarge.
  • ~D. a. Moor.~ Bleib! -- Es ist noch um den kleinen kurzen Schritt zu
  • thun -- laß ihm seinen Willen, (_indem er sich niedersetzt._) Die
  • Sünden seiner Väter werden heimgesucht im dritten und vierten Glied --
  • laß ihns vollenden.
  • ~Franz~ (_nimmt den Brief aus der Tasche._) Ihr kennt unsern
  • Korrespondenten! Seht! Den Finger meiner rechten Hand wollt ich drum
  • geben, dürft' ich sagen, er ist ein Lügner, ein schwarzer giftiger
  • Lügner -- -- Faßt euch! Ihr vergebt mir, wenn ich euch den Brief nicht
  • selbst lesen lasse -- Noch dörft ihr nicht alles hören.
  • ~D. a. Moor.~ Alles, alles -- mein Sohn, du ersparst mir die Krücke.
  • ~Franz~ (_liest._) »Leipzig vom 1sten May. -- Verbände mich nicht eine
  • unverbrüchliche Zusage, dir auch nicht das geringste zu verhelen, was
  • ich von den Schicksalen deines Bruders auffangen kann, liebster Freund,
  • nimmermehr würde meine unschuldige Feder an dir zur Tyranninn geworden
  • seyn. Ich kann aus hundert Briefen von dir abnehmen, wie Nachrichten
  • dieser Art dein brüderliches Herz durchbohren müssen, mir ists als säh
  • ich dich schon um den Nichtswürdigen, den Abscheulichen« -- -- (_Der
  • alte Moor verbirgt sein Gesicht._) Seht, Vater! ich lese euch nur das
  • Glimpflichste -- »den Abscheulichen in tausend Thränen ergossen,« ach
  • sie flossen -- stürzten stromweis von dieser mitleidigen Wange -- »mir
  • ist's, als säh ich schon deinen alten, frommen Vater todtenbleich« --
  • Jesus Maria! ihr seyd's, eh' ihr noch das Mindeste wisset?
  • ~D. a. Moor.~ Weiter! Weiter!
  • ~Franz.~ »Todtenbleich in seinen Stuhl zurücktaumeln, und dem Tage
  • fluchen, an dem ihm zum erstenmal ~Vater~ entgegengestammelt ward.
  • Man hat mir nicht alles entdecken mögen, und von dem Wenigen, das ich
  • weiß, erfährst du nur weniges. Dein Bruder scheint nun das Maas seiner
  • Schande gefüllt zu haben; ich wenigstens kenne nichts über dem, was
  • er wirklich erreicht hat, wenn nicht sein Genie das meinige hierin
  • übersteigt. Gestern um Mitternacht hatte er den großen Entschluß,
  • nach vierzig tausend Dukaten Schulden -- ein hübsches Taschengeld,
  • Vater -- nachdem er zuvor die Tochter eines reichen Banquiers allhier
  • entjungfert, und ihren Galan, einen braven Jungen von Stand, im Duell
  • auf den Tod verwundet, mit sieben andern, die er mit in sein Luderleben
  • gezogen, dem Arm der Justiz zu entlaufen« -- Vater! Um Gotteswillen,
  • Vater! wie wird euch?
  • ~D. a. Moor.~ Es ist genug. Laß ab, mein Sohn!
  • ~Franz.~ Ich schone eurer -- »man hat ihm Steckbriefe nachgeschickt,
  • die Beleidigten schreyen laut um Genugthuung, ein Preiß ist auf seinen
  • Kopf gesetzt -- der Name Moor« -- Nein! Meine armen Lippen sollen
  • nimmermehr einen Vater ermorden! (_zerreißt den Brief._) Glaubt es
  • nicht, Vater! glaubt ihm keine Sylbe!
  • ~D. a. Moor~ (_weint bitterlich._) Mein Name! Mein ehrlicher Name!
  • ~Franz~ (_fällt ihm um den Hals._) Schändlicher, dreimal schändlicher
  • Karl! Ahnete mirs nicht, da er noch ein Knabe den Mädels so
  • nachschlenderte, mit Gassenjungen und elendem Gesindel auf Wiesen und
  • Bergen sich herumhezte, den Anblick der Kirche, wie ein Missethäter das
  • Gefängniß, floh, und die Pfennige, die er euch abquälte, dem ersten
  • dem besten Bettler in den Hut warf, während daß wir daheim mit frommen
  • Gebeten und heiligen Predigtbüchern uns erbauten? -- Ahnete mirs nicht,
  • da er die Abentheuer des Julius Cäsar und Alexander Magnus und anderer
  • stockfinsterer Heiden lieber las, als die Geschichte des bußfertigen
  • Tobias? -- Hundertmal hab' ichs euch geweissagt, denn meine Liebe zu
  • ihm war immer in den Schranken der kindlichen Pflicht, -- der Junge
  • wird uns alle noch in Elend und Schande stürzen! -- O daß er Moors
  • Namen nicht trüge! daß mein Herz nicht so warm für ihn schlüge! Die
  • gottlose Liebe, die ich nicht vertilgen kann, wird mich noch einmal vor
  • Gottes Richterstuhl anklagen.
  • ~D. a. Moor.~ O -- meine Aussichten! Meine goldenen Träume!
  • ~Franz.~ Das weiß ich wohl. Das ist es ja, was ich eben sagte. Der
  • feurige Geist, der in dem Buben lodert, sagtet ihr immer, der ihn
  • für jeden Reiz von Größe und Schönheit so empfindlich macht; diese
  • Offenheit, die seine Seele auf dem Auge spiegelt, diese Weichheit des
  • Gefühls, die ihn bei jedem Leiden in weinende Sympathie dahinschmelzt,
  • dieser männliche Muth, der ihn auf den Wipfel hundertjähriger Eichen
  • treibet, und über Gräben und Pallisaden und reissende Flüsse jagt,
  • dieser kindische Ehrgeitz, dieser unüberwindliche Starrsinn und alle
  • diese schönen glänzenden Tugenden, die im Vatersöhnchen keimten,
  • werden ihn dereinst zu einem warmen Freund eines Freundes, zu einem
  • treflichen Bürger, zu einem Helden, zu einem ~grossen~, ~grossen~
  • Manne machen -- seht ihrs nun, Vater! -- der feurige Geist hat sich
  • entwickelt, ausgebreitet, herrliche Früchte hat er getragen. Seht
  • diese Offenheit, wie hübsch sie sich zur Frechheit herumgedreht hat,
  • seht diese Weichheit, wie zärtlich sie für Koketten girret, wie so
  • empfindsam für die Reitze einer Phryne! Seht dieses feurige Genie, wie
  • es das Oel seines Lebens in sechs Jährgen so rein weggebrannt hat, daß
  • er bei lebendigem Leibe umgeht, und da kommen die Leute, und sind so
  • unverschämt und sagen: =c'est l'amour qui a fait ça!= Ah! seht doch
  • diesen kühnen unternehmenden Kopf, wie er Plane schmiedet und ausführt,
  • vor denen die Heldenthaten eines Kartouches und Howards verschwinden!
  • -- Und wenn erst diese prächtigen Keime zur vollen Reife erwachsen --
  • was läßt sich auch von einem so zarten Alter Vollkommenes erwarten? --
  • Vielleicht, Vater, erlebet ihr noch die Freude, ihn an der Fronte eines
  • Heeres zu erblicken, das in der heiligen Stille der Wälder residiret,
  • und dem müden Wanderer seine Reise um die Hälfte der Bürde erleichtert
  • -- vielleicht könnt ihr noch, eh' ihr zu Grabe geht, eine Wallfahrt
  • nach seinem Monumente thun, das er sich zwischen Himmel und Erden
  • errichtet -- vielleicht, o Vater, Vater, Vater -- seht euch nach einem
  • andern Namen um, sonst deuten Krämer und Gassenjungen mit Fingern auf
  • euch, die euren Herrn Sohn auf dem Leipziger Marktplatz im Portrait
  • gesehen haben.
  • ~D. a. Moor.~ Und auch du, mein Franz, auch du? O meine Kinder! Wie sie
  • nach meinem Herzen zielen!
  • ~Franz.~ Ihr seht, ich kann auch witzig seyn, aber mein Witz ist
  • Skorpionstich. -- Und dann der trockne Alltagsmensch, der kalte,
  • hölzerne Franz, und wie die Titelgen alle heissen mögen, die euch der
  • Contrast zwischen ihm und mir mochte eingegeben haben, wenn er euch auf
  • dem Schoose saß, oder in die Backen zwickte -- der wird einmal zwischen
  • seinen Gränzsteinen sterben, und modern, und vergessen werden, wenn der
  • Ruhm dieses Universalkopfs von einem Pole zum andern fliegt -- Ha! mit
  • gefaltnen Händen dankt dir, o Himmel! der kalte, trockne, hölzerne
  • Franz -- daß er nicht ist, wie dieser!
  • ~D. a. Moor.~ Vergib mir, mein Kind; zürne nicht auf einen Vater, der
  • sich in seinen Planen betrogen findet. Der Gott, der mir durch Karln
  • Thränen zusendet, wird sie durch dich, mein Franz, aus meinen Augen
  • wischen.
  • ~Franz.~ Ja Vater, aus euren Augen soll er sie wischen. Euer Franz wird
  • sein Leben dran setzen, das eurige zu verlängern. Euer Leben ist das
  • Orakel, das ich vor allen zu Rathe ziehe, über dem, was ich thun will,
  • der Spiegel, durch den ich alles betrachte -- keine Pflicht ist mir so
  • heilig, die ich nicht zu brechen bereit bin, wenn's um euer kostbares
  • Leben zu thun ist. -- Ihr glaubt mir das?
  • ~D. a. Moor.~ Du hast noch große Pflichten auf dir, mein Sohn -- Gott
  • segne dich für das, was du mir warst und seyn wirst!
  • ~Franz.~ Nun sagt mir einmal -- Wenn ihr diesen Sohn nicht den euren
  • nennen müßtet, ihr wär't ein glücklicher Mann?
  • ~D. a. Moor.~ Stille, o stille! da ihn die Wehmutter mir brachte, hub
  • ich ihn gen Himmel, und rief: Bin ich nicht ein glücklicher Mann?
  • ~Franz.~ Das sagtet ihr. Nun habt ihr's gefunden? Ihr beneidet den
  • schlechtesten eurer Bauren, daß er nicht Vater ist zu diesem -- Ihr
  • habt Kummer, so lang ihr diesen Sohn habt. Dieser Kummer wird wachsen
  • mit Karln. Dieser Kummer wird euer Leben untergraben.
  • ~D. a. Moor.~ O! er hat mich zu einem achtzigjährigen Manne gemacht.
  • ~Franz.~ Nun also -- wenn ihr dieses Sohnes euch entäussertet?
  • ~D. a. Moor~ (_auffahrend._) Franz! Franz! was sagst du?
  • ~Franz.~ Ist es nicht diese Liebe zu ihm, die euch all den Gram macht?
  • Ohne diese Liebe ist er für euch nicht da. Ohne diese strafbare, diese
  • verdammliche Liebe ist er euch gestorben -- ist er euch nie gebohren.
  • Nicht Fleisch und Blut, das Herz macht uns zu Vätern und Söhnen. Liebt
  • ihr ihn nicht mehr, so ist diese Abart auch euer Sohn nicht mehr, und
  • wär' er aus eurem Fleische geschnitten. Er ist euer Augapfel gewesen
  • bisher, nun aber, ärgert dich dein Auge, sagt die Schrift, so reiß
  • es aus. Es ist besser einäugig gen Himmel, als mit zwei Augen in die
  • Hölle. Es ist besser kinderlos gen Himmel, als wenn beide, Vater und
  • Sohn, in die Hölle fahren. So spricht die Gottheit!
  • ~D. a. Moor.~ Du willst, ich soll meinen Sohn verfluchen?
  • ~Franz.~ Nicht doch! Nicht doch! -- Euren Sohn sollt ihr nicht
  • verfluchen. Was heißt ihr euren Sohn? -- dem ihr das Leben gegeben
  • habt, wenn er sich auch alle ersinnliche Mühe gibt, das eurige zu
  • verkürzen?
  • ~D. a. Moor.~ O das ist allzuwahr! das ist ein Gericht über mich. Der
  • Herr hat's ihn geheissen!
  • ~Franz.~ Seht ihr's, wie kindlich euer Busenkind an euch handelt. Durch
  • eure väterliche Theilnehmung erwürgt er euch, mordet euch durch eure
  • Liebe, hat euer Vaterherz selbst bestochen, euch den Garaus zu machen.
  • Seyd ihr einmal nicht mehr, so ist er Herr eurer Güter, König seiner
  • Triebe. Der Damm ist weg, und der Strom seiner Lüste kann itzt freyer
  • dahinbrausen. Denkt euch einmal an seine Stelle! Wie oft muß er den
  • Vater unter die Erde wünschen -- wie oft den Bruder -- die ihm im Lauf
  • seiner Excesse so unbarmherzig im Weg stehen. Ist das aber Liebe gegen
  • Liebe? Ist das kindliche Dankbarkeit gegen väterliche Milde? Wenn er
  • dem geilen Kitzel eines Augenblicks zehn Jahre eures Lebens aufopfert?
  • wenn er den Ruhm seiner Väter, der sich schon sieben Jahrhunderte
  • unbefleckt erhalten hat, in einer wollüstigen Minute aufs Spiel setzt?
  • Heißt ihr das euren Sohn? Antwortet! heißt ihr das einen Sohn?
  • ~D. a. Moor.~ Ein unzärtliches Kind! ach! aber mein Kind doch! mein
  • Kind doch!
  • ~Franz.~ Ein allerliebstes, köstliches Kind, dessen ewiges Studium
  • ist, keinen Vater zu haben -- O daß ihr's begreifen lerntet! daß euch
  • die Schuppen fielen vom Auge! aber eure Nachsicht muß ihn in seinen
  • Liederlichkeiten bevestigen; euer Vorschub ihnen Rechtmäßigkeit geben.
  • Ihr werdet freilich den Fluch von seinem Haupte laden, auf euch, Vater,
  • auf euch wird der Fluch der Verdammniß fallen.
  • ~D. a. Moor.~ Gerecht! sehr gerecht! -- Mein, mein ist alle Schuld!
  • ~Franz.~ Wie viele Tausende, die voll gesoffen haben vom Becher
  • der Wollust, sind durch Leiden gebessert worden! Und ist nicht der
  • körperliche Schmerz, den jedes Uebermaas begleitet, ein Fingerzeig
  • des göttlichen Willens? Sollte ihn der Mensch durch seine grausame
  • Zärtlichkeit verkehren? Soll der Vater das ihm anvertraute Pfand auf
  • ewig zu Grunde richten? -- Bedenkt, Vater, wenn ihr ihn seinem Elend
  • auf einige Zeit preiß geben werdet, wird er nicht entweder umkehren
  • müssen und sich bessern? oder er wird auch in der großen Schule des
  • Elends ein Schurke bleiben, und dann -- wehe dem Vater, der die
  • Rathschlüsse einer höheren Weisheit durch Verzärtlung zernichtet! --
  • Nun, Vater?
  • ~D. a. Moor.~ Ich will ihm schreiben, daß ich meine Hand von ihm wende.
  • ~Franz.~ Da thut ihr recht und klug daran.
  • ~D. a. Moor.~ Daß er nimmer vor meine Augen komme.
  • ~Franz.~ Das wird eine heilsame Wirkung thun.
  • ~D. a. Moor~ (_zärtlich._) Bis er anders worden!
  • ~Franz.~ Schon recht, schon recht -- Aber, wenn er nun kommt mit
  • der Larve des Heuchlers, euer Mitleid erweint, eure Vergebung sich
  • erschmeichelt, und morgen hingeht und eurer Schwachheit spottet im Arm
  • seiner Huren? -- Nein, Vater! Er wird freywillig wiederkehren, wenn ihn
  • sein Gewissen reingesprochen hat.
  • ~D. a. Moor.~ So will ich ihm das auf der Stelle schreiben.
  • ~Franz.~ Halt! noch ein Wort, Vater! Eure Entrüstung, fürchte ich,
  • möchte euch zu harte Worte in die Feder werfen, die ihm das Herz
  • zerspalten würden -- und dann -- glaubt ihr nicht, daß er das schon
  • für Verzeihung nehmen werde, wenn ihr ihn noch eines eigenhändigen
  • Schreibens werth haltet? Darum wird's besser seyn, ihr überlaßt das
  • Schreiben mir.
  • ~D. a. Moor.~ Thu' das, mein Sohn. -- Ach! es hätte mir doch das Herz
  • gebrochen! Schreib ihm -- --
  • ~Franz~ (_schnell._) Dabei bleibt's also?
  • ~D. a. Moor.~ Schreib ihm, daß ich tausend blutige Thränen, tausend
  • schlaflose Nächte -- Aber bring meinen Sohn nicht zur Verzweiflung.
  • ~Franz.~ Wollt ihr euch nicht zu Bette legen, Vater? Es griff euch hart
  • an.
  • ~D. a. Moor.~ Schreib ihm, daß die väterliche Brust -- Ich sage dir,
  • bring meinen Sohn nicht zur Verzweiflung.
  • (Geht traurig ab.)
  • ~Franz~ (_mit Lachen ihm nachsehend._) Tröste dich, Alter, du wirst ihn
  • nimmer an diese Brust drücken, der Weg dazu ist ihm verrammelt, wie der
  • Himmel der Hölle -- Er war aus deinen Armen gerissen, ehe du wußtest,
  • daß du es wollen könntest -- da müßt' ich ein erbärmlicher Stümper
  • seyn, wenn ich's nicht einmal so weit gebracht hätte, einen Sohn vom
  • Herzen des Vaters los zu lösen, und wenn er mit ehernen Banden daran
  • geklammert wäre -- Ich hab' einen magischen Kreis von Flüchen um dich
  • gezogen, den er nicht überspringen soll -- Glück zu, Franz! Weg ist
  • das Schooskind -- Der Wald ist heller. Ich muß diese Papiere vollends
  • aufheben, wie leicht könnte jemand meine Handschrift kennen? (_er liest
  • die zerrissenen Briefstücke zusammen._) -- Und Gram wird auch den
  • Alten bald fortschaffen, -- und ihr muß ich diesen Karl aus dem Herzen
  • reissen, wenn auch ihr halbes Leben dran hängen bleiben sollte.
  • Ich habe große Rechte, über die Natur ungehalten zu seyn, und bei
  • meiner Ehre! ich will sie geltend machen. -- Warum bin ich nicht
  • der Erste aus Mutterleib gekrochen? Warum nicht der Einzige? Warum
  • mußte sie mir diese Bürde von Häßlichkeit aufladen? gerade mir?
  • Nicht anders, als ob sie bei meiner Geburt einen Rest gesetzt hätte?
  • Warum gerade mir die Lappländersnase? Gerade mir dieses Mohrenmaul?
  • Diese Hottentottenaugen? Wirklich, ich glaube, sie hat von allen
  • Menschensorten das Scheußliche auf einen Haufen geworfen, und mich
  • daraus gebacken. Mord und Tod! Wer hat ihr die Vollmacht gegeben, jenem
  • dieses zu verleihen, und mir vorzuenthalten? Könnte ihr jemand darum
  • hofiren, eh' er entstund? Oder sie beleidigen, eh' er selbst wurde?
  • Warum gieng sie so partheylich zu Werke?
  • Nein! Nein! Ich thu' ihr Unrecht. Gab sie uns doch Erfindungsgeist mit,
  • setzte uns nackt und armselig ans Ufer dieses großen Ozeans, ~Welt~ --
  • Schwimme, wer schwimmen kann, und wer plump ist, geht unter! Sie gab
  • mir nichts mit; wozu ich mich machen will, das ist nun meine Sache.
  • Jeder hat gleiches Recht zum Grösten und Kleinsten, Anspruch wird an
  • Anspruch, Trieb an Trieb, und Kraft an Kraft zernichtet. Das Recht
  • wohnet beim Ueberwältiger, und die Schranken unserer Kraft sind unsere
  • Gesetze.
  • Wohl gibt es gewisse gemeinschaftliche Pakta, die man geschlossen hat,
  • die Pulse des Weltcirkels zu treiben. Ehrlicher Name! -- Wahrhaftig
  • eine reichhaltige Münze, mit der sich meisterlich schachern läßt,
  • wer's versteht, sie gut auszugeben. Gewissen, -- o ja, freilich! ein
  • tüchtiger Lumpenmann, Sperlinge von Kirschbäumen wegzuschröcken!
  • -- auch das ein gut geschriebener Wechselbrief, mit dem auch der
  • Bankerotirer zur Noth noch hinauslangt.
  • In der That sehr lobenswürdige Anstalten, die Narren im Respekt und
  • den Pöbel unter dem Pantoffel zu halten, damit die Gescheiden es desto
  • bequemer haben. Ohne Anstand, recht schnackische Anstalten! Kommen
  • mir für, wie die Hecken, die meine Bauren gar schlau um ihre Felder
  • herumführen, daß ja kein Haase drüber setzt, ja beileibe kein Haase! --
  • Aber der gnädige Herr gibt seinem Rappen den Sporn, und galoppirt weich
  • über der weiland Aerndte.
  • Armer Haase! Es ist doch eine jämmerliche Rolle, der Haase seyn müssen
  • auf dieser Welt -- Aber der gnädige Herr braucht Haasen!
  • Also frisch drüber hinweg! Wer nichts fürchtet, ist nicht weniger
  • mächtig, als der, den alles fürchtet. Es ist itzo die Mode, Schnallen
  • an den Beinkleidern zu tragen, womit man sie nach Belieben weiter
  • und enger schnürt. Wir wollen uns ein Gewissen nach der neuesten
  • Façon anmessen lassen, um es hübsch weiter aufzuschnallen, wie wir
  • zulegen. Was können wir dafür? Geht zum Schneider! Ich habe Langes und
  • Breites von einer sogenannten ~Blutliebe~ schwatzen gehört, das einem
  • ordentlichen Hausmann den Kopf heiß machen könnte -- Das ist dein
  • Bruder! -- das ist verdollmetscht: Er ist aus eben dem Ofen geschossen
  • worden, aus dem du geschossen bist -- also sey er dir heilig! -- Merkt
  • doch einmal diese verzwickte Consequenz, diesen possierlichen Schluß
  • von der Nachbarschaft der Leiber auf die Harmonie der Geister; von
  • eben derselben Heimath zu eben derselben Empfindung; von einerley
  • Kost zu einerley Neigung. Aber weiter -- es ist dein Vater! Er hat
  • dir das Leben gegeben, du bist sein Fleisch, sein Blut -- also sey er
  • dir heilig. Wiederum eine schlaue Consequenz! Ich möchte doch fragen,
  • ~warum~ hat er mich gemacht? doch wohl nicht gar aus Liebe zu mir,
  • der erst ein ~Ich~ werden sollte? Hat er mich gekannt, ehe er mich
  • machte? Oder hat er an mich gedacht, wie er mich machte? Oder hat er
  • mich gewünscht, da er mich machte? Wußte er, was ich werden würde? das
  • wollt' ich ihm nicht rathen, sonst möcht' ich ihn dafür strafen, daß
  • er mich doch gemacht hat? Kann ich's ihm Dank wissen, daß ich ein Mann
  • wurde? So wenig, als ich ihn verklagen könnte, wenn er ein Weib aus mir
  • gemacht hätte. Kann ich eine Liebe erkennen, die sich nicht auf Achtung
  • gegen mein ~Selbst~ gründet? Konnte Achtung gegen mein Selbst vorhanden
  • seyn, das erst dadurch entstehen sollte, davon es die Voraussetzung
  • seyn muß? Wo stickt dann nun das Heilige? Etwa im Aktus selber, durch
  • den ich entstund? -- Als wenn dieser etwas mehr wäre, als viehischer
  • Proceß zur Stillung viehischer Begierden? Oder stickt es vielleicht im
  • Resultat dieses Aktus, der doch nichts ist, als eiserne Nothwendigkeit,
  • die man so gern wegwünschte, wenn's nicht auf Unkosten von Fleisch und
  • Blut geschehen müßte. Soll ich ihm etwa darum gute Worte geben, daß
  • er mich liebt? das ist eine Eitelkeit von ihm, die Schoossünde aller
  • Künstler, die sich in ihrem Werk kokettiren, wär' es auch noch so
  • häßlich. -- Sehet also, das ist die ganze Hexerey, die ihr in einen
  • heiligen Nebel verschleyert, unsre Furchtsamkeit zu mißbrauchen. Soll
  • auch ich mich dadurch gängeln lassen, wie einen Knaben?
  • Frisch also! muthig an's Werk! -- Ich will alles um mich her ausrotten,
  • was mich einschränkt, daß ich nicht ~Herr~ bin. ~Herr~ muß ich seyn,
  • daß ich das mit Gewalt ertrotze, wozu mir die Liebenswürdigkeit
  • gebricht. (_ab_)
  • Zweite Scene.
  • Schenke an den Gränzen von Sachsen.
  • Karl von Moor (_in ein Buch vertieft._) Spiegelberg (_trinkend am
  • Tisch._)
  • ~Karl v. Moor~ (_legt das Buch weg._) Mir eckelt vor diesem
  • Tintenkleksenden Seculum, wenn ich in meinem Plutarch lese von großen
  • Menschen.
  • ~Spiegelberg~ (_stellt ihm ein Glas hin, und trinkt._) Den Josephus
  • mußt du lesen.
  • ~Moor.~ Der lohe Lichtfunke Prometheus ist ausgebrannt, dafür nimmt man
  • itzt die Flamme von Berlappenmehl -- Theaterfeuer, das keine Pfeife
  • Tabak anzündet. Da krabbeln sie nun, wie die Ratten auf der Keule des
  • Herkules, und studiren sich das Mark aus dem Schädel, was das für ein
  • Ding sey, das er in seinen Hoden geführt hat? Ein französischer Abbé
  • docirt, Alexander sey ein Haasenfuß gewesen, ein schwindsüchtiger
  • Professor hält sich bei jedem Wort ein Fläschgen Salmiakgeist vor
  • die Nase, und liest ein Collegium über die ~Kraft~. Kerls, die in
  • Ohnmacht fallen, wenn sie einen Buben gemacht haben, kritteln über die
  • Taktik des Hannibals -- feuchtohrige Buben fischen Phrases aus der
  • Schlacht bei Kannä, und greinen über die Siege des Scipio, weil sie sie
  • exponiren müssen.
  • ~Spiegelberg.~ Das ist ja recht Alexandrinisch geflännt.
  • ~Moor.~ Schöner Preiß für euren Schweiß in der Feldschlacht, daß
  • ihr jetzt in Gymnasien lebet, und eure Unsterblichkeit in einem
  • Bücherriemen mühsam fortgeschleppt wird. Kostbarer Ersatz eures
  • verpraßten Blutes, von einem Nürnberger Krämer um Lebkuchen
  • gewickelt -- oder, wenn's glücklich geht, von einem französischen
  • Tragödienschreiber auf Stelzen geschraubt, und mit Drahtfäden gezogen
  • zu werden. Hahaha!
  • ~Spiegelberg~ (_trinkt._) Lies den Josephus, ich bitte dich drum.
  • ~Moor.~ Pfui! Pfui über das schlappe Kastraten-Jahrhundert, zu nichts
  • nütze, als die Thaten der Vorzeit wiederzukäuen, und die Helden
  • des Alterthums mit Kommentationen zu schinden und zu verhunzen mit
  • Trauerspielen. Die Kraft seiner Lenden ist versiegen gegangen, und nun
  • muß Bierhefe den Menschen fortpflanzen helfen.
  • ~Spiegelberg.~ Thee, Bruder, Thee!
  • ~Moor.~ Da verrammeln sie sich die gesunde Natur mit abgeschmakten
  • Conventionen, haben das Herz nicht, ein Glas zu leeren, weil sie
  • Gesundheit dazu trinken müssen -- beleken den Schuhputzer, daß er sie
  • vertrete bei Ihro Gnaden, und hudeln den armen Schelm, den sie nicht
  • fürchten. Vergöttern sich um ein Mittagessen, und möchten einander
  • vergiften um ein Unterbett, das ihnen beim Aufstreich überboten wird.
  • -- Verdammen den Sadduzäer, der nicht fleißig genug in die Kirche
  • kommt, und berechnen ihren Judenzins am Altare -- fallen auf die Knie,
  • damit sie ja ihren Schlamp ausbreiten können -- wenden kein Aug von dem
  • Pfarrer, damit sie sehen, wie seine Perücke frisirt ist. -- Fallen in
  • Ohnmacht, wenn sie eine Gans bluten sehen, und klatschen in die Hände,
  • wenn ihr Nebenbuhler bankerott von der Börse geht -- -- So warm ich
  • ihnen die Hand drückte -- »nur noch einen Tag« -- Umsonst! -- Ins Loch
  • mit dem Hund! -- Bitten! Schwüre! Thränen (_auf den Boden stampfend._)
  • Hölle und Teufel!
  • ~Spiegelberg.~ Und um so ein paar tausend lausige Dukaten --
  • ~Moor.~ Nein, ich mag nicht daran denken. Ich soll meinen Leib pressen
  • in eine Schnürbrust, und meinen Willen schnüren in Gesetze. Das
  • Gesetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug geworden wäre.
  • Das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freyheit
  • brütet Kolosse und Extremitäten aus. Sie verpallisadiren sich ins
  • Bauchfell eines Tyrannen, hofiren der Laune seines Magens, und lassen
  • sich klemmen von seinen Winden. -- Ah! daß der Geist Herrmanns noch
  • in der Asche glimmte! -- Stelle mich vor ein Heer Kerls, wie ich, und
  • aus Deutschland soll eine Republik werden, gegen die Rom und Sparta
  • Nonnenklöster seyn sollen. (_Er wirft den Degen auf den Tisch, und
  • steht auf._)
  • ~Spiegelberg~ (_aufspringend._) Bravo! Bravissimo! du bringst mich eben
  • recht auf das Chapitre. Ich will dir was in's Ohr sagen, Moor, das
  • schon lang mit mir umgeht, und du bist der Mann dazu -- sauf Bruder,
  • sauf -- wie wär's, wenn wir Juden würden, und das Königreich wieder
  • auf's Tapet brächten?
  • ~Moor~ (_lacht aus vollem Halse._) Ah! Nun merk' ich -- nun merk' ich
  • -- du willst die Vorhaut aus der Mode bringen, weil der Barbier die
  • deinige schon hat?
  • ~Spiegelberg.~ Daß dich, Bärenhäuter! Ich bin freylich wunderbarerweis
  • schon voraus beschnitten. Aber sag, ist das nicht ein schlauer und
  • herzhafter Plan? Wir lassen ein Manifest ausgehen in alle vier Enden
  • der Welt, und citiren nach Palästina, was kein Schweinefleisch ißt.
  • Da beweis ich nun durch triftige Dokumente, Herodes, der Vierfürst,
  • sey mein Großahnherr gewesen, und so ferner. Das wird ein Viktoria
  • abgeben, Kerl, wenn sie wieder in's Trockene kommen, und Jerusalem
  • wieder aufbauen dörfen. Itzt frisch mit den Türken aus Asien, weil's
  • Eisen noch warm ist, und Cedern gehauen aus dem Libanon, und Schiffe
  • gebaut, und geschachert mit alten Borten und Schnallen das ganze Volk.
  • Mittlerweile --
  • ~Moor~ (_nimmt ihn lächelnd bei der Hand._) Kamerad! Mit den
  • Narrenstreichen ist's nun am Ende.
  • ~Spiegelberg~ (_stutzig._) Pfui, du wirst doch nicht gar den verlorenen
  • Sohn spielen wollen? Ein Kerl, wie du, der mit dem Degen mehr auf die
  • Gesichter gekritzelt hat, als drei Substituten in einem Schaltjahr
  • in's Befehlbuch schreiben! Soll ich dir von der großen Hundsleiche
  • vorerzählen? ha! ich muß nur dein eigenes Bild wieder vor dich rufen,
  • das wird Feuer in deine Adern blasen, wenn dich sonst nichts mehr
  • begeistert. Weißt du noch, wie die Herren vom Collegio deiner Dogge das
  • Bein hatten abschiessen lassen, und du zur Revange liessest ein Fasten
  • ausschreiben in der ganzen Stadt. Man schmollte über dein Rescript.
  • Aber du nicht faul, lässest alles Fleisch aufkaufen in ganz L.., daß
  • in acht Stund kein Knoch mehr zu nagen ist in der ganzen Rundung, und
  • die Fische anfangen im Preiße zu steigen. Magistrat und Bürgerschaft
  • düsselten Rache. Wir Pursche frisch heraus zu siebzehnhundert, und du
  • an der Spitze, und Mezger und Schneider und Krämer hinterher, und Wirth
  • und Barbierer und alle Zünfte, und fluchen, Sturm zu laufen wider die
  • Stadt, wenn man den Purschen ein Haar krümmen wollte. Da gieng's aus,
  • wie's Schiessen zu Hornberg, und mußten abziehen mit langer Nase. Du
  • lässest Doktores kommen ein ganzes Concilium, und botst drei Dukaten,
  • wer dem Hund ein Recept schreiben würde. Wir sorgten, die Herren werden
  • zuviel Ehr im Leib haben und ~Nein~ sagen, und hattens schon verabredt,
  • sie zu forciren. Aber das war unnöthig, die Herren schlugen sich um die
  • drei Dukaten, und kam's im Abstreich herab auf drei Bazen, in einer
  • Stund sind zwölf Recepte geschrieben, daß das Thier auch bald drauf
  • verreckte.
  • ~Moor.~ Schändliche Kerls!
  • ~Spiegelberg.~ Der Leichenpomp wird veranstaltet in aller Pracht,
  • Carmina gab's die schwere Meng' um den Hund, und zogen wir aus des
  • Nachts gegen tausend, eine Laterne in der einen Hand, unsre Raufdegen
  • in der andern, und so fort durch die Stadt mit Glockenspiel und
  • Geklimper, bis der Hund beigesetzt war. Drauf gab's ein Fressen, das
  • währt bis an den lichten Morgen, da bedanktest du dich bei den Herren
  • für das herzliche Beileid, und liessest das Fleisch verkaufen ums halbe
  • Geld. =Mort de ma vie=, da hatten wir dir Respekt, wie eine Garnison in
  • einer eroberten Vestung --
  • ~Moor.~ Und du schämst dich nicht damit groß zu prahlen? Hast nicht
  • einmal so viel Schaam, dich dieser Streiche zu schämen?
  • ~Spiegelberg.~ Geh, geh. Du bist nicht mehr Moor. Weißt du noch,
  • wie tausendmal du, die Flasche in der Hand, den alten Filzen hast
  • aufgezogen, und gesagt: Er soll nur drauf los schaben und scharren, du
  • wollest dir dafür die Gurgel absaufen. -- Weißt du noch? he? weißt du
  • noch? O du heilloser, erbärmlicher Prahlhans! das war noch männlich
  • gesprochen, und edelmännisch, aber --
  • ~Moor.~ Verflucht seyst du, daß du mich dran erinnerst! Verflucht ich,
  • daß ich es sagte! Aber es war nur im Dampfe des Weins, und mein Herz
  • hörte nicht, was meine Zunge prahlte.
  • ~Spiegelberg~ (_schüttelt den Kopf._) Nein! nein! nein! das kann
  • nicht seyn. Unmöglich, Bruder, das kann dein Ernst nicht seyn. Sag,
  • Brüderchen, ist es nicht die Noth, die dich so stimmt? Komm, laß dir
  • ein Stückchen aus meinen Bubenjahren erzählen. Da hatt' ich neben
  • meinem Haus einen Graben, der, wie wenig, seine acht Schuh breit
  • war, wo wir Buben uns in die Wette bemühten, hinüber zu springen.
  • Aber das war umsonst. Pflumpf! lagst du, und ward ein Gezisch und
  • Gelächter über dir, und wurdest mit Schneeballen geschmissen über und
  • über. Neben meinem Haus lag eines Jägers Hund an einer Kette, eine so
  • bißige Bestie, die dir die Mädels wie der Blitz am Rockzipfel hatte,
  • wenn sie sichs versahn, und zu nah' dran vorbey strichen. Das war nun
  • mein Seelengaudium, den Hund überall zu necken, wo ich nur konnte, und
  • wollt' halb krepiren vor Lachen, wenn mich dann das Luder so giftig
  • anstierte, und so gern auf mich losgerannt wär', wenn's nur gekonnt
  • hätte. -- Was geschieht? Ein andermal mach' ich's ihm auch wieder so,
  • und werf' ihn mit einem Stein so derb an die Ripp', daß er vor Wuth von
  • der Kette reißt, und auf mich dar, und ich, wie alle Donnerwetter, reiß
  • aus, und davon -- Tausend Schwernoth! Da ist dir just der vermaledeyte
  • Graben dazwischen. Was zu thun? Der Hund ist mir hart an den Fersen und
  • wüthig, also kurz resolvirt -- ein Anlauf genommen -- drüben bin ich.
  • Dem Sprung hatt' ich Leib und Leben zu danken; die Bestie hätte mich zu
  • Schanden gerissen.
  • ~Moor.~ Aber wozu itzt das?
  • ~Spiegelberg.~ Dazu -- daß du sehen sollst, wie die Kräfte wachsen
  • in der Noth. Darum laß ich mir's auch nicht bange seyn, wenn's auf's
  • äusserste kommt. Der Muth wächst mit der Gefahr; die Kraft erhebt sich
  • im Drang. Das Schicksal muß einen großen Mann aus mir haben wollen,
  • weil's mir so queer durch den Weg streicht.
  • ~Moor~ (_ärgerlich._) Ich wüßte nicht, wozu wir den Muth noch haben
  • sollten, und noch nicht gehabt hätten.
  • ~Spiegelberg.~ So? -- Und du willst also deine Gaben in dir verwittern
  • lassen? Dein Pfund vergraben? Meynst du, deine Stinkereyen in Leipzig
  • machen die Gränzen des menschlichen Witzes aus? Da laß uns erst in die
  • große Welt kommen. Paris und London! -- wo man Ohrfeigen einhandelt,
  • wenn man einen mit dem Namen eines ehrlichen Mannes grüßt. Da ist es
  • auch ein Seelenjubilo, wenn man das Handwerk in's Große prakticirt. --
  • Du wirst gaffen! Du wirst Augen machen! Wart, und wie man Handschriften
  • nachmacht, Würfel verdreht, Schlösser aufbricht, und den Koffern das
  • Eingeweid ausschüttet -- das sollst du noch von Spiegelberg lernen!
  • Die Kanaille soll man an den nächsten besten Galgen knüpfen, die bei
  • ~geraden~ Fingern verhungern will.
  • ~Moor~ (_zerstreut._) Wie? du hast es wohl gar noch weiter gebracht?
  • ~Spiegelberg.~ Ich glaube gar, du setzest ein Mißtrauen in mich. Wart,
  • laß mich erst warm werden; du sollst Wunder sehen, dein Gehirnchen
  • soll sich im Schädel umdrehen, wenn mein kreisender Witz in die
  • Wochen kommt. -- (_steht auf, hitzig._) Wie es sich aufhellt in mir!
  • Große Gedanken dämmern auf in meiner Seele! Riesenplane gähren in
  • meinem schöpfrischen Schedel. Verfluchte Schlafsucht! (_Sich vor'n
  • Kopf schlagend._) die bisher meine Kräfte in Ketten schlug, meine
  • Aussichten sperrte und spannte; ich erwache, fühle, wer ich bin -- wer
  • ich werden muß!
  • ~Moor.~ Du bist ein Narr. Der Wein bramarbasirt aus deinem Gehirne.
  • ~Spiegelberg~ (_hitziger._) Spiegelberg, wird es heissen, kannst
  • du hexen, Spiegelberg? Es ist Schade, daß du kein General worden
  • bist, Spiegelberg, wird der König sagen, du hättest die Oestreicher
  • durch ein Knopfloch gejagt. Ja, hör' ich die Doktors jammern, es ist
  • unverantwortlich, daß der Mann nicht die Medizin studirt hat, er hätte
  • ein neues Kropfpulver erfunden. Ach! und daß er das Kamerale nicht zum
  • Fach genommen hat, werden die Sully's in ihren Kabinetten seufzen, er
  • hätte aus Steinen Louisd'ore hervorgezaubert. Und Spiegelberg wird es
  • heissen in Osten und Westen, und in den Koth mit euch, ihr Memmen, ihr
  • Kröten, indeß Spiegelberg mit ausgespreiteten Flügeln zum Tempel des
  • Nachruhms empor fliegt.
  • ~Moor.~ Glück auf den Weg! Steig du auf Schandsäulen zum Gipfel des
  • Ruhms. Im Schatten meiner väterlichen Haine, in den Armen meiner Amalia
  • lockt mich ein edler Vergnügen. Schon die vorige Woche hab' ich meinem
  • Vater um Vergebung geschrieben, hab' ihm nicht den kleinsten Umstand
  • verschwiegen, und wo Aufrichtigkeit ist, ist auch Mitleid und Hilfe.
  • Laß uns Abschied nehmen, Moriz. Wir sehen uns heut und nie mehr. Die
  • Post ist angelangt. Die Verzeihung meines Vaters ist schon innerhalb
  • dieser Stadtmauren.
  • Schweizer. Grimm. Roller. Schufterle. Razmann (_treten auf._)
  • ~Roller.~ Wißt ihr auch, daß man uns auskundschaftet?
  • ~Grimm.~ Daß wir keinen Augenblick sicher sind, aufgehoben zu werden?
  • ~Moor.~ Mich wundert's nicht. Es gehe, wie es will! sah't ihr den
  • Schwarz nicht? sagt er euch von keinem Brief, den er an mich hätte?
  • ~Roller.~ Schon lang sucht er dich, ich vermuthe so etwas.
  • ~Moor.~ Wo ist er, wo, wo? (_will eilig fort._)
  • ~Roller.~ Bleib! wir haben ihn hieher beschieden. Du zitterst? --
  • ~Moor.~ Ich zittre nicht. Warum sollt' ich auch zittern? Kameraden!
  • dieser Brief -- freut euch mit mir! Ich bin der Glücklichste unter der
  • Sonne, warum sollt' ich zittern?
  • Schwarz (_tritt auf._)
  • ~Moor~ (_fliegt ihm entgegen._) Bruder, Bruder, den Brief! den Brief!
  • ~Schwarz~ (_giebt ihm den Brief, den er hastig aufbricht._) Was ist
  • dir? wirst du nicht wie die Wand?
  • ~Moor.~ Meines Bruders Hand!
  • ~Schwarz.~ Was treibt denn der Spiegelberg?
  • ~Grimm.~ Der Kerl ist unsinnig. Er macht Gestus wie beim Sanct
  • Veits-Tanz.
  • ~Schufterle.~ Sein Verstand geht im Ring herum. Ich glaub' er macht
  • Verse.
  • ~Razmann.~ Spiegelberg! He Spiegelberg! -- Die Bestie hört nicht.
  • ~Grimm~ (_schüttelt ihn._) Kerl! träumst du, oder? --
  • ~Spiegelberg~ (_der sich die ganze Zeit über mit den Pantomimen eines
  • Projektmachers im Stubeneck abgearbeitet hat, springt wild auf._)
  • =La Bourse ou la vie!= (_und packt Schweizern an der Gurgel, der ihn
  • gelassen an die Wand wirft, -- Moor läßt den Brief fallen, und rennt
  • hinaus. Alle fahren auf._)
  • ~Roller~ (_ihm nach._) Moor! wonaus, Moor? was beginnst du?
  • ~Grimm.~ Was hat er, was hat er? Er ist bleich wie die Leiche.
  • ~Schweizer.~ Das müssen schöne Neuigkeiten seyn! Laß doch sehen!
  • ~Roller~ (_nimmt den Brief von der Erde, und liest._)
  • »Unglücklicher Bruder!« der Anfang klingt lustig. »Nur kürzlich muß ich
  • dir melden, daß deine Hoffnung vereitelt ist -- du sollst hingehen,
  • läßt dir der Vater sagen, wohin dich deine Schandthaten führen.
  • Auch, sagt er, werdest du dir keine Hoffnung machen, jemals Gnade zu
  • seinen Füssen zu erwimmern, wenn du nicht gewärtig seyn wollest, im
  • untersten Gewölb seiner Thürme mit Wasser und Brod so lang traktirt zu
  • werden, bis deine Haare wachsen wie Adlers-Federn, und deine Nägel wie
  • Vogelsklauen werden. Das sind seine eigene Worte. Er befiehlt mir, den
  • Brief zu schliessen. Leb wohl auf ewig! Ich bedaure dich --
  • ~Franz~ von ~Moor~.«
  • ~Schweizer.~ Ein zuckersüsses Brüdergen! In der That! -- Franz heißt
  • die Kanaille?
  • ~Spiegelberg.~ (_sachte herbey schleichend._) Von Wasser und Brod ist
  • die Rede? Ein schönes Leben! Da hab ich anders für euch gesorgt! Sagt'
  • ichs nicht, ich müßt' am Ende für euch alle denken?
  • ~Schweizer.~ Was sagt der Schafskopf? der Esel will für uns alle denken?
  • ~Spiegelberg.~ Haasen, Krüppel, lahme Hunde seyd ihr alle, wenn ihr das
  • Herz nicht habt, etwas Grosses zu wagen!
  • ~Roller.~ Nun, das wären wir freylich, du hast recht -- aber wird es
  • uns auch aus dieser vermaledeyten Lage reissen, was du wagen wirst?
  • wird es? --
  • ~Spiegelberg~ (_mit einem stolzen Gelächter._) Armer Tropf! aus dieser
  • Lage reissen? hahaha! -- aus dieser Lage reissen? -- und auf mehr
  • raffinirt dein Fingerhut voll Gehirn nicht? und damit trabt deine Mähre
  • zum Stalle? Spiegelberg müßte ein Hundsvott seyn, wenn er mit dem nur
  • anfangen wollte. Zu Helden, sag ich dir, zu Freyherrn, zu Fürsten, zu
  • Göttern wirds euch machen!
  • ~Razmann.~ Das ist viel auf einen Hieb, wahrlich! Aber es wird wohl
  • eine halsbrechende Arbeit seyn, den Kopf wirds wenigstens kosten.
  • ~Spiegelberg.~ Es will nichts als Muth, denn was den Witz betrifft,
  • den nehm ich ganz über ~mich~. Muth, sag ich, Schweizer! Muth, Roller,
  • Grimm, Razmann, Schufterle! Muth! --
  • ~Schweizer.~ Muth? Wenn's nur das ist -- Muth hab ich genug um baarfuß
  • mitten durch die Hölle zu gehn.
  • ~Schufterle.~ Muth genug, mich unterm lichten Galgen mit dem
  • leibhaftigen Teufel um einen armen Sünder zu balgen.
  • ~Spiegelberg.~ So gefällt mir's! Wenn ihr Muth habt, tret einer auf,
  • und sag: Er habe noch etwas zu verlieren, und nicht alles zu gewinnen!
  • --
  • ~Schwarz.~ Wahrhaftig, da gäb's manches zu verlieren, wenn ich das
  • verlieren wollte, was ich noch zu gewinnen habe!
  • ~Razmann.~ Ja, zum Teufel! und manches zu gewinnen, wenn ich das
  • gewinnen wollte, was ich nicht verlieren kann.
  • ~Schufterle.~ Wenn ich das verlieren müßte, was ich auf Borgs auf dem
  • Leibe trage, so hätt' ich allenfalls morgen nichts mehr zu verlieren.
  • ~Spiegelberg.~ Also denn! (_Er stellt sich mitten unter sie mit
  • beschwörendem Ton._) Wenn noch ein Tropfen deutschen Heldenbluts in
  • euren Adern rinnt -- kommt! Wir wollen uns in den böhmischen Wäldern
  • niederlassen, dort eine Räuberbande zusammen ziehen, und -- Was gafft
  • ihr mich an? -- ist euer Bisgen Muth schon verdampft?
  • ~Roller.~ Du bist wohl nicht der erste Gauner, der über den hohen
  • Galgen weggesehen hat -- und doch -- Was hätten wir sonst noch für eine
  • Wahl übrig?
  • ~Spiegelberg.~ Wahl? Was? nichts habt ihr zu wählen! Wollt ihr im
  • Schuldthurm stecken, und zusammenschnurren, bis man zum jüngsten Tag
  • posaunt? Wollt ihr euch mit der Schaufel und Haue um einen Bissen
  • trocken Brod abquälen? Wollt ihr an der Leute Fenster mit einem
  • Bänkelsänger-Lied ein mageres Allmosen erpressen? oder wollt ihr zum
  • Kalbsfell schwören -- und da ist erst noch die Frage, ob man euren
  • Gesichtern traut -- und dort unter der milzsüchtigen Laune eines
  • gebieterischen Korporals das Fegfeuer zum voraus abverdienen? oder bey
  • klingendem Spiel nach dem Takt der Trommel spatzieren gehn, oder im
  • Gallioten-Paradies das ganze Eisen-Magazin Vulkans hinterherschleifen?
  • Seht, das habt ihr zu wählen, da ist es beysammen, was ihr wählen könnt!
  • ~Roller.~ So unrecht hat der Spiegelberg eben nicht. Ich hab auch
  • meine Plane schon zusammen gemacht, aber sie treffen endlich auf eins.
  • Wie wär's, dacht' ich, wenn ihr euch hinsetztet, und ein Taschenbuch
  • oder einen Almanach, oder so was ähnlichs zusammensudeltet, und um den
  • lieben Groschen recensirtet, wie's wirklich Mode ist?
  • ~Schufterle.~ Zum Henker! ihr rathet nah zu meinen Projekten. Ich
  • dachte bey mir selbst, wie wenn du ein Pietist würdest, und wöchentlich
  • deine Erbauungsstunden hieltest?
  • ~Grimm.~ Getroffen! und wenn das nicht geht, ein Atheist! Wir könnten
  • die vier Evangelisten auf's Maul schlagen, liessen unser Buch durch den
  • Schinder verbrennen, und so gieng's reissend ab.
  • ~Razmann.~ Oder zögen wir wider die Franzosen zu Felde -- ich kenne
  • einen Doktor, der sich ein Haus von purem Quecksilber gebauet hat, wie
  • das Epigramm auf der Hausthüre lautet.
  • ~Schweizer.~ (_Steht auf und gibt Spiegelberg die Hand._) Moriz, du
  • bist ein grosser Mann! -- oder es hat ein blindes Schwein eine Eichel
  • gefunden.
  • ~Schwarz.~ Vortreffliche Plane! honnete Gewerbe! Wie doch die grossen
  • Geister sympathisiren! Izt fehlte nur noch, daß wir Weiber und
  • Kupplerinnen würden, oder gar unsere Jungferschaft zu Markte trieben.
  • ~Spiegelberg.~ Possen, Possen! Und was hinderts, daß ihr nicht das
  • meiste in einer Person seyn könnt? Mein Plan wird euch immer am
  • höchsten poussiren, und da habt ihr noch Ruhm und Unsterblichkeit!
  • Seht arme Schlucker! Auch so weit muß man hinausdenken! Auch auf den
  • Nachruhm, das süsse Gefühl von Unvergeßlichkeit --
  • ~Roller.~ Und oben an in der Liste der ehrlichen Leute! Du bist ein
  • Meister-Redner, Spiegelberg, wenn's drauf ankommt, aus einem ehrlichen
  • Mann einen Hollunken zu machen -- Aber sag doch einer, wo der Moor
  • bleibt? --
  • ~Spiegelberg.~ Ehrlich, sagst du? Meynst du, du seyst nachher weniger
  • ehrlich, als du izt bist? Was heist du ehrlich? Reichen Filzen
  • ein Drittheil ihrer Sorgen vom Hals schaffen, die ihnen nur den
  • goldnen Schlaf verscheuchen, das stockende Geld in Umlauf bringen,
  • das Gleichgewicht der Güter wieder herstellen, mit einem Wort, das
  • goldne Alter wieder zurückrufen, dem lieben Gott von manchem lästigen
  • Kostgänger helfen, ihm Krieg, Pestilenz, theure Zeit und ~Doktors~
  • ersparen -- siehst du, das heiß ich ehrlich seyn, das heiß ich ein
  • würdiges Werkzeug in der Hand der Vorsehung abgeben, -- und so bey
  • jedem Braten, den man ißt, den schmeichelhaften Gedanken zu haben: den
  • haben dir deine Finten, dein Löwenmuth, deine Nachtwachen erworben --
  • von groß und klein respektirt zu werden --
  • ~Roller.~ Und endlich gar bey lebendigem Leibe gen Himmel fahren, und
  • trotz Sturm und Wind, trotz dem gefrässigen Magen der alten Urahne
  • Zeit unter Sonn und Mond und allen Fixsternen schweben, wo selbst die
  • unvernünftigen Vögel des Himmels, von edler Begierde herbeygelockt,
  • ihr himmlisches Koncert musiciren, und die Engel mit Schwänzen ihr
  • hochheiliges Synedrium halten? Nicht wahr? -- und wenn Monarchen und
  • Potentaten von Motten und Würmern verzehrt werden, die Ehre haben
  • zu dürfen, von Jupiters königlichem Vogel Visiten anzunehmen? --
  • Moriz, Moriz, Moriz! nimm dich in Acht! nimm dich in Acht, vor dem
  • dreybeinigten Thiere!
  • ~Spiegelberg.~ Und das schröckt dich, Hasenherz? ist doch schon
  • manches Universal-Genie, das die Welt hätte reformiren können, auf dem
  • Schind-Anger verfault, und spricht man nicht von so einem Jahrhunderte,
  • Jahrtausende lang, da mancher König und Kurfürst in der Geschichte
  • überhüpft würde, wenn sein Geschichtschreiber die Lücke in der
  • Successions-Leiter nicht scheute, und sein Buch dadurch nicht um ein
  • paar Oktavseiten gewönne, die ihm der Verleger mit baarem Gelde bezahlt
  • -- Und wenn dich der Wanderer so hin und her fliegen sieht im Winde --
  • der muß auch kein Wasser im Hirn gehabt haben, brummt er in den Bart,
  • und seufzt über die elenden Zeiten.
  • ~Schweizer.~ (_klopft ihn auf die Achsel._) Meisterlich, Spiegelberg!
  • Meisterlich! Was, zum Teufel, steht ihr da, und zaudert?
  • ~Schwarz.~ Und laß es auch ~Prostitution~ heissen -- Was folgt weiter?
  • Kann man nicht auf den Fall immer ein Pülverchen mit sich führen,
  • das einen so im stillen übern Acheron fördert, wo kein Hahn darnach
  • kräht! Nein, Bruder Moriz! dein Vorschlag ist gut. So lautet auch mein
  • Katechismus.
  • ~Schufterle.~ Blitz! Und der meine nicht minder. Spiegelberg, du hast
  • mich geworben!
  • ~Razmann.~ Du hast, wie ein anderer Orpheus, die heulende Bestie, mein
  • Gewissen, in den Schlaf gesungen. Nimm mich ganz, wie ich da bin.
  • ~Grimm.~ =Si omnes consentiunt ego non dissentio.= Wohlgemerkt ohne
  • Komma. Es ist ein Aufstreich in meinem Kopf; Pietisten -- Quacksalber
  • -- Rezensenten und Gauner. Wer am meisten bietet, der hat mich. Nimm
  • diese Hand, Moriz.
  • ~Roller.~ Und auch du Schweizer? (_gibt Spiegelberg die rechte Hand._)
  • Also verpfänd ich meine Seele dem Teufel.
  • ~Spiegelberg.~ Und deinen Namen den Sternen! was liegt daran, wohin
  • auch die Seele fährt? Wenn Schaaren vorausgesprengter Kuriere unsere
  • Niederfahrt melden, daß sich die Satane festtäglich herausputzen, sich
  • den tausendjährigen Ruß aus den Wimpern stäuben, und Myriaden gehörnter
  • Köpfe aus der rauchenden Mündung ihrer Schwefel-Kamine hervorwachsen,
  • unsern Einzug zu sehen? Kameraden! (_aufgesprungen_) frisch auf!
  • Kameraden! was in der Welt wiegt diesen Rausch des Entzückens auf?
  • Kommt Kameraden!
  • ~Roller.~ Sachte nur! Sachte! wohin? das Thier muß auch seinen Kopf
  • haben, Kinder.
  • ~Spiegelberg.~ (_Giftig._) Was predigt der Zauderer? Stand nicht der
  • Kopf schon, eh noch ein Glied sich regte? folgt Kameraden!
  • ~Roller.~ Gemach sag ich. Auch die Freyheit muß ihren Herrn haben. Ohne
  • Oberhaupt gieng Rom und Sparta zu Grunde.
  • ~Spiegelberg.~ (_Geschmeidig._) Ja -- haltet -- Roller sagt recht.
  • Und das muß ein erleuchteter Kopf seyn. Versteht ihr? Ein feiner
  • politischer Kopf muß das seyn. Ja! wenn ich mir's denke, was ihr vor
  • einer Stunde waret, was ihr izt seyd, -- durch Einen glücklichen
  • Gedanken seyd -- Ja freylich, freylich, müßt ihr einen =Chef= haben
  • -- Und wer diesen Gedanken entsponnen, sagt, muß das nicht ein
  • erleuchteter politischer Kopf seyn?
  • ~Roller.~ Wenn sich's hoffen ließe -- träumen ließe -- Aber ich
  • fürchte, er wird es nicht thun.
  • ~Spiegelberg.~ Warum nicht? Sag's kek heraus, Freund! -- So schwer es
  • ist, das kämpfende Schiff gegen die Winde zu lenken, so schwer sie auch
  • drückt die Last der Kronen -- Sag's unverzagt, Roller -- Vielleicht
  • wird ers doch thun.
  • ~Roller.~ Und lek ist das Ganze, wenn er's nicht thut. Ohne den Moor
  • sind wir Leib ohne Seele.
  • ~Spiegelberg.~ (_Unwillig von ihm weg._) Stockfisch!
  • ~Moor.~ (_tritt herein in wilder Bewegung, und läuft heftig im Zimmer
  • auf und nieder, mit sich selber._)
  • ~Moor.~ Menschen -- Menschen! falsche, heuchlerische Krokodilbrut!
  • Ihre Augen sind Wasser! Ihre Herzen sind Erz! Küsse auf den Lippen!
  • Schwerter im Busen! Löwen und Leoparde füttern ihre Jungen, Raben
  • tischen ihren Kleinen auf dem Aas, und Er, Er -- Bosheit hab ich
  • dulden gelernt, kann dazu lächeln, wenn mein erboster Feind mir mein
  • eigen Herzblut zutrinkt -- aber wenn Blutliebe zur Verrätherinn, wenn
  • Vaterliebe zur Megäre wird; o so fange Feuer, männliche Gelassenheit,
  • verwilde zum Tyger, sanftmüthiges Lamm, und jede Faser recke sich auf
  • zum Grimm und Verderben!
  • ~Roller.~ Höre Moor! Was denkst du davon? Ein Räuberleben ist doch auch
  • besser, als bey Wasser und Brod im untersten Gewölbe der Thürme?
  • ~Moor.~ Warum ist dieser Geist nicht in einen Tyger gefahren, der sein
  • wüthendes Gebiß in Menschenfleisch haut? Ist das Vatertreue? Ist das
  • Liebe für Liebe? Ich möchte ein Bär seyn, und die Bären des Nordlands
  • wider dies mörderische Geschlecht anhetzen -- Reue, und keine Gnade! --
  • Oh ich möchte den Ocean vergiften, daß sie den Tod aus allen Quellen
  • saufen! Vertrauen, unüberwindliche Zuversicht, und kein Erbarmen!
  • ~Roller.~ So höre doch, Moor, was ich dir sage!
  • ~Moor.~ Es ist unglaublich, es ist ein Traum, eine Täuschung -- So
  • eine rührende Bitte, so eine lebendige Schilderung des Elends und der
  • zerfliessenden Reue -- die wilde Bestie wär' in Mitleid zerschmolzen!
  • Steine hätten Thränen vergossen, und doch -- man würde es für ein
  • boshaftes Pasquill auf's Menschengeschlecht halten, wenn ich's
  • aussagen wollte -- und doch, doch -- oh daß ich durch die ganze Natur
  • das Horn des Aufruhrs blasen könnte, Luft, Erde und Meer wider das
  • Hyänen-Gezücht in's Treffen zu führen!
  • ~Grimm.~ Höre doch, höre! vor Rasen hörst du ja nicht.
  • ~Moor.~ Weg, weg von mir! Ist dein Name nicht Mensch? Hat dich das
  • Weib nicht gebohren? -- Aus meinen Augen du mit dem Menschengesicht!
  • -- Ich hab ihn so unaussprechlich geliebt! so liebte kein Sohn, ich
  • hätte tausend Leben für ihn -- (_schäumend auf die Erde stampfend._)
  • ha! -- wer mir itzt ein Schwerdt in die Hand gäbe, dieser Otternbrut
  • eine brennende Wunde zu versetzen! wer mir sagte: wo ich das Herz ihres
  • Lebens erzielen, zermalmen, zernichten -- Er sey mein Freund, mein
  • Engel, mein Gott -- ich will ihn anbeten!
  • ~Roller.~ Eben diese Freunde wollen ja wir seyn, laß dich doch weisen!
  • ~Schwarz.~ Komm mit uns in die böhmischen Wälder! Wir wollen eine
  • Räuberbande sammeln, und du -- (_Moor stiert ihn an._)
  • ~Schweizer.~ Du sollst unser Hauptmann seyn! du must unser Hauptmann
  • seyn!
  • ~Spiegelberg~ (_wirft sich wild in einen Sessel._) Sklaven und Memmen!
  • ~Moor.~ Wer blies dir das Wort ein? Höre, Kerl! (_indem er Rollern hart
  • ergreift_) das hast du nicht aus deiner Menschenseele hervorgeholt!
  • wer blies dir das Wort ein? Ja, bey dem tausendarmigen Tod! das wollen
  • wir, das müssen wir! der Gedanke verdient Vergötterung -- ~Räuber~ und
  • ~Mörder~! -- So wahr meine Seele lebt, ich bin euer Hauptmann!
  • ~Alle~ (_mit lärmendem Geschrey._) Es lebe der Hauptmann!
  • ~Spiegelberg~ (_aufspringend, vor sich._) Bis ich ihm hinhelfe!
  • ~Moor.~ Siehe, da fällts wie der Staar von meinen Augen! was für ein
  • Thor ich war, daß ich in's Keficht zurückwollte! -- Mein Geist dürstet
  • nach Thaten, mein Athem nach Freyheit, -- ~Mörder, Räuber!~ -- mit
  • diesem Wort war das Gesetz unter meine Füße gerollt -- Menschen haben
  • Menschheit vor mir verborgen, da ich an Menschheit appellirte, weg dann
  • von mir Sympathie und menschliche Schonung! -- Ich habe keinen Vater
  • mehr, ich habe keine Liebe mehr, und Blut und Tod soll mich vergessen
  • lehren, daß mir jemals etwas theuer war! -- Kommt, kommt! -- Oh ich
  • will mir eine fürchterliche Zerstreuung machen -- es bleibt dabey,
  • ich bin euer Hauptmann! und Glück zu dem Meister unter euch, der am
  • wildesten sengt, am gräßlichsten mordet, denn ich sage euch, er soll
  • königlich belohnet werden -- tretet her um mich ein jeder, und schwöret
  • mir Treu und Gehorsam zu bis in den Tod! -- schwört mir das bey dieser
  • männlichen Rechte.
  • ~Alle~ (_geben ihm die Hand._) Wir schwören dir Treu und Gehorsam bis
  • in den Tod!
  • ~Moor.~ Nun und bey dieser männlichen Rechte! schwör ich euch hier,
  • treu und standhaft euer Hauptmann zu bleiben bis in den Tod! Den soll
  • dieser Arm gleich zur Leiche machen, der jemals zagt oder zweifelt,
  • oder zurücktritt! Ein gleiches widerfahre mir von jedem unter euch,
  • wenn ich meinen Schwur verletze! Seyd ihr's zufrieden? (_Spiegelberg
  • läuft wüthend auf und nieder._)
  • ~Alle~ (_mit aufgeworfenen Hüten._) Wir sind's zufrieden.
  • ~Moor.~ Nun dann, so laßt uns geh'n! Fürchtet euch nicht vor Tod und
  • Gefahr, denn über uns waltet ein unbeugsames Fatum! Jeden ereilet
  • endlich sein Tag, es sey auf dem weichen Kissen von Pflaum, oder im
  • rauhen Gewühl des Gefechtes, oder auf offenem Galgen und Rad! Eins
  • davon ist unser Schicksal!
  • (Sie gehen ab.)
  • ~Spiegelberg~ (_ihnen nachsehend, nach einer Pause._) Dein Register hat
  • ein Loch. Du hast das Gift weggelassen. (_Ab_)
  • Dritte Scene.
  • Im Moorischen Schloß, Amaliens Zimmer.
  • Franz. Amalia.
  • ~Franz.~ Du siehst weg, Amalia? verdien ich weniger, als der, den der
  • Vater verflucht hat?
  • ~Amalia.~ Weg! -- ha des liebevollen barmherzigen Vaters, der seinen
  • Sohn Wölffen und Ungeheuern Preis gibt! daheim labt er sich mit süssem
  • köstlichem Wein, und pflegt seiner morschen Glieder in Kissen von
  • Eider, während sein groser herrlicher Sohn darbt -- schämt euch, ihr
  • Unmenschen! schämt euch, ihr Drachenseelen, ihr Schande der Menschheit!
  • -- seinen einzigen Sohn!
  • ~Franz.~ Ich dächte, er hätt ihrer zween.
  • ~Amalia.~ Ja, er verdient solche Söhne zu haben, wie du bist. Auf
  • seinem Todbett wird er umsonst die welken Hände ausstrecken nach seinem
  • Karl, und schaudernd zurückfahren, wenn er die eiskalte Hand seines
  • Franzens faßt -- oh es ist süß, es ist köstlich süß, von deinem Vater
  • verflucht zu werden! Sprich Franz, liebe brüderliche Seele! was muß man
  • thun, wenn man von ihm verflucht seyn will?
  • ~Franz.~ Du schwärmst, meine Liebe, du bist zu bedauren.
  • ~Amalia.~ O ich bitte dich -- bedauerst du deinen Bruder? -- Nein
  • Unmensch, du hassest ihn! du hassest mich doch auch?
  • ~Franz.~ Ich liebe dich wie mich selbst, Amalia.
  • ~Amalia.~ Wenn du mich liebst, kannst du mir wohl eine Bitte abschlagen?
  • ~Franz.~ Keine, keine! wenn sie nicht mehr ist als mein Leben.
  • ~Amalia.~ O, wenn das ist! Eine Bitte, die du so leicht, so gern
  • erfüllen wirst (_stolz._) -- Hasse mich! Ich müßte feuerroth werden
  • vor Scham, wenn ich an Karln denke, und mir eben einfiel, daß du mich
  • nicht hassest. Du versprichst mir's doch? -- Itzt geh, und laß mich,
  • ich bin so gern allein!
  • ~Franz.~ Allerliebste Träumerinn! wie sehr bewundere ich dein sanftes
  • liebevolles Herz, (_ihr auf die Brust klopfend._) Hier, hier herrschte
  • Karl wie ein Gott in seinem Tempel, Karl stand vor dir im Wachen, Karl
  • regierte in deinen Träumen, die ganze Schöpfung schien dir nur in den
  • einzigen zu zerfliessen, den einzigen wiederzustralen, den einzigen dir
  • entgegen zu tönen.
  • ~Amalia.~ (_bewegt._) Ja wahrhaftig, ich gesteh es. Euch Barbaren zum
  • Trutz will ich's vor aller Welt gestehen -- ich lieb ihn!
  • ~Franz.~ Unmenschlich, grausam! Diese Liebe so zu belohnen! Die zu
  • vergessen --
  • ~Amalia.~ (_auffahrend._) Was, mich vergessen?
  • ~Franz.~ Hattest du ihm nicht einen Ring an den Finger gesteckt? einen
  • Diamantring zum Unterpfand deiner Treue! -- Freylich nun, wie kann auch
  • ein Jüngling den Reitzen einer Metze Widerstand thun? Wer wird's ihm
  • auch verdenken, da ihm sonst nichts mehr übrig war wegzugeben, -- und
  • bezahlte sie ihn nicht mit Wucher dafür mit ihren Liebkosungen, ihren
  • Umarmungen?
  • ~Amalia~ (_aufgebracht._) Meinen Ring einer Metze?
  • ~Franz.~ Pfui, pfui! das ist schändlich. Wohl aber, wenn's nur das
  • wäre! -- Ein Ring, so kostbar er auch ist, ist im Grunde bey jedem
  • Juden wieder zu haben -- vielleicht mag ihm die Arbeit daran nicht
  • gefallen haben, vielleicht hat er einen schönern dafür eingehandelt.
  • ~Amalia.~ (_heftig._) Aber ~meinen~ Ring -- ich sage ~meinen~ Ring?
  • ~Franz.~ Keinen andern, Amalia -- ha! solch ein Kleinod, und an meinem
  • Finger -- und von Amalia! -- von hier sollt' ihn der Tod nicht gerissen
  • haben -- nicht wahr, Amalia? nicht die Kostbarkeit des Diamants, nicht
  • die Kunst des Gepräges -- die Liebe macht seinen Werth aus -- Liebstes
  • Kind, du weinest? Wehe über den, der diese köstliche Tropfen aus so
  • himmlischen Augen preßt -- ach, und wenn du erst alles wüßtest, ihn
  • selbst sähest, ihn unter der Gestalt sähest? --
  • ~Amalia.~ Ungeheuer! wie, unter welcher Gestalt?
  • ~Franz.~ Stille, stille, gute Seele, frage mich nicht aus! (_wie vor
  • sich, aber laut._) Wenn es doch wenigstens nur einen Schleyer hätte,
  • das garstige Laster, sich dem Auge der Welt zu entstehlen! aber da
  • blickts schrecklich durch den gelben bleyfarbenen Augenring; -- da
  • verräth sichs im todenblassen eingefallenen Gesicht, und dreht die
  • Knochen heßlich hervor -- da stammelts in der halben verstümmelten
  • Stimme -- da predigts fürchterlich laut vom zitternden hinschwankenden
  • Gerippe -- da durchwühlt es der Knochen innerstes Mark, und bricht
  • die mannhafte Stärke der Jugend -- da, da sprizt es den eitrichten
  • fressenden Schaum aus Stirn und Wangen und Mund und der ganzen Fläche
  • des Leibes zum scheußlichen Aussatz hervor, und nistet abscheulich in
  • den Gruben der viehischen Schande -- pfui, pfui! mir eckelt. Nasen,
  • Augen, Ohren schütteln sich -- du hast jenen Elenden gesehen, Amalia,
  • der in unserem Siechenhause seinen Geist auskeuchte, die Schaam schien
  • ihr scheues Auge vor ihm zuzublinzen -- du ruftest Wehe über ihn aus.
  • Ruf diß Bild noch einmal ganz in deine Seele zurück, und Karl steht vor
  • dir! -- Seine Küsse sind Pest, seine Lippen vergiften die deinen!
  • ~Amalia~ (_schlägt ihn._) Schaamloser Lästerer!
  • ~Franz.~ Graut dir vor diesem Karl? Eckelt dir schon vor dem matten
  • Gemälde? Geh, gaff ihn selbst an, deinen schönen, englischen göttlichen
  • Karl! Geh, sauge seinen balsamischen Athem ein, und laß dich von den
  • Ambrosia-Düften begraben, die aus seinem Rachen dampfen! der blose
  • Hauch seines Mundes wird dich in jenen schwarzen todähnlichen Schwindel
  • hauchen, der den Geruch eines berstenden Aases und den Anblick eines
  • Leichenvollen Wahlplatzes begleitet.
  • ~Amalia~ (_wendet ihr Gesicht ab._)
  • ~Franz.~ Welches Aufwallen der Liebe! Welche Wollust in der Umarmung
  • -- aber ist es nicht ungerecht, einen Menschen um seiner siechen
  • Aussenseite willen zu verdammen? Auch im elendesten Aesopischen Krüppel
  • kann eine grose liebenswürdige Seele, wie ein Rubin aus dem Schlamme
  • glänzen, (_boshaft lächelnd._) Auch aus blattrichten Lippen kann ja die
  • Liebe --
  • Freylich, wenn das Laster auch die Festen des Karakters erschüttert,
  • wenn mit der Keuschheit auch die Tugend davon fliegt, wie der Duft aus
  • der welken Rose verdampft -- wenn mit dem Körper auch der Geist zum
  • Krüppel verdirbt --
  • ~Amalia~ (_froh aufspringend._) Ha! Karl! Nun erkenn ich dich wieder!
  • du bist noch ganz! ganz! alles war Lüge! -- weist du nicht, Bösewicht,
  • daß Karl unmöglich das werden kann? (_Franz steht einige Zeit
  • tiefsinnig, dann dreht er sich plötzlich, um zu gehn._) Wohin so eilig,
  • fliehst du vor deiner eigenen Schande?
  • ~Franz~ (_mit verhülltem Gesicht._) Laß mich, laß mich! -- meinen
  • Thränen den Lauf lassen -- tyrannischer Vater! den besten deiner Söhne
  • so hinzugeben dem Elend -- der ringsumgebenden Schande -- laß mich,
  • Amalia! ich will ihm zu den Füssen fallen, auf den Knieen will ich ihn
  • beschwören, den ausgesprochenen Fluch auf mich, auf mich zu laden --
  • mich zu enterben -- mich -- mein Blut -- mein Leben -- alles --
  • ~Amalia~ (_fällt ihm um den Hals._) Bruder meines Karls, bester,
  • liebster Franz!
  • ~Franz.~ O Amalia! wie lieb ich dich um dieser unerschütterten Treue
  • gegen meinen Bruder -- Verzeih, daß ich es wagte, deine Liebe auf
  • diese harte Probe zu setzen! -- Wie schön hast du meine Wünsche
  • gerechtfertigt! -- Mit diesen Thränen, diesen Seufzern, diesem
  • himmlischen Unwillen -- auch für mich, für mich -- unsere Seelen
  • stimmten so zusammen.
  • ~Amalia.~ O nein, das thaten sie nie!
  • ~Franz.~ Ach sie stimmten so harmonisch zusammen, ich meynte immer,
  • wir müßten Zwillinge seyn! und wär der leidige Unterschied von aussen
  • nicht, wobey leider freylich Karl verlieren muß, wir würden zehnmal
  • verwechselt. Du bist, sagt' ich oft zu mir selbst, ja du bist der
  • ganze Karl, sein Echo, sein Ebenbild!
  • ~Amalia~ (_schüttelt den Kopf._) Nein, nein, bey jenem keuschen Lichte
  • des Himmels! kein Aederchen von ihm, kein Fünkchen von seinem Gefühle --
  • ~Franz.~ So ganz gleich in unsern Neigungen -- die Rose war seine
  • liebste Blume -- welche Blume war mir über die Rose? Er liebte die
  • Musik unaussprechlich, und ihr seyd Zeugen, ihr Sterne! ihr habt mich
  • so oft in der Todenstille der Nacht beym Klaviere belauscht, wenn alles
  • um mich begraben lag in Schatten und Schlummer -- und wie kannst du
  • noch zweifeln, Amalia, wenn unsere Liebe in einer ~Vollkommenheit~
  • zusammentraf, und wenn die Liebe die nemliche ist, wie könnten ihre
  • Kinder entarten?
  • ~Amalia~ (_sieht ihn verwundernd an._)
  • ~Franz.~ Es war ein stiller, heiterer Abend, der letzte, eh er nach
  • Leipzig abreiste, da er mich mit sich in jene Laube nahm, wo ihr so oft
  • zusammensaßet in Träumen der Liebe -- stumm blieben wir lang -- zuletzt
  • ergriff er meine Hand und sprach leise mit Thränen: ich verlasse
  • Amalia, ich weiß nicht -- mir ahnets, als hieß es auf ewig -- verlaß
  • sie nicht, Bruder! -- sey ihr Freund -- ihr Karl -- wenn Karl -- nimmer
  • -- wiederkehrt -- (_Er stürzt vor ihr nieder und küßt ihr die Hand mit
  • Heftigkeit._) Nimmer, nimmer, nimmer wird er wiederkehren, und ich
  • hab's ihm zugesagt mit einem heiligen Eide!
  • ~Amalia~ (_zurückspringend._) Verräther, wie ich dich ertappe! In eben
  • dieser Laube beschwur er mich, keiner andern Liebe -- wenn er sterben
  • sollte -- siehst du, wie gottlos, wie abscheulich du -- geh aus meinen
  • Augen.
  • ~Franz.~ Du kennst mich nicht, Amalia, du kennst mich gar nicht!
  • ~Amalia.~ O ich kenne dich, von itzt an kenn ich dich -- und du
  • wolltest ihm gleich seyn? Vor dir sollt er um mich geweint haben? Vor
  • dir? Ehe hätt' er meinen Namen auf den Pranger geschrieben! Geh den
  • Augenblick!
  • ~Franz.~ Du beleidigst mich!
  • ~Amalia.~ Geh, sag ich. Du hast mir eine kostbare Stunde gestohlen, sie
  • werde dir an deinem Leben abgezogen.
  • ~Franz.~ Du hassest mich.
  • ~Amalia.~ Ich verachte dich, geh!
  • ~Franz~ (_mit den Füssen stampfend._) Wart! so sollst du vor mir
  • zittern! mich einem Bettler aufopfern? (_Zornig ab._)
  • ~Amalia.~ Geh, Lotterbube -- itzt bin ich wieder bey Karln -- Bettler,
  • sagt er? so hat die Welt sich umgedreht, Bettler sind Könige, und
  • Könige sind Bettler! -- Ich möchte die Lumpen, die er anhat, nicht
  • mit dem Purpur der Gesalbten vertauschen -- der Blick, mit dem er
  • bettelt, das muß ein groser, ein königlicher Blick seyn -- ein Blick,
  • der die Herrlichkeit, den Pomp, die Triumphe der Grosen und Reichen
  • zernichtet! In den Staub mit dir, du prangendes Geschmeide! (_Sie reißt
  • sich die Perlen vom Hals._) Seyd verdammt, Gold und Silber und Juwelen
  • zu tragen, ihr Grosen und Reichen! Seyd verdammt, an üppigen Maalen zu
  • zechen! Verdammt, euren Gliedern wohl zu thun auf weichen Polstern der
  • Wohllust! Karl! Karl! so bin ich dein werth -- (_Ab._)
  • Zweyter Akt.
  • Erste Scene.
  • Franz von Moor.
  • (_nachdenkend in seinem Zimmer._)
  • Es dauert mir zu lange -- der Doktor will, er sei im Umkehren -- das
  • Leben eines Alten ist doch eine Ewigkeit! -- Und nun wär freye, ebene
  • Bahn bis auf diesen ärgerlichen zähen Klumpen Fleisch, der mir, gleich
  • dem unterirdischen Zauberhund in den Geistermährchen, den Weg zu meinen
  • Schätzen verrammelt.
  • Müssen denn aber meine Entwürfe sich unter das eiserne Joch des
  • Mechanismus beugen? -- Soll sich mein hochfliegender Geist an den
  • Schneckengang der ~Materie~ ketten lassen? -- Ein Licht ausgeblasen,
  • das ohnehin nur mit den letzten Oeltropfen noch wuchert -- mehr ist's
  • nicht -- Und doch möchte ich das nicht gern selbst gethan haben um der
  • Leute willen. Ich möchte ihn nicht gern getödtet, aber abgelebt. Ich
  • möchte es machen wie der gescheide Arzt, (nur umgekehrt.) -- Nicht der
  • Natur durch einen Queerstreich den Weg verrannt, sondern sie in ihrem
  • eigenen Gange befördert. Und wir vermögen doch wirklich die Bedingungen
  • des Lebens zu verlängern, warum sollten wir sie nicht auch verkürzen
  • können?
  • Philosophen und Mediziner lehren mich, wie treffend die Stimmungen des
  • Geists mit den Bewegungen der Maschine zusammen lauten. Gichtrische
  • Empfindungen werden jederzeit von einer Dissonanz der mechanischen
  • Schwingungen begleitet -- Leidenschaften ~mißhandeln~ die Lebenskraft
  • -- der überladene Geist drückt sein Gehäuse zu Boden -- Wie denn nun?
  • -- Wer es verstünde, dem Tod diesen ungebahnten Weg in das Schloß des
  • Lebens zu ebenen? -- den Körper vom Geist aus zu verderben -- ha! ein
  • Originalwerk! -- wer das zu Stand brächte? -- Ein Werk ohne gleichen!
  • -- Sinne nach Moor! -- das wär' eine Kunst, die's verdiente, dich
  • zum Erfinder zu haben. Hat man doch die Giftmischerey beynahe in den
  • Rang einer ordentlichen Wissenschaft erhoben, und die Natur durch
  • Experimente gezwungen, ihre Schranken anzugeben, daß man nunmehr des
  • Herzens Schläge Jahr lang vorausrechnet, und zu dem Pulse spricht, bis
  • hieher und nicht weiter![1] -- Wer sollte nicht auch hier seine Flügel
  • versuchen?
  • Und wie ich nun werde zu Werk gehen müssen, diese süße friedliche
  • Eintracht der Seele mit ihrem Leibe zu stören? Welche Gattung von
  • Empfindnissen, ich werde wählen müssen? Welche wohl den Flor des
  • Lebens am grimmigsten anfeinden? ~Zorn~ -- dieser heißhungrige Wolf
  • frißt sich zu schnell satt -- ~Sorge?~ -- dieser Wurm nagt mir zu
  • langsam -- ~Gram?~ -- diese Natter schleicht mir zu träge -- ~Furcht?~
  • -- die Hoffnung läßt sie nicht umgreiffen -- was? Sind das all' die
  • Henker des Menschen? -- Ist das Arsenal des Todes so bald erschöpft?
  • -- (_tiefsinnend._) Wie? -- Nun? -- Was? Nein! -- Ha! (_auffahrend._)
  • ~Schreck!~ -- Was kann der Schreck nicht? -- Was kann Vernunft,
  • Religion wider dieses Giganten eiskalte Umarmung? -- Und doch? --
  • Wenn er auch diesem Sturm stünde? -- Wenn er? -- O so komme du mir zu
  • Hülfe, ~Jammer~, und du, ~Reue~, höllische Eumenide, grabende Schlange,
  • die ihren Fraß wiederkäut, und ihren eigenen Koth wiederfrißt;
  • ewige Zerstörerinnen und ewige Schöpferinnen eures Giftes, und du
  • heulende ~Selbstverklagung~, die du dein eigen Haus verwüstest, und
  • deine eigene Mutter verwundest -- Und kommt auch ihr mir zu Hülfe,
  • wohlthätige Grazien selbst, sanftlächelnde ~Vergangenheit~, und du mit
  • dem überquellenden Füllhorn blühende ~Zukunft~, haltet ihm in euren
  • Spiegeln die Freuden des Himmels vor, wenn euer fliehender Fuß seinen
  • geitzigen Armen entgleitet -- So fall ich Streich auf Streich, Sturm
  • auf Sturm dieses zerbrechliche Leben an, bis den Furientrupp zuletzt
  • schließt -- die ~Verzweiflung~! Triumph! Triumph! -- Der Plan ist
  • fertig -- Schwer und Kunstvoll wie keiner -- zuverläßig -- sicher --
  • denn (_spöttisch_) des Zergliederers Messer findet ja keine Spuren von
  • Wunde oder korrosivischem Gift.
  • (_Entschlossen._) Wohlan denn, (_Herrmann tritt auf._) Ha! =Deus ex
  • machina!= Herrmann!
  • ~Herrmann.~ Zu euren Diensten, gnädiger Junker!
  • ~Franz~ (_gibt ihm die Hand._) Die du keinem Undankbaren erweisest.
  • ~Herrmann.~ Ich hab' Proben davon.
  • ~Franz.~ Du sollst mehr haben mit nächstem -- mit nächstem, Herrmann!
  • -- Ich habe dir etwas zu sagen, Herrmann.
  • ~Herrmann.~ Ich höre mit tausend Ohren.
  • ~Franz.~ Ich kenne dich, du bist ein entschloß'ner Kerl -- Soldaten
  • Herz -- Haar auf der Zunge! -- Mein Vater hat dich sehr beleidigt,
  • Herrmann!
  • ~Herrmann.~ Der Teufel hole mich, wenn ich's vergesse!
  • ~Franz.~ Das ist der Ton eines Mann's! Rache geziemt einer männlichen
  • Brust. Du gefällst mir, Herrmann. Nimm diesen Beutel, Herrmann. Er
  • sollte schwerer seyn, wenn ich erst Herr wäre.
  • ~Herrmann.~ Das ist ja mein ewiger Wunsch, gnädiger Junker, ich dank
  • euch.
  • ~Franz.~ Wirklich, Herrmann? wünschest du wirklich, ich wäre Herr? --
  • aber mein Vater hat das Mark eines Löwen, und ich bin der jüngere Sohn.
  • ~Herrmann.~ Ich wollt', ihr wär't der ältere Sohn, und euer Vater hätte
  • das Mark eines schwindsüchtigen Mädgens.
  • ~Franz.~ Ha! wie dich der ältere Sohn dann belohnen wollte! wie er dich
  • aus diesem unedlen Staub, der sich so wenig mit deinem Geist und Adel
  • verträgt, an's Licht emporheben wollte! -- Dann solltest du, ganz wie
  • du da bist, mit Gold überzogen werden, und mit vier Pferden durch die
  • Strasen dahinrasseln, wahrhaftig das solltest du! -- aber ich vergesse,
  • wovon ich dir sagen wollte -- hast du das Fräulein von Edelreich schon
  • vergessen, Herrmann?
  • ~Herrmann.~ Wetter Element! was erinnert ihr mich an das?
  • ~Franz.~ Mein Bruder hat sie dir weggefischt.
  • ~Herrmann.~ Er soll dafür büßen!
  • ~Franz.~ Sie gab dir einen Korb. Ich glaube gar, er warf dich die
  • Treppen hinunter.
  • ~Herrmann.~ Ich will ihn dafür in die Hölle stoßen.
  • ~Franz.~ Er sagte: man raune sich einander in's Ohr, du seyst zwischen
  • dem Rindfleisch und Meerrettig gemacht worden, und dein Vater habe dich
  • nie ansehen können, ohne an die Brust zu schlagen und zu seufzen: Gott
  • sey mir Sünder gnädig!
  • ~Herrmann~ (_wild._) Blitz, Donner und Hagel, seyd still!
  • ~Franz.~ Er rieth dir, deinen Adelbrief im Aufstreich zu verkaufen, und
  • deine Strümpfe damit flicken zu lassen.
  • ~Herrmann.~ Alle Teufel! ich will ihm die Augen mit den Nägeln
  • auskratzen.
  • ~Franz.~ Was? du wirst böse? was kannst du böse auf ihn seyn? Was
  • kannst du ihm böses thun? was kann so eine Ratze gegen einen Löwen?
  • Dein Zorn versüßt ihm seinen Triumph nur. Du kannst nichts thun,
  • als deine Zähne zusammenschlagen, und deine Wuth an trocknem Brode
  • auslassen.
  • ~Herrmann~ (_stampft auf den Boden._) Ich will ihn zu Staub zerreiben.
  • ~Franz~ (_klopft ihm auf die Achsel._) Pfui, Herrmann! du bist ein
  • Kavalier. Du must den Schimpf nicht auf dir sitzen lassen. Du must das
  • Fräulein nicht fahren lassen, nein, das must du um alle Welt nicht
  • thun, Herrmann! Hagel und Wetter! ich würde das äusserste versuchen,
  • wenn ich an deiner Stelle wäre.
  • ~Herrmann.~ Ich ruhe nicht, bis ich ~Ihn~ und ~Ihn~ unter'm Boden hab.
  • ~Franz.~ Nicht so stürmisch, Herrmann! komm näher -- du sollst Amalia
  • haben!
  • ~Herrmann.~ Das muß ich, trutz dem Teufel! das muß ich!
  • ~Franz.~ Du sollst sie haben, sag ich dir, und das von meiner Hand.
  • Komm näher, sag ich -- du weist vielleicht nicht, daß Karl so gut als
  • enterbt ist?
  • ~Herrmann~ (_näher kommend._) Unbegreiflich, das erste Wort, das ich
  • höre.
  • ~Franz.~ Sey ruhig, und höre weiter! du sollst ein andermal mehr davon
  • hören -- ja, ich sage dir, seit eilf Monathen so gut als verbannt. Aber
  • schon bereut der alte den voreiligen Schritt, den er doch, (_lachend._)
  • will ich hoffen, nicht selbst gethan hat. Auch liegt ihm die Edelreich
  • täglich hart an mit ihren Vorwürfen und Klagen. Ueber kurz oder lang
  • wird er ihn in allen vier Enden der Welt aufsuchen lassen, und gute
  • Nacht, Herrmann! wenn er ihn findet. Du kannst ihm ganz demüthig die
  • Kutsche halten, wenn er mit ihr in die Kirche zur Trauung fährt.
  • ~Herrmann.~ Ich will ihn am Krucifix erwürgen!
  • ~Franz.~ Der Vater wird ihm bald die Herrschaft abtreten, und in Ruhe
  • auf seinen Schlössern leben. Itzt hat der stolze Strudelkopf den Zügel
  • in Händen, itzt lacht er seiner Hasser und Neider -- und ich, der
  • ich dich zu einem wichtigen grosen Manne machen wollte, ich selbst,
  • Herrmann, werde tiefgebückt vor seiner Thürschwelle --
  • ~Herrmann~ (_in Hitze._) Nein, so wahr ich Herrmann heisse, das sollt
  • ihr nicht! wenn noch ein Fünkchen Verstand in diesem Gehirne glostet!
  • das sollt ihr nicht!
  • ~Franz.~ Wirst du es hindern? auch dich, mein lieber Herrmann, wird er
  • seine Geissel fühlen lassen, wird dir in's Angesicht speyen, wenn du
  • ihm auf der Strase begegnest, und wehe dir dann, wenn du die Achsel
  • zuckst oder das Maul krümmst -- siehe, so stehts mit deiner Anwerbung
  • um's Fräulein, mit deinen Aussichten, mit deinen Entwürfen.
  • ~Herrmann.~ Sagt mir! was soll ich thun?
  • ~Franz.~ Höre dann, Herrmann! daß du siehst, wie ich mir dein Schicksal
  • zu Herzen nehme als ein redlicher Freund -- geh -- kleide dich um --
  • mach dich ganz unkenntlich, laß dich beym Alten melden, gib vor, du
  • kämest geraden Wegs aus Böhmen, hättest mit meinem Bruder dem Treffen
  • bey Prag beygewohnt -- hättest ihn auf der Wahlstatt den Geist aufgeben
  • sehen --
  • ~Herrmann.~ Wird man mir glauben?
  • ~Franz.~ Hoho! dafür laß mich sorgen! Nimm dieses Paket. Hier findest
  • du deine Kommission ausführlich. Und Dokumente dazu, die den Zweifel
  • selbst glaubig machen sollen -- mach itzt nur, daß du fortkommst, und
  • ungesehen! spring durch die Hinterthüre in den Hof, von da über die
  • Gartenmauer -- die Katastrophe dieser Tragi-Komödie überlaß mir!
  • ~Herrmann.~ Und die wird seyn: Vivat der neue Herr, Franciskus von Moor!
  • ~Franz~ (_streichelt ihm die Backen._) Wie schlau du bist? -- denn
  • siehst du, auf diese Art erreichen wir alle Zwecke zumal und bald.
  • Amalia gibt ihre Hoffnung auf ihn auf. Der alte mißt sich den Tod
  • seines Sohnes bey, und -- er kränkelt -- ein schwankendes Gebäude
  • braucht des Erdbebens nicht, um über'n Haufen zu fallen -- er wird die
  • Nachricht nicht überleben -- dann bin ich sein einiger Sohn -- Amalia
  • hat ihre Stützen verloren, und ist ein Spiel meines Willens, da kannst
  • du leicht denken -- kurz, alles geht nach Wunsch -- aber du must dein
  • Wort nicht zurücknehmen.
  • ~Herrmann.~ Was sagt ihr? (_frohlockend._) Eh soll die Kugel in ihren
  • Lauf zurückkehren, und in dem Eingeweid ihres Schützen wüthen --
  • rechnet auf mich! Laßt nur mich machen -- Adieu!
  • ~Franz~ (_ihm nachrufend._) Die Erndte ist dein, lieber Herrmann! --
  • Wenn der Ochse den Kornwagen in die Scheune gezogen hat, so muß er mit
  • Heu vorlieb nehmen. Dir eine Stallmagd, und keine Amalia! (_Geht ab._)
  • Zweyte Scene.
  • Des alten Moors Schlafzimmer.
  • Der ~alte Moor~ schlafend in einem Lehnsessel. ~Amalia~.
  • ~Amalia~ (_sachte herbey schleichend._) Leise, leise! er schlummert.
  • (_Sie stellt sich vor den schlafenden._) Wie schön, wie ehrwürdig!
  • -- ehrwürdig, wie man die Heiligen malt -- nein, ich kann dir nicht
  • zürnen! Weißlockigtes Haupt, dir kann ich nicht zürnen! Schlumm're
  • sanft, wache froh auf, ich allein will hingeh'n und leiden.
  • ~D. a. Moor~ (_träumend._) Mein Sohn! mein Sohn! mein Sohn!
  • ~Amalia~ (_ergreift seine Hand._) Horch, horch! sein Sohn ist in seinen
  • Träumen.
  • ~D. a. Moor.~ Bist du da? bist du wirklich? ach! wie siehst du so
  • elend? Sieh mich nicht an mit diesem kummervollen Blick! ich bin elend
  • genug.
  • ~Amalia~ (_weckt ihn schnell._) Seht auf, lieber Greis! ihr träumtet
  • nur. Faßt euch!
  • ~D. a. Moor~ (_halb wach._) Er war nicht da? drückt ich nicht seine
  • Hände? Garstiger Franz! willst du ihn auch meinen Träumen entreissen?
  • ~Amalia.~ Merkst du's, Amalia?
  • ~D. a. Moor~ (_ermuntert sich._) Wo ist er? wo? wo bin ich? du da,
  • Amalia?
  • ~Amalia.~ Wie ist euch? Ihr schlieft einen erquickenden Schlummer.
  • ~D. a. Moor.~ Mir träumte von meinem Sohn. Warum hab ich nicht
  • fortgeträumt? Vielleicht hätt' ich Verzeihung erhalten aus seinem Munde.
  • ~Amalia.~ Engel grollen nicht -- er verzeiht euch. (_Faßt seine Hand
  • mit Wehmuth._) Vater meines Karls! ich verzeih euch.
  • ~D. a. Moor.~ Nein, meine Tochter! diese Todten-Farbe deines Angesichts
  • verdammet den Vater. Armes Mädgen! Ich brachte dich um die Freuden
  • deiner Jugend -- o fluche mir nicht!
  • ~Amalia~ (_küßt seine Hand mit Zärtlichkeit._) Euch?
  • ~D. a. Moor.~ Kennst du dieses Bild, meine Tochter?
  • ~Amalia.~ Karls! --
  • ~D. a. Moor.~ So sah er, als er in's sechszehente Jahr gieng. Itzt
  • ist er anders -- Oh es wüthet in meinem Innern -- diese Milde ist
  • Unwillen, dieses Lächeln Verzweiflung -- Nicht wahr, Amalia? Es war an
  • seinem Geburtstage in der Jasminlaube, als du ihn maltest? -- Oh meine
  • Tochter! Eure Liebe machte mich so glücklich.
  • ~Amalia~ (_immer das Aug auf das Bild geheftet._) Nein, nein! er ist's
  • nicht. Bey Gott! das ist Karl nicht -- Hier, hier (_auf Herz und
  • Stirne zeigend._) So ganz, so anders. Die träge Farbe reicht nicht,
  • den himmlischen Geist nachzuspiegeln, der in seinem feurigen Auge
  • herrschte. Weg damit! dis ist so menschlich! Ich war eine Stümperinn.
  • ~D. a. Moor.~ Dieser huldreiche, erwärmende Blick -- wär' er vor
  • meinem Bette gestanden, hätte gelebt mitten im Tode! Nie, nie wär' ich
  • gestorben!
  • ~Amalia.~ Nie, nie wär't ihr gestorben? Es wär' ein Sprung gewesen, wie
  • man von einem Gedanken auf einen andern und schönern hüpft -- dieser
  • Blick hätt' euch über's Grab hinübergeleuchtet. Dieser Blick hätt' euch
  • über die Sterne getragen!
  • ~D. a. Moor.~ Es ist schwer, es ist traurig! Ich sterbe, und mein Sohn
  • Karl ist nicht hier -- ich werde zu Grabe getragen, und er weint nicht
  • an meinem Grabe -- wie süß ist's, eingewiegt zu werden in den Schlaf
  • des Todes von dem Gebet eines Sohns -- das ist Wiegengesang.
  • ~Amalia~ (_schwärmend._) Ja süß, himmlisch süß ist's, eingewiegt
  • zu werden in den Schlaf des Todes von dem Gesang des Geliebten --
  • vielleicht träumt man auch im Grabe noch fort -- ein langer, ewiger,
  • unendlicher Traum, von Karln, bis man die Glocke der Auferstehung
  • läutet -- (_aufspringend, entzückt._) und von itzt an in seinen Armen
  • auf ewig, (_Pause. Sie geht an's Klavier, und spielt._)
  • Willst dich, Hektor, ewig mir entreissen,
  • Wo des Anaciden mordend Eisen
  • Dem Patroklus schröcklich Opfer bringt?
  • Wer wird künftig deinen Kleinen lehren,
  • Speere werfen und die Götter ehren,
  • Wenn hinunter dich der Xanthus schlingt?
  • ~D. a. Moor.~ Ein schönes Lied, meine Tochter. Das must du mir
  • vorspielen, eh ich sterbe.
  • ~Amalia.~ Es ist der Abschied Andromachas und Hektors -- Karl und ich
  • haben's oft zusammen zu der Laute gesungen. (_Spielt fort._)
  • Theures Weib, geh, hol die Todeslanze,
  • Laß mich fort zum wilden Kriegestanze,
  • Meine Schultern tragen Ilium;
  • Ueber Astyanax uns're Götter!
  • Hektor fällt, ein Vaterlands Erretter,
  • Und wir seh'n uns wieder im Elysium.
  • Daniel.
  • ~Daniel.~ Es wartet draussen ein Mann auf euch. Er bittet, vorgelassen
  • zu werden, er hab euch eine wichtige Zeitung.
  • ~D. a. Moor.~ Mir ist auf der Welt nur etwas wichtig, du weist's,
  • Amalia -- ist's ein Unglücklicher, der meiner Hülfe bedarf? Er soll
  • nicht mit Seufzen von hinnen gehn.
  • ~Amalia.~ Ist's ein Bettler, er soll eilig herauf kommen. (_Daniel ab._)
  • ~D. a. Moor.~ Amalia, Amalia! schone meiner!
  • ~Amalia~ (_spielt fort._)
  • Nimmer lausch ich deiner Waffen Schalle,
  • Einsam liegt dein Eisen in der Halle,
  • Priams groser Heldenstamm verdirbt!
  • Du wirst hingeh'n, wo kein Tag mehr scheinet,
  • Der Cocytus durch die Wüsten weinet,
  • Deine Liebe in dem Lethe stirbt.
  • All mein Sehnen, all mein Denken
  • Soll der schwarze Lethefluß ertränken,
  • Aber meine Liebe nicht!
  • Horch! der Wilde raßt schon an den Mauren --
  • Gürte mir das Schwerdt um, laß das Trauren,
  • Hektors Liebe stirbt im Lethe nicht!
  • Franz. Herrmann (_verkappt._) Daniel.
  • ~Franz.~ Hier ist der Mann. Schröckliche Botschaften, sagt er, warten
  • auf euch. Könnt ihr sie hören?
  • ~D. a. Moor.~ Ich kenne nur eine. Tritt her, mein Freund, und schone
  • mein nicht! Reicht ihm einen Becher Wein.
  • ~Herrmann~ (_mit veränderter Stimme._) Gnädiger Herr! laßt es einen
  • armen Mann nicht entgelten, wenn er wider Willen euer Herz durchbohrt.
  • Ich bin ein Fremdling in diesem Lande, aber euch kenn ich sehr gut, ihr
  • seyd der Vater Karls von Moor.
  • ~D. a. Moor.~ Woher weist du das?
  • ~Herrmann.~ Ich kannte euren Sohn --
  • ~Amalia~ (_auffahrend._) Er lebt? lebt? Du kennst ihn? wo ist er, wo,
  • wo? (_will hinwegrennen._)
  • ~D. a. Moor.~ Du weist von meinem Sohn?
  • ~Herrmann.~ Er studierte in Leipzig. Von da zog er, ich weiß nicht wie
  • weit, herum. Er durchschwärmte Deutschland in die Runde, und, wie er
  • mir sagte, mit unbedecktem Haupt, barfus, und erbettelte sein Brod vor
  • den Thüren. Fünf Monathe drauf brach der leidige Krieg zwischen Preußen
  • und Oestreich wieder aus, und da er auf der Welt nichts mehr zu hoffen
  • hatte, zog ihn der Hall von Friderichs siegreicher Trommel nach Böhmen.
  • Erlaubt mir, sagte er, zum grosen Schwerin, daß ich den Tod sterbe auf
  • dem Bette der Helden, ich hab keinen Vater mehr! --
  • ~D. a. Moor.~ Sieh mich nicht an, Amalia!
  • ~Herrmann.~ Man gab ihm eine Fahne. Er flog den preußischen Siegesflug
  • mit. Wir kamen zusammen unter ein Zelt zu liegen. Er sprach viel von
  • seinem alten Vater und von bessern, vergangenen Tagen -- und von
  • vereitelten Hoffnungen -- uns standen die Thränen in den Augen.
  • ~D. a. Moor~ (_verhüllt sein Haupt in das Kissen._) Stille, o stille!
  • ~Herrmann.~ Acht Tage d'rauf war das heiße Treffen bey Prag -- ich darf
  • euch sagen, euer Sohn hat sich gehalten wie ein wackerer Kriegsmann.
  • Er that Wunder vor den Augen der Armee. Fünf Regimenter mußten neben
  • ihm wechseln, er stand. Feuerkugeln fielen rechts und links, euer Sohn
  • stand. Eine Kugel zerschmetterte ihm die rechte Hand, euer Sohn nahm
  • die Fahne in die linke, und stand --
  • ~Amalia~ (_in Entzückung._) Hektor, Hektor! hört ihr's? er stand --
  • ~Herrmann.~ Ich traf ihn am Abend der Schlacht niedergesunken unter
  • Kugel-Gepfeiffe, mit der linken hielt er das stürzende Blut, die
  • rechte hatte er in die Erde gegraben. Bruder! rief er mir entgegen, es
  • lief ein Gemurmel durch die Glieder: der General sey vor einer Stunde
  • gefallen -- er ist gefallen, sagt' ich, und du? -- Nun, wer ein braver
  • Soldat ist, rief er, und ließ die linke Hand los, der folge seinem
  • General, wie ich! Bald darauf hauchte er seine grose Seele dem Helden
  • zu.
  • ~Franz~ (_wild auf Herrmann losgehend._) Daß der Tod deine verfluchte
  • Zunge versiegle! Bist du hieher kommen, unserem Vater den Todesstos zu
  • geben? -- Vater! Amalia! Vater!
  • ~Herrmann.~ Es war der letzte Wille meines sterbenden Kameraden. Nimm
  • diß Schwerdt, röchelte er, du wirst's meinem alten Vater überliefern,
  • das Blut seines Sohnes klebt daran, er ist gerochen, er mag sich
  • weiden. Sag ihm, sein Fluch hätte mich gejagt in Kampf und Tod, ich sey
  • gefallen in Verzweiflung! Sein letzter Seufzer war Amalia.
  • ~Amalia~ (_wie aus einem Todesschlummer aufgejagt._) Sein letzter
  • Seufzer, Amalia!
  • ~D. a. Moor~ (_Gräßlich schreyend, sich die Haare ausraufend._) Mein
  • Fluch ihn gejagt in den Tod! gefallen in Verzweiflung!
  • ~Franz~ (_umherirrend im Zimmer._) Oh! Was habt ihr gemacht, Vater?
  • Mein Karl, mein Bruder!
  • ~Herrmann.~ Hier ist das Schwerdt, und hier ist auch ein Portrait, das
  • er zu gleicher Zeit aus dem Busen zog! Es gleicht diesem Fräulein auf
  • ein Haar. Diß soll meinem Bruder Franz, sagte er, -- ich weiß nicht,
  • was er damit sagen wollte.
  • ~Franz~ (_wie erstaunt._) Mir? Amalia's Portrait? Mir, Karl, Amalia?
  • Mir?
  • ~Amalia~ (_heftig auf Herrmann losgehend._) Feiler, Bestochener,
  • Betrüger! (_faßt ihn hart an._)
  • ~Herrmann.~ Das bin ich nicht, gnädiges Fräulein. Sehet selbst, ob's
  • nicht euer Bild ist -- ihr mögt's ihm wohl selbst gegeben haben.
  • ~Franz.~ Bey Gott! Amalia, das deine! Es ist wahrlich das deine!
  • ~Amalia~ (_gibt ihm das Bild zurück._) Mein, mein! O Himmel und Erde!
  • ~D. a. Moor~ (_schreyend, sein Gesicht zerfleischend._) Wehe, Wehe!
  • mein Fluch ihn gejagt in den Tod! gefallen in Verzweiflung!
  • ~Franz.~ Und er gedachte meiner in der letzten schweren Stunde des
  • Scheidens, meiner! Englische Seele -- da schon das schwarze Panier des
  • Todes über ihm rauschte -- meiner! --
  • ~D. a. Moor~ (_lallend._) Mein Fluch ihn gejagt, in den Tod, gefallen
  • mein Sohn in Verzweiflung! --
  • ~Herrmann.~ Den Jammer steh ich nicht aus. Lebt wohl, alter Herr!
  • (_leise zu Franz._) Warum habt ihr auch das gemacht, Junker? (_geht
  • schnell ab._)
  • ~Amalia~ (_aufspringend, ihm nach._) Bleib, bleib! Was waren seine
  • letzten Worte?
  • ~Herrmann~ (_zurückrufend._) Sein letzter Seufzer war Amalia. (_ab._)
  • ~Amalia.~ Sein letzter Seufzer war Amalia! -- Nein, du bist kein
  • Betrüger! So ist es wahr -- wahr -- er ist tod! -- tod! -- (_hin und
  • her taumelnd, bis sie umsinkt._) tod -- Karl ist tod --
  • ~Franz.~ Was seh' ich? Was steht da auf dem Schwerdt? geschrieben mit
  • Blut -- Amalia!
  • ~Amalia.~ Von ihm?
  • ~Franz.~ Seh' ich recht, oder träum ich? Siehe da mit blutiger Schrift:
  • ~Franz, verlaß meine Amalia nicht!~ Sieh doch, sieh doch! und auf der
  • andern Seite: ~Amalia! deinen Eid zerbrach der allgewaltige Tod.~ --
  • Siehst du nun, siehst du nun? Er schrieb's mit erstarrender Hand,
  • schrieb's mit dem warmen Blut seines Herzens, schrieb's an der Ewigkeit
  • feyerlichem Rande! sein fliehender Geist verzog, Franz und Amalia noch
  • zusammen zu knüpfen.
  • ~Amalia.~ Heiliger Gott! es ist seine Hand. -- Er hat mich nie geliebt!
  • (_schnell ab._)
  • ~Franz~ (_auf den Boden stampfend._) Verzweifelt! meine ganze Kunst
  • erliegt an dem Starrkopf.
  • ~D. a. Moor.~ Wehe, Wehe! Verlaß mich nicht, meine Tochter! -- Franz,
  • Franz! gib mir meinen Sohn wieder!
  • ~Franz.~ Wer war's, der ihm den Fluch gab? Wer war's, der seinen Sohn
  • jagte in Kampf und Tod und Verzweiflung? -- oh! er war ein Engel! ein
  • Kleinod des Himmels. Fluch über seine Henker! Fluch, Fluch über euch
  • selber! --
  • ~D. a. Moor~ (_schlägt mit geballter Faust wider Brust und Stirn._) Er
  • war ein Engel, war Kleinod des Himmels! Fluch, Fluch, Verderben, Fluch
  • über mich selber! Ich bin der Vater, der seinen grosen Sohn erschlug.
  • Mich liebt' er bis in den Tod! mich zu rächen, rannte er in Kampf und
  • Tod! Ungeheuer, Ungeheuer! (_wüthet wider sich selber._)
  • ~Franz.~ Er ist dahin, was helfen späte Klagen? (_hönisch lachend._)
  • Es ist leichter morden, als lebendig machen. Ihr werdet ihn nimmer aus
  • seinem Grabe zurückholen.
  • ~D. a. Moor.~ Nimmer, nimmer, nimmer aus dem Grabe zurückholen!
  • Hin, verloren auf ewig! -- Und du hast mir den Fluch aus dem Herzen
  • geschwäzt, du -- du -- Meinen Sohn mir wieder!
  • ~Franz.~ Reizt meinen Grimm nicht. Ich verlaß euch im Tode! --
  • ~D. a. Moor.~ Scheusal! Scheusal! schaff mir meinen Sohn wieder!
  • (_fährt aus dem Sessel, will Franzen an der Gurgel fassen, der ihn
  • zurück schleudert._)
  • ~Franz.~ Kraftlose Knochen! ihr wagt es -- sterbt! verzweifelt! (_ab._)
  • Der alte Moor.
  • Tausend Flüche donnern dir nach! Du hast mir meinen Sohn aus den Armen
  • gestohlen (_voll Verzweiflung hin und her geworfen im Sessel._) Wehe,
  • Wehe! Verzweifeln, aber nicht sterben! -- Sie fliehen, verlassen mich
  • im Tode -- meine gute Engel fliehen von mir, weichen alle die Heilige
  • vom eisgrauen Mörder -- Wehe! Wehe! will mir keiner das Haupt halten,
  • will keiner die ringende Seele entbinden? Keine Söhne! keine Töchter!
  • keine Freunde! -- Menschen nur -- will keiner, allein -- verlassen --
  • Wehe! Wehe! -- Verzweifeln, aber nicht sterben!
  • Amalia (_mit verweinten Augen._)
  • ~D. a. Moor.~ Amalia! Bote des Himmels! Kommst du, meine Seele zu lösen?
  • ~Amalia~ (_mit sanfterem Ton._) Ihr habt einen herrlichen Sohn
  • verloren.
  • ~D. a. Moor.~ ~Ermordet~ willst du sagen. Mit diesem Zeugnis belastet
  • tret ich vor den Richterstuhl Gottes.
  • ~Amalia.~ Nicht also, jammervoller Greis! der himmlische Vater rückt'
  • ihn zu sich. Wir wären zu glücklich gewesen auf dieser Welt. -- Droben,
  • droben über den Sonnen -- Wir seh'n ihn wieder.
  • ~D. a. Moor.~ Wiedersehen, wiedersehen! Oh es wird mir durch die Seele
  • schneiden ein Schwerdt -- Wenn ich ein Heiliger ihn unter den Heiligen
  • finde -- mitten im Himmel werden durch mich schauern Schauer der Hölle!
  • Im Anschauen des Unendlichen mich zermalmen die Erinnerung: Ich hab
  • meinen Sohn ermordet!
  • ~Amalia.~ Oh, er wird euch die Schmerz-Erinnerung aus der Seele
  • lächeln, seyd doch heiter, lieber Vater! ich bin's so ganz. Hat er
  • nicht schon den himmlischen Hörern den Namen Amalia vorgesungen auf der
  • seraphischen Harfe, und die himmlischen Hörer lispelten leise ihn nach?
  • Sein letzter Seufzer war ja, Amalia! wird nicht sein erster Jubel,
  • Amalia! seyn?
  • ~D. a. Moor.~ Himmlischer Trost quillt von deinen Lippen! Er wird mir
  • lächeln, sagst du? Vergeben? du must bey mir bleiben, Geliebte meines
  • Karls, wenn ich sterbe.
  • ~Amalia.~ Sterben ist Flug in seine Arme. Wohl euch! Ihr seyd zu
  • beneiden. Warum sind diese Gebeine nicht mürb? Warum diese Haare nicht
  • grau? Wehe über die Kräfte der Jugend! Willkommen, du markloses Alter!
  • näher gelegen dem Himmel und meinem Karl.
  • Franz (_tritt auf._)
  • ~D. a. Moor.~ Tritt her, mein Sohn! Vergib mir, wenn ich vorhin zu hart
  • gegen dich war! ich vergebe dir alles. Ich möchte so gern im Frieden
  • den Geist aufgeben.
  • ~Franz.~ Habt ihr genug, um euren Sohn geweint? so viel ich sehe, habt
  • ihr nur einen.
  • ~D. a. Moor.~ Jakob hatte der Söhne zwölf, aber um seinen Joseph hat er
  • blutige Thränen geweint.
  • ~Franz.~ Hum!
  • ~D. a. Moor.~ Geh, nimm die Bibel, meine Tochter, und lies mir die
  • Geschichte Jakobs und Josephs! Sie hat mich immer so gerührt, und
  • damals bin ich noch nicht Jakob gewesen.
  • ~Amalia.~ Welches soll ich euch lesen? (_nimmt die Bibel und blättert._)
  • ~D. a. Moor.~ Lis mir den Jammer des Verlassenen, als er ihn nimmer
  • unter seinen Kindern fand -- und vergebens sein harrte im Kreis seiner
  • eilfe -- und sein Klage-Lied, als er vernahm; sein Joseph sey ihm
  • genommen auf ewig --
  • ~Amalia.~ (_liest._) »Da nahmen sie Josephs Rock, und schlachteten
  • einen Ziegenbock, und tauchten den Rock in das Blut, und schickten den
  • bunten Rock hin, und liessen ihn ihrem Vater bringen, und sagen: Diesen
  • haben wir funden, siehe, ob's deines Sohnes Rock sey, oder nicht?
  • (_Franz geht plötzlich hinweg._) Er kannte ihn aber und sprach: Es ist
  • meines Sohnes Rock, ein böses Thier hat ihn gefressen, ein reissend
  • Thier hat Joseph zerrissen,«--
  • ~D. a. Moor~ (_fällt auf's Kissen zurück._) Ein reissend Thier hat
  • Joseph zerrissen!
  • ~Amalia~ (_liest weiter._) »Und Jakob zerriß seine Kleider, und legte
  • einen Sack um seine Lenden, und trug Leide um seinen Sohn lange Zeit,
  • und all' seine Söhne und Töchter traten auf, daß sie ihn trösteten,
  • aber er wollte sich nicht trösten lassen und sprach: Ich werde mit Leid
  • hinunterfahren --«
  • ~D. a. Moor.~ Hör auf, hör auf! Mir wird sehr übel.
  • ~Amalia~ (_hinzuspringend, läßt das Buch fallen._) Hilf Himmel! Was ist
  • das?
  • ~D. a. Moor.~ Das ist der Tod! -- Schwarz -- schwimmt -- vor meinen --
  • Augen -- ich bitt dich -- ruf dem Pastor -- daß er mir -- das Abendmahl
  • reiche -- Wo ist -- mein Sohn Franz?
  • ~Amalia.~ Er ist geflohen! Gott erbarme sich unser!
  • ~D. a. Moor.~ Geflohen -- geflohen von des Sterbenden Bett? -- -- Und
  • das all' -- all' -- von zwey Kindern voll Hoffnung -- du hast sie --
  • gegeben -- hast sie -- genommen -- -- dein Name sey -- --
  • ~Amalia~ (_mit einem plötzlichen Schrey._) Tod! alles Tod! (_ab in
  • Verzweiflung._)
  • Franz (_hüpft frohlockend herein._)
  • ~Tod~, schreyen sie, ~tod~! Itzt bin ich ~Herr~. Im ganzen Schlosse
  • zettert es, ~tod~! -- Wie aber, ~schläft~ er vielleicht nur? --
  • freylich, ach freylich! das ist nun freylich ein Schlaf, wo es ewig
  • niemals, Guten Morgen, heißt -- Schlaf und Tod sind nur Zwillinge.
  • Wir wollen einmal die Namen wechseln! Wakerer, willkommener Schlaf!
  • Wir wollen dich Tod heissen! (_Er drückt ihm die Augen zu._) Wer wird
  • nun kommen, und es wagen, mich vor Gericht zu fordern? oder mir in's
  • Angesicht zu sagen: du bist ein ~Schurke~! Weg dann mit dieser lästigen
  • Larve von Sanftmuth und Tugend! Nun sollt ihr den nakten Franz sehen,
  • und euch entsetzen! Mein Vater überzuckerte seine Forderungen, schuf
  • sein Gebieth zu einem Familienzirkel um, sas liebreich lächelnd am
  • Thor, und grüßte sie Brüder und Kinder. -- Meine Aug-Braunen sollen
  • über euch herhangen wie Gewitter-Wolken, mein herrischer Name schweben
  • wie ein drohender Komet über diesen Gebirgen, meine Stirne soll euer
  • Wetterglas seyn! Er streichelte und koßte den Nacken, der gegen ihn
  • störrig zurück schlug. Streicheln und Kosen ist meine Sache nicht. Ich
  • will euch die zackichte Sporen in's Fleisch hauen, und die scharfe
  • Geißel versuchen. -- In meinem Gebiet soll's so weit kommen, daß
  • Kartoffeln und dünn Bier ein Traktament für Festtage werden, und wehe
  • dem, der mir mit vollen feurigen Backen unter die Augen tritt! Blässe
  • der Armuth und sclavischen Furcht sind meine Leibfarbe: in diese
  • Liverey will ich euch kleiden!
  • (_Er geht ab._)
  • Dritte Scene.
  • Die böhmischen Wälder.
  • Spiegelberg, Razmann, Räuberhaufen.
  • ~Razmann.~ Bist da? bists wirklich? So laß dich doch zu Brey zusammen
  • drucken, lieber Herzens-Bruder Moriz! Willkommen in den Böhmischen
  • Wäldern! Bist ja gros worden und stark. Stern-Kreuz-Bataillon! Bringst
  • ja Rekruten mit einen ganzen Trieb, du trefflicher Werber!
  • ~Spiegelberg.~ Gelt Bruder? Gelt? Und das ganze Kerl darzu! -- du
  • glaubst nicht, Gottes sichtbarer Seegen ist bey mir, war dir ein
  • armer hungriger Tropf, hatte nichts als diesen Stab, da ich über den
  • Jordan gieng, und itzt sind unserer acht und siebenzig, meistens
  • ruinirte Krämer, rejicirte Magister und Schreiber aus den schwäbischen
  • Provinzen, das ist dir ein Korps Kerles, Bruder, deliciöse Bursche,
  • sag ich dir, wo als einer dem andern die Knöpfe von den Hosen stihlt,
  • und mit geladener Flinte neben ihm sicher ist -- und haben voll auf,
  • und stehen dir in einem Renommee vierzig Meilen weit, das nicht zu
  • begreifen ist. Da ist dir keine Zeitung, wo du nicht ein Artikelchen
  • von dem Schlaukopf Spiegelberg wirst getroffen haben, ich halte sie
  • mir auch pur deswegen -- vom Kopf bis zun Füssen haben sie mich dir
  • hingestellt, du meynst, du sehst mich, -- so gar meine Rokknöpfe haben
  • sie nicht vergessen. Aber wir führen sie erbärmlich am Narrenseil
  • herum. Ich geh lezthin in die Druckerey, geb vor, ich hätte den
  • berüchtigten Spiegelberg gesehn, und diktir einem Skrizler, der dort
  • sas, das leibhafte Bild von einem dortigen Wurmdoktor in die Feder,
  • das Ding kommt um, der Kerl wird eingezogen, par force inquirirt, und
  • in der Angst und in der Dummheit gesteht er dir, hol mich der Teufel!
  • gesteht dir, ~er sey der Spiegelberg~ -- Donner und Wetter! ich war
  • eben auf dem Sprung, mich beym Magistrat anzugeben, daß die Kanaille
  • mir meinen Namen so verhunzen soll -- wie ich sage, drey Monath d'rauf
  • hangt er. Ich mußte nachher eine derbe Prise Toback in die Nase reiben,
  • als ich am Galgen vorbeyspatzierte, und den Pseudo-Spiegelberg in
  • seiner Glorie da paradiren sah -- und unterdessen daß Spiegelberg
  • hangt, schleicht sich Spiegelberg ganz sachte aus den Schlingen, und
  • deutet der superklugen Gerechtigkeit hinterrucks Eselsohren, daß's zum
  • Erbarmen ist.
  • ~Razmann~ (_lacht._) Du bist eben noch immer der alte.
  • ~Spiegelberg.~ Das bin ich, wie du siehst, an Leib und Seel.
  • Narr! einen Spaß muß ich dir doch erzählen, den ich neulich im
  • Cäcilien-Kloster angerichtet habe. Ich treffe das Kloster auf meiner
  • Wanderschaft so gegen die Dämmerung, und da ich eben den Tag noch keine
  • Patrone verschossen hatte, du weist, ich hasse das =diem perdidi= auf
  • den Tod, so mußte die Nacht noch durch einen Streich verherrlicht
  • werden, und sollt's dem Teufel um ein Ohr gelten! Wir halten uns
  • ruhig, bis in die späte Nacht. Es wird mausstill. Die Lichter gehen
  • aus. Wir denken die Nonnen könnten itzt in den Federn seyn. Nun nehm'
  • ich meinen Kameraden Grimm mit mir, heis' die andern warten vorm
  • Thor, bis sie mein Pfeifchen hören würden, -- versicherte mich des
  • Klosterwächters, nehm' ihm die Schlüssel ab, schleich' mich hinein, wo
  • die Mägde schliefen, praktizier ihnen die Kleider weg, und heraus mit
  • dem Pack zum Thor. Wir gehn weiter von Zelle zu Zelle, nehmen einer
  • Schwester nach der andern die Kleider, endlich auch der Aebtissin.
  • -- Itzt pfeif ich, und meine Kerls draussen fangen an zu stürmen und
  • zu hasseliren als käm der jüngste Tag, und hinein mit pestialischem
  • Gepolter in die Zellen der Schwestern! -- hahaha! -- da hättest du die
  • Hatz sehen sollen, wie die armen Thiergen in der Finstere nach ihren
  • Röcken tappten, und sich jämmerlich geberdeten, wie sie zum Teufel
  • waren, und wir indeß wie alle Donnerwetter zugesetzt, und wie sie sich
  • vor Schreck und Bestürzung in Bettlaken wickelten, oder unter den Ofen
  • zusammenkrochen wie Katzen, andere in der Angst ihres Herzens die Stube
  • so besprenzten, daß du hättest das Schwimmen darinnen lernen können,
  • und das erbärmliche Gezetter und Lamento, und endlich gar die alte
  • Schnurre die Aebtissin, angezogen wie Eva ~vor~ dem Fall -- du weist,
  • Bruder, daß mir auf diesem weiten Erdenrund kein Geschöpf so zuwider
  • ist, als eine ~Spinne~ und ~ein altes Weib~, und nun denk' dir einmal
  • die schwarzbraune, runzlichte, zottige Vettel vor mir herumtanzen,
  • mich bey ihrer jungfräulichen Sittsamkeit beschwören -- alle Teufel!
  • ich hatte schon den Ellenbogen angesetzt, ihr die übriggebliebenen
  • ~wenigen edlen~ vollends in den Mastdarm zu stossen -- kurz resolvirt!
  • entweder heraus mit dem Silbergeschirr, mit dem Klosterschatz und allen
  • den blanken Thälerchen, oder -- meine Kerls verstanden mich schon --
  • ich sage dir, ich hab' aus dem Kloster mehr dann tausend Thaler Werths
  • geschleift, und den Spaß obendrein, und meine Kerls haben ihnen ein
  • Andenken hinterlassen, sie werden ihre neun Monathe dran zu schleppen
  • haben.
  • ~Razmann.~ (_auf den Boden stampfend._) Daß mich der Donner da weg
  • hatte.
  • ~Spiegelberg.~ Siehst du? Sag' du mehr, ob das kein Luder-Leben
  • ist? und dabey bleibt man frisch und stark, und das Korpus ist noch
  • beysammen, und schwillt dir stündlich wie ein Prälats-Bauch -- ich
  • weiß nicht, ich muß was magnetisches an mir haben, das dir alles
  • Lumpengesindel auf Gottes Erdboden anzieht wie Stahl und Eisen.
  • ~Razmann.~ Schöner Magnet du! Aber so möcht' ich Henkers doch wissen,
  • was für Hexereyen du brauchst --
  • ~Spiegelberg.~ Hexereyen? Braucht keiner Hexereyen -- Kopf mußt du
  • haben! Ein gewisses praktisches Judicium, das man freilich nicht in
  • der Gerste frißt -- denn siehst du, ich pfleg' immer zu sagen: einen
  • honnetten Mann kann man aus jedem Weidenstozen formen, aber zu einem
  • Spitzbuben will's Grüz -- auch gehört dazu ein eignes National-Genie,
  • ein gewisses, daß ich so sage, ~Spitzbuben-Klima~, und da rath' ich
  • dir, reis' du ins Graubündner-Land, das ist das Athen der heutigen
  • Gauner.
  • ~Razmann.~ Bruder! man hat mir überhaupt das ganze Italien gerühmt.
  • ~Spiegelberg.~ Ja ja! man muß niemand sein Recht vorenthalten, Italien
  • weist auch seine Männer auf, und wenn Deutschland so fortmacht, wie
  • es bereits auf dem Weg ist, und die Bibel vollends hinaus votirt, wie
  • es die glänzendsten Aspekten hat, so kann mit der Zeit auch noch aus
  • Deutschland was Gutes kommen, -- überhaupt aber, muß ich dir sagen,
  • macht das Klima nicht sonderlich viel, das Genie kommt überall fort,
  • und das übrige, Bruder -- ein Holzapfel, weist du wohl, wird im
  • Paradies-Gärtlein selber ewig keine Ananas -- aber daß ich dir weiter
  • sage, -- wo bin ich stehen geblieben?
  • ~Razmann.~ Bey den Kunstgriffen!
  • ~Spiegelberg.~ Ja recht, bey den Kunstgriffen. So ist dein erstes,
  • wenn du in die Stadt kommst, du ziehst bey den Bettelvögten,
  • Stadt-Patrollanten und Zuchtknechten Kundschaft ein, wer so am
  • fleissigsten bey ihnen einspreche, die Ehre gebe, und diese Kunden
  • suchst du auf -- ferner nistest du dich in die Kaffeehäuser,
  • Bordelle, Wirthshäuser ein, spähst, sondirst, wer am meisten über
  • die wohlfeile Zeit, die fünf pro cent, über die einreissende Pest
  • der Policeyverbesserungen schreyt, wer am meisten über die Regierung
  • schimpft, oder wider die Physiognomik eifert und dergleichen Bruder!
  • das ist die rechte Höhe! die Ehrlichkeit wackelt wie ein hohler Zahn,
  • du darfst nur den Pelikan ansetzen, -- oder besser und kürzer: du gehst
  • und wirfst einen vollen Beutel auf die offene Strase, versteckst dich
  • irgendwo, und merkst dir wohl, wer ihn aufhebt -- eine Weile drauf
  • jagst du hinterher, suchst, schreyst, und fragst nur so im Vorbeygehen,
  • haben der Herr nicht etwa einen Geldbeutel gefunden? Sagt er ~ja~? --
  • nun so hat's der Teufel gesehen; leugnet er's aber? der Herr verzeihen
  • -- ich wüßte mich nicht zu entsinnen, -- ich bedaure, (_aufspringend._)
  • Bruder! Triumph, Bruder! Lösch deine Laterne aus, schlauer Diogenes! --
  • du hast deinen Mann gefunden.
  • ~Razmann.~ Du bist ein ausgelernter Prakticus.
  • ~Spiegelberg.~ Mein Gott! als ob ich noch jemals dran gezweifelt hätte
  • -- Nun du deinen Mann in dem Hamen hast, must du's auch fein schlau
  • angreifen, daß du ihn hebst! -- Siehst du, mein Sohn? das hab' ich
  • so gemacht: -- So bald ich einmal die Fährte hatte, hängt' ich mich
  • meinem Kandidaten an wie eine Klette, saufte Brüderschaft mit ihm, und
  • Notabene! Zechfrey must du ihn halten! da geht freylich ein schönes
  • drauf, aber das achtest du nicht -- -- du gehst weiter, du führst ihn
  • in Spiel-Kompagnien und bey liederlichen Menschern ein, verwickelst ihn
  • in Schlägereyen, und schelmische Streiche, bis er an Saft und Kraft und
  • Geld und Gewissen, und gutem Namen bankrut wird, denn incidenter muß
  • ich dir sagen, du richtest nichts aus, wenn du nicht Leib und Seele
  • verderbst -- Glaube mir Bruder! das hab' ich aus meiner starken Praxi
  • wohl fünfzigmal abstrahirt, wenn der ehrliche Mann einmal aus dem Nest
  • gejagt ist, so ist der Teufel Meister -- Der Schritt ist dann so leicht
  • -- o so leicht, als der Sprung von einer Hure zu einer Betschwester. --
  • Horch doch! was für ein Knall war das?
  • ~Razmann.~ Es war gedonnert, nur fortgemacht!
  • ~Spiegelberg.~ Noch ein kürzerer besserer Weg ist der, du plünderst
  • deinem Mann Haus und Hof ab, bis ihm kein Hemd mehr am Leibe hebt,
  • alsdann kommt er dir von selber -- lern mich die Pfiffe nicht Bruder
  • -- frag einmal das Kupfergesicht dort -- Schwere Noth! den hab' ich
  • schön in's Garn gekriegt -- ich hielt ihm vierzig Dukaten hin, die
  • sollt' er haben, wenn er mir seines Herrn Schlüssel in Wachs drücken
  • wollte -- denk einmal! die dumme Bestie thuts, bringt mir, hol mich
  • der Teufel! die Schlüssel, und will itzt das Geld haben -- Monsieur,
  • sagt' ich, weiß er auch, daß ich itzt diese Schlüssel gerades Wegs zum
  • Policey-Lieutenant trage, und ihm ein Logis am lichten Galgen miethe?
  • -- tausend Sakerment! da hättest du den Kerl sehen sollen die Augen
  • aufreissen, und anfangen zu zappeln wie ein nasser Budel -- -- »Ums
  • Himmels willen, hab' der Herr doch Einsicht! ich will -- will --« was
  • will er? will er itzt gleich den Zopf hinaufschlagen und mit mir zum
  • Teufel geh'n? -- »o von Herzen gern, mit Freuden« -- hahaha! guter
  • Schlucker, mit Speck fängt man Mäuse -- lach ihn doch aus, Razmann!
  • hahaha!
  • ~Razmann.~ Ja, ja, ich muß gestehen. Ich will mir diese Lektion mit
  • goldnen Ziffern auf meine Hirntafel schreiben. Der Satan mag seine
  • Leute kennen, daß er dich zu seinem Mäckler gemacht hat.
  • ~Spiegelberg.~ Gelt, Bruder? und ich denke, wenn ich ihm zehen stelle,
  • läßt er mich frey ausgehen -- gibt ja jeder Verleger seinem Sammler
  • das zehente Exemplar gratis, warum soll der Teufel so jüdisch zu Werk
  • gehn? -- Razmann! ich rieche Pulver --
  • ~Razmann.~ Sapperment! ich riech's auch schon lang. -- Gib Acht, es
  • wird in der Näh was gesetzt haben! -- Ja ja! wie ich dir sage, Moriz --
  • du wirst dem Hauptmann mit deinen Rekruten willkommen seyn -- er hat
  • auch schon brave Kerl angelockt.
  • ~Spiegelberg.~ Aber die meinen! die meinen -- Pah --
  • ~Razmann.~ Nun ja! sie mögen hübsche Fingerchen haben -- aber ich
  • sage dir, der Ruf unsers Hauptmanns hat auch schon ehrliche Kerls in
  • Versuchung geführt.
  • ~Spiegelberg.~ Ich will nicht hoffen.
  • ~Razmann.~ Sans Spaß! und sie schämen sich nicht unter ihm zu dienen.
  • Er mordet nicht um des Raubes willen wie wir -- nach dem Geld schien
  • er nicht mehr zu fragen, so bald ers vollauf haben konnte, und selbst
  • sein Drittheil an der Beute, das ihn von Rechtswegen trifft, verschenkt
  • er an Waisenkinder, oder läßt damit arme Jungen von Hoffnung studiren.
  • Aber soll er dir einen Landjunker schröpffen, der seine Bauern wie
  • das Vieh abschindet, oder einen Schurken mit goldnen Borden unter
  • den Hammer kriegen, der die Gesetze falschmünzt, und das Auge der
  • Gerechtigkeit übersilbert, oder sonst ein Herrchen von dem Gelichter --
  • Kerl! da ist er dir in seinem Element, und haußt teufelmäßig, als wenn
  • jede Faser an ihm eine Furie wäre.
  • ~Spiegelberg.~ Hum! hum!
  • ~Razmann.~ Neulich erfuhren wir im Wirthshaus, daß ein reicher Graf
  • von Regensburg durchkommen würde, der einen Proceß von einer Million
  • durch die Pfiffe seines Advokaten durchgesetzt hätte, er saß eben am
  • Tisch und brettelte, -- wie viel sind unserer? frug er mich, indem er
  • hastig aufstand, ich sah ihn die Unterlippe zwischen die Zähne klemmen,
  • welches er nur thut, wenn er am grimmigsten ist -- nicht mehr als fünf!
  • sagt' ich -- es ist genug! sagt' er, warf der Wirthinn das Geld auf
  • den Tisch, ließ den Wein, den er sich hatte reichen lassen, unberührt
  • stehen -- wir machten uns auf den Weg. Die ganze Zeit über sprach er
  • kein Wort, lief abseitwärts und allein, nur daß er uns von Zeit zu
  • Zeit fragte, ob wir noch nichts gewahr worden wären, und uns befahl
  • das Ohr an die Erde zu legen. Endlich so kommt der Graf hergefahren,
  • der Wagen schwer bepakt, der Advokat saß bey ihm drinn, voraus ein
  • Reuter, nebenher ritten zwey Knechte -- da hättest du den Mann sehen
  • sollen, wie er, zwey Terzerolen in der Hand, vor uns her auf den Wagen
  • zusprang! und die Stimme, mit der er rief: Halt! -- der Kutscher, der
  • nicht Halt machen wollte, mußte vom Bock herabtanzen, der Graf schoß
  • aus dem Wagen in den Wind, die Reuter flohen -- dein Geld, Kanaille!
  • rief er donnernd -- er lag wie ein Stier unter dem Beil -- und bist du
  • der Schelm, der die Gerechtigkeit zur feilen Hure macht? Der Advokat
  • zitterte, daß ihm die Zähne klapperten, -- der Dolch stak in seinem
  • Bauch wie ein Pfahl in dem Weinberg -- ich habe das meine gethan! rief
  • er, und wandte sich stolz von uns weg, das Plündern ist eure Sache. Und
  • somit verschwand er in den Wald --
  • ~Spiegelberg.~ Hum, hum! Bruder, was ich dir vorhin erzählt habe,
  • bleibt unter uns, er brauchts nicht zu wissen. Verstehst du?
  • ~Razmann.~ Recht, recht! ich versteh.
  • ~Spiegelberg.~ Du kennst ihn ja! Er hat so seine Grillen. Du verstehst
  • mich.
  • ~Razmann.~ Ich versteh, ich versteh.
  • Schwarz (_in vollem Lauf._)
  • ~Razmann.~ Wer da? was gibts da? Passagiers im Wald?
  • ~Schwarz.~ Hurtig, hurtig! wo sind die andern? -- tausendsakerment! ihr
  • steht da, und plaudert! Wißt ihr denn nicht -- wißt ihr denn gar nicht?
  • -- und Roller --
  • ~Razmann.~ Was dann, was dann?
  • ~Schwarz.~ Roller ist gehangen, noch vier andere mit --
  • ~Razmann.~ Roller? Schwere Noth! seit wann -- woher weist du's?
  • ~Schwarz.~ Schon über drey Wochen sitzt er, und wir erfahren nichts,
  • schon drey Rechtstäge sind über ihn gehalten worden, und wir hören
  • nichts, man hat ihn auf der Tortur examinirt, wo der Hauptmann sey?
  • -- Der wackere Bursche hat nichts bekannt, gestern ist ihm der Proceß
  • gemacht worden, diesen Morgen ist er dem Teufel extra Post zugefahren.
  • ~Razmann.~ Vermaledeyt! weiß es der Hauptmann?
  • ~Schwarz.~ Erst gestern erfährt er's. Er schäumt wie ein Eber. Du
  • weist's, er hat immer am meisten gehalten auf Roller, und nun die
  • ~Tortur erst~ -- Strick und Leiter sind schon an den Thurm gebracht
  • worden, es half nichts, er selbst hat sich schon in Kapuciners-Kutte zu
  • ihm geschlichen, und die Person mit ihm wechseln wollen, Roller schlugs
  • hartnäckig ab, itzt hat er einen Eid geschworen, daß es uns eiskalt
  • über die Leber lief, er wolle ihm eine Todesfackel anzünden, wie sie
  • noch keinem König geleuchtet hat, die ihnen den Buckel braun und blau
  • brennen soll. Mir ist bang für die Stadt. Er hat schon lang eine Pique
  • auf sie, weil sie so schändlich bigott ist, und du weist, wenn er sagt:
  • ich will's thun! so ist's so viel, als wenn's unser einer gethan hat.
  • ~Razmann.~ Das ist wahr! ich kenne den Hauptmann. Wenn er dem Teufel
  • sein Wort drauf gegeben hätte in die Hölle zu fahren, er würde nie
  • beten, wenn er mit einem halben Vater Unser seelig werden könnte! --
  • Aber ach! der arme Roller! -- der arme Roller! --
  • ~Spiegelberg.~ Memento mori! Aber das regt mich nicht an. (_Trillert
  • ein Liedgen._)
  • Geh ich vorbey am Rabensteine,
  • So blinz ich nur das rechte Auge zu,
  • Und denk, du hängst mir wohl alleine,
  • Wer ist ein Narr, ich oder du?
  • ~Razmann~ (_aufspringend._) Horch! Ein Schuß. (_Schießen und Lermen._)
  • ~Spiegelberg.~ Noch einer!
  • ~Razmann.~ Wieder einer! der Hauptmann!
  • (_Hinter der Scene gesungen._)
  • Die Nürnberger henken keinen,
  • Sie hätten ihn denn vor.
  • =Da Capo.=
  • ~Schweizer. Roller.~ (_Hinter der Scene._) Holla ho! Holla ho!
  • ~Razmann.~ Roller! Roller! Holen mich zehn Teufel!
  • ~Schweizer. Roller.~ (_Hinter der Scene._) Razmann! Schwarz!
  • Spiegelberg! Razmann!
  • ~Razmann.~ Roller! Schweizer! Bliz, Donner, Hagel und Wetter! (_Fliegen
  • ihm entgegen._)
  • Räuber Moor (_zu Pferd._)
  • Schweizer. Roller. Grimm. Schufterle.
  • Räubertrupp (_mit Koth und Staub bedeckt, treten auf._)
  • ~Räuber Moor~ (_vom Pferd springend._) Freyheit! Freyheit! -- -- du
  • bist im Trocknen, Roller! -- Führ meinen Rappen ab, Schweizer, und
  • wasch ihn mit Wein. (_Wirft sich auf die Erde._) Das hat gegolten!
  • ~Razmann~ (_zu Roller._) Nun bey der Feueresse des Pluto's! bist du vom
  • Rad auferstanden?
  • ~Schwarz.~ Bist du sein Geist? oder bin ich ein Narr? oder bist du's
  • wirklich?
  • ~Roller~ (_in Athem._) Ich bins. Leibhaftig. Ganz. Wo glaubst du, daß
  • ich herkomme?
  • ~Schwarz.~ Da frag die Hexe! der Stab war schon über dich gebrochen.
  • ~Roller.~ Das war er freylich, und noch mehr. Ich komme recta vom
  • Galgen her. Laß mich nur erst zu Athem kommen. Der Schweizer wird dir
  • erzählen. Gebt mir ein Glas Brandtenwein! -- du auch wieder da, Moriz?
  • Ich dachte dich wo anders wieder zu sehen -- gebt mir doch ein Glas
  • Brandtenwein! meine Knochen fallen auseinander -- o mein Hauptmann! wo
  • ist mein Hauptmann?
  • ~Schwarz.~ Gleich, gleich! -- so sag doch, so schwäz doch! wie bist
  • du davon kommen? wie haben wir dich wieder? der Kopf geht mir um. Vom
  • Galgen her, sagst du?
  • ~Roller~ (_stürzt eine Flasche Brandtenwein hinunter._) Ah, das
  • schmeckt, das brennt ein! -- gerades Wegs vom Galgen her! sag ich. Ihr
  • steht da, und gafft, und könnt's nicht träumen -- ich war auch nur drey
  • Schritte von der Sakerments-Leiter, auf der ich in den Schoos Abrahams
  • steigen sollte -- so nah, so nah -- war dir schon mit Haut und Haar auf
  • die Anatomie verhandelt! hättest mein Leben um'n Prise Schnupftaback
  • haben können, dem Hauptmann dank ich Luft, Freyheit und Leben.
  • ~Schweizer.~ Es war ein Spaß, der sich hören läßt. Wir hatten den Tag
  • vorher durch unsre Spionen Wind gekriegt, der Roller liege tüchtig im
  • Salz, und wenn der Himmel nicht bey Zeit noch einfallen wollte, so
  • werde er morgen am Tag -- das war als heut -- den Weg alles Fleisches
  • gehen müssen -- Auf! sagt der Hauptmann, was wiegt ein Freund nicht?
  • -- Wir retten ihn, oder retten ihn nicht, so wollen wir ihm wenigstens
  • doch eine Todesfackel anzünden, wie sie noch keinem König geleuchtet
  • hat, die ihnen den Buckel braun und blau brennen soll. Die ganze Bande
  • wird aufgeboten. Wir schicken einen Expressen an ihn, der's ihm in
  • einem Zettelchen beybrachte, das er ihm in die Suppe warf.
  • ~Roller.~ Ich verzweifelte an dem Erfolg.
  • ~Schweizer.~ Wir paßten die Zeit ab, bis die Passagen leer waren.
  • Die ganze Stadt zog dem Spektakel nach, Reuter und Fußgänger durch
  • einander und Wagen, der Lerm und der Galgen-Psalm jolten weit. Izt,
  • sagt der Hauptmann, brennt an, brennt an! Die Kerl flogen wie Pfeile,
  • steckten die Stadt an drey und dreysig Eken zumal in Brand, werfen
  • feurige Lunten in die Nähe des Pulverthurms, in Kirchen und Scheunen --
  • Morbleu es war keine Viertelstunde vergangen, der Nord-Ost-Wind, der
  • auch seinen Zahn auf die Stadt haben muß, kam uns trefflich zu statten,
  • und half die Flamme bis hinauf in die obersten Gibel jagen. Wir indeß
  • Gasse auf Gasse nieder, wie Furien -- Feuerjo! Feuerjo! durch die ganze
  • Stadt -- Geheul, -- Geschrey -- Gepolter -- fangen an die Brandglocken
  • zu brummen, knallt der Pulverthurm in die Luft, als wär die Erde mitten
  • entzwey geborsten, und der Himmel zerplazt, und die Hölle zehntausend
  • Klafter tiefer versunken.
  • ~Roller.~ Und itzt sah mein Gefolge zurück -- da lag die Stadt wie
  • Gomorrha und Sodom, der ganze Horizont war Feuer, Schwefel und Rauch,
  • vierzig Gebürge brüllen den infernalischen Schwank in die Rund herum
  • nach, ein panischer Schreck schmeißt alle zu Boden -- itzt nutz ich
  • den Zeitpunkt, und risch, wie der Wind! -- ich war losgebunden, so
  • nah war's dabey -- da meine Begleiter versteinert wie Loths Weib
  • zurückschaun, Reißaus! zerrissen die Haufen! davon! Sechzig Schritte
  • weg werf ich die Kleider ab, stürze mich in den Fluß, schwimm unter'm
  • Wasser fort, bis ich glaubte ihnen aus dem Gesichte zu seyn. Mein
  • Hauptmann schon parat mit Pferden und Kleidern -- so bin ich entkommen.
  • Moor! Moor! möchtest du bald auch in den Pfeffer gerathen, daß ich dir
  • gleiches mit gleichem vergelten kann!
  • ~Razmann.~ Ein bestialischer Wunsch, für den man dich hängen sollte --
  • aber es war ein Streich zum Zerplatzen.
  • ~Roller.~ Es war Hülfe in der Noth, ihr könnt's nicht schäzen. Ihr
  • hättet sollen -- den Strick um den Hals -- mit lebendigem Leib zu
  • Grabe marschiren wie ich, und die sakermentalischen Anstalten und
  • Schinders-Ceremonien, und mit jedem Schritt, den der scheue Fuß
  • vorwärts wankte, näher und fürchterlich näher die verfluchte Maschine,
  • wo ich einlogirt werden sollte, im Glanz der schröcklichen Morgensonne
  • steigend, und die laurenden Schinders-Knechte, und die gräßliche Musik
  • -- noch raunt sie in meinen Ohren -- und das Gekrächz hungriger Raben,
  • die an meinem halbfaulen Antezessor zu dreysigen hiengen, und das
  • alles, alles -- und obendrein noch der Vorschmack der Seeligkeit, die
  • mir blühete! -- Bruder, Bruder! und auf einmal die Losung zur Freyheit
  • -- Es war ein Knall, als ob dem Himmelfaß ein Raif gesprungen wäre --
  • hört Kanaillen! ich sag euch, wenn man aus dem glühenden Ofen in's
  • Eiswasser springt, kann man den Abfall nicht so stark fühlen als ich,
  • da ich am andern Ufer war.
  • ~Spiegelberg~ (_lacht._) Armer Schlucker! nun ist's ja verschwitzt.
  • (_trinkt ihm zu._) Zur glücklichen Wiedergeburt!
  • ~Roller~ (_wirft sein Glas weg._) Nein, bey allen Schäzen des Mammons!
  • ich möchte das nicht zum zweytenmal erleben. Sterben ist etwas mehr als
  • Harlequins-Sprung, und Todes-Angst ist ärger als Sterben.
  • ~Spiegelberg.~ Und der hüpfende Pulverthurm -- merkst du's izt,
  • Razmann? -- d'rum stank auch die Luft so nach Schwefel, stundenweit,
  • als würde die ganze Garderobe des Molochs unter dem Firmament
  • ausgelüftet -- es war ein Meisterstreich, Hauptmann! ich beneide dich
  • d'rum.
  • ~Schweizer.~ Macht sich die Stadt eine Freude daraus, meinen Kameraden
  • wie ein verheztes Schwein abthun zu sehen, was, zum Henker! sollen wir
  • uns ein Gewissen daraus machen, unserem Kameraden zulieb die Stadt
  • drauf gehen zu lassen? Und neben her hatten unsere Kerls noch das
  • gefundene Fressen, über den alten Kaiser zu plündern. -- Sagt einmal!
  • Was habt ihr weggekapert?
  • ~Einer von der Bande.~ Ich hab mich während des Durcheinanders in die
  • Stephans-Kirche geschlichen und die Borden vom Altar-Tuch abgetrennt,
  • der liebe Gott da, sagt' ich, ist ein reicher Mann, und kann ja
  • Goldfäden aus einem Batzenstrick machen.
  • ~Schweizer.~ Du hast wohl gethan -- was soll auch der Plunder in einer
  • Kirche? Sie tragens dem Schöpfer zu, der über den Trödelkram lachet,
  • und seine Geschöpfe dörfen verhungern. -- Und du Spangeler -- wo hast
  • du dein Netz ausgeworfen?
  • ~Ein zweyter.~ Ich und Bügel haben einen Kaufladen geplündert und
  • bringen Zeug für unser funfzig mit.
  • ~Ein Dritter.~ Zwey gold'ne Sackuhren hab ich weggebixt, und ein
  • Dutzend silberne Löffel dazu.
  • ~Schweizer.~ Gut, gut. Und wir haben ihnen ein's angerichtet, d'ran
  • sie vierzeh'n Tage werden zu löschen haben. Wenn sie dem Feuer wehren
  • wollen, so müssen sie die Stadt durch Wasser ruiniren -- Weist du
  • nicht, Schufterle, wie viel es Todte gesetzt hat?
  • ~Schufterle.~ Drey und achtzig sagt man. Der Thurm allein hat ihrer
  • sechszig zu Staub zerschmettert.
  • ~Räuber Moor~ (_sehr ernst._) Roller, du bist theuer bezahlt.
  • ~Schufterle.~ Pah! pah! was heißt aber das? -- ja, wenn's Männer
  • gewesen wären -- aber da warens Wikelkinder, die ihre Lacken vergolden,
  • eingeschnurrte Müttergen, die ihnen die Müken wehrten, ausgedörrte
  • Ofenhocker, die keine Thüre mehr finden konnten -- Patienten, die
  • nach dem Doktor winselten, der in seinem gravitätischen Trab der Hatz
  • nachgezogen war -- Was leichte Beine hatte, war ausgeflogen der Komödie
  • nach, und nur der Bodensatz der Stadt blieb zurück, die Häuser zu hüten.
  • ~Moor.~ Oh der armen Gewürme! Kranke, sagst du, Greise und Kinder? --
  • ~Schufterle.~ Ja zum Teufel! und Kindbetterinnen darzu, und
  • hochschwangere Weiber, die befürchteten, unterm lichten Galgen zu
  • abortiren, junge Frauen, die besorgten sich an den Schinders-Stückchen
  • zu versehen, und ihrem Kind im Mutterleib den Galgen auf den Buckel zu
  • brennen -- Arme Poeten, die keinen Schuh anzuziehen hatten, weil sie
  • ihr einziges Paar in die Mache gegeben, und was das Hundsgesindel mehr
  • ist, es lohnt sich der Mühe nicht, daß man davon redet. Wie ich von
  • ungefehr so an einer Barake vorbeygehe, hör ich drinnen ein Gezetter,
  • ich guk hinein, und wie ich's beym Licht besehe, was war's? Ein Kind
  • war's, noch frisch und gesund, das lag auf dem Boden unter'm Tisch,
  • und der Tisch wollte eben angehen, -- Armes Thiergen! sagt' ich, du
  • verfrierst ja hier, und warf's in die Flamme --
  • ~Moor.~ Wirklich, Schufterle? -- Und diese Flamme brenne in deinem
  • Busen, bis die Ewigkeit grau wird! -- Fort Ungeheuer! Laß dich nimmer
  • unter meiner Bande sehen! Murrt ihr? -- Ueberlegt ihr? -- Wer überlegt,
  • wann Ich befehle? -- Fort mit ihm, sag ich, -- es sind noch mehr unter
  • euch, die meinem Grimm reif sind. Ich kenne dich, Spiegelberg. Aber ich
  • will nächstens unter euch treten, und fürchterlich Musterung halten.
  • (_Sie gehen zitternd ab._)
  • Moor (_allein heftig auf- und abgehend._)
  • Höre sie nicht, Rächer im Himmel! -- Was kann ich dafür? Was kannst du
  • dafür, wenn deine Pestilenz, deine Theurung, deine Wasserfluten, den
  • Gerechten mit dem Bösewicht auffressen? Wer kann der Flamme befehlen,
  • daß sie nicht auch durch die gesegneten Saaten wüte, wenn sie das
  • Genist der Hornissel zerstören soll? -- O pfui, über den Kinder-Mord!
  • den Weiber-Mord -- den Kranken-Mord! Wie beugt mich diese That! Sie
  • hat meine schönsten Werke vergiftet -- da steht der Knabe, schaamroth
  • und ausgehöhnt vor dem Auge des Himmels, der sich anmaßte mit Jupiters
  • Keule zu spielen, und Pygmeen niederwarf, da er Titanen zerschmettern
  • sollte -- geh, geh! du bist der Mann nicht, das Rachschwerdt des
  • obern Tribunals zu regieren, du erlagst bey dem ersten Griff -- hier
  • entsag' ich dem frechen Plan, gehe, mich in irgend eine Kluft der Erde
  • zu verkriechen, wo der Tag vor meiner Schande zurücktritt. (_er will
  • fliehen._)
  • Räuber (_eilig._)
  • Sieh dich vor, Hauptmann! Es spukt! Ganze Haufen böhmischer Reuter
  • schwadroniren im Holz herum -- der höllische Blaustrumpf muß ihnen
  • verträtscht haben --
  • Neue Räuber.
  • Hauptmann, Hauptmann! Sie haben uns die Spur abgelauert -- rings ziehen
  • ihrer etliche Tausend einen Kordon um den mittlern Wald.
  • Neue Räuber.
  • Weh, weh, weh! Wir sind gefangen, gerädert, wir sind geviertheilt!
  • Viele tausend Husaren, Dragoner und Jäger sprengen um die Anhöhe, und
  • halten die Luft-Löcher besetzt.
  • (_Moor geht ab._)
  • Schweizer. Grimm. Roller. Schwarz. Schufterle. Spiegelberg. Razmann.
  • Räubertrupp.
  • ~Schweizer.~ Haben wir sie aus den Federn geschüttelt? Freu
  • dich doch, Roller! Das hab ich mir lange gewünscht, mich mit so
  • Kommis-Brod-Rittern herumzuhauen -- wo ist der Hauptmann? Ist die
  • ganze Bande beysammen? Wir haben doch Pulver genug?
  • ~Razmann.~ Pulver die schwere Meng. Aber unser sind achtzig in allem,
  • und so immer kaum einer gegen ihrer zwanzig.
  • ~Schweizer.~ Desto besser! und laß es fünfzig gegen meinen grossen
  • Nagel seyn -- Haben sie so lang gewartet, bis wir ihnen die Streu
  • unterm Arsch angezündet haben -- Brüder, Brüder! so hat's keine Noth.
  • Sie sezen ihr Leben an zehen Kreuzer, fechten wir nicht für Hals und
  • Freyheit? -- Wir wollen über sie her wie die Sündflut, und auf ihre
  • Köpfe herabfeuren wie Wetterleuchten -- Wo zum Teufel! ist dann der
  • Hauptmann?
  • ~Spiegelberg.~ Er verläßt uns in dieser Noth. Können wir denn nicht
  • mehr entwischen?
  • ~Schweizer.~ Entwischen?
  • ~Spiegelberg.~ Oh! Warum bin ich nicht geblieben in Jerusalem.
  • ~Schweizer.~ So wollt' ich doch, daß du im Kloak erstiktest, Drekseele
  • du! Bey nakten Nonnen hast du ein grosses Maul, aber wenn du zwey
  • Fäuste siehst, -- Memme, zeige dich itzt, oder man soll dich in eine
  • Sauhaut nähen, und durch Hunde verhetzen lassen.
  • ~Razmann.~ Der Hauptmann, der Hauptmann!
  • Moor (_langsam vor sich._)
  • ~Moor.~ Ich habe sie vollends ganz einschliessen lassen, itzt müssen
  • sie fechten wie Verzweifelte. (_Laut._) Kinder! Nun gilts! Wir sind
  • verloren, oder wir müssen fechten wie angeschossene Eber.
  • ~Schweizer.~ Ha! ich will ihnen mit meinen Fangern den Bauch schlizen,
  • daß ihnen die Kutteln schuhlang herausplatzen! -- Führ uns an,
  • Hauptmann! Wir folgen dir in den Rachen des Todes.
  • ~Moor.~ Ladet alle Gewehre! Es fehlt doch an Pulver nicht?
  • ~Schweizer~ (_springt auf._) Pulver genug, die Erde gegen den Mond zu
  • sprengen!
  • ~Razmann~. Jeder hat fünf paar Pistolen geladen, jeder noch drey
  • Kugelbüchsen darzu.
  • ~Moor.~ Gut, gut! Und nun muß ein Theil auf die Bäume klettern, oder
  • sich in's Dickicht verstecken, und Feuer auf sie geben im Hinterhalt --
  • ~Schweizer.~ Da gehörst du hin, Spiegelberg!
  • ~Moor.~ Wir andern, wie Furien, fallen ihnen in die Flanken.
  • ~Schweizer.~ Darunter bin ich, ich!
  • ~Moor.~ Zugleich muß jeder sein Pfeifchen hören lassen, im Wald
  • herumjagen, daß unsere Anzahl schröcklicher werde: auch müssen alle
  • Hunde los, und in ihre Glieder gehetzt werden, daß sie sich trennen,
  • zerstreuen, und euch in den Schuß rennen. Wir drey, Roller, Schweizer
  • und ich, fechten im Gedränge.
  • ~Schweizer.~ Meisterlich, vortrefflich! -- Wir wollen sie
  • zusammenwettern, daß sie nicht wissen, wo sie die Ohrfeigen herkriegen.
  • Ich habe wohl ehe eine Kirsche vom Maul weggeschossen, laß sie nur
  • anlaufen. (_Schufterle zupft Schweizern, dieser nimmt den Hauptmann
  • beyseit, und spricht leise mit ihm._)
  • ~Moor.~ Schweig!
  • ~Schweizer.~ Ich bitte dich --
  • ~Moor.~ Weg! Er dank es seiner Schande, sie hat ihn gerettet. Er soll
  • nicht sterben, wenn ich und mein Schweizer sterben, und mein Roller.
  • Laß ihn die Kleider ausziehen, so will ich sagen, er sey ein Reisender,
  • und ich habe ihn bestohlen -- Sey ruhig, Schweizer! Ich schwöre darauf,
  • er wird doch noch gehangen werden.
  • Pater (_tritt auf._)
  • ~Pater~ (_vor sich, stutzt._) Ist das das Drachen-Nest? -- Mit eurer
  • Erlaubniß, meine Herren! Ich bin ein Diener der Kirche, und draussen
  • stehen siebenzehnhundert, die jedes Haar auf meinen Schläfen bewachen.
  • ~Schweizer.~ Bravo! bravo! das war wohlgesprochen sich den Magen warm
  • zu halten.
  • ~Moor.~ Schweig, Kamerad! -- Sagen Sie kurz, Herr Pater! was haben Sie
  • hier zu thun?
  • ~Pater.~ Mich sendet die hohe Obrigkeit, die über Leben und Tod spricht
  • -- ihr Diebe -- ihr Mordbrenner -- ihr Schelmen -- giftige Otterbrut,
  • die im Finstern schleicht, und im Verborgenen sticht -- Aussatz der
  • Menschheit -- Höllenbrut, -- köstliches Mahl für Raben und Ungeziefer
  • -- Kolonie für Galgen und Rad --
  • ~Schweizer.~ Hund! hör auf zu schimpfen, oder -- (_er drückt ihm den
  • Kolben vor's Gesicht._)
  • ~Moor.~ Pfui doch, Schweizer! du verdirbst ihm ja das Koncept -- er hat
  • seine Predigt so brav auswendig gelernt -- nur weiter mein Herr! --
  • »für Galgen und Rad?«
  • ~Pater.~ Und du, feiner Hauptmann! Herzog der Beutelschneider!
  • Gauner-König! Gros-Mogol aller Schelmen unter der Sonne! -- Ganz
  • ähnlich jenem ersten abscheulichen Rädelsführer, der tausend Legionen
  • schuldloser Engel in rebellisches Feuer fachte, und mit sich hinab in
  • den tiefen Pfuhl der Verdammniß zog -- das Zettergeschrey verlassener
  • Mütter heult deinen Fersen nach, Blut saufst du wie Wasser, Menschen
  • wägen auf deinem mörderischen Dolch keine Luftblase auf. --
  • ~Moor.~ Sehr wahr, sehr wahr! Nur weiter!
  • ~Pater.~ Was? sehr wahr, sehr wahr? ist das auch eine Antwort?
  • ~Moor.~ Wie, mein Herr? darauf haben Sie sich wohl nicht gefaßt
  • gemacht? Weiter, nur weiter! Was wollten Sie weiter sagen?
  • ~Pater~ (_im Eifer._) Entsetzlicher Mensch! hebe dich weg von mir!
  • Picht nicht das Blut des ermordeten Reichs-Grafen an deinen verfluchten
  • Fingern? Hast du nicht das Heiligthum des Herrn mit diebischen Händen
  • durchbrochen, und mit einem Schelmengriff die geweihten Gefässe
  • des Nachtmahls entwandt? Wie? hast du nicht Feuerbrände in unsere
  • gottesfürchtige Stadt geworfen? und den Pulverthurm über die Häupter
  • guter Christen herabgestürzt? (_Mit zusammengeschlagenen Händen._)
  • Greuliche, greuliche Frevel, die bis zum Himmel hinaufstinken, das
  • jüngste Gericht waffnen, daß es reissend daher bricht! Reif zur
  • Vergeltung, zeitig zur letzten Posaune!
  • ~Moor.~ Meisterlich gerathen bis hieher! aber zur Sache! Was läßt mir
  • der hochlöbliche Magistrat durch Sie kund machen?
  • ~Pater.~ Was du nie werth bist, zu empfangen -- Schau um dich,
  • Mordbrenner! Was nur dein Auge absehen kann, bist du eingeschlossen von
  • unsern Reutern -- hier ist kein Raum zum Entrinnen mehr -- so gewiß
  • Kirschen auf diesen Eichen wachsen, und diese Tannen Pfirsiche tragen,
  • so gewiß werdet ihr unversehrt diesen Eichen und diesen Tannen den
  • Rücken kehren.
  • ~Moor.~ Hörst du's wohl, Schweizer? -- Aber nur weiter!
  • ~Pater.~ Höre dann, wie gütig, wie langmüthig das Gericht mit dir
  • Böswicht verfährt. Wirst du itzt gleich zum Kreuz kriechen und um Gnade
  • und Schonung flehen, siehe, so wird dir die Strenge selbst Erbarmen,
  • die Gerechtigkeit eine liebende Mutter seyn -- sie drückt das Auge bey
  • der Hälfte deiner Verbrechen zu, und läßt es -- denk doch! -- und läßt
  • es bey ~dem Rade bewenden~.
  • ~Schweizer.~ Hast du's gehört, Hauptmann? Soll ich hingeh'n, und diesem
  • abgerichteten Schäferhund die Gurgel zusammen schnüren, daß ihm der
  • rothe Saft aus allen Schweislöchern sprudelt? --
  • ~Roller.~ Hauptmann! -- Sturm! Wetter und Hölle! -- Hauptmann, -- wie
  • er die Unterlippe zwischen die Zähne klemmt! soll ich diesen Kerl das
  • oberst zu unterst unter's Firmament wie einen Kegel aufsetzen?
  • ~Schweizer.~ Mir! mir! Laß mich knien, vor dir niederfallen! Mir laß
  • die Wohllust, ihn zu Brey zusammenzureiben!
  • (Pater schreyt.)
  • ~Moor.~ Weg von ihm! Wag es keiner, ihn anzurühren! -- (_Zum Pater,
  • indem er seinen Degen zieht!_) Sehen Sie, Herr Pater! hier stehen
  • neun-und siebenzig, deren Hauptmann ich bin, und weiß keiner auf
  • Wink und Kommando zu fliegen, oder nach Kanonen-Musik zu tanzen, und
  • draussen steh'n siebenzehnhundert unter Mousqueten ergraut -- aber
  • hören Sie nun! so redet Moor, der Mordbrenner Hauptmann: Wahr ist's,
  • ich habe den Reichsgrafen erschlagen, die Dominikus-Kirche angezündet
  • und geplündert, hab Feuerbrände in eure bigotte Stadt geworfen, und
  • den Pulverthurm über die Häupter guter Christen herabgestürzt -- aber
  • es ist noch nicht alles. Ich habe noch mehr gethan. (_Er streckt seine
  • rechte Hand aus._) Bemerken Sie die vier kostbaren Ringe, die ich an
  • jedem Finger trage -- gehen Sie hin, und richten Sie Punkt für Punkt
  • den Herren des Gerichts über Leben und Tod aus, was Sie sehen und hören
  • werden -- diesen Rubin zog ich einem Minister vom Finger, den ich auf
  • der Jagd zu den Füßen seines Fürsten niederwarf. Er hatte sich aus dem
  • Pöbelstaub zu einem ersten Günstling empor geschmeichelt, der Fall
  • seines Nachbars war seiner Hoheit Schemel -- Thränen der Waisen huben
  • ihn auf. Diesen Demant zog ich einem Finanzrath ab, der Ehrenstellen
  • und Aemter an die Meistbietenden verkaufte und den traurenden Patrioten
  • von seiner Thüre stieß. -- Diesen Achat trag ich einem Pfaffen Ihres
  • Gelichters zur Ehre, den ich mit eigener Hand erwürgte, als er auf
  • offener Kanzel geweint hatte, daß die Inquisition so in Zerfall käme
  • -- ich könnte Ihnen noch mehr Geschichten von meinen Ringen erzählen,
  • wenn mich nicht schon die paar Worte gereuten, die ich mit Ihnen
  • verschwendet habe --
  • ~Pater.~ O Pharao! Pharao!
  • ~Moor.~ Hört ihr's wohl? Habt ihr den Seufzer bemerkt? Steht er nicht
  • da, als wollte er Feuer vom Himmel auf die Rotte Korah herunter beten,
  • richtet mit einem Achselzucken, verdammt mit einem christlichen ~Ach~!
  • -- Kann der Mensch denn so blind seyn? Er, der die hundert Augen des
  • Argus hat Flecken an seinem Bruder zu spähen, kann er so gar blind
  • gegen sich selbst seyn? -- Da donnern sie Sanftmuth und Duldung aus
  • ihren Wolken, und bringen dem Gott der Liebe Menschenopfer wie einem
  • feuerarmigen Moloch -- predigen Liebe des Nächsten, und fluchen den
  • achtzigjährigen Blinden von ihren Thüren hinweg: -- stürmen wider den
  • Geiz und haben Peru um gold'ner Spangen willen entvölkert und die
  • Heyden wie Zugvieh vor ihre Wagen gespannt -- Sie zerbrechen sich die
  • Köpfe, wie es doch möglich gewesen wäre, daß die Natur hätte können
  • einen Ischariot schaffen, und nicht der schlimmste unter ihnen würde
  • den dreyeinigen Gott um zehen Silberlinge verrathen. -- O über euch
  • Pharisäer, euch Falschmünzer der Wahrheit, euch Affen der Gottheit!
  • Ihr scheut euch nicht vor Kreuz und Altären zu knien, zerfleischt
  • eure Rücken mit Riemen, und foltert euer Fleisch mit Fasten; ihr
  • wähnt mit diesen erbärmlichen Gaukeleyen demjenigen einen blauen
  • Dunst vorzumachen, den ihr Thoren doch den Allwissenden nennt, nicht
  • anders, als wie man der Grossen am bittersten spottet, wenn man ihnen
  • schmeichelt, daß sie die Schmeichler hassen; ihr pocht auf Ehrlichkeit
  • und exemplarischen Wandel, und der Gott, der euer Herz durchschaut,
  • würde wider den Schöpfer ergrimmen, wenn er nicht eben der wäre, der
  • das Ungeheuer am Nilus erschaffen hat. -- Schafft ihn aus meinen Augen.
  • ~Pater.~ Daß ein Bösewicht noch so stolz seyn kann!
  • ~Moor.~ Nicht genug -- Itzt will ich stolz reden. Geh hin, und sage
  • dem hochlöblichen Gericht, das über Leben und Tod würfelt -- Ich bin
  • kein Dieb, der sich mit Schlaf und Mitternacht verschwört, und auf
  • der Leiter gros und herrisch thut -- was ich gethan habe, werd ich
  • ohne Zweifel einmal im Schuldbuch des Himmels lesen, aber mit seinen
  • erbärmlichen Verwesern will ich kein Wort mehr verlieren. Sag ihnen,
  • mein Handwerk ist Wiedervergeltung -- Rache ist mein Gewerbe. (_Er
  • kehrt ihm den Rücken zu._)
  • ~Pater.~ Du willst also nicht Schonung und Gnade? -- Gut, mit dir bin
  • ich fertig. (_Wendet sich zu der Bande._) So höret dann ihr, was die
  • Gerechtigkeit euch durch mich zu wissen thut! -- Werdet ihr itzt gleich
  • diesen verurtheilten Missethäter gebunden überliefern, seht, so soll
  • euch die Strafe eurer Greuel bis auf das letzte Andenken erlassen seyn
  • -- die heilige Kirche wird euch verlorne Schafe mit erneuerter Liebe
  • in ihren Mutterschoos aufnehmen, und jedem unter euch soll der Weg zu
  • einem Ehren-Amt offen steh'n. (_mit triumphirendem Lächeln._) Nun, nun?
  • Wie schmeckt das, Euer Majestät? -- Frisch also! Bindet ihn, und seyd
  • frey!
  • ~Moor.~ Hört ihr's auch? Hört ihr? Was stutzt ihr? Was steht ihr
  • verlegen da? Sie bietet euch Freyheit, und ihr seyd wirklich schon ihre
  • Gefangene. -- Sie schenkt euch das Leben, und das ist keine Prahlerey,
  • denn ihr seyd wahrhaftig gerichtet. -- Sie verheißt euch Ehren und
  • Aemter, und was kann euer Loos anders seyn, wenn ihr auch obsiegtet,
  • als Schmach und Fluch und Verfolgung. -- Sie kündigt euch Versöhnung
  • vom Himmel an, und ihr seyd wirklich verdammt. Es ist kein Haar an
  • keinem unter euch, das nicht in die Hölle fährt. Ueberlegt ihr noch?
  • Wankt ihr noch? Ist es so schwer zwischen Himmel und Hölle zu wählen?
  • Helfen Sie doch, Herr Pater!
  • ~Pater~ (_vor sich._) Ist der Kerl unsinnig? -- Sorgt ihr etwa, daß diß
  • eine Falle sey, euch lebendig zu fangen? -- Leset selbst, hier ist der
  • General-Pardon unterschrieben. (_Er gibt Schweizern ein Papier._) Könnt
  • ihr noch zweifeln?
  • ~Moor.~ Seht doch, seht doch! Was könnt ihr mehr verlangen? --
  • Unterschrieben mit eigener Hand -- es ist Gnade über alle Grenzen --
  • oder fürchtet ihr wohl, sie werden ihr Wort brechen, weil ihr einmal
  • gehört habt, daß man Verräthern nicht Wort hält? -- O seyd ausser
  • Furcht! Schon die Politik könnte sie zwingen, Wort zu halten, wenn
  • sie es auch dem Satan gegeben hätten. Wer würde ihnen in Zukunft noch
  • Glauben beymessen? Wie würden sie je einen zweyten Gebrauch davon
  • machen können? -- Ich wollte darauf schwören, sie meinens aufrichtig.
  • Sie wissen, daß ich es bin, der euch empört und erbittert hat, euch
  • halten sie für unschuldig. Eure Verbrechen legen sie für Jugendfehler,
  • für Uebereilungen aus. Mich allein wollen Sie haben, ich allein
  • verdiene zu büssen. Ist es nicht so, Herr Pater?
  • ~Pater.~ Wie heißt der Teufel, der aus ihm spricht? -- Ja freylich,
  • freylich ist es so -- der Kerl macht mich wirbeln.
  • ~Moor.~ Wie, noch keine Antwort? denkt ihr wohl gar mit den Waffen
  • noch durchzureissen? Schaut doch um euch, schaut doch um euch! das
  • werdet ihr doch nicht denken, das wäre itzt kindische Zuversicht. --
  • Oder schmeichelt ihr euch wohl gar als Helden zu fallen, weil ihr
  • saht, daß ich mich auf's Getümmel freute? -- Oh glaubt das nicht! Ihr
  • seyd nicht ~Moor~. -- Ihr seyd heillose Diebe! Elende Werkzeuge meiner
  • grösern Plane, wie der Strick verächtlich in der Hand des Henkers! --
  • Diebe können nicht fallen, wie Helden fallen. Das Leben ist den Dieben
  • Gewinn, dann kommt was schröckliches nach -- Diebe haben das Recht,
  • vor dem Tode zu zittern. -- Höret, wie ihre Hörner tönen! Sehet, wie
  • drohend ihre Säbel daher blinken! wie? noch unschlüssig? seyd ihr toll?
  • seyd ihr wahnwitzig? -- Es ist unverzeihlich! Ich dank euch mein Leben
  • nicht, ich schäme mich eures Opfers!
  • ~Pater~ (_äußerst erstaunt._) Ich werde unsinnig, ich laufe davon! Hat
  • man je von so was gehört?
  • ~Moor.~ Oder fürchtet ihr wohl, ich werde mich selbst erstechen,
  • und durch einen Selbstmord den Vertrag zernichten, der nur an dem
  • Lebendigen haftet? Nein, Kinder! das ist eine unnütze Furcht. Hier
  • werf ich meinen Dolch weg, und meine Pistolen und diß Fläschgen mit
  • Gift, das mir noch wohlkommen sollte -- ich bin so elend, daß ich auch
  • die Herrschaft über mein Leben verloren habe -- Was, noch unschlüssig?
  • Oder glaubt ihr vielleicht, ich werde mich zur Wehr setzen, wenn ihr
  • mich binden wollt? Seht! hier bind ich meine rechte Hand an diesen
  • Eichenast, ich bin ganz wehrlos, ein Kind kann mich umwerfen -- Wer ist
  • der erste, der seinen Hauptmann in der Noth verläßt?
  • ~Roller~ (_in wilder Bewegung._) Und wann die Hölle uns neunfach
  • umzingelte! (_schwenkt seinen Degen._) Wer kein Hund ist, rette den
  • Hauptmann!
  • ~Schweizer~ (_Zerreißt den Pardon, und wirft die Stücke dem Pater in's
  • Gesicht._) In unsern Kugeln Pardon! Fort Kanaille! sag dem Senat,
  • der dich gesandt hat, du träfst unter Moor's Bande keinen einzigen
  • Verräther an -- Rettet, rettet den Hauptmann!
  • ~Alle~ (_lermen._) Rettet, rettet, rettet den Hauptmann!
  • ~Moor~ (_sich losreissend, freudig._) Itzt sind wir frey -- Kameraden!
  • Ich fühle eine Armee in meiner Faust -- Tod oder Freyheit! wenigstens
  • sollen sie keinen lebendig haben!
  • (Man bläst zum Angriff. Lerm und Getümmel. Sie gehen ab mit gezogenem
  • Degen.)
  • Dritter Akt.
  • Erste Scene.
  • Amalia (_im Garten, spielt auf der Laute._)
  • Schön wie Engel, voll Walhalla's Wonne,
  • Schön vor allen Jünglingen war er,
  • Himmlisch mild sein Blick, wie Mayen-Sonne
  • Rückgestralt vom blauen Spiegel-Meer.
  • Sein Umarmen -- wüthendes Entzücken! --
  • Mächtig feurig klopfte Herz an Herz,
  • Mund und Ohr gefesselt -- Nacht vor unsern Blicken --
  • Und der Geist gewirbelt himmelwärts.
  • Seine Küsse -- paradisisch Fühlen! --
  • Wie zwo Flammen sich ergreiffen, wie
  • Harfentöne in einander spielen
  • Zu der himmelvollen Harmonie,
  • Stürzten, flogen, rasten Geist und Geist zusammen,
  • Lippen, Wangen brannten, zitterten, --
  • Seele rann in Seele -- Erd und Himmel schwammen
  • Wie zerronnen, um die Liebenden.
  • Er ist hin -- vergebens ach! vergebens
  • Stöhnet ihm der bange Seufzer nach.
  • Er ist hin -- und alle Lust des Lebens
  • Wimmert hin in ein verlornes Ach! --
  • ~Franz~ tritt auf.
  • ~Franz.~ Schon wieder hier, eigensinnige Schwärmerinn? Du hast dich vom
  • frohen Mahle hinweggestohlen, und den Gästen die Freude verdorben.
  • ~Amalia.~ Schade für diese unschuldige Freuden! das Todtenlied muß noch
  • in deinen Ohren murmeln, das deinem Vater zu Grabe hallte --
  • ~Franz.~ Willst du denn ewig klagen? Laß die Todten schlafen, und mache
  • die Lebendigen glücklich! Ich komme --
  • ~Amalia.~ Und wann gehst du wieder?
  • ~Franz.~ O weh! kein so finsteres stolzes Gesicht! du betrübst mich,
  • Amalia. Ich komme dir zu sagen --
  • ~Amalia.~ Ich muß wol hören, Franz von Moor ist ja gnädiger Herr worden.
  • ~Franz.~ Ja recht, das wars, worüber ich dich vernehmen wollte --
  • Maximilian ist schlafen gegangen in der Väter Gruft. Ich bin Herr. Aber
  • ich möchte es vollends ganz seyn, Amalia. -- Du weist, was du unserm
  • Hause warst, du wardst gehalten wie Moors Tochter, selbst den Tod
  • überlebte seine Liebe zu dir, das wirst du wol niemals vergessen? --
  • ~Amalia.~ Niemals, niemals. Wer das auch so leichtsinnig beym frohen
  • Mahle hinwegzechen könnte!
  • ~Franz.~ Die Liebe meines Vaters must du in seinen Söhnen belohnen, und
  • Karl ist todt -- staunst du? schwindelt dir? Ja wahrhaftig, der Gedanke
  • ist auch so schmeichelnd erhaben, daß er selbst den Stolz eines Weibes
  • betäubt. Franz tritt die Hoffnungen der edelsten Fräuleins mit Füssen,
  • Franz kommt und bietet einer armen ohne ihn hülflosen Waise sein Herz,
  • seine Hand, und mit ihr all sein Gold an und all seine Schlösser
  • und Wälder. -- Franz der Beneidete, der Gefürchtete, erklärt sich
  • freywillig für Amalia's Sklaven --
  • ~Amalia.~ Warum spaltet der Bliz die ruchlose Zunge nicht, die das
  • Frevelwort ausspricht! Du hast meinen Geliebten ermordet, und Amalia
  • soll dich Gemahl nennen! Du --
  • ~Franz.~ Nicht so ungestümm, allergnädigste Prinzessinn! -- Freylich
  • krümmt Franz sich nicht wie ein girrender Seladon vor dir -- freylich
  • hat er nicht gelernt, gleich dem schmachtenden Schäfer Arkadiens, dem
  • Echo der Grotten und Felsen seine Liebesklagen entgegen zu jammern --
  • Franz spricht und wenn man nicht antwortet, so wird er -- ~befehlen~.
  • ~Amalia.~ Wurm du, befehlen? mir befehlen? -- und wenn man den Befehl
  • mit Hohnlachen zurückschickt?
  • ~Franz.~ Das wirst du nicht. Noch weiß ich Mittel, die den Stolz eines
  • einbildischen Starrkopfs so hübsch niederbeugen können -- Kloster und
  • Mauren!
  • ~Amalia.~ Bravo! herrlich! und in Kloster und Mauren mit deinem
  • Basilisken-Anblick auf ewig verschont, und Musse genug, an Karln zu
  • denken, zu hangen. Willkommen mit deinem Kloster! auf, auf mit deinen
  • Mauren!
  • ~Franz.~ Haha! ist es das? -- gib Acht! Izt hast du mich die Kunst
  • gelehrt, wie ich dich quälen soll -- diese ewige Grille von Karl
  • soll dir mein Anblick gleich einer feuerhaarigen Furie aus dem
  • Kopfe geiseln, das Schreckbild ~Franz~ soll hinter dem Bild deines
  • Lieblings im Hinterhalt lauren, gleich dem verzauberten Hund, der auf
  • unterirdischen Goldkästen liegt -- an den Haaren will ich dich in die
  • Kapelle schleifen, den Degen in der Hand, dir den ehlichen Schwur aus
  • der Seele pressen, dein jungfräuliches Bette mit Sturm ersteigen, und
  • deine stolze Scham mit noch gröserem Stolze besiegen.
  • ~Amalia~ (_giebt ihm eine Maulschelle._) Nimm erst das zur Aussteuer
  • hin!
  • ~Franz~ (_aufgebracht._) Ha! wie das zehnfach, und wieder zehnfach
  • geahndet werden soll! -- Nicht meine Gemahlinn -- die Ehre sollst du
  • nicht haben. -- meine Maitresse sollst du werden, daß die ehrlichen
  • Bauernweiber mit Fingern auf dich deuten, wenn du es wagst und über
  • die Gasse gehst. Knirsche nur mit den Zähnen -- speye Feuer und Mord
  • aus den Augen -- mich ergötzt der Grimm eines Weibes, macht dich nur
  • schöner, begehrenswerther. Komm -- dieses Sträuben wird meinen Triumph
  • zieren und mir die Wohllust in erzwungenen Umarmungen würzen -- Komm
  • mit in meine Kammer -- ich glühe vor Sehnsucht -- itzt gleich sollst du
  • mit mir gehn. (_will sie fortreißen_)
  • ~Amalia~ (_fällt ihm um den Hals._) Verzeih mir Franz! (_wie er sie
  • umarmen will, reißt sie ihm den Degen von der Seite und tritt hastig
  • zurück._) Siehst du Bösewicht, was ich jetzt aus dir machen kann?
  • -- Ich bin ein Weib, aber ein rasendes Weib -- wag es einmal mit
  • unzüchtigem Griff meinen Leib zu betasten -- dieser Stahl soll deine
  • geile Brust mitten durchrennen, und der ~Geist~ meines Oheims wird mir
  • die Hand dazu führen. Fleuch auf der Stelle! (_Sie jagt ihn davon._)
  • Amalia.
  • Ah! wie mir wohl ist -- Itzt kann ich frey athmen -- ich fühlte mich
  • stark wie das funkensprühende Roß, grimmig wie die Tygerinn dem
  • siegbrüllenden Räuber ihrer Jungen nach -- In ein Kloster, sagt er --
  • Dank dir für diese glückliche Entdeckung! -- Itzt hat die betrogene
  • Liebe ihre Freystatt gefunden -- das Kloster -- das Kreuz des Erlösers
  • ist die Freystatt der betrognen Liebe. (_Sie will gehn._)
  • Herrmann (_tritt schüchtern herein._)
  • ~Herrmann.~ Fräulein Amalia! Fräulein Amalia!
  • ~Amalia.~ Unglücklicher! Was störest du mich?
  • ~Herrmann.~ Dieser Zentner muß von meiner Seele, eh er sie zur Hölle
  • drückt (_wirft sich vor ihr nieder._) Vergebung! Vergebung! Ich hab
  • euch sehr beleidigt, Fräulein Amalia.
  • ~Amalia.~ Steh auf! Geh! Ich will nichts wissen. (_Will fort._)
  • ~Herrmann.~ (_der sie zurückhält._) Nein! Bleibt! Bey Gott! Bey dem
  • ewigen Gott! Ihr sollt alles wissen!
  • ~Amalia.~ Keinen Laut weiter -- Ich vergebe dir -- Ziehe heim im
  • Frieden.
  • (Will hinweg eilen.)
  • ~Herrmann.~ So höret nur ein einziges Wort -- es wird euch all' eure
  • Ruhe wiedergeben.
  • ~Amalia~ (_kommt zurück und blickt ihn verwundernd an._) Wie Freund? --
  • wer im Himmel und auf Erden kann mir meine Ruhe wiedergeben?
  • ~Herrmann.~ Das kann von meinen Lippen ein einziges Wort -- höret mich
  • an.
  • ~Amalia~ (_mit Mitleiden seine Hand ergreifend._) Guter Mensch -- Kann
  • ein Wort von deinen Lippen die Riegel der Ewigkeit aufreissen?
  • ~Herrmann~ (_steht auf._) Karl lebt noch!
  • ~Amalia~ (_schreyend._) Unglücklicher!
  • ~Herrmann.~ Nicht anders -- Nun noch ein Wort -- euer Oheim --
  • ~Amalia~ (_gegen ihn herstürzend._) Du lügst --
  • ~Herrmann.~ Euer Oheim --
  • ~Amalia.~ Karl lebt noch!
  • ~Herrmann.~ Und euer Oheim --
  • ~Amalia.~ Karl lebt noch?
  • ~Herrmann.~ Auch euer Oheim -- Verrathet mich nicht, (_eilt hinaus._)
  • ~Amalia~ (_steht lang wie versteinert. Dann fährt sie wild auf, eilt
  • ihm nach._) Karl lebt noch!
  • Zweyte Scene.
  • Gegend an der Donau.
  • Die Räuber.
  • (_gelagert auf einer Anhöhe unter Bäumen, die Pferde weiden am Hügel
  • hinunter._)
  • ~Moor.~ Hier muß ich liegen bleiben (_wirft sich auf die Erde._)
  • Meine Glieder wie abgeschlagen. Meine Zunge trocken, wie eine Scherbe
  • (_Schweizer verliert sich unvermerkt._) Ich wollt' euch bitten, mir
  • eine Handvoll Wassers aus diesem Strome zu holen, aber ihr seyd alle
  • matt bis in den Tod.
  • ~Schwarz.~ Auch ist der Wein all in unsern Schläuchen.
  • ~Moor.~ Seht doch, wie schön das Getraide steht! -- Die Bäume brechen
  • fast unter ihrem Seegen. -- Der Weinstock voll Hoffnung.
  • ~Grimm.~ Es gibt ein fruchtbares Jahr.
  • ~Moor.~ Meinst du? -- Und so würde doch ~Ein~ Schweiß in der Welt
  • bezahlt. ~Einer?~ -- -- Aber es kann ja über Nacht ein Hagel fallen und
  • alles zu Grund schlagen.
  • ~Schwarz.~ Das ist leicht möglich. Es kann alles zu Grund gehen, wenige
  • Stunden vorm Schneiden.
  • ~Moor.~ Das sag ich ja. Es wird alles zu Grund gehn. Warum soll
  • dem Menschen das gelingen, was er von der Ameise hat, wenn ihm das
  • fehlschlägt, was ihn den Göttern gleich macht? -- oder ist hier die
  • Mark seiner Bestimmung?
  • ~Schwarz.~ Ich kenne sie nicht.
  • ~Moor.~ Du hast gut gesagt, und noch besser gethan, wenn du sie nie zu
  • kennen verlangtest! -- Bruder -- ich habe die Menschen gesehen, ihre
  • Bienensorgen, und ihre Riesenprojekte -- ihre Götterplane und ihre
  • Mäusegeschäfte, das wunderseltsame Wettrennen nach Glückseligkeit; --
  • dieser dem Schwung seines Rosses anvertraut -- ein anderer der Nase
  • seines Esels -- ein dritter seinen eigenen Beinen; dieses bunte Lotto
  • des Lebens, worein so mancher seine Unschuld, und -- seinen Himmel
  • setzt, einen Treffer zu haschen, und -- Nullen sind der Auszug --
  • am Ende war kein Treffer darinn. Es ist ein Schauspiel, Bruder, das
  • Thränen in deine Augen lockt, wenn es dein Zwerchfell zum Gelächter
  • kitzelt.
  • ~Schwarz.~ Wie herrlich die Sonne dort untergeht!
  • ~Moor~ (_in den Anblick versenkt._) So stirbt ein Held! --
  • Anbetenswürdig!
  • ~Grimm.~ Du scheinst tief gerührt.
  • ~Moor.~ Da ich noch ein Bube war -- wars mein Lieblings-Gedanke wie sie
  • zu leben, zu sterben wie sie -- (_mit verbißnem Schmerz._) Es war ein
  • Bubengedanke!
  • ~Grimm.~ Das will ich hoffen.
  • ~Moor~ (_drückt den Hut übers Gesicht._) Es war eine Zeit -- Laßt mich
  • allein, Kameraden.
  • ~Schwarz.~ Moor! Moor! Was zum Henker? -- wie er seine Farbe verändert!
  • ~Grimm.~ Alle Teufel! was hat er? wird ihm übel?
  • ~Moor.~ Es war eine Zeit, wo ich nicht schlafen konnte, wenn ich mein
  • Nachtgebet vergessen hatte --
  • ~Grimm.~ Bist du wahnsinnig? Willst du dich von deinen Bubenjahren
  • hofmeistern lassen?
  • ~Moor~ (_legt sein Haupt auf Grimms Brust._) Bruder! Bruder!
  • ~Grimm.~ Wie? sey doch kein Kind -- ich bitte dich --
  • ~Moor.~ Wär' ich's -- wär' ich's wieder!
  • ~Grimm.~ Pfui! Pfui!
  • ~Schwarz.~ Heitre dich auf. Sieh diese mahlerische Landschaft -- den
  • lieblichen Abend.
  • ~Moor.~ Ja Freunde, diese Welt ist so schön.
  • ~Schwarz.~ Nun, das war wohl gesprochen.
  • ~Moor.~ Diese Erde so herrlich.
  • ~Grimm.~ Recht -- recht -- so hör' ich's gerne.
  • ~Moor~ (_zurückgesunken._) Und ich so häßlich auf dieser schönen Welt
  • -- und ich ein Ungeheuer auf dieser herrlichen Erde.
  • ~Grimm.~ O weh! o weh!
  • ~Moor.~ Meine Unschuld! Meine Unschuld! -- Seht! es ist alles
  • hinausgegangen, sich im friedlichen Stral des Frühlings zu sonnen --
  • warum ich allein die Hölle saugen aus den Freuden des Himmels? --
  • daß alles so glücklich ist, durch den Geist des Friedens alles so
  • verschwistert! -- die ganze Welt ~Eine~ Familie und ein Vater dort
  • oben -- ~Mein~ Vater nicht -- Ich allein der Verstossene, ich allein
  • ausgemustert aus den Reihen der Reinen -- mir nicht der süße Name Kind
  • -- nimmer mir der Geliebten schmachtender Blick -- nimmer, nimmer des
  • Busenfreundes Umarmung (_wild zurückfahrend._) Umlagert von Mördern
  • -- von Nattern umzischt -- angeschmiedet an das Laster mit eisernen
  • Banden -- hinausschwindelnd in's Grab des Verderbens auf des Lasters
  • schwankendem Rohr -- mitten in den Blumen der glücklichen Welt ein
  • heulender Abbadona!
  • ~Schwarz~ (_zu den übrigen._) Unbegreiflich! Ich hab ihn nie so gesehen.
  • ~Moor~ (_mit Wehmuth._) Daß ich wiederkehren dürfte in meiner Mutter
  • Leib! daß ich ein Bettler geboren werden dürfte! -- Nein! ich wollte
  • nicht mehr, o Himmel -- daß ich werden dürfte wie dieser Taglöhner
  • einer! -- O ich wollte mich abmüden, daß mir das Blut von den Schläfen
  • rollte -- mir die Wohllust eines einzigen Mittagschlafs zu erkaufen --
  • die Seligkeit einer einzigen Thräne.
  • ~Grimm~ (_zu den andern._) Nur Geduld, der Paroxysmus ist schon im
  • Fallen.
  • ~Moor.~ Es war eine Zeit, wo sie mir so gern floßen -- o ihr Tage
  • des Friedens! Du Schloß meines Vaters -- ihr grünen schwärmerischen
  • Thäler! O all ihr Elysiums-Scenen meiner Kindheit! -- Werdet ihr nimmer
  • zurückkehren -- nimmer mit köstlichem Säuseln meinen brennenden Busen
  • kühlen? -- Traure mit mir Natur -- Sie werden nimmer zurückkehren,
  • nimmer mit köstlichem Säuseln meinen brennenden Busen kühlen. -- Dahin!
  • dahin! unwiederbringlich! --
  • Schweizer (_mit Wasser im Hut._)
  • ~Schweizer.~ Sauf zu, Hauptmann -- hier ist Wasser genug, und frisch
  • wie Eis.
  • ~Schwarz.~ Du blutest ja -- was hast du gemacht?
  • ~Schweizer.~ Narr, einen Spaß, der mich bald zwey Beine und
  • einen Hals gekostet hätte. Wie ich so auf dem Sandhügel am Fluß
  • hintrolle, glitsch, so rutscht der Plunder unter mir ab, und ich zehn
  • rheinländische Schuhe lang hinunter -- da lag ich, und wie ich mir eben
  • meine fünf Sinne wieder zurecht setze, treff ich dir das klarste Wasser
  • im Kies. Genug dießmal für den Tanz, dacht' ich, dem Hauptmann wirds
  • wohl schmecken.
  • ~Moor~ (_gibt ihm den Hut zurück, und wischt ihm sein Gesicht ab._)
  • Sonst sieht man ja die Narben nicht, die die böhmischen Reuter in deine
  • Stirne gezeichnet haben -- dein Wasser war gut, Schweizer -- diese
  • Narben stehen dir schön.
  • ~Schweizer.~ Pah! hat noch Platz genug für ihrer dreyßig.
  • ~Moor.~ Ja, Kinder -- es war ein heißer Nachmittag -- und nur ~Einen~
  • Mann verloren -- mein Roller starb einen schönen Tod. Man würde einen
  • Marmor auf seine Gebeine setzen, wenn er nicht mir gestorben wäre.
  • Nehmet vorlieb mit diesem (_er wischt sich die Augen._) Wie viel warens
  • doch von den Feinden, die auf dem Platz blieben?
  • ~Schweizer.~ Hundert und sechszig Husaren -- drey und neunzig Dragoner,
  • gegen vierzig Jäger -- dreyhundert in allem.
  • ~Moor.~ Dreyhundert für Einen! -- Jeder von Euch hat Anspruch an diesen
  • Scheitel! (_Er entblößt sich das Haupt._) Hier heb ich meinen Dolch
  • auf! So wahr meine Seele lebt! ~Ich will euch niemals verlassen.~
  • ~Schweizer.~ Schwöre nicht! du weist nicht, ob du nicht noch glücklich
  • werden, und bereuen wirst.
  • ~Moor.~ ~Bey den Gebeinen meines Rollers! Ich will euch niemals
  • verlassen.~
  • Kosinsky (_kommt._)
  • ~Kosinsky~ (_vor sich._) In dieser Revier herum, sagen sie, werd ich
  • ihn antreffen -- he holla! was sind das für Gesichter? -- Solltens --
  • wie wenn's diese -- sie sind's, sind's! -- ich will sie anreden.
  • ~Schwarz.~ Gebt Acht! wer kommt da?
  • ~Kosinsky.~ Meine Herrn! verzeihen Sie! Ich weiß nicht, geh ich recht,
  • oder unrecht?
  • ~Moor.~ Und wer müssen wir seyn, wenn Sie recht geh'n?
  • ~Kosinsky.~ Männer!
  • ~Schweizer.~ Ob wir das auch gezeigt haben, Hauptmann?
  • ~Kosinsky.~ Männer such' ich, die dem Tod in's Gesicht sehen, und die
  • Gefahr wie eine zahme Schlange um sich spielen lassen, die Freyheit
  • höher schätzen, als Ehre und Leben, deren bloser Name, willkommen dem
  • Armen und Unterdrückten, die Beherztesten feig und Tyrannen bleich
  • macht.
  • ~Schweizer~ (_zum Hauptmann._) Der Bursche gefällt mir. -- Höre, guter
  • Freund! Du hast deine Leute gefunden.
  • ~Kosinsky.~ Das denk' ich, und will hoffen, bald meine Brüder. -- So
  • könnt ihr mich dann zu meinem rechten Manne weisen, denn ich such
  • euren Hauptmann, den grosen Grafen von Moor.
  • ~Schweizer~ (_gibt ihm die Hand mit Wärme._) Lieber Junge! wir dutzen
  • einander.
  • ~Moor~ (_näher kommend._) Kennen Sie auch den Hauptmann?
  • ~Kosinsky.~ ~Du~ bist's -- in dieser Miene -- wer sollte dich anseh'n,
  • und einen andern suchen? (_starrt ihn lang an._) Ich habe mir immer
  • gewünscht, den Mann mit dem vernichtenden Blicke zu sehen, wie er saß
  • auf den Ruinen von Karthago -- itzt wünsch ich es nicht mehr.
  • ~Schweizer.~ Blitzbub!
  • ~Moor.~ Und was führt Sie zu mir?
  • ~Kosinsky.~ O Hauptmann! mein mehr als grausames Schicksal -- ich
  • habe Schiffbruch gelitten auf der ungestümmen See dieser Welt, die
  • Hoffnungen meines Lebens hab ich müssen sehen in den Grund sinken, und
  • blieb mir nichts übrig, als die marternde Erinnerung ihres Verlustes,
  • die mich wahnsinnig machen würde, wenn ich sie nicht durch anderwärtige
  • Thätigkeit zu ersticken suchte.
  • ~Moor.~ Schon wieder ein Kläger wider die Gottheit! -- Nur weiter.
  • ~Kosinsky.~ Ich wurde Soldat. Das Unglück verfolgte mich auch da -- ich
  • machte eine Fahrt nach Ostindien mit, mein Schiff scheiterte an Klippen
  • -- nichts als fehlgeschlagene Plane! Ich höre endlich weit und breit
  • erzählen von deinen Thaten, ~Mordbrennereyen~, wie sie sie nannten,
  • und bin hieher gereist dreyßig Meilen weit, mit dem festen Entschluß,
  • unter dir zu dienen, wenn du meine Dienste annehmen willst -- Ich bitte
  • dich, würdiger Hauptmann, schlage mir's nicht ab!
  • ~Schweizer~ (_mit einem Sprung._) Heysa! Heysa! So ist ja unser Roller
  • zehnhundertfach vergütet! Ein ganzer Mordbruder für uns're Bande!
  • ~Moor.~ Wie ist dein Name?
  • ~Kosinsky.~ Kosinsky.
  • ~Moor.~ Wie? Kosinsky! weist du auch, daß du ein leichtsinniger Knabe
  • bist, und über den grosen Schritt deines Lebens weggaukelst, wie
  • ein unbesonnenes Mädchen -- Hier wirst du nicht Bälle werfen oder
  • Kegelkugeln schieben, wie du dir einbildest.
  • ~Kosinsky.~ Ich weiß, was du sagen willst -- ich bin vier und zwanzig
  • Jahr alt, aber ich habe Degen blinken gesehen, und Kugeln um mich
  • surren gehört.
  • ~Moor.~ So junger Herr? -- Und hast du dein Fechten nur darum gelernt,
  • arme Reisende um einen Reichsthaler niederzustossen, oder Weiber
  • hinterrücks in den Bauch zu stechen? Geh, geh! du bist deiner Amme
  • entlaufen, weil sie dir mit der Ruthe gedroht hat.
  • ~Schweizer.~ Was zum Henker, Hauptmann! was denkst du? willst du diesen
  • Herkules fortschicken? Sieht er nicht gerade so drein, als wollt' er
  • den Marschall von Sachsen mit einem Rührlöffel über den Ganges jagen?
  • ~Moor.~ Weil dir deine Lappereyen mißglücken, kommst du, und willst
  • ein Schelm, ein Meuchelmörder werden? -- Mord, Knabe, verstehst du das
  • Wort auch? du magst ruhig schlafen gegangen seyn, wenn du Mohnköpfe
  • abgeschlagen hast, aber einen Mord auf der Seele zu tragen. --
  • ~Kosinsky.~ Jeden Mord, den du mich begehen heist, will ich
  • verantworten.
  • ~Moor.~ Was? bist du so klug? Willst du dich anmaßen, einen Mann mit
  • Schmeicheleyen zu fangen? Woher weist du, daß ich nicht böse Träume
  • habe, oder auf dem Todbett nicht werde blaß werden? wie viel hast du
  • schon gethan, wobey du an Verantwortung gedacht hast?
  • ~Kosinsky.~ Wahrlich! noch sehr wenig, aber doch diese Reise zu dir,
  • edler Graf!
  • ~Moor.~ Hat dir dein Hofmeister die Geschichte des Robins in die Hände
  • gespielt? -- Man sollte dergleichen unvorsichtige Kanaillen auf die
  • Galeere schmieden, -- die deine kindische Phantasie erhitzte, und dich
  • mit der tollen Sucht zum großen Mann ansteckte? Kützelt dich nach Namen
  • und Ehre? willst du Unsterblichkeit mit Mordbrennereyen erkaufen? Merk
  • dir's, ehrgeitziger Jüngling! Für Mordbrenner grünet kein Loorbeer! Auf
  • Banditen-Siege ist kein Triumph gesetzt -- aber Fluch, Gefahr, Tod,
  • Schande -- siehst du auch das Hochgericht dort auf dem Hügel?
  • ~Spiegelberg~ (_unwillig auf und abgehend._) Ey wie dumm! wie
  • abscheulich, wie unverzeihlich dumm! das ist die Manier nicht! ich
  • hab's anderst gemacht.
  • ~Kosinsky.~ Was soll der fürchten, der den Tod nicht fürchtet?
  • ~Moor.~ Brav! Unvergleichlich! Du hast dich wacker in den Schulen
  • gehalten, du hast deinen Seneka meisterlich auswendig gelernt. --
  • Aber, lieber Freund, mit dergleichen Sentenzen wirst du die leidende
  • Natur nicht beschwätzen, damit wirst du die Pfeile des Schmerzens
  • nimmermehr stumpf machen. -- Besinne dich recht, mein Sohn! (_Er nimmt
  • seine Hand._) Denk, ich rathe dir als ein Vater -- lern erst die
  • Tiefe des Abgrunds kennen, eh du hineinspringst! Wenn du noch in der
  • Welt eine einzige Freude zu erhaschen weist -- es könnten Augenblicke
  • kommen, wo du -- aufwachst -- und dann -- möchte es zu spät seyn. Du
  • trittst hier gleichsam aus dem Kreise der Menschheit -- entweder must
  • du ein höherer Mensch seyn, oder du bist ein Teufel -- Noch einmal,
  • mein Sohn! wenn dir noch ein Funken von Hoffnung irgend anderswo
  • glimmt, so verlaß diesen schröcklichen Bund, den nur Verzweiflung
  • eingeht, wenn ihn nicht eine höhere Weisheit gestiftet hat -- Man
  • kann sich täuschen -- glaube mir, man kann das für Stärke des Geistes
  • halten, was doch am Ende Verzweiflung ist -- Glaube ~mir~, ~mir~! und
  • mach dich eilig hinweg.
  • ~Kosinsky.~ Nein! ich fliehe itzt nicht mehr. Wenn dich meine Bitten
  • nicht rühren, so höre die Geschichte meines Unglücks. -- Du wirst mir
  • dann selbst den Dolch in die Hände zwingen, du wirst -- lagert euch
  • hier auf dem Boden, und hört mir aufmerksam zu!
  • ~Moor.~ Ich will sie hören.
  • ~Kosinsky.~ Wisset also, ich bin ein böhmischer Edelmann, und wurde
  • durch den frühen Tod meines Vaters Herr eines ansehnlichen Ritterguts.
  • Die Gegend war paradisisch -- denn sie enthielt einen Engel -- ein
  • Mädchen geschmückt mit allen Reizen der blühenden Jugend, und keusch
  • wie das Licht des Himmels. Doch, wem sag ich das? Es schallt an euren
  • Ohren vorüber -- ihr habt niemals geliebt, seyd niemals geliebt worden
  • --
  • ~Schweizer.~ Sachte, sachte! unser Hauptmann wird feuerroth.
  • ~Moor.~ Hör auf! ich wills ein andermal hören -- morgen, nächstens,
  • oder -- wenn ich Blut gesehen habe.
  • ~Kosinsky.~ Blut, Blut -- höre nur weiter! Blut sag ich dir, wird deine
  • ganze Seele füllen. Sie war bürgerlicher Geburt, eine Deutsche --
  • aber ihr Anblick schmelzte die Vorurtheile des Adels hinweg. Mit der
  • schüchternsten Bescheidenheit nahm sie den Trauring von meiner Hand,
  • und übermorgen sollte ich meine ~Amalia~ vor den Altar führen.
  • ~Moor~ (_steht schnell auf._)
  • ~Kosinsky.~ Mitten im Taumel der auf mich wartenden Seligkeit, unter
  • den Zurüstungen zur Vermählung -- werd ich durch einen Expressen
  • nach Hof citiert. Ich stellte mich. Man zeigte mir Briefe, die ich
  • geschrieben haben sollte, voll verrätherischen Inhalts. Ich erröthete
  • über der Bosheit -- man nahm mir den Degen ab, warf mich ins Gefängniß,
  • alle meine Sinnen waren hinweg.
  • ~Schweizer.~ Und unterdessen -- nur weiter! ich rieche den Braten schon.
  • ~Kosinsky.~ Hier lag ich einen Monath lang, und wußte nicht, wie mir
  • geschah. Mir bangte für meine Amalia, die meines Schicksals wegen jede
  • Minute einen Tod würde zu leiden haben. Endlich erschien der erste
  • Minister des Hofes, wünschte mir zur Entdeckung meiner Unschuld Glück,
  • mit zuckersüssen Worten, liest mir den Brief der Freiheit vor, gibt mir
  • meinen Degen wieder. Itzt im Triumphe nach meinem Schloß, in die Arme
  • meiner Amalia zu fliegen, -- sie war verschwunden. In der Mitternacht
  • sey sie weggebracht worden, wüßte niemand, wohin? und seitdem mit
  • keinem Aug mehr gesehen. Hui! schoß mirs auf wie der Blitz, ich flieg
  • nach der Stadt, sondire am Hof -- alle Augen wurzelten auf mir, niemand
  • wollte Bescheid geben -- endlich entdeck ich sie durch ein verborgenes
  • Gitter im Pallast -- sie warf mir ein Billetchen zu.
  • ~Schweizer.~ Hab ich's nicht gesagt?
  • ~Kosinsky.~ Hölle, Tod und Teufel! da stands! man hatte ihr die Wahl
  • gelassen, ob sie mich lieber sterben sehen, oder die Mätresse des
  • Fürsten werden wollte. Im Kampf zwischen Ehre und Liebe entschied sie
  • für das zweyte, und (_lachend_) ich war gerettet.
  • ~Schweizer.~ Was thatst du da?
  • ~Kosinsky.~ Da stand ich, wie von tausend Donnern getroffen! -- Blut!
  • war mein erster Gedanke, Blut! mein letzter. Schaum auf dem Munde, renn
  • ich nach Haus, wähle mir einen dreyspitzigen Degen, und damit in aller
  • Hast in des Ministers Haus, denn nur er -- er nur war der höllische
  • Kuppler gewesen. Man muß mich von der Gasse bemerkt haben, denn wie ich
  • hinauf trete, waren alle Zimmer verschlossen. Ich suche, ich frage: Er
  • sey zum Fürsten gefahren, war die Antwort. Ich mache mich geradenwegs
  • dahin, man wollte nichts von ihm wissen. Ich gehe zurück, sprenge die
  • Thüren ein, find ihn, wollte eben -- aber da sprangen fünf bis sechs
  • Bediente aus dem Hinterhalt, und entwanden mir den Degen.
  • ~Schweizer~ (_stampft auf den Boden._) Und er kriegte nichts, und du
  • zogst leer ab?
  • ~Kosinsky.~ Ich ward ergriffen, angeklagt, peinlich processirt, infam
  • -- merkts euch! -- aus ~besonderer~ Gnade infam aus den Gränzen gejagt,
  • meine Güter fielen als Präsent dem Minister zu, meine Amalia bleibt in
  • den Klauen des Tygers, verseufzt und vertrauert ihr Leben, während daß
  • meine Rache fasten, und sich unter das Joch des Despotismus krümmen muß.
  • ~Schweizer~ (_aufstehend seinen Degen wetzend._) Das ist Wasser auf
  • unsere Mühle, Hauptmann! Da gibts was anzuzünden!
  • ~Moor~ (_der bisher in heftigen Bewegungen hin und her gegangen,
  • springt rasch auf, zu den Räubern._) Ich muß sie sehen -- auf! rafft
  • zusammen -- du bleibst, Kosinsky -- pakt eilig zusammen!
  • ~Die Räuber.~ Wohin? Was?
  • ~Moor.~ Wohin? wer fragt wohin? (_heftig zu Schweizern._) Verräther, du
  • willst mich zurückhalten? Aber bey der Hoffnung des Himmels! --
  • ~Schweizer.~ Verräther ich? -- geh in die Hölle, ich folge dir!
  • ~Moor~ (_fällt ihm um den Hals._) Bruderherz! du folgst mir -- sie
  • weint, sie weint, sie vertrauert ihr Leben. Auf! hurtig! alle! nach
  • Franken! in acht Tagen müssen wir dort seyn.
  • (Sie gehen ab.)
  • Vierter Akt.
  • Erste Scene.
  • Ländliche Gegend um das Moorische Schloß.
  • ~Räuber Moor~. ~Kosinsky~,
  • in der Ferne.
  • ~Moor.~ Geh voran, und melde mich. Du weist doch noch alles, was du
  • sprechen must?
  • ~Kosinsky.~ Ihr seyd der Graf von Brand, kommt aus Mecklenburg, ich
  • euer Reutknecht -- sorgt nicht, ich will meine Rolle schon spielen,
  • lebt wohl! (_ab._)
  • ~Moor.~ Sey mir gegrüßt, Vaterlands-Erde! (_Er küßt die Erde._)
  • Vaterlands-Himmel! Vaterlands-Sonne! -- und Fluren und Hügel und Ströme
  • und Wälder! Seyd alle, alle mir herzlich gegrüßt! -- wie so köstlich
  • wehet die Luft von meinen Heimath-Gebürgen! wie strömt balsamische
  • Wonne aus euch, dem armen Flüchtling entgegen! -- Elysium! dichterische
  • Welt! Halt ein, Moor! dein Fuß wandelt in einem heiligen Tempel.
  • (_Er kommt näher._) Sieh da, auch die Schwalbennester im Schloßhof --
  • auch das Gartenthürchen! -- und diese Ecke am Zaun, wo du so oft den
  • Fanger belauschtest und nektest -- und dort unten das Wiesenthal, wo du
  • der Held Alexander deine Macedonier ins Treffen bey Arbela führtest,
  • und neben dran der grasigte Hügel, von welchem du den persischen
  • Satrapen niederwarfst -- und deine siegende Fahne flatterte hoch! (_Er
  • lächelt._) Die goldnen Mayenjahre der Knabenzeit leben wieder auf in
  • der Seele des Elenden -- da warst du so glücklich, warst so ganz, so
  • wolkenlos heiter -- und nun -- da liegen die Trümmer deiner Entwürfe!
  • Hier solltest du wandeln dereinst, ein groser, stattlicher, gepriesener
  • Mann -- hier dein Knabenleben in Amalia's blühenden Kindern zum
  • zweytenmal leben -- hier! hier der Abgott deines Volks -- aber der böse
  • Feind schmollte darzu! (_Er fährt auf._) Warum bin ich hieher gekommen?
  • daß mir's gienge wie dem Gefangenen, den der klirrende Eisenring aus
  • Träumen der Freyheit aufjagt -- nein, ich gehe in mein Elend zurück! --
  • Der Gefangene hatte das Licht vergessen, aber der Traum der Freyheit
  • fuhr über ihm wie ein Blitz in die Nacht, der sie finsterer zurückläßt
  • -- Lebt wohl, ihr Vaterlandsthäler! einst saht ihr den Knaben Karl, und
  • der Knabe Karl war ein glücklicher Knabe -- itzt saht ihr den Mann, und
  • er war in Verzweiflung. (_Er dreht sich schnell nach dem äussersten
  • Ende der Gegend, allwo er plötzlich stille steht und nach dem Schloß
  • mit Wehmuth herüberblickt._) Sie nicht sehen, nicht einen Blick? -- und
  • nur eine Mauer gewesen zwischen mir und Amalia -- Nein! sehen muß ich
  • sie -- muß ich ihn -- es soll mich zermalmen! (_Er kehrt um._) Vater!
  • Vater! dein Sohn naht -- weg mit dir, schwarzes rauchendes Blut! weg
  • hohler grasser zuckender Todesblick! Nur diese Stunde laß mir frey --
  • Amalia! Vater! dein Karl naht! (_Er geht schnell auf das Schloß zu._)
  • -- Quäle mich, wenn der Tag erwacht, laß nicht ab von mir, wenn die
  • Nacht kommt -- quäle mich in schröcklichen Träumen! nur vergifte mir
  • diese einzige Wollust nicht! (_Er steht an der Pforte._) Wie wird mir?
  • was ist das, Moor? Sey ein Mann! -- -- Todesschauer -- -- Schrecken
  • Ahnung -- --
  • (Er geht hinein.)
  • Zweite Scene.
  • Gallerie im Schloß.
  • Räuber Moor. Amalia (_treten auf._)
  • ~Amalia.~ Und getrauten Sie sich wohl sein Bildnis unter diesen
  • Gemählden zu erkennen?
  • ~Moor.~ O ganz gewiß. Sein Bild war immer lebendig in mir. (_An den
  • Gemählden herumgehend._) ~Dieser~ ist's nicht.
  • ~Amalia.~ Errathen! -- Er war der Stammvater des gräflichen Hauses, und
  • erhielt den Adel vom Barbarossa, dem er wider die Seeräuber diente.
  • ~Moor~ (_immer an den Gemählden._) ~Dieser~ ist's auch nicht -- auch
  • ~der~ nicht -- auch nicht ~jener~ dort -- er ist nicht unter ihnen.
  • ~Amalia.~ Wie, sehen Sie doch besser! ich dachte, Sie kennten ihn --
  • ~Moor.~ Ich kenne meinen Vater nicht besser! Ihm fehlt der sanftmüthige
  • Zug um den Mund, der ihn aus tausenden kenntlich machte -- er ist's
  • nicht.
  • ~Amalia.~ Ich erstaune. Wie? Achtzehn Jahre nicht mehr geseh'n, und
  • noch --
  • ~Moor~ (_schnell, mit einer fliegenden Röthe._) ~Dieser~ ist's! (_Er
  • steht wie vom Blitz gerührt._)
  • ~Amalia.~ Ein vortreflicher Mann!
  • ~Moor~ (_in seinem Anblick versunken._) Vater, Vater! vergib mir! -- Ja
  • ein vortreflicher Mann! -- (_Er wischt sich die Augen._) Ein göttlicher
  • Mann!
  • ~Amalia.~ Sie scheinen viel Antheil an ihm zu nehmen.
  • ~Moor.~ Oh ein vortreflicher Mann -- und er sollte dahin seyn.
  • ~Amalia.~ Dahin! wie unsere besten Freuden dahingeh'n -- (_sanft seine
  • Hand ergreifend._) Lieber Herr Graf, es reift keine Seeligkeit unter
  • dem Monde.
  • ~Moor.~ Sehr wahr, sehr wahr -- und sollten ~Sie~ schon diese traurige
  • Erfahrung gemacht haben? Sie können nicht drey und zwanzig Jahr alt
  • seyn.
  • ~Amalia.~ Und habe sie gemacht. Alles lebt, um traurig wieder zu
  • sterben. Wir interessiren uns nur darum, wir gewinnen nur darum, daß
  • wir wieder mit Schmerzen verlieren.
  • ~Moor.~ Sie verloren schon etwas?
  • ~Amalia.~ Nichts. Alles. Nichts -- wollen wir weiter gehen, Herr Graf?
  • ~Moor.~ So eilig? weß ist diß Bild rechter Hand dort? mich deucht, es
  • ist eine unglückliche Physiognomie.
  • ~Amalia.~ Diß Bild linker Hand ist der Sohn des Grafen, der wirkliche
  • Herr -- kommen Sie, kommen Sie!
  • ~Moor.~ Aber diß Bild rechter Hand?
  • ~Amalia.~ Sie wollen nicht in den Garten geh'n?
  • ~Moor.~ Aber diß Bild rechter Hand? -- du weinst, Amalia?
  • ~Amalia~ (_schnell ab._)
  • Moor.
  • Sie liebt mich, sie liebt mich! -- ihr ganzes Wesen fieng an, sich
  • zu empören, verrätherisch rollten die Thränen von ihren Wangen. Sie
  • liebt mich! -- Elender, das verdientest du um sie! Steh ich nicht hier
  • wie ein Gerichteter vor dem tödlichen Block? Ist das der Sopha, wo
  • ich an ihrem Halse in Wonne schwamm? Sind das die väterlichen Säle?
  • (_Ergriffen vom Anblick seines Vaters._) Du, du -- Feuerflammen aus
  • deinem Auge -- Fluch, Fluch, Verwerfung! -- wo bin ich? Nacht vor
  • meinen Augen -- Schrecknisse Gottes -- Ich, ich hab ihn getödtet! (_Er
  • rennt davon._)
  • Franz von Moor in tiefen Gedanken.
  • Weg mit diesem Bild! weg, feige Memme! was zagst du und vor wem? ist
  • mir's nicht die wenige Stunden, die der Graf in diesen Mauren wandelt,
  • als schlich immer ein Spion der Hölle meinen Fersen nach -- Ich sollt'
  • ihn kennen! Es ist so was groses und oft gesehenes in seinem wilden
  • sonnverbrannten Gesicht, das mich beben macht -- auch Amalia ist nicht
  • gleichgültig gegen ihn! Läßt sie nicht so gierig schmachtende Blicke
  • auf dem Kerl herumkreuzen, mit denen sie doch gegen alle Welt sonst so
  • geitzig thut? -- Sah ich's nicht, wie sie ein paar diebische Thränen
  • in den Wein fallen ließ, den er hinter meinem Rücken so hastig in
  • sich schlürfte, als wenn er das Glas mit hineinziehen wollte. Ja, das
  • sah ich, durch den Spiegel sah ich's mit diesen meinen Augen. Holla
  • Franz! siehe dich vor! dahinter steckt irgend ein Verderbenschwangeres
  • Ungeheuer!
  • (_Er steht forschend dem Porträt Karls gegenüber._) Sein langer
  • Gänsehals -- seine schwarzen feuerwerfenden Augen, hm! hm! -- sein
  • finsteres überhangendes buschichtes Augenbraun. (_Plötzlich zusammen
  • fahrend._) -- Schadenfrohe Hölle! jagst du mir diese Ahnung ein? Es ist
  • ~Karl~! ja itzt werden mir alle Züge wieder lebendig -- Er ist's! trotz
  • seiner Larve! -- Er ist's -- trotz seiner Larve! -- Er ist's -- Tod
  • und Verdammniß! (_auf und ab mit heftigen Schritten._) Hab ich darum
  • meine Nächte verpraßt, -- darum Felsen hinweggeräumt, und Abgründe
  • eben gemacht -- bin ich darum gegen alle Instinkte der Menschheit
  • rebellisch worden, daß mir zuletzt dieser unstete Landstreicher durch
  • meine künstlichsten Wirbel tölple -- Sachte! Nur sachte! Es ist nur
  • noch Spielarbeit übrig -- Bin ich doch ohnehin schon bis an die Ohren
  • in Todsünden gewatet, daß es Unsinn wäre, zurückzuschwimmen, wenn das
  • Ufer schon so weit hinten liegt -- Ans Umkehren ist doch nicht mehr
  • zu gedenken -- die ~Gnade~ selbst würde an den Bettelstab gebracht,
  • und die ~unendliche Erbarmung~ bankerott werden, wenn sie für meine
  • Schulden all gut sagen wollte -- Also vorwärts wie ein Mann -- (_Er
  • schellt._) -- Er versammle sich zu dem Geist seines Vaters und komme,
  • der Todten spott' ich. -- Daniel, he Daniel! -- Was gilts, den haben
  • sie auch schon gegen mich aufgewiegelt! Er sieht so geheimnißvoll.
  • Daniel (_kommt._)
  • ~Daniel.~ Was steht zu Befehl, mein Gebieter?
  • ~Franz.~ Nichts. Fort, fülle diesen Becher Wein, aber hurtig! (_Daniel
  • ab._) Wart Alter! dich will ich fangen, ins Auge will ich dich fassen,
  • so starr, daß dein getroffenes Gewissen durch die Larve erblassen
  • soll! Er soll sterben! -- Der ist ein Stümper, der sein Werk nur auf
  • die Helfte bringt, und dann weg geht, und müßig zugafft, wie es weiter
  • damit werden wird.
  • Daniel (_mit Wein._)
  • ~Franz.~ Stell ihn hieher! Sieh mir fest ins Auge! wie deine Kniee
  • schlottern! Wie du zitterst! Gesteh Alter! Was hast du gethan?
  • ~Daniel.~ Nichts, gnädiger Herr, so wahr Gott lebt, und meine arme
  • Seele.
  • ~Franz.~ Trink diesen Wein aus! -- Was? Du zauderst? -- Heraus,
  • schnell! Was hast du in den Wein geworfen?
  • ~Daniel.~ Hilf Gott! Was? Ich in den Wein?
  • ~Franz.~ Gift hast du in den Wein geworfen! Bist du nicht bleich wie
  • Schnee? Gesteh, gesteh! Wer hat dir's gegeben? Nicht wahr! der Graf,
  • der Graf hat dir's gegeben?
  • ~Daniel.~ Der Graf? Jesus Maria! der Graf hat mir nichts gegeben.
  • ~Franz.~ (_Greift ihn hart an._) Ich will dich würgen, daß du blau
  • wirst, eisgrauer Lügner du! Nichts? Und was stacket ihr denn so
  • beysammen? Er und du und Amalia? Und was flüstertet ihr immer zusammen?
  • Heraus damit! Was für Geheimnisse, was für Geheimnisse hat er dir
  • anvertraut?
  • ~Daniel.~ Das weiß der allwissende Gott. Er hat mir keine Geheimnisse
  • anvertraut.
  • ~Franz.~ Willst du es läugnen? Was für Kabalen habt ihr angezettelt,
  • mich aus dem Weg zu räumen? Nicht wahr? Mich im Schlaf zu erdrosseln?
  • Mir beym Bartscheren die Gurgel abzuschneiden? Mir im Wein oder im
  • Chokolade zu vergeben? Heraus, heraus! -- oder mir in der Suppe den
  • ewigen Schlaf zu geben? Heraus damit! ich weiß alles.
  • ~Daniel.~ So helfe mir Gott, wenn ich in Noth bin, wie ich euch itzt
  • nichts anders sage, als die reine lautere Wahrheit!
  • ~Franz.~ Dißmal will ich dir verzeihen. Aber gelt, er steckte dir gewiß
  • Geld in deinen Beutel? Er drückte dir die Hand stärker als der Brauch
  • ist? so ungefähr, wie man sie seinen alten Bekannten zu drücken pflegt?
  • ~Daniel.~ Niemals, mein Gebieter.
  • ~Franz.~ Er sagte dir, zum Exempel, daß er dich etwa schon kenne? --
  • daß du ihn fast kennen solltest? Daß dir einmal die Decke von den Augen
  • fallen würde -- daß -- was? Davon sollt' er dir niemals gesagt haben?
  • ~Daniel.~ Nicht das mindeste.
  • ~Franz.~ Daß gewisse Umstände ihn abhielten -- daß man oft Masken
  • nehmen müsse, um seinen Feinden zuzukönnen -- daß er sich rächen wolle,
  • aufs grimmigste rächen wolle.
  • ~Daniel.~ Nicht einen Laut von diesem allem.
  • ~Franz.~ Was? gar nichts? Besinne dich recht. -- Daß er den alten Herrn
  • sehr genau -- besonders genau gekannt -- daß er ihn liebe -- ungemein
  • liebe -- wie ein Sohn liebe --
  • ~Daniel.~ Etwas dergleichen erinnere ich mich von ihm gehört zu haben.
  • ~Franz.~ (_blaß_) Hat er, hat er wirklich? Wie, so laß mich doch hören!
  • Er sagte, er sey mein Bruder?
  • ~Daniel.~ (_betroffen_) Was, mein Gebieter? -- Nein, das sagte er
  • nicht. Aber wie ihn das Fräulein in der Gallerie herumführte, ich
  • putzte eben den Staub von den Rahmen der Gemählde ab, stand er bey dem
  • Portrait des seeligen Herrn plözlich still, wie vom Donner gerührt. Das
  • gnädige Fräulein deutete drauf hin, und sagte: ein vortreflicher Mann!
  • Ja ein vortreflicher Mann, gab er zur Antwort, indem er sich die Augen
  • wischte.
  • ~Franz.~ Höre Daniel! Du weist, ich bin immer ein gütiger Herr gegen
  • dich gewesen, ich hab dir Nahrung und Kleider gegeben, und dein
  • schwaches Alter in allen Geschäften geschonet --
  • ~Daniel.~ Dafür lohn euch der liebe Herr Gott! und ich hab euch immer
  • redlich gedienet.
  • ~Franz.~ Das wollt' ich eben sagen. Du hast mir in deinem Leben noch
  • keine Widerrede gegeben, denn du weist gar zu wohl, daß du mir Gehorsam
  • schuldig bist in allem, was ich dich heisse.
  • ~Daniel.~ In allem von ganzem Herzen, wenn es nicht wider Gott und mein
  • Gewissen geht.
  • ~Franz.~ Possen, Possen! Schämst du dich nicht? Ein alter Mann, und
  • an das Weyhnacht-Mährchen zu glauben! Geh Daniel! das war ein dummer
  • Gedanke. Ich bin ja Herr. Mich werden Gott und Gewissen strafen, wenn
  • es ja einen Gott und ein Gewissen gibt.
  • ~Daniel~ (_schlägt die Hände zusammen._) Barmherziger Himmel!
  • ~Franz.~ Bey deinem Gehorsam! Verstehst du das Wort auch? Bey deinem
  • Gehorsam befehl ich dir, morgen darf der Graf nimmer unter den
  • Lebendigen wandeln.
  • ~Daniel.~ Hilf, heiliger Gott! Weswegen?
  • ~Franz.~ Bey deinem ~blinden~ Gehorsam! -- und an dich werd ich mich
  • halten.
  • ~Daniel.~ An mich? Hilf selige Mutter Gottes! An mich? Was hab' ich
  • alter Mann denn Böses gethan?
  • ~Franz.~ Hier ist nicht lang Besinnszeit, dein Schicksal steht in
  • meiner Hand. Willst du dein Leben im tiefsten meiner Thürme vollends
  • ausschmachten, wo der Hunger dich zwingen wird, deine eigenen Knochen
  • abzunagen, und der brennende Durst, dein eigenes Wasser wieder zu
  • saufen? -- Oder willst du lieber dein Brod essen im Frieden, und Ruhe
  • haben in deinem Alter?
  • ~Daniel.~ Was Herr? Fried und Ruhe im Alter? und ein Todtschläger?
  • ~Franz.~ Antwort auf meine Frage!
  • ~Daniel.~ Meine grauen Haare, meine grauen Haare!
  • ~Franz.~ Ja oder Nein!
  • ~Daniel.~ Nein! -- Gott erbarme sich meiner!
  • ~Franz.~ (_Im Begriff zu gehen._) Gut, du sollsts nöthig haben.
  • (_Daniel hält ihn auf und fällt vor ihm nieder._)
  • ~Daniel.~ Erbarmen Herr! Erbarmen!
  • ~Franz.~ Ja oder Nein!
  • ~Daniel.~ Gnädiger Herr! ich bin heute ein und siebenzig Jahr alt!
  • und hab' Vater und Mutter geehret, und niemand meines Wissens um
  • des Hellers Werth im Leben vervortheilt, und hab' an meinem Glauben
  • gehalten, treu und redlich, und hab' in eurem Hause gedienet vier und
  • vierzig Jahr, und erwarte itzt ein ruhig seeliges Ende, ach Herr,
  • Herr! (_Umfaßt seine Kniee heftig_) und ihr wollt mir den letzten
  • Trost rauben im Sterben, daß der Wurm des Gewissens mich um mein
  • letztes Gebet bringe, daß ich ein Greuel vor Gott und Menschen schlafen
  • gehen soll. Nein, nein, mein liebster bester, liebster gnädiger Herr,
  • das woll't ihr nicht, das könn't ihr nicht wollen von einem ein und
  • siebenzigjährigen Manne.
  • ~Franz.~ Ja oder Nein! was soll das Geplapper?
  • ~Daniel.~ Ich will euch von nun an noch eifriger dienen. Will meine
  • dürren Sehnen in eurem Dienst wie ein Taglöhner abarbeiten, will
  • früher aufstehen, will später mich niederlegen -- ach und will euch
  • einschliessen in mein Abend- und Morgengebet, und Gott wird das Gebet
  • eines alten Mannes nicht wegwerfen.
  • ~Franz.~ Gehorsam ist besser, denn Opfer. Hast du je gehört, daß sich
  • der Henker zierte, wenn er ein Urtheil vollstrecken sollte?
  • ~Daniel.~ Ach ja wohl! aber eine Unschuld erwürgen -- einen --
  • ~Franz.~ Bin ich dir etwa Rechenschaft schuldig? darf das Beil den
  • Henker fragen, warum dahin und nicht dorthin? -- Aber sieh, wie
  • langmüthig ich bin -- ich biete dir eine Belohnung für das, was du mir
  • huldigtest.
  • ~Daniel.~ Aber ich hoffte, ein Christ bleiben zu dörfen, da ich euch
  • huldigte.
  • ~Franz.~ Keine Widerrede! siehe ich gebe dir einen ganzen Tag noch
  • Bedenkzeit! Ueberlege es nochmals. Glück und Unglück -- hörst du,
  • verstehst du? das höchste Glück, und das äußerste Unglück! Ich will
  • Wunder thun im Peinigen.
  • ~Daniel~ (_Nach einigem Nachdenken._) Ich will's thun, morgen will
  • ich's thun. (_ab._)
  • Franz.
  • Die Versuchung ist stark, und der war wohl nicht zum Märtyrer seines
  • Glaubens geboren -- Wohl bekomms dann, Herr Graf! Allem Ansehen nach
  • werden sie morgen Abend ihr Henker-Mahl halten! Es kommt alles nur
  • darauf an, wie man davon denkt, und der ist ein Narr, der wider seine
  • Vortheile denkt. Den Vater, der vielleicht eine Bouteille Wein weiter
  • getrunken hat, kommt der Kitzel an -- und draus wird ein Mensch, und
  • der Mensch war gewiß das letzte, woran bey der ganzen Herkules-Arbeit
  • gedacht wird. Nun kommt mich eben auch der Kitzel an -- und dran
  • krepirt ein Mensch, und gewiß ist hier mehr Verstand und Absichten,
  • als dort bey seinem Entstehen war -- Hangt nicht das Daseyn der
  • meisten Menschen mehrentheils an der Hitze eines Julius-Mittags, oder
  • am anziehenden Anblick eines Betttuchs, oder an der wagrechten Lage
  • einer schlafenden Küchen-Grazie, oder an einem ausgelöschten Licht?
  • -- Ist die Geburt des Menschen das Werk einer viehischen Anwandlung,
  • eines Ungefährs, wer sollte wegen der ~Verneinung seiner Geburt~
  • sich einkommen lassen, an ein bedeutendes Etwas zu denken? Verflucht
  • sey die Thorheit unserer Ammen und Wärterinnen, die unsere Phantasie
  • mit schröcklichen Mährchen verderben, und gräßliche Bilder von
  • Strafgerichten in unser weiches Gehirnmark drücken, daß unwillkührliche
  • Schauder die Glieder des Mannes noch in frostige Angst rütteln, unsere
  • kühnste Entschlossenheit sperren, unsere erwachende Vernunft an Ketten
  • abergläubischer Finsterniß legen -- ~Mord~! wie eine ganze Hölle von
  • Furien um das Wort flattert -- die Natur vergaß einen Mann mehr zu
  • machen -- die Nabelschnur ist nicht unterbunden worden -- der Vater
  • hat in der Hochzeit-Nacht glatten Leib bekommen -- und die ganze
  • Schattenspielerey ist verschwunden. Es war etwas und wird nichts --
  • Heißt es nicht eben so viel, als: es war nichts und wird nichts und
  • um nichts wird kein Wort mehr gewechselt -- der Mensch entstehet aus
  • Morast, und watet eine Weile im Morast, und macht Morast, und gährt
  • wieder zusammen in Morast, bis er zuletzt an den Schuhsohlen seines
  • Urenkels unflätig anklebt. Das ist das Ende vom Lied -- der morastige
  • Zirkel der menschlichen Bestimmung, und somit -- glückliche Reise,
  • Herr Bruder! Der milzsüchtige podagrische Moralist von einem Gewissen
  • mag runzlichte Weiber aus Bordellen jagen, und alte Wucherer auf dem
  • Todesbett foltern -- bey mir wird er nimmermehr Audienz bekommen. (_Er
  • geht ab._)
  • Dritte Scene.
  • Andres Zimmer im Schloß.
  • Räuber Moor. (_von der einen Seite._) Daniel (_von der andern._)
  • ~Moor.~ (_hastig._) Wo ist das Fräulein?
  • ~Daniel.~ Gnädiger Herr! Erlaubt einem armen Mann, euch um etwas zu
  • bitten.
  • ~Moor.~ Es ist dir gewährt, was willst du?
  • ~Daniel.~ Nicht viel, und alles, so wenig und doch so viel -- laßt mich
  • eure Hand küssen!
  • ~Moor.~ Das sollst du nicht, guter Alter! (_umarmt ihn._) den ich Vater
  • nennen möchte.
  • ~Daniel.~ Eure Hand, eure Hand! ich bitt euch.
  • ~Moor.~ Du sollst nicht.
  • ~Daniel.~ Ich muß! (_Er greift sie, betrachtet sie schnell und fällt
  • vor ihm nieder._) Lieber, bester Karl!
  • ~Moor.~ (_erschrickt, faßt sich, fremd._) Freund, was sagst du? Ich
  • verstehe dich nicht.
  • ~Daniel.~ Ja, läugnet es nur, verstellt euch! Schön, schön! Ihr seyd
  • immer mein bester köstlicher Junker -- Lieber Gott! daß ich alter Mann
  • noch die Freude -- dummer Tölpel ich, daß ich euch nicht gleich -- ey
  • du himmlischer Vater! So seyd ihr ja wiedergekommen, und der alte Herr
  • ist unterm Boden, und da seyd ihr ja wieder -- was für ein blinder Esel
  • ich doch war (_sich vor den Kopf schlagend_) daß ich euch nicht im
  • ersten Hui -- ey du mein! Wer hätte sich das träumen lassen! -- um was
  • ich mit Thränen betete, -- Jesus Christus! Da steht er ja leibhaftig
  • wieder in der alten Stube!
  • ~Moor.~ Was ist das für eine Sprache? Seyd ihr vom hitzigen Fieber
  • aufgesprungen, oder wollt ihr eine Komödien-Rolle an mir probiren?
  • ~Daniel.~ Ey pfui doch, pfui doch! Das ist nicht fein, einen alten
  • Knecht so zum besten haben -- Diese Narbe! He, wißt ihr noch? -- Großer
  • Gott! Was ihr mir da für eine Angst einjagtet -- ich hab' euch immer so
  • lieb gehabt, und was ihr mir da für Herzeleid hättet anrichten können
  • -- ihr saßt mir im Schoos, -- wißt ihr noch? -- Dort in der runden
  • Stube -- gelt Vogel? Das habt ihr freylich vergessen -- auch den Kukuk,
  • den ihr so gern hörtet? -- denkt doch! der Kukuk ist zerschlagen, in
  • Grunds-Boden geschlagen -- die alte Susel hat ihn verwettert, wie sie
  • die Stube fegte -- ja freylich, und da saß't ihr mir im Schoos, und
  • rief't hotto! und ich lief fort, euch den Hotto-Gaul zu holen --
  • Jesus Gott! Warum mußt' ich alter Esel auch fortlaufen? -- und wie
  • mir's siedigheiß über den Buckel lief -- wie ich das Zettergeschrey
  • höre draussen im Oehrn, spring herein, und da lief das helle Blut, und
  • laget am Boden, und hattet -- heilige Mutter Gottes! War mir's nicht,
  • als wenn mir ein Kübel eiskalt Wasser übern Nacken sprizte -- aber so
  • geht's, wenn man nicht alle Augen auf die Kinder hat. Großer Gott,
  • wenn's in's Aug' gegangen wäre -- War's darzu noch die rechte Hand.
  • Mein Lebens-Tag, sagt' ich, soll mir kein Kind mehr ein Messer oder
  • eine Scheere oder so was spitziges, sagt' ich, in die Hände kriegen,
  • sagt' ich, -- war zum Glück noch Herr und Frau verreiset -- ja ja, das
  • soll mir mein Tag des Lebens eine Warnung seyn, sagt' ich -- Jemini,
  • jemini! ich hätte vom Dienst kommen können, ich hätte, Gott der Herr
  • verzeih's euch, gottloses Kind -- aber gottlob! es heilte glücklich,
  • bis auf die wüste Narbe.
  • ~Moor.~ Ich begreiffe kein Wort von allem, was du sagst.
  • ~Daniel.~ Ja gelt, gelt? Das war noch eine Zeit? Wie manches
  • Zuckerbrod, oder Biscuit oder Makrone ich euch hab' zugeschoben, hab'
  • euch immer am gernsten gehabt, und wißt ihr noch, was ihr mir drunten
  • sagtet im Stall, wie ich euch auf des alten Herrn seinen Schweißfuchsen
  • setzte, und euch auf der großen Wiese ließ herumjagen? Daniel! sagtet
  • ihr, laß mich nur einen großen Mann werden, Daniel, so sollst du mein
  • Verwalter seyn, und mit mir in der Kutsche fahren, -- ja, sagt' ich,
  • und lachte, wenn Gott Leben und Gesundheit schenkt, und ihr euch eines
  • alten Mannes nicht schämen werdet, sagt' ich, so will ich euch bitten,
  • mir das Häuschen drunten im Dorf zu räumen, das schon eine gute Weil'
  • leer steht, und da wollt' ich mir ein Eimer zwanzig Wein einlegen, und
  • wirthschaften in meinen alten Tagen. -- Ja lacht nur, lacht nur! Gelt
  • junger Herr, das habt ihr rein ausgeschwizt? -- den alten Mann will man
  • nicht kennen, da thut man so fremd, so fürnehm -- o ihr seyd doch mein
  • goldiger Junker -- freylich halt ein bisgen lucker gewesen -- nimmt
  • mir's nicht übel! -- Wie's eben das junge Fleisch meistens ist -- am
  • Ende kann noch alles gut werden.
  • ~Moor~ (_fällt ihm um den Hals._) Ja! Daniel ich will's nicht mehr
  • verhehlen! Ich bin dein Karl, dein verlorner Karl! Was macht meine
  • Amalia?
  • ~Daniel~ (_fängt an zu weinen._) Daß ich alter Sünder noch die Freude
  • haben soll, -- und der Herr selig weinete umsonst! -- Abe, abe, weißer
  • Schedel! mürbe Knochen, fahret in die Grube mit Freuden! Mein Herr und
  • Meister lebt, ihn haben meine Augen gesehen!
  • ~Moor.~ Und will halten, was er versprochen hat, -- nimm das, ehrlicher
  • Graukopf, für den Schweisfuchsen im Stall (_dringt ihm einen schweren
  • Beutel auf_) nicht vergessen hab ich den alten Mann.
  • ~Daniel.~ Wie, was treibt ihr? Zuviel! Ihr habt euch vergriffen.
  • ~Moor.~ Nicht vergriffen, Daniel! (_Daniel will niederfallen._) Steh
  • auf, sage mir, was macht meine Amalia?
  • ~Daniel.~ Gottes Lohn! Gottes Lohn! Ey Herr Jerem! -- Eure Amalia, oh
  • die wird's nicht überleben, die wird sterben vor Freude!
  • ~Moor~ (_heftig._) Sie vergaß mich nicht?
  • ~Daniel.~ Vergessen? Wie schwäzt ihr wieder? Euch vergessen? -- da
  • hättet ihr sollen dabey seyn, hättet's sollen mit ansehen, wie sie sich
  • gebehrdete, als die Zeitung kam, ihr wärt gestorben, die der gnädige
  • Herr ausstreuen ließ --
  • ~Moor.~ Was sagst du? mein Bruder --
  • ~Daniel.~ Ja euer Bruder, der gnädige Herr, euer Bruder -- ich will
  • euch ein andermal mehr davon erzählen, wenn's Zeit dazu ist -- und
  • wie sauber sie ihm abkappte, wenn er ihr alle Tage, die Gott schickt,
  • seinen Antrag machte, und sie zur gnädigen Frau machen wollte. O ich
  • muß hin, muß hin, ihr sagen, ihr die Botschaft bringen (_will fort._)
  • ~Moor.~ Halt, halt! sie darf's nicht wissen, darf's niemand wissen,
  • auch mein Bruder nicht --
  • ~Daniel.~ Euer Bruder? Nein beyleibe nicht, er darf's nicht wissen! Er
  • gar nicht! -- Wenn er nicht schon mehr weiß, als er wissen darf -- Oh
  • ich sage euch, es gibt garstige Menschen, garstige Brüder, garstige
  • Herren -- aber ich möcht' um alles Gold meines Herrn willen kein
  • garstiger Knecht seyn -- der gnädige Herr hielt euch todt.
  • ~Moor.~ Hum! Was brummst du da?
  • ~Daniel~ (_leiser._) Und wenn man freylich so ungebeten aufersteht --
  • euer Bruder war des Herrn selig einziger Erbe --
  • ~Moor.~ Alter! -- Was murmelst du da zwischen den Zähnen, als wenn
  • irgend ein Ungeheuer von Geheimniß auf deiner Zunge schwebte, das nicht
  • heraus wollte, und doch heraus sollte, rede deutlicher!
  • ~Daniel.~ Aber ich will lieber meine alten Knochen abnagen vor Hunger,
  • lieber vor Durst mein eigenes Wasser saufen, als Wohlleben die Fülle
  • verdienen mit einem Todschlag. (_schnell ab._)
  • Moor (_auffahrend aus schrecklicher Pause._)
  • Betrogen betrogen! da fährt es über meine Seele wie der Blitz!
  • -- ~Spitzbübische Künste!~ Himmel und Hölle! nicht du, Vater!
  • ~Spitzbübische Künste!~ ~Mörder~, ~Räuber~ durch spitzbübische Künste!
  • Angeschwärzt von ihm! verfälscht, unterdrückt meine Briefe -- voll
  • Liebe sein Herz -- oh ich Ungeheuer von einem Thoren -- voll Liebe sein
  • Vater-Herz -- oh Schelmerey, Schelmerey! Es hätte mich einen Fußfall
  • gekostet, es hätte mich eine Thräne gekostet -- oh ich blöder, blöder,
  • blöder Thor! (_wider die Wand rennend._) Ich hätte glücklich seyn
  • können -- oh Büberey, Büberey! das Glück meines Lebens bübisch, bübisch
  • hinwegbetrogen. (_Er läuft wüthend auf und nieder._) Mörder, Räuber
  • durch spitzbübische Künste! -- Er grollte nicht einmal. Nicht ein
  • Gedanke von Fluch in seinem Herzen -- oh Bösewicht! unbegreiflicher,
  • schleichender, abscheulicher Bösewicht!
  • Kosinsky (_kommt._)
  • ~Kosinsky.~ Nun Hauptmann, wo steckst du? Was ists? Du willst noch
  • länger hier bleiben, merk' ich?
  • ~Moor.~ Auf! Sattle die Pferde! Wir müssen vor Sonnen-Untergang noch
  • über den Gränzen seyn!
  • ~Kosinsky.~ Du spassest.
  • ~Moor~ (_Befehlend._) Hurtig, hurtig! Zaudre nicht lang, laß alles da!
  • und daß kein Aug' dich gewahr wird.
  • (Kosinsky ab.)
  • Moor.
  • Ich fliehe aus diesen Mauren. Der geringste Verzug könnte mich wüthig
  • machen, und er ist meines Vaters Sohn -- Bruder, Bruder! Du hast mich
  • zum Elendesten auf Erden gemacht, ich habe dich niemals beleidigt, es
  • war nicht brüderlich gehandelt -- Erndte die Früchte deiner Unthat in
  • Ruhe, meine Gegenwart soll dir den Genuß nicht länger vergällen -- aber
  • gewiß, es war nicht brüderlich gehandelt. Finsterniß verlösche sie auf
  • ewig, und der Tod rühre sie nicht auf!
  • Kosinsky.
  • ~Kosinsky.~ Die Pferde stehn gesattelt, ihr könnt aufsitzen, wann ihr
  • wollt.
  • ~Moor.~ Presser, Presser! Warum so eilig? Soll ich sie nicht mehr sehn?
  • ~Kosinsky.~ Ich zäume gleich wieder ab, wenn ihr's haben wollt, ihr
  • hießt mich ja über Hals und Kopf eilen.
  • ~Moor.~ Noch einmal! ein Lebewohl noch! ich muß den Gifttrank dieser
  • Seeligkeit vollends ausschlürfen, und dann -- halt Kosinsky! Zehn
  • Minuten noch -- hinten am Schloßhof -- und wir sprengen davon!
  • Vierte Scene.
  • Im Garten.
  • Amalia.
  • ~Du weinst Amalia?~ -- und das sprach er mit einer Stimme! mit einer
  • Stimme -- mir wars, als ob die Natur sich verjüngete -- die genossenen
  • Lenze der Liebe dämmerten auf mit der Stimme! Die Nachtigall schlug wie
  • damals -- die Blumen hauchten wie damals -- und ich lag Wonne-berauscht
  • an seinem Hals -- Ha falsches treuloses Herz! Wie du deinen Meineid
  • beschönigen willst! Nein, nein, weg aus meiner Seele, du Frevel-Bild --
  • ich hab' meinen Eid nicht gebrochen, du Einziger! Weg aus meiner Seele,
  • ihr verrätherischen gottlosen Wünsche! im Herzen, wo Karl herrscht,
  • darf kein Erdensohn nisten -- Aber warum, meine Seele, so immer, so
  • wider Willen nach diesem Fremdling? Hängt er sich nicht so hart an das
  • Bild meines Einzigen? Ist er nicht der ewige Begleiter meines Einzigen?
  • ~Du weinst Amalia?~ -- Ha ich will ihn fliehen! -- fliehen! -- Nimmer
  • sehen soll mein Aug' diesen Fremdling!
  • Räuber Moor (_öffnet die Gartenthüre._)
  • ~Amalia~ (_fährt zusammen._) Horch! horch! Rauschte die Thüre nicht?
  • (_Sie wird Karln gewahr, und springt auf._) Er? -- wohin? -- was?
  • -- da hat mich's angewurzelt, daß ich nicht fliehen kann -- Verlaß
  • mich nicht, Gott im Himmel! -- Nein du sollst mir meinen Karl nicht
  • entreissen! Meine Seele hat nicht Raum für zwey Gottheiten, und ich
  • bin ein sterbliches Mädchen! (_Sie nimmt Karls Bild heraus._) Du, mein
  • Karl, sey mein Genius wider diesen Fremdling, den Liebestörer! dich,
  • dich ansehen, unverwandt, -- und weg alle gottlosen Blicke nach diesem
  • (_sie sitzt stumm -- das Auge starr auf das Bild geheftet._)
  • ~Moor.~ Sie da, gnädiges Fräulein? -- und traurig? und eine Thräne auf
  • diesem Gemählde? -- (_Amalia gibt ihm keine Antwort._) -- Und wer ist
  • der Glückliche, um den sich das Aug' eines Engels versilbert? darf auch
  • ich diesen Verherrlichten -- (_er will das Gemählde betrachten._)
  • ~Amalia.~ Nein, ja, nein!
  • ~Moor~ (_zurückfahrend._) Ha! -- und verdient er diese Vergötterung?
  • verdient er? --
  • ~Amalia.~ Wenn Sie ihn gekannt hätten!
  • ~Moor.~ Ich würd' ihn beneidet haben.
  • ~Amalia.~ Angebetet, wollen Sie sagen.
  • ~Moor.~ Ha!
  • ~Amalia.~ Oh Sie hätten ihn so lieb gehabt -- es war so viel, so viel
  • in seinem Angesicht -- in seinen Augen -- im Ton seiner Stimme, das
  • Ihnen so gleich kommt -- das ich so liebe --
  • ~Moor~ (_sieht zur Erde._)
  • ~Amalia.~ Hier, wo Sie stehen, stand er tausendmal -- und neben ihm
  • die, die neben ihm Himmel und Erde vergaß -- hier durchirrte sein
  • Aug' die um ihn prangende Gegend -- sie schien den großen belohnenden
  • Blick zu empfinden, und sich unter dem Wohlgefallen ihres Meisterbilds
  • zu verschönern -- hier hielt er mit himmlischer Musik die Hörer der
  • Lüfte gefangen -- hier an diesem Busch pflückte er Rosen, und pflückte
  • die Rosen für mich -- hier hier lag er an meinem Halse, brannte sein
  • Mund auf dem meinen, und die Blumen starben gern unter der Liebenden
  • Fußtritt --
  • ~Moor.~ Er ist nicht mehr?
  • ~Amalia.~ Er seegelt auf ungestümen Meeren -- Amalia's Liebe seegelt
  • mit ihm -- er wandelt durch ungebahnte sandigte Wüsten -- Amalia's
  • Liebe macht den brennenden Sand unter ihm grünen, und die wilden
  • Gesträuche blühen -- der Mittag sengt sein entblößtes Haupt, nordischer
  • Schnee schrumpft seine Sohlen zusammen, stürmischer Hagel regnet um
  • seine Schläfe, und Amalia's Liebe wiegt ihn in Stürmen ein -- Meere und
  • Berge und Horizonte zwischen den Liebenden -- aber die Seelen versetzen
  • sich aus dem staubigten Kerker, und treffen sich im Paradiese der Liebe
  • -- Sie scheinen traurig, Herr Graf?
  • ~Moor.~ Die Worte der Liebe machen auch meine Liebe lebendig.
  • ~Amalia.~ (_blaß._) Was? Sie lieben eine andre? -- Weh mir, was hab ich
  • gesagt?
  • ~Moor.~ Sie glaubte mich todt, und blieb treu dem Todtgeglaubten -- sie
  • hörte wieder, ich lebe, und opferte mir die Krone einer Heiligen auf.
  • Sie weiß mich in Wüsten irren, und im Elend herumschwärmen, und ihre
  • Liebe fliegt durch Wüsten und Elend mir nach. Auch heißt sie Amalia,
  • wie Sie, gnädiges Fräulein.
  • ~Amalia.~ Wie beneid' ich Ihre Amalia!
  • ~Moor.~ O sie ist ein unglückliches Mädchen, ihre Liebe ist für einen,
  • der verloren ist, und wird -- ewig niemals belohnt.
  • ~Amalia.~ Nein, sie wird im Himmel belohnt. Sagt man nicht, es gebe
  • eine bessere Welt, wo die Traurigen sich freuen, und die Liebenden sich
  • wieder erkennen?
  • ~Moor.~ Ja, eine Welt, wo die Schleyer hinwegfallen, und die Liebe sich
  • schrecklich wiederfindet -- ~Ewigkeit~ heißt ihr Name -- meine Amalia
  • ist ein unglückliches Mädchen.
  • ~Amalia.~ Unglücklich, und Sie lieben?
  • ~Moor.~ Unglücklich, weil sie mich liebt! wie, wenn ich ein
  • Todtschläger wäre? wie mein Fräulein? wenn Ihr Geliebter Ihnen für
  • jeden Kuß einen Mord aufzählen könnte? wehe meiner Amalia! Sie ist ein
  • unglückliches Mädchen.
  • ~Amalia~ (_froh aufhüpfend._) Ha! wie bin ich ein glückliches Mädchen!
  • Mein Einziger ist Nachstrahl der Gottheit, und die Gottheit ist Huld
  • und Erbarmen! Nicht eine Fliege konnt' er leiden sehen -- Seine Seele
  • ist so fern von einem blutigen Gedanken, als fern der Mittag von der
  • Mitternacht ist.
  • ~Moor~ (_kehrt sich schnell ab, in ein Gebüsch, blickt starr in die
  • Gegend._)
  • ~Amalia~ (_singt und spielt auf der Laute._)
  • Willst dich Hektor ewig mir entreissen,
  • Wo des Aeaciden mordend Eisen
  • Dem Patroklus schrecklich Opfer bringt?
  • Wer wird künftig deinen Kleinen lehren
  • Speere werfen und die Götter ehren,
  • Wenn hinunter dich der Xanthus schlingt?
  • ~Moor~ (_nimmt die Laute stillschweigend und spielt._)
  • Theures Weib, geh, hol die Todeslanze! --
  • Laß -- mich fort -- zum wilden Kriegestanze --
  • (Er wirft die Laute weg, und flieht davon.)
  • Fünfte Scene.
  • ~Nahgelegener Wald. Nacht.~
  • Ein altes verfallenes Schloß in der Mitte.
  • Die ~Räuberbande~ gelagert auf der Erde.
  • Die ~Räuber~ singen.
  • Stehlen, morden, huren, balgen
  • Heißt bey uns nur die Zeit zerstreu'n.
  • Morgen hangen wir am Galgen,
  • Drum laßt uns heute lustig seyn.
  • Ein freyes Leben führen wir,
  • Ein Leben voller Wonne.
  • Der Wald ist unser Nachtquartier,
  • Bey Sturm und Wind handthieren wir,
  • Der Mond ist unsre Sonne,
  • Merkurius ist unser Mann,
  • Der's Prakticiren treflich kann.
  • Heut laden wir bey Pfaffen uns ein,
  • Bey masten Pächtern morgen,
  • Was drüber ist, da lassen wir fein
  • Den lieben Herrgott sorgen.
  • Und haben wir im Traubensaft
  • Die Gurgel ausgebadet,
  • So machen wir uns Muth und Kraft
  • Und mit dem Schwarzen Brüderschaft,
  • Der in der Hölle bratet.
  • Das Wehgeheul geschlagner Väter,
  • Der bangen Mütter Klaggezetter,
  • Das Winseln der verlaßnen Braut
  • Ist Schmauß für unsre Trommelhaut!
  • Ha! wenn sie euch unter dem Beile so zucken,
  • Ausbrüllen wie Kälber, umfallen wie Mucken,
  • Das kitzelt unsern Augenstern,
  • Das schmeichelt unsern Ohren gern.
  • Und wenn mein Stündlein kommen nun,
  • Der Henker soll es holen,
  • So haben wir halt unsern Lohn,
  • Und schmieren unsre Sohlen,
  • Ein Schlückchen auf den Weg vom heissen Traubensohn,
  • Und hura rax dax! gehts, als flögen wir davon.
  • ~Schweizer.~ Es wird Nacht, und der Hauptmann noch nicht da!
  • ~Razmann.~ Und versprach doch Schlag acht Uhr wieder bey uns
  • einzutreffen.
  • ~Schweizer.~ Wenn ihm Leides geschehen wäre -- Kameraden! wir zünden an
  • und morden den Säugling.
  • ~Spiegelberg~ (_nimmt Razmann beyseite._) Auf ein Wort Razmann.
  • ~Schwarz~ (_zu Grimm._) Wollen wir nicht Spionen ausstellen?
  • ~Grimm.~ Laß du ihn! Er wird einen Fang thun, daß wir uns schämen
  • müssen.
  • ~Schweizer.~ Da brennst du dich, beym Henker! Er gieng nicht von
  • uns wie einer, der einen Schelmenstreich im Schild führt. Hast du
  • vergessen, was er gesagt hat, als er uns über die Haide führte? -- »Wer
  • nur eine Rübe vom Acker stiehlt, daß ich's erfahre, läßt seinen Kopf
  • hier, so wahr ich ~Moor~ heiße.« -- Wir dörfen nicht rauben.
  • ~Razmann~ (_leise zu Spiegelberg._) Wo will das hinaus -- rede
  • deutscher.
  • ~Spiegelberg.~ Pst! Pst! -- Ich weiß nicht, was du oder ich für
  • Begriffe von Freyheit haben, daß wir an einem Karrn ziehen, wie Stiere,
  • und dabey wunderviel von Independenz deklamiren -- Es gefällt mir nicht.
  • ~Schweizer~ (_zu Grimm._) Was wohl dieser Windkopf hier an der Kunkel
  • hat?
  • ~Razmann~ (_leise zu Spiegelberg._) Du sprichst vom Hauptmann? --
  • ~Spiegelberg.~ Pst doch! Pst! -- Er hat so seine Ohren unter uns
  • herumlaufen -- ~Hauptmann~ sagst du? wer hat ihn zum Hauptmann über uns
  • gesetzt, oder hat er nicht diesen Titel usurpirt, der von rechtswegen
  • mein ist? -- Wie? legen wir darum unser Leben auf Würfel -- baden
  • darum alle Milzsuchten des Schicksals aus, daß wir am End' noch von
  • Glück sagen, die Leibeigenen eines Sklaven zu seyn? -- Leibeigene, da
  • wir Fürsten seyn könnten? -- Bey Gott! Razmann -- das hat mir niemals
  • gefallen.
  • ~Schweizer~ (_Zu den andern._) Ja -- du bist mir der rechte Held,
  • Frösche mit Steinen breit zu schmeissen -- Schon der Klang seiner
  • Nase, wenn er sich schneuzte, könnte dich durch ein Nadelöhr jagen --
  • ~Spiegelberg~ (_zu Razmann._) Ja -- Und Jahre schon dicht' ich darauf:
  • Es soll anders werden. Razmann -- wenn du bist, wofür ich dich immer
  • hielt -- Razmann! -- Man vermißt ihn -- gibt ihn halb verloren --
  • Razmann, mich deucht, seine schwarze Stunde schlägt -- wie? Nicht
  • einmal röther wirst du, da dir die Glocke zur Freyheit läutet? Hast
  • nicht einmal so viel Muth, einen kühnen Wink zu verstehen?
  • ~Razmann.~ Ha Satan! worinn verstrickst du meine Seele?
  • ~Spiegelberg.~ Hats gefangen? -- Gut! so folge. Ich hab' mir's gemerkt,
  • wo er hinschlich -- Komm! Zwey Pistolen fehlen selten, und dann --
  • so sind wir die ersten, die den Säugling erdrosseln. (_Er will ihn
  • fortreissen._)
  • ~Schweizer~ (_Zieht wüthend sein Messer._) Ha Bestie! Eben recht
  • erinnerst du mich an die böhmischen Wälder! -- Warst du nicht die
  • Memme, die anhub zu schnadern, als sie riefen: ~Der Feind kommt~? Ich
  • hab' damals bey meiner Seele geflucht -- fahr hin Meuchelmörder (_Er
  • sticht ihn todt._)
  • ~Räuber~ (_In Bewegung._) Mordjo! Mordjo! -- -- Schweizer --
  • Spiegelberg -- Reißt sie auseinander --
  • ~Schweizer~ (_Wirft das Messer über ihn._) Da! -- Und so krepir du
  • -- Ruhig Kameraden -- Laßt euch den Bettel nicht unterbrechen -- Die
  • Bestie ist dem Hauptmann immer giftig gewesen, und hat keine Narbe auf
  • ihrer ganzen Haut -- Noch einmal, gebt euch zufrieden -- ha! über den
  • Racker -- von hinten her will er Männer zu schanden schmeissen? Männer
  • von hinten her! -- Ist uns darum der helle Schweiß über die Backen
  • gelaufen, daß wir aus der Welt schleichen wie Hundsvötter? Bestie du!
  • Haben wir uns darum unter Feuer und Rauch gebettet, daß wir zuletzt wie
  • Ratten verrecken?
  • ~Grimm.~ Aber zum Teufel -- Kamerad -- was hattet ihr mit einander? --
  • Der Hauptmann wird rasend werden.
  • ~Schweizer.~ Dafür laß mich sorgen -- Und du Heilloser (_zu Razmann_),
  • du warst sein Helfershelfer, du! -- Pack dich aus meinen Augen -- der
  • Schufterle hat's auch so gemacht, aber dafür hängt er itzt auch in der
  • Schweiz, wie's ihm mein Hauptmann prophezeyt hat -- (_Man schießt._)
  • ~Schwarz~ (_aufspringend._) Horch! ein Pistolenschuß! (_Man schießt
  • wieder._) Noch einer! Holla! Der Hauptmann!
  • ~Grimm.~ Nur Geduld! Er muß zum drittenmal schiessen. (_Man hört noch
  • einen Schuß._)
  • ~Schwarz.~ Er ist's! -- Ist's -- Salvier dich, Schweizer -- laßt uns
  • ihm antworten.
  • (Sie schiessen.)
  • Moor. Kosinsky (_treten auf._)
  • ~Schweizer~ (_ihnen entgegen._) Sey willkommen, mein Hauptmann -- Ich
  • bin ein bischen vorlaut gewesen, seit du weg bist. (_Er führt ihn an
  • die Leiche._) Sey du Richter zwischen mir und diesem -- ~von hinten~
  • hat er dich ermorden wollen.
  • ~Räuber~ (_mit Bestürzung._) Was? Den Hauptmann?
  • ~Moor.~ (_In den Anblick versunken, bricht heftig aus._) O
  • unbegreiflicher Finger der rachekundigen Nemesis! -- Wars nicht dieser,
  • der mir das Sirenenlied trillerte? -- Weihe diß Messer der dunklen
  • Vergelterinn! -- das hast ~Du~ nicht gethan, Schweizer.
  • ~Schweizer.~ Bei Gott! ich habs wahrlich gethan, und es ist beim Teufel
  • nicht das schlechtste, was ich in meinem Leben gethan habe. (_geht
  • unwillig ab._)
  • ~Moor~ (_Nachdenkend._) Ich verstehe -- Lenker im Himmel -- ich
  • verstehe -- die Blätter fallen von den Bäumen -- und mein Herbst ist
  • kommen -- Schafft mir diesen aus den Augen. (_Spiegelbergs Leiche wird
  • hinweg getragen._)
  • ~Grimm.~ Gib uns Ordre, Hauptmann -- was sollen wir weiter thun?
  • ~Moor.~ Bald -- bald ist alles erfüllet -- Gebt mir meine Laute -- Ich
  • habe mich selbst verloren, seit ich dort war -- Meine Laute sag ich --
  • Ich muß mich zurück lullen in meine Kraft -- verlaßt mich.
  • ~Räuber.~ Es ist Mitternacht, Hauptmann.
  • ~Moor.~ Doch warens nur die Thränen im Schauspielhaus -- den
  • Römergesang muß ich hören, daß mein schlafender Genius wieder aufwacht
  • -- Meine Laute her -- Mitternacht, sagt ihr?
  • ~Schwarz.~ Wohl bald vorüber. Wie Bley liegt der Schlaf in uns. Seit
  • drei Tagen kein Auge zu.
  • ~Moor.~ Sinkt denn der balsamische Schlaf auch auf die Augen der
  • Schelmen? Warum fliehet er mich? Ich bin nie ein Feiger gewesen, oder
  • ein schlechter Kerl -- Legt euch schlafen -- Morgen am Tag gehen wir
  • weiter.
  • ~Räuber.~ Gute Nacht, Hauptmann (_Sie lagern sich auf der Erde und
  • schlafen ein._)
  • Tiefe Stille.
  • Moor. (_Nimmt die Laute und spielt._)
  • ~Brutus.~
  • Sey willkommen friedliches Gefilde,
  • Nimm den Letzten aller Römer auf!
  • Von Philippi, wo die Mordschlacht brüllte
  • Schleicht mein Gram-gebeugter Lauf.
  • Kassius wo bist du? -- Rom verloren!
  • Hingewürgt mein brüderliches Heer!
  • Meine Zuflucht zu des Todes Thoren!
  • Keine Welt für Brutus mehr!
  • ~Cäsar.~
  • Wer, mit Schritten eines Niebesiegten,
  • Wandert dort vom Felsenhang? --
  • Ha! wenn meine Augen mir nicht lügten!
  • Das ist eines Römers Gang. --
  • Tybersohn -- von wannen deine Reise?
  • Dauert noch die Siebenhügelstadt?
  • Oft geweinet hab ich um die Waise,
  • Daß sie nimmer einen Cäsar hat.
  • ~Brutus.~
  • Ha! du mit der drei und zwanzigfachen Wunde!
  • Wer rief Todter dich an's Licht?
  • Schaudre rückwärts, zu des Orkus Schlunde,
  • Stolzer Weiner! Triumphire nicht!
  • Auf Philippi's eisernem Altare
  • Raucht der Freiheit letztes Opferblut;
  • Rom verröchelt über Brutus Bahre,
  • Brutus geht zu Minos -- Kreuch in deine Flut.
  • ~Cäsar.~
  • O ein Todesstoß von Brutus Schwerte!
  • Auch du -- Brutus -- du?
  • Sohn -- es war dein Vater -- Sohn -- die Erde
  • Wär gefallen dir als Erbe zu!
  • Geh -- du bist der gröste Römer worden,
  • Da in Vaters Brust dein Eisen drang,
  • Geh -- und heul es bis zu jenen Pforten:
  • Brutus ist der gröste Römer worden,
  • Da in Vaters Brust sein Eisen drang.
  • Geh -- du weißts nun, was an Lethes Strande
  • Mich noch bannte --
  • Schwarzer Schiffer, stoß vom Lande!
  • ~Brutus.~
  • Vater halt! -- Im ganzen Sonnenreiche
  • Hab ich Einen nur gekannt,
  • Der dem großen Cäsar gleiche:
  • Diesen Einen hast du Sohn genannt.
  • Nur ein Cäsar mochte Rom verderben,
  • Nur nicht Brutus mochte Cäsar stehn,
  • Wo ein Brutus lebt, muß Cäsar sterben;
  • Geh du linkwärts, laß mich rechtwärts gehn.
  • (Er legt die Laute hin, geht tiefdenkend auf und nieder.)
  • Wer mir Bürge wäre? -- -- Es ist alles so finster -- verworrene
  • Labyrinthe -- kein Ausgang -- kein leitendes Gestirn -- wenns
  • ~aus~ wäre mit diesem letzten Othemzug -- ~Aus~ wie ein
  • schaales Marionettenspiel -- Aber wofür der heiße ~Hunger~ nach
  • ~Glückseligkeit~? Wofür das Ideal einer ~unerreichten~ Vollkommenheit?
  • Das ~Hinausschieben~ unvollendeter Plane? -- wenn der armselige Druck
  • dieses armseligen Dings (_die Pistolen vors Gesicht haltend_) den
  • Weisen dem Thoren -- den Feigen dem Tapfern -- den Edlen dem Schelmen
  • gleich macht? -- Es ist doch eine so göttliche Harmonie in der
  • seelenlosen Natur, warum sollte dieser Mißklang in der vernünftigen
  • seyn? -- Nein! Nein! es ist etwas mehr, denn ich bin noch nicht
  • glücklich gewesen.
  • Glaubt ihr, ich werde zittern? Geister meiner Erwürgten! ich werde
  • nicht zittern. (~Heftig zitternd.~) -- Euer banges Sterbegewinsel --
  • euer schwarzgewürgtes Gesicht -- eure fürchterlich klaffenden Wunden
  • sind ja nur Glieder einer unzerbrechlichen Kette des Schicksals, und
  • hängen zuletzt an meinen Feyerabenden, an den Launen meiner Ammen und
  • Hofmeister, am Temperament meines Vaters, am Blut meiner Mutter. --
  • (_von Schauer geschüttelt_) Warum hat mein Perillus einen Ochsen aus
  • mir gemacht, daß die Menschheit in meinem glühenden Bauche bratet?
  • (_Er setzt die Pistolen an._) ~Zeit und Ewigkeit~ -- gekettet an
  • einander durch ein einzig Moment! -- Grauser Schlüssel, der das
  • Gefängniß des Lebens hinter mir schließt, und vor mir aufriegelt die
  • Behausung der ewigen Nacht -- sage mir -- o sage mir -- ~wohin~ --
  • ~wohin~ wirst du mich führen? -- Fremdes, nie umsegeltes Land! --
  • Siehe, die Menschheit erschlafft unter ~diesem~ Bilde, die Spannkraft
  • des Endlichen läßt nach, und die Phantasey, der muthwillige Affe der
  • Sinne, gaukelt unserer Leichtgläubigkeit seltsame Schatten vor -- Nein!
  • Nein! Ein Mann muß nicht straucheln -- Sey wie du willst, ~namenloses
  • Jenseits~ -- bleibt mir nur dieses mein ~Selbst~ getreu -- Sey wie du
  • willst, wenn ich nur ~mich selbst~ mit hinübernehme -- Außendinge sind
  • nur der Anstrich des Manns -- Ich bin mein Himmel und meine Hölle.
  • Wenn du mir irgend einen eingeäscherten Weltkreis ~allein~ ließest, den
  • du aus deinen Augen verbannt hast, wo die einsame Nacht, und die ewige
  • Wüste meine Aussichten sind? -- Ich würde dann die schweigende Oede
  • mit meinen Phantasien bevölkern, und hätte die Ewigkeit zur Musse, das
  • verworrene Bild des allgemeinen Elends zu zergliedern. -- Oder willst
  • du mich durch immer neue Geburten und immer neue Schauplätze des Elends
  • von Stufe zu Stufe -- zur Vernichtung -- führen? Kann ich nicht die
  • Lebensfäden, die mir jenseits gewoben sind, so leicht zerreissen, wie
  • diesen? -- Du kannst mich zu nichts machen -- Diese Freyheit kannst du
  • mir nicht nehmen. (_Er ladet die Pistole. Plötzlich hält er inne._) Und
  • soll ich für Furcht eines qualvollen Lebens sterben? -- Soll ich dem
  • Elend den Sieg über mich einräumen? -- Nein! ich wills dulden. (_Er
  • wirft die Pistole weg._) Die Qual erlahme an meinem Stolz! Ich wills
  • vollenden. (_Es wird immer finstrer._)
  • Herrmann. (_Der durch den Wald kommt._)
  • Horch! Horch! grausig heulet der Kauz -- zwölf schlägts drüben im
  • Dorf -- wohl, wohl -- das Bubenstück schläft -- in dieser Wilde kein
  • Lauscher. (_Tritt an das Schloß und pocht._) Komm heraus, Jammermann,
  • Thurmbewohner! -- Deine Mahlzeit ist bereitet.
  • ~Moor.~ (_Sachte zurücktretend._) Was soll das bedeuten?
  • ~Eine Stimme.~ (_aus dem Schloß._) Wer pocht da? He? Bist du's,
  • Herrmann, mein Rabe?
  • ~Herrmann.~ Bin's, Herrmann, dein Rabe. Steig herauf ans Gitter und iß.
  • (_Eulen schreyen._) Fürchterlich trillern deine Schlafkameraden, Alter
  • -- dir schmeckt?
  • ~Die Stimme.~ Hungerte mich sehr. Habe Dank, Rabensender, fürs Brod in
  • der Wüste! -- Und wie gehts meinem lieben Kind, Herrmann?
  • ~Herrmann.~ Stille -- Horch -- Geräusch wie von Schnarchenden! hörst du
  • nicht was?
  • ~Stimme.~ Wie? hörst ~du~ etwas?
  • ~Herrmann.~ Den seufzenden Windlaut durch die Rizen des Thurms -- Eine
  • Nachtmusik, davon einem die Zähne klappern und die Nägel blau werden --
  • Horch, noch einmal -- Immer ist mir, als hört' ich ein Schnarchen. --
  • Du hast Gesellschaft, Alter -- Hu! hu! hu!
  • ~Stimme.~ Siehst du etwas?
  • ~Herrmann.~ Leb wohl -- leb wohl -- Grausig ist diese Stätte -- Steig
  • ab ins Loch -- droben dein Helfer, dein Rächer -- verfluchter Sohn! --
  • (_Will fliehen._)
  • ~Moor.~ (_Mit Entsetzen hervortretend._) Steh!
  • ~Herrmann.~ (_Schreyend._) Oh mir!
  • ~Moor.~ Steh, sag ich!
  • ~Herrmann.~ Weh! Weh! Weh! Nun ist alles verrathen!
  • ~Moor.~ Steh! Rede! Wer bist du? Was hast du hier zu thun? Rede!
  • ~Herrmann.~ Erbarmen, o Erbarmen, gestrenger Herr! -- Nur Ein Wort
  • höret an, eh ihr mich umbringt.
  • ~Moor.~ (_Indem er den Degen zieht._) Was werd' ich hören?
  • ~Herrmann.~ Wohl habt ihr mirs beym Leben verboten -- Ich konnt' nicht
  • anders -- durft' nicht anders -- im Himmel ein Gott -- euer leiblicher
  • Vater dort -- mich jammerte sein -- Stecht mich nieder.
  • ~Moor.~ Hier steckt ein Geheimniß -- Heraus! Sprich! Ich will alles
  • wissen.
  • ~Die Stimme.~ (_Aus dem Schloß._) Weh! Weh! Bist du's, Herrmann, der da
  • redet? Mit wem redst du, Herrmann?
  • ~Moor.~ Drunten noch jemand -- Was geht hier vor? (_Läuft dem Thurme
  • zu._) Ist's ein Gefangener, den die Menschen abschüttelten? -- Ich will
  • seine Ketten lösen. -- Stimme! noch einmal! wo ist die Thüre?
  • ~Herrmann.~ O habt Barmherzigkeit, Herr -- dringt nicht weiter, Herr --
  • geht aus Erbarmen vorüber! (_Verrennt ihm den Weg._)
  • ~Moor.~ Vierfach geschlossen! Weg da -- Es muß heraus -- Itzt ~zum
  • erstenmal~ komm mir zu Hülfe, ~Dieberey~! (_Er nimmt Brechinstrumente,
  • und öffnet das Gitterthor. Aus dem Grunde steigt ein ~Alter~,
  • ausgemergelt wie ein Gerippe._)
  • ~Der Alte.~ Erbarmen einem Elenden! Erbarmen!
  • ~Moor.~ (_Springt erschrocken zurück._) Das ist ~meines Vaters~ Stimme!
  • ~D. a. Moor.~ Habe Dank, o Gott! Erschienen ist die Stunde der Erlösung.
  • ~Moor.~ Geist des alten Moors! Was hat dich beunruhigt in deinem
  • Grabe? Hast du eine Sünde in jene Welt geschleppt, die dir den
  • Eingang in die Pforten des Paradieses verrammelt? Ich will Messen
  • lesen lassen, den irrenden Geist in seine Heymath zu senden. Hast du
  • das Gold der Wittwen und Waisen unter die Erde vergraben, das dich
  • zu dieser mitternächtlichen Stunde heulend herumtreibt, ich will den
  • unterirdischen Schatz aus den Klauen des Zauberdrachen reissen, und
  • wenn er tausend rothe Flammen auf mich speyt, und seine spitzen Zähne
  • gegen meinen Degen blöckt, oder kommst du, auf meine Fragen die Räthsel
  • der Ewigkeit zu entfalten? Rede, rede! ich bin der Mann der bleichen
  • Furcht nicht.
  • ~D. a. Moor.~ Ich bin kein Geist. Taste mich an, ich lebe, o ein
  • elendes, erbärmliches Leben!
  • ~Moor.~ Was? Du bist nicht begraben worden?
  • ~D. a. Moor.~ Ich bin begraben worden -- das heißt: ein todter Hund
  • liegt in meiner Väter Gruft; und ich -- drey volle Monde schmacht' ich
  • schon in diesem finstern unterirdischen Gewölbe, von keinem Strahle
  • beschienen, von keinem warmen Lüftchen angeweht, von keinem Freunde
  • besucht, wo wilde Raben krächzen, und mitternächtliche Uhu's heulen. --
  • ~Moor.~ Himmel und Erde! Wer hat das gethan?
  • ~D. a. Moor.~ Verfluch ihn nicht! -- Das hat mein Sohn Franz gethan.
  • ~Moor.~ Franz? Franz? -- O ewiges Chaos!
  • ~D. a. Moor.~ Wenn du ein Mensch bist, und ein menschliches Herz hast,
  • Erlöser, den ich nicht kenne, o so höre den Jammer eines Vaters, den
  • ihm seine Söhne bereitet haben -- drey Monden schon hab' ich's tauben
  • Felsenwänden zugewinselt, aber ein hohler Wiederhall äffte meine Klagen
  • nur nach. Darum, wenn du ein Mensch bist, und ein menschliches Herz
  • hast --
  • ~Moor.~ Diese Aufforderung könnte die wilden Bestien aus ihren Löchern
  • hervorrufen!
  • ~D. a. Moor.~ Ich lag eben auf dem Siechbett, hatte kaum angefangen,
  • aus einer schweren Krankheit etwas Kräfte zu sammeln, so führte man
  • einen Mann zu mir, der vorgab, mein Erstgebohrner sey gestorben in der
  • Schlacht, und mit sich brachte ein Schwerdt, gefärbt mit seinem Blut,
  • und sein letztes Lebewohl, und daß ihn mein Fluch gejagt hätte in Kampf
  • und Tod und Verzweiflung.
  • ~Moor.~ (_Heftig von ihm abgewandt._) Es ist offenbar!
  • ~D. a. Moor.~ Höre weiter! ich ward unmächtig bey der Botschaft. Man
  • muß mich für todt gehalten haben, denn als ich wieder zu mir selber
  • kam, lag ich schon in der Bahre, und ins Leichentuch gewickelt wie ein
  • Todter. Ich krazte an dem Deckel der Bahre. Er ward aufgethan. Es war
  • finstere Nacht, mein Sohn Franz stand vor mir. -- Was? rief er mit
  • entsetzlicher Stimme, willst du dann ewig leben? -- und gleich flog
  • der Sargdeckel wieder zu. Der Donner dieser Worte hatte mich meiner
  • Sinne beraubt; als ich wieder erwachte, fühlt' ich den Sarg erhoben
  • und fortgeführt in einem Wagen eine halbe Stunde lang. Endlich ward er
  • geöffnet -- ich stand am Eingang dieses Gewölbes, mein Sohn vor mir,
  • und der Mann, der mir das blutige Schwerdt von Karln gebracht hatte --
  • zehnmal umfaßt' ich seine Kniee, und bat und flehte, und umfaßte sie
  • und beschwur -- das Flehen seines Vaters reichte nicht an sein Herz --
  • hinab mit dem Balg! donnerte es von seinem Munde, er hat genug gelebt,
  • -- und hinab ward ich gestossen ohn' Erbarmen, und mein Sohn Franz
  • schloß hinter mir zu.
  • ~Moor.~ Es ist nicht möglich, nicht möglich! Ihr müßt euch geirrt haben.
  • ~D. a. Moor.~ Ich kann mich geirrt haben. Höre weiter, aber zürne doch
  • nicht! So lag ich zwanzig Stunden, und kein Mensch gedachte meiner
  • Noth. Auch hat keines Menschen Fußtritt je diese Einöde betreten, denn
  • die allgemeine Sage geht, daß die Gespenster meiner Väter in diesen
  • Ruinen rasselnde Ketten schleifen, und in mitternächtlicher Stunde
  • ihr Todtenlied raunen. Endlich hört' ich die Thür wieder aufgehen,
  • dieser Mann brachte mir Brod und Wasser, und entdeckte mir, wie ich zum
  • Tod des Hungers verurtheilt gewesen, und wie er sein Leben in Gefahr
  • setze, wenn es herauskäme, daß er mich speise. So ward ich kümmerlich
  • erhalten diese lange Zeit, aber der unaufhörliche Frost -- die faule
  • Luft meines Unraths, -- der grenzenlose Kummer -- meine Kräfte wichen,
  • mein Leib schwand, tausendmal bat ich Gott mit Thränen um den Tod, aber
  • das Maas meiner Strafe muß noch nicht gefüllet seyn -- oder muß noch
  • irgend eine Freude meiner warten, daß ich so wunderbarlich erhalten
  • bin. Aber ich leide gerecht -- Mein Karl! mein Karl! -- und er hatte
  • noch keine graue Haare.
  • ~Moor.~ Es ist genug. Auf! ihr Klötze, ihr Eisklumpen! Ihr träge
  • fühllose Schläfer! Auf! will keiner erwachen? (_Er thut einen
  • Pistolenschuß über die schlafenden Räuber._)
  • ~Die Räuber.~ (_aufgejagt_) He, holla! holla! was giebts da?
  • ~Moor.~ Hat euch die Geschichte nicht aus dem Schlummer gerüttelt?
  • der ewige Schlaf würde wach worden seyn! Schaut her, schaut her!
  • die Gesetze der Welt sind Würfelspiel worden, das Band der Natur
  • ist entzwey, die alte Zwietracht ist los, der Sohn hat seinen Vater
  • erschlagen.
  • ~Die Räuber.~ Was sagt der Hauptmann?
  • ~Moor.~ Nein, nicht erschlagen! das Wort ist Beschönigung! -- der Sohn
  • hat den Vater tausendmal gerädert, gespießt, gefoltert, geschunden! die
  • Worte sind mir zu menschlich -- worüber die Sünde roth wird, worüber
  • der Kannibale schaudert, worauf seit Aeonen kein Teufel gekommen ist.
  • -- Der Sohn hat seinen eigenen Vater -- o seht her, seht her! er ist
  • in Unmacht gesunken, -- in dieses Gewölbe hat der Sohn seinen Vater --
  • Frost, Blöse, -- Hunger, -- Durst -- o seht doch, seht doch! -- es ist
  • mein eigner Vater, ich wills nur gestehn.
  • ~Die Räuber~ (_springen herbey und umringen den Alten._) Dein Vater?
  • dein Vater?
  • ~Schweizer~ (_tritt ehrerbietig näher, fällt vor ihm nieder._) Vater
  • meines Hauptmanns! Ich küsse dir die Füsse! du hast über meinen Dolch
  • zu befehlen.
  • ~Moor.~ Rache, Rache, Rache dir! grimmig beleidigter, entheiligter
  • Greis! So zerreiß ich von nun an auf ewig das brüderliche Band. (_er
  • zerreißt sein Kleid von oben an bis unten._) So verfluch ich jeden
  • Tropfen brüderlichen Bluts im Antlitz des offenen Himmels! Höre mich,
  • Mond und Gestirne! Höre mich, mitternächtlicher Himmel! der du auf die
  • Schandthat herunterblicktest! Höre mich, dreymal schröcklicher Gott,
  • der da oben über dem Monde waltet, und rächt und verdammt über den
  • Sternen, und feuerflammt über der Nacht! Hier kniee ich -- hier streck
  • ich empor die drey Finger in die Schauer der Nacht -- hier schwör ich,
  • und so speye die Natur mich aus ihren Grenzen wie eine bösartige Bestie
  • aus, wenn ich diesen Schwur verletze, schwör ich das Licht des Tages
  • nicht mehr zu grüssen, bis des Vater-Mörders Blut, vor diesem Steine
  • verschüttet, gegen die Sonne dampft. (_Er steht auf._)
  • ~Die Räuber.~ Es ist ein Belials-Streich! Sag einer, wir seyen
  • Schelmen! Nein bey allen Drachen! So bunt haben wirs nie gemacht!
  • ~Moor.~ Ja! und bey allen schröcklichen Seufzern derer, die jemals
  • durch eure Dolche starben, derer, die meine Flamme fraß, und mein
  • fallender Thurm zermalmte, eh' soll kein Gedanke von Mord oder
  • Raub Platz finden in eurer Brust, bis euer aller Kleider von des
  • Verruchten Blute scharlachroth gezeichnet sind -- das hat euch wohl
  • niemals geträumet, daß ihr der Arm höherer Majestäten seyd? Der
  • verworrene Knäuel unsers Schicksals ist aufgelöst! Heute, heute hat
  • eine unsichtbare Macht unser Handwerk geadelt! Betet an vor dem, der
  • euch dies erhabene Loos gesprochen, der euch hieher geführt, der euch
  • gewürdiget hat, die schröcklichen Engel seines finstern Gerichts zu
  • seyn! Entblöset eure Häupter! Knieet hin in den Staub, und stehet
  • geheiliget auf! (_sie knieen._)
  • ~Schweizer.~ Gebeut, Hauptmann! was sollen wir thun?
  • ~Moor.~ Steh auf, Schweizer! Und rühre diese heilige Locken an! (_Er
  • führt ihn zu seinem Vater, und giebt ihm eine Locke in die Hand._)
  • Du weißt noch, wie du einsmals jenem böhmischen Reuter den Kopf
  • spaltetest, da er eben den Säbel über mich zuckte, und ich athemlos und
  • erschöpft von der Arbeit in die Kniee gesunken war? dazumal verhieß ich
  • dir eine Belohnung, die königlich wäre, ich konnte diese Schuld bisher
  • niemals bezahlen. --
  • ~Schweizer.~ Das schwurst du mir, es ist wahr, aber laß mich dich ewig
  • meinen Schuldner nennen!
  • ~Moor.~ Nein, itzt will ich bezahlen. Schweizer, so ist noch kein
  • Sterblicher geehrt worden wie du! -- Räche meinen Vater! (_Schweizer
  • steht auf._)
  • ~Schweizer.~ Großer Hauptmann! heute hast du mich zum erstenmal stolz
  • gemacht! -- Gebeut, wo, wie, wann soll ich ihn schlagen?
  • ~Moor.~ Die Minuten sind geweiht, du must eilends gehn -- lies dir
  • die Würdigsten aus der Bande, und führe sie gerade nach des Edelmanns
  • Schloß! zerr ihn aus dem Bette, wenn er schläft, oder in den Armen der
  • Wollust liegt, schlepp ihn vom Mahle weg, wenn er besoffen ist, reiß
  • ihn vom Kruzifix, wenn er betend vor ihm auf den Knieen liegt! Aber ich
  • sage dir, ich schärf es dir hart ein, liefr' ihn mir nicht todt! dessen
  • Fleisch will ich in Stücken reissen, und hungrigen Geiern zur Speise
  • geben, der ihm nur die Haut ritzt, oder ein Haar kränkt! Ganz muß ich
  • ihn haben, und wenn du ihn ganz und lebendig bringst, so sollst du
  • eine Million zur Belohnung haben, ich will sie einem Könige mit Gefahr
  • meines Lebens stehlen, und du sollst frey ausgehn, wie die weite Luft
  • -- hast du mich verstanden, so eile davon!
  • ~Schweizer.~ Genug, Hauptmann -- hier hast du meine Hand darauf:
  • Entweder, du siehst zwey zurückkommen, oder gar keinen. Schweizers
  • Würgengel kommt! (_ab mit einem Geschwader._)
  • ~Moor.~ Ihr Uebrigen zerstreut euch im Wald -- Ich bleibe.
  • Fünfter Akt.
  • Erste Scene.
  • Aussicht von vielen Zimmern.
  • Finstre Nacht.
  • Daniel (_kommt mit einer Laterne und einem Reisebündel._)
  • Lebe wohl, theures Mutterhaus -- Hab so manch Guts und Liebs in dir
  • genossen, da der Herr seeliger noch lebete -- Thränen auf deine
  • Gebeine, du lange Verfaulter! das verlangt er von einem alten Knecht --
  • es war das Obdach der Waisen, und der Port der Verlassenen, und dieser
  • Sohn hats gemacht zur Mördergrube -- Lebe wohl, du guter Boden! wie
  • oft hat der alte Daniel dich abgefegt -- Lebe wohl, du lieber Ofen,
  • der alte Daniel nimmt schweren Abschied von dir -- es war dir alles
  • so vertraut worden -- wird dir weh thun, alter Elieser -- Aber Gott
  • bewahre mich in Gnaden vor dem Trug und List des Argen -- Leer kam ich
  • hieher -- leer zieh ich wieder hin -- aber meine Seele ist gerettet.
  • (_wie er gehen will, kömmt_)
  • Franz (_im Schlafrock hereingestürzt._)
  • ~Daniel.~ Gott steh mir bey! Mein Herr! (_Löscht die Laterne aus._)
  • ~Franz.~ Verrathen! Verrathen! Geister ausgespieen aus Gräbern --
  • Losgerüttelt das Todtenreich aus dem ewigen Schlaf brüllt wider mich,
  • ~Mörder~! ~Mörder!~ -- wer regt sich da?
  • ~Daniel~ (_ängstlich._) Hilf, heilige Mutter Gottes! seyd ihr's,
  • gestrenger Herre, der so gräßlich durch die Gewölbe schreit, daß alle
  • Schläfer auffahren?
  • ~Franz.~ Schläfer? Wer heißt euch schlafen? Fort, zünde Licht an.
  • (_Daniel ab, es kommt ein andrer Bedienter._) Es soll niemand schlafen
  • in dieser Stunde. Hörst du? Alles soll auf seyn -- in Waffen -- alle
  • Gewehre geladen -- Sahst du sie dort den Bogengang hinschweben?
  • ~Bedienter.~ Wen, gnädiger Herr?
  • ~Franz.~ Wen, Dummkopf, wen? So kalt, so leer fragst du, wen? hat
  • mich's doch angepackt, wie der Schwindel! wen, Eselskopf! wen? Geister
  • und Teufel! wie weit ist's in der Nacht?
  • ~Bedienter.~ Eben itzt ruft der Nachtwächter zwey an.
  • ~Franz.~ Was? will diese Nacht währen bis an den jüngsten Tag? hörtest
  • du keinen Tumult in der Nähe? Kein Siegsgeschrey? Kein Geräusch
  • galoppirender Pferde? wo ist Kar -- der Graf, will ich sagen?
  • ~Bedienter.~ Ich weiß nicht, mein Gebieter!
  • ~Franz.~ Du weißt's nicht? Du bist auch unter der Rotte? Ich will dir
  • das Herz aus den Rippen stampfen! mit deinem verfluchten: ich weiß
  • nicht! Fort, hole den Pastor!
  • ~Bedienter.~ Gnädiger Herr!
  • ~Franz.~ Murrst du? zögerst du? (_Erster Bedienter eilend ab._) Was?
  • auch Bettler wider mich verschworen? Himmel, Hölle! alles wider mich
  • verschworen?
  • ~Daniel~ (_kommt mit dem Licht._) Mein Gebieter --
  • ~Franz.~ Nein! ich zittere nicht! Es war ledig ein Traum. Die Todten
  • stehen noch nicht auf -- wer sagt, daß ich zittere und bleich bin? Es
  • ist mir ja so leicht, so wohl.
  • ~Daniel.~ Ihr seyd todtenbleich, eure Stimme ist bang und lallet.
  • ~Franz.~ Ich habe das Fieber. Sage du nur, wenn der Pastor kommt, ich
  • habe das Fieber. Ich will morgen zur Ader lassen, sage dem Pastor.
  • ~Daniel.~ Befehlt ihr, daß ich euch Lebensbalsam auf Zucker tröpfle?
  • ~Franz.~ Tröpfle mir auf Zucker! der Pastor wird nicht sogleich da
  • seyn. Meine Stimme ist bang und lallet, gib Lebensbalsam auf Zucker!
  • ~Daniel.~ Gebt mir erst die Schlüssel, ich will drunten holen im
  • Schrank --
  • ~Franz.~ Nein, nein, nein! Bleib! oder ich will mit dir geh'n. Du
  • siehst, ich kann nicht allein seyn! wie leicht könnt' ich, du siehst
  • ja -- unmächtig -- wenn ich allein bin. Laß nur, laß nur! Es wird
  • vorübergehen, du bleibst.
  • ~Daniel.~ Oh ihr seyd ~ernstlich~ krank.
  • ~Franz.~ Ja freylich, freylich! das ists alles. -- Und Krankheit
  • verstöret das Gehirn, und brütet tolle und wunderliche Träume aus. --
  • Träume bedeuten nichts -- nicht wahr, Daniel? Träume kommen ja aus dem
  • Bauch, und Träume bedeuten nichts -- ich hatte so eben einen lustigen
  • Traum. (_er sinkt unmächtig nieder_)
  • ~Daniel.~ Jesus Christus! was ist das? Georg! Conrad! Bastian! Martin!
  • so gebt doch nur eine Urkund von euch! (_Rüttelt ihn._) Maria,
  • Magdalena und Joseph! so nimmt doch nur Vernunft an! So wirds heissen,
  • ich hab ihn todt gemacht, Gott erbarme sich meiner!
  • ~Franz~ (_verwirrt._) Weg -- weg! was rüttelst du mich so, scheußliches
  • Todtengeripp? -- die Todten stehen noch nicht auf --
  • ~Daniel.~ O du ewige Güte! Er hat den Verstand verloren.
  • ~Franz.~ (_richtet sich matt auf_) Wo bin ich? -- du Daniel? was hab
  • ich gesagt? merke nicht drauf! ich hab eine Lüge gesagt, es sey was es
  • wolle -- komm! hilf mir auf! -- es ist nur ein Anstoß von Schwindel --
  • weil ich -- weil ich -- nicht ausgeschlafen habe.
  • ~Daniel.~ Wär' nur der Johann da! ich will Hülfe rufen, ich will nach
  • Aerzten rufen.
  • ~Franz.~ Bleib! sez dich neben mich auf diesen Sopha! -- so -- du bist
  • ein gescheuter Mann, ein guter Mann. Laß dir erzählen!
  • ~Daniel.~ Itzt nicht, ein andermal! ich will euch zu Bette bringen,
  • Ruhe ist euch besser.
  • ~Franz.~ Nein, ich bitte dich, laß dir erzählen, und lache mich derb
  • aus! -- Siehe, mir däuchte, ich hätte ein königlich Mahl gehalten,
  • und mein Herz wär' guter Dinge, und ich läge berauscht im Rasen des
  • Schloßgartens, und plözlich -- es war zur Stunde des Mittags --
  • plözlich, aber ich sage dir, lache mich derb aus! --
  • ~Daniel.~ Plözlich?
  • ~Franz.~ Plözlich traf ein ungeheurer Donner mein schlummerndes
  • Ohr, ich taumelte bebend auf, und siehe da war mir's, als säh' ich
  • aufflammen den ganzen Horizont in feuriger Lohe, und Berge und Städte
  • und Wälder wie Wachs im Ofen zerschmolzen, und eine heulende Windsbraut
  • fegte von hinnen Meer, Himmel und Erde -- da erscholl's wie aus ehernen
  • Posaunen: Erde gib deine Todten, gib deine Todten, Meer, und das nakte
  • Gefild begann zu kreisen, und aufzuwerfen Schädel und Rippen und
  • Kinnbacken und Beine, die sich zusammenzogen in menschliche Leiber,
  • und daherströmten unübersehlich, ein lebendiger Sturm. Damals sah ich
  • aufwärts, und siehe, ich stand am Fuß des donnernden Sina, und über
  • mir Gewimmel und unter mir, und oben auf der Höhe des Bergs auf drey
  • rauchenden Stühlen drey Männer, vor deren Blick flohe die Kreatur --
  • ~Daniel.~ Das ist ja das leibhafte Konterfey vom jüngsten Tage.
  • ~Franz.~ Nicht wahr? das ist tolles Gezeuge? Da trat hervor Einer,
  • anzusehen wie die Sternennacht, der hatte in seiner Hand einen eisernen
  • Siegelring, den hielt er zwischen Aufgang und Niedergang und sprach:
  • Ewig, heilig, gerecht, unverfälschbar! Es ist nur ~Eine~ Wahrheit,
  • es ist nur ~Eine~ Tugend! Wehe, wehe, wehe dem zweifelnden Wurme! --
  • Da trat hervor ein Zweyter, der hatte in seiner Hand einen blitzenden
  • Spiegel, den hielt er zwischen Aufgang und Niedergang, und sprach:
  • Dieser Spiegel ist Wahrheit; Heucheley und Larven bestehen nicht -- da
  • erschrack ich und alles Volk, denn wir sahen Schlangen- und Tieger- und
  • Leoparden-Gesichter zurückgeworfen aus dem entsetzlichen Spiegel. -- Da
  • trat hervor ein Dritter, der hatte in seiner Hand eine eherne Wage, die
  • hielt er zwischen Aufgang und Niedergang, und sprach: tretet herzu, ihr
  • Kinder von Adam -- ich wäge die Gedanken in der Schaale meines Zornes!
  • und die Werke mit dem Gewicht meines Grimms! --
  • ~Daniel.~ Gott erbarme sich meiner!
  • ~Franz.~ Schneebleich stunden alle, ängstlich klopfte die Erwartung
  • in jeglicher Brust. Da war mir's, als hört' ich meinen Namen zuerst
  • genannt aus den Wettern des Berges, und mein innerstes Mark gefror
  • in mir, und meine Zähne klapperten laut. Schnell begonn die Waage zu
  • klingen, zu donnern der Fels, und die Stunden zogen vorüber, eine nach
  • der andern an der links hangenden Schaale, und eine nach der andern
  • warf eine ~Todsünde~ hinein --
  • ~Daniel.~ O, Gott vergeb euch!
  • ~Franz.~ Das that er nicht! -- die Schaale wuchs zu einem Gebirge, aber
  • die andere voll von Blut der Versöhnung hielt sie noch immer hoch in
  • den Lüften -- zuletzt kam ein alter Mann, schwer gebeuget von Gram,
  • angebissen den Arm von wüthendem Hunger, aller Augen wandten sich
  • scheu vor dem Mann, ich kannte den Mann, er schnitt eine Locke von
  • seinem silbernen Haupthaar, warf sie hinein in die Schaale der Sünden,
  • und siehe, sie sank, sank plötzlich zum Abgrund, und die Schaale der
  • Versöhnung flatterte hoch auf! -- Da hört' ich eine Stimme schallen
  • aus dem Rauche des Felsen: Gnade, Gnade jedem Sünder der Erde und des
  • Abgrunds! du allein bist verworfen! -- (_Tiefe Pause._) Nun, warum
  • lachst du nicht?
  • ~Daniel.~ Kann ich lachen, wenn mir die Haut schaudert? Träume kommen
  • von Gott.
  • ~Franz.~ Pfui doch, pfui doch! sage das nicht! Heiß mich einen Narren,
  • einen aberwitzigen, abgeschmackten Narren! Thu das, lieber Daniel, ich
  • bitte dich drum, spotte mich tüchtig aus!
  • ~Daniel.~ Träume kommen von Gott. Ich will für euch beten.
  • ~Franz.~ Du lügst, sag ich -- geh den Augenblick, lauf, spring, sieh,
  • wo der Pastor bleibt, heiß ihn eilen, eilen, aber ich sage dir, du
  • lügst.
  • ~Daniel~ (_im Abgehen._) Gott sey euch gnädig!
  • Franz.
  • Pöbel-Weisheit, Pöbel-Furcht! -- Es ist ja noch nicht ausgemacht, ob
  • das Vergangene nicht vergangen ist, oder ein Auge findet über den
  • Sternen -- hum, hum! wer raunte mir das ein? Rächet denn droben über
  • den Sternen einer? -- Nein, nein! Ja, ja! Fürchterlich zischelts
  • um mich: Richtet droben einer über den Sternen! Entgegen gehen dem
  • Rächer über den Sternen diese Nacht noch! Nein! sag ich. -- Elender
  • Schlupfwinkel, hinter den sich deine Feigheit verstecken will -- öd,
  • einsam, taub ist's droben über den Sternen -- Wenn's aber doch etwas
  • mehr wäre? Nein, nein, es ist nicht! Ich befehle, es ist nicht! Wenn's
  • aber doch wäre? Weh dir, wenn's nachgezählt worden wäre! wenn's dir
  • vorgezählt würde diese Nacht noch! -- Warum schaudert mir so durch
  • die Knochen? -- ~Sterben!~ warum packt mich das Wort so? Rechenschaft
  • geben dem Rächer droben über den Sternen -- und wenn er gerecht ist,
  • Waisen und Witwen, Unterdrückte, Geplagte heulen zu ihm auf, und wenn
  • er gerecht ist? -- warum haben sie gelitten, warum hast du über sie
  • triumphiret? --
  • Pastor Moser (_tritt auf._)
  • ~Moser.~ Ihr ließt mich holen, gnädiger Herr! Ich erstaune. Das
  • erstemal in meinem Leben! Habt ihr im Sinn, über die Religion zu
  • spotten, oder fangt ihr an vor ihr zu zittern?
  • ~Franz.~ Spotten oder zittern, je nachdem du mir antwortest. -- Höre,
  • Moser, ich will dir zeigen, daß du ein Narr bist, oder die Welt für'n
  • Narren halten willst, und du sollst mir antworten. Hörst du? Auf dein
  • Leben sollst du mir antworten.
  • ~Moser.~ Ihr fordert einen Höheren vor euren Richterstuhl. Der Höhere
  • wird euch dermaleins antworten.
  • ~Franz.~ Itzt will ichs wissen, itzt, diesen Augenblick, damit ich
  • nicht die schändliche Thorheit begehe, und im Drange der Noth den
  • Götzen des Pöbels anrufe. Ich habs dir oft mit Hohnlachen bey Burgunder
  • zugesoffen: Es ist kein Gott! -- Itzt red' ich im Ernste mit dir, ich
  • sage dir: es ist keiner! Du sollst mich mit allen Waffen widerlegen,
  • die du in deiner Gewalt hast, aber ich blase sie weg mit dem Hauch
  • meines Mundes.
  • ~Moser.~ Wenn du auch eben so leicht den Donner wegblasen könntest, der
  • mit zehntausendfachem Centner-Gewicht auf deine stolze Seele fallen
  • wird! Dieser allwissende Gott, den du Thor und Bösewicht mitten aus
  • seiner Schöpfung zernichtest, braucht sich nicht durch den Mund des
  • Staubes zu rechtfertigen. Er ist eben so groß in deinen Tyranneien, als
  • irgend in einem Lächeln der siegenden Tugend.
  • ~Franz.~ Ungemein gut, Pfaffe! So gefällst du mir.
  • ~Moser.~ Ich stehe hier in den Angelegenheiten eines gröseren Herrn,
  • und rede mit einem, der Wurm ist wie ich, dem ich nicht gefallen will.
  • Freylich müßt' ich Wunder thun können, wenn ich deiner halsstarrigen
  • Bosheit das Geständniß abzwingen könnte, -- aber wenn deine
  • Ueberzeugung so fest ist, warum ließest du mich rufen? Sage mir doch,
  • warum ließest du mich in der Mitternacht rufen?
  • ~Franz.~ Weil ich lange Weile hab, und eben am Schachbret keinen
  • Geschmack finde. Ich will mir einen Spaß machen, mich mit Pfaffen
  • herumzubeißen. Mit dem leeren Schrecken wirst du meinen Muth nicht
  • entmannen. Ich weiß wohl, daß derjenige auf Ewigkeit hofft, der hier
  • zu kurz gekommen ist: aber er wird garstig betrogen. Ich hab's immer
  • gelesen, daß unser Wesen nichts ist, als Sprung des Geblüts, und mit
  • dem letzten Blutstropfen zerrinnt auch Geist und Gedanke. Er macht
  • alle Schwachheiten des Körpers mit, wird er nicht auch aufhören bey
  • seiner Zerstörung? nicht bey seiner Fäulung verdampfen? Laß einen
  • Wassertropfen in deinem Gehirne verirren, und dein Leben macht eine
  • plötzliche Pause, die zunächst an das Nichtseyn gränzt, und ihre
  • Fortdauer ist der Tod. Empfindung ist Schwingung einiger Saiten, und
  • das zerschlagene Klavier tönet nicht mehr. Wenn ich meine sieben
  • Schlösser schleifen lasse, wenn ich diese Venus zerschlage, so ist's
  • Symmetrie und Schönheit ~gewesen~. Siehe da! das ist eure unsterbliche
  • Seele!
  • ~Moser.~ Das ist die Philosophie eurer Verzweiflung. Aber euer eigenes
  • Herz, das bey diesen Beweisen ängstlich bebend wider eure Rippen
  • schlägt, straft euch Lügen. Diese Spinnweben von Systemen zerreißt
  • das einzige Wort: du mußt sterben! -- Ich fordere euch auf, das soll
  • die Probe seyn, wenn ihr im Tode annoch feste steht, wenn euch eure
  • Grundsätze auch da nicht im Stiche lassen, so sollt ihr gewonnen haben;
  • wenn euch im Tode nur der mindeste Schauer anwandelt, weh euch dann!
  • ihr habt euch betrogen.
  • ~Franz~ (_verwirrt._) Wenn mich im Tode ein Schauer anwandelt?
  • ~Moser.~ Ich habe wohl mehr solche Elende geseh'n, die bis hieher der
  • Wahrheit Riesentrotz boten, aber im Tode selbst flattert die Täuschung
  • dahin. Ich will an eurem Bette steh'n, wenn ihr sterbet -- ich möchte
  • so gar gern einen Tyrannen sehen dahinfahren -- ich will dabey steh'n,
  • und euch starr ins Auge fassen, wenn der Arzt eure kalte nasse Hand
  • ergreift, und den verloren schleichenden Puls kaum mehr finden kann,
  • und aufschaut, und mit jenem schröcklichen Achselzucken zu euch
  • spricht: menschliche Hülfe ist umsonst! Hütet euch dann, o hütet euch
  • ja, daß ihr da ausseh't, wie Richard und Nero!
  • ~Franz.~ Nein, nein!
  • ~Moser.~ Auch dieses Nein wird dann zu einem heulenden Ja -- ein
  • inneres Tribunal, das ihr nimmermehr durch skeptische Grübeleyen
  • bestechen könnt, wird itzo erwachen, und Gericht über euch halten. Aber
  • es wird ein Erwachen seyn, wie des Lebendigbegrabenen im Bauche des
  • Kirchhof's, es wird ein Unwille seyn, wie des Selbstmörders, wenn er
  • den tödlichen Streich schon gethan hat und bereut, es wird ein Blitz
  • seyn, der die Mitternacht eures Lebens zumal überflammt, es wird ~Ein~
  • Blick seyn, und wenn ihr da noch feste steh't, so sollt ihr gewonnen
  • haben!
  • ~Franz.~ (_unruhig im Zimmer auf- und abgehend_) Pfaffengewäsche,
  • Pfaffengewäsche!
  • ~Moser.~ Itzt zum erstenmal werden die Schwerter einer Ewigkeit
  • durch eure Seele schneiden, und itzt zum erstenmal zu spät. -- Der
  • Gedanke ~Gott~ weckt einen fürchterlichen Nachbar auf, sein Name
  • heißt ~Richter~. Sehet Moor, ihr habt das Leben von Tausenden an der
  • Spitze eures Fingers, und von diesen Tausenden habt ihr neunhundert
  • neun und neunzig elend gemacht. Euch fehlt zu einem Nero nur das
  • römische Reich, und nur Peru zu einem Pizarro. Nun glaubt ihr wohl,
  • Gott werde es zugeben, daß ein einziger Mensch in seiner Welt wie ein
  • Wüthrich hause, und das Oberste zu unterst kehre? Glaubt ihr wohl,
  • diese neunhundert und neun und neunzig seyen nur zum Verderben, nur zu
  • Puppen eures satanischen Spieles da? O glaubt das nicht! Er wird jede
  • Minute, die ihr ihnen getödtet, jede Freude, die ihr ihnen vergiftet,
  • jede Vollkommenheit, die ihr ihnen versperret habt, von euch fordern
  • dereinst, und wenn ihr darauf antwortet, Moor, so sollt ihr gewonnen
  • haben.
  • ~Franz.~ Nichts mehr, kein Wort mehr! willst du, daß ich deinen
  • schwarzlebrigen Grillen zu Gebote steh'?
  • ~Moser.~ Sehet zu, das Schicksal der Menschen stehet unter sich in
  • fürchterlich schönem Gleichgewicht. Die Waagschale dieses Lebens
  • sinkend wird hochsteigen in jenem, steigend in diesem, wird in jenem
  • zu Boden fallen. Aber was hier zeitliches Leiden war, wird dort ewiger
  • Triumph, was hier endlicher Triumph war, wird dort ewige unendliche
  • Verzweiflung.
  • ~Franz.~ (_wild auf ihn losgehend_) Daß dich der Donner stumm mache,
  • Lügengeist, du! Ich will dir die verfluchte Zunge aus dem Munde reißen!
  • ~Moser.~ Fühlt ihr die Last der Wahrheit so früh? Ich habe ja noch
  • nichts von Beweisen gesagt. Laßt mich nur erst zu den Beweisen --
  • ~Franz.~ Schweig, geh in die Hölle mit deinen Beweisen! zernichtet wird
  • die Seele, sag ich dir, und sollst mir nicht darauf antworten!
  • ~Moser.~ Darum winseln auch die Geister des Abgrunds, aber der im
  • Himmel schüttelt das Haupt. Meynt ihr dem Arm des Vergelters im öden
  • Reich des Nichts zu entlaufen? Und führet ihr gen Himmel, so ist er da!
  • und bettetet ihr euch in der Hölle, so ist er wieder da! und sprächet
  • ihr zu der Nacht: verhülle mich! und zu der Finsterniß: birg mich!
  • so muß die Finsterniß leuchten um euch, und um den Verdammten die
  • Mitternacht tagen -- aber euer unsterblicher Geist sträubt sich unter
  • dem Wort, und siegt über den blinden Gedanken.
  • ~Franz.~ Ich will aber nicht unsterblich seyn -- sey es, wer da will,
  • ich will's nicht hindern. Ich will ihn zwingen, daß er mich zernichte,
  • ich will ihn zur Wuth reizen, daß er mich in der Wuth zernichte. Sag
  • mir, was ist die gröste Sünde, und die ihn am grimmigsten aufbringt?
  • ~Moser.~ Ich kenne nur zwo. Aber sie werden nicht von ~Menschen~
  • begangen, auch ahnden sie ~Menschen~ nicht.
  • ~Franz.~ Diese zwo! --
  • ~Moser~ (_sehr bedeutend._) ~Vatermord~ heißt die eine, ~Brudermord~
  • die andere -- Was macht euch auf einmal so bleich?
  • ~Franz.~ Was Alter? Stehst du mit dem Himmel oder mit der Hölle im
  • Bündniß? Wer hat dir das gesagt?
  • ~Moser.~ Wehe dem, der sie beyde auf dem Herzen hat! Ihm wäre besser,
  • daß er nie geboren wäre! Aber seyd ruhig, ihr habt weder Vater noch
  • Bruder mehr!
  • ~Franz.~ Ha! -- was, du kennst keine drüber? Besinne dich nochmals --
  • Tod, Himmel, Ewigkeit, Verdammniß schwebt auf dem Laut deines Mundes --
  • keine einzige drüber?
  • ~Moser.~ Keine einzige drüber.
  • ~Franz~ (_fällt in einen Stuhl._) Zernichtung! Zernichtung!
  • ~Moser.~ Freut euch, freut euch doch! preißt euch doch glücklich!
  • -- Bey allen euren Greueln seyd ihr noch ein Heiliger gegen den
  • Vatermörder. Der Fluch, der euch trift, ist gegen den, der auf diesen
  • lauert, ein Gesang der Liebe -- die Vergeltung --
  • ~Franz~ (_aufgesprungen._) Geh in tausend Grüfte, du Eule! wer hieß
  • dich hieher kommen? Geh, sag ich, oder ich stoß dich durch und durch!
  • ~Moser.~ Kann das Pfaffengewäsche so einen Philosophen in Harnisch
  • jagen? Blast es doch weg mit dem Hauch eures Mundes! (_geht ab._)
  • ~Franz~ (_wirft sich in seinem Sessel herum in schröcklichen
  • Bewegungen, tiefe Pause._)
  • Ein Bedienter (_eilig._)
  • ~Bedienter.~ Amalia ist entsprungen, der Graf ist plötzlich
  • verschwunden.
  • Daniel (_kommt ängstlich._)
  • ~Daniel.~ Gnädiger Herr, jagt ein Trupp feuriger Reuter die Staig
  • herab, schreyen Mordjo, Mordjo -- das ganze Dorf in Allarm.
  • ~Franz.~ Geh, laß alle Glocken zusammenläuten, alles soll in die
  • Kirche -- auf die Kniee fallen alles -- beten für mich -- alle
  • Gefang'ne sollen los seyn und ledig, ich will den Armen alles doppelt
  • und dreyfach wiedergeben, ich will -- so geh doch -- so ruf doch den
  • Beichtvater, daß er mir meine Sünden hinwegsegne -- Bist du noch nicht
  • fort? (_Das Getümmel wird hörbarer._)
  • ~Daniel.~ Gott verzeih mir meine schwere Sünde! Wie soll ich das
  • wieder reimen? Ihr habt ja immer das liebe Gebet über alle Häuser
  • hinausgeworfen, habt mir so manche Postill und Bibelbuch an den Kopf
  • gejagt, wenn ihr mich ob dem Beten ertapptet --
  • ~Franz.~ Nichts mehr davon -- ~Sterben!~ siehst du? ~Sterben!~ -- Es
  • wird zu spät (_man hört Schweizern toben._) Bete doch! Bete!
  • ~Daniel.~ Ich sagt's euch immer -- ihr verachtet das liebe Gebet so
  • -- aber gebt acht, gebt acht! wenn die Noth an Mann geht, wenn euch
  • das Wasser an die Seele geht, ihr werdet alle Schätze der Welt um ein
  • christliches Seufzerlein geben -- Seht ihr's? Ihr verschimpftet mich!
  • Da habt ihr's nun! Seht ihr's?
  • ~Franz~ (_umarmt ihn ungestüm._) Verzeih, lieber, goldner Perlendaniel,
  • verzeih -- ich will dich kleiden von Fuß auf -- so bet doch -- ich will
  • dich zum Hochzeiter machen -- ich will -- so bet doch -- ich beschwöre
  • dich -- auf den Knieen beschwör ich dich -- Ins T--ls Namen! so bet
  • doch (_Tumult auf den Strassen, Geschrey -- Gepolter --_)
  • ~Schweizer~ (_auf der Gasse._) Stürmt! Schlagt todt! Brecht ein! Ich
  • sehe Licht! dort muß er seyn.
  • ~Franz~ (_auf den Knieen._) Höre mich beten, Gott im Himmel! -- Es ist
  • das erstemal -- soll auch gewiß nimmer geschehen -- Erhöre mich, Gott
  • im Himmel!
  • ~Daniel.~ Mein doch! Was treibt ihr? Das ist ja gottlos gebetet.
  • Volksauflauf.
  • ~Volk.~ Diebe! Mörder! wer lärmt so gräßlich in dieser
  • Mitternachtsstunde!
  • ~Schweizer~ (_immer auf der Gasse._) Schlag sie zurück, Kamerad --
  • der Teufel ists, und will euren Herrn holen -- Wo ist der Schwarz mit
  • seinen Haufen? -- Postir dich ums Schloß, Grimm -- Lauf Sturm wider die
  • Ringmauer!
  • ~Grimm.~ Holt ihr Feuerbrände -- wir hinauf oder er herunter -- Ich
  • will Feuer in seine Säle schmeißen.
  • ~Franz~ (_betet._) Ich bin kein gemeiner Mörder gewesen, mein Herrgott
  • -- hab mich nie mit Kleinigkeiten abgegeben, mein Herrgott --
  • ~Daniel.~ Gott sey uns gnädig! Auch seine Gebete werden zu Sünden.
  • (_Es fliegen Steine und Feuerbrände. Die Scheiben fallen. Das Schloß
  • brennt._)
  • ~Franz.~ Ich kann nicht beten -- hier, hier! (_Auf Brust und Stirn
  • schlagend._) Alles so öd -- so verdorret (_steht auf._) Nein, ich will
  • auch nicht beten -- diesen Sieg soll der Himmel nicht haben, diesen
  • Spott mir nicht anthun die Hölle --
  • ~Daniel.~ Jesus Maria! helft -- rettet -- das ganze Schloß steht in
  • Flammen!
  • ~Franz.~ Hier, nimm diesen Degen. Hurtig. Jag mir ihn hinterrücks in
  • den Bauch, daß nicht diese Buben kommen und treiben ihren Spott mit
  • mir. (_Das Feuer nimmt überhand._)
  • ~Daniel.~ Bewahre! Bewahre! Ich mag niemand zu früh in den Himmel
  • fördern, viel weniger zu früh. (_er entrinnt._)
  • Franz (_ihm graß nachstierend, nach einer Pause._)
  • In die Hölle wolltest du sagen -- Wirklich! ich wittere so etwas --
  • (_wahnsinnig._) Sind das ihre hellen Triller? hör ich euch zischen,
  • ihr Nattern des Abgrunds? -- Sie dringen herauf -- Belagern die Thüre
  • -- warum zag ich so vor dieser bohrenden Spitze? -- die Thüre kracht
  • -- stürzt -- unentrinnbar -- Ha! so erbarm du dich meiner! (_er reißt
  • seine goldene Hutschnur ab, und erdrosselt sich._)
  • Schweizer (_mit seinen Leuten._)
  • ~Schweizer.~ Mordkanaille, wo bist du? -- Saht ihr, wie sie flohen? --
  • hat er so wenig Freunde? -- Wohin hat sich die Bestie verkrochen?
  • ~Grimm~ (_stößt an die Leiche._) Halt! was liegt hier im Weg? Zündet
  • hieher --
  • ~Schwarz.~ Er hat das Prevenire gespielt. Steckt eure Schwerter ein,
  • hier liegt er wie eine Katze verreckt.
  • ~Schweizer.~ Todt! was? todt? ohne mich todt -- Erlogen sag ich -- Gebt
  • acht, wie hurtig er auf die Beine springt! (_rüttelt ihn._) Heh du! Es
  • gibt einen Vater zu ermorden.
  • ~Grimm.~ Gib dir keine Müh. Er ist maustodt.
  • ~Schweizer~ (_tritt von ihm weg._) Ja! Er freut sich nicht -- Er ist
  • maustodt -- Gehet zurück, und saget meinem Hauptmann: Er ist maustodt
  • -- mich sieht er nicht wieder. (_Schießt sich vor die Stirn._)
  • Zweyte Scene.
  • Der Schauplatz wie in der letzten Scene des vorigen Akts.
  • Der alte Moor (_auf einem Stein sitzend._) Räuber Moor (_gegenüber._)
  • Räuber (_hin und her im Wald._)
  • ~R. Moor.~ Er kommt nicht! (_Schlägt mit dem Dolch auf einen Stein, daß
  • es Funken gibt._)
  • ~D. a. Moor.~ Verzeihung sey seine Strafe -- meine Rache verdoppelte
  • Liebe.
  • ~R. Moor.~ Nein, bey meiner grimmigen Seele! das soll nicht seyn.
  • Ich wills nicht haben. Die grose Schandthat soll er mit sich in die
  • Ewigkeit hinüber schleppen! -- Wofür hab ich ihn dann umgebracht?
  • ~D. a. Moor~ (_in Thränen ausbrechend._) O mein Kind!
  • ~R. Moor.~ Was? -- du weinst um ihn -- an diesem Thurme?
  • ~D. a. Moor.~ Erbarmung! o Erbarmung! (_Heftig die Hände ringend._)
  • Itzt -- itzt wird mein Kind gerichtet!
  • ~R. Moor~ (_erschrocken._) Welches?
  • ~D. a. Moor.~ Ha! was ist das für eine Frage?
  • ~R. Moor.~ Nichts! Nichts!
  • ~D. a. Moor.~ Bist du kommen, Hohngelächter anzustimmen über meinem
  • Jammer?
  • ~R. Moor.~ Verrätherisches Gewissen! -- Merket nicht auf meine Rede!
  • ~D. a. Moor.~ Ja, ich hab einen Sohn gequält, und ein Sohn mußte mich
  • wieder quälen, das ist Gottes Finger. -- O mein Karl! mein Karl! wenn
  • du um mich schwebst, im Gewand des Friedens! Vergib mir! O vergib mir!
  • ~R. Moor~ (_schnell._) Er vergibt euch. (_Betroffen._) Wenn er's werth
  • ist, euer Sohn zu heissen -- Er muß euch vergeben.
  • ~D. a. Moor.~ Ha! Er war zu herrlich für mich -- Aber ich will ihm
  • entgegen mit meinen Thränen, meinen schlaflosen Nächten, meinen
  • quälenden Träumen, seine Kniee will ich umfassen -- rufen -- laut
  • rufen: Ich hab gesündigt im Himmel und vor dir. Ich bin nicht werth,
  • daß du mich Vater nennst.
  • ~R. Moor~ (_sehr gerührt._) Er war euch lieb, euer andrer Sohn?
  • ~D. a. Moor.~ Du weißt es, o Himmel. Warum ließ ich mich doch durch
  • die Ränke eines bösen Sohnes bethören? Ein gepriesener Vater ging ich
  • einher unter den Vätern der Menschen. Schön um mich blühten meine
  • Kinder voll Hoffnung. Aber -- o der unglückseligen Stunde! -- der böse
  • Geist fuhr in das Herz meines zweyten, ich traute der Schlange --
  • verloren meine Kinder beyde. (_Verhüllt sich das Gesicht._)
  • ~Moor~ (_geht weit von ihm weg._) Ewig verloren!
  • ~D. a. Moor.~ O, ich fühl es tief, was mir Amalia sagte, der Geist der
  • Rache sprach aus ihrem Munde. Vergebens ausstrecken deine sterbenden
  • Hände wirst du nach einem Sohn, vergebens wähnen zu umfassen die warme
  • Hand deines Karls, der nimmermehr an deinem Bette steht --
  • ~R. Moor~ (_reicht ihm die Hand mit abgewandtem Gesicht._)
  • ~D. a. Moor.~ Wär'st du meines Karls Hand! -- Aber er liegt fern im
  • engen Hause, schläft schon den eisernen Schlaf, höret nimmer die Stimme
  • meines Jammers -- weh mir! Sterben in den Armen eines Fremdlings --
  • Kein Sohn mehr -- kein Sohn mehr, der mir die Augen zudrücken könnte --
  • ~R. Moor~ (_in der heftigsten Bewegung._) Itzt muß es seyn -- itzt --
  • verlaßt mich (_zu den Räubern._) Und doch -- kann ich ihm denn seinen
  • Sohn wieder schenken? -- Ich kann ihm seinen Sohn doch nicht mehr
  • schenken -- Nein! Ich will's nicht thun.
  • ~D. a. Moor.~ Wie Freund? Was hast du da gemurmelt?
  • ~R. Moor.~ Dein Sohn -- ja alter Mann -- (_stammelnd._) dein Sohn --
  • ist -- ewig verloren.
  • ~D. a. Moor.~ Ewig?
  • ~R. Moor~ (_in der fürchterlichsten Beklemmung gen Himmel sehend._) O
  • nur dißmal -- Laß meine Seele nicht matt werden -- nur dißmal halte
  • mich aufrecht!
  • ~D. a. Moor.~ Ewig, sagst du?
  • ~R. Moor.~ Frage nichts weiter. Ewig, sagt' ich.
  • ~D. a. Moor.~ Fremdling! Fremdling! Warum zogst du mich aus dem Thurme?
  • ~R. Moor.~ Und wie? -- Wenn ich jetzt seinen Segen weghaschte --
  • haschte wie ein Dieb, und mich davon schliche mit der göttlichen Beute?
  • -- Vatersegen, sagt man, geht niemals verloren.
  • ~D. a. Moor.~ Auch mein Franz verloren? --
  • ~R. Moor~ (_stürzt vor ihm nieder._) Ich zerbrach die Riegel deines
  • Thurms -- Gib mir deinen Segen.
  • ~D. a. Moor~ (_mit Schmerz._) Daß du den Sohn vertilgen mußtest, Retter
  • des Vaters! -- Siehe, die Gottheit ermüdet nicht im Erbarmen, und wir
  • armseligen Würmer gehen schlafen mit unserm Groll (_legt seine Hand auf
  • des Räubers Haupt._) Sey so glücklich, als du dich erbarmest.
  • ~R. Moor~ (_weichmüthig aufstehend._) O -- wo ist meine Mannheit? Meine
  • Sehnen werden schlapp, der Dolch sinkt aus meinen Händen.
  • ~D. a. Moor.~ Wie köstlich ist's, wenn Brüder einträchtig beysammen
  • wohnen, wie der Thau, der vom Hermon fällt auf die Berge Zion -- Lern
  • diese Wollust verdienen, junger Mann, und die Engel des Himmels werden
  • sich sonnen in deiner Glorie. Deine Weisheit sey die Weisheit der
  • grauen Haare, aber dein Herz -- dein Herz sey das Herz der unschuldigen
  • Kindheit.
  • ~R. Moor.~ O einen Vorschmack dieser Wollust! Küsse mich, göttlicher
  • Greis!
  • ~D. a. Moor~ (_küßt ihn._) Denk, es sey Vaterskuß, so will ich denken,
  • ich küsse meinen Sohn -- du kannst auch weinen?
  • ~R. Moor.~ Ich dacht', es sei Vaterskuß! -- Weh mir, wenn sie ihn jetzt
  • brächten!
  • (Schweizers Gefährten treten auf im stummen Trauerzug, mit gesenkten
  • Häuptern, und verhüllten Gesichtern.)
  • ~R. Moor.~ Himmel! (_tritt scheu zurück, und sucht sich zu verbergen.
  • Sie ziehen an ihm vorüber. Er sieht weg von ihnen. Tiefe Pause. Sie
  • halten._)
  • ~Grimm~ (_mit gesenktem Ton._) Mein Hauptmann! (_R. Moor antwortet
  • nicht, und tritt weiter zurück._)
  • ~Schwarz.~ Theurer Hauptmann! (_Räuber Moor weicht weiter zurück._)
  • ~Grimm.~ Wir sind unschuldig, mein Hauptmann!
  • ~R. Moor~ (_ohne nach ihnen hinzuschau'n._) Wer seid ihr?
  • ~Grimm.~ Du blickst uns nicht an? Deine Getreuen.
  • ~R. Moor.~ Weh euch, wenn ihr mir getreu war't!
  • ~Grimm.~ Das letzte Lebewohl von deinem Knecht Schweizer -- er kehrt
  • nie wieder, dein Knecht Schweizer.
  • ~R. Moor~ (_aufspringend._) So habt ihr ihn nicht gefunden?
  • ~Schwarz.~ Todt gefunden.
  • ~R. Moor~ (_froh empor hüpfend._) Habe Dank, Lenker der Dinge --
  • Umarmet mich, meine Kinder -- Erbarmung sei von nun an die Loosung --
  • Nun wär' auch das überstanden -- Alles überstanden.
  • Neue Räuber. Amalia.
  • ~Räuber.~ Heysa, heysa! Ein Fang, ein superber Fang!
  • ~Amalia~ (_mit fliegenden Haaren._) Die Todten, schreyen sie, seyen
  • erstanden auf seine Stimme -- mein Oheim lebendig -- in diesem Wald --
  • wo ist er? Karl! Oheim! -- Ha! (_Stürzt auf den Alten zu._)
  • ~D. a. Moor.~ Amalia! Meine Tochter! Amalia! (_Hält sie in seinen Armen
  • gepreßt._)
  • ~R. Moor~ (_zurückspringend._) Wer bringt diß Bild vor meine Augen?
  • ~Amalia~ (_entspringt dem Alten, und springt auf den Räuber zu, und
  • umschlingt ihn entzückt._) Ich hab ihn, o ihr Sterne! Ich hab ihn! --
  • ~Moor~ (_sich losreissend, zu den Räubern._) Brecht auf ihr! Der
  • Erzfeind hat mich verrathen!
  • ~Amalia.~ Bräutigam, Bräutigam, du rasest! Ha! Vor Entzückung! Warum
  • bin ich auch so fühllos, mitten im Wonnewirbel so kalt?
  • ~D. a. Moor~ (_sich aufraffend._) Bräutigam? Tochter! Tochter! Ein
  • Bräutigam?
  • ~Amalia.~ Ewig sein! Ewig, ewig, ewig mein! -- Oh ihr Mächte des
  • Himmels! Entlastet mich dieser tödlichen Wollust, daß ich nicht unter
  • der Bürde vergehe!
  • ~R. Moor.~ Reißt sie von meinem Halse! Tödtet sie! Tödtet ihn! mich!
  • euch! alles! Die ganze Welt geh zu Grunde! (_Er will davon._)
  • ~Amalia.~ Wohin? was? Liebe Ewigkeit! Wonn Unendlichkeit, und du
  • fliehst?
  • ~R. Moor.~ Weg, weg! -- Unglückseligste der Bräute! -- Schau selbst,
  • frage selbst, höre! -- Unglückseligster der Väter! Laß mich immer ewig
  • davon rennen!
  • ~Amalia.~ Haltet mich! Um Gottes willen, haltet mich! -- Es wird mir so
  • Nacht vor den Augen -- Er flieht!
  • ~R. Moor.~ Zu spät! Vergebens! Dein Fluch, Vater, -- frage mich nichts
  • mehr! -- ich bin, ich habe -- dein Fluch -- dein vermeinter Fluch!
  • -- Wer hat mich hergelockt? (_Mit gezogenem Degen auf die Räuber
  • losgehend._) Wer von euch hat mich hieher gelockt, ihr Kreaturen des
  • Abgrunds? So vergeh dann, Amalia! -- Stirb, Vater! Stirb durch mich zum
  • drittenmal! -- Diese, deine Retter, sind Räuber und Mörder! Dein Karl
  • ist ihr Hauptmann! (_Der alte Moor gibt seinen Geist auf._)
  • ~Amalia~ (_steht stumm, und starr wie eine Bildsäule. Die ganze Bande
  • in fürchterlicher Pause._)
  • ~R. Moor~ (_wider eine Eiche rennend._) Die Seelen derer, die ich
  • erdrosselte im Taumel der Liebe -- derer, die ich zerschmetterte im
  • heiligen Schlaf, derer, -- hahaha! Hört ihr den Pulverthurm knallen
  • über der Kreisenden Stühlen? Seht ihr die Flammen schlagen an den
  • Wiegen der Säuglinge? das ist Brautfackel, das ist Hochzeitmusik -- oh,
  • er vergißt nicht, er weiß zu knüpfen -- darum von mir die Wonne der
  • Liebe! darum mir zur Folter die Liebe! das ist Vergeltung!
  • ~Amalia.~ Es ist wahr! Herrscher im Himmel! Es ist wahr! -- Was hab ich
  • gethan, ich unschuldiges Lamm? Ich hab diesen geliebt!
  • ~R. Moor.~ Das ist mehr, als ein Mann erduldet. Hab ich doch den Tod
  • aus mehr denn tausend Röhren auf mich zupfeifen gehört, und bin ihm
  • keinen Fußbreit gewichen, soll ich itzt erst lernen beben wie ein Weib?
  • beben vor einem Weib? -- Nein, ein Weib erschüttert meine Mannheit
  • nicht -- Blut, Blut! Es ist nur ein Anstoß vom Weibe -- Blut muß ich
  • saufen, es wird vorübergehen. (_Er will davon flieh'n._)
  • ~Amalia~ (_fällt ihm in die Arme._) Mörder! Teufel! Ich kann dich Engel
  • nicht lassen.
  • ~Moor~ (_schleudert sie von sich._) Fort, falsche Schlange, du willst
  • einen Rasenden höhnen, aber ich poche dem Tyrannen-Verhängniß -- was,
  • du weinest! Oh ihr losen boshaften Gestirne! Sie thut, als ob sie
  • weine, als ob um mich eine Seele weine. (_Amalia fällt ihm um den
  • Hals._) Ha, was ist das? Sie speyt mich nicht an, stößt mich nicht von
  • sich -- Amalia! Hast du vergessen? weißt du auch, wen du umarmest,
  • Amalia?
  • ~Amalia.~ Einziger, Unzertrennlicher!
  • ~Moor~ (_aufblühend in ekstatischer Wonne._) Sie vergibt mir, sie
  • liebt mich! Rein bin ich wie der Aether des Himmels, sie liebt mich.
  • -- Weinenden Dank dir, Erbarmer im Himmel! (_Er fällt auf die Knie,
  • und weinet heftig._) Der Friede meiner Seele ist wiedergekommen, die
  • Qual hat ausgetobt, die Hölle ist nicht mehr -- Sieh, o sieh, die
  • Kinder des Lichts weinen am Hals der weinenden Teufel -- (_aufstehend
  • zu den Räubern._) So weinet doch auch! weinet, weinet, ihr seyd ja so
  • glücklich -- O Amalia! Amalia! Amalia! (_Er hängt an ihrem Munde, sie
  • bleiben in stummer Umarmung._)
  • ~Ein Räuber~ (_grimmig hervortretend._) Halt ein, Verräther! -- Gleich
  • laß diesen Arm fahren -- oder ich will dir ein Wort sagen, daß dir die
  • Ohren gellen, und deine Zähne vor Entsetzen klappern! (_Streckt das
  • Schwert zwischen beyde._)
  • ~Ein alter Räuber.~ Denk an die böhmischen Wälder! Hörst du, zagst
  • du? -- an die böhmischen Wälder sollst du denken! Treuloser, wo
  • sind deine Schwüre? Vergißt man Wunden so bald? da wir Glück, Ehre
  • und Leben in die Schanze schlugen für dich? Da wir dir standen wie
  • Mauren, auffiengen wie Schilder die Hiebe, die deinem Leben galten,
  • -- hubst du da nicht deine Hand zum eisernen Eid auf, schwurest, ~uns
  • nie zu verlassen~, wie wir dich nicht verlassen haben? -- Ehrloser!
  • Treuvergeßner! Und du willst abfallen, wenn eine Metze greint?
  • ~Ein dritter Räuber.~ Pfui, über den Meineid! der Geist des geopferten
  • ~Rollers~, den du zum Zeugen aus dem Todtenreich zwangest, wird
  • erröthen über deine Feigheit, und gewaffnet aus seinem Grabe steigen,
  • dich zu züchtigen.
  • ~Die Räuber~ (_durcheinander, reissen ihre Kleider auf._) Schau her,
  • schau! Kennst du diese Narben? du bist unser! Mit unserm Herzblut
  • haben wir dich zum Leibeigenen angekauft, unser bist du, und wenn der
  • Erzengel Michael mit dem Moloch ins Handgemeng kommen sollte! -- Marsch
  • mit uns, ~Opfer um Opfer~! ~Amalia für die Bande!~
  • ~R. Moor~ (_läßt ihre Hand fahren._) Es ist aus! -- Ich wollte umkehren
  • und zu meinem Vater geh'n, aber der im Himmel sprach, es soll nicht
  • seyn. (_Kalt._) Blöder Thor ich, warum wollt' ich es auch? Kann denn
  • ein grosser Sünder noch umkehren? Ein grosser Sünder kann nimmermehr
  • umkehren, das hätt' ich längst wissen können -- Sey ruhig, ich bitte
  • dich, sey ruhig! so ists ja auch recht -- Ich habe nicht gewollt, da er
  • mich suchte, itzt da ich ihn suche, will ~Er~ nicht, was ist billiger?
  • -- Rolle doch deine Augen nicht so -- er bedarf ja meiner nicht. Hat er
  • nicht Geschöpfe die Fülle, Einen kann er so leicht missen, und dieser
  • Eine bin nun ich. -- Kommt, Kameraden!
  • ~Amalia~ (_reißt ihn zurück._) Halt, halt! Einen Stoß! einen Todesstoß!
  • Neu verlassen! Zeuch dein Schwert, und erbarme dich!
  • ~R. Moor.~ Das Erbarmen ist zu den Bären geflohen, -- ich tödte dich
  • nicht!
  • ~Amalia~ (_seine Knie umfassend._) Oh, um Gotteswillen, um aller
  • Erbarmungen willen! Ich will ja nicht Liebe mehr, weiß ja wohl,
  • daß droben unsre Sterne feindlich von einander fliehen, -- Tod ist
  • meine Bitte nur. -- Verlassen, verlassen! Nimm es ganz in seiner
  • entsetzlichen Fülle, verlassen! Ich kanns nicht überdulden. Du siehst
  • ja, das kann kein Weib überdulden. Tod ist meine Bitte nur! Sieh,
  • meine Hand zittert! Ich habe das Herz nicht, zu stoßen. Mir bangt vor
  • der blitzenden Schneide -- dir ists ja so leicht, so leicht, bist ja
  • Meister im Morden, zeuch dein Schwert, und ich bin glücklich!
  • ~R. Moor.~ Willst du allein glücklich seyn? Fort, ich tödte kein Weib!
  • ~Amalia.~ Ha, Würger! du kannst nur die Glücklichen tödten, die
  • Lebenssatten gehst du vorüber! (_Kriecht zu den Räubern._) So erbarmet
  • euch meiner, ihr Schüler des Henkers! -- Es ist ein so blutdürstiges
  • Mitleid in euren Blicken, das dem Elenden Trost ist -- euer Meister ist
  • ein eitler feigherziger Prahler.
  • ~R. Moor.~ Weib, was sagst du? (_Die Räuber wenden sich ab._)
  • ~Amalia.~ Kein Freund? auch unter diesen nicht ein Freund? (_Sie steht
  • auf._) Nun denn, so lehre mich Dido sterben! (_Sie will gehen, ein
  • Räuber zielt._)
  • ~R. Moor.~ Halt! Wag es -- Moors Geliebte soll nur durch Moor sterben!
  • (_Er ermordet sie._)
  • ~Die Räuber.~ Hauptmann, Hauptmann! Was machst du, bist du wahnsinnig
  • worden?
  • ~Moor~ (_auf den Leichnam mit starrem Blick._) Sie ist getroffen! Diß
  • Zucken noch, und dann wirds vorbey seyn -- Nun, seht doch! habt ihr
  • noch was zu fordern? Ihr opfertet mir ein Leben auf, ein Leben, das
  • schon nicht mehr euer war, ein Leben voll Abscheulichkeit und Schande
  • -- ich hab euch einen Engel geschlachtet. Wie, seht doch recht her!
  • Seyd ihr nunmehr zufrieden?
  • ~Grimm.~ Du hast deine Schuld mit Wucher bezahlt. Du hast gethan, was
  • kein Mann würde für seine Ehre thun. Kommt itzt weiter!
  • ~Moor.~ Sagst du das? Nicht wahr, das Leben einer Heiligen um das Leben
  • der Schelmen, es ist ungleicher Tausch? -- O ich sage euch, wenn jeder
  • unter euch aufs Blutgerüste gieng, und sich ein Stück Fleisch nach
  • dem andern mit glühender Zange abzwicken ließ, daß die Marter eilf
  • Sommertäge dauerte, es wiege diese Thränen nicht auf. (_Mit bitterem
  • Gelächter._) Die Narben, die böhmischen Wälder! Ja, ja! Diß mußte
  • freylich bezahlt werden.
  • ~Schwarz.~ Sey ruhig, Hauptmann! Komm mit uns, der Anblick ist nicht
  • für dich. Führe uns weiter!
  • ~R. Moor.~ Halt -- noch ein Wort, eh wir weiter gehn -- Merket auf,
  • ihr schadenfrohe Schergen meines barbarischen Winks -- Ich höre von
  • diesem ~Nun~ an auf, euer Hauptmann zu seyn -- Mit Schaam und Grauen
  • leg ich hier diesen blutigen Stab nieder, worunter zu freveln ihr euch
  • berechtiget wähntet, und mit Werken der Finsterniß diß himmlische Licht
  • zu besudeln -- Gehet hin zur Rechten und Linken -- Wir wollen ewig
  • niemals gemeine Sache machen.
  • ~Räuber.~ Ha, Muthloser! Wo sind deine hochfliegenden Plane? Sinds
  • Saifenblasen gewesen, die beym Hauch eines Weibes zerplatzen?
  • ~R. Moor.~ O über mich Narren, der ich wähnete, die Welt durch Greuel
  • zu verschönern, und die Gesetze durch Gesetzlosigkeit aufrecht zu
  • halten! Ich nannte es Rache und Recht -- Ich maßte mich an, o Vorsicht,
  • die Scharten deines Schwerts auszuwetzen und deine Partheylichkeiten
  • gut zu machen -- aber -- o eitle Kinderey -- da steh ich am Rand' eines
  • entsetzlichen Lebens, und erfahre nun mit Zähnklappern und Heulen, daß
  • ~zwey Menschen, wie ich, den ganzen Bau der sittlichen Welt zu Grunde
  • richten würden~. Gnade -- Gnade dem Knaben, der ~Dir~ vorgreifen wollte
  • -- ~Dein~ eigen allein ist die Rache. ~Du~ bedarfst nicht des Menschen
  • Hand. Freylich stehts nun in meiner Macht nicht mehr, die Vergangenheit
  • einzuholen -- schon bleibt verdorben, was verdorben ist -- was ich
  • gestürtzt habe, steht ewig niemals mehr auf -- Aber noch blieb mir
  • etwas übrig, womit ich die beleidigten Gesetze versöhnen, und die
  • mißhandelte Ordnung wiederum heilen kann. Sie bedarf eines Opfers --
  • Eines Opfers, das ihre unverletzbare Majestät vor der ganzen Menschheit
  • entfaltet -- dieses Opfer bin ich selbst. Ich selbst muß für sie des
  • Todes sterben.
  • ~Räuber.~ Nimmt ihm den Degen weg -- Er will sich umbringen.
  • ~R. Moor.~ Thoren ihr! Zu ewiger Blindheit verdammt! Meynet ihr
  • wohl gar, eine Todsünde werde das Aequivalent gegen Todsünden seyn,
  • meynet ihr die Harmonie der Welt werde durch diesen gottlosen Mißlaut
  • gewinnen? (_Wirft ihnen seine Waffen verächtlich vor die Füße._) Er
  • soll mich lebendig haben. Ich gehe, mich selbst in die Hände der Justiz
  • zu überliefern.
  • ~Räuber.~ Legt ihn an Ketten! Er ist rasend worden.
  • ~R. Moor.~ Nicht, als ob ich zweifelte, sie werde mich zeitig genug
  • finden, wenn die oberen Mächte es so wollen. Aber sie möchte mich im
  • Schlaf überrumpeln, oder auf der Flucht ereilen, oder mit Zwang und
  • Schwert umarmen, und dann wäre mir auch das einige Verdienst entwischt,
  • daß ich mit Willen für sie gestorben bin. Was soll ich gleich einem
  • Diebe ein Leben länger verheimlichen, das mir schon lang im Rathe der
  • himmlischen Wächter genommen ist?
  • ~Räuber.~ Laßt ihn hinfahren! Es ist die Groß-Mann-Sucht. Er will sein
  • Leben an eitle Bewunderung setzen.
  • ~R. Moor.~ Man könnte mich darum bewundern. (_Nach einigem
  • Nachsinnen._) Ich erinnere mich, einen armen Schelm gesprochen zu
  • haben, als ich herüberkam, der im Taglohn arbeitet und eilf lebendige
  • Kinder hat -- Man hat tausend Louisdore geboten, wer den großen Räuber
  • lebendig liefert -- dem Mann kann geholfen werden. (_Er geht ab._)
  • Fußnoten
  • [1] Eine Frau in Paris soll es durch ordentlich angestellte Versuche
  • mit Giftpulvern so weit gebracht haben, daß sie den entfernten Todestag
  • mit ziemlicher Zuverläßigkeit voraus bestimmen konnte. Pfui über unsere
  • Aerzte, die diese Frau im Prognostiziren beschämt!
  • In der Johann Georg ~Cotta~'schen Buchhandlung zu Tübingen sind
  • erschienen:
  • Allgemeine Zeitung 1805. 4. Der Jahrgang 8 Rthlr. 20 gr. 16 fl.
  • Der achte Jahrgang dieses für die Zeitgeschichte so wichtigen
  • Tagblattes hat sich, bei der veränderten Redaktion, in dem gleichen
  • Werth der Vollständigkeit, Unpartheylichkeit, und zweckmäßigen
  • Darstellung der neuesten Begebenheiten erhalten. Als Repertorium alles
  • dessen, was die jetzige und künftige Generationen interessiren kann,
  • verdient dieses Institut die Unterstützung, die ihm die zunehmende
  • Anzahl seiner Abnehmer gewährt, und die so weit ging, daß die ersten
  • Monate eine neue Auflage erforderten.
  • Einige wenige vollständige Exemplare von 1798 an, sind in der
  • Verlagshandlung für 6 Carolins zu haben.
  • * * * * *
  • =Almanach des Dames pour l'an 1805, avec gravures. relié. 16. 1 Rthlr.
  • 16 gr. 3 fl.=
  • Der Inhalt und Kupfer dieses nun seit 4 Jahren in Paris
  • erscheinenden Almanachs sind so gewählt, daß er einen steten, nicht
  • blos vorübergehenden, Genug gewährt, und eine Stelle in jeder
  • Damenbibliothek verdient.
  • * * * * *
  • Von der
  • Amman-Bohnenbergerschen Karte von Schwaben
  • sind in obengenannter Buchhandlung
  • Nro. 17. 32. und 44. oder die Gegend von Ellwangen, Siegmaringen
  • und Mörsburg
  • erschienen, denen in einigen Wochen drei neue Blätter
  • Nro. 18. 43. und 44. oder die Gegend von Neuburg, Kempten
  • und Kaufbeuren
  • folgen werden.
  • Die bisherigen Herren Pränumeranten können die Exemplare gegen die
  • gewöhnliche Vorausbezahlung bei uns ablangen lassen.
  • Diejenigen, welche die Vortheile der Pränumeration noch genießen
  • wollen, müssen sich vor Ende dieses Jahrs unmittelbar an uns wenden,
  • und mit 9 =Kais. Dukaten=, auf die ganze in 45 Blättern bestehende
  • Karte, pränumeriren.
  • Einzelne Blätter können, wegen Abnutzung der Kupferplatten, nur für 2
  • fl. abgegeben werden.
  • * * * * *
  • Archiv, juridisches, von ~Gönner~, ~Gmelin~ und ~Tafinger~, 5r Bd. in
  • 4 Heft. gr. 8. 3 Rthlr. 5 fl. 24 kr.
  • Den Werth dieses, die ganze juridische Literatur umfassenden, Archivs
  • verbürgen die berühmten Herausgeber und der ungetheilte Beyfall, mit
  • welchem die strenge Unpartheylichkeit und die gründliche Beurtheilung
  • der darin angezeigten Werke vom Publikum aufgenommen wird.
  • * * * * *
  • =Archives littéraires de l'Europe ou Mélanges de Littérature,
  • d'Histoire et de Philosophie, par MM. Suard, Segur l'ainé, Pastoret
  • etc. Suivis d'une gazette littéraire universelle, gr. 8. 1805. 12
  • cahiers. 7 Rthlr. 4 gr. 12 fl. 24 kr.=
  • Der zweyte Jahrgang einer, in Paris redigirten, Monathsschrift, die von
  • den vorzüglichsten kritischen Blättern Frankreichs und Teutschlands,
  • ihrer Art und Zweck nach, als die beste anerkannt ist, und die durch
  • die fortdauernde Bemühung der bisherigen Mitarbeiter und durch die
  • Anschließung einiger berühmten deutschen Gelehrten sich immer mehr
  • vervollkommnen, und als allgemeiner Sammelplatz der europäischen
  • Literatur eine Stelle in jeder öffentlichen Bibliothek und Leseanstalt
  • verdienen wird.
  • * * * * *
  • ~Crome~ =D.= Europens Produkte mit einer neuen Produkten-Karte von
  • Europa. Erste Abtheilung, welche Portugall, Spanien, Frankreich,
  • Helvetien und Wallis enthält, mit 4 großen Tabellen. Vierte, ganz
  • umgearbeitete Auflage. gr. 8.
  • Schreibpapier 2 Rthlr. 8 gr. 4 fl. 12 kr.
  • Druckpapier 2 Rthlr. 3 fl. 36 kr.
  • Die Karte illuminirt 2 Rthlr. 3 fl. 36 kr.
  • Diese neue Auflage eines längst als vorzüglich anerkannten Werkes
  • wurde durch mancherlei Umstände verzögert: es hat dafür desto mehr
  • an Vollständigkeit gewonnen, und wird, so wie die Karte selbst, eine
  • wichtige Lücke unserer Literatur ausfüllen.
  • * * * * *
  • Elementarbuch, teutsches, 4. 12 gr. 54 kr.
  • Ein nicht unwichtiger Beitrag eines Veteranen zur Vervollkommnung
  • unsrer teutschen Sprache und Schreibart.
  • * * * * *
  • ~Flatt~ (=D.= J. F.) Magazin für christl. Dogmatik und Moral, deren
  • Geschichte und Anwendung im Vortrag der Religion, fortges. von =D.=
  • Süßkind. 128 St. gr. 8. 20 gr. 1 fl. 30 kr.
  • Diese jedem Theologen wichtige Sammlung von interessanten Abhandlungen
  • hat unter der veränderten Redaktion ihren gleichen, anerkannten Werth
  • erhalten.
  • * * * * *
  • ~Göthe~ (von) Winkelmann und sein Jahrhundert, in Briefen und
  • Aufsätzen. gr. 8. 2 Rthlr. 8 gr. 4 fl.
  • Winkelmanns Briefe an Berendis gehören unter die wichtigsten Denkmäler,
  • die der einzelne Mensch hinterlassen kann, und die Herausgabe derselben
  • ist eine wichtige Bereicherung der Literatur. Der beigefügte: »~Entwurf
  • einer Kunstgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts, und die Skizzen
  • zu einer Schilderung Winkelmanns~« erheben dies Werk zu einem der
  • vorzüglichsten der diesjährigen Büchererndte.
  • * * * * *
  • ~Grotesken, Satyren und Naivitäten~
  • auf das Jahr 1806.
  • ~Mit 11 Umrissen nach Raphael, Michael Angelo,
  • Teniers und andern alten Meistern.~
  • Herausgegeben v. ~J. D. Falk~, 16. brochirt. 2 Rthlr. 3 fl. 36 kr.
  • In diesen ~Grotesken, Satyren und Naivitäten~, die als eine Fortsetzung
  • des Taschenbuchs für ~Freunde des Scherzes~ und der ~Satyren~
  • nur nach einem erweiterten Plane zu betrachten sind, gedenkt der
  • Verfasser ein kleines ~Magazin für das Grotesk-Komische~ und die
  • feineren daran ~grenzenden naiven~ Gattungen anzulegen. ~Beschreibung
  • lustiger Volksfeste, Jahrmarktspossen, kleine originelle Stücke in
  • schwäbischen und andern Volksdialekten, geistliche und weltliche
  • Komödien, Christmetten, Osterfeiern, Hofgalla, Anekdoten von
  • Hofnarren und Pritschmeistern aller Art, Faschingslustbarkeiten,
  • Masken, Schönbartsspiele, Erklärung lustiger alter Kupferstiche~ und
  • ~Holzschnitte~: Alles dieses wird nach und nach in diesem Magazin
  • mit einander abwechseln. Schon die blose Angabe des ~Inhalts vom
  • ersten Bändchen~ wird den Liebhabern einer ~scherzhaften Lektüre~
  • anzeigen, was sie hier zu erwarten haben. 1) Stanzen an die Poesie
  • von ~Stoll~. 2) ~Unser Herr und der Schmidt von Apolda.~ Ein Schwank
  • vom ~Herausgeber~. Mit 5 Umrissen. 3) Der Schmidt von Apolda vor der
  • Himmelspforte, ein Nachspiel zum Schmidt von Apolda von ~ebendems.~
  • 4) Nochbestehendes satyrisches Sittengericht zu Altona von Hrn. Pred.
  • ~Kleinschmidt~. 5) Die Hirten an der Krippe. Ein Weihnachtsspiel.
  • Oberösterreichisch. Von ~ebend.~ 6) Der Mond und seine Mutter. Ein
  • Schwank. Von ~ebend.~ 7) Der Pfingstmontag zu Heilbronn, von einem
  • Ungenannten aus Schwaben. 8) Einige neue Gedichte von ~Grübel~ in
  • Nürnberger Mundart, nebst einer Vorerinnerung vom ~Herausgeber~. 9) Der
  • Peter in der Fremde, von ~Grübel~. 10) Der Peter als Bedienter. 11) Der
  • Peter auf dem Vogelmarkte. 12) Der Peter als Schweinhirt. 13) Der Peter
  • in der Kinderlehre. 14) Die unterbrochene Scheidung von ~Grübel~. 15)
  • Der Pfarrer und der Wirthsknecht, von ~Grübel~. 16) =Fête Flamande=,
  • oder die lustige Hahnreyschaft von Teniers. Nebst Umriß nach einem
  • Gemählde desselben in Dresden. 17) Der Graf und die kleine Tirolerin.
  • Eine Bregenzer Idylle. Nach einem oberösterreichischen Originale.
  • Vom Herausgeber. Nebst einem Umriß nach Flaxmann. 18) Colombina als
  • Hausmutter, oder die zwei Apfelsinen-Diebe. Nebst einem Umriß nach
  • einer Antike. 19) =Consilium Medicum=, oder die Aerzte unserer Zeit.
  • ~P. E. Hartert.~ 20) Der Doktor und die Recensenten. Ein Beispiel, was
  • für Unglück oft eine Recension anrichten kann. 21) Das Leichteste. 22)
  • Das Schwerste. 23) Humanität, oder der Fürst und der Dichter, eine
  • wahre Anekdote. 24) Aus der Barbarey, oder Erklärung Sr. Durchlaucht
  • des Dey's von Algier, an sämmtliche deutsche Autoren und Dichter. 25)
  • Vorschlag nach ~Doktor Gall~, die Maulschellen in unsere Literatur
  • einzuführen. 26) Adam und Eva, oder das wiedergefundene Paradies. Eine
  • Feldpredigt, gehalten von dem Feldprediger ~Kummer~, herausgegeben von
  • ~J. D. Falk~.
  • Je seltener in ~Deutschland~ Produkte von ächt-komischem Gehalt sind,
  • um so mehr dürfen wir für dieses, bei dem Publikum auf eine geneigte
  • Aufnahme hoffen.
  • * * * * *
  • ~Hoyer, J. G. allgemeines Wörterbuch der Artillerie~, welches die
  • Erklärung aller verschiedenen Kunstwörter, Begriffe und Lehrsätze
  • der Geschützkunst in theoretischer und praktischer Hinsicht, nebst
  • der Geschichte der wichtigsten Erfindungen derselben, enthält 2r
  • Band F bis I gr. 8. 2 Rthlr. oder 3 fl. 36 kr.
  • Mit diesem zweiten Bande wäre nun die Hälfte eines Werks geliefert,
  • das in möglichster Kürze und Deutlichkeit alles umfaßt, was zur
  • Geschützkunst gehört.
  • * * * * *
  • Leben, wunderbare Reisen und Irrfahrten des Johannes von der Ostsee,
  • herausgegeben von ~J. D. Falk~. 1 Rthlr. 4 gr. oder 2 fl.
  • Das erste Bändchen des ~Johannes von der Ostsee~ enthält einen kleinen,
  • in sich völlig abgeschlossenen Roman. Wer je die schönen Gegenden
  • der Ostsee sah, und das regsame Leben, das ~Schiffahrt~ und ~Handel~
  • unter den dortigen Menschen hervorbringt, in der Nähe beobachtete:
  • wer irgend einmal das friedliche Küstenvolk von ~Reval~ bis ~Danzig~
  • herunter, in der Mitte ihrer Wohnstädt besuchte und liebgewann; dem
  • wird die Wahrheit dieses heitern Gemähldes sogleich einleuchten, so
  • wie die Aufstellung von Charakteren, in ihrer ganzen national-naiven
  • Gutmüthigkeit, durchaus dazu geeignet ist, um einem jedweden, auch
  • dem entferntesten, Vergnügen und Unterhaltung zu gewähren. Vor allen
  • dürften die Jugendschicksale des Helden selbst, sein Leiden und seine
  • ~Liebe mit Jeanetten~, so wie sein früheres Leben in einer Werkstatt,
  • und seine nicht ohne vielfache Mühe errungene Ausbildung, die
  • Theilnahme aller gefühlvollen Leser und Leserinnen erwecken, und das
  • Interesse rechtfertigen, das die Geschichte, von Anfang bis zu Ende, in
  • einem immer steigenden Grade, zu behaupten weiß.
  • * * * * *
  • Phädra, Trauerspiel von Racine, übersetzt von ~Schiller~.
  • Mit gegenüberstehendem französischen Text, 16. geb. 2 fl. 24 kr. oder
  • 1 Rthlr. 8 gr.
  • Es wäre überflüssig, zur Empfehlung einer der letzten Arbeiten des
  • verewigten Schiller's etwas sagen zu wollen: der Beifall, den sie bei
  • der Aufführung fand, kann ihr auch beim Lesen nicht fehlen, und die
  • Beidruckung des französischen Originals wird durch die Vergleichung den
  • Genuß noch erhöhen.
  • * * * * *
  • ~Poetische Versuche von Pfeffel~, 8r Theil, mit dem Bildniß des
  • Verfassers. 8.
  • Velin-Pap. Subscr. Preiß 1 fl. 30 kr. Laden-Preiß 1 fl. 48 kr.
  • Postpapier -- -- -- 1 fl. 4 kr. -- -- -- 1 fl. 12 kr.
  • Druckpapier -- -- -- 48 kr. -- -- -- 54 kr.
  • Mit diesem 8ten Theil erhält das Publikum nun alle die lieblichen
  • Gaben, die wir bis Ende vorigen Jahres der frohen Muse dieses
  • Lieblingsdichters verdanken. Das ähnlich getroffene Portrait des
  • Verfassers wird eine willkommene Beilage seyn.
  • Wer sich unmittelbar an uns wendet, kann noch die Vortheile des
  • Subscriptionspreises genießen.
  • * * * * *
  • ~Taschenbuch für Damen auf 1806.~
  • von
  • ~Huber, Lafontaine, Pfeffel und andern~.
  • Mit Kupfern und Holzschnitten von Gubitz.
  • Preiß 2 fl. 24 kr. oder 1 Rthlr. 8 gr.
  • ~Inhalt.~
  • Erklärung der Kupfer. -- Zum Andenken Schillers von ~Göthe~. -- Der
  • Derwisch und der Chan von ~Pfeffel~. -- Der Findling von ebendems.
  • -- Die zwo Fliegen von ebendems. -- Lots Weib von ebendems. -- Der
  • Kater und die Ratze von ebendems. -- Reichsstädtische Tugend, eine
  • Geschichte von ~Huber~. -- Das Leben von ~Schreiber~. -- Freude, Friede
  • und Hoffnung von ebendems. -- Die Blume von ebendems. -- Das Testament
  • von ~Pfeffel~. -- Zeus und die Gans von ebendems. -- Das Kameel und
  • das Trampelthier von ebendems. -- Der Exorcismus von ebendems. -- Der
  • Condor und der Adler von ebendems. -- Die zween Räuber von ebendems. --
  • Räthsel von ~Schiller~. -- Einem Freunde ins Stammbuch von ebendems.
  • -- An Laidon von ~Haug~. -- An Beatrix von ebendems. -- An Lilla von
  • ebendems. -- Gaskogner Liebeserklärung von ebendems. -- Andeutung
  • von ebendems. -- Malchen an ihres Gatten Silhouette von ebendems.
  • -- Hauslehren von Hesiodus von Voß. -- Weltleben von ~Theone~. --
  • Die Brüder, eine Erzählung von ~Lafontaine~. -- Der Pudel und der
  • Seehund von ~Pfeffel~. -- Die Schöpfer von ebendems. -- Die Amme,
  • von ~ebendems.~ -- Die Mutter, von ~ebendems.~ -- Die Brüder, eine
  • chinesische Sage von ebendems. -- Die Genesung aus Tibull von ~Voß~. --
  • Der Zweifler von ~Theone~. -- Lehren für Weiber von ebenders. -- Das
  • weibliche Geschlecht von ~Herder~. -- Der Schäfer und die Schäferinn
  • von ~Schreiber~. -- Lob der Musik von ebendems.
  • Der angeführte Inhalt belegt hinlänglich, daß auch dieser Jahrgang
  • eines so sehr beliebten Almanachs seinen Vorgängern nicht nachstehen
  • darf, und die äussern Verzierungen in Kupfer können auf gleichen
  • Beifall Anspruch machen; eine besondere Auszeichnung ist die
  • Holzschnitt-Arbeit des Hrn. Prof. ~Gubitz~. Durch verschiedene
  • Umstände sind hievon noch nicht hinlängliche Abdrucke bei uns
  • eingetroffen, so daß nur einige Gegenden bis jetzt mit Exemplaren
  • versehen werden konnten; in wenig Wochen hoffen wir aber die
  • Speditionen überall hin machen zu können. Wer indessen bei uns selbst
  • Bestellungen machen will, erhält das Exemplar für 2 fl. und bei 6
  • Exempl. das 7te gratis.
  • * * * * *
  • Theater von Schiller, 1r Band.
  • Inhalt: Huldigung der Künste; Don Karlos; Jungfrau von Orleans. --
  • Velin-Papier 9 fl. -- oder 5 Rthlr.
  • Schreibpapier 4 fl. 48 kr. oder 2 Rthlr. 16 gr.
  • Weiß Druckpapier 3 fl. -- oder 1 Rthlr. 16 gr.
  • Ordin. Druckpapier 1 fl. 48 kr. oder 1 Rthlr.
  • Der unsterbliche Verfasser hat zwar die Erscheinung dieses
  • ersten Theils seines Theaters nicht mehr erlebt, da er aber nach
  • seiner gewohnten Vorsicht die Einrichtung des Ganzen, so wie die
  • Verbesserungen der einzelnen Stücke gleich bei dem Beginnen des Drucks
  • bestimmt hatte, so kann die Herausgabe vollkommen nach seinen Angaben
  • besorgt werden.
  • Diese vollständige Sammlung aller seiner theatralischen Werke wird
  • daher aus fünf Theilen bestehen, die in den oben angegebenen viererley
  • Ausgaben in allen Buchhandlungen zu haben sind.
  • Bis Ostern 1806. wird das Ganze abgeliefert werden, und wer von jetzt
  • bis Ende Aprils 1806. sich unmittelbar an die Verlagshandlung wendet,
  • genießt folgende Vortheile:
  • Statt des gewöhnlichen Preises darf nur drey Viertel desselben
  • pränumerirt werden, so daß alle 5 Theile auf
  • Velin-Papier statt 25 Rthlr. -- od. 45 fl.
  • für 18 Rthlr. 18 gr. od. 33 fl. 45 kr.
  • Schreibpapier statt 13 Rthlr. 8 gr. od. 24 fl.
  • für 10 Rthlr. -- od. 18 fl.
  • Weiß Druckp. statt 8 Rthlr. 8 gr. od. 15 fl.
  • für 6 Rthlr. 6 gr. od. 11 fl. 15 kr.
  • Ord. Druckp. statt 5 Rthlr. -- od. 9 fl.
  • für 3 Rthlr. 18 gr. od. 6 fl. 45 kr.
  • erlassen werden.
  • Ausserdem erhalten diejenigen, welche auf 6 Exemplare pränumeriren,
  • noch das 7te gratis.
  • +------------------------------------------------------------------+
  • | Anmerkungen zur Transkription |
  • | |
  • | Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen |
  • | gebräuchlich waren, wie: |
  • | |
  • | abgeschmakten -- abgeschmackten |
  • | andere -- andre |
  • | ans -- an's |
  • | aufs -- auf's |
  • | Aug-Braunen -- Augenbraun |
  • | ausgehn -- ausgehen |
  • | äußerste -- äusserste |
  • | bankerott -- bankrut |
  • | barfus -- baarfuß |
  • | begann -- begonn |
  • | bei -- bey |
  • | Bildnis -- Bildniß |
  • | bischen -- bisgen |
  • | Bliz -- Blitz |
  • | Bursche -- Pursche |
  • | büßen -- büssen |
  • | Contrast -- Kontraste |
  • | deucht -- däucht |
  • | Deutschland -- Teutschland |
  • | dies -- dis -- diß -- dieß |
  • | dörfen -- dürfen |
  • | dreysig -- dreyßig |
  • | entblössen -- entblöset |
  • | einige -- einzige |
  • | ers -- er's |
  • | ersticken -- erstikest |
  • | Finstre -- Finstere |
  • | flossen -- floßen |
  • | fortreissen -- fortreißen |
  • | funfzig -- fünfzig |
  • | Füsse -- Füße |
  • | gebehrdet -- geberdet |
  • | gebohren -- geboren |
  • | Gebiet -- Gebieth |
  • | Gebirge -- Gebürge |
  • | geiseln -- geisseln |
  • | Geissel -- Geißel |
  • | Gemälde -- Gemählde |
  • | gesehen -- gesehn |
  • | gestehen -- gestehn |
  • | gibt -- giebt |
  • | goldene -- gold'ne -- goldne |
  • | greifen -- greiffen |
  • | groser -- grosser |
  • | hab's -- habs |
  • | hangt -- hängt |
  • | hat's -- hats |
  • | Heiden -- Heyden |
  • | Heimath -- Heymath |
  • | heis -- heiß |
  • | heisse -- heiße |
  • | Helfte -- Hälfte |
  • | heßlich -- häßlich |
  • | hinterrucks -- hinterrücks |
  • | ichs -- ich's |
  • | ihrs -- ihr's |
  • | ins -- in's |
  • | ists -- ist's |
  • | knien -- knieen |
  • | Krucifix -- Kruzifix |
  • | Lerm -- lärmt |
  • | liessest -- ließest |
  • | Lis -- Lies |
  • | Loosung -- Losung |
  • | Loths -- Lots |
  • | Louisd'ore -- Louisdore |
  • | Luder-Leben -- Luderleben |
  • | Maalen -- Mahle |
  • | Mädchen -- Mädgen |
  • | mahlerische -- malt |
  • | Mann's -- Manns |
  • | Menschen -- Menschern |
  • | mir's -- mirs |
  • | mußt -- must |
  • | Ocean -- Ozean |
  • | Otterbrut -- Otternbrut |
  • | pakt -- packt |
  • | Phantasey -- Phantasie |
  • | plötzlich -- plözlich |
  • | prakticirt -- praktizier |
  • | Preis -- Preiß |
  • | Reichs-Grafen -- Reichsgrafen |
  • | reißen -- reissen |
  • | Reitzen -- Reizen |
  • | ritzt -- Rizen |
  • | sah't -- saht |
  • | samt -- sämmtliche |
  • | sas -- saß |
  • | Schaam -- Scham |
  • | Schätzen -- Schäzen |
  • | Schädel -- Schedel |
  • | Schiessen -- Schießen |
  • | schmeissen -- schmeißen |
  • | schrecklich -- schröcklich |
  • | schwatzen -- schwäzt |
  • | Schwerdt -- Schwert |
  • | sclavischen -- Sklaven |
  • | sechszig -- sechzig |
  • | Seegen -- Segen |
  • | sei -- sey |
  • | setzen -- sezen |
  • | steh'n -- stehn |
  • | stiehlt -- stihlt |
  • | stoßen -- stossen |
  • | Strahl -- Stral |
  • | Strasen -- Strassen |
  • | studierte -- studirt |
  • | tod -- todt |
  • | treflich -- trefflich |
  • | trifft -- trift |
  • | Tieger -- Tyger |
  • | um's -- ums |
  • | ungefähr -- ungefehr |
  • | ungestüm -- ungestümm |
  • | unsere -- unsre |
  • | unter'm -- unterm |
  • | Vater-Herz -- Vaterherz |
  • | Vater-Mörder -- Vatermörder |
  • | verhehlen -- verhelen |
  • | verlorenen -- verlornen |
  • | vor's -- vors |
  • | Waage -- Wage |
  • | wackerer -- wakerer |
  • | war's -- wars |
  • | weinest -- weinst |
  • | weißt -- weist |
  • | wenn's -- wenns |
  • | wird's -- wirds |
  • | will's -- wills |
  • | Wittwen -- Witwen |
  • | Wohllust -- Wollust |
  • | wohl -- wol |
  • | worin -- worinn |
  • | wüte -- wüthen |
  • | zehen -- zehn |
  • | zerplatzen -- zerplazt |
  • | zwei -- zwey -- zwo |
  • | |
  • | Interpunktion wurde korrigiert, ohne dies hier im Einzelnen |
  • | anzuführen. Im Text wurden die folgenden Änderungen |
  • | vorgenommen: |
  • | |
  • | S. 9 "gewissermaasen" in "gewissermaßen" geändert. |
  • | S. 21 "Antwortet?" in "Antwortet!" geändert. |
  • | S. 28 "Drathfäden" in "Drahtfäden" geändert. |
  • | S. 38 "wagen?" in "wagen!" geändert. |
  • | S. 38ff "Ratzmann" in "Razmann" geändert. |
  • | S. 48 "Hüthen" in "Hüten" geändert. |
  • | S. 49 "woh" in "wohl" geändert. |
  • | S. 55 "Lotterbude" in "Lotterbube" geändert. |
  • | S. 56 "Müßen" in "Müssen" geändert. |
  • | S. 56 "unterirrdischen" in "unterirdischen" geändert. |
  • | S. 58 "Zerstörinnen" in "Zerstörerinnen" geändert. |
  • | S. 59 "Hermann" in "Herrmann" geändert. |
  • | S. 60 "stosen" in "stoßen" geändert. |
  • | S. 68 "weis" in "weiß" geändert. |
  • | S. 69 "dre" in "der" geändert. |
  • | S. 71 "Carl" in "Karl" geändert. |
  • | S. 74 "himmlsschen" in "himmlischen" geändert. |
  • | S. 75 "verlassenen" in "Verlassenen" geändert. |
  • | S. 75 "Klagege-Lied" in "Klage-Lied" geändert. |
  • | S. 76 "sterbenden" in "Sterbenden" geändert. |
  • | S. 79 "Psevdo-Spiegelberg" in "Pseudo-Spiegelberg" geändert. |
  • | S. 80 "Bettlacken" in "Bettlaken" geändert. |
  • | S. 80 "ihrerer" in "ihrer" geändert. |
  • | S. 82 "ansezen" in "ansetzen" geändert. |
  • | S. 83 "Färthe" in "Fährte" geändert. |
  • | S. 84 "fangt" in "fängt" geändert. |
  • | S. 91 "Mordbleu" in "Morbleu" geändert. |
  • | S. 92 "schröklichen" in "schröcklichen" geändert. |
  • | S. 93 "Pulverthurn" in "Pulverthurm" geändert. |
  • | S. 95 "in Mutterleib" in "im Mutterleib" geändert. |
  • | S. 96 "hölkische" in "höllische" geändert. |
  • | S. 96 "besezt" in "besetzt" geändert. |
  • | S. 104 "denn" in "den" geändert. |
  • | S. 105 "niemal" in "einmal" geändert. |
  • | S. 110 "Hofnungen" in "Hoffnungen" geändert. |
  • | S. 111 "Gaße" in "Gasse" geändert. |
  • | S. 112 "Hermann" in "Herrmann" geändert. |
  • | S. 112 "seine" in "deine" geändert. |
  • | S. 113 "einiges" in "einziges" geändert. |
  • | S. 120 "Farth" in "Fahrt" geändert. |
  • | S. 121 "versteht" in "verstehst" geändert. |
  • | S. 121 "misglücken" in "mißglücken" geändert. |
  • | S. 122 "anmasen" in "anmaßen" geändert. |
  • | S. 123 "Sie" in "sie" geändert. |
  • | S. 124 "Innhalts" in "Inhalts" geändert. |
  • | S. 130 "Dritte Scene" in "Zweite Scene" geändert. |
  • | S. 137 "habe" in "haben" geändert. |
  • | S. 138 "Begrif" in "Begriff" geändert. |
  • | S. 141 "Vierte Scene" in "Dritte Scene" geändert. |
  • | S. 144 "weiser" in "weißer" geändert. |
  • | S. 146 "alte" in "alten" geändert. |
  • | S. 148 "Fünfte Scene" in "Vierte Scene" geändert. |
  • | S. 149 "öfnet" in "öffnet" geändert. |
  • | S. 151 "verlohren" in "verloren" geändert. |
  • | S. 154 "Beule" in "Beile" geändert. |
  • | S. 154 "Ratzmann" in "Razmann" geändert. |
  • | S. 154 "Spidnen" in "Spionen" geändert. |
  • | S. 157 "zulezt" in "zuletzt" geändert. |
  • | S. 160 "Brutes" in "Brutus" geändert. |
  • | S. 160 "Schwerde" in "Schwerte" geändert. |
  • | S. 161 "Misklang" in "Mißklang" geändert. |
  • | S. 162 "willt" in "willst" geändert. |
  • | S. 165 "eie" in "ein" geändert. |
  • | S. 181 "hoft" in "hofft" geändert. |
  • | S. 183 "fodern" in "fordern" geändert. |
  • | S. 183 "Mnnde" in "Munde" geändert. |
  • | S. 188 "springt?" in "springt!" geändert. |
  • | S. 197 "gewafnet" in "gewaffnet" geändert. |
  • | S. 199 "fo" in "so" geändert. |
  • | Werbung "Heilbroun" in "Heilbronn" geändert. |
  • | Werbung doppeltes "24 kr." entfernt. |
  • | Werbung "Hofnung" in "Hoffnung" geändert. |
  • | Werbung "Schiffarth" in "Schiffahrt" geändert. |
  • | Werbung "Stüke" in "Stücke" geändert. |
  • | |
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  • End of the Project Gutenberg EBook of Die Räuber, by Friedrich Schiller
  • *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE RÄUBER ***
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