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  • The Project Gutenberg EBook of Kabale und Liebe
  • by Friedrich (Johann Christoph Friedrich von ) Schiller
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  • Title: Kabale und Liebe
  • Author: Friedrich (Johann Christoph Friedrich von ) Schiller
  • Release Date: September, 2004 [EBook #6498]
  • [Yes, we are more than one year ahead of schedule]
  • [This file was first posted on December 22, 2002]
  • Edition: 10
  • Language: German
  • *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, KABALE UND LIEBE ***
  • This book content was graciously contributed by the Gutenberg
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  • http://gutenberg2000.de.
  • Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur
  • Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
  • http://gutenberg2000.de erreichbar.
  • Friedrich Schiller
  • Kabale und Liebe
  • Ein bürgerliches Trauerspiel.
  • ---------------------------------------------
  • Personen:
  • Präsident von Walter, am Hof eines deutschen Fürsten.
  • Ferdinand, sein Sohn, Major.
  • Hofmarschall von Kalb.
  • Lady Milford, Favoritin des Fürsten.
  • Wurm, Haussecretär des Präsidenten.
  • Miller, Stadtmusikant oder, wie man sie an einigen Orten
  • nennt, Kunstpfeifer.
  • Dessen Frau.
  • Luise, dessen Tochter.
  • Sophie, Kammerjungfer der Lady.
  • Ein Kammerdiener des Fürsten.
  • Verschiedene Nebenpersonen.
  • Erster Akt.
  • Erste Scene.
  • Zimmer beim Musikus.
  • Miller steht eben vom Sessel auf und stellt sein Violoncell auf die
  • Seite. An einem Tisch sitzt Frau Millerin noch im Nachtgewand und
  • trinkt ihren Kaffee.
  • Miller (schnell auf- und abgehend). Einmal für allemal! Der Handel
  • wird ernsthaft. Meine Tochter kommt mit dem Baron ins Geschrei.
  • Mein Haus wird verrufen. Der Präsident bekommt Wind, und kurz und
  • gut, ich biete dem Junker aus.
  • Frau. Du hast ihn nicht in dein Haus geschwatzt--hast ihm deine
  • Tochter nicht nachgeworfen.
  • Miller. Hab' ihn nicht in mein Haus geschwatzt--hab' ihm 's Mädel
  • nicht nachgeworfen; wer nimmt Notiz davon?--Ich war Herr im Haus.
  • Ich hätt' meine Tochter mehr coram nehmen sollen. Ich hätt' dem
  • Major besser auftrumpfen sollen--oder hätt' gleich Alles Seiner
  • Excellenz, dem Herrn Papa, stecken sollen. Der junge Baron bringt's
  • mit einem Wischer hinaus, das muß ich wissen, und alles Wetter kommt
  • über den Geiger.
  • Frau (schlürft eine Tasse aus). Possen! Geschwätz! Was kann über
  • dich kommen? Wer kann dir was anhaben? Du gehst deiner Profession
  • nach und raffst Scholaren zusammen, wo sie zu kriegen sind.
  • Miller. Aber, sag mir doch, was wird bei dem ganzen Commerz auch
  • herauskommen?--Nehmen kann er das Mädel nicht--Vom Nehmen ist gar die
  • Rede nicht, und zu einer--daß Gott erbarm?--Guten Morgen!--Gott, wenn
  • so ein Musje von sich da und dort, und dort und hier schon
  • herumbeholfen hat, wenn er, der Henker weiß! was als? gelöst hat,
  • schmeckt's meinem guten Schlucker freilich, einmal auf süß Wasser zu
  • graben. Gib du Acht! gib du Acht! und wenn du aus jedem Astloch ein
  • Auge strecktest und vor jedem Blutstropfen Schildwache ständest, er
  • wird sie, dir auf der Nase, beschwatzen, dem Mädel Eins hinsetzen und
  • führt sich ab, und das Mädel ist verschimpfiert auf ihr Lebenlang,
  • bleibt sitzen, oder hat's Handwerk verschmeckt, treibt's fort. (Die
  • Hand vor der Stirn) Jesus Christus!
  • Frau. Gott behüt' uns in Gnaden!
  • Miller. Es hat sich zu behüten. Worauf kann so ein Windfuß wohl
  • sonst sein Absehen richten?--Das Mädel ist schön--schlank--führt
  • seinen netten Fuß. Unterm Dach mag's aussehen, wie's will. Darüber
  • guckt man bei euch Weibsleuten weg, wenn's nur der liebe Gott
  • parterre nicht hat fehlen lassen--Stöbert mein Springinsfeld erst
  • noch dieses Kapital aus--he da! geht ihm ein Licht auf, wie meinem
  • Rodney, wenn er die Witterung eines Franzosen kriegt, und nun müssen
  • alle Segel dran, und drauf los, und--ich verdenk's ihm gar nicht.
  • Mensch ist Mensch. Das muß ich wissen.
  • Frau. Solltest nur die wunderhübsche Billeter auch lesen, die der
  • gnädige Herr an deine Tochter als schreiben thut. Guter Gott! da
  • sieht man's ja sonnenklar, wie es ihm pur um ihre schöne Seele zu
  • thun ist.
  • Miller. Das ist die rechte Höhe. Auf den Sack schlägt man, den Esel
  • meint man. Wer einen Gruß an das liebe Fleisch zu bestellen hat,
  • darf nur das gute Herz Boten gehen lassen. Wie hab' ich's gemacht?
  • Hat man's nur erst so weit im Reinen, daß die Gemüther topp machen,
  • wutsch! nehmen die Körper ein Exempel; das Gesind macht's der
  • Herrschaft nach, und der silberne Mond ist am End nur der Kuppler
  • gewesen.
  • Frau. Sieh doch nur erst die prächtigen Bücher an, die der Herr
  • Major ins Haus geschafft haben. Deine Tochter betet auch immer draus.
  • Miller (pfeift). Hui da! Betet! Du hast den Witz davon. Die rohen
  • Kraftbrühen der Natur sind Ihro Gnaden zartem Makronenmagen noch zu
  • hart.--Er muß sie erst in der höllischen Pestilenzküche der
  • Belletristen künstlich aufkochen lassen. Ins Feuer mit dem Quark.
  • Da saugt mir das Mädel--weiß Gott, was als für?--überhimmlische
  • Alfanzereien ein, das läuft dann wie spanische Mucken ins Blut und
  • wirft mir die Handvoll Christenthum noch gar auseinander, die der
  • Vater mit knapper Noth soso noch zusammenhielt. Ins Feuer, sag' ich.
  • Das Mädel setzt sich alles Teufelsgezeug in den Kopf; über all dem
  • Herumschwänzen in der Schlaraffenwelt findet's zuletzt seine Heimath
  • nicht mehr, vergißt, schämt sich, daß sein Vater Miller der Geiger
  • ist, und verschlägt mir am End einen wackern ehrbaren Schwiegersohn,
  • der sich so warm in meine Kundschaft hineingesetzt hätte--Nein! Gott
  • verdamm mich! (Er springt auf, hitzig.) Gleich muß die Pastete auf
  • den Herd, und dem Major--ja ja, dem Major will ich weisen, wo Meister
  • Zimmermann das Loch gemacht hat. (Er will fort.)
  • Frau. Sei artig, Miller. Wie manchen schönen Groschen haben uns nur
  • die Präsenter-Miller (kommt zurück und bleibt vor ihr stehen). Das
  • Blutgeld meiner Tochter?--Schier dich zum Satan, infame Kupplerin!
  • --Eh will ich mit meiner Geig' auf den Bettel herumziehen und das
  • Concert um was Warmes geben--eh will ich mein Violoncello zerschlagen
  • und Mist im Sonanzboden führen, eh ich mir's schmecken lass' von dem
  • Geld, das mein einziges Kind mit Seel' und Seligkeit abverdient.
  • --Stell den vermaledeiten Kaffee ein und das Tobackschnupfen, so
  • brauchst du deiner Tochter Gesicht nicht zu Markt zu treiben. Ich
  • hab mich satt gefressen und immer ein gutes Hemd auf dem Leib gehabt,
  • eh so ein vertrackter Tausendsasa in meine Stube geschmeckt hat.
  • Frau. Nur nicht gleich mit der Thür ins Haus! Wie du doch den
  • Augenblick in Feuer und Flammen stehst! Ich sprech ja nur, man müss'
  • den Herrn Major nicht disguschthüren, weil Sie des Präsidenten Sohn
  • sind.
  • Miller. Da liegt der Haas im Pfeffer. Darum, just eben darum muß
  • die Sach noch heut auseinander. Der Präsident muß es mir Dank wissen,
  • wenn er ein rechtschaffener Vater ist. Du wirst mir meinen rothen
  • plüschenen Rock ausbürsten, und ich werde mich bei Seiner Excellenz
  • anmelden lassen. Ich werde sprechen zu seiner Excellenz: Dero Herr
  • Sohn haben ein Aug auf meine Tochter; meine Tochter ist zu schlecht
  • zu Dero Herrn Sohnes Frau, aber zu Dero Herrn Sohnes Hure ist meine
  • Tochter zu kostbar, und damit basta!--Ich heiße Miller.
  • Zweite Scene.
  • Secretär Wurm. Die Vorigen.
  • Frau. Ah guten Morgen, Herr Sekertare! Hat man auch einmal wieder
  • das Vergnügen von Ihnen?
  • Wurm. Meinerseits, meinerseits, Frau Base! Wo eine Cavaliersgnade
  • einspricht, kommt mein bürgerliches Vergnügen in gar keine Rechnung.
  • Frau. Was Sie nicht sagen, Herr Sekertare! Des Herrn Majors von
  • Walter hohe Gnaden machen uns wohl je und je das Bläsier; doch
  • verachten wir darum Niemand.
  • Miller (verdrießlich). Dem Herrn einen Sessel, Frau. Wollen's
  • ablegen, Herr Landsmann?
  • Wurm (legt Hut und Stock weg, setzt sich). Nun! nun! und wie
  • befindet sich denn meine Zukünftige--oder Gewesene?--Ich will doch
  • nicht hoffen--kriegt man sie nicht zu sehen--Mamsell Luisen?
  • Frau. Danken der Nachfrage, Herr Sekertare. Aber meine Tochter ist
  • doch gar nicht hochmüthig.
  • Miller (ärgerlich, stößt sie mit dem Ellenbogen). Weib!
  • Frau. Bedauern's nur, daß sie die Ehre nicht haben kann vom Herrn
  • Sekertare. Sie ist eben in der Meß, meine Tochter.
  • Wurm. Das freut mich, freut mich. Ich werd' mal eine fromme,
  • christliche Frau an ihr haben.
  • Frau (lächelt dumm-vornehm). Ja--aber, Herr Sekertare-Miller (in
  • sichtbarer Verlegenheit, kneipt sie in die Ohren). Weib!
  • Frau. Wenn Ihnen unser Haus sonst irgend wo dienen kann--mit allem
  • Vergnügen, Herr Sekertare-Wurm (macht falsche Augen). Sonst irgendwo!
  • Schönen Dank! Schönen Dank!--Hem! hem! hem!
  • Frau. Aber--wie der Herr Sekertare selber die Einsicht werden
  • haben-Miller (voll Zorn seine Frau vor den Hintern stoßend). Weib!
  • Frau. Gut ist gut, und besser ist besser, und einem einzigen Kind
  • mag man doch auch nicht vor seinem Glück sein. (Bäurisch-stolz.) Sie
  • werden mich ja doch wohl merken, Herr Sekertare?
  • Wurm (rückt unruhig im Sessel, kratzt hinter den Ohren und zupft an
  • Manschetten und Jabot). Merken? Nicht doch--O ja--Wie meinen Sie
  • denn?
  • Frau. Nu--nu--ich dächte nur--ich meine, (hustet) weil eben halt der
  • liebe Gott meine Tochter barrdu zur gnädigen Madam will haben-Wurm
  • (fährt vom Stuhl). Was sagen Sie da? Was?
  • Miller. Bleiben sitzen! Bleiben sitzen, Herr Secretarius! Das Weib
  • ist eine alberne Gans. Wo soll eine gnädige Madam herkommen? Was
  • für ein Esel streckt sein Langohr aus diesem Geschwätze?
  • Frau. Schmähl du, so lang du willst. Was ich weiß, weiß ich--und
  • was der Herr Major gesagt hat, das hat er gesagt.
  • Miller (aufgebracht, springt nach der Geige). Willst du dein Maul
  • halten? Willst du das Violoncell am Hirnkasten wissen?--Was kannst
  • du wissen? Was kann er gesagt haben?--Kehren sich an das Geklatsch
  • nicht, Herr Vetter--Marsch du, in deine Küche!--Werden mich doch
  • nicht für des Dummkopfs leiblichen Schwager halten, daß ich oben aus
  • woll' mit dem Mädel? Werden doch das nicht von mir denken, Herr
  • Secretarius?
  • Wurm. Auch hab' ich es nicht um Sie verdient, Herr Musikmeister.
  • Sie haben mich jederzeit den Mann von Wort sehen lassen und meine
  • Ansprüche auf Ihre Tochter waren so gut als unterschrieben. Ich habe
  • ein Amt, das seinen guten Haushälter nähren kann; der Präsident ist
  • mir gewogen; an Empfehlungen kann's nicht fehlen, wenn ich mich höher
  • poussieren will. Sie sehen, daß meine Absichten auf Mamsell Luisen
  • ernsthaft sind, wenn Sie vielleicht von einem adeligen Windbeutel
  • herumgeholt-Frau. Herr Sekertare Wurm! Mehr Respect, wenn man
  • bitten darf-Miller. Halt du dein Maul, sag' ich--Lassen Sie es gut
  • sein, Herr Vetter! Es bleibt beim Alten. Was ich Ihnen verwichenen
  • Herbst zum Bescheid gab, bring' ich heut wieder. Ich zwinge meine
  • Tochter nicht. Stehen Sie ihr an--wohl und gut, so mag sie zusehen,
  • wie sie glücklich mit Ihnen wird. Schüttelt sie den Kopf--noch
  • besser--in Gottes Namen wollt' ich sagen--so stecken Sie den Korb ein
  • und trinken eine Bouteille mit dem Vater--Das Mädel muß mit Ihnen
  • leben--ich nicht.--Warum soll ich ihr einen Mann, den sie nicht
  • schmecken kann, aus purem klarem Eigensinn an den Hals werfen?--Daß
  • mich der böse Feind in meinen eisgrauen Tagen noch wie sein Wildpret
  • herumhetzt--daß ich's in jedem Glas Wein zu saufen--in jeder Suppe zu
  • fressen kriege: Du bist der Spitzbube, der sein Kind ruiniert hat.
  • Frau. Und kurz und gut--ich geb meinen Consenz absolut nicht; meine
  • Tochter ist zu was Hohem gemünzt, und ich lauf' in die Gerichte, wenn
  • mein Mann sich beschwatzen läßt.
  • Miller. Willst du Arm und Bein entzwei haben, Wettermaul?
  • Wurm (zu Millern). Ein väterlicher Rath vermag bei der Tochter viel,
  • und hoffentlich werden Sie mich kennen, Herr Miller?
  • Miller. Daß dich alle Hagel! 's Mädel muß Sie kennen. Was ich alter
  • Knasterbart an Ihnen abgucke, ist just kein Fressen fürs junge
  • naschhafte Mädel. Ich will Ihnen aufs Haar hin sagen, ob Sie ein
  • Mann fürs Orchester sind--aber eine Weiberseel' ist auch für einen
  • Kapellmeister zu spitzig.--Und dann von der Brust weg, Herr
  • Vetter--ich bin halt ein plumper gerader deutscher Kerl--für meinen
  • Rath würden Sie sich zuletzt wenig bedanken. Ich rathe meiner
  • Tochter zu Keinem--aber Sie mißrath ich meiner Tochter, Herr
  • Secretarius! Lassen mich ausreden. Einem Liebhaber, der den Vater
  • zu Hilfe ruft, trau' ich--erlauben Sie--keine hohle Haselnuß zu. Ist
  • er was, so wird er sich schämen, seine Talente durch diesen
  • altmodischen Kanal vor seine Liebste zu bringen--Hat er's Courage
  • nicht, so ist er ein Hasenfuß, und für den sind keine Luisen
  • gewachsen--Da! hinter dem Rücken des Vaters muß er sein Gewerb an die
  • Tochter bestellen. Machen muß er, daß das Mädel lieber Vater und
  • Mutter zum Teufel wünscht, als ihn fahren läßt,--oder selber kommt,
  • dem Vater zu Füßen sich wirft und sich um Gotteswillen den schwarzen
  • gelben Tod oder den Herzeinigen ausbittet--Das nenn' ich einen Kerl!
  • das heißt lieben!--und wer's bei dem Weibsvolk nicht so weit bringt,
  • der soll--auf seinem Gänsekiel reiten.
  • Wurm (greift nach Hut und Stock und zum Zimmer hinaus). Obligation,
  • Herr Miller!
  • Miller (geht ihm langsam nach). Für was? für was? Haben Sie ja doch
  • nichts genossen, Herr Secretarius! (Zurückkommend.) Nichts hört er,
  • und hin zieht er--Ist mir's doch wie Gift und Operment, wenn ich den
  • Federfuchser zu Gesichte krieg'. Ein confiscierter widriger Kerl,
  • als hätt' ihn irgend ein Schleichhändler in die Welt meines Herrgotts
  • hineingeschachert--Die kleinen tückischen Mausaugen--die Haare
  • brandroth--das Kinn herausgequollen, gerade als wenn die Natur für
  • purem Gift über das verhunzte Stück Arbeit meinen Schlingel da
  • angefaßt und in irgend eine Ecke geworfen hätte--Nein! eh ich meine
  • Tochter an so einen Schuft wegwerfe, lieber soll sie mir--Gott
  • verzeih mir's-Frau (spuckt aus, giftig). Der Hund!--aber man wird
  • dir's Maul sauber halten!
  • Miller. Du aber auch mit deinem pestilenzialischen Junker--Hast mich
  • vorhin auch so in Harnisch gebracht--Bist doch nie dummer, als wenn
  • du um Gotteswillen gescheidt sein solltest. Was hat das Geträtsch
  • von einer gnädigen Madam und deiner Tochter da vorstellen sollen?
  • Das ist mir der Alte! Dem muß man so was an die Nase heften, wenn's
  • morgen am Marktbrunnen ausgeschellt sein soll. Das ist just so ein
  • Musje, wie sie in der Leute Häusern herumriechen, über Keller und
  • Koch räsonnieren, und springt einem ein nasenweises Wort übers
  • Maul--Bumbs! haben's Fürst und Mätreß und Präsident, und du hast das
  • siedende Donnerwetter am Halse.
  • Dritte Scene.
  • Luise Millerin kommt, ein Buch in der Hand. Vorige.
  • Luise (legt das Buch nieder, geht zu Millern und drückt ihm die Hand).
  • Guten Morgen, lieber Vater.
  • Miller (warm). Brav, meine Luise--Freut mich, daß du so fleißig an
  • deinen Schöpfer denkst. Bleib immer so, und sein Arm wird dich
  • halten.
  • Luise. O! ich bin eine schwere Sünderin, Vater--War er da, Mutter?
  • Frau. Wer, mein Kind?
  • Luise. Ah! ich vergaß, daß es noch außer ihm Menschen gibt--Mein
  • Kopf ist so wüste--Er war nicht da? Walter?
  • Miller (traurig und ernsthaft). Ich dachte, meine Luise hätte den
  • Namen in der Kirche gelassen?
  • Luise (nachdem sie ihn eine Zeitlang starr angesehen). Ich versteh'
  • ihn, Vater--fühle das Messer, das Er in mein Gewissen stößt; aber es
  • kommt zu spät.--Ich hab' keine Andacht mehr, Vater--der Himmel und
  • Ferdinand reißen an meiner blutenden Seele, und ich fürchte--ich
  • fürchte--(Nach einer Pause.) Doch nein, guter Vater. Wenn wir ihn
  • über dem Gemälde vernachlässigen, findet sich ja der Künstler am
  • feinsten gelobt.--Wenn meine Freude über sein Meisterstück mich ihn
  • selbst übersehen macht, Vater, muß das Gott nicht ergötzen?
  • Miller (wirft sich unmuthig in den Stuhl). Da haben wir's! Das ist
  • die Frucht von dem gottlosen Lesen.
  • Luise (tritt unruhig an ein Fenster). Wo er wohl jetzt ist?--Die
  • vornehmen Fräulein, die ihn sehen--ihn hören--ich bin ein schlechtes,
  • vergessenes Mädchen. (Erschrickt an dem Wort und stürzt ihrem Vater
  • zu.) Doch nein, nein! verzeih' Er mir. Ich beweine mein Schicksal
  • nicht. Ich will ja nur wenig--an ihn denken--das kostet ja nichts.
  • Dies Bischen Leben--dürft' ich es hinhauchen in ein leises,
  • schmeichelndes Lüftchen, sein Gesicht abzukühlen;--dies Blümchen
  • Jugend--wär' es ein Veilchen, und er träte drauf, und es dürfte
  • bescheiden unter ihm sterben!--Damit genügte mir, Vater! Wenn die
  • Mücke in ihren Strahlen sich sonnt--kann sie das strafen, die stolze
  • majestätische Sonne?
  • Miller (beugt sich gerührt an die Lehne des Stuhls und bedeckt das
  • Gesicht). Höre, Luise--das Bissel Bodensatz meiner Jahre, ich gäb'
  • es hin, hättest du den Major nie gesehen.
  • Luise (erschrocken). Was sagt Er da? was?--Nein, er meint es anders,
  • der gute Vater. Er wird nicht wissen, daß Ferdinand mein ist, mir
  • geschaffen, mir zur Freude vom Vater der Liebenden. (Sie steht
  • nachdenkend.) Als ich ihn das Erstemal sah--(rascher) und mir das
  • Blut in die Wangen stieg, froher jagten alle Pulse, jede Wallung
  • sprach, jeder Athem lispelte: er ist's!--und mein Herz den
  • Immermangelnden erkannte, bekräftigte: er ist's! und wie das
  • wiederklang durch die ganze mitfreuende Welt! Damals--o damals ging
  • in meiner Seele der erste Morgen auf. Tausend junge Gefühle schossen
  • aus meinem Herzen, wie die Blumen aus dem Erdreich, wenn's Frühling
  • wird. Ich sah keine Welt mehr, und doch besinn' ich mich, daß sie
  • niemals so schön war. Ich wußte von keinem Gott mehr, und doch hatt'
  • ich ihn nie so geliebt.
  • Miller (tritt auf sie zu, drückt sie wider seine Brust).
  • Luise--theures--herrliches Kind--nimm meinen alten mürben Kopf--nimm
  • Alles--Alles!--den Major--Gott ist mein Zeuge--ich kann dir ihn
  • nimmer geben. (Er geht ab.)
  • Luise. Auch will ich ihn ja jetzt nicht, mein Vater! Dieser karge
  • Thautropfen Zeit--schon ein Traum von Ferdinand trinkt ihn wollüstig
  • auf. Ich entsag' ihm für dieses Leben. Dann, Mutter--dann wenn die
  • Schranken des Unterschieds einstürzen--wenn von uns abspringen all
  • die verhaßten Hülsen des Standes--Menschen nur Menschen sind--Ich
  • bringe nichts mit mir, als meine Unschuld; aber der Vater hat ja so
  • oft gesagt, daß der Schmuck und die prächtigen Titel wohlfeil werden,
  • wenn Gott kommt, und die Herzen im Preise steigen. Ich werde dann
  • reich sein. Dort rechnet man Thränen für Triumphe und schöne
  • Gedanken für Ahnen an. Ich werde dann vornehm sein, Mutter--Was
  • hätte er dann noch vor seinem Mädchen voraus?
  • Frau (fährt in die Höhe). Luise! der Major! Er springt über die
  • Planke. Wo verberg' ich mich doch?
  • Luise (fängt an zu zittern). Bleib Sie doch, Mutter!
  • Frau. Mein Gott! Wie seh' ich aus; ich muß mich ja schämen. Ich
  • darf mich nicht vor seiner Gnaden so sehen lassen. (Ab.)
  • Vierte Scene.
  • Ferdinand von Walter. Luise.
  • (Er fliegt auf sie zu--sie sinkt entfärbt und matt auf einen
  • Sessel--er bleibt vor ihr stehn--sie sehen sich eine Zeitlang
  • stillschweigend an. Pause.)
  • Ferdinand. Du bist blaß, Luise?
  • Luise (steht auf und fällt ihm um den Hals). Es ist nichts! nichts!
  • Du bist ja da. Es ist vorüber.
  • Ferdinand (ihr Hand nehmend und zum Munde führend). Und liebt mich
  • meine Luise noch? Mein Herz ist das gestrige, ist's auch das deine
  • noch? Ich fliege nur her, will sehen, ob du heiter bist, und gehn
  • und es auch sein--Du bist's nicht.
  • Luise. Doch, doch, mein Geliebter.
  • Ferdinand. Rede mir Wahrheit. Du bist's nicht. Ich schau durch
  • deine Seele, wie durch das klare Wasser dieses Brillanten. (Zeigt
  • auf seinen Ring.) Hier wirft sich kein Bläschen auf, das ich nicht
  • merkte--kein Gedanke tritt in dies Angesicht, der mir entwischte.
  • Was hast du? Geschwind! Weiß ich nur diesen Spiegel helle, so läuft
  • keine Wolke über die Welt. Was bekümmert dich?
  • Luise (sieht ihn eine Weile stumm und bedeutend an, dann mit Wehmuth).
  • Ferdinand! Ferdinand! Daß du doch wüßtest, wie schön in dieser
  • Sprache das bürgerliche Mädchen sich ausnimmt-Ferdinand. Was ist
  • das? (Befremdet.) Mädchen! Höre! wie kommst du auf das?--Du bist
  • meine Luise. Wer sagt dir, daß du noch etwas sein solltest? Siehst
  • du, Falsche, auf welchem Kaltsinn ich dir begegnen muß. Wärest du
  • ganz nur Liebe für mich, wann hättest du Zeit gehabt, eine
  • Vergleichung zu machen? Wenn ich bei dir bin, zerschmilzt meine
  • Vernunft in einen Blick--in einen Traum von dir, wenn ich weg bin,
  • und du hast noch eine Klugheit neben deiner Liebe?--Schäme dich!
  • Jeder Augenblick, den du an diesen Kummer verlorst, war deinem
  • Jüngling gestohlen.
  • Luise (faßt seine Hand, indem sie den Kopf schüttelt). Du willst
  • mich einschläfern, Ferdinand--willst meine Augen von diesem Abgrund
  • hinweglocken, in den ich ganz gewiß stürzen muß. Ich seh' in die
  • Zukunft--die Stimme des Ruhms--deine Entwürfe--dein Vater--mein
  • Nichts. (Erschrickt und läßt plötzlich seine Hand fahren.) Ferdinand!
  • Ein Dolch über dir und mir!--Man trennt uns!
  • Ferdinand. Trennt uns! (Er springt auf.) Woher bringst du diese
  • Ahnung, Luise? Trennt uns?--Wer kann den Bund zweier Herzen lösen,
  • oder die Töne eines Accords auseinander reißen?--Ich bin ein
  • Edelmann--Laß doch sehen, ob mein Adelbrief älter ist, als der Riß
  • zum unendlichen Weltall? oder mein Wappen gültiger, als die
  • Handschrift des Himmels in Luisens Augen: dieses Weib ist für diesen
  • Mann?--Ich bin des Präsidenten Sohn. Eben darum. Wer, als die Liebe,
  • kann mir die Flüche versüßen, die mir der Landeswucher meines Vaters
  • vermachen wird?
  • Luise. O wie sehr fürcht' ich ihn--diesen Vater!
  • Ferdinand. Ich fürchte nichts--nichts--als die Grenzen deiner Liebe.
  • Laß auch Hindernisse wie Gebirge zwischen uns treten, ich will sie
  • für Treppen nehmen und drüber hin in Luisens Arme fliegen. Die
  • Stürme des widrigen Schicksals sollen meine Empfindung emporblasen,
  • Gefahren werden meine Luise nur reizender machen.--Also nichts mehr
  • von Furcht, meine Liebe. Ich selbst--ich will über dir wachen, wie
  • der Zauberdrach über unterirdischem Golde--Mir vertraue dich! Du
  • brauchst keinen Engel mehr--Ich will mich zwischen dich und das
  • Schicksal werfen--empfangen für dich jede Wunde--auffassen für dich
  • jeden Tropfen aus dem Becher der Freude--dir ihn bringen in die
  • Schale der Liebe. (Sie zärtlich umfassend.) An diesem Arm soll meine
  • Luise durchs Leben hüpfen; schöner, als er dich von sich ließ, soll
  • der Himmel dich wieder haben und mit Verwunderung eingestehn, daß nur
  • die Liebe die letzte Hand an die Seelen legte-Luise (drückt ihn von
  • sich, in großer Bewegung). Nichts mehr! Ich bitte dich, schweig!
  • --Wüßtest du--Laß mich--du weißt nicht, daß deine Hoffnungen mein
  • Herz wie Furien anfallen. (Will fort.)
  • Ferdinand (hält sie auf). Luise? Wie! Was! Welche Anwandlung?
  • Luise. Ich hatte diese Träume vergessen und war glücklich--Jetzt!
  • jetzt! von heut an--der Friede meines Lebens ist aus--Wilde
  • Wünsche--ich weiß es--werden in meinem Busen rasen.--Geh--Gott
  • vergebe dir's--Du hast den Feuerbrand in mein junges, friedsames Herz
  • geworfen, und er wird nimmer, nimmer gelöscht werden. (Sie stürzt
  • hinaus. Er folgt ihr sprachlos nach.)
  • Fünfte Scene.
  • Saal beim Präsidenten.
  • Der Präsident, ein Ordenskreuz um den Hals, einen Stern an der Seite,
  • und Secretär Wurm treten auf.
  • Präsident. Ein ernsthaftes Attachement! Mein Sohn?--Nein, Wurm, das
  • macht Er mich nimmermehr glauben.
  • Wurm. Ihro Excellenz haben die Gnade, mir den Beweis zu befehlen.
  • Präsident. Daß er der Bürgercanaille den Hof macht--Flatterieen
  • sagt--auch meinetwegen Empfindungen vorplaudert--das sind lauter
  • Sachen, die ich möglich finde--verzeihlich finde--aber--und noch gar
  • die Tochter eines Musikus, sagt Er?
  • Wurm. Musikmeister Millers Tochter.
  • Präsident. Hübsch--Zwar das versteht sich.
  • Wurm (lebhaft). Das schönste Exemplar einer Blondine, die, nicht zu
  • viel gesagt, neben den ersten Schönheiten des Hofes noch Figur machen
  • würde.
  • Präsident (lacht). Er sagt mir, Wurm--Er habe ein Aug auf das
  • Ding--das find' ich. Aber sieht Er, mein lieber Wurm--daß mein Sohn
  • Gefühl für das Frauenzimmer hat, macht mir Hoffnung, daß ihn die
  • Damen nicht hassen werden. Er kann bei Hof etwas durchsetzen. Das
  • Mädchen ist schön, sagt Er; das gefällt mir an meinem Sohn, daß er
  • Geschmack hat. Spiegelt er der Närrin solide Absichten vor? Noch
  • besser--so seh' ich, daß er Witz genug hat, in seinen Beutel zu lügen.
  • Er kann Präsident werden. Setzt er es noch dazu durch? Herrlich!
  • das zeigt mir an, daß er Glück hat.--Schließt sich die Farce mit
  • einem gesunden Enkel--unvergleichlich! so trink' ich auf die guten
  • Aspecten meines Stammbaums eine Bouteille Malaga mehr und bezahle die
  • Scortationsstrafe für seine Dirne.
  • Wurm. Alles, was ich wünsche, Ihr' Excellenz, ist, daß Sie nicht
  • nöthig haben möchten, diese Bouteille zu Ihrer Zerstreuung zu trinken.
  • Präsident (ernsthaft). Wurm, besinn' Er sich, daß ich, wenn ich
  • einmal glaube, hartnäckig glaube; rase, wenn ich zürne--Ich will
  • einen Spaß daraus machen, daß Er mich aufhetzen wollte. Daß Er sich
  • seinen Nebenbuhler gern vom Hals geschafft hätte, glaub' ich Ihm
  • herzlich gern. Da Er meinen Sohn bei dem Mädchen auszustechen Mühe
  • haben möchte, soll Ihm der Vater zur Fliegenklatsche dienen, das
  • find' ich wieder begreiflich--und daß er einen so herrlichen Ansatz
  • zum Schelmen hat, entzückt mich sogar--Nur, mein lieber Wurm, muß Er
  • mich nicht mit prellen wollen.--Nur, versteht Er mich, muß Er den
  • Pfiff nicht bis zum Einbruch in meine Grundsätze treiben.
  • Wurm. Ihro Excellenz verzeihen. Wenn auch wirklich--wie Sie
  • argwohnen--die Eifersucht hier im Spiel sein sollte, so wäre sie es
  • wenigstens nur mit den Augen und nicht mit der Zunge.
  • Präsident. Und ich dächte, sie bliebe ganz weg. Dummer Teufel, was
  • verschlägt es denn Ihm, ob Er die Karolin frisch aus der Münze oder vom
  • Bankier bekommt. Tröst' Er sich mit dem hiesigen Adel--wissentlich
  • oder nicht--bei uns wird selten eine Mariage geschlossen, wo nicht
  • wenigstens ein halb Dutzend der Gäste--oder der Aufwärter--das Paradies
  • des Bräutigams geometrisch ermessen kann.
  • Wurm (verbeugt sich). Ich mache hier gern den Bürgersmann, gnädiger
  • Herr.
  • Präsident. Überdies kann Er mit Nächstem die Freude haben, seinem
  • Nebenbuhler den Spott auf die schönste Art heimzugeben. Eben jetzt
  • liegt der Anschlag im Kabinet, daß, auf die Ankunft der neuen
  • Herzogin, Lady Milford zum Schein den Abschied erhalten und, den
  • Betrug vollkommen zu machen, eine Verbindung eingehen soll. Er weiß,
  • Wurm, wie sehr sich mein Ansehen auf den Einfluß der Lady stützt--wie
  • überhaupt meine mächtigsten Springfedern in die Wallungen des Fürsten
  • hineinspielen. Der Herzog sucht eine Partie für die Milford. Ein
  • Anderer kann sich melden--den Kauf schließen, mit der Dame das
  • Vertrauen des Fürsten anreißen, sich ihm unentbehrlich machen--Damit
  • nun der Fürst im Netz meiner Familie bleibe, soll mein Ferdinand die
  • Milford heirathen--Ist Ihm das helle?
  • Wurm. Daß mich die Augen beißen--Wenigstens bewies der Präsident
  • hier, daß der Vater nur ein Anfänger gegen ihn ist. Wenn der Major
  • Ihnen eben so den gehorsamen Sohn zeigt, als Sie ihm den zärtlichen
  • Vater, so dürfte Ihre Anforderung mit Protest zurückkommen.
  • Präsident. Zum Glück war mir noch nie für die Ausführung eines
  • Entwurfes bang, wo ich mich mit einem: es soll so sein! einstellen
  • konnte.--Aber seh' Er nun, Wurm, das hat uns wieder auf den vorigen
  • Punkt geleitet. Ich kündige meinem Sohn noch diesen Vormittag seine
  • Vermählung an. Das Gesicht, das er mir zeigen wird, soll Seinen
  • Argwohn entweder rechtfertigen oder ganz widerlegen.
  • Wurm. Gnädiger Herr, ich bitte sehr um Vergebung. Das finstre
  • Gesicht, das er Ihnen ganz zuverlässig zeigt, läßt sich eben so gut
  • auf die Rechnung der Braut schreiben, die Sie ihm zuführen, als
  • derjenigen, die Sie ihm nehmen. Ich ersuche Sie um eine schärfere
  • Probe. Wählen Sie ihm die untadelichste Partie im Lande, und sagt er
  • Ja, so lassen Sie den Secretär Wurm drei Jahre Kugeln schleifen.
  • Präsident (heißt die Lippen). Teufel!
  • Wurm. Es ist nicht anders! Die Mutter--die Dummheit selbst--hat mir
  • in der Einfalt zu viel geplaudert.
  • Präsident (geht auf und nieder, preßt seinen Zorn zurück). Gut!
  • Diesen Morgen noch.
  • Wurm. Nur vergessen Ew. Excellenz nicht, daß der Major--der Sohn
  • meines Herrn ist!
  • Präsident. Er soll geschont werden, Wurm.
  • Wurm. Und daß der Dienst, Ihnen von einer unwillkommenen
  • Schwiegertochter zu helfen-Präsident. Den Gegendienst werth ist, Ihm
  • zu einer Frau zu helfen?--Auch das, Wurm!
  • Wurm (bückt sich vergnügt). Ewig der Ihrige, gnädiger Herr! (Er
  • will gehen.)
  • Präsident. Was ich Ihm vorhin vertraut habe, Wurm! (Drohend.) Wenn
  • Er plaudert-Wurm (lacht). So zeigen Ihr' Excellenz meine falschen
  • Handschriften auf. (er geht ab.)
  • Präsident. Zwar bist du mir gewiß! Ich halte dich an deiner eigenen
  • Schurkerei, wie den Schröter am Faden.
  • Ein Kammerdiener (tritt herein). Hofmarschall von Kalb-Präsident.
  • Kommt wie gerufen.--Er soll mir angenehm sein. (Kammerdiener geht.)
  • Sechste Scene.
  • Hofmarschall von Kalb in einem reichen, aber geschmacklosen Hofkleid,
  • mit Kammerherrnschlüsseln, zwei Uhren und einem Degen, Chapeaubas und
  • frisiert à la Hérisson. Er fliegt mit großem Gekreisch auf den
  • Präsidenten zu und breitet einen Bisamgeruch über das ganze Parterre.
  • Präsident.
  • Hofmarschall (ihn umarmend). Ah guten Morgen, mein Bester! Wie geruht?
  • wie geschlafen?--Sie verzeihen doch, daß ich so spät das Vergnügen
  • habe--dringende Geschäfte--der Küchenzettel--Visitenbillets--das
  • Arrangement der Partieen auf die heutige Schlittenfahrt--Ah--und dann
  • mußt' ich ja auch bei dem Lever zugegen sein und Seiner Durchleucht das
  • Wetter verkündigen.
  • Präsident. Ja, Marschall, da haben Sie freilich nicht abkommen
  • können.
  • Hofmarschall. Oben drein hat mich ein Schelm von Schneider noch
  • sitzen lassen.
  • Präsident. Und doch fix und fertig?
  • Hofmarschall. Das ist noch nicht Alles.--Ein Malheur jagt heut das
  • andere. Hören Sie nur!
  • Präsident (zerstreut). Ist das möglich?
  • Hofmarschall. Hören Sie nur! Ich steige kaum aus dem Wagen, so
  • werden die Hengste scheu, stampfen und schlagen aus, daß mir--ich
  • bitte Sie!--der Gassenkoth über und über an die Beinkleider spritzt.
  • Was anzufangen? Setzen Sie sich um Gotteswillen in meine Lage, Baron!
  • Da stand ich. Spät war es. Eine Tagreise ist es--und in dem
  • Aufzug vor Seine Durchleucht! Gott der Gerechte!--Was fällt mir bei?
  • Ich fingiere eine Ohnmacht. Man bringt mich über Hals und Kopf in
  • die Kutsche. Ich in voller Carrière nach Haus--wechsle die
  • Kleider--fahre zurück--Was sagen Sie?--und bin noch der erste in der
  • Antichambre--Was denken Sie?-Präsident. Ein herrliches Impromptu des
  • menschlichen Witzes--Doch das beiseite, Kalb--Sie sprachen also schon
  • mit dem Herzog?
  • Hofmarschall (wichtig). Zwanzig Minuten und eine halbe.
  • Präsident. Das gesteh' ich!--und wissen wir also ohne Zweifel eine
  • wichtige Neuigkeit?
  • Hofmarschall (ernsthaft, nach einigem Stillschweigen). Seine
  • Durchleucht haben heute einen Merde d'Oye Biber an.
  • Präsident. Man denke!--Nein, Marschall, so hab' ich doch eine
  • bessere Zeitung für Sie--Daß Lady Milford Majorin von Walter wird,
  • ist Ihnen gewiß etwas Neues?
  • Hofmarschall. Denken Sie!--Und das ist schon richtig gemacht?
  • Präsident. Unterschrieben, Marschall--und Sie verbinden mich, wenn
  • Sie ohne Aufschub dahin gehen, die Lady auf seinen Besuch präparieren
  • und den Entschluß meiner Ferdinands in der ganzen Residenz bekannt
  • machen.
  • Hofmarschall (entzückt). O mit tausend Freuden, mein Bester!--Was
  • kann mir erwünschter kommen?--Ich fliege sogleich--(Umarmt ihn.)
  • Leben Sie wohl--in drei Viertelstunden weiß es die ganze Stadt.
  • (Hüpft hinaus.)
  • Präsident (lacht dem Marschall nach). Man sage noch, daß diese
  • Geschöpfe in der Welt zu nichts taugen--Nun muß ja mein Ferdinand
  • wollen, oder die ganze Stadt hat gelogen. (Klingelt--Wurm kommt.)
  • Mein Sohn soll hereinkommen. (Wurm geht ab, der Präsident auf und
  • nieder, gedankenvoll.)
  • Siebente Scene.
  • Ferdinand. Präsident. Wurm, welcher gleich abgeht.
  • Ferdinand. Sie haben befohlen, gnädiger Herr Vater-Präsident.
  • Leider muß ich das, wenn ich meines Sohns einmal froh werden
  • will--Laß Er uns allein, Wurm!--Ferdinand, ich beobachte dich schon
  • eine Zeitlang und finde die offene rasche Jugend nicht mehr, die mich
  • sonst so entzückt hat. Ein seltsamer Gram brütet auf deinem Gesicht.
  • Du fliehst mich--du fliehst deine Zirkel--Pfui!--Deinen Jahren
  • verzeiht man zehn Ausschweifungen vor einer einzigen Grille.
  • Überlaß diese mir, lieber Sohn! Mich laß an deinem Glück arbeiten
  • und denke auf nichts, als in meine Entwürfe zu spielen.--Komm! umarme
  • mich, Ferdinand!
  • Ferdinand. Sie sind heute sehr gnädig, mein Vater.
  • Präsident. Heute, du Schalk--und dieses Heute noch mit der herben
  • Grimasse? (Ernsthaft.) Ferdinand!--Wem zu lieb hab' ich die
  • gefährliche Bahn zum Herzen des Fürsten betreten? Wem zu lieb bin
  • ich auf ewig mit meinem Gewissen und dem Himmel zerfallen?--Höre,
  • Ferdinand!--Ich spreche mit meinem Sohn--Wem hab' ich durch die
  • Hinwegräumung meines Vorgängers Platz gemacht--eine Geschichte, die
  • desto blutiger in mein Inwendiges schneidet, je sorgfältiger ich das
  • Messer der Welt verberge! Höre! sage mir, Ferdinand! Wem that ich
  • Dies alles?
  • Ferdinand (tritt mit Schrecken zurück). Doch mir nicht, mein Vater?
  • Doch auf mich soll der blutige Widerschein dieses Frevels nicht
  • fallen? Beim allmächtigen Gott! es ist besser, gar nicht geboren zu
  • sein, als dieser Missethat zur Ausrede dienen!
  • Präsident. Was war das? Was? Doch ich will es dem Romanenkopfe zu
  • gut halten!--Ferdinand!--ich will mich nicht erhitzen, vorlauter
  • Knabe--Lohnst du mir also für meine schlaflosen Nächte? Also für
  • meine rastlose Sorge? Also für den ewigen Scorpion meines
  • Gewissens?--Auf mich fällt die Last der Verantwortung--auf mich der
  • Fluch, der Donner des Richters--Du empfängst dein Glück von der
  • zweiten Hand--das Verbrechen klebt nicht am Erbe.
  • Ferdinand (streckt die rechte Hand gen Himmel). Feierlich entsag'
  • ich hier einem Erbe, das mich nur an einen abscheulichen Vater
  • erinnert.
  • Präsident. Höre, junger Mensch, bringe mich nicht auf!--Wenn es nach
  • deinem Kopf ginge, du kröchest dein Lebenlang im Staube.
  • Ferdinand. O, immer noch besser, Vater, als ich kröch' um den Thron
  • herum.
  • Präsident (verbeißt seinen Zorn). Hum!--Zwingen muß man dich,
  • dein Glück zu erkennen. Wo zehn Andre mit aller Anstrengung
  • nicht hinaufklimmen, wirst du spielend, im Schlafe gehoben. Du
  • bist im zwölften Jahre Fähndrich. Im zwanzigsten Major. Ich
  • hab' es durchgesetzt beim Fürsten. Du wirst die Uniform
  • ausziehen und in das Ministerium eintreten. Der Fürst sprach
  • vom Geheimenrath--Gesandtschaften--außerordentlichen Gnaden.
  • Eine herrliche Aussicht dehnt sich vor dir!--Die ebene Straße
  • zunächst nach dem Throne--zum Throne selbst, wenn anders die
  • Gewalt so viel werth ist, als ihr Zeichen--das begeistert dich
  • nicht?
  • Ferdinand. Weil meine Begriffe von Größe und Glück nicht ganz die
  • Ihrigen sind--Ihre Glückseligkeit macht sich nur selten anders, als
  • durch Verderben bekannt. Neid, Furcht, Verwünschung sind die
  • traurigen Spiegel, worin sich die Hoheit eines Herrschers belächelt.
  • --Thränen, Flüche, Verzweiflung die entsetzliche Mahlzeit, woran
  • diese gepriesenen Glücklichen schwelgen, von der sie betrunken
  • aufstehen und so in die Ewigkeit vor den Thron Gottes taumeln--Mein
  • Ideal von Glück zieht sich genügsamer in mich selbst zurück. In
  • meinem Herzen liegen alle meine Wünsche begraben.-Präsident.
  • Meisterhaft! Unverbesserlich! Herrlich! Nach dreißig Jahren die
  • erste Vorlesung wieder!--Schade nur, daß mein fünfzigjähriger Kopf zu
  • zäh für das Lernen ist!--Doch--dies seltne Talent nicht einrosten zu
  • lassen, will ich dir Jemand an die Seite geben, bei dem du dich in
  • dieser buntscheckigen Tollheit nach Wunsch exercieren kannst.--Du
  • wirst dich entschließen--noch heute entschließen--eine Frau zu nehmen.
  • Ferdinand (tritt bestürzt zurück). Mein Vater?
  • Präsident. Ohne Complimente.--Ich habe der Lady Milford in deinem
  • Namen eine Karte geschickt. Du wirst dich ohne Aufschub bequemen,
  • dahin zu gehen und ihr zu sagen, daß du ihr Bräutigam bist!
  • Ferdinand. Der Milford, mein Vater?
  • Präsident. Wenn sie dir bekannt ist-Ferdinand (außer Fassung).
  • Welcher Schandsäule im Herzogthum ist sie das nicht!--Aber ich bin
  • wohl lächerlich, lieber Vater, daß ich Ihre Laune für Ernst aufnehme?
  • Würden Sie Vater zu dem Schurken Sohn sein wollen, der eine
  • privilegierte Buhlerin heirathete?
  • Präsident. Noch mehr! Ich würde selbst um sie werben, wenn sie
  • einen Fünfziger möchte--Würdest du zu dem Schurken Vater nicht Sohn
  • sein wollen?
  • Ferdinand. Nein! So wahr Gott lebt!
  • Präsident. Eine Frechheit, bei meiner Ehre! die ich ihrer Seltenheit
  • wegen vergebe-Ferdinand. Ich bitte Sie, Vater! Lassen Sie mich
  • nicht länger in einer Vermuthung, wo es mir unerträglich wird, mich
  • Ihren Sohn zu nennen.
  • Präsident. Junge, bist du toll? Welcher Mensch von Vernunft würde
  • nicht nach der Distinction geizen, mit seinem Landesherrn an einem
  • dritten Orte zu wechseln?
  • Ferdinand. Sie werden mir zum Räthsel, mein Vater. Distinction
  • nennen Sie es--Distinction, da mit dem Fürsten zu theilen, wo er auch
  • unter den Menschen hinunterkriecht?
  • Präsident (schlägt ein Gelächter auf).
  • Ferdinand. Sie können lachen--und ich will über das hinweggehen,
  • Vater. Mit welchem Gesicht soll ich unter den schlechtesten
  • Handwerker treten, der mit seiner Frau wenigstens doch einen ganzen
  • Körper zum Mitgift bekommt? Mit welchem Gesicht vor die Welt? Vor
  • den Fürsten? Mit welchem vor die Buhlerin selbst, die den
  • Brandflecken ihrer Ehre in meiner Schande auswaschen würde?
  • Präsident. Wo in aller Welt bringst du das Maul her, Junge?
  • Ferdinand. Ich beschwöre Sie bei Himmel und Erde! Vater, Sie können
  • durch diese Hinwerfung Ihres einzigen Sohnes so glücklich nicht
  • werden, als Sie ihn unglücklich machen. Ich gebe Ihnen mein Leben,
  • wenn das Sie steigen machen kann. Mein Leben hab' ich von Ihnen, ich
  • werde keinen Augenblick anstehen, es ganz Ihrer Größe zu opfern.
  • --Meine Ehre, Vater--wenn Sie mir diese nehmen, so war es ein
  • leichtfertiges Schelmenstück, mir das Leben zu geben, und ich muß den
  • Vater wie den Kuppler verfluchen.
  • Präsident (freundlich, indem er ihn auf die Achsel klopft). Brav,
  • lieber Sohn. Jetzt seh' ich, daß du ein ganzer Kerl bist und der
  • besten Frau im Herzogthum würdig. Sie soll dir werden--noch diesen
  • Mittag wirst du dich mit der Gräfin von Ostheim verloben.
  • Ferdinand (aufs Neue betreten). Ist diese Stunde bestimmt, mich ganz
  • zu zerschmettern?
  • Präsident (einen lauernden Blick auf ihn werfend). Wo doch
  • hoffentlich deine Ehre nichts einwenden wird?
  • Ferdinand. Nein, mein Vater! Friederike von Ostheim könnte jeden
  • Andern zum Glücklichsten machen. (Vor sich in höchster Verwirrung.)
  • Was seine Bosheit an seinem Herzen noch ganz ließ, zerreißt seine
  • Güte.
  • Präsident (noch immer kein Auge von ihm wendend). Ich warte auf
  • deine Dankbarkeit, Ferdinand-Ferdinand (stürzt auf ihn zu und küßt
  • ihm feurig die Hand). Ihre Gnade entflammt meine ganze
  • Empfindung--Vater! meinen heißesten Dank für Ihre herzliche
  • Meinung--Ihre Wahl ist untadelhaft--aber--ich kann--ich
  • darf--bedauern Sie mich--ich kann die Gräfin nicht lieben!
  • Präsident (tritt einen Schritt zurück). Holla! Jetzt hab'
  • ich den jungen Herrn! Also in diese Falle ging er, der
  • listige Heuchler--Also es war nicht die Ehre, die dir die Lady
  • verbot?--Es war nicht die Person, sondern die Heirath, die du
  • verabscheutest?-Ferdinand (steht zuerst wie versteinert, dann
  • fährt er auf und will fortrennen).
  • Präsident. Wohin? Halt! Ist das der Respect, den du mir schuldig
  • bist? (Der Major kehrt zurück.) Du bist bei der Lady gemeldet. Der
  • Fürst hat mein Wort. Stadt und Hof wissen es richtig.--Wenn du mich
  • zum Lügner machst, Junge--vor dem Fürsten--der Lady--der Stadt--dem
  • Hof mich zum Lügner machst--Höre, Junge--oder wenn ich hinter gewisse
  • Historien komme?--Halt! Holla! Was bläst so auf einmal das Feuer in
  • deinen Wangen aus?
  • Ferdinand (schneeblaß und zitternd). Wie? Was? Es ist gewiß nichts,
  • mein Vater!
  • Präsident (einen fürchterlichen Blick auf ihn heftend). Und wenn es
  • was ist--und wenn ich die Spur finden sollte, woher diese
  • Widersetzlichkeit stammt--Ha, Junge! der bloße Verdacht schon bringt
  • mich zum Rasen! Geh den Augenblick! Die Wachtparade fängt an! Du
  • wirst bei der Lady sein, sobald die Parole gegeben ist--Wenn ich
  • auftrete, zittert ein Herzogthum. Laß doch sehen, ob mich ein
  • Starrkopf von Sohn meistert. (Er geht und kommt noch einmal wieder.)
  • Junge, ich sage dir, du wirst dort sein, oder fliehe meinen Zorn!
  • (Er geht ab.)
  • Ferdinand (erwacht aus einer dumpfen Betäubung). Ist er weg? War
  • das eines Vaters Stimme?--Ja! ich will zu ihr--will hin--will ihr
  • Dinge sagen, will ihr einen Spiegel vorhalten--Nichtswürdige! und
  • wenn du auch noch dann meine Hand verlangst--Im Angesicht des
  • versammelten Adels, des Militärs und des Volks--Umgürte dich mit dem
  • ganzen Stolz deines Englands--Ich verwerfe dich--ein deutscher
  • Jüngling! (Er eilt hinaus.)
  • Zweiter Akt.
  • Ein Saal im Palais der Lady Milford; zur rechten Hand steht ein Sopha,
  • zur linken ein Flügel.
  • Erste Scene.
  • Lady in einem freien, aber reizenden Negligé, die Haare noch
  • unfrisiert, sitzt vor dem Flügel und phantasiert; Sophie, die
  • Kammerjungfer, kommt von dem Fenster.
  • Sophie. Die Officiers gehen auseinander. Die Wachtparade ist
  • aus--aber ich sehe noch keinen Walter.
  • Lady (sehr unruhig, indem sie aufsteht und einen Gang durch den Saal
  • macht). Ich weiß nicht, wie ich mich heute finde, Sophie--Ich bin
  • noch nie so gewesen--Also du sahst ihn gar nicht?--Freilich wohl--Es
  • wird ihm nicht eilen--Wie ein Verbrechen liegt es auf meiner
  • Brust--Geh, Sophie--Man soll mir den wildesten Renner herausführen,
  • der im Marstall ist. Ich muß ins Freie--Menschen sehen und blauen
  • Himmel, und mich leichter reiten ums Herz herum.
  • Sophie. Wenn Sie sich unpäßlich fühlen, Milady--berufen Sie
  • Assemblee hier zusammen. Lassen Sie den Herzog hier Tafel halten,
  • oder die l'Hombretische vor Ihren Sopha setzen. Mir sollte der Fürst
  • und sein ganzer Hof zu Gebote stehen und eine Grille im Kopfe surren?
  • Lady (wirft sich in den Sopha). Ich bitte, verschone mich! Ich gebe
  • dir einen Demant für jede Stunde, wo ich sie mir vom Hals schaffen
  • kann! Soll ich meine Zimmer mit diesem Volk tapezieren?--Das sind
  • schlechte, erbärmliche Menschen, die sich entsetzen, wenn mir ein
  • warmes herzliches Wort entwischt, Mund und Nasen aufreißen, als sähen
  • sie eine Geist--Sklaven eines einzigen Marionettendrahts, den ich
  • leichter als mein Filet regiere!--Was fang' ich mit Leuten an, deren
  • Seelen so gleich als ihre Sackuhren gehen? Kann ich eine Freude dran
  • finden, sie was zu fragen, wenn ich voraus weiß, was sie mir
  • antworten werden? Oder Worte mit ihnen zu wechseln, wenn sie das
  • Herz nicht haben, andrer Meinung als ich zu sein?--Weg mit ihnen! Es
  • ist verdrießlich, ein Roß zu reiten, das nicht auch in den Zügel
  • beißt. (Sie tritt zum Fenster.)
  • Sophie. Aber den Fürsten werden Sie doch ausnehmen, Lady? Den
  • schönsten Mann--den feurigsten Liebhaber--den witzigsten Kopf in
  • seinem ganzen Lande!
  • Lady (kommt zurück). Denn es ist sein Land--und nur ein Fürstenthum,
  • Sophie, kann meinem Geschmack zur erträglichen Ausrede dienen--Du
  • sagst, man beneide mich. Armes Ding! Beklagen soll man mich
  • vielmehr! Unter Allen, die an den Brüsten der Majestät trinken,
  • kommt die Favoritin am schlechtesten weg, weil sie allein dem großen
  • und reichen Mann auf dem Bettelstabe begegnet--Wahr ist's, er kann
  • mit dem Talisman seiner Größe jeden Gelust meines Herzens, wie ein
  • Feenschloß, aus der Erde rufen.--Er setzt den Saft von zwei Indien
  • auf die Tafel--ruft Paradiese aus Wildnissen--läßt die Quellen seines
  • Landes in stolzen Bögen gen Himmel springen, oder das Mark seiner
  • Unterthanen in einem Feuerwerk hinpuffen--Aber kann er auch seinem
  • Herzen befehlen, gegen ein großes, feuriges Herz groß und feurig zu
  • schlagen? Kann er sein darbendes Gehirn auf ein einziges schönes
  • Gefühl exequieren?--Mein Herz hungert bei all dem Vollauf der Sinne;
  • und was helfen mich tausend beßre Empfindungen, wo ich nur Wallungen
  • löschen darf?
  • Sophie (blickt sie verwundernd an). Wie lang ist es denn aber, daß
  • ich Ihnen diene, Milady?
  • Lady. Weil du erst heute mit mir bekannt wirst?--Es ist wahr, liebe
  • Sophie--ich habe dem Fürsten meine Ehre verkauft; aber mein Herz habe
  • ich frei behalten--ein Herz, meine Gute, das vielleicht eines Mannes
  • noch werth ist--über welches der giftige Wind des Hofes nur wie der
  • Hauch über den Spiegel ging--Trau' es mir zu, meine Liebe, daß ich es
  • längst gegen diesen armseligen Fürsten behauptet hätte, wenn ich es
  • nur von meinem Ehrgeiz erhalten könnte, einer Dame am Hof den Rang
  • vor mir einzuräumen.
  • Sophie. Und dieses Herz unterwarf sich dem Ehrgeiz so gern?
  • Lady (lebhaft). Als wenn es sich nicht schon gerächt hätte?--Nicht
  • jetzt noch rächte?--Sophie! (Bedeutend, indem sie die Hand auf
  • Sophiens Achsel fallen läßt.) Wir Frauenzimmer können nur zwischen
  • Herrschen und Dienen wählen, aber die höchste Wonne der Gewalt ist
  • doch nur ein elender Behelf, wenn uns die größere Wonne versagt wird,
  • Sklavinnen eines Mannes zu sein, den wir lieben.
  • Sophie. Eine Wahrheit, Milady, die ich von Ihnen zuletzt hören
  • wollte!
  • Lady. Und warum, meine Sophie? Sieht man es denn dieser kindischen
  • Führung des Scepters nicht an, daß wir nur für das Gängelband taugen?
  • Sahst du es denn diesem launischen Flattersinn nicht an--diesen
  • wilden Ergötzungen nicht an, daß sie nur wildere Wünsche in meiner
  • Brust überlärmen sollten?
  • Sophie (tritt erstaunt zurück). Lady!
  • Lady (lebhafter). Befriedige diese! Gib mir den Mann, den ich jetzt
  • denke--den ich anbete--sterben, Sophie, oder besitzen muß.
  • (Schmelzend.) Laß mich aus seinem Mund es vernehmen, daß Thränen der
  • Liebe schöner glänzen in unsern Augen, als die Brillanten in unserm
  • Haar, (feurig) und ich werfe dem Fürsten sein Herz und sein
  • Fürstenthum vor die Füße, fliehe mit diesem Mann, fliehe in die
  • entlegenste Wüste der Welt-Sophie (blickt sie erschrocken an).
  • Himmel! Was machen Sie? Wie wird Ihnen, Lady?
  • Lady (bestürzt). Du entfärbst dich?--Hab' ich vielleicht etwas zu
  • viel gesagt? O so laß mich deine Zunge mit meinem Zutrauen
  • binden--höre noch mehr--höre Alles-Sophie (schaut sich ängstlich um).
  • Ich fürchte, Milady--ich fürchte--ich brauch' es nicht mehr zu hören.
  • Lady. Die Verbindung mit dem Major--Du und die Welt stehen im Wahn,
  • sie sei eine Hof-Kabale--Sophie--erröthe nicht--schäme dich meiner
  • nicht--sie ist das Werk--meiner Liebe!
  • Sophie. Bei Gott! Was mir ahnete!
  • Lady. Sie ließen sich beschwatzen, Sophie--der schwache Fürst--der
  • hofschlaue Walter--der alberne Marschall--Jeder von ihnen wird darauf
  • schwören, daß diese Heirath das unfehlbarste Mittel sei, mich dem
  • Herzog zu retten, unser Band um so fester zu knüpfen!--Ja! es auf
  • ewig zu trennen! auf ewig diese schändlichen Ketten zu brechen!
  • --Belogene Lügner! Von einem schwachen Weib überlistet! Ihr selbst
  • führt mir jetzt meinen Geliebten zu! Das war es ja nur, was ich
  • wollte--Hab' ich ihn einmal--hab' ich ihn--o dann auf immer gute
  • Nacht, abscheuliche Herrlichkeit-
  • Zweite Scene.
  • Ein alter Kammerdiener des Fürsten, der ein Schmuckkästchen trägt.
  • Die Vorigen.
  • Kammerdiener. Seine Durchlaucht der Herzog empfehlen sich Milady zu
  • Gnaden und schicken Ihnen diese Brillanten zur Hochzeit. Sie kommen
  • so eben erst aus Venedig.
  • Lady (hat das Kästchen geöffnet und fährt erschrocken zurück).
  • Mensch! was bezahlt dein Herzog für diese Steine?
  • Kammerdiener (mit finsterm Gesicht). Sie kosten ihn keinen Heller!
  • Lady. Was? Bist du rasend? Nichts?--und (indem sie einen Schritt
  • von ihm wegtritt) du wirfst mir ja einen Blick zu, als wenn du mich
  • durchbohren wolltest--Nichts kosten ihn diese unermeßlich kostbaren
  • Steine?
  • Kammerdiener. Gestern sind siebentausend Landskinder nach Amerika
  • fort--die bezahlen Alles.
  • Lady (setzt den Schmuck plötzlich nieder und geht rasch durch den
  • Saal, nach einer Pause zum Kammerdiener). Mann! Was ist dir? Ich
  • glaube, du weinst?
  • Kammerdiener (wischt sich die Augen, mit schrecklicher Stimme, alle
  • Glieder zitternd). Edelsteine, wie diese da--ich hab' auch ein paar
  • Söhne drunter.
  • Lady (wendet sich bebend weg, seine Hand fassend). Doch keinen
  • gezwungenen?
  • Kammerdiener (lacht fürchterlich). O Gott!--Nein--lauter Freiwillige!
  • Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch' vor die Front heraus und
  • fragten den Obersten, wie theuer der Fürst das Joch Menschen verkaufe.
  • --Aber unser gnädigster Landesherr ließ alle Regimenter auf dem
  • Paradeplatz aufmarschieren und die Maulaffen niederschießen. Wir
  • hörten die Büchsen knallen, sahen ihr Gehirn auf das Pflaster
  • spritzen, und die ganze Armee schrie: Juchhe! nach Amerika!-Lady
  • (fällt mit Entsetzen in den Sopha). Gott! Gott!--Und ich hörte
  • nichts? Und ich merkte nichts?
  • Kammerdiener. Ja, gnädige Frau--Warum mußtet ihr denn mit unserm
  • Herrn gerad' auf die Bärenhatz reiten, als man den Lärmen zum
  • Aufbruch schlug?--Die Herrlichkeit hättet ihr doch nicht versäumen
  • sollen, wie uns die gellenden Trommeln verkündigten, es ist Zeit, und
  • heulende Waisen dort einen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine
  • wüthende Mutter lief, ihr saugendes Kind an Bajonetten zu spießen,
  • und wie man Bräutigam und Braut mit Säbelhieben auseinander riß, und
  • wir Graubärte verzweiflungsvoll da standen und den Burschen auch
  • zuletzt die Krücken noch nachwarfen in die neue Welt--Oh, und
  • mitunter das polternde Wirbelschlagen, damit der Allwissende uns
  • nicht sollte beten hören-Lady (steht auf, heftig bewegt). Weg mit
  • diesen Steinen--sie blitzen Höllenflammen in mein Herz. (Sanfter zum
  • Kammerdiener.) Mäßige dich, armer alter Mann. Sie werden wieder
  • kommen. Sie werden ihr Vaterland wieder sehen.
  • Kammerdiener (warm und voll). Das weiß der Himmel! Das werden sie!
  • --Noch am Stadtthor drehten sie sich um und schrieen: "Gott mit euch,
  • Weib und Kinder!--Es leb' unser Landesvater--Am jüngsten Gericht sind
  • wir wieder da!"-Lady (mit starkem Schritt auf und nieder gehend).
  • Abscheulich! Fürchterlich!--Mich beredet man, ich habe sie alle
  • getrocknet, die Thränen des Landes--Schrecklich, schrecklich gehen
  • mir die Augen auf--Geb du--Sag deinem Herrn--Ich werd' ihm persönlich
  • danken! (Kammerdiener will gehen, sie wirft ihm ihre Geldbörse in
  • den Hut.) Und das nimm, weil du mir Wahrheit sagtest-Kammerdiener
  • (wirft sie verächtlich auf den Tisch zurück). Legt's zu dem Übrigen.
  • (Er geht ab.)
  • Lady (sieht ihm erstaunt nach). Sophie, spring ihm nach, frag' ihn
  • um seinen Namen! Er soll seine Söhne wieder haben. (Sophie ab.
  • Lady nachdenkend auf und nieder. Pause. Zu Sophien, die wieder
  • kommt.) Ging nicht jüngst ein Gerücht, daß das Feuer eine Stadt an
  • der Grenze verwüstet und bei vierhundert Familien an den Bettelstab
  • gebracht habe? (Sie klingelt.)
  • Sophie. Wie kommen Sie auf das? Allerdings ist es so, und die
  • mehresten dieser Unglücklichen dienen jetzt ihren Gläubigern als
  • Sklaven, oder verderben in den Schachten der fürstlichen
  • Silberbergwerke.
  • Bedienter (kommt). Was befehlen Milady?
  • Lady (gibt ihm den Schmuck). Daß das ohne Verzug in die Landschaft
  • gebracht werde!--Man soll es sogleich zu Geld machen, befehl' ich,
  • und den Gewinst davon unter die Vierhundert verteilen, die der Brand
  • ruiniert hat.
  • Sophie. Milady, bedenken Sie, daß Sie die höchste Ungnade wagen!
  • Lady (mit Größe). Soll ich den Fluch seines Landes in meinen Haaren
  • tragen? (Sie winkt dem Bedienten; dieser geht.) Oder willst du, daß
  • ich unter dem schrecklichen Geschirr solcher Thränen zu Boden
  • sinke?--Geh, Sophie--Es ist besser, falsche Juwelen im Haar und das
  • Bewußtsein dieser That im Herzen zu haben!
  • Sophie. Aber Juwelen wie diese! Hätten Sie nicht Ihre schlechtern
  • nehmen können? Nein, wahrlich, Milady! es ist Ihnen nicht zu
  • vergeben.
  • Lady. Närrisches Mädchen! Dafür werden in einem Augenblick mehr
  • Brillanten und Perlen für mich fallen, als zehn Könige in ihren
  • Diademen getragen, und schönere-Bedienter (kommt zurück). Major von
  • Walter-Sophie (springt auf die Lady zu). Gott! Sie verblassen-Lady.
  • Der erste Mann, der mir Schrecken macht--Sophie--Jetzt sei unpäßlich,
  • Eduard--Halt--Ist er aufgeräumt? Lacht er? Was spricht er? O,
  • Sophie! Nicht wahr, ich sehe häßlich aus?
  • Sophie. Ich bitte Sie, Lady-Bedienter. Befehlen Sie, daß ich ihn
  • abweise?
  • Lady (stotternd). Er soll mir willkommen sein. (Bedienter hinaus.)
  • Sprich, Sophie--Was sag' ich ihm? Wie empfang' ich ihn?--Ich werde
  • stumm sein.--Er wird meiner Schwäche spotten--Er wird--o was ahnet
  • mir--Du verlässest mich, Sophie?--Bleib!--Doch nein! Gehe!--So bleib
  • doch! (Der Major kommt durch das Vorzimmer.)
  • Sophie. Sammeln Sie sich! Er ist schon da!
  • Dritte Scene.
  • Ferdinand von Walter. Die Vorigen.
  • Ferdinand (mit einer kurzen Verbeugung). Wenn ich Sie worin
  • unterbreche, gnädige Frau-Lady (unter merkbarem Herzklopfen). In
  • nichts, Herr Major, das mir wichtiger wäre.
  • Ferdinand. Ich komme auf Befehl meines Vaters-Lady. Ich bin seine
  • Schuldnerin.
  • Ferdinand. Und soll Ihnen melden, daß wir uns heirathen--So weit der
  • Auftrag meines Vaters.
  • Lady (entfärbt sich und zittert). Nicht Ihres eigenen Herzens?
  • Ferdinand. Minister und Kuppler pflegen das niemals zu fragen.
  • Lady (mit einer Beängstigung, daß ihr die Worte versagen). Und Sie
  • selbst hätten sonst nichts beizusetzen?
  • Ferdinand (mit einem Blick auf die Mamsell). Noch sehr viel, Milady!
  • Lady (gibt Sophien einen Wink, diese entfernt sich). Darf ich Ihnen
  • diesen Sopha anbieten?
  • Ferdinand. Ich werde kurz sein, Milady!
  • Lady. Nun?
  • Ferdinand. Ich bin ein Mann von Ehre.
  • Lady. Den ich zu schätzen weiß.
  • Ferdinand. Cavalier.
  • Lady. Kein beßrer im Herzogthum.
  • Ferdinand. Und Officier.
  • Lady (schmeichelhaft). Sie berühren hier Vorzüge, die auch Andere
  • mit Ihnen gemein haben. Warum verschweigen Sie größere, worin Sie
  • einzig sind?
  • Ferdinand (frostig). Hier brauch' ich sie nicht.
  • Lady (mit immer steigender Angst). Aber für was muß ich diesen
  • Vorbericht nehmen?
  • Ferdinand (langsam und mit Nachdruck). Für den Einwurf der Ehre,
  • wenn Sie Lust haben sollten, meine Hand zu erzwingen.
  • Lady (auffahrend). Was ist das, Herr Major?
  • Ferdinand (gelassen). Die Sprache meines Herzens--meines
  • Wappens--und dieses Degens.
  • Lady. Diesen Degen gab Ihnen der Fürst.
  • Ferdinand. Der Staat gab mir ihn durch die Hand des Fürsten--mein
  • Herz Gott--mein Wappen ein halbes Jahrtausend.
  • Lady. Der Name des Herzogs-Ferdinand (hitzig). Kann der Herzog
  • Gesetze der Menschheit verdrehen, oder Handlungen münzen wie seine
  • Dreier?--Er selbst ist nicht über die Ehre erhaben, aber er kann
  • ihren Mund mit seinem Golde verstopfen. Er kann den Hermelin über
  • seine Schande herwerfen. Ich bitte mir aus, davon nichts mehr,
  • Milady.--Es ist nicht mehr die Rede von weggeworfenen Aussichten und
  • Ahnen--oder von dieser Degenquaste--oder von der Meinung der Welt.
  • Ich bin bereit, Dies alles mit Füßen zu treten, sobald Sie mich nur
  • überzeugt haben werden, daß der Preis nicht schlimmer noch als das
  • Opfer ist.
  • Lady (schmerzhaft von ihm weggehend). Herr Major! das hab' ich nicht
  • verdient.
  • Ferdinand (ergreift ihre Hand). Vergeben Sie. Wir reden hier
  • ohne Zeugen. Der Umstand, der Sie und mich--heute und nie
  • mehr--zusammenführt, berechtigt mich, zwingt mich, Ihnen mein
  • geheimstes Gefühl nicht zurück zu halten.--Es will mir nicht
  • zu Kopfe, Milady, daß eine Dame von so viel Schönheit und
  • Geist--Eigenschaften, die ein Mann schätzen würde--sich an einen
  • Fürsten sollte wegwerfen können, der nur das Geschlecht an ihr
  • zu bewundern gelernt hat, wenn sich diese Dame nicht schämte,
  • vor einen Mann mit ihrem Herzen zu treten.
  • Lady (schaut ihm groß ins Gesicht). Reden Sie ganz aus!
  • Ferdinand. Sie nennen sich eine Brittin. Erlauben Sie mir--ich kann
  • es nicht glauben, daß Sie eine Brittin sind. Die freigeborne Tochter
  • des freiesten Volks unter dem Himmel--das auch zu stolz ist, fremder
  • Tugend zu räuchern--kann sich nimmermehr an fremdes Laster verdingen.
  • Es ist nicht möglich, daß Sie eine Brittin sind,--oder das Herz
  • dieser Brittin muß um so viel kleiner sein, als größer und kühner
  • Britanniens Adern schlagen.
  • Lady. Sind Sie zu Ende?
  • Ferdinand. Man könnte antworten, es ist weibliche
  • Eitelkeit--Leidenschaft--Temperament--Hang zum Vergnügen. Schon
  • öfters überlebte Tugend die Ehre. Schon Manche, die mit Schande in
  • diese Schranke trat, hat nachher die Welt durch edle Handlungen mit
  • sich ausgesöhnt und das häßliche Handwerk durch einen schönen
  • Gebrauch geadelt--Aber woher denn jetzt diese ungeheure Pressung des
  • Landes, die vorher nie so gewesen?--Das war im Namen des Herzogthums.
  • --Ich bin zu Ende.
  • Lady (mit Sanftmuth und Hoheit). Es ist das Erstemal, Walter, daß
  • solche Reden an mich gewagt werden, und Sie sind der einzige Mensch,
  • dem ich darauf antworte--Daß Sie meine Hand verwerfen, darum schätz'
  • ich Sie. Daß Sie meine Hand lästern, vergebe ich Ihnen. Daß es Ihr
  • Ernst ist, glaube ich Ihnen nicht. Wer sich herausnimmt,
  • Beleidigungen dieser Art einer Dame zu sagen, die nicht mehr als eine
  • Nacht braucht, ihn ganz zu verderben, muß dieser Dame eine große
  • Seele zutrauen, oder--von Sinnen sein--Daß Sie den Ruin des Landes
  • auf meine Brust wälzen, vergebe Ihnen Gott der Allmächtige, der Sie
  • und mich und den Fürsten einst gegen einander stellt.--Aber Sie haben
  • die Engländerin in mir aufgefordert, und auf Vorwürfe dieser Art muß
  • mein Vaterland Antwort haben.
  • Ferdinand (auf seinen Degen gestützt). Ich bin begierig.
  • Lady. Hören Sie also, was ich, außer Ihnen, noch Niemand vertraute,
  • noch jemals einem Menschen vertrauen will.--Ich bin nicht die
  • Abenteurerin, Walter, für die Sie mich halten. Ich könnte groß thun
  • und sagen: ich bin fürstlichen Geblüths--aus des unglücklichen Thomas
  • Norfolks Geschlechte, der für die schottische Maria ein Opfer ward.
  • --Mein Vater, des Königs oberster Kämmerer, wurde bezichtigt, in
  • verrätherischem Vernehmen mit Frankreich zu stehen, durch einen
  • Spruch der Parlamente verdammt und enthauptet.--Alle unsre Güter
  • fielen der Krone zu. Wir selbst wurden des Landes verwiesen. Meine
  • Mutter starb am Tage der Hinrichtung. Ich--ein vierzehnjähriges
  • Mädchen--flohe nach Deutschland mit meiner Wärterin--einem Kästchen
  • Juwelen--und diesem Familienkreuz, das meine sterbende Mutter mit
  • ihrem letzten Segen mir an den Busen steckte.
  • Ferdinand (wird nachdenkend und heftet wärmere Blicke auf die Lady).
  • Lady (fährt fort mit immer zunehmender Rührung). Krank--ohne
  • Namen--ohne Schutz und Vermögen--eine ausländische Waise, kam ich
  • nach Hamburg. Ich hatte nichts gelernt, als das Bischen
  • Französisch--ein wenig Filet und den Flügel--desto besser verstund
  • ich, auf Gold und Silber zu speisen, unter damastenen Decken zu
  • schlafen, mit einem Wink zehn Bediente fliegen zu machen und die
  • Schmeicheleien der Großen Ihres Geschlechts aufzunehmen.--Sechs Jahre
  • waren schon hingeweint.--Und die letzte Schmucknadel flog
  • dahin--Meine Wärterin starb--und jetzt führte mein Schicksal Ihren
  • Herzog nach Hamburg. Ich spazierte damals an den Ufern der Elbe, sah
  • in den Strom und fing eben an zu phantasieren, ob dieses Wasser oder
  • mein Leiden das Tiefste wäre?--Der Herzog sah mich, verfolgte mich,
  • fand meinen Aufenthalt,--lag zu meinen Füßen und schwur, daß er mich
  • liebe. (Sie hält in großen Bewegungen inne, dann fährt sie fort mit
  • weinender Stimme.) Alle Bilder meiner glücklichen Kindheit wachten
  • jetzt wieder mit verführendem Schimmer auf--Schwarz wie das Grab
  • graute mich eine trostlose Zukunft an--Mein Herz brannte nach einem
  • Herzen--Ich sank an das seinige. (Von ihm wegstürzend.). Jetzt
  • verdammen Sie mich!
  • Ferdinand (sehr bewegt, eilt ihr nach und hält sie zurück). Lady! o
  • Himmel! Was hör' ich? Was that ich?--Schrecklich enthüllt sich mein
  • Frevel mir. Sie können mir nicht mehr vergeben.
  • Lady (kommt zurück und hat sich zu sammeln gesucht). Hören Sie
  • weiter. Der Fürst überraschte zwar meine wehrlose Jugend--aber das
  • Blut der Norfolk empörte sich in mir: Du, eine geborene Fürstin,
  • Emilie, rief es, und jetzt eines Fürsten Concubine?--Stolz und
  • Schicksal kämpften in meiner Brust, als der Fürst mich hieher brachte
  • und auf einmal die schauderndste Scene vor meinen Augen stand!--Die
  • Wollust der Großen dieser Welt ist die nimmersatte Hyäne, die sich
  • mit Heißhunger Opfer sucht.--Fürchterlich hatte sie schon in diesem
  • Lande gewüthet--hatte Braut und Bräutigam zertrennt--hatte selbst der
  • Ehen göttliches Band zerrissen--hier das stille Glück einer Familie
  • geschleift--dort ein junges unerfahrenes Herz der verheerenden Pest
  • aufgeschlossen, und sterbende Schülerinnen schäumten den Namen ihres
  • Lehrers unter Flüchen und Zuckungen aus--Ich stellte mich zwischen
  • das Lamm und den Tiger, nahm einen fürstlichen Eid von ihm in einer
  • Stunde der Leidenschaft, und diese abscheuliche Opferung mußte
  • aufhören.
  • Ferdinand (rennt in der heftigsten Unruhe durch den Saal). Nichts
  • mehr, Milady! Nicht weiter!
  • Lady. Diese traurige Periode hatte einer noch traurigern Platz
  • gemacht. Hof und Serail wimmelten jetzt von Italiens Auswurf.
  • Flatterhafte Pariserinnen tändelten mit dem furchtbaren Scepter, und
  • das Volk blutete unter ihren Launen--Sie alle erlebten ihren Tag.
  • Ich sah sie neben mir in den Staub sinken, denn ich war mehr Kokette,
  • als sie alle. Ich nahm dem Tyrannen den Zügel ab, der wollüstig in
  • meiner Umarmung erschlappte--dein Vaterland, Walter, fühlte zum
  • erstenmal eine Menschenhand und sank vertrauend an meinen Busen.
  • (Pause, worin sie ihn schmelzend ansieht.) O daß der Mann, von dem
  • ich allein nicht verkannt sein möchte, mich jetzt zwingen muß, groß
  • zu prahlen und meine stille Tugend am Licht der Bewunderung zu
  • versengen!--Walter, ich habe Kerker gesprengt--habe Todesurtheile
  • zerrissen und manche entsetzliche Ewigkeit auf Galeeren verkürzt. In
  • unheilbare Wunden hab' ich doch wenigstens stillenden Balsam
  • gegossen--mächtige Frevler in Staub gelegt und die verlorene Sache
  • der Unschuld oft noch mit einer buhlerischen Thräne gerettet--Ha,
  • Jüngling, wie süß war mir das! Wie stolz konnte mein Herz jede
  • Anklage meiner fürstlichen Geburt widerlegen!--Und jetzt kommt der
  • Mann, der allein mir Das alles belohnen sollte--der Mann, den mein
  • erschöpftes Schicksal vielleicht zum Ersatz meiner vorigen Leiden
  • schuf--der Mann, den ich mit brennender Sehnsucht im Traum schon
  • umfasse-Ferdinand (fällt ihr ins Wort, durch und durch erschüttert).
  • Zu viel! zu viel! Das ist wieder die Abrede, Lady. Sie sollten sich
  • von Anklagen reinigen und machen mich zu einem Verbrecher. Schonen
  • Sie--ich beschwöre Sie--schonen Sie meines Herzens, das Beschämung
  • und wüthende Reue zerreißen-Lady (hält seine Hand fest). Jetzt oder
  • nimmermehr! Lange genug hielt die Heldin Stand--das Gewicht dieser
  • Thränen mußt du noch fühlen. (Im zärtlichsten Ton.) Höre,
  • Walter--wenn eine Unglückliche--unwiderstehlich, allmächtig an dich
  • gezogen--sich an dich preßt mit einem Busen voll glühender,
  • unerschöpflicher Liebe--Walter!--und du jetzt noch das kalte Wort
  • Ehre sprichst--wenn diese Unglückliche--niedergedrückt vom Gefühl
  • ihrer Schande--des Lasters überdrüssig--heldenmäßig emporgehoben vom
  • Rufe der Tugend--sich so--in deine Arme wirft (sie umfaßt ihn,
  • beschwörend und feierlich)--durch dich gerettet--durch dich dem
  • Himmel wieder geschenkt sein will, oder (das Gesicht von ihm
  • abgewandt, mit hohler bebender Stimme) deinem Bild zu entfliehen, dem
  • fürchterlichen Ruf der Verzweiflung gehorsam, in noch abscheulichere
  • Tiefen des Lasters wieder hinuntertaumelt-Ferdinand (von ihr
  • losreißend, in der schrecklichsten Bedrängniß). Nein, beim großen
  • Gott! ich kann das nicht aushalten--Lady, ich muß--Himmel und Erde
  • liegen auf mir--ich muß Ihnen ein Geständniß thun, Lady!
  • Lady (von ihm wegfliehend). Jetzt nicht! Jetzt nicht, bei Allem,
  • was heilig ist--in diesem entsetzlichen Augenblick nicht, wo mein
  • zerrissenes Herz an tausend Dolchstichen blutet--Sei's Tod oder
  • Leben--ich darf es nicht--ich will es nicht hören!
  • Ferdinand. Doch, doch, beste Lady! Sie müssen es. Was ich Ihnen
  • jetzt sagen werde, wird meine Strafbarkeit mindern und eine warme
  • Abbitte des Vergangenen sein--Ich habe mich in Ihnen betrogen, Milady.
  • Ich erwartete--ich wünschte, Sie meiner Verachtung würdig zu finden.
  • Fest entschlossen, Sie zu beleidigen und Ihren Haß zu verdienen,
  • kam ich her--Glücklich wir Beide, wenn mein Vorsatz gelungen wäre!
  • (Er schweigt eine Weile, darauf leise und schüchterner.) Ich liebe,
  • Milady--liebe ein bürgerliches Mädchen--Luise Millerin, eines Musikus
  • Tochter. (Lady wendet sich bleich von ihm weg, er fährt lebhafter
  • fort.) Ich weiß, worein ich mich stürze; aber wenn auch Klugheit die
  • Leidenschaft schweigen heißt, so redet die Pflicht desto lauter--Ich
  • bin der Schuldige. Ich zuerst zerriß ihrer Unschuld goldenen
  • Frieden--wiegte ihr Herz mit vermessenen Hoffnungen und gab es
  • verrätherisch der wilden Leidenschaft Preis--Sie werden mich an
  • Stand--an Geburt--an die Grundsätze meines Vaters erinnern--aber ich
  • liebe.--Meine Hoffnung steigt um so höher, je tiefer die Natur mit
  • Convenienzen zerfallen ist.--Mein Entschluß und das Vorurtheil!--Wir
  • wollen sehen, ob die Mode oder die Menschheit auf dem Platz bleiben
  • wird. (Lady hat sich unterdeß bis an das äußerste Ende des Zimmers
  • zurückgezogen und hält das Gesicht mit beiden Händen bedeckt. Er
  • folgt ihr dahin.) Sie wollten mir etwas sagen, Milady?
  • Lady (im Ausdruck des heftigsten Leidens). Nichts, Herr von Walter!
  • Nichts, als daß Sie sich und mich und noch eine Dritte zu Grund
  • richten.
  • Ferdinand. Noch eine Dritte?
  • Lady. Wir können mit einander nicht glücklich w. Wir müssen doch
  • der Voreiligkeit Ihres Vaters zum Opfer werden. Nimmermehr werd' ich
  • das Herz eines Mannes haben, der mir seine Hand nur gezwungen gab.
  • Ferdinand. Gezwungen? Lady? gezwungen gab? und also doch gab?
  • Können Sie eine Hand ohne Herz erzwingen? Sie einem Mädchen den Mann
  • entwenden, der die ganze Welt dieses Mädchens ist? Sie einen Mann
  • von dem Mädchen reißen, das die ganze Welt dieses Mannes ist? Sie,
  • Milady--vor einem Augenblick die bewundernswürdige Britten?--Sie
  • können das?
  • Lady. Weil ich es muß. (Mit Ernst und Stärke.) Meine Leidenschaft,
  • Walter, weicht meiner Zärtlichkeit für Sie. Meine Ehre kann's nicht
  • mehr--Unsre Verbindung ist das Gespräch des ganzen Landes. Alle
  • Augen, alle Pfeile des Spotts sind auf mich gespannt. Die
  • Beschimpfung ist unauslöschlich, wenn ein Unterthan des Fürsten mich
  • ausschlägt. Rechten Sie mit Ihrem Vater. Wehren Sie sich, so gut
  • Sie können.--Ich lass' alle Minen springen. (Sie geht schnell ab.
  • Der Major bleibt in sprachloser Erstarrung stehen. Pause. Dann
  • stürzt er fort durch die Flügelthüre.)
  • Vierte Scene.
  • Zimmer beim Musikanten.
  • Miller. Frau Millerin. Luise treten auf.
  • Miller (hastig ins Zimmer). Ich hab's ja zuvor gesagt!
  • Luise (sprengt ihn ängstlich an). Was, Vater? was?
  • Miller (rennt wie toll auf und nieder). Meinen Staatsrock
  • her--hurtig--ich muß ihm zuvorkommen--und ein weißes Manschettenhemd!
  • --Das hab' ich mir gleich eingebildet!
  • Luise. Um Gotteswillen! Was?
  • Millerin. Was gibt's denn? was ist's denn?
  • Miller (wirft seine Perrücke ins Zimmer). Nur gleich zum Friseur das!
  • --Was es gibt? (Vor den Spiegel gesprungen.) Und mein Bart ist auch
  • wieder fingerslang--Was es gibt?--Was wird's geben, du Rabenaas?--Der
  • Teufel ist los, und dich soll das Wetter schlagen!
  • Frau. Da sehe man! Über mich muß gleich alles kommen.
  • Miller. Über dich? Ja, blaues Donnermaul! und über wen anders?
  • Heute früh mit deinem diabolischen Junker--Hab ich's nicht im Moment
  • gesagt?--Der Wurm hat geplaudert.
  • Frau. Ah was! Wie kannst du das wissen?
  • Miller. Wie kann ich das wissen?--Da!--unter der Hausthüre spukt ein
  • Kerl des Ministers und fragt nach dem Geiger.
  • Luise. Ich bin des Todes!
  • Miller. Du aber auch mit deinen Vergißmeinnicht-Augen! (Lacht
  • voller Bosheit.) Das hat seine Richtigkeit, wem der Teufel ein Ei in
  • die Wirthschaft gelegt hat, dem wird eine hübsche Tochter
  • geboren--Jetzt hab' ich's blank.
  • Frau. Woher weißt du denn, daß es der Luise gilt?--Du kannst dem
  • Herzog recommendiert worden sein. Er kann dich ins Orchester
  • verlangen.
  • Miller (springt nach seinem Rohr). Daß dich der Schwefelregen von
  • Sodom!--Orchester!--Ja, wo du Kupplerin den Discant wirst heulen und
  • mein blauer Hinterer den Conterbaß vorstellen! (Wirft sich in seinen
  • Stuhl.) Gott im Himmel!
  • Luise (setzt sich todtenbleich nieder). Mutter! Vater! Warum wird
  • mir auf einmal so bange?
  • Miller (springt wieder vom Stuhl auf). Aber soll mir der
  • Dintenkleckser einmal in den Schuß laufen?--Soll er mir laufen? Es
  • sei in dieser oder in jener Welt--Wenn ich ihm nicht Leib und Seele
  • breiweich zusammendresche, alle zehen Gebote und alle sieben Bitten
  • im Vaterunser, und alle Bücher Mosis und der Propheten aufs Leder
  • schreibe, daß man die blauen Flecken bei der Auferstehung der Todten
  • noch sehen soll-Frau. Ja! fluch du und poltre du! Das wird jetzt
  • den Teufel bannen! Hilf, heiliger Herregott! Wo hinaus nun? Wie
  • werden wir Rath schaffen? Was nun anfangen? Vater Miller, so rede
  • doch! (Sie läuft heulend durchs Zimmer.)
  • Miller. Auf der Stell zum Minister will ich. Ich zuerst will mein
  • Maul aufthun--ich selbst will es angeben. Du hast es vor mir gewußt.
  • Du hättest mir einen Wink geben können. Das Mädel hätt' sich noch
  • weisen lassen. Es wäre noch Zeit gewesen--aber nein!--Da hat sich
  • was makeln lassen; da hat sich was fischen lassen! Da hast du noch
  • Holz obendrein zugetragen!--Jetzt sorg' auch für deinen Kuppelpelz.
  • Friß aus, was du einbrocktest! Ich nehme meine Tochter in Arm, und
  • marsch mit ihr über die Grenze!
  • Fünfte Scene.
  • Ferdinand von Walter stürzt erschrocken und außer Athem ins Zimmer.
  • Die Vorigen.
  • Ferdinand. War mein Vater da?
  • Luise (fährt mit Schrecken auf). Sein Vater! Allmächtiger Gott!
  • Frau (zugleich; schlägt die Hände zusammen). Der Präsident! Es ist
  • aus mit uns!
  • Miller (zugleich; lacht voller Bosheit). Gottlob! Gottlob! da haben
  • wir ja die Bescherung!
  • Ferdinand (eilt auf Luisen zu und drückt sie stark in die Arme).
  • Mein bist du, und wärfen Höll' und Himmel sich zwischen uns!
  • Luise. Mein Tod ist gewiß--Rede weiter--Du sprachst einen
  • schrecklichen Namen aus--Dein Vater?
  • Ferdinand. Nichts. Nichts. Es ist überstanden. Ich hab' dich ja
  • wieder. Du hast mich ja wieder. O, laß mich Athem schöpfen an
  • dieser Brust! Es war eine schreckliche Stunde.
  • Luise. Welche? Du tödtest mich?
  • Ferdinand (tritt zurück und schaut sie bedeutend an). Eine Stunde,
  • Luise, wo zwischen mein Herz und dich eine fremde Gewalt sich
  • warf--wo meine Liebe vor meinem Gewissen erblaßte--wo meine Luise
  • aufhörte, ihrem Ferdinand Alles zu sein-Luise (sinkt mit verhülltem
  • Gesicht auf den Sessel nieder).
  • Ferdinand (geht schnell auf sie zu, bleibt sprachlos mit starrem
  • Blick vor ihr stehen, dann verläßt er sie plötzlich, in großer
  • Bewegung). Nein! Nimmermehr! Unmöglich, Lady! Zu viel verlangt!
  • Ich kann dir diese Unschuld nicht opfern--Nein, beim unendlichen Gott!
  • ich kann meinen Eid nicht verletzen, der mich laut wie des Himmels
  • Donner aus diesem brechenden Auge mahnt--Lady, blick hieher--hieher,
  • du Rabenvater--Ich soll diesen Engel würgen! Die Hölle soll ich in
  • diesen himmlischen Busen schütten? (Mit Entschluß auf sie zueilend.)
  • Ich will sie führen vor des Weltrichters Thron, und ob meine Liebe
  • Verbrechen ist, soll der Ewige sagen. (Er faßt sie bei der Hand und
  • hebt sie vom Sessel.) Fasse Muth, meine Theuerste!--Du hast gewonnen!
  • Als Sieger komm' ich aus dem gefährlichsten Kampf zurück.
  • Luise. Nein! Nein! Verhehle mir nichts. Sprich es aus, das
  • entsetzliche Urtheil. Deinen Vater nanntest du? Du nanntest die
  • Lady?--Schauer des Todes ergreifen mich--Man sagt, sie wird heirathen.
  • Ferdinand (stürzt betäubt zu Luisens Füßen nieder). Mich,
  • Unglückselige!
  • Luise (nach einer Pause, mit stillem bebenden Ton und schrecklicher
  • Ruhe). Nun--was erschreck' ich denn? Der alte Mann dort hat mir's
  • ja oft gesagt--ich hab' es ihm nie glauben wollen. (Pause, dann
  • wirft sie sich Millern laut weinend in die Arme.). Vater, hier ist
  • deine Tochter wieder--Verzeihung, Vater!--Dein Kind kann ja nicht
  • dafür, daß dieser Traum so schön war, und--so fürchterlich jetzt das
  • Erwachen-Miller. Luise! Luise!--O Gott, sie ist von sich--Meine
  • Tochter, mein armes Kind--Fluch über den Verführer!--Fluch über das
  • Weib, das ihm kuppelte!
  • Frau (wirft sich jammernd auf Luisen). Verdien' ich diesen Fluch,
  • meine Tochter? Vergeb's Ihnen Gott, Baron!--Was hat dieses Lamm
  • gethan, daß Sie es würgen?
  • Ferdinand (springt an ihr auf, voll Entschlossenheit). Aber ich will
  • seine Kabalen durchbohren--durchreißen will ich alle diese eisernen
  • Ketten des Vorurtheils--Frei wie ein Mann will ich wählen, daß diese
  • Insektenseelen am Riesenwerk meiner Liebe hinaufschwindeln! (Er will
  • fort.)
  • Frau (eilt ihm nach, hängt sich an ihn). Der Präsident wird hieher
  • kommen--Er wird unser Kind mißhandeln--Er wird uns mißhandeln--Herr
  • von Walter, und Sie verlassen uns?
  • Miller (lacht wüthend). Verläßt uns! Freilich! Warum nicht?--Sie
  • gab ihm ja Alles hin! (Mit der einen Hand den Major, mit der andern
  • Luisen fassend.) Geduld, Herr! der Weg aus meinem Hause geht nur über
  • diese da--Erwarte erst deinen Vater! wenn du kein Bube bist--Erzähl'
  • es ihm, wie du dich in ihr Herz stahlst, Betrüger, oder, bei Gott!
  • (Ihm seine Tochter zuschleudernd, wild und heftig.) Du sollst mir
  • zuvor diesen wimmernden Wurm zertreten, den Liebe zu dir so zu
  • Schanden richtete!
  • Ferdinand (kommt zurück und geht auf und ab in tiefen Gedanken).
  • Zwar die Gewalt des Präsident ist groß--Vaterrecht ist ein weites
  • Wort--der Frevel selbst kann sich in seinen Falten verstecken, er
  • kann es weit damit treiben--weit!--Doch aufs Äußerste treibt's nur
  • die Liebe--Hier, Luise! Deine Hand ist die meinige! (Er faßt diese
  • heftig.) So wahr mich Gott im letzten Hauch nicht verlassen soll!
  • --der Augenblick, der diese zwei Hände trennt, zerreißt auch den
  • Faden zwischen mir und der Schöpfung!
  • Luise. Mir wird bange! Blick' weg! Deine Lippen beben! Dein Auge
  • rollt fürchterlich-Ferdinand. Nein, Luise! Zittre nicht! Es ist
  • nicht Wahnsinn, was aus mir redet. Es ist das köstliche Geschenk des
  • Himmels, Entschluß in dem geltenden Augenblick, wo die gepreßte Brust
  • nur durch etwas Unerhörtes sich Luft macht--Ich liebe dich, Luise--Du
  • sollst mir bleiben, Luise--Jetzt zu meinem Vater! (Er eilt schnell
  • fort und rennt--gegen den Präsident.)
  • Sechste Scene.
  • Der Präsident mit einem Gefolge von Bedienten. Vorige.
  • Präsident (im Hereintreten). Da ist er schon.
  • Alle (erschrocken).
  • Ferdinand (weicht einige Schritte zurück). Im Hause der Unschuld.
  • Präsident. Wo der Sohn Gehorsam gegen den Vater lernt?
  • Ferdinand. Lassen Sie und das-Präsident (unterbricht ihn, zu
  • Millern). Er ist der Vater?
  • Miller. Stadtmusikant Miller.
  • Präsident (zur Frau). Sie die Mutter?
  • Frau. Ach ja, die Mutter!
  • Ferdinand (zu Millern). Vater, bring Er die Tochter weg--sie droht
  • eine Ohnmacht.
  • Präsident. Überflüssige Sorgfalt! Ich will sie anstreichen. (Zu
  • Luisen.) Wie lang kennt Sie den Sohn des Präsidenten?
  • Luise. Diesem habe ich nie nachgefragt. Ferdinand von Walter
  • besucht mich seit dem November.
  • Ferdinand. Betet sie an.
  • Präsident. Erhielt sie Versicherungen?
  • Ferdinand. Vor wenig Augenblicken die feierlichste im Angesicht
  • Gottes.
  • Präsident (zornig zu seinem Sohn). Zur Beichte deiner Thorheit wird
  • man dir schon das Zeichen geben. (Zu Luisen.) Ich warte auf Antwort.
  • Luise. Er schwur mir Liebe.
  • Ferdinand. Und wird sie halten.
  • Präsident. Muß ich befehlen, daß du schweigst?--Nahm Sie den Schwur
  • an?
  • Luise (zärtlich). Ich erwiederte ihn.
  • Ferdinand (mit fester Stimme). Der Bund ist geschlossen.
  • Präsident. Ich werde das Echo hinaus werfen lassen. (Boshaft zu
  • Luisen.) Aber er bezahlte Sie doch jederzeit baar?
  • Luise (aufmerksam). Diese Frage verstehe ich nicht ganz.
  • Präsident (mit beißendem Lachen). Nicht? Nun! ich meine nur--Jedes
  • Handwerk hat, wie man sagt, einen goldenen Boden--auch Sie, hoff' ich,
  • wird Ihre Gunst nicht verschenkt haben--oder war's Ihr vielleicht
  • mit dem bloßen Verschluß gedient? Wie?
  • Ferdinand (fährt wie rasend auf). Hölle! was war das?
  • Luise (zum Major mit Würde und Unwillen). Herr von Walter, jetzt
  • sind Sie frei.
  • Ferdinand. Vater! Ehrfurcht befiehlt die Tugend auch im
  • Bettlerkleid.
  • Präsident (lacht lauter). Eine lustige Zumuthung! Der Vater soll
  • die Hure des Sohns respectieren.
  • Luise (stürzt nieder). O Himmel und Erde!
  • Ferdinand (mit Luisen zu gleicher Zeit, indem er den Degen nach dem
  • Präsidenten zückt, den er aber schnell wieder sinken läßt). Vater!
  • Sie hatten einmal ein Leben an mich zu fordern--Es ist bezahlt. (Den
  • Degen einsteckend.) Der Schuldbrief der kindlichen Pflicht liegt
  • zerrissen da-Miller (der bis jetzt furchtsam auf der Seite gestanden,
  • tritt hervor in Bewegung, wechselweis vor Wuth mit den Zähnen
  • knirschend und vor Angst damit klappernd): Euer Excellenz--Das Kind
  • ist des Vaters Arbeit--Halten zu Gnaden--Wer das Kind eine Mähre
  • schilt, schlägt den Vater ans Ohr, und Ohrfeig um Ohrfeig--Das ist so
  • Tax bei uns--Halten zu Gnaden.
  • Frau. Hilf, Herr und Heiland!--Jetzt bricht auch der Alte los--über
  • unserm Kopf wird das Wetter zusammenschlagen.
  • Präsident (der es nur halb gehört hat). Regt sich der Kuppler
  • auch?--Wir sprechen uns gleich, Kuppler.
  • Miller. Halten zu Gnaden. Ich heiße Miller, wenn Sie ein Adagio
  • hören wollen--mit Buhlschaften dien' ich nicht. So lang der Hof da
  • noch Vorrath hat, kommt die Lieferung nicht an uns Bürgersleut'.
  • Halten zu Gnaden.
  • Frau. Um des Himmels willen, Mann! Du bringst Weib und Kind um.
  • Ferdinand. Sie spielen hier eine Rolle, mein Vater, wobei Sie sich
  • wenigstens die Zeugen hätten ersparen können.
  • Miller (kommt ihm näher, herzhafter). Deutsch und verständlich.
  • Halten zu Gnaden. Euer Excellenz schalten und walten im Land. Das
  • ist meine Stube. Mein devotestes Compliment, wenn ich dermaleins ein
  • pro memoria bringe, aber den ungehobelten Gast werf' ich zur Thür
  • hinaus--Halten zu Gnaden.
  • Präsident (vor Wuth blaß). Was?--Was ist das? (Tritt näher.)
  • Miller (zieht sich sachte zurück). Das war nur so meine Meinung,
  • Herr--Halten zu Gnaden.
  • Präsident (in Flammen). Ha, Spitzbube! Ins Zuchthaus spricht dich
  • deine vermessene Meinung--Fort! Man soll Gerichtsdiener holen.
  • (Einige vom Gefolge gehen ab; der Präsident rennt voll Wuth durch das
  • Zimmer.) Vater ins Zuchthaus--an den Pranger Mutter und Metze von
  • Tochter!--Die Gerechtigkeit soll meiner Wuth ihre Arme borgen. Für
  • diesen Schimpf muß ich schreckliche Genugthuung haben--Ein solches
  • Gesindel sollte meine Plane zerschlagen und ungestraft Vater und Sohn
  • aneinander hetzen?--Ha, Verflucht! Ich will meinen Haß an eurem
  • Untergang sättigen, die ganze Brut, Vater, Mutter und Tochter, will
  • ich meiner brennenden Rache opfern.
  • Ferdinand (tritt gelassen und standhaft unter sie hin). O nicht doch!
  • Seit außer Furcht! Ich bin zugegen. (Zum Präsidenten mit
  • Unterwürfigkeit.) Keine Übereilung, mein Vater! Wenn Sie sich selbst
  • lieben, keine Gewaltthätigkeit!--Es gibt eine Gegend in meinem Herzen,
  • worin das Wort Vater noch nie gehört worden ist--Dringen Sie nicht
  • bis in diese.
  • Präsident. Nichtswürdiger! Schweig! Reize meinen Grimm nicht noch
  • mehr!
  • Miller (kommt aus einer dumpfen Betäubung zu sich selbst).
  • Schau du nach deinem Kinde, Frau. Ich laufe zum Herzog--Der
  • Leibschneider--das hat mir Gott eingeblasen!--der Leibschneider
  • lernt die Flöte bei mir. Es kann mir nicht fehlen beim Herzog.
  • (Er will gehen.)
  • Präsident. Beim Herzog, sagst du?--Hast du vergessen, daß ich die
  • Schwelle bin, worüber du springen oder den Hals brechen mußt?--Beim
  • Herzog, du Dummkopf?--Versuch' es, wenn du, lebendig todt, eine
  • Thurmhöhe tief, unter dem Boden im Kerker liegst, wo die Nacht mit
  • der Hölle liebäugelt und Schall und Licht wieder umkehren. Raßle
  • dann mit deinen Ketten und wimmre: Mir ist zu viel geschehen.
  • Siebente Scene.
  • Gerichtsdiener. Die Vorigen.
  • Ferdinand (eilt auf Luisen zu, die ihm halb todt in die Arme fällt).
  • Luise! Hilfe! Rettung! Der Schrecken überwältigt sie!
  • Miller (ergreift sein spanisches Rohr, setzt den Hut auf und macht
  • sich zum Angriff gefaßt).
  • Frau (wirft sich auf die Kniee vor dem Präsident).
  • Präsident (zu den Gerichtsdienern, seinen Orden entblößend). Legt
  • Hand an, im Namen des Herzogs--Weg von der Metze, Junge--Ohnmächtig
  • oder nicht--wenn sie nur erst das eiserne Halsband um hat, wird man
  • sie schon mit Steinwürfen aufwecken.
  • Frau. Erbarmung, Ihro Excellenz! Erbarmung! Erbarmung!
  • Miller (reißt seine Frau in die Höhe). Knie vor Gott! alte Heulhure,
  • und nicht vor--Schelmen, weil ich ja doch schon ins Zuchthaus muß.
  • Präsident (beißt die Lippen). Du kannst dich verrechnen, Bube. Es
  • stehen noch Galgen leer! (Zu den Gerichtsdienern.) Muß ich es noch
  • einmal sagen?
  • Gerichtsdiener (dringen auf Luisen ein).
  • Ferdinand (springt an ihr auf und stellt sich vor sie, grimmig). Wer
  • will was? (Er zieht den Degen sammt der Scheide und wehrt sich mit
  • dem Gefäß.) Wag' es, sie anzurühren, wer nicht auch die Hirnschale an
  • die Gerichte vermiethet hat. (Zum Präsident.) Schonen Sie Ihrer
  • selbst! Treiben Sie mich nicht weiter, mein Vater.
  • Präsident (drohend zu den Gerichtsdienern). Wenn euch euer Brod lieb
  • ist, Memmen-Gerichtsdiener (greifen Luisen wieder an).
  • Ferdinand. Tod und alle Teufel! Ich sage: Zurück!--Noch einmal!
  • Haben Sie Erbarmen mit sich selbst. Treiben Sie mich nicht aufs
  • Äußerste, Vater.
  • Präsident (aufgebracht zu den Gerichtsdienern). Ist das euer
  • Diensteifer, Schurken?
  • Gerichtsdiener (greifen hitziger an).
  • Ferdinand. Wenn es denn sein muß (indem er den Degen zieht und
  • einige von denselben verwundet), so verzeih mir, Gerechtigkeit!
  • Präsident (voll Zorn). Ich will doch sehen, ob auch ich diesen Degen
  • fühle. (Er faßt Luisen selbst, zerrt sie in die Höhe und übergibt
  • sie einem Gerichtsknecht.)
  • Ferdinand (lacht erbittert). Vater, Vater! Sie machen hier ein
  • beißendes Pasquill auf die Gottheit, die sich so übel auf ihre Leute
  • verstund und aus vollkommenen Henkersknechten schlechte Minister
  • machte.
  • Präsident (zu den Übrigen). Fort mit ihr!
  • Ferdinand. Vater, sie soll an den Pranger stehen, aber mit dem Major,
  • des Präsidenten Sohn--Bestehen Sie noch darauf?
  • Präsident. Desto possierlicher wird das Spektakel--Fort!
  • Ferdinand. Vater, ich werfe meinen Officiersdegen auf das Mädchen.
  • --Bestehen Sie noch darauf?
  • Präsident. Das Porte-Epée ist an deiner Seite des Prangerstehens
  • gewohnt worden--Fort! Fort! Ihr wißt meinen Willen.
  • Ferdinand (drückt einen Gerichtsdiener weg, faßt Luisen an einem Arm,
  • mit dem andern zückt er den Degen auf sie). Vater! Eh Sie meine
  • Gemahlin beschimpfen, durchstoß' ich sie--Bestehen Sie noch darauf?
  • Präsident. Thu' es, wenn deine Klinge noch spitzig ist.
  • Ferdinand (läßt Luisen fahren und blickt fürchterlich zum Himmel).
  • Du, Allmächtiger, bist Zeuge! Kein menschliches Mittel ließ ich
  • unversucht--ich muß zu einem teuflischen schreiten--Ihr führt sie zum
  • Pranger fort, unterdessen (dem Präsidenten ins Ohr rufend) erzähl'
  • ich der Residenz eine Geschichte, wie man Präsident wird. (Ab.)
  • Präsident (wie vom Blitz gerührt). Was ist das?--Ferdinand--Laßt sie
  • ledig! (Er eilt dem Major nach.)
  • Dritter Akt.
  • Saal beim Präsidenten.
  • Erste Scene.
  • Der Präsident und Sekretär Wurm kommen.
  • Präsident. Der Streich war verwünscht.
  • Wurm. Wie ich befürchtete, gnädiger Herr. Zwang erbittert die
  • Schwärmer immer, aber bekehrt sie nie.
  • Präsident. Ich hatte mein bestes Vertrauen in diesen Anschlag
  • gesetzt. Ich urtheilte so: Wenn das Mädchen beschimpft wird, muß er,
  • als Officier, zurücktreten.
  • Wurm. Ganz vortrefflich. Aber zum Beschimpfen hätt' es auch kommen
  • sollen.
  • Präsident. Und doch--wenn ich es jetzt mit kaltem Blut
  • überdenke--Ich hätte mich nicht sollen eintreiben lassen--Es war eine
  • Drohung, woraus er wohl nimmermehr Ernst gemacht hätte.
  • Wurm. Das denken Sie ja nicht. Der gereizten Leidenschaft ist keine
  • Thorheit zu bunt. Sie sagen mir, der Herr Major habe immer den Kopf
  • zu Ihrer Regierung geschüttelt. Ich glaub's. Die Grundsätze, die er
  • aus Akademien hieher brachte, wollten mir gleich nicht recht
  • einleuchten. Was sollten auch die phantastischen Träumereien von
  • Seelengröße und persönlichem Adel an einem Hof, wo die größte
  • Weisheit diejenige ist, im rechten Tempo, auf eine geschickte Art,
  • groß und klein zu sein! Er ist zu jung und zu feurig, um Geschmack
  • am langsamen, krummen Gang der Kabale zu finden, und nichts wird
  • seine Ambition in Bewegung setzen, als was groß ist und abenteuerlich.
  • Präsident (verdrießlich). Aber was wird diese wohlweise Anmerkung an
  • unserm Handel verbessern?
  • Wurm. Wie wird Ew. Excellenz auf die Wunde hinweisen, und auch
  • vielleicht auf den Verband. Einen solchen Charakter--erlauben
  • Sie--hätte man entweder nie zum Vertrauten, oder niemals zum Feind
  • machen sollen. Er verabscheut das Mittel, wodurch Sie gestiegen sind.
  • Vielleicht war es bis jetzt nur der Sohn, der die Zunge des
  • Verräthers band. Geben Sie ihm Gelegenheit, jenen rechtmäßig
  • abzuschütteln; machen Sie ihn durch wiederholte Stürme auf seine
  • Leidenschaft glauben, daß Sie der zärtliche Vater nicht sind, so
  • dringen die Pflichten des Patrioten bei ihm vor. Ja, schon allein
  • die seltsame Phantasie, der Gerechtigkeit ein so merkwürdiges Opfer
  • zu bringen, könnte Reiz genug für ihn haben, selbst seinen Vater zu
  • stürzen.
  • Präsident. Wurm--Wurm--Er führt mich da vor einen entsetzlichen
  • Abgrund.
  • Wurm. Ich will Sie zurückführen, gnädiger Herr. Darf ich freimüthig
  • reden?
  • Präsident (indem er sich niedersetzt). Wie ein Verdammter zum
  • Mitverdammten.
  • Wurm. Also verzeihen Sie--Sie haben, dünkt mich, der biegsamen
  • Hofkunst den ganzen Präsidenten zu danken, warum vertrauen Sie ihr
  • nicht auch den Vater an? Ich besinne mich, mit welcher Offenheit Sie
  • Ihren Vorgänger damals zu einer Partie Piquet beredeten und bei ihm
  • die halbe Nacht mit freundschaftlichem Burgunder hinwegschwemmten,
  • und das war doch die nämliche Nacht, wo die große Mine losgehen und
  • den guten Mann in die Luft blasen sollte--Warum zeigten Sie Ihrem
  • Sohne den Feind? Nimmermehr hätte dieser erfahren sollen, daß ich um
  • seine Liebesangelegenheit wisse. Sie hätten den Roman von Seiten des
  • Mädchens unterhöhlt und das Herz Ihres Sohnes behalten. Sie hätten
  • den klugen General gespielt, der den Feind nicht am Kern seiner
  • Truppen faßt, sondern Spaltungen unter den Gliedern stiftet.
  • Präsident. Wie war das zu machen?
  • Wurm. Auf die einfachste Art--und die Karten sind noch nicht ganz
  • vergeben. Unterdrücken Sie eine Zeit lang, daß Sie Vater sind.
  • Messen Sie sich mit einer Leidenschaft nicht, die jeder Widerstand
  • nur mächtiger machte--Überlassen Sie es mir, an ihrem eigenen Feuer
  • den Wurm auszubrüten, der sie zerfrißt.
  • Präsident. Ich bin begierig.
  • Wurm. Ich müßte mich schlecht auf den Barometer der Seele verstehen,
  • oder der Herr Major ist in der Eifersucht schrecklich, wie in der
  • Liebe. Machen Sie ihm das Mädchen verdächtig--Wahrscheinlich oder
  • nicht. Ein Gran Hefe reicht hin, die ganze Masse in eine zerstörende
  • Gährung zu jagen.
  • Präsident. Aber woher diesen Gran nehmen?
  • Wurm. Da sind wir auf dem Punkt--vor allen Dingen, gnädiger Herr,
  • erklären Sie sich mir, wie viel Sie bei der ferneren Weigerung des
  • Majors auf dem Spiel haben--in welchem Grade es Ihnen wichtig ist,
  • den Roman mit dem Bürgermädchen zu endigen und die Verbindung mit
  • Lady Milford zu Stand zu bringen?
  • Präsident. Kann Er noch fragen, Wurm?--Mein ganzer Einfluß ist in
  • Gefahr, wenn die Partie mit der Lady zurückgeht, und wenn ich den
  • Major zwinge, mein Hals.
  • Wurm (munter). Jetzt haben Sie die Gnade und hören--Den Herrn Major
  • umspinnen wir mit List. Gegen das Mädchen nehmen wir Ihre ganze
  • Gewalt zu Hilfe. Wir dictieren ihr ein Billetdoux an eine dritte
  • Person in die Feder und spielen das mit guter Art dem Major in die
  • Hände.
  • Präsident. Toller Einfall! Als ob sie sich so geschwind hin
  • bequemen würde, ihr eigenes Todesurtheil zu schreiben?
  • Wurm. Sie muß, wenn Sie mir freie Hand lassen wollen. Ich kenne das
  • gute Herz auf und nieder. Sie hat nicht mehr als zwo tödtliche
  • Seiten, durch welche wir ihre Gewissen bestürmen können--ihren Vater
  • und den Major. Der letztere bleibt ganz und gar aus dem Spiel; desto
  • freier können wir mit dem Musikanten umspringen.
  • Präsident. Als zum Exempel?
  • Wurm. Nach Dem, was Ew. Excellenz mir von dem Auftritt in
  • seinem Hause gesagt haben, wird nichts leichter sein, als den
  • Vater mit einem Halsproceß zu bedrohen. Die Person des
  • Günstlings und Siegelbewahrers ist gewissermaßen der Schatten
  • der Majestät--Beleidigungen gegen jenen sind Verletzungen
  • dieser--Wenigstens will ich den armen Schächer mit diesem
  • zusammengeflickten Kobold durch ein Nadelöhr jagen.
  • Präsident. Doch--ernsthaft dürfte der Handel nicht werden.
  • Wurm. Ganz und gar nicht--Nur in so weit, als es nöthig ist, die
  • Familie in die Klemme zu treiben--Wir setzen also in aller Stille den
  • Musikus fest--Die Noth um so dringender zu machen, könnte man auch
  • die Mutter mitnehmen,--sprechen von peinlicher Anklage, von Schaffot,
  • von ewiger Festung, und machen den Brief der Tochter zur einzigen
  • Bedingung seiner Befreiung.
  • Präsident. Gut! Gut! Ich verstehe.
  • Wurm. Sie liebt ihren Vater--bis zur Leidenschaft, möcht' ich sagen.
  • Die Gefahr seines Lebens--seiner Freiheit zum Mindesten--die
  • Vorwürfe ihres Gewissens, den Anlaß dazu gegeben zu haben--die
  • Unmöglichkeit, den Major zu besitzen--endlich die Betäubung ihres
  • Kopfs, die ich auf mich nehme--es kann nicht fehlen--sie muß in die
  • Falle gehn.
  • Präsident. Aber mein Sohn? Wird er nicht auf der Stelle Wind davon
  • haben?
  • Wurm. Das lassen Sie meine Sorge sein, gnädiger Herr--Vater und
  • Mutter werden nicht eher freigelassen, bis die ganze Familie einen
  • körperlichen Eid darauf abgelegt, den ganzen Vorgang geheim zu halten
  • und den Betrug zu bestätigen.
  • Präsident. Einen Eid? Was wird ein Eid fruchten, Dummkopf?
  • Wurm. Nichts bei uns, gnädiger Herr! Bei dieser Menschenart
  • Alles--Und sehen Sie nun, wie schön wir Beide auf diese Manier zum
  • Ziele kommen werden--Das Mädchen verliert die Liebe des Majors und
  • den Ruf ihrer Tugend. Vater und Mutter ziehen gelindere Saiten auf,
  • und durch und durch weich gemacht von Schicksalen dieser Art,
  • erkennen sie's noch zuletzt für Erbarmung, wenn ich der Tochter durch
  • meine Hand ihre Reputation wieder gebe.
  • Präsident (lacht unter Kopfschütteln). Ja, ich gebe mich dir
  • überwunden, Schurke! Das Geweb' ist satanisch fein. Der Schüler
  • übertrifft seinen Meister--Nun ist die Frage, an wen das Billet muß
  • gerichtet werden? Mit wem wir sie in Verdacht bringen müssen?
  • Wurm. Nothwendig mit Jemand, der durch den Entschluß Ihres Sohnes
  • Alles gewinnen oder Alles verlieren muß.
  • Wurm (nach einigem Nachdenken). Ich weiß nur den Hofmarschall.
  • Wurm (zuckt die Achseln). Mein Geschmack wär' es nun freilich nicht,
  • wenn ich Luise Millerin hieße.
  • Präsident. Und warum nicht? Wunderlich! Eine blendende
  • Garderobe--Eine Atmosphäre von Eau de mille fleurs und Bisam--und
  • jedes alberne Wort eine Handvoll Ducaten--und alles Das sollte die
  • Delicatesse einer bürgerlichen Dirne nicht endlich bestechen können?
  • O, guter Freund! so scrupulös ist die Eifersucht nicht! Ich schicke
  • zum Marschall. (Klingelt.)
  • Wurm. Unterdessen, daß Ew. Excellenz dieses und die Gefangennehmung
  • des Geigers besorgen, werd' ich hingehen und den bewußten Liebesbrief
  • aufsetzen.
  • Präsident (zum Schreibpult gehend). Den Er mir zum Durchlesen
  • heraufbringt, sobald er zu Stand sein wird. (Wurm geht ab. Der
  • Präsident setzt sich zu schreiben; ein Kammerdiener kommt; er steht
  • auf und gibt ihm ein Papier.) Dieser Verhaftsbefehl muß ohne Aufschub
  • in die Gerichte--ein Andrer von euch wird den Hofmarschall zu mir
  • bitten.
  • Kammerdiener. Der gnädige Herr sind so eben hier angefahren.
  • Präsident. Noch besser--aber die Anstalten sollen mit Vorsicht
  • getroffen werden, sagt ihr, daß kein Aufstand erfolgt.
  • Kammerdiener. Sehr wohl, Ihr' Excellenz!
  • Präsident. Versteht ihr? Ganz in der Stille!
  • Kammerdiener. Ganz gut, Ihr' Excellenz! (Ab.)
  • Zweite Scene.
  • Der Präsident und der Hofmarschall.
  • Hofmarschall (eilfertig). Nur en passant, mein Bester!--Wie leben
  • Sie? Wie befinden Sie sich?--Heute Abend ist große Opéra Dido--das
  • süperbeste Feuerwerk--eine ganze Stadt brennt zusammen--Sie sehen sie
  • doch auch brennen? Was?
  • Präsident. Ich habe Feuerwerk genug in meinem eigenen Hause, das
  • meine ganze Herrlichkeit in die Luft nimmt--Sie kommen erwünscht,
  • lieber Marschall, mir in einer Sache zu rathen, thätig zu helfen, die
  • uns Beide poussiert, oder völlig zu Grund richtet. Setzen Sie sich.
  • Hofmarschall. Machen Sie mir nicht Angst, mein Süßer.
  • Präsident. Wie gesagt--poussiert, oder ganz zu Grund richtet. Sie
  • wissen mein Project mit dem Major und der Lady. Sie begreifen auch,
  • wie unentbehrlich es war, unser Beider Glück zu fixieren. Es kann
  • Alles zusammenfallen, Kalb. Mein Ferdinand will nicht.
  • Hofmarschall. Will nicht--will nicht--ich hab's ja in der ganzen
  • Stadt schon herumgesagt. Die Mariage ist in Jedermanns Munde.
  • Präsident. Sie können vor der ganzen Stadt als Windmacher dastehen.
  • Er liebt eine Andere.
  • Hofmarschall. Sie scherzen. Ist das auch wohl ein Hindernis?
  • Präsident. Bei dem Trotzkopf das unüberwindlichste.
  • Hofmarschall. Er soll so wahnsinnig sein und sein Fortune von sich
  • stoßen? Was?
  • Präsident. Fragen Sie ihn das und hören Sie, was er antwortet.
  • Hofmarschall. Aber, mon Dieu! was kann er denn antworten?
  • Präsident. Daß er der ganzen Welt das Verbrechen entdecken wolle,
  • wodurch wir gestiegen sind--daß er unsere falschen Briefe und
  • Quittungen angeben--daß er uns Beide ans Messer liefern wolle--das
  • kann er antworten.
  • Hofmarschall. Sind Sie von Sinnen?
  • Präsident. Das hat er geantwortet. Das war er schon Willens, ins
  • Werk zu richten--Davon hab' ich ihn kaum noch durch meine höchste
  • Erniedrigung abgebracht. Was wissen Sie hierauf zu sagen?
  • Hofmarschall (mit einem Schafsgesicht). Mein Verstand steht still.
  • Präsident. Das könnte noch hingehen. Aber zugleich hinterbringen
  • mir meine Spionen, daß der Oberschenk von Bock auf dem Sprunge sei,
  • um die Lady zu werben.
  • Hofmarschall. Sie machen mich rasend. Wer sagen Sie? von Bock sagen
  • Sie?--Wissen Sie denn auch, daß wir Todfeinde zusammen sind? Wissen
  • Sie auch, warum wir es sind?
  • Präsident. Das erste Wort, das ich höre.
  • Hofmarschall. Bester! Sie werden hören, und aus der Haut werden Sie
  • fahren--Wenn Sie sich noch des Hofballs entsinnen--es geht jetzt ins
  • einundzwanzigste Jahr--wissen Sie, worauf man den ersten Englischen
  • tanzte, und dem Grafen von Meerschaum das heiße Wachs von einem
  • Kronleuchter auf den Domino tröpfelte--Ach Gott, das müssen Sie
  • freilich noch wissen!
  • Präsident. Wer könnte so was vergessen?
  • Hofmarschall. Sehen Sie! da hatte Prinzessin Amalie in der Hitze des
  • Tanzes ein Strumpfband verloren--Alles kommt, wie befreiflich ist, in
  • Allarm--von Bock und ich--wir waren noch Kammerjunker--wir kriechen
  • durch den ganzen Redoutensaal, das Strumpfband zu suchen--endlich
  • erblick ich's--von Bock merkt's--von Bock darauf zu, reißt es mir aus
  • den Händen--ich bitte Sie!--bringt's der Prinzessin und schnappt mir
  • glücklich das Compliment weg--Was denken Sie?
  • Präsident. Impertinent!
  • Hofmarschall. Schnappt mir das Compliment weg--Ich meine in Ohnmacht
  • zu sinken. Eine solche Malice ist gar nicht erlebt worden.--Endlich
  • ermann' ich mich, nähere mich Ihrer Durchlaucht und spreche:
  • Gnädigste Frau! von Bock war so glücklich, Höchstdenenselben das
  • Strumpfband zu überreichen, aber wer das Strumpfband zuerst erblickte,
  • belohnt sich in der Stille und schweigt.
  • Präsident. Bravo, Marschall! Bravissimo!
  • Hofmarschall. Und schweigt--Aber ich werd's dem von Bock bis zum
  • jüngsten Gerichte noch nachtragen--der niederträchtige, kriechende
  • Schmeichler!--Und das war noch nicht genug--wie wir beide zugleich
  • auf das Strumpfband zu Boden fallen, wischt mir von Bock an der
  • rechten Frisur allen Puder weg, und ich bin ruiniert auf den ganzen
  • Ball.
  • Präsident. Das ist der Mann, der die Milford heirathen und die erste
  • Person am Hof werden wird.
  • Hofmarschall. Sie stoßen mir ein Messer ins Herz. Wird? wird?
  • Warum wird er? Wo ist die Nothwendigkeit?
  • Präsident. Weil mein Ferdinand nicht will und sonst Keiner sich
  • meldet.
  • Hofmarschall. Aber wissen Sie denn gar kein einziges Mittel, den
  • Major zum Entschluß zu bringen?--Sei's auch noch so bizarr, so
  • verzweifelt!--Was in der Welt kann so widrig sein, das uns jetzt
  • nicht willkommen wäre, den verhaßten von Bock auszustechen?
  • Präsident. Ich weiß nur eines, und das bei Ihnen steht.
  • Hofmarschall. Bei mir steht? Und das ist?
  • Präsident. Den Major mit seiner Geliebten zu entzweien.
  • Hofmarschall. Zu entzweien? Wie meinen Sie das?--Und wie mach' ich
  • das?
  • Präsident. Alles ist gewonnen, sobald wir ihm das Mädchen verdächtig
  • machen.
  • Hofmarschall. Daß sie stehle, meinen Sie?
  • Präsident. Ach nein doch! Wie glaubte er das?--daß sie es noch mit
  • einem Andern habe.
  • Hofmarschall. Dieser Andre?
  • Präsident. Müßten Sie sein, Baron.
  • Hofmarschall. Ich sein? Ich?--Ist sie von Adel?
  • Präsident. Wozu das? Welcher Einfall!--Eines Musikanten Tochter.
  • Hofmarschall. Bürgerlich also? Das wird nicht angehen. Was?
  • Präsident. Was wird nicht angehen? Narrenspossen! Wem unter der
  • Sonne wird es einfallen, ein paar runde Wangen nach dem Stammbaum zu
  • fragen?
  • Hofmarschall. Aber bedenken Sie doch, ein Ehmann! Und meine
  • Reputation bei Hofe.
  • Präsident. Das ist was anders. Verzeihen Sie. Ich habe das noch
  • nicht gewußt, daß Ihnen der Mann von unbescholtenen Sitten mehr ist,
  • als der von Einfluß. Wollen wir abbrechen?
  • Hofmarschall. Seien Sie klug, Baron. Es war ja nicht so verstanden.
  • Präsident (frostig). Nein--nein! Sie haben vollkommen Recht. Ich
  • bin es auch müde. Ich lasse den Karren stehen. Dem von Bock wünsch'
  • ich Glück zum Premierminister. Die Welt ist noch anderswo. Ich
  • fordre meine Entlassung vom Herzog.
  • Hofmarschall. Und ich?--Sie haben gut schwatzen, Sie! Sie sind ein
  • Studierter! Aber ich,--mon Dieu!--was bin dann ich, wenn mich Seine
  • Durchleucht entlassen?
  • Präsident. Ein Bonmot von vorgestern. Die Mode vom vorigen Jahr.
  • Hofmarschall. Ich beschwöre Sie, Theurer, Goldner!--Ersticken Sie
  • diesen Gedanken! Ich will mir ja Alles gefallen lassen.
  • Präsident. Wollen Sie Ihren Namen zu einem Rendez-vous hergeben, den
  • Ihnen diese Millerin schriftlich vorschlagen soll?
  • Hofmarschall. Im Namen Gottes! Ich will ihn hergeben.
  • Präsident. Und den Brief irgendwo herausfallen lassen, wo er dem
  • Major zu Gesicht kommen muß?
  • Hofmarschall. Zum Exempel auf der Parade will ich ihn, als von
  • ungefähr, mit dem Schnupftuch heraus schleudern.
  • Präsident. Und die Rolle ihres Liebhabers gegen den Major behaupten?
  • Hofmarschall. Mort de ma vie! Ich will ihn schon waschen! Ich will
  • dem Naseweis den Appetit nach meinen Amouren verleiden.
  • Präsident. Nun geht's nach Wunsch. Der Brief muß noch heute
  • geschrieben sein. Sie müssen vor Abend noch herkommen, ihn abzuholen
  • und Ihre Rolle mit mir zu berichtigen.
  • Hofmarschall. Sobald ich sechzehn Visiten werde gegeben haben, die
  • von allerhöchster Importance sind. Verzeihen Sie also, wenn ich mich
  • ohne Aufschub beurlaube. (Geht.)
  • Präsident (klingelt). Ich zähle auf Ihre Verschlagenheit, Marschall.
  • Hofmarschall (ruft zurück). Ah, mon Dieu!--Sie kennen mich ja.
  • Dritte Scene.
  • Der Präsident und Wurm.
  • Wurm. Der Geiger und seine Frau sind glücklich und ohne alles
  • Geräusch in Verhaft gebracht. Wollen Ew. Excellenz jetzt den Brief
  • überlesen?
  • Präsident (nachdem er gelesen). Herrlich! herrlich, Secretär! Auch
  • der Marschall hat angebissen!--Ein Gift wie das müßte die Gesundheit
  • selbst in eiternden Aussatz verwandeln--Nun gleich mit den
  • Vorschlägen zum Vater, und dann warm zu der Tochter. (Gehen ab zu
  • verschiedenen Seiten.)
  • Vierte Scene.
  • Zimmer in Millers Wohnung.
  • Luise und Ferdinand.
  • Luise. Ich bitte dich, höre auf. Ich glaube an keine glücklichen
  • Tage mehr. Alle meine Hoffnungen sind gesunken.
  • Ferdinand. So sind die meinigen gestiegen. Mein Vater ist
  • aufgereizt; mein Vater wird alle Geschütze gegen uns richten. Er
  • wird mich zwingen, den unmenschlichen Sohn zu machen. Ich stehe
  • nicht mehr für meine kindliche Pflicht. Wuth und Verzweiflung werden
  • mir das schwarze Geheimniß seiner Mordthat erpressen. Der Sohn wird
  • den Vater in die Hände des Henkers liefern--Es ist die höchste
  • Gefahr--und die höchste Gefahr mußte da sein, wenn meine Liebe den
  • Riesensprung wagen sollte--Höre, Luise--Ein Gedanke, groß und
  • vermessen wie meine Leidenschaft, drängt sich vor meine Seele--Du,
  • Luise, und ich und die Liebe!--liegt nicht in diesem Zirkel der ganze
  • Himmel? oder brauchst du noch etwas Viertes dazu?
  • Luise. Brich ab. Nichts mehr. Ich erblasse über Das, was du sagen
  • willst.
  • Ferdinand. Haben wir an die Welt keine Forderung mehr, warum denn
  • ihren Beifall erbetteln? Warum wagen, wo nichts gewonnen wird und
  • Alles verloren werden kann?--Wird dieses Aug nicht eben so schmelzend
  • funkeln, ob es im Rhein oder in der Elbe sich spiegelt, oder im
  • baltischen Meer? Mein Vaterland ist, wo mich Luise liebt. Deine
  • Fußtapfe in wilden, sandigten Wüsten mir interessanter, als das
  • Münster in meiner Heimath--Werden wir die Pracht der Städte
  • vermissen? Wo wir sein mögen, Luise, geht eine Sonne auf, eine
  • unter--Schauspiele, neben welchen der üppigste Schwung der Künste
  • verblaßt. Werden wir Gott in keinem Tempel mehr dienen, so ziehet
  • die Nacht mit begeisterndem Schauern auf, der wechselnde Mond predigt
  • uns Buße, und eine andächtige Kirche von Sternen betet mit uns.
  • Werden wir uns in Gesprächen der Liebe erschöpfen?--Ein Lächeln
  • meiner Luise ist Stoff für Jahrhunderte, und der Traum des Lebens ist
  • aus, bis ich diese Thräne ergründe.
  • Luise. Und hättest du sonst keine Pflicht mehr als deine Liebe?
  • Ferdinand (sie umarmend). Deine Ruhe ist meine heiligste.
  • Luise (sehr ernsthaft). So schweig und verlaß mich--Ich habe einen
  • Vater, der kein Vermögen hat, als diese einzige Tochter--der morgen
  • sechzig wird--der der Rache des Präsidenten gewiß ist.-Ferdinand
  • (fällt rasch ein). Der uns begleiten wird. Darum keinen Einwurf
  • mehr, Liebe. Ich gehe, mache meine Kostbarkeiten zu Geld, erhebe
  • Summen auf meinen Vater. Es ist erlaubt, einen Räuber zu plündern,
  • und sind seine Schätze nicht Blutgeld des Vaterlands?--Schlag ein Uhr
  • um Mitternacht wird ein Wagen hier anfahren. Ihr werft euch hinein.
  • Wir fliehen.
  • Luise. Und der Fluch deines Vaters uns nach?--ein Fluch,
  • Unbesonnener, den auch Mörder nie ohne Erhörung aussprechen, den die
  • Rache des Himmels auch dem Dieb auf dem Rade hält, der uns
  • Flüchtlinge unbarmherzig wie ein Gespenst von Meer zu Meer jagen
  • würde?--Nein, mein Geliebter! Wenn nur ein Frevel dich mir erhalten
  • kann, so hab' ich noch Stärke, dich zu verlieren.
  • Ferdinand (steht still und murmelt düster). Wirklich?
  • Luise. Verlieren!--O, ohne Grenzen entsetzlich ist der
  • Gedanke--gräßlich genug, den unsterblichen Geist zu durchbohren und
  • die glühende Wange der Freude zu bleichen--Ferdinand! dich zu
  • verlieren! Doch, man verliert ja nur, was man besessen hat, und dein
  • Herz gehört deinem Stande--Mein Anspruch war Kirchenraub, und
  • schaudernd geb' ich ihn auf.
  • Ferdinand (das Gesicht verzerrt und an der Unterlippe nagend). Gibst
  • du ihn auf.
  • Luise. Nein! Sieh mich an, lieber Walter. Nicht so bitter die
  • Zähne geknirscht. Komm! Laß mich jetzt deinen sterbenden Muth durch
  • mein Beispiel beleben. Laß mich die Heldin dieses Augenblicks
  • sein--einem Vater den entflohenen Sohn wieder schenken--einem Bündniß
  • entsagen, das die Fugen der Bürgerwelt auseinander treiben und die
  • allgemeine ewige Ordnung zu Grund stürzen würde--Ich bin die
  • Verbrecherin--mit frechen, thörigten Wünschen hat sich mein Busen
  • getragen--mein Unglück ist meine Strafe, so laß mir doch jetzt die
  • süße, schmeichelnde Täuschung, daß es mein Opfer war--Wirst du mir
  • diese Wollust mißgönnen?
  • Ferdinand (hat in der Zerstreuung und Wuth eine Violine ergriffen und
  • auf derselben zu spielen versucht--Jetzt zerreißt er die Saiten,
  • zerschmettert das Instrument auf dem Boden und bricht in ein lautes
  • Gelächter aus).
  • Luise. Walter! Gott im Himmel! Was soll das?--Ermanne dich!
  • --Fassung verlangt diese Stunde--es ist eine trennende. Du hast ein
  • Herz, lieber Walter. Ich kenne es.--Warm wie das Leben ist deine
  • Liebe, und ohne Schranken wie das Unermeßliche--Schenke sie einer
  • Edeln und Würdigern--sie wird die Glücklichste ihres Geschlechts
  • nicht beneiden--(Thränen unterdrückend.) Mich sollst du nicht mehr
  • sehn--Das eitle betrogene Mädchen verweine seinen Gram in einsamen
  • Mauern, um seine Thränen wird sich Niemand bekümmern--Leer und
  • erstorben ist meine Zukunft--Doch werd' ich noch je und je am
  • verwelkten Strauß der Vergangenheit riechen. (Indem sie ihm mit
  • abgewandtem Gesicht ihre zitternde Hand gibt.) Leben Sie wohl, Herr
  • von Walter.
  • Ferdinand (springt aus seiner Betäubung auf). Ich entfliehe, Luise.
  • Willst du mir wirklich nicht folgen?
  • Luise (hat sich im Hintergrund des Zimmers niedergesetzt und hält das
  • Gesicht mit beiden Händen bedeckt). Meine Pflicht heißt mich bleiben
  • und dulden.
  • Ferdinand. Schlange, du lügst. Dich fesselt was anders hier.
  • Luise (im Ton des tiefsten inwendigen Leidens). Bleiben Sie bei
  • dieser Vermuthung--sie macht vielleicht weniger elend.
  • Ferdinand. Kalte Pflicht gegen feurige Liebe!--Und mich soll das
  • Märchen blenden? Ein Liebhaber fesselt dich, und Weh über dich und
  • ihn, wenn mein Verdacht sich bestätigt. (Geht schnell ab.)
  • Fünfte Scene.
  • Luise allein.--(Sie bleibt noch eine Zeit lang ohne Bewegung und
  • stumm in dem Sessel liegen, endlich steht sie auf, kommt vorwärts und
  • sieht furchtsam herum.)
  • Wo meine Eltern bleiben?--Mein Vater versprach, in wenigen Minuten
  • zurück zu sein, und schon sind fünf volle fürchterliche Stunden
  • vorüber--Wenn ihm ein Unfall--wie wird mir?--Warum geht mein Odem so
  • ängstlich?
  • (Jetzt tritt Wurm in das Zimmer und bleibt im Hintergrund stehen,
  • ohne von ihr bemerkt zu werden.)
  • Es ist nichts Wirkliches--Es ist nichts als das schaudernde
  • Gaukelspiel des erhitzten Geblüths--Hat unsre Seele nur einmal
  • Entsetzen genug in sich getrunken, so wird das Aug in jedem Winkel
  • Gespenster sehn.
  • Sechste Scene.
  • Luise und Secretär Wurm.
  • Wurm (kommt näher). Guten Abend, Jungfer.
  • Luise. Gott! Wer spricht da? (Sie dreht sich um, wird den Secretär
  • gewahr und tritt erschrocken zurück.) Schrecklich! Schrecklich!
  • Meiner ängstlichen Ahnung eilt schon die unglückseligste Erfüllung
  • nach. (Zum Secretär mit einem Blick voll Verachtung.) Suchen Sie
  • etwa den Präsidenten? Er ist nicht mehr da.
  • Wurm. Jungfer, ich suche Sie.
  • Luise. So muß ich mich wundern, daß Sie nicht nach dem Marktplatz
  • gingen.
  • Wurm. Warum eben dahin?
  • Luise. Ihre Braut von der Schaubühne abzuholen.
  • Wurm. Mamsell Millerin, Sie haben einen falschen Verdacht-Luise
  • (unterdrückt eine Antwort). Was steht Ihnen zu Diensten?
  • Wurm. Ich komme, geschickt von Ihrem Vater.
  • Luise (bestürzt). Von meinem Vater?--Wieder ist mein Vater?
  • Wurm. Wo er nicht gern ist.
  • Luise. Um Gotteswillen! Geschwind! Mich befällt eine üble
  • Ahnung--Wo ist mein Vater?
  • Wurm. Im Thurm, wenn Sie es ja wissen wollen.
  • Luise (mit einem Blick zum Himmel). Das noch! Das auch noch!--Im
  • Thurm? Und warum im Thurm?
  • Wurm. Auf Befehl des Herzogs.
  • Luise. Des Herzogs?
  • Wurm. Der die Verletzung der Majestät in der Person seines
  • Stellvertreters-Luise. Was? was? O ewige Allmacht!
  • Wurm. Auffallend zu ahnden beschlossen hat.
  • Luise. Das war noch übrig! Das!--Freilich, freilich, mein Herz
  • hatte noch außer dem Major etwas Theures--das durfte nicht übergangen
  • werden--Verletzung der Majestät--Himmlische Vorsicht! Rette! o rette
  • meinen sinkenden Glauben!--Und Ferdinand?
  • Wurm. Wählt Lady Milford, oder Fluch und Enterbung.
  • Luise. Entsetzliche Freiheit!--Und doch--doch ist er glücklicher.
  • Er hat keinen Vater zu verlieren. Zwar keinen haben, ist Verdammniß
  • genug!--Mein Vater auf Verletzung der Majestät--mein Geliebter die
  • Lady oder Fluch und Enterbung--Wahrlich bewundernswerth! Eine
  • vollkommene Büberei ist auch eine Vollkommenheit--Vollkommenheit?
  • Nein! dazu fehlt noch etwas--Wo ist meine Mutter?
  • Wurm. Im Spinnhaus.
  • Luise (mit schmerzvollem Lächeln). Jetzt ist es völlig!--Völlig, und
  • jetzt wär' ich ja frei--Abgeschält von allen Pflichten--und
  • Thränen--und Freuden. Abgeschält von der Vorsicht. Ich brauch' sie
  • ja nicht mehr--(Schreckliches Stillschweigen.) Haben Sie vielleicht
  • noch eine Zeitung? Reden Sie immerhin. Jetzt kann ich Alles hören.
  • Wurm. Was geschehen ist, wissen Sie.
  • Luise. Also nicht, was noch kommen wird? (Wiederum Pause, worin sie
  • den Secretär von oben bis unten ansieht.) Armer Mensch! du treibst
  • ein trauriges Handwerk, wobei du unmöglich selig werden kannst.
  • Unglückliche machen, ist schon schrecklich genug, aber gräßlich ist's,
  • es ihnen verkündigen--ihn vorzusingen, den Eulengesang, dabei stehn,
  • wenn das blutende Herz am eisernen Schaft der Nothwendigkeit zittert
  • und Christen an Gott zweifeln--Der Himmel bewahre mich! Und würde
  • dir jeder Angsttropfe, den du fallen siehst, mit einer Tonne Golds
  • aufgewogen--ich möchte nicht du sein--Was kann noch geschehen?
  • Wurm. Ich weiß nicht.
  • Luise. Sie wollen nicht wissen?--Diese lichtscheue Bothschaft
  • fürchtet das Geräusch der Worte, aber in der Grabesstille Ihres
  • Gesichts zeigt sich mir das Gespenst--Was ist noch übrig?--Sie sagten
  • vorhin, der Herzog wollte es auffallend ahnden? Was nennen Sie
  • auffallend?
  • Wurm. Fragen Sie nichts mehr.
  • Luise. Höre, Mensch! Du gingst beim Henker zur Schule. Wie
  • verstündest du sonst, das Eisen erst langsam bedächtlich an den
  • knirschenden Gelenken hinaufzuführen und das zuckende Herz mit dem
  • Streich der Erbarmung zu necken?--Welches Schicksal wartet auf meinen
  • Vater? Es ist Tod in Dem, was du lachend sagst; wie mag Das aussehen,
  • was du an dich hältst? Sprich es aus. Laß mich sie auf einmal
  • haben, die ganze zermalmende Ladung. Was wartet auf meinen Vater?
  • Wurm. Ein Criminal-Proceß.
  • Luise. Was ist aber das?--Ich bin ein unwissendes, unschuldiges Ding,
  • verstehe mich wenig auf eure fürchterlichen lateinischen Wörter.
  • Was heißt Criminal-Proceß?
  • Wurm. Gericht um Leben und Tod.
  • Luise (standhaft). So dank' ich Ihnen! (Sie eilt schnell in ein
  • Seitenzimmer.)
  • Wurm (steht betroffen da). Wo will das hinaus! Sollte die Närrin
  • etwa?--Teufel! Sie wird doch nicht--Ich eile nach--ich muß für ihr
  • Leben bürgen. (Im Begriff, ihr zu folgen.)
  • Luise (kommt zurück, einen Mantel umgeworfen). Verzeihen Sie,
  • Secretär. Ich schließe das Zimmer.
  • Wurm. Und wohin denn so eilig?
  • Luise. Zum Herzog. (Will fort.)
  • Wurm. Was? Wo hin? (Er hält sie erschrocken zurück.)
  • Luise. Zum Herzog. Hören Sie nicht? Zu eben dem Herzog, der meinen
  • Vater auf Tod und Leben will richten lassen--Nein! nicht will--muß
  • richten lassen, weil einige Böswichter wollen; der zu dem ganzen
  • Proceß der beleidigten Majestät nichts hergibt, als eine Majestät und
  • seine fürstliche Handschrift.
  • Wurm (lacht überlaut). Zum Herzog!
  • Luise. Ich weiß, worüber Sie lachen--aber ich will ja auch kein
  • Erbarmen dort finden--Gott bewahre mich! nur Ekel--Ekel nur an meinem
  • Geschrei. Man hat mir gesagt, daß die Großen der Welt noch nicht
  • belehrt sind, was Elend ist--nicht wollen belehrt sein. Ich will ihm
  • sagen, was Elend ist--will es ihm vormalen in allen Verzerrungen des
  • Todes, was Elend ist--will es ihm vorheulen in Mark und Bein
  • zermalmenden Tönen, was Elend ist--und wenn ihm jetzt über der
  • Beschreibung die Haare zu Berge fliegen, will ich ihm noch zum Schluß
  • in die Ohren schrei'n, daß in der Sterbestunde auch die Lungen der
  • Erdengötter zu röcheln anfangen und das jüngste Gericht Majestäten
  • und Bettler in dem nämlichen Siebe rüttelt. (Sie will gehen.)
  • Wurm (boshaft freundlich). Gehen Sie, o gehen Sie ja. Sie können
  • wahrlich nichts Klügeres thun. Ich rathe es Ihnen, gehen Sie, und
  • ich gebe Ihnen mein Wort, daß der Herzog willfahren wird.
  • Luise (steht plötzlich still). Wie sagen Sie?--Sie rathen mir selbst
  • dazu? (Kommt schnell zurück.) Hm! Was will ich denn? Etwas
  • Abscheuliches muß es sein, weil dieser Mensch dazu rathet--Woher
  • wissen Sie, daß der Fürst mir willfahren wird?
  • Wurm. Weil er es nicht wird umsonst thun dürfen.
  • Luise. Nicht umsonst? Welchen Preis kann er auf eine Menschlichkeit
  • setzen?
  • Wurm. Die schöne Supplicantin ist Preises genug.
  • Luise (bleibt erstarrt stehen, dann mit brechendem Laut).
  • Allgerechter!
  • Wurm. Und einen Vater werden Sie doch, will ich hoffen, um diese
  • gnädige Taxe nicht überfordert finden?
  • Luise (auf und ab, außer Fassung). Ja! ja! Es ist wahr! Sie sind
  • verschanzt, eure Großen--verschanzt vor der Wahrheit hinter ihre
  • eigenen Laster, wie hinter Schwerter der Cherubim--Helfe dir der
  • Allmächtige, Vater! Deine Tochter kann für dich sterben, aber nicht
  • sündigen.
  • Wurm. Das mag ihm wohl eine Neuigkeit sein, dem armen verlassenen
  • Mann--"Meine Luise," sagte er mir, "hat mich zu Boden geworfen.
  • Meine Luise wird mich auch aufrichten."--Ich eile, Mamsell, ihm die
  • Antwort zu bringen. (Stellt sich, als ob er ginge.)
  • Luise (eilt ihm nach, hält ihn zurück). Bleiben Sie! bleiben Sie!
  • Geduld! Wie flink dieser Satan ist, wenn es gilt, Menschen rasend zu
  • machen!--Ich hab' ihn niedergeworfen. Ich muß ihn aufrichten. Reden
  • Sie! Rathen Sie! Was kann ich? was muß ich thun?
  • Wurm. Es ist nur ein Mittel.
  • Luise. Dieses einzige Mittel?
  • Wurm. Auch Ihr Vater wünscht-Luise. Auch mein Vater?--Was ist das
  • für ein Mittel?
  • Wurm. Es ist Ihnen leicht.
  • Luise. Ich kenne nichts Schwereres, als die Schande.
  • Wurm. Wenn Sie den Major wieder frei machen wollen.
  • Luise. Von seiner Liebe? Spotten Sie meiner?--Das meiner Willkür zu
  • überlassen, wozu ich gezwungen ward?
  • Wurm. So ist es nicht gemeint, liebe Jungfer. Der Major muß zuerst
  • und freiwillig zurücktreten.
  • Luise. Er wird nicht.
  • Wurm. So scheint es. Würde man denn wohl seine Zuflucht zu Ihnen
  • nehmen, wenn nicht Sie allein dazu helfen könnten?
  • Luise. Kann ich ihn zwingen, daß er mich hassen muß?
  • Wurm. Wir wollen versuchen. Setzen Sie sich.
  • Luise (betreten). Mensch! Was brütest du?
  • Wurm. Setzen Sie sich. Schreiben Sie! Hier ist Feder, Papier und
  • Dinte.
  • Luise (setzt sich in höchster Beunruhigung). Was soll ich schreiben?
  • An wen soll ich schreiben?
  • Wurm. An den Henker Ihres Vaters.
  • Luise. Ha! du verstehst dich darauf, Seelen auf die Folter zu
  • schrauben. (Ergreift die Feder.)
  • Wurm (dictiert). "Gnädiger Herr"-Luise (schreibt mit zitternder Hand).
  • Wurm. "Schon drei unerträgliche Tage sind vorüber--sind vorüber--und
  • wir sahen uns nicht"
  • Luise (stutzt, legt die Feder weg). An wen ist der Brief?
  • Wurm. An den Henker Ihres Vaters.
  • Luise. O mein Gott!
  • Wurm. "Halten Sie sich deßwegen an den Major--an den Major--der mich
  • den ganzen Tag wie ein Argus hütet"
  • Luise (springt auf). Büberei, wie noch keine erhört worden! An wen
  • ist der Brief?
  • Wurm. An den Henker Ihres Vaters.
  • Luise (die Hände ringend, auf und nieder). Nein! nein! nein! das ist
  • tyrannisch, o Himmel! Strafe Menschen menschlich, wenn sie dich
  • reizen, aber warum mich zwischen zwei Schrecknisse pressen? Warum
  • zwischen Tod und Schande mich hin und her wiegen? Warum diesen
  • blutsaugenden Teufel mir auf den Nacken setzen?--Macht, was ihr wollt.
  • Ich schreibe das nimmermehr.
  • Wurm (greift nach dem Hut). Wie Sie wollen, Mademoiselle! Das steht
  • ganz in Ihrem Belieben.
  • Luise. Belieben, sagen Sie? In meinem Belieben?--Geh, Barbar!
  • Hänge einen Unglücklichen über dem Abgrund der Hölle aus, bitt' ihn
  • um etwas, und lästre Gott, und frag' ihn, ob es ihm beliebe?--O du
  • weißt allzu gut, daß unser Herz an natürlichen Trieben so fest als an
  • Ketten liegt--Nunmehr ist Alles gleich. Dictieren Sie weiter! Ich
  • denke nichts mehr. Ich weiche der überlistenden Hölle. (Sie setzt
  • sich zum zweitenmal.)
  • Wurm. "Den ganzen Tag wie ein Argus hütet"--Haben Sie das?
  • Luise. Weiter! weiter!
  • Wurm. "Wir haben gestern den Präsidenten im Haus gehabt. Es war
  • possierlich zu sehen, wie der gute Major um meine Ehre sich
  • wehrte"-Luise. O schön, schön! o herrlich!--Nur immer fort.
  • Wurm. "Ich nahm meine Zuflucht zu einer Ohnmacht--zu einer
  • Ohnmacht--daß ich nicht laut lachte"
  • Luise. O Himmel!
  • Wurm. "Aber bald wird mir meine Maske
  • unerträglich--unerträglich--Wenn ich nur loskommen könnte"-Luise
  • (hält inne, steht auf, geht auf und nieder, den Kopf gesenkt, als
  • suchte sie was auf dem Boden; dann setzt sie sich wiederum, schreibt
  • weiter). "Loskommen könnte"
  • Wurm. "Morgen hat er den Dienst--Passen Sie ab, wenn er von mir geht,
  • und kommen an den bewußten Ort"--Haben Sie "bewußten?"
  • Luise. Ich habe Alles!
  • Wurm. "An den bewußten Ort zu Ihrer zärtlichen.... Luise"
  • Luise. Nun fehlt die Adresse noch.
  • Wurm. "An Herrn Hofmarschall von Kalb."
  • Luise. Ewige Vorsicht! Ein Name, so fremd meinen Ohren, als meinem
  • Herzen diese schändlichen Zeilen. (Sie steht auf und betrachtet eine
  • große Pause lang mit starrem Blick das Geschriebene, endlich reicht
  • sie es dem Secretär mit erschöpfter, hinsterbender Stimme.) Nehmen
  • Sie, mein Herr. Es ist mein ehrlicher Name--es ist Ferdinand--es ist
  • die ganze Wonne meines Lebens, was ich jetzt in Ihre Hände gebe--Ich
  • bin eine Bettlerin.
  • Wurm. O nein doch! Verzagen Sie nicht, liebe Mademoiselle. Ich
  • habe herzliches Mitleid mit Ihnen. Vielleicht--wer weiß?--Ich könnte
  • mich noch wohl über gewisse Dinge hinwegsetzen--Wahrlich! Bei Gott!
  • Ich habe Mitleid mit Ihnen.
  • Luise (blickt ihn starr und durchdringend an). Reden Sie nicht aus,
  • mein Herr. Sie sind auf dem Wege, sich etwas Entsetzliches zu
  • wünschen.
  • Wurm (im Begriff, ihre Hand zu küssen). Gesetzt, es wäre diese
  • niedliche Hand--Wie so, liebe Jungfer?
  • Luise (groß und schrecklich). Weil ich dich in der Brautnacht
  • erdrosselte und mich dann mit Wollust aufs Rad flechten ließe. (Sie
  • will gehen, kommt aber schnell zurück.) Sind wir jetzt fertig, mein
  • Herr? Darf die Taube nun fliegen?
  • Wurm. Nur noch die Kleinigkeit, Jungfer. Die müssen mit mir und das
  • Sacrament darauf nehmen, diesen Brief für einen freiwilligen zu
  • erkennen.
  • Luise. Gott! Gott! und du selbst mußt das Siegel geben, die Werke
  • der Hölle zu verwahren? (Wurm zieht sie fort.)
  • Vierter Akt.
  • Erste Scene.
  • Saal beim Präsidenten.
  • Ferdinand von Walter, einen offenen Brief in der Hand, kommt
  • stürmisch durch eine Thüre, durch eine andere ein Kammerdiener.
  • Ferdinand. War kein Marschall da?
  • Kammerdiener. Herr Major, der Herr Präsident fragt nach Ihnen.
  • Ferdinand. Alle Donner! Ich frag', war kein Marschall da?
  • Kammerdiener. Der gnädige Herr sitzt oben am Pharotisch.
  • Ferdinand. Der gnädige Herr soll im Namen der ganzen Hölle daher
  • kommen. (Kammerdiener geht.)
  • Zweite Scene.
  • Ferdinand allein, den Brief durchfliegend, bald erstarrend, bald
  • wüthend herumstürzend.
  • Es ist nicht möglich! nicht möglich! Diese himmlische Hülle
  • versteckt kein so teuflisches Herz--Und doch! doch! Wenn alle Engel
  • herunter stiegen, für ihre Unschuld bürgten--wenn Himmel und Erde,
  • wenn Schöpfung und Schöpfer zusammenträten, für ihre Unschuld
  • bürgten--es ist ihre Hand--Ein unerhörter, ungeheurer Betrug, wie die
  • Menschheit noch keinen erlebte!--Das also war's, warum man sich so
  • beharrlich der Flucht widersetzt!--Darum--o Gott! jetzt erwach' ich,
  • jetzt enthüllt sich mir Alles!--Darum gab man seinen Anspruch auf
  • meine Liebe mit so viel Heldenmuth auf, und bald, bald hätte selbst
  • mich die himmlische Schminke betrogen!
  • (Er stürzt rascher durchs Zimmer, dann steht er wieder nachdenkend
  • still.)
  • Mich so ganz zu ergründen!--Jedes kühne Gefühl, jede leise
  • schüchterne Bebung zu erwiedern, jede feurige Wallung--An der
  • feinsten Unbeschreiblichkeit eines schwebenden Lauts meine Seele zu
  • fassen--Mich zu berechnen in einer Thräne--Auf jeden gähen Gipfel der
  • Leidenschaft mich zu begleiten, mir zu begegnen vor jedem
  • schwindelnden Absturz--Gott! Gott! und alles Das nichts als
  • Grimasse?--Grimasse? O, wenn die Lüge eine so haltbare Farbe hat,
  • wie ging es zu, daß sich kein Teufel noch in das Himmelreich
  • hineinlog?
  • Da ich ihr die Gefahr unsrer Liebe entdeckte, mit welch überzeugender
  • Täuschung erblaßte die Falsche da! Mit welch siegender Würde schlug
  • sie den frechen Hohn meines Vaters zu Boden, und in eben dem
  • Augenblick fühlte das Weib sich doch schuldig!--Was? hielt sie nicht
  • selbst die Feuerprobe der Wahrheit aus--die Heuchlerin sinkt in
  • Ohnmacht. Welche Sprache wirst du jetzt führen, Empfindung? Auch
  • Koketten sinken in Ohnmacht. Womit wirst du dich rechtfertigen,
  • Unschuld?--Auch Metzen sinken in Ohnmacht.
  • Sie weiß, was sie aus mir gemacht hat. Sie hat meine ganze Seele
  • gesehen. Mein Herz trat beim Erröthen des ersten Kusses sichtbar in
  • meine Augen--und sie empfand nichts? empfand vielleicht nur den
  • Triumph ihrer Kunst?--Da mein glücklicher Wahnsinn den ganzen Himmel
  • in ihr zu umspannen wähnte, meine wildesten Wünsche schwiegen--vor
  • meinem Gemüth stand kein Gedanke, als die Ewigkeit und das
  • Mädchen--Gott! da empfand sie nichts? fühlte nichts, als ihren
  • Anschlag gelungen? nichts, als ihre Reize geschmeichelt? Tod und
  • Rache! Nichts! als daß ich betrogen sei?
  • Dritte Scene.
  • Der Hofmarschall und Ferdinand.
  • Hofmarschall (ins Zimmer trippelnd). Sie haben den Wunsch blicken
  • lassen, mein Bester-Ferdinand (vor sich hinmurmelnd). Einem Schurken
  • den Hals zu brechen. (Laut.) Marschall, dieser Brief muß Ihnen bei
  • der Parade aus der Tasche gefallen sein--und ich (mit boshaftem
  • Lachen) war zum Glück noch der Finder.
  • Hofmarschall. Sie?
  • Ferdinand. Durch den lustigsten Zufall. Machen Sie's mit der
  • Allmacht aus.
  • Hofmarschall. Sie sehen, wie ich erschrecke, Baron.
  • Ferdinand. Lesen Sie! Lesen Sie! (Von ihm weggehend.) Bin ich auch
  • schon zum Liebhaber zu schlecht, vielleicht lass' ich mich desto
  • besser als Kuppler an.
  • (Während Jener liest, tritt er zur Wand und nimmt zwei Pistolen
  • herunter.)
  • Hofmarschall (wirft den Brief auf den Tisch und will sich davon
  • machen). Verflucht!
  • Ferdinand (führt ihn am Arm zurück). Geduld, lieber Marschall. Die
  • Zeitungen dünken mich angenehm. Ich will meinen Finderlohn haben.
  • (Hier zeigt er ihm die Pistolen.)
  • Hofmarschall (tritt bestürzt zurück). Sie werden vernünftig sein,
  • Bester.
  • Ferdinand (mit starker, schrecklicher Stimme). Mehr als zu viel, um
  • einen Schelmen, wie du bist, in jene Welt zu schicken! (Er dringt
  • ihm die eine Pistole auf, zugleich zieht er sein Schnupftuch.) Nehmen
  • Sie! Dieses Schnupftuch da fassen Sie!--Ich hab's von der Buhlerin.
  • Hofmarschall. Über dem Schnupftuch? Rasen Sie? Wohin denken Sie?
  • Ferdinand. Faß dieses End' an, sag' ich! sonst wirst du ja fehl
  • schießen, Memme!--Wie sie zittert, die Memme! Du solltest Gott
  • danken, Memme, daß du zum ersten Mal etwas in deinen Hirnkasten
  • kriegst. (Hofmarschall macht sich auf die Beine.) Sachte! dafür wird
  • gebeten sein. (Er überholt ihn und riegelt die Thür.)
  • Hofmarschall. Auf dem Zimmer, Baron?
  • Ferdinand. Als ob sich mit dir ein Gang vor den Wall
  • verlohnte?--Schatz, so knallt's desto lauter, und das ist ja doch
  • wohl das erste Geräusch, das du in der Welt machst--Schlag an!
  • Hofmarschall (wischt sich die Stirn). Und Sie wollen Ihr kostbares
  • Leben so aussetzen, junger, hoffnungsvoller Mann?
  • Ferdinand. Schlag an, sag' ich. Ich habe nichts mehr in dieser Welt
  • zu thun.
  • Hofmarschall. Aber ich desto mehr, mein Allervortrefflichster.
  • Ferdinand. Du, Bursche? Was, du?--Der Nothnagel zu sein, wo die
  • Menschen sich rar machen? In einem Augenblick siebenmal kurz und
  • siebenmal lang zu werden, wie der Schmetterling an der Nadel? Ein
  • Register zu führen über die Stuhlgänge deines Herrn und der Miethgaul
  • seines Witzes zu sein? Eben so gut, ich führe dich, wie irgend ein
  • seltenes Murmelthier mit mir. Wie ein zahmer Affe sollst du zum
  • Geheul der Verdammten tanzen, apportieren und aufwarten und mit
  • deinen höfischen Künsten die ewige Verzweiflung belustigen.
  • Hofmarschall. Was Sie befehlen, Herr! wie Sie belieben--Nur die
  • Pistolen weg!
  • Ferdinand. Wie er dasteht, der Schmerzenssohn!--Dasteht dem sechsten
  • Schöpfungstag zum Schimpfe! Als wenn ihn ein Tübinger Buchhändler
  • dem Allmächtigen nachgedruckt hätte!--Schade nur, ewig Schade für die
  • Unze Gehirn, die so schlecht in diesem undankbaren Schädel wuchert.
  • Diese einzige Unze hätte dem Pavian noch vollends zum Menschen
  • geholfen, da sie jetzt nur einen Bruch von Vernunft macht--Und mit
  • Diesem ihr Herz zu theilen?--Ungeheuer! Unverantwortlich!--Einem
  • Kerl, mehr gemacht, von Sünden zu entwöhnen, als dazu anzureizen.
  • Hofmarschall. O! Gott sei ewig Dank! Er wird witzig.
  • Ferdinand. Ich will ihn gelten lassen. Die Toleranz, die der
  • Raupe schont, soll auch Diesem zu gute kommen. Man begegnet
  • ihm, zuckt etwa die Achsel, bewundert vielleicht noch die kluge
  • Wirthschaft des Himmels, der auch mit Träbern und Bodensatz noch
  • Creaturen speist; der dem Raben am Hochgericht und einem Höfling
  • im Schlamme der Majestäten den Tisch deckt--Zuletzt erstaunt man
  • noch über die große Polizei der Vorsicht, die auch in der
  • Geisterwelt ihre Blindschleichen und Taranteln zur Ausfuhr des
  • Gifts besoldet--Aber (indem seine Wuth sich erneuert) an meine
  • Blume soll mir das Ungeziefer nicht kriechen, oder ich will es
  • (den Marschall fassend und unsanft herumschüttelnd) so, und so,
  • und wieder so durcheinander quetschen.
  • Hofmarschall (für sich hinseufzend). O mein Gott! Wer hier weg wäre!
  • Hundert Meilen von hier, im Bicêtre zu Paris, nur bei Diesem nicht!
  • Ferdinand. Bube! Wenn sie nicht rein mehr ist? Bube! wenn du
  • genossest, wo ich anbetete? (wüthender) Schwelgtest, wo ich einen
  • Gott mich fühlte. (Plötzlich schweigt er, darauf fürchterlich.) Dir
  • wäre besser, Bube, du flöhest der Hölle zu, als daß dir mein Zorn im
  • Himmel begegnete!--Wie weit kamst du mit dem Mädchen? Bekenne!
  • Hofmarschall. Lassen Sie mich los. Ich will Alles verrathen.
  • Ferdinand. O! es muß reizender sein, mit diesem Mädchen zu buhlen,
  • als mit andern noch so himmlisch zu schwärmen--Wollte sie
  • ausschweifen, wollte sie, sie könnte den Werth der Seele
  • herunterbringen und die Tugend mit der Wollust verfälschen. (Dem
  • Marschall die Pistole aufs Herz drückend.) Wie weit kamst du mit ihr?
  • Ich drücke ab, oder bekenne!
  • Hofmarschall. Es ist nichts--ist ja Alles nichts. Haben Sie nur
  • eine Minute Geduld. Sie sind ja betrogen.
  • Ferdinand. Und daran mahnst du mich, Bösewicht?--Wie weit kamst du
  • mit ihr? Du bist des Todes, oder bekenne!
  • Hofmarschall. Mon Dieu! Mein Gott! Ich spreche ja--so hören Sie
  • doch nur--Ihr Vater--Ihr eigener, leiblicher Vater-Ferdinand
  • (grimmiger). Hat seine Tochter an dich verkuppelt? Und wie weit
  • kamst du mit ihr? Ich ermorde dich, oder bekenne!
  • Hofmarschall. Sie rasen. Sie hören nicht. Ich sah sie nie. Ich
  • kenne sie nicht. Ich weiß gar nichts von ihr.
  • Ferdinand (zurücktretend). Du sahst sie nie? Kennst sie nicht?
  • Weißt gar nichts von ihr?--Die Miller ist ist verloren um
  • deinetwillen; die leugnest sie dreimal in einem Athem hinweg?--Fort,
  • schlechter Kerl! (Er gibt ihm mit der Pistole einen Streich und
  • stößt ihn aus dem Zimmer.) Für deines Gleichen ist kein Pulver
  • erfunden!
  • Vierte Scene.
  • Ferdinand nach einem langen Stillschweigen, worin seine Züge einen
  • schrecklichen Gedanken entwickeln.
  • Verloren! ja, Unglückselige!--Ich bin es. Du bist es auch. Ja, bei
  • dem großen Gott! wenn ich verloren bin, bist du es auch! Richter der
  • Welt! Fordre sie mir nicht ab! Das Mädchen ist mein. Ich trat dir
  • deine ganze Welt für das Mädchen ab, habe Verzicht gethan auf deine
  • ganze herrliche Schöpfung. Laß mir das Mädchen.--Richter der Welt!
  • dort winseln Millionen Seelen nach dir--dorthin kehre das Auge deines
  • Erbarmens--mich laß allein machen, Richter der Welt! (Indem er
  • schrecklich die Hände faltet.) Sollte der reiche, vermögende Schöpfer
  • mit einer Seele geizen, die noch dazu die schlechteste seiner
  • Schöpfung ist?--Das Mädchen ist mein! Ich einst ihr Gott, jetzt ihr
  • Teufel!
  • (Die Augen graß in einen Winkel geworfen.)
  • Eine Ewigkeit mit ihr auf ein Rad der Verdammniß geflochten--Augen in
  • Augen wurzelnd--Haare zu Berge stehend gegen Haare--auch unser hohles
  • Wimmern in eins geschmolzen--und jetzt zu wiederholen meine
  • Zärtlichkeiten und jetzt ihr vorzusingen ihre Schwüre--Gott! Gott!
  • die Vermählung ist fürchterlich--aber ewig! (Er will schnell hinaus.
  • Der Präsident tritt herein.)
  • Fünfte Scene.
  • Der Präsident und Ferdinand.
  • Ferdinand (zurücktretend). O!--mein Vater!
  • Präsident. Sehr gut, daß wir uns finden, mein Sohn. Ich komme, dir
  • etwas Angenehmes zu verkündigen, und etwas, lieber Sohn, das dich
  • ganz gewiß überraschen wird. Wollen wir uns setzen?
  • Ferdinand (sieht ihn lange Zeit starr an). Mein Vater! (Mit
  • stärkerer Bewegung zu ihm gehend und seine Hand fassend.) Mein Vater!
  • (Seine Hand küssend, vor ihm niederfallend.) O mein Vater!
  • Präsident. Was ist dir, mein Sohn? Steh auf. Deine Hand brennt und
  • zittert.
  • Ferdinand (mit wilder, feuriger Empfindung). Verzeihung für meinen
  • Undank, mein Vater! Ich bin ein verworfener Mensch. Ich habe Ihre
  • Güte mißkannt! Sie meinten es mit mir so väterlich!--O! Sie hatten
  • eine weissagende Seele--jetzt ist's zu spät--Verzeihung! Verzeihung!
  • Ihren Segen, mein Vater!
  • Präsident (heuchelt eine schuldlose Miene). Steh auf, mein Sohn!
  • Besinne dich, daß du mir Räthsel sprichst.
  • Ferdinand. Diese Millerin, mein Vater--O, Sie kennen den
  • Menschen--Ihre Wuth war damals so gerecht, so edel, so väterlich
  • warm--nur verfehlte der warme Vatereifer des Weges--diese Millerin!
  • Präsident. Martre mich nicht, mein Sohn. Ich verfluche meine Härte!
  • Ich bin gekommen, dir abzubitten.
  • Ferdinand. Abbitten an mir! Verfluchen an mir!--Ihre Mißbilligung
  • war Weisheit. Ihre Härte war himmlisches Mitleid--Diese Millerin,
  • Vater-Präsident. Ist ein edles, ein liebes Mädchen.--Ich widerrufe
  • meinen übereilten Verdacht. Sie hat meine Achtung erworben.
  • Ferdinand (springt erschüttert auf). Was? auch Sie?--Vater! auch
  • Sie?--und nicht wahr, mein Vater, ein Geschöpf wie die Unschuld?--Und
  • es ist so menschlich, dieses Mädchen zu lieben?
  • Präsident. Sage so: es ist Verbrechen, sie nicht zu lieben.
  • Ferdinand. Unerhört! Ungeheuer!--Und Sie schauen ja doch sonst die
  • Herzen so durch! Sahen sie noch dazu mit Augen des Hasses!
  • --Heuchelei ohne Beispiel--Diese Millerin, Vater-Präsident. Ist es
  • werth, meine Tochter zu sein. Ich rechne ihre Tugend für Ahnen und
  • ihre Schönheit für Gold. Meine Grundsätze weichen deiner Liebe--Sie
  • sei dein!
  • Ferdinand (stürzt fürchterlich aus dem Zimmer). Das fehlte noch!
  • --Leben Sie wohl, mein Vater. (Ab.)
  • Präsident (ihm nachgehend). Bleib! Bleib! Wohin stürmst du? (Ab.)
  • Sechste Scene.
  • Ein prächtiger Saal bei der Lady.
  • Lady und Sophie treten herein.
  • Lady. Also sahst du sie? Wird sie kommen?
  • Sophie. Diesen Augenblick. Sie war noch im Hausgewand und wollte
  • sich nur in der Geschwindigkeit umkleiden.
  • Lady. Sage mir nichts von ihr--Stille--wie eine Verbrecherin zittre
  • ich, die Glückliche zu sehen, die mit meinem Herzen so schrecklich
  • harmonisch fühlt--Und wie nahm sie sich bei der Einladung?
  • Sophie. Sie schien bestürzt, wurde nachdenkend, sah mich mit großen
  • Augen an und schwieg. Ich hatt mich schon auf ihre Ausflüchte
  • vorbereitet, als sie mit einem Blick, der mich ganz überraschte, zur
  • Antwort gab: Ihre Dame befiehlt mir, was ich mir morgen erbitten
  • wollte.
  • Lady (sehr unruhig). Laß mich, Sophie. Beklage mich. Ich muß
  • erröthen, wenn sie nur das gewöhnliche Weib ist, und wenn sie mehr
  • ist, verzagen.
  • Sophie. Aber, Milady--das ist die Laune nicht, eine Nebenbuhlerin zu
  • empfangen. Erinnern Sie sich, wer Sie sind. Rufen Sie Ihre Geburt,
  • Ihren Rang, Ihre Macht zu Hilfe. Ein stolzeres Herz muß die stolze
  • Pracht Ihres Anblicks erheben.
  • Lady (zerstreut). Was schwatzt die Närrin da?
  • Sophie (boshaft). Oder ist es vielleicht Zufall, daß eben heute die
  • kostbarsten Brillanten an Ihnen blitzen? Zufall, daß eben heute der
  • reichste Stoff Sie bekleiden muß--daß Ihre Antichambre von Heiducken
  • und Pagen wimmelt und das Bürgermädchen im fürstlichen Saal Ihres
  • Palastes erwartet wird?
  • Lady (auf und ab voll Erbitterung). Verwünscht! Unerträglich! Daß
  • Weiber für Weiberschwächen solche Luchsaugen haben!--Aber wie tief,
  • wie tief muß ich schon gesunken sein, daß eine solche Creatur mich
  • ergründet!
  • Ein Kammerdiener (tritt auf). Mamsell Millerin-Lady (zu Sophien).
  • Hinweg, du! Entferne dich! (Drohend, da diese noch zaudert.) Hinweg!
  • Ich befehl' es! (Sophie geht ab, Lady macht einen Gang durch den
  • Saal.) Gut! Recht gut, daß ich in Wallung kam! Ich bin, wie ich
  • wünschte! (Zum Kammerdiener.) Die Mamsell mag hereintreten.
  • (Kammerdiener geht. Sie wirft sich in den Sopha und nimmt eine
  • vornehm-nachlässige Lage an.)
  • Siebente Scene.
  • Luise Millerin tritt schüchtern herein und bleibt in einer großen
  • Entfernung von der Lady stehen; Lady hat ihr den Rücken zugewandt und
  • betracht sie eine Zeit lang aufmerksam in dem gegenüber stehenden
  • Spiegel. (Nach einer Pause.)
  • Luise. Gnädige Frau, ich erwarte Ihre Befehle.
  • Lady (dreht sich nach Luisen um und nickt nur eben mit dem Kopfe,
  • fremd und zurückgezogen). Aha! Ist Sie hier?--Ohne Zweifel die
  • Mamsell--eine gewisse--wie nennt man Sie doch?
  • Luise (etwas empfindlich). Miller nennt sich mein Vater, und Ihro
  • Gnaden schickten nach seiner Tochter.
  • Lady. Recht! Recht! ich entsinne mich--die arme Geigerstochter,
  • wovon neulich die Rede war. (Nach einer Pause vor sich.) Seht
  • interessant, und doch keine Schönheit--(Laut zu Luisen.) Treten Sie
  • näher, mein Kind. (Wieder vor sich.) Augen, die sich im Weinen
  • übten--Wie lieb' ich sie, diese Augen! (Wiederum laut.) Nur
  • näher--Nur ganz nah--Gutes Kind, ich glaube, du fürchtest mich?
  • Luise (groß, mit entschiedenem Ton). Nein, Milady. Ich verachte das
  • Urtheil der Menge.
  • Lady (vor sich). Sieh doch! und diesen Trotzkopf hat sie von ihm.
  • (Laut.) Man hat Sie mir empfohlen, Mamsell. Sie soll was gelernt
  • haben und sonst auch zu leben wissen--Nun ja. Ich will's
  • glauben--auch nähm' ich die ganze Welt nicht, einen so warmen
  • Fürsprecher Lügen zu strafen.
  • Luise. Doch kenn' ich Niemand, Milady, der sich Mühe gäbe, mir eine
  • Patronin zu suchen.
  • Lady (geschraubt). Mühe um die Clientin oder Patronin?
  • Luise. Das ist mir zu hoch, gnädige Frau.
  • Lady. Mehr Schelmerei, als diese offene Bildung vermuthen läßt!
  • Luise nennt sie sich? Und wie jung, wenn man fragen darf?
  • Luise. Sechzehn gewesen.
  • Lady (steht rasch auf). Nun ist's heraus! Sechzehn Jahre! Der
  • erste Puls dieser Leidenschaft!--Auf dem unberührten Clavier der
  • erste einweihende Silberton--Nichts ist verführender--Setz dich, ich
  • bin dir gut, liebes Mädchen--Und auch er liebt zum ersten Mal--Was
  • Wunder, wenn sich die Strahlen eines Morgenroths finden? (Sehr
  • freundlich und ihre Hand ergreifend.) Es bleibt dabei, ich will dein
  • Glück machen, Liebe--Nichts, nichts als die süße, frühe verfliegende
  • Träumerei. (Luisen auf die Wange klopfend.) Meine Sophie heirathet.
  • Du sollst ihre Stelle haben--Sechzehn Jahr! Es kann nicht von Dauer
  • sein.
  • Luise (küßt ihr ehrerbietig die Hand). Ich danke für diese Gnade,
  • Milady, als wenn ich sie annehmen dürfte.
  • Lady (in Entrüstung zurückfallend). Man sehe die große Dame!--Sonst
  • wissen sich Jungfern Ihrer Herkunft noch glücklich, wenn sie
  • Herrschaften finden--Wo will denn Sie hinaus, meine Kostbare? Sind
  • diese Finger zur Arbeit zu niedlich? Ist es Ihr Bischen Gesicht,
  • worauf Sie so trotzig thut?
  • Luise. Mein Gesicht, gnädige Frau, gehört mir so wenig, als meine
  • Herkunft.
  • Lady. Oder glaubt Sie vielleicht, das werde nimmer ein Ende
  • nehmen?--Armes Geschöpf, wer dir das in den Kopf setzte--mag er sein,
  • wer er will--er hat euch Beide zum Besten gehabt. Diese Wangen sind
  • nicht im Feuer vergoldet. Was dir dein Spiegel für massiv und ewig
  • verkauft, ist nur ein dünner, angeflogener Goldschaum, der deinem
  • Anbeter über kurz oder lang in der Hand bleiben muß--Was werden wir
  • dann machen?
  • Luise. Den Anbeter bedauern, Milady, der einen Demant kaufte, weil
  • er in Gold schien gefaßt zu sein.
  • Lady (ohne darauf achten zu wollen). Ein Mädchen von Ihren
  • Jahren hat immer zween Spiegel zugleich, den wahren und ihren
  • Bewunderer--die gefällige Geschmeidigkeit des letztern macht die
  • rauhe Offenherzigkeit des erstern wieder gut. Der eine rügt eine
  • häßliche Blatternarbe. Weit gefehlt, sagt der andere, es ist ein
  • Grübchen der Grazien. Ihr guten Kinder glaubt jenem nur, was euch
  • dieser gesagt hat, hüpft von einem zum andern, bis ihr zuletzt die
  • Aussagen beider verwechselt--Warum begaffen Sie mich so?
  • Luise. Verzeihen Sie, gnädige Frau--Ich war so eben im Begriff,
  • diesen prächtig blitzenden Rubin zu beweinen, der es nicht wissen muß,
  • daß seine Besitzerin so scharf wider Eitelkeit eifert.
  • Lady (erröthend). Keinen Seitensprung, Lose!--Wenn es nicht die
  • Promessen Ihrer Gestalt sind, was in der Welt könnte Sie abhalten,
  • einen Stand zu erwählen, der der einzige ist, wo Sie Manieren und
  • Welt lernen kann, der einzige ist, wo Sie sich Ihrer bürgerlichen
  • Vorurtheile entledigen kann?
  • Luise. Auch meiner bürgerlichen Unschuld, Milady?
  • Lady. Läppischer Einwurf! Der ausgelassenste Bube ist zu verzagt,
  • uns etwas Beschimpfendes zuzumuthen, wenn wir ihm nicht selbst
  • ermunternd entgegen gehn. Zeige Sie, wer Sie ist. Gebe Sie sich
  • Ehre und Würde, und ich sage Ihrer Jugend für alle Versuchung gut.
  • Luise. Erlauben Sie, gnädige Frau, daß ich mich unterstehe, daran zu
  • zweifeln. Die Paläste gewisser Damen sind oft die Freistätten der
  • frechsten Ergötzlichkeit. Wer sollte der Tochter des armen Geigers
  • den Heldenmuth zutrauen, den Heldenmuth, mitten in die Pest sich zu
  • werfen und doch dabei vor der Vergiftung zu schaudern? Wer sollte
  • sich träumen lassen, daß Lady Milford ihrem Gewissen einen ewigen
  • Skorpion halte, daß sie Geldsummen aufwende, um den Vortheil zu haben,
  • jeden Augenblick schamroth zu werden?--Ich bin offenherzig, gnädige
  • Frau--Würde Sie mein Anblick ergötzen, wenn Sie einem Vergnügen
  • entgegen gingen? Würden Sie ihn ertragen, wenn Sie zurückkämen?--O
  • besser, besser, Sie lassen Himmelsstriche uns trennen--Sie lassen
  • Meere zwischen uns fließen!--Sehen Sie sich wohl für, Milady--Stunden
  • der Nüchternheit, Augenblicke der Erschöpfung könnten sich
  • melden--Schlangen der Reue könnten Ihren Busen anfallen, und
  • nun--welche Folter für Sie, im Gesicht Ihres Dienstmädchens die
  • heitre Ruhe zu lesen, womit die Unschuld ein reines Herz zu belohnen
  • pflegt. (Sie tritt einen Schritt zurück.) Noch einmal, gnädige Frau.
  • Ich bitte sehr um Vergebung.
  • Lady (in großer innrer Bewegung herumgehend). Unerträglich, daß sie
  • mir das sagt! Unerträglicher, daß sie Recht hat! (Zu Luisen tretend
  • und ihr starr in die Augen sehend.) Mädchen, du wirst mich nicht
  • überlisten. So warm sprechen Meinungen nicht. Hinter diesen Maximen
  • lauert ein feurigeres Interessen, das dir meine Dienste besonders
  • abscheulich malt--das dein Gespräch so erhitzte--das ich (drohend)
  • entdecken muß.
  • Luise (gelassen und edel). Und wenn Sie es nun entdeckten? Und
  • wenn Ihr verächtlicher Fersenstoß den beleidigten Wurm aufweckte,
  • dem sein Schöpfer gegen Mißhandlung noch einen Stachel gab?--Ich
  • fürchte Ihre Rache nicht, Lady--Die arme Sünderin auf dem
  • berüchtigten Henkerstuhl lacht zum Weltuntergang. Mein Elend ist
  • so hoch gestiegen, daß selbst Aufrichtigkeit es nicht mehr
  • vergrößern kann. (Nach einer Pause sehr ernsthaft.) Sie wollen
  • mich aus dem Staub meiner Herkunft reißen. Ich will sie nicht
  • zergliedern, diese verdächtige Gnade. Ich will nur fragen, was
  • Milady bewegen konnte, mich für die Thörin zu halten, die über
  • ihre Herkunft erröthet? Was sie berechtigen konnte, sich zur
  • Schöpferin meines Glücks aufzuwerfen, ehe sie noch wußte, ob ich
  • mein Glück auch von ihren Händen empfangen wollte?--Ich hatte
  • meinen ewigen Anspruch auf die Freuden der Welt zerrissen. Ich
  • hatte dem Glück seine Übereilung vergeben--Warum mahnen Sie mich
  • aufs Neu an dieselbe?--Wenn selbst die Gottheit dem Blick der
  • Erschaffenen ihre Strahlen verbirgt, daß nicht ihr oberster Seraph
  • vor seiner Verfinsterung zurückschaure--warum wollen Menschen so
  • grausam-barmherzig sein?--Wie kommt es, Milady, daß Ihr
  • gepriesenes Glück das Elend so gern um Neid und Bewunderung
  • anbettelt?--Hat Ihre Wonne die Verzweiflung so nöthig zur
  • Folie?--O lieber! so gönnen Sie mir doch eine Blindheit, die mich
  • allein noch mit meinem barbarischen Loos versöhnt--Fühlt sich doch
  • das Insekt in einem Tropfen Wassers so selig, als wär' es ein
  • Himmelreich, so froh und so selig, bis man ihm von einem Weltmeer
  • erzählt, worin Flotten und Wallfische spielen!--Aber glücklich
  • wollen Sie mich ja wissen? (Nach einer Pause plötzlich zur Lady
  • hintretend und mit Überraschung fragend:) Sind Sie glücklich,
  • Milady? (Diese verläßt sie schnell und betroffen, Luise folgt ihr
  • und hält ihr die Hand vor den Busen.) Hat dieses Herz auch die
  • lachende Gestalt Ihres Standes? Und wenn wir jetzt Brust gegen
  • Brust und Schicksal gegen Schicksal auswechseln sollten--und wenn
  • ich in kindlicher Unschuld--und wenn ich auf Ihr Gewissen--und
  • wenn ich als meine Mutter Sie fragte--würden Sie mir wohl zu dem
  • Tausche rathen?
  • Lady (heftig bewegt in den Sopha sich werfend). Unerhört!
  • Unbegreiflich! Nein, Mädchen! Nein! Diese Größe hast du nicht auf
  • die Welt gebracht, und für einen Vater ist sie zu jugendlich. Lüge
  • mir nicht. Ich höre einen andern Lehrer-Luise (fein und scharf ihr
  • in die Augen sehend). Es sollte mich doch wundern, Milady, wenn Sie
  • jetzt erst auf diesen Lehrer fielen, und doch vorhin schon eine
  • Condition für mich wußten.
  • Lady (springt auf). Es ist nicht auszuhalten!--Ja denn! weil ich
  • dir doch nicht entwischen kann. Ich kenn' ihn--weiß Alles--weiß
  • mehr, als ich wissen mag. (Plötzlich hält sie inne, darauf mit
  • einer Heftigkeit, die nach und nach bis beinahe zum Toben steigt.)
  • Aber wag' es, Unglückliche--wag' es, ihn jetzt noch zu lieben oder
  • von ihm geliebt zu werden--Was sage ich?--Wag' es, an ihn zu
  • denken oder einer von seinen Gedanken zu sein--Ich bin mächtig,
  • Unglückliche--fürchterlich--so wahr Gott lebt! Du bist verloren!
  • Luise (standhaft). Ohne Rettung, Milady, sobald Sie ihn zwingen, daß
  • er Sie lieben muß.
  • Lady. Ich verstehe dich--aber er soll mich nicht lieben. Ich will
  • über diese schimpfliche Leidenschaft siegen, mein Herz unterdrücken
  • und das deinige zermalmen--Felsen und Abgründe will ich zwischen euch
  • werfen; eine Furie will ich mitten durch euren Himmel gehen; mein
  • Name soll eure Küsse, wie ein Gespenst Verbrecher, auseinander
  • scheuchen; deine junge blühende Gestalt unter seiner Umarmung welk,
  • wie eine Mumie, zusammenfallen--Ich kann nicht mit ihm glücklich
  • werden--aber du sollst es auch nicht werden--Wisse das, Elende!
  • Seligkeit zerstören ist auch Seligkeit.
  • Luise. Eine Seligkeit, um die man Sie schon gebracht hat, Milady.
  • Lästern Sie Ihr eigenes Herz nicht. Sie sind nicht fähig, Das
  • auszuüben, was Sie so drohend auf mich herabschwören. Sie sind nicht
  • fähig, ein Geschöpf zu quälen, das Ihnen nichts zu Leide gethan, als
  • daß es empfunden hat wie Sie--Aber ich liebe Sie um dieser Wallung
  • willen, Milady.
  • Luise (die sich jetzt gefaßt hat). Wo bin ich? Wo war ich? Was
  • hab' ich merken lassen? Wen hab' ich's merken lassen?--O Luise, edle,
  • große, göttliche Seele! Vergib's einer Rasenden--Ich will dir kein
  • Haar kränken, mein Kind. Wünsche! Fordre! Ich will dich auf den
  • Händen tragen, deine Freundin, deine Schwester will ich sein--Du bist
  • arm--Sieh! (Einige Brillanten herunternehmend.) Ich will diesen
  • Schmuck verkaufen--meine Garderobe, Pferd und Wagen verkaufen--Dein
  • sei Alles, aber entsag' ihm!
  • Luise (tritt zurück voll Befremdung). Spottet sie einer
  • Verzweifelnden, oder sollte sie an der barbarischen That im Ernst
  • keinen Antheil gehabt haben?--Ha! So könnt' ich mir ja noch den
  • Schein einer Heldin geben und meine Ohnmacht zu einem Verdienst
  • aufputzen. (Sie steht eine Weile gedankenvoll, dann tritt sie näher
  • zur Lady, faßt ihre Hand und sieht sie starr und bedeutend an.)
  • Nehmen Sie ihn denn hin, Milady!--Freiwillig tret' ich Ihnen ab den
  • Mann, den man mit Haken der Hölle von meinem blutenden Herzen riß.
  • --Vielleicht wissen Sie es selbst nicht, Milady, aber Sie haben den
  • Himmel zweier Liebenden geschleift, von einander gezerrt zwei Herzen,
  • die Gott aneinander band; zerschmettert ein Geschöpf, das ihm nahe
  • ging wie Sie, das er zur Freude schuf wie Sie, das ihn gepriesen hat
  • wie Sie, und ihn nun nimmermehr preisen wird--Lady! ins Ohr des
  • Allwissenden schreit auch der letzte Krampf des zertretenen Wurms--Es
  • wird ihm nicht gleichgültig sein, wenn man Seelen in seinen Händen
  • mordet! Jetzt ist er Ihnen! Jetzt, Milady, nehmen Sie ihn hin!
  • Rennen Sie in seine Arme! Reißen Sie ihn zum Altar--Nur vergessen
  • Sie nicht, daß zwischen Ihren Brautkuß das Gespenst einer
  • Selbstmörderin stürzen wird--Gott wird barmherzig sein--Ich kann mir
  • nicht anders helfen! (Sie stürzt hinaus.)
  • Achte Scene.
  • Lady allein, steht erschüttert und außer sich, den starren Blick nach
  • der Thüre gerichtet, durch welche die Millerin weggeeilt; endlich
  • erwacht sie aus ihrer Betäubung.
  • Wie war das? Wie geschah mir? Was sprach die Unglückliche?--Noch, o
  • Himmel! noch zerreißen sie meine Ohren, die fürchterlichen, mich
  • verdammenden Worte: nehmen Sie ihn hin!--Wen, Unglückselige? das
  • Geschenk deines Sterberöchelns--das schauervolle Vermächtniß deiner
  • Verzweiflung? Gott! Gott! Bin ich so tief gesunken--so plötzlich
  • von allen Thronen meines Stolzes herabgestürzt, daß ich heißhungrig
  • erwarte, was einer Bettlerin Großmuth aus ihrem letzten Todeskampfe
  • mir zuwerfen wird?--Nehmen Sie ihn hin! und das spricht sie mit einem
  • Tone, begleitet sie mit einem Blick--Ha! Emilie! bist du darum über
  • die Grenzen deines Geschlechts weggeschritten? Mußtest du darum um
  • den prächtigen Namen des großen brittischen Weibes buhlen, daß das
  • prahlende Gebäude deiner Ehre neben der höheren Tugend einer
  • verwahrlosten Bürgerdirne versinken soll?--Nein, stolze Unglückliche!
  • nein!--Beschämen läßt sich Emilie Milford--doch beschimpfen nie!
  • Auch ich habe Kraft, zu entsagen.
  • (Mit majestätischen Schritten auf und nieder.)
  • Verkrieche dich jetzt, weiches, leidendes Weib!--Fahret hin, süße,
  • goldene Bilder der Liebe--Großmuth allein sei jetzt meine
  • Führerin!--Dieses liebende Paar ist verloren, oder Milford muß
  • ihren Anspruch vertilgen und im Herzen des Fürsten erlöschen!
  • (Nach einer Pause, lebhaft.) Es ist geschehen!--Gehoben das
  • furchtbare Hinderniß--zerbrochen alle Bande zwischen mir und dem
  • Herzog, gerissen aus meinem Busen diese wüthende Liebe!--In deine
  • Arme werf' ich mich, Tugend!--Nimm sie auf, deine reuige Tochter
  • Emilie!--Ha! wie mir so wohl ist! Wie ich auf einmal so leicht,
  • so gehoben mich fühle!--Groß, wie eine fallende Sonne, will ich
  • heut vom Gipfel meiner Hoheit heruntersinken, meine Herrlichkeit
  • sterbe mit meiner Liebe, und nichts als mein Herz begleite mich in
  • diese stolze Verweisung. (Entschlossen zum Schreibpult gehend.)
  • Jetzt gleich muß es geschehen--jetzt auf der Stelle, ehe die Reize
  • des lieben Jünglings den blutigen Kampf meines Herzens erneuern.
  • (Sie setzt sich nieder und fängt an zu schreiben.)
  • Neunte Scene.
  • Lady. Ein Kammerdiener. Sophie, hernach der Hofmarschall, zuletzt
  • Bedienter.
  • Kammerdiener. Hofmarschall von Kalb stehen im Vorzimmer mit einem
  • Auftrag vom Herzog.
  • Lady (in der Hitze des Schreibens.) Auftaumeln wird sie, die
  • fürstliche Drahtpuppe! Freilich! Der Einfall ist auch drollig genug,
  • so eine durchlauchtigte Hirnschale auseinander zu treiben!--Seine
  • Hofschranzen werden wirbeln--Das ganze Land wird in Gährung kommen.
  • Kammerdiener und Sophie. Der Hofmarschall, Milady-Lady (dreht sich
  • um). Wer? Was?--Desto besser! Diese Sorte von Geschöpfen ist zum
  • Sacktragen auf der Welt. Er soll mir willkommen sein.
  • Kammerdiener (geht ab).
  • Sophie (ängstlich näher kommend). Wenn ich nicht fürchten müßte,
  • Milady, es wäre Vermessenheit (Lady schreibt hitzig fort.) Die
  • Millerin stürzte außer sich durch den Vorsaal--Sie glühen--Sie
  • sprechen mit sich selbst. (Lady schreibt immer fort.) Ich
  • erschrecke--Was muß geschehen sein?
  • Hofmarschall (tritt herein, macht dem Rücken der Lady tausend
  • Verbeugungen; da sie ihn nicht bemerkt, kommt er näher, stellt sich
  • hinter ihren Sessel, sucht den Zipfel ihres Kleides wegzukriegen und
  • drückt einen Kuß darauf, mit furchtsamem Lispeln). Serenissimus-Lady
  • (indem sie Sand streut und das Geschriebene durchfliegt). Er wird
  • mir schwarzen Undank zur Last legen--Ich war eine verlassene. Er hat
  • mich aus dem Elend gezogen--Aus dem Elend?--Abscheulicher Tausch!
  • --Zerreiße deine Rechnung, Verführer! Meine ewige Schamröthe bezahlt
  • sie mit Wucher.
  • Hofmarschall (nachdem er die Lady vergeblich von allen Seiten
  • umgangen hat). Milady scheinen etwas distrait zu sein--Ich werde mir
  • wohl selbst die Kühnheit erlauben müssen. (Sehr laut.) Serenissimus
  • schicken mich, Milady zu fragen, ob diesen Abend Vauxhall sein werde
  • oder deutsche Komödie?
  • Lady (lachend aufstehend). Eines von beiden, mein Engel--Unterdessen
  • bringen Sie Ihrem Herzog diese Karte zum Dessert! (Gegen Sophie.).
  • Du, Sophie, befiehlst, daß man anspannen soll, und rufst meine ganze
  • Garderobe in diesem Saal zusammen-Sophie (geht ab voll Bestürzung).
  • O Himmel! Was ahnet mir? Was wird das noch werden?
  • Hofmarschall. Sie sind echauffiert, meine Gnädige?
  • Lady. Um so weniger wird hier gelogen sein--Hurrah, Herr
  • Hofmarschall! Es wird eine Stelle vacant. Gut Wetter für Kuppler!
  • (Das der Marschall einen zweifelhaften Blick auf den Zettel wirft.)
  • Lesen Sie, lesen Sie!--Es ist mein Wille, daß der Inhalt nicht unter
  • vier Augen bleibe.
  • Hofmarschall (liest, unterdessen sammeln sich die Bedienten der Lady
  • im Hintergrund):
  • "Gnädigster Herr!
  • Ein Vertrag, den Sie so leichtsinnig brachen, kann mich nicht mehr
  • binden. Die Glückseligkeit Ihres Landes war die Bedingung meiner
  • Liebe. Drei Jahre währte der Betrug. Die Binde fällt mir von den
  • Augen. Ich verabscheue Gunstbezeugungen, die von den Thränen der
  • Unterthanen triefen.--Schenken Sie die Liebe, die ich Ihnen nicht
  • mehr erwiedern kann, Ihrem weinenden Lande und lernen von einer
  • brittischen Fürstin Erbarmen gegen Ihr deutsches Volk. In einer
  • Stunde bin ich über der Grenze.
  • Johanna Norfolk."
  • Alle Bedienten (murmeln bestürzt durcheinander). Über der Grenze?
  • Hofmarschall (legt die Karte erschrocken auf den Tisch). Behüte der
  • Himmel, meine Beste und Gnädige! Den Überbringer müßte der Hals eben
  • so jücken, als der Schreiberin.
  • Lady. Das ist deine Sorge, du Goldmann--Leider weiß ich es, daß du
  • und deines Gleichen am Nachbeten Dessen, was Andre gethan haben,
  • erwürgen!--Mein Rath wäre, man backt den Zettel in eine
  • Wildpretpastete, so fänden ihn Serenissimus auf dem
  • Teller-Hofmarschall. Ciel! Diese Vermessenheit!--So erwägen Sie
  • doch, so bedenken Sie doch, wie sehr Sie sich in Disgrace setzen,
  • Lady!
  • Lady (wendet sich zu der versammelten Dienerschaft und spricht das
  • Folgende mit der innigsten Rührung). Ihr steht bestürzt, guten Leute,
  • erwartet angstvoll, wie sich das Räthsel entwickeln wird?--Kommt
  • näher, meine Lieben!--Ihr dientet mir redlich und warm, sahet mir
  • öfter in die Augen, als ich die Börse; euer Gehorsam war eure
  • Leidenschaft, euer Stolz--meine Gnade!--Daß das Andenken eurer Treue
  • zugleich das Gedächtniß meiner Erniedrigung sein muß! Trauriges
  • Schicksal, daß meine schwärzesten Tage eure glücklichen waren! (Mit
  • Thränen in den Augen.) Ich entlasse euch, meine Kinder--Lady Milford
  • ist nicht mehr, und Johanna von Norfolk zu arm, ihre Schuld
  • abzutragen--Mein Schatzmeister stürze meine Schatulle unter
  • euch--Dieser Palast bleibt dem Herzog--Der Ärmste von euch wird
  • reicher von hinnen gehen, als seine Gebieterin. (Sie reicht ihre
  • Hände hin, die alle nach einander mit Leidenschaft küssen.) Ich
  • verstehe euch, meine Guten--Lebt wohl! Lebt ewig wohl! (Faßt sich
  • aus ihrer Beklemmung.) Ich höre den Wagen vorfahren. (Sie reißt sich
  • los, will hinaus, der Hofmarschall verrennt ihr den Weg.) Mann des
  • Erbarmens, stehst du noch immer da?
  • Hofmarschall (der diese ganze Zeit über mit einem Geistesbankerott
  • auf den Zettel sah). Und dieses Billet soll ich Seiner
  • Hochfürstlichen Durchlaucht zu Höchsteigenen Händen geben?
  • Lady. Mann des Erbarmens! zu Höchsteigenen Händen, und sollst melden
  • zu Höchsteigenen Ohren, weil ich nicht barfuß nach Loretto könne, so
  • werde ich um den Taglohn arbeiten, mich zu reinigen von dem Schimpf,
  • ihn beherrscht zu haben.
  • (Sie eilt ab. Alle Übrigen gehen sehr bewegt auseinander.)
  • Fünfter Akt.
  • Abend zwischen Licht im Zimmer beim Musikanten.
  • Erste Scene.
  • Luise sitzt stumm und ohne sich zu rühren in dem finstersten Winkel
  • des Zimmers, den Kopf auf den Arm gesunken. Nach einer großen und
  • tiefen Pause kommt Miller mit einer Handlaterne, leuchtet ängstlich
  • im Zimmer herum, ohne Luisen zu bemerken, dann legt er den Hut auf
  • den Tisch und setzt die Laterne nieder.
  • Miller. Hier ist sie auch nicht. Hier wieder nicht--Durch alle
  • Gassen bin ich gezogen, bei allen Bekannten bin ich gewesen, auf
  • allen Thoren hab' ich gefragt--mein Kind hat man nirgends gesehen.
  • (Nach einigem Stillschweigen.) Geduld, armer, unglücklicher Vater!
  • Warte ab, bis es Morgen wird. Vielleicht kommt deine Einzige dann
  • ans Ufer geschwommen--Gott! Gott! Wenn ich mein Herz zu abgöttisch
  • an diese Tochter hing?--Die Strafe ist hart. Himmlischer Vater, hart!
  • Ich will nicht murren, himmlischer Vater, aber die Strafe ist hart!
  • (Er wirft sich gramvoll in einen Stuhl.)
  • Luise (spricht aus dem Winkel). Du thust recht, armer alter Mann!
  • Lerne bei Zeit noch verlieren.
  • Miller (springt auf). Bist du da, mein Kind? Bist du?--Aber warum
  • denn so einsam und ohne Licht?
  • Luise. Ich bin darum doch nicht einsam. Wenn's so recht schwarz
  • wird um mich herum, hab' ich meine besten Besuche.
  • Miller. Gott bewahre dich! Nur der Gewissenswurm schwärmt mit der
  • Eule. Sünden und böse Geister scheuen das Licht.
  • Luise. Auch die Ewigkeit, Vater, die mit der Seele ohne Gehilfen
  • redet.
  • Miller. Kind! Kind! Was für Reden sind das?
  • Luise (steht auf und kommt vorwärts). Ich hab' einen harten Kampf
  • gekämpft. Er weiß es, Vater. Gott gab mir Kraft. Der Kampf ist
  • entschieden. Vater, man pflegt unser Geschlecht zart und
  • zerbrechlich zu nennen. Glaub' Er das nicht mehr. Vor einer Spinne
  • schütteln wir uns, aber das schwarze Ungeheuer Verwesung drücken wir
  • im Spaß in die Arme. Dieses zur Nachricht, Vater. Seine Luise ist
  • lustig.
  • Miller. Höre, Tochter! ich wollte du heultest. Du gefielst mir so
  • besser.
  • Luise. Wie ich ihn überlisten will, Vater! Wie ich den Tyrannen
  • betrügen will!--Die Liebe ist schlauer als die Bosheit und
  • kühner--das hat er nicht gewußt, der Mann mit dem traurigen Stern--O,
  • sie sind pfiffig, so lang sie es nur mit dem Kopf zu thun haben; aber
  • sobald sie mit dem Herzen anbinden, werden die Böswichter dumm--Mit
  • einem Eid gedachte er seinen Betrug zu versiegeln? Eide, Vater,
  • binden wohl die Lebendigen, im Tode schmilzt auch der Sacramente
  • eisernes Band. Ferdinand wird seine Luise kennen--Will Er mir dies
  • Billet besorgen, Vater? Will Er so gut sein?
  • Miller. An wen, meine Tochter?
  • Luise. Seltsame Frage! Die Unendlichkeit und mein Herz haben mit
  • einander nicht Raum genug für einen einzigen Gedanken an ihn--Wenn
  • hätt' ich denn wohl an sonst Jemand schreiben sollen?
  • Miller (unruhig). Höre, Luise! Ich erbrechen den Brief.
  • Luise. Wie Er will, Vater--aber Er wird nicht klug daraus werden.
  • Die Buchstaben liegen wie kalte Leichname da und leben nur dem Auge
  • der Liebe.
  • Miller (liest). "Du bist verrathen, Ferdinand!--Ein Bubenstück ohne
  • Beispiel zerriß den Bund unsrer Herzen, aber ein schrecklicher Schwur
  • hat meine Zunge gebunden, und dein Vater hat überall seine Horcher
  • gestellt. Doch, wenn du Muth hast, Geliebter,--ich weiß einen
  • dritten Ort, wo kein Eidschwur mehr bindet und wohin ihm kein Horcher
  • geht." (Miller hält inne und sieht ihr ernsthaft ins Gesicht.)
  • Luise. Warum sieht Er mich so an? Les' Er doch ganz aus, Vater.
  • Miller. "Aber Muth genug mußt du haben, eine finstre Straße zu
  • wandeln, wo dir nichts leuchtet, als deine Luise und Gott--Ganz zur
  • Liebe mußt du kommen, daheim lassen all deine Hoffnungen und all deine
  • brausenden Wünsche; nichts kannst du brauchen, als dein Herz. Willst
  • du--so brich auf, wenn die Glocke den zwölften Streich thut auf dem
  • Carmeliterthurm. Bangt dir--so durchstreiche das Wort stark vor
  • deinem Geschlechte, denn ein Mädchen hat dich zu Schanden gemacht."
  • (Miller legt das Billet nieder, schaut lange mit einem schmerzlichen,
  • starren Blick vor sich hinaus, endlich kehrt er sich gegen sie und
  • sagt mit leiser, gebrochener Stimme.) Und dieser dritte Ort, meine
  • Tochter?
  • Luise. Er kennt ihn nicht? Er kennt ihn wirklich nicht,
  • Vater?--Sonderbar! Der Ort ist zum Finden gemalt. Ferdinand wird
  • ihn finden.
  • Miller. Hum! rede deutlicher.
  • Luise. Ich weiß so eben kein liebliches Wort dafür--Er muß nicht
  • erschrecken, Vater, wenn ich Ihm ein häßliches nenne. Dieser Ort--O
  • warum hat die Liebe nicht Namen erfunden! den schönsten hätte sie
  • diesem gegeben. Der dritte Ort, guter Vater--aber Er muß mich
  • ausreden lassen--der dritte Ort ist das Grab.
  • Miller (zu seinem Sessel hinwankend). O mein Gott!
  • Luise (geht auf ihn zu und hält ihn). Nicht doch, mein Vater! Das
  • sind nur Schauer, die sich um das Wort herum lagern--Weg mit diesem,
  • und es liegt ein Brautbette da, worüber der Morgen seinen goldenen
  • Teppich breitet und die Frühlinge ihre bunten Guirlanden streun. Nur
  • ein heulender Sünder konnte den Tod ein Gerippe schelten; es ist ein
  • holder, niedlicher Knabe, blühend, wie sie den Liebesgott malen, aber
  • so tückisch nicht--ein stiller, dienstbarer Genius, der der
  • erschöpften Pilgerin Seele den Arm bietet über den Graben der Zeit,
  • das Feenschloß der ewigen Herrlichkeit aufschließt, freundlich nickt
  • und verschwindet.
  • Miller. Was hast du vor, meine Tochter?--Du willst eigenmächtig Hand
  • an dich legen.
  • Luise. Nenn' Er es nicht so, mein Vater. Eine Gesellschaft räumen,
  • wo ich nicht wohl gelitten bin--an einen Ort vorausspringen, den ich
  • nicht länger missen kann--ist denn das Sünde?
  • Miller. Selbstmord ist die abscheulichste, mein Kind--die einzige,
  • die man nicht mehr bereuen kann, weil Tod und Missethat
  • zusammenfallen.
  • Luise (bleibt erstarrt stehn). Entsetzlich!--Aber so rasch wird es
  • doch nicht gehn. Ich will in den Fluß springen, Vater, und im
  • Hinuntersinken Gott den Allmächtigen um Erbarmen bitten.
  • Miller. Das heißt, du willst den Diebstahl bereuen, sobald du das
  • Gestohlene in Sicherheit weißt--Tochter! Tochter! Gib Acht, daß du
  • Gottes nicht spottest, wenn du seiner am meisten vonnöthen hast. O!
  • es ist weit, weit mit dir gekommen!--Du hast dein Gebet aufgegeben,
  • und der Barmherzige zog seine Hand von dir.
  • Luise. Ist lieben denn Frevel, mein Vater!
  • Miller. Wenn du Gott liebst, wirst du nie bis zum Frevel lieben--Du
  • hast mich tief gebeugt, meine Einzige! tief, tief, vielleicht zur
  • Grube gebeugt.--Doch, ich will dir dein Herz nicht noch schwerer
  • machen--Tochter, ich sprach vorhin etwas. Ich glaubte allein zu sein.
  • Du hast mich behorcht; und warum sollt' ich's noch länger geheim
  • halten? Du warst mein Abgott. Höre, Luise, wenn du noch Platz für
  • das Gefühl eines Vaters hast--Du warst mein Alles. Jetzt verthust du
  • nichts mehr von deinem Eigenthum. Auch ich hab' Alles zu verlieren.
  • Du siehst, mein Haar fängt an grau zu werden. Die Zeit meldet sich
  • allgemach bei mir, wo uns Vätern die Kapitale zu statten kommen, die
  • wir im Herzen unsrer Kinder anlegten--Wirst du mich darum betrügen,
  • Luise? Wirst du dich mit dem Hab' und Gut deines Vaters auf und
  • davon machen?
  • Luise (küßt seine Hand mit der heftigsten Rührung). Nein, mein Vater.
  • Ich gehe als Seine große Schuldnerin aus der Welt und werde in der
  • Ewigkeit mit Wucher bezahlen.
  • Miller. Gib Acht, ob du dich da nicht verrechnest, mein Kind? (Sehr
  • ernst und feierlich.) Werden wir uns dort wohl noch finden?--Sieh!
  • wie du blaß wirst!--Meine Luise begreift es von selbst, daß ich sie
  • in jener Welt nicht mehr wohl einholen kann, weil ich nicht so früh
  • dahin eile, wie sie. (Luise stürzt ihm in den Arm, von Schauern
  • ergriffen--Er drückt sie mit Feuer an seine Brust und fährt fort mit
  • beschwörender Stimme.) O Tochter! Tochter! gefallene, vielleicht
  • schon verlorene Tochter! Beherzige das ernsthafte Vaterwort! Ich
  • kann nicht über dich wachen. Ich kann dir die Messer nehmen, du
  • kannst dich mit einer Stricknadel tödten. Vor Gift kann ich dich
  • bewahren, du kannst dich mit einer Schnur Perlen erwürgen.
  • --Luise--Luise--nur warnen kann ich dich noch--Willst du es darauf
  • ankommen lassen, daß dein treuloses Gaukelbild auf der schrecklichen
  • Brücke zwischen Zeit und Ewigkeit von dir weiche? Willst du dich vor
  • des Allwissenden Thron mit der Lüge wagen: Deinetwegen, Schöpfer, bin
  • ich da--wenn deine strafbaren Augen ihre sterbliche Puppe
  • suchen?--Und wenn dieser zerbrechliche Gott deines Gehirns, jetzt
  • Wurm wie du, zu den Füßen deines Richters sich windet, deine gottlose
  • Zuversicht in diesem schwankenden Augenblick Lügen straft und deine
  • betrogenen Hoffnungen an die ewige Erbarmung verweist, die der Elende
  • für sich selbst kaum erflehen kann--wie dann? (Nachdrücklicher,
  • lauter.) Wie dann, Unglückselige? (Er hält sie fester, blickt sie
  • eine Weile starr und durchdringend an, dann verläßt er sie schnell.)
  • Jetzt weiß ich nichts mehr--(mit aufgehobener Rechte) stehe dir, Gott
  • Richter! für diese Seele nicht mehr. Thu, was du willst. Bring
  • deinem schlanken Jüngling ein Opfer, daß deine Teufel jauchzen und
  • deine guten Engel zurücktreten--Zieh hin! Lade alle deine Sünden auf,
  • lade auch diese, die letzte, die entsetzlichste auf, und wenn die
  • Last noch zu leicht ist, so mache mein Fluch das Gewicht
  • vollkommen--Hier ist ein Messer--durchstich dein Herz und (indem er
  • lautweinend fortstürzen will) das Vaterherz!
  • Luise (springt auf und eilt ihm nach). Halt! halt! O mein Vater!
  • --daß die Zärtlichkeit noch barbarischer zwingt, als Tyrannenwuth!
  • --Was soll ich? Ich kann nicht! Was muß ich thun?
  • Miller. Wenn die Küsse deines Majors heißer brennen als die Thränen
  • deines Vaters--stirb!
  • Luise (nach einem qualvollen Kampf mit einiger Festigkeit). Vater!
  • Hier ist meine Hand! Ich will--Gott! Gott! Was thu' ich? was will
  • ich?--Vater, ich schwöre--wehe mir, wehe! Verbrecherin, wohin ich
  • mich neige!--Vater, es sei!--Ferdinand--Gott sieht herab!--So
  • zernicht' ich sein letztes Gedächtniß. (Sie zerreißt ihren Brief.)
  • Miller (stürzt ihr freudetrunken an den Hals). Das ist meine Tochter!
  • --Blick' auf! um einen Liebhaber bist du leichter, dafür hast du
  • einen glücklichen Vater gemacht. (Unter Lachen und Weinen sie
  • umarmend.) Kind! Kind! das ich den Tag meines Lebens nicht werth war!
  • Gott weiß, wie ich schlechter Mann zu diesem Engel gekommen bin!
  • --Mein Luise, mein Himmelreich!--O Gott! ich verstehe ja wenig vom
  • Lieben, aber daß es eine Qual sein muß, aufzuhören--so was begreif'
  • ich noch.
  • Luise. Doch hinweg aus dieser Gegend, mein Vater--Weg von der Stadt,
  • wo meine Gespielinnen meiner spotten und mein guter Name dahin ist
  • auf immerdar--Weg, weg, weit weg von dem Ort, wo mich so viele Spuren
  • der verlorenen Seligkeit anreden. Weg, wenn es möglich ist-Miller.
  • Wohin du nur willst, meine Tochter. Das Brod unsers Herrgotts wächst
  • überall, und Ohren wird er auch meiner Geige bescheren. Ja! laß auch
  • Alles dahingehn--Ich setze die Geschichte deines Grams auf die Laute,
  • singe dann ein Lied von der Tochter, die, ihren Vater zu ehren, ihr
  • Herz zerriß--wir betteln mit der Ballade von Thüre zu Thüre, und das
  • Almosen wird köstlich schmecken von den Händen der Weinenden-
  • Zweite Scene.
  • Ferdinand zu den Vorigen.
  • Luise (wird ihn zuerst gewahr und wirft sich Millern laut schreiend
  • um den Hals). Gott! Da ist er! Ich bin verloren.
  • Miller. Wo? Wer?
  • Luise (zeigt mit abgewandtem Gesicht auf den Major und drückt sich
  • fester an ihren Vater). Er! er selbst--Seh' Er nur um sich,
  • Vater--Mich zu ermorden, ist er da.
  • Miller (erblickt ihn, fährt zurück.) Was? Sie hier, Baron?
  • Ferdinand (kommt langsam näher, bleibt Luisen gegenüber stehen und
  • läßt den starren forschenden Blick auf ihr ruhen, nach einer Pause).
  • Überraschtes Gewissen, habe Dank! Dein Bekenntniß ist schrecklich,
  • aber schnell und gewiß, und erspart mir die Folterung.--Guten Abend,
  • Miller.
  • Miller. Aber um Gottes willen! Was wollen Sie, Baron? Was führt
  • Sie her? Was soll dieser Überfall?
  • Ferdinand. Ich weiß eine Zeit, wo man den Tag in seine Secunden
  • zerstückte, wo Sehnsucht nach mir sich an die Gewichte der zögernden
  • Wanduhr hing und auf den Aderschlag lauerte, unter dem ich erscheinen
  • sollte--Wie kommt's, daß ich jetzt überrasche?
  • Miller. Gehen Sie, gehen Sie, Baron--Wenn noch ein Funke von
  • Menschlichkeit in Ihrem Herzen zurückblieb--wenn Sie Die nicht
  • erwürgen wollen, die Sie zu lieben vorgeben, fliehen Sie, bleiben Sie
  • keinen Augenblick länger. Der Segen war fort aus meiner Hütte,
  • sobald Sie einen Fuß darein setzten. Sie haben das Elend unter mein
  • Dach gerufen, wo sonst nur die Freude zu Hause war. Sind Sie noch
  • nicht zufrieden? Wollen Sie auch in der Wunde noch wühlen, die Ihre
  • unglückliche Bekanntschaft mit meinem einzigen Kinde schlug?
  • Ferdinand. Wunderlicher Vater, jetzt komm' ich ja, deiner Tochter
  • etwas Erfreuliches zu sagen.
  • Miller. Neue Hoffnungen etwa zu einer neuen Verzweiflung?--Geh,
  • Unglücksbote! Dein Gesicht schimpft deine Waare.
  • Ferdinand. Endlich ist es erschienen, das Ziel meiner Hoffnungen!
  • Lady Milford, das furchtbarste Hindernis unsrer Liebe, floh diesen
  • Augenblick aus dem Lande. Mein Vater billigt meine Wahl. Das
  • Schicksal läßt nach, uns zu verfolgen. Unsere glücklichen Sterne
  • gehen auf--Ich bin jetzt da, mein gegebenes Wort einzulösen und meine
  • Braut zum Altar abzuholen.
  • Miller. Hörst du ihn, meine Tochter? Hörst du ihn sein Gespötte mit
  • deinen getäuschten Hoffnungen treiben? O wahrlich, Baron! es steht
  • dem Verführer so schön, an seinem Verbrechen seinen Witz noch zu
  • kitzeln.
  • Ferdinand. Du glaubst, ich scherze. Bei meiner Ehre nicht! Meine
  • Aussage ist wahr, wie die Liebe meiner Luise, und heilig will ich sie
  • halten, wie sie ihre Eide--Ich kenne nichts Heiligeres--Noch
  • zweifelst du? noch kein freudiges Erröthen auf den Wangen meiner
  • schönen Gemahlin? Sonderbar! die Lüge muß hier gangbare Münze sein,
  • wenn die Wahrheit so wenig Glauben findet. Ihr mißtraut meinen
  • Worten? So glaubt diesem schriftlichen Zeugniß. (Er wirft Luisen
  • den Brief an den Marschall zu.)
  • Luise (schlägt ihn auseinander und sinkt leichenblaß nieder).
  • Miller (ohne das zu bemerken, zum Major). Was soll das bedeuten,
  • Baron? Ich verstehe Sie nicht.
  • Ferdinand (führt ihn zu Luisen hin). Desto besser hat mich Diese
  • verstanden.
  • Miller (fällt an ihr nieder). O Gott! meine Tochter!
  • Ferdinand. Bleich wie der Tod!--Jetzt erst gefällt sie mir, deine
  • Tochter! So schön war sie nie, die fromme, rechtschaffene
  • Tochter--Mit diesem Leichengesicht--Der Odem des Weltgerichts, der
  • den Firniß von jeder Lüge streift, hat jetzt die Schminke verblasen,
  • womit die Tausendkünstlerin auch die Engel des Lichts hintergangen
  • hat--Es ist ihr schönstes Gesicht! Es ist ihr erstes wahres Gesicht!
  • Laß mich es küssen. (Er will auf sie zugehen.)
  • Miller. Zurück! Weg! Greife nicht an das Vaterherz, Knabe! Vor
  • deinen Liebkosungen konnt' ich sie nicht bewahren, aber ich kann es
  • vor deinen Mißhandlungen.
  • Ferdinand. Was willst du, Graukopf? Mit dir hab' ich nichts zu
  • schaffen. Menge dich ja nicht in ein Spiel, das so offenbar verloren
  • ist--oder bist du auch vielleicht klüger, als ich dir zugetraut habe?
  • Hast du die Weisheit deiner sechzig Jahre zu den Buhlschaften deiner
  • Tochter geborgt und dies ehrwürdige Haar mit dem Gewerb eines
  • Kupplers geschändet?--O! wenn das nicht ist, unglücklicher alter Mann,
  • lege dich nieder und stirb--Noch ist es Zeit. Noch kannst du in dem
  • süßen Taumel entschlafen: ich war ein glücklicher Vater!--Einen
  • Augenblick später, und du schleuderst die giftige Natter ihrer
  • höllischen Heimath zu, verfluchst das Geschenk und den Geber und
  • fährst mit der Gotteslästerung in die Grube. (Zu Luisen.) Sprich,
  • Unglückselige! Schriebst du diesen Brief?
  • Miller (warnend zu Luisen). Um Gottes Willen, Tochter! Vergiß nicht!
  • Vergiß nicht!
  • Luise. O dieser Brief, mein Vater-Ferdinand. Daß er in die
  • unrechten Hände fiel?--Gepriesen sei mir der Zufall, er hat größere
  • Thaten gethan, als die klügelnde Vernunft, und wird besser bestehn an
  • jenem Tag, als der Witz aller Weisen--Zufall, sage ich?--O die
  • Vorsehung ist dabei, wenn Sperlinge fallen, warum nicht, wo ein
  • Teufel entlarvt werden soll?--Antwort will ich!--Schriebst du diesen
  • Brief?
  • Miller (seitwärts zu ihr mit Beschwörung). Standhaft! Standhaft,
  • meine Tochter! Nur noch das einzige Ja, und Alles ist überwunden.
  • Ferdinand. Lustig! lustig! Auch der Vater betrogen! Alles betrogen.
  • Nun sieh, wie sie dasteht, die Schändliche, und selbst ihre Zunge
  • nun ihrer letzten Lüge den Gehorsam aufkündigt! Schwöre bei Gott,
  • bei dem fürchterlich wahren! Schriebst du diesen Brief?
  • Luise (nach einem qualvollen Kampf, worin sie durch Blicke mit ihrem
  • Vater gesprochen hat, fest und entscheidend). Ich schrieb ihn.
  • Ferdinand (bleibe erschrocken stehen). Luise!--Nein! So wahr meine
  • Seele lebt! du lügst--Auch die Unschuld bekennt sich auf der
  • Folterbank zu Freveln, die sie nie beging--Ich fragte zu
  • heftig--Nicht wahr, Luise--Du bekanntest nur, weil ich zu heftig
  • fragte?
  • Luise. Ich bekannte, was wahr ist.
  • Ferdinand. Nein, sag' ich! nein! nein! Du schriebst nicht. Es ist
  • deine Hand gar nicht--Und wäre sie's, warum sollten Handschriften
  • schwerer nachzumachen sein, als Herzen zu verderben? Rede mir wahr,
  • Luise--Oder nein, nein, thu' es nicht, du könntest Ja sagen, und ich
  • wär' verloren--Eine Lüge, Luise--ein Lüge!--O wenn du jetzt eine
  • wüßtest, mir hinwärfest mit der offenen Engelmiene, nur mein Ohr, nur
  • mein Aug überredetest, dieses Herz auch noch so abscheulich
  • täuschtest--O Luise! Alle Wahrheit möchte dann mit diesem Hauch aus
  • der Schöpfung wandern und die gute Sache ihren starren Hals von nun
  • an zu einem höfischen Bückling beugen! (Mit scheuem bebendem Ton.)
  • Schriebst du diesen Brief?
  • Luise. Bei Gott! bei dem fürchterlich wahren! Ja!
  • Ferdinand (nach einer Pause, im Ausdruck des tiefsten Schmerzes).
  • Weib! Weib!--Das Gesicht, mit dem du jetzt vor mir stehst!--Theile
  • mit diesem Gesicht Paradiese aus, du wirst selbst im Reich der
  • Verdammniß keinen Käufer finden--Wußtest du, was du mir warst, Luise?
  • Unmöglich! Nein! Du wußtest nicht, daß du mir Alles warst! Alles!
  • --Es ist ein armes verächtliches Wort, aber die Ewigkeit hat Mühe, es
  • zu umwandern; Weltsysteme vollenden ihre Bahnen darin--Alles! und so
  • frevelhaft damit zu spielen--O, es ist schrecklich!-Luise. Sie haben
  • mein Geständniß, Herr von Walter. Ich habe mich selbst verdammt.
  • Gehen Sie nun! Verlassen Sie ein Haus, wo Sie so unglücklich waren.
  • Ferdinand. Gut! gut! Ich bin ja ruhig--ruhig, sagt man ja, ist auch
  • der schaudernde Strich Landes, worüber die Pest ging--ich bin's.
  • (Nach einigem Nachdenken.) Noch eine Bitte, Luise--die letzte! Mein
  • Kopf brennt so fieberisch. Ich brauch Kühlung--Willst du mir ein
  • Glas Limonade zurecht machen? (Luise geht ab.)
  • Dritte Scene.
  • Ferdinand und Miller.
  • (Beide gehen, ohne ein Wort zu reden, einige Pausen lang auf den
  • entgegengesetzten Seiten des Zimmers auf und ab).
  • Miller (bleibt endlich stehen und betrachtet den Major mit trauriger
  • Miene). Lieber Baron, kann es Ihren Gram vielleicht mindern, wenn
  • ich Ihnen gestehe, daß ich Sie herzlich bedaure!
  • Ferdinand. Laß Er es gut sein, Miller. (Wieder einige Schritte.)
  • Miller, ich weiß nur kaum noch, wie ich in Sein Haus kam--Was war die
  • Veranlassung?
  • Miller. Wie, Herr Major? Sie wollten ja Lection auf der Flöte bei
  • mir nehmen? Das wissen Sie nicht mehr?
  • Ferdinand (rasch). Ich sah Seine Tochter! (Wiederum einige Pausen.)
  • Er hat nicht Wort gehalten, Freund. Wir accordierten Ruhe für meine
  • einsamen Stunden. Er betrog mich und verkaufte mir Skorpionen. (Da
  • er Millers Bewegung sieht.) Nein, erschrick nur nicht, alter Mann.
  • (Gerührt an seinem Hals.) Du bist nicht schuldig.
  • Miller (die Augen wischend). Das weiß der allwissende Gott!
  • Ferdinand (aufs neue hin und her, in düstres Grübeln versunken).
  • Seltsam, o unbegreiflich seltsam spielt Gott mit uns. An dünnen
  • unmerkbaren Seilen hängen oft fürchterliche Gewichte--Wüßte der
  • Mensch, daß er an diesem Apfel den Tod essen sollte--Hum!--Wüßte er
  • das? (Heftiger auf und nieder, dann Millers Hand mit starker
  • Bewegung fassend.) Mann! Ich bezahle dir dein Bischen Flöte zu
  • theuer--und du gewinnst nicht einmal--auch du verlierst--verlierst
  • vielleicht Alles. (Gepreßt von ihm weggehend.) Unglückseliges
  • Flötenspiel, das mir nie hätte einfallen sollen!
  • Miller (sucht seine Rührung zu verbergen). Die Limonade bleibt auch
  • gar zu lang außen. Ich denke, ich sehe nach, wenn Sie mir's nicht
  • für übel nehmen-Ferdinand. Es eilt nicht, lieber Miller. (Vor sich
  • hinmurmelnd.) Zumal für den Vater nicht--Bleib' Er nur--Was hatt' ich
  • doch fragen wollen?--Ja!--Ist Luise Seine einzige Tochter? Sonst hat
  • Er keine Kinder mehr?
  • Miller (warm). Habe sonst keins mehr, Baron--wünsch' mir auch keins
  • mehr. Das Mädel ist just so recht, mein ganzes Vaterherz
  • einzustecken--hab' meine ganze Baarschaft von Liebe an der Tochter
  • schon zugesetzt.
  • Ferdinand (heftig erschüttert). Ha!--Seh' Er doch lieber nach dem
  • Trank, guter Miller. (Miller ab.)
  • Vierte Scene.
  • Ferdinand allein.
  • Das einzige Kind!--Fühlst du das, Mörder? Das einzige! Mörder!
  • hörst du, das einzige?--Und der Mann hat auf der großen Welt Gottes
  • nichts, als sein Instrument und das einzige--Du willst's ihm rauben?
  • Rauben?--rauben den letzten Nothpfenning einem Bettler? Die Krücke
  • zerbrochen vor die Füße werfen dem Lahmen? Wie? Hab' ich auch Brust
  • für das?--Und wenn er nun heimeilt und nicht erwarten kann, die ganze
  • Summe seiner Freuden vom Gesicht dieser Tochter herunter zu zählen,
  • und hereintritt und sie da liegt, die Blume--welk--todt--zertreten,
  • muthwillig, die letzte, einzige, unüberschwängliche Hoffnung--Ha, und
  • er dasteht vor ihr, und dasteht und ihm die ganze Natur den
  • lebendigen Odem anhält, und sein erstarrter Blick die entvölkerte
  • Unendlichkeit fruchtlos durchwandert, Gott sucht, und Gott nicht mehr
  • finden kann und leerer zurückkommt--Gott! Gott! Aber auch mein
  • Vater hat diesen einzigen Sohn--den einzigen Sohn, doch nicht den
  • einzigen Reichthum--(Nach einer Pause.) Doch wie? Was verliert er
  • denn? Das Mädchen, dem die heiligsten Gefühle der Liebe nur Puppen
  • waren, wird es den Vater glücklich machen können?--Es wird nicht, es
  • wird nicht! Und ich verdiene noch Dank, daß ich die Natter zertrete,
  • ehe sie auch noch den Vater verwundet.
  • Fünfte Scene.
  • Miller, der zurückkommt, und Ferdinand.
  • Miller. Gleich sollen Sie bedient sein, Baron! Draußen sitzt das
  • arme Ding und will sich zu Tod weinen. Sie wird Ihnen mit der
  • Limonade auch Thränen zu trinken geben.
  • Ferdinand. Und wohl, wenn's nur Thränen wären!--Weil wir vorhin von
  • der Musik sprachen, Miller--(Eine Börse ziehend.) Ich bin noch Sein
  • Schuldner.
  • Miller. Wie? Was? Gehen Sie mir, Baron! Wofür halten Sie mich?
  • Das steht ja in guter Hand, thun Sie mir doch den Schimpf nicht an,
  • und sind wir ja, will's Gott, nicht das letzte Mal bei einander.
  • Ferdinand. Wer kann das wissen? Nehm' Er nur. Es ist für Leben und
  • Sterben.
  • Miller (lachend). O deßwegen, Baron! Auf den Fall, denk' ich, kann
  • man's wagen bei Ihnen.
  • Ferdinand. Man wagte wirklich--Hat Er nie gehört, daß Jünglinge
  • gefallen sind--Mädchen und Jünglinge, die Kinder der Hoffnung, die
  • Luftschlösser betrogener Väter--Was Wurm und Alter nicht thun, kann
  • oft ein Donnerschlag ausrichten--Auch Seine Luise ist nicht
  • unsterblich.
  • Miller. Ich hab' sie von Gott.
  • Ferdinand. Hör' Er--Ich sag' Ihm, sie ist nicht unsterblich. Diese
  • Tochter ist Sein Augapfel. Er hat sich mit Herz und Seel' an diese
  • Tochter gehängt. Sei Er vorsichtig, Miller. Nur ein verzweifelter
  • Spieler setzt Alles auf einen einzigen Wurf. Einen Waghals nennt man
  • den Kaufmann, der auf ein Schiff sein ganzes Vermögen ladet--Hör' Er,
  • denk' Er der Warnung nach--Aber warum nimmt Er Sein Geld nicht?
  • Miller. Was, Herr? die ganze allmächtige Börse? Wohin denken Eure
  • Gnaden?
  • Ferdinand. Auf meine Schuldigkeit--Da! (Er wirft den Beutel auf den
  • Tisch, daß Goldstücke herausfallen.) Ich kann den Quark nicht eine
  • Ewigkeit so halten.
  • Miller (bestürzt). Was beim großen Gott? Der klang nicht wie
  • Silbergeld! (Er tritt zum Tisch und ruft mit Entsetzen.) Wie, um
  • aller Himmel willen, Baron? Baron? Wie sind Sie? Was treiben Sie,
  • Baron? Das nenn' ich mir Zerstreuung! (Mit zusammengeschlagenen
  • Händen.) Hier liegt ja--oder bin ich verhext,--oder--Gott
  • verdamm mich! Da greif' ich ja das baare, gelbe, leibhaftige
  • Gottesgold--Nein, Satanas! Du sollst mich nicht daran kriegen!
  • Ferdinand. Hat Er Alten oder Neuen getrunken, Miller?
  • Miller (grob). Donner und Wetter! Da schauen Sie nur hin!--Gold!
  • Ferdinand. Und was weiter?
  • Miller. Ins Henkers Namen--ich sage--ich bitte Sie um Gottes Christi
  • willen--Gold!
  • Ferdinand. Das ist nun freilich etwas Merkwürdiges.
  • Miller (nach einigem Stillschweigen zu ihm gehend, mit Empfindung).
  • Gnädiger Herr, ich bin ein schlichter, gerader Mann, wenn Sie mich
  • etwa zu einem Bubenstück anspannen wollen--denn so viel Geld läßt
  • sich, weißt Gott, nicht mit etwas Gutem verdienen.
  • Ferdinand (bewegt). Sei Er ganz getrost, lieber Miller. Das Geld
  • hat Er längst verdient, und Gott bewahre mich, daß ich mich mit
  • Seinem guten Gewissen dafür bezahlt machen sollte.
  • Miller (wie ein Halbnarr in die Höhe springend). Mein also! mein!
  • Mit des guten Gottes Wissen und Willen, mein! (Nach der Thür laufend,
  • schreiend.) Weib! Tochter! Victoria! Herbei! (Zurückkommend.)
  • Aber du lieber Himmel! Wie komm' ich denn so auf einmal zu dem
  • ganzen grausamen Reichthum? Wie verdien' ich ihn? lohn' ich ihn?
  • Heh?
  • Ferdinand. Nicht mit Seinen Musikstunden, Miller.--Mit dem Geld hier
  • bezahl' ich Ihm, (von Schauern ergriffen hält er inn) bezahl' ich Ihm
  • (nach einer Pause mit Wehmuth) den drei Monat langen glücklichen
  • Traum von Seiner Tochter.
  • Miller (faßt seine Hand, die er stark drückt). Gnädiger Herr! Wären
  • Sie ein schlechter, geringer Bürgersmann--(rasch) und mein Mädel
  • liebte Sie nicht--erstechen wollt' ich's, das Mädel! (Wieder beim
  • Geld, darauf niedergeschlagen.) Aber da hab' ich ja nun Alles und Sie
  • nichts, und da werd' ich nun das ganze Gaudium wieder herausblechen
  • müssen? Heh?
  • Ferdinand. Laß Er sich das nicht anfechten, Freund--Ich reise ab,
  • und in dem Land, wo ich mich zu setzen gedenke, gelten die Stempel
  • nicht.
  • Miller (unterdessen mit unverwandten Augen auf das Gold hingeheftet,
  • voll Entzückung). Bleibt's also mein? Bleibt's?--Aber das thut mir
  • nur leid, daß Sie verreisen--Und wart, was ich jetzt auftreten will!
  • Wie ich die Backen jetzt vollnehmen will! (Er setzt den Hut auf und
  • schießt durch das Zimmer.) Und auf den Markt will ich und meine
  • Musikstunden geben und Numero fünfe Dreikönig rauchen, und wenn ich
  • wieder auf dem Dreibatzenplatz sitze, soll mich der Teufel holen.
  • (Will fort.)
  • Ferdinand. Bleib' Er! Schweig' Er! und streich' Er sein Geld ein!
  • (Nachdrücklich.) Nur diesen Abend noch schweig' Er und geb' Er, mir
  • zu Gefallen, von nun an keine Musikstunden mehr.
  • Miller (noch hitziger und ihn hart an der Weste fassend, voll inniger
  • Freude). Und, Herr! meine Tochter! (Ihn werden loslassend.) Geld
  • macht den Mann nicht--Geld nicht--Ich habe Kartoffeln gegessen oder
  • ein wildes Huhn; satt ist satt, und dieser Rock da ist ewig gut, wenn
  • Gottes liebe Sonne nicht durch den Ärmel scheint--Für mich ist das
  • Plunder--Aber dem Mädel soll der Segen bekommen; was ich ihr nur an
  • den Augen absehen kann, soll sie haben-Ferdinand (fällt rasch ein).
  • Stille, o stille-Miller (immer feuriger). Und soll mir Französisch
  • lernen aus dem Fundament und Menuet-Tanzen und Singen, daß man's in
  • den Zeitungen lesen soll; und eine Haube soll sie tragen, wie die
  • Hofrathstöchter, und einen Kidebarri, wie sie's heißen, und von der
  • Geigerstochter soll man reden auf vier Meilen weit-Ferdinand
  • (ergreift seine Hand mit der schrecklichsten Bewegung). Nichts mehr!
  • Nichts mehr! Um Gotteswillen, schweig' Er still! Nur noch heute
  • schweig' Er still! Das sei der einzige Dank, den ich von Ihm fordre.
  • Sechste Scene.
  • Luise mit der Limonade, und die Vorigen.
  • Luise (mit rotgeweinten Augen und zitternder Stimme, indem sie dem
  • Major das Glas auf einem Teller bringt). Sie befehlen, wenn sie
  • nicht stark genug ist.
  • Ferdinand (nimmt das Glas, setzt es nieder und dreht sich rasch gegen
  • Millern). O beinahe hätt' ich das vergessen!--Darf ich Ihn um etwas
  • bitten, lieber Miller? Will Er mir einen kleinen Gefallen thun?
  • Miller. Tausend für einen! Was befehlen-Ferdinand. Man wird mich
  • bei der Tafel erwarten. Zum Unglück hab' ich eine sehr böse Laune.
  • Es ist mir ganz unmöglich, unter Menschen zu gehn--Will Er einen Gang
  • thun zu meinem Vater und mich entschuldigen?
  • Luise (erschrickt und fällt schnell ein). Den Gang kann ja ich thun.
  • Miller. Zum Präsidenten?
  • Ferdinand. Nicht zu ihm selbst. Er übergibt Seinen Auftrag in der
  • Garderobe einem Kammerdiener--Zu Seiner Legitimation ist hier meine
  • Uhr--Ich bin noch da, wenn Er wieder kommt.--Er wartet auf Antwort.
  • Luise (sehr ängstlich). Kann denn ich das nicht auch besorgen?
  • Ferdinand (zu Millern, der eben fort will). Halt, und noch etwas!
  • Hier ist ein Brief an meinen Vater, der diesen Abend an mich
  • eingeschlossen kam--Vielleicht dringende Geschäfte--Es geht in einer
  • Bestellung hin-Miller. Schon gut, Baron!
  • Luise (hängt sich an ihn, in der entsetzlichsten Bangigkeit). Aber,
  • mein Vater, Dies alles könnt' ich ja recht gut besorgen.
  • Miller. Du bist allein, und es ist finstre Nacht, meine Tochter.
  • (Ab.)
  • Ferdinand. Leuchte deinem Vater, Luise! (Während dem, daß sie
  • Millern mit dem Licht begleitet, tritt er zum Tisch und wirft Gift in
  • ein Glas Limonade.) Ja, sie soll dran! Sie soll! Die obern Mächte
  • nicken mir ihr schreckliches Ja herunter, die Rache des Himmels
  • unterschreibt, ihr guter Engel läßt sie fahren-
  • Siebente Scene.
  • Ferdinand und Luise.
  • Sie kommt langsam mit dem Lichte zurück, setzt es nieder und stellt
  • sich auf die entgegengesetzte Seite vom Major, das Gesicht auf den
  • Boden geschlagen und nur zuweilen furchtsam und verstohlen nach ihm
  • hinüberschielend. Er steht auf der andern Seite und sieht starr vor
  • sich hinaus. (Großes Stillschweigen, das diesen Auftritt ankündigen
  • muß.)
  • Luise. Wollen Sie mich accompagnieren, Herr von Walter, so mach' ich
  • einen Gang auf dem Fortepiano. (Sie öffnet den Pantalon.)
  • (Ferdinand gibt keine Antwort. Pause.)
  • Luise. Sie sind mir auch noch Revanche auf dem Schachbrett schuldig.
  • Wollen wir eine Partie, Herr von Walter? (Eine neue Pause.)
  • Luise. Herr von Walter, die Brieftasche, die ich Ihnen einmal zu
  • sticken versprochen--ich habe sie angefangen--Wollen Sie das Dessin
  • nicht besehen? (Wieder eine Pause.)
  • Luise. Ich bin sehr elend!
  • Ferdinand (in der bisherigen Stellung). Das könnte wahr sein.
  • Luise. Meine Schuld ist es nicht, Herr von Walter, daß Sie so
  • schlecht unterhalten werden.
  • Ferdinand (lacht beleidigend vor sich hin). Denn was kannst du für
  • meine blöde Bescheidenheit?
  • Luise. Ich hab' es ja wohl gewußt, daß wir jetzt nicht zusammen
  • taugen. Ich erschrak auch gleich, ich bekenne es, als Sie meinen
  • Vater verschickten--Herr von Walter, ich vermuthe, dieser Augenblick
  • wird uns Beiden gleich unerträglich sein--Wenn Sie mir's erlauben
  • wollen, so geh' ich und bitte einige von meinen Bekannten her.
  • Ferdinand. O ja doch, das thu'. Ich will auch gleich gehn und von
  • den meinigen bitten.
  • Luise (sieht ihn stutzend an). Herr von Walter?
  • Ferdinand (sehr hämisch). Bei meiner Ehre! der gescheidteste Einfall,
  • den ein Mensch in dieser Lage nur haben kann. Wir machen aus diesem
  • verdrießlichen Duett eine Lustbarkeit und rächen uns mit Hilfe
  • gewisser Galanterieen an den Grillen der Liebe.
  • Luise. Sie sind aufgeräumt, Herr von Walter.
  • Ferdinand. Ganz außerordentlich, um die Knaben auf dem Markt hinter
  • mir her zu jagen! Nein! In Wahrheit, Luise! dein Beispiel bekehrt
  • mich--du sollst meine Lehrerin sein. Thoren sind's, die von ewiger
  • Liebe schwatzen. Ewiges Einerlei widersteht, Veränderung nur ist das
  • Salz des Vergnügens--Topp, Luise! Ich bin dabei--Wir hüpfen von
  • Roman zu Roman, wälzen uns von Schlamme zu Schlamm--Du dahin--ich
  • dorthin--vielleicht, daß meine verlorene Ruhe sich in einem Bordell
  • wieder finden läßt--Vielleicht, daß wir dann nach dem lustigen
  • Wettlauf, zwei modernde Gerippe, mit der angenehmsten Überraschung
  • von der Welt zum zweiten Mal aufeinander stoßen, daß wir uns da an
  • dem gemeinschaftlichen Familienzug, den kein Kind dieser Mutter
  • verleugnet, wie in Komödien wieder erkennen, daß Ekel und Scham noch
  • eine Harmonie veranstalten, die der zärtlichsten Liebe unmöglich
  • gewesen ist.
  • Luise. O Jüngling! Jüngling! Unglücklich bist du schon; willst du
  • es auch noch verdienen?
  • Ferdinand (ergrimmt durch die Zähne murmelnd). Unglücklich bin
  • ich? Wer hat dir das gesagt? Weib, du bist zu schlecht, und
  • selbst zu empfinden--womit kannst du eines Andern Empfindungen
  • wägen?--Unglücklich, sagte sie?--Ha! dieses Wort könnte meine
  • Wuth aus dem Grabe rufen! Unglücklich mußt' ich werden, das
  • wußte sie. Tod und Verdammniß! das wußte sie und hat mich
  • dennoch verrathen--Siehe, Schlange! das war der einzige Fleck der
  • Vergebung--Deine Aussage bricht dir den Hals--Bis jetzt konnt'
  • ich deinen Frevel mit deiner Einfalt beschönigen, in meiner
  • Verachtung wärst du beinahe meiner Rache entsprungen. (Indem
  • er hastig das Glas ergreift.) Also leichtsinnig warst du
  • nicht--dumm warst du nicht--du warst nur ein Teufel. (Er
  • trinkt.) Die Limonade ist matt wie deine Seele--Versuche!
  • Luise. O Himmel! Nicht umsonst hab' ich diesen Auftritt gefürchtet.
  • Ferdinand (gebieterisch). Versuche!
  • Luise (nimmt das Glas etwas unwillig und trinkt).
  • Ferdinand (wendet sich, sobald sie das Glas an den Mund setzt, mit
  • einer plötzlichen Erblassung weg und eilt nach dem hintersten Winkel
  • des Zimmers).
  • Luise. Die Limonade ist gut.
  • Ferdinand (ohne sich umzukehren, von Schauer geschüttelt). Wohl
  • bekomm's!
  • Luise (nachdem sie es niedergesetzt). O wenn Sie wüßten, Walter, wie
  • ungeheuer Sie meine Seele beleidigen.
  • Ferdinand. Hum!
  • Luise. Es wird eine Zeit kommen, Walter-Ferdinand (wieder vorwärts
  • kommend). O! mit der Zeit wären wir fertig.
  • Luise. Wo der heutige Abend schwer auf Ihr Herz fallen
  • dürfte-Ferdinand (fängt an stärker zu gehen und beunruhigter zu
  • werden, indem er Schärpe und Degen von sich wirft). Gute Nacht,
  • Herrendienst!
  • Luise. Mein Gott! Wie wird Ihnen?
  • Ferdinand. Heiß und enge--Will mir's bequemer machen.
  • Luise Trinken Sie! Trinken Sie! Der Trank wird Sie kühlen.
  • Ferdinand. Das wird er auch ganz gewiß--Die Metze ist gutherzig;
  • doch, das sind alle!
  • Luise (mit dem vollen Ausdruck der Liebe ihm in die Arme eilend).
  • Das deiner Luise, Ferdinand?
  • Ferdinand (drückt sie von sich). Fort! Fort! Diese sanften
  • schmelzenden Augen weg! Ich erliege. Komm in deiner ungeheuern
  • Furchtbarkeit, Schlange! spring an mir auf, Wurm!--Krame vor mir
  • deine gräßlichen Knoten aus, bäume deine Wirbel zum Himmel!--so
  • abscheulich, als dich jemals der Abgrund sah--nur keinen Engel
  • mehr--nur jetzt keinen Engel mehr--Es ist zu spät--Ich muß dich
  • zertreten, wie eine Natter, oder verzweifeln--Erbarme dich!
  • Luise. O! daß es so weit kommen mußte!
  • Ferdinand (sie von der Seite betrachtend). Dieses schöne Werk des
  • himmlischen Bildners--Wer kann das glauben?--Wer sollte das glauben?
  • (Ihre Hand fassend und emporhaltend.) Ich will dich nicht zur Rede
  • stellen, Gott Schöpfer--Aber warum denn dein Gift in so schönen
  • Gefäßen?--Kann das Laster in diesem milden Himmelstrich
  • fortkommen?--O, es ist seltsam.
  • Luise. Das anzuhören und schweigen zu müssen!
  • Ferdinand. Und die süße melodische Stimme--Wie kann so viel
  • Wohlklang kommen aus zerrissenen Saiten? (Mit trunkenem Aug auf
  • ihrem Anblick verweilend.) Alles so schön--so voll Ebenmaß--so
  • göttlich vollkommen!--Überall das Werk seiner himmlischen
  • Schäferstunde! Bei Gott! als wäre die große Welt nur entstanden, den
  • Schöpfer für dieses Meisterstück in Laune zu setzen!--Und nur in der
  • Seele sollte Gott sich vergriffen haben? ist es möglich, daß diese
  • empörende Mißgeburt in die Natur ohne Tadel kam? (Indem er sie
  • schnell verläßt.) Oder sah er einen Engel unter dem Meißel
  • hervorgehen und half diesem Irrthum in der Eile mit einem desto
  • schlechteren Herzen ab?
  • Luise. O des frevelhaften Eigensinns! Ehe er sich eine Übereilung
  • gestände, greift er lieber den Himmel an.
  • Ferdinand (stürzt ihr heftig weinend an den Hals). Noch einmal,
  • Luise!--Noch einmal wie am Tag unsers ersten Kusses, da du Ferdinand
  • stammeltest und das erste Du auf deine brennenden Lippen trat--O eine
  • Saat unendlicher, unaussprechlicher Freuden schien in dem Augenblick
  • wie in der Knospe zu liegen--Da lag die Ewigkeit wie ein schöner
  • Maitag vor unsern Augen; goldne Jahrtausende hüpften, wie Bräute, vor
  • unsrer Seele vorbei--Da war ich der Glückliche!--O Luise! Luise!
  • Luise! Warum hat du mir das gethan?
  • Luise. Weinen Sie, weinen Sie, Walter. Ihre Wehmuth wird gerechter
  • gegen mich sein, als Ihre Entrüstung.
  • Ferdinand. Du betrügst dich. Das sind ihre Thränen nicht--Nicht
  • jener warme, wollüstige Thau, der in die Wunde der Seele balsamisch
  • fließt und das starre Rad der Empfindung wieder in Gang bringt. Es
  • sind einzelne--kalte Tropfen--das schauerliche ewige Lebewohl meiner
  • Liebe. (Furchtbar feierlich, indem er die Hand auf ihren Kopf sinken
  • läßt.) Thränen um deine Seele, Luise--Thränen um die Gottheit, die
  • ihres unendlichen Wohlwollens hier verfehlte, die so muthwillig um
  • das herrlichste ihrer Werke kommt--O mich däucht, die ganze Schöpfung
  • sollte den Flor anlegen und über das Beispiel betreten sein, das in
  • ihrer Mitte geschieht--Es ist was Gemeines, daß Menschen fallen und
  • Paradiese verloren werden; aber wenn die Pest unter Engel wüthet, so
  • rufe man Trauer aus durch die ganze Natur.
  • Luise. Treiben Sie mich nicht aufs Äußerste, Walter. Ich habe
  • Seelenstärke, so gut wie Eine--aber sie muß auf eine menschliche
  • Probe kommen. Walter, das Wort noch und dann geschieden--Ein
  • entsetzliches Schicksal hat die Sprache unsrer Herzen verwirrt.
  • Dürft' ich den Mund aufthun, Walter, ich könnte dir Dinge sagen--ich
  • könnte--aber das harte Verhängniß band meine Zunge wie meine Liebe,
  • und dulden muß ich's, wenn du mich wie eine gemeine Metze mißhandelst.
  • Ferdinand. Fühlst du dich wohl, Luise?
  • Luise. Wozu diese Frage?
  • Ferdinand. Sonst sollte mir's leid um dich thun, wenn du mit einer
  • Lüge von hinnen müßtest.
  • Luise. Ich beschwöre Sie, Walter-Ferdinand (unter heftigen
  • Bewegungen). Nein! nein! Zu satanisch wäre diese Rache! Nein!
  • Gott bewahre mich! In jene Welt hinaus will ich's nicht
  • treiben--Luise! Hast du den Marschall geliebt? Du wirst nicht mehr
  • aus diesem Zimmer gehen.
  • Luise. Fragen Sie, was Sie wollen. Ich antworte nichts mehr. (Sie
  • setzt sich nieder.)
  • Ferdinand (ernster). Sorge für deine unsterbliche Seele, Luise!
  • --Hast du den Marschall geliebt? Du wirst nicht mehr aus diesem
  • Zimmer gehen.
  • Luise. Ich antworte nichts mehr.
  • Ferdinand (fällt in fürchterlicher Bewegung vor ihr nieder).
  • Luise! Hast du den Marschall geliebt? Ehe dieses Licht noch
  • ausbrennt--stehst du--vor Gott!
  • Luise (fährt erschrocken in die Höhe). Jesus! Was ist das?--und
  • mir wird sehr übel. (Sie sinkt auf den Sessel zurück.)
  • Ferdinand. Schon?--Über euch Weiber und das ewige Räthsel! Die
  • zärtliche Nerve hält Freveln fest, die die Menschheit an ihren
  • Wurzeln zernagen; ein elender Gran Arsenik wirft sie um-Luise. Gift!
  • Gift! O mein Herrgott!
  • Ferdinand. So fürchte ich. Deine Limonade war in der Hölle gewürzt.
  • Du hast sie dem Tod zugetrunken.
  • Luise. Sterben! Sterben! Gott Allbarmherziger! Gift in der
  • Limonade und sterben!--O meiner Seele erbarme dich, Gott der Erbarmer!
  • Ferdinand. Das ist die Hauptsache. Ich bitt' ihn auch darum.
  • Luise. Und meine Mutter--mein Vater--Heiland der Welt! Mein armer,
  • verlorener Vater! Ist keine Rettung mehr? Mein junges Leben, und
  • keine Rettung! Und muß ich jetzt schon dahin?
  • Ferdinand. Keine Rettung, mußt jetzt schon dahin--aber sei ruhig.
  • Wir machen die Reise zusammen.
  • Luise. Ferdinand, auch du! Gift, Ferdinand! Von dir! O Gott,
  • vergiß es ihm--Gott der Gnade, nimm die Sünde von ihm-Ferdinand.
  • Sieh du nach deinen Rechnungen--Ich fürchte, sie stehen übel.
  • Luise. Ferdinand! Ferdinand!--O--Nun kann ich nicht mehr
  • schweigen--Der Tod--der Tod hebt alle Eide auf--Ferdinand!--Himmel
  • und Erde hat nichts Unglückseligeres als dich!--Ich sterbe unschuldig,
  • Ferdinand.
  • Ferdinand (erschrocken). Was sagt sie da?--Eine Lüge pflegt man doch
  • sonst nicht auf diese Reise zu nehmen?
  • Luise. Ich lüge nicht--lüge nicht--hab' nur einmal gelogen mein
  • Lebenlang--Huh! wie das eiskalt durch meine Adern schauert--als ich
  • den Brief schrieb an den Hofmarschall-Ferdinand. Ha! Dieser Brief!
  • --Gottlob! Jetzt hab' ich all meine Mannheit wieder.
  • Luise (ihre Zunge wird schwerer, ihre Finger fangen an gichterisch zu
  • zucken). Dieser Brief--Fasse dich, ein entsetzliches Wort zu
  • hören--Meine Hand schrieb, was mein Herz verdammte--dein Vater hat
  • ihn dictiert.
  • Ferdinand (starr und einer Bildsäule gleich, in langer todter Pause
  • hingewurzelt, fällt endlich wie von einem Donnerschlag nieder).
  • Luise. O des kläglichen Mißverstands--Ferdinand--man zwang
  • mich--vergib--deine Luise hätte den Tod vorgezogen--aber mein
  • Vater--die Gefahr--sie machten es listig.
  • Ferdinand (schrecklich emporgeworfen). Gelobet sei Gott! noch spür'
  • und das Gift nicht. (Er reißt den Degen heraus.)
  • Luise (von Schwäche zu Schwäche sinkend). Weh! Was beginnst du? Es
  • ist dein Vater-Ferdinand (im Ausdruck der unbändigsten Wuth). Mörder
  • und Mördervater!--Mit muß er, daß der Richter der Welt nur gegen den
  • Schuldigen rase. (Will hinaus.)
  • Luise. Sterbend vergab mein Erlöser--Heil über dich und ihn (Sie
  • stirbt.)
  • Ferdinand (kehrt schnell um, wird ihre letzte sterbende Bewegung
  • gewahr und fällt in Schmerz aufgelöst vor der Todten nieder). Halt!
  • Halt! Entspringe mir nicht, Engel des Himmels! (Er faßt ihre Hand
  • an und läßt sie schnell wie fallen.) Kalt, kalt und feucht! Ihre
  • Seele ist dahin. (Er springt wieder auf.) Gott meiner Luise! Gnade!
  • Gnade dem verruchtesten der Mörder! Es war ihr letztes Gebet!--Wie
  • reizend und schön auch ihr Leichnam! Der gerührte Würger ging
  • schonend über diese freundlichen Wangen hin--Diese Sanftmuth war
  • keine Larve, sie hat auch dem Tod Stand gehalten. (Nach einer Pause.)
  • Aber wie? Warum fühl' ich nichts? Will die Kraft meiner Jugend
  • mich retten? Undankbare Mühe! Das ist meine Meinung nicht. (Er
  • greift nach dem Glase.)
  • Letzte Scene.
  • Ferdinand. Der Präsident. Wurm und Bediente, welche alle voll
  • Schrecken ins Zimmer stürzen, darauf Miller mit Volk und
  • Gerichtsdienern, welche sich im Hintergrund sammeln.
  • Präsident (den Brief in der Hand). Sohn, was ist das?--Ich will doch
  • nimmermehr glauben-Ferdinand (wirft ihm das Glas vor die Füße). So
  • sieh, Mörder!
  • Präsident (taumelt hinter sich. Alle erstarren. Eine schreckhafte
  • Pause.) Mein Sohn, warum hast du mir das gethan?
  • Ferdinand (ohne ihn anzusehen). O ja freilich! Ich hätte den
  • Staatsmann erst hören sollen, ob der Streich auch zu seinen Karten
  • passe?--Fein und bewundernswerth, ich gesteh's, war die Finte, den
  • Bund unsrer Herzen zu zerreißen durch Eifersucht--Die Rechnung hatte
  • ein Meister gemacht, aber Schade nur, daß die zürnende Liebe dem
  • Draht nicht so gehorsam blieb wie deine hölzerne Puppe.
  • Präsident (sucht mit verdrehten Augen im ganzen Kreise herum). Ist
  • hier Niemand, der um einen trostlosen Vater weint?
  • Miller (hinter der Scene rufend). Laßt mich hinein! Um Gottes
  • willen! Laßt mich!
  • Ferdinand. Das Mädchen ist eine Heilige--für sie muß ein Anderer
  • rechten. (Er öffnet Millern die Thüre, der mit Volk und
  • Gerichtsdienern hineinstürzt.)
  • Miller (in der fürchterlichsten Angst). Mein Kind! Mein Kind!
  • --Gift--Gift, schreit man, sei hier genommen worden--Meine Tochter!
  • Wo bist du?
  • Ferdinand (führt ihn zwischen den Präsident und Luisens Leiche). Ich
  • bin unschuldig--Danke Diesem hier.
  • Miller (fällt an ihr zu Boden). O Jesus!
  • Ferdinand. In wenig Worten, Vater--Sie fangen an mir kostbar zu
  • werden--Ich bin bübisch um mein Leben bestohlen, bestohlen durch Sie.
  • Wie ich mit Gott stehe, zittre ich--doch ein Bösewicht bin ich
  • niemals gewesen. Mein ewiges Loos falle, wie es will--auf Sie fall'
  • es nicht--Aber ich hab' einen Mord begangen, (mit furchtbar erhobener
  • Stimme) einen Mord, den du mir nicht zumuthen wirst, allein vor den
  • Richter der Welt hinzuschleppen. Feierlich wälz' ich dir hier die
  • größte, gräßlichste Hälfte zu; wie du damit zurecht kommen magst,
  • siehe du selber. (Ihn zu Luisen hinführend.) Hier, Barbar! Weide
  • dich an der entsetzlichen Frucht deines Witzes, auf dieses Gesicht
  • ist mit Verzerrungen dein Name geschrieben, und die Würgengel werden
  • ihn lesen--Eine Gestalt wie diese ziehe den Vorhang von deinem Bette,
  • wenn du schläfst, und gebe dir ihre eiskalte Hand--Eine Gestalt wie
  • diese stehe vor deiner Seele, wenn du stirbst, und dränge dein
  • letztes Gebet weg--Eine Gestalt wie diese stehe auf deinem Grabe,
  • wenn du auferstehst--und neben Gott, wenn er dich richtet. (Er wird
  • ohnmächtig. Bediente halten ihn.)
  • Präsident (eine schreckliche Bewegung des Arms gegen den Himmel).
  • Von mir nicht, von mir nicht, Richter der Welt, fordre diese Seelen,
  • von Diesem! (Er geht auf Wurm zu.)
  • Wurm (auffahrend). Von mir?
  • Präsident. Verfluchter, von dir! Von dir, Satan!--Du, du gabst den
  • Schlangenrath--Über dich die Verantwortung--ich wasche die Hände.
  • Wurm. Über mich? (Er fängt gräßlich an zu lachen.) Lustig!
  • Lustig! So weiß ich doch nun auch, auf was Art sich die Teufel
  • danken.--Über mich, dummer Bösewicht? War es mein Sohn? War ich
  • dein Gebieter?--Über mich die Verantwortung? Ha! bei diesem Anblick,
  • der alles Mark in meinen Gebeinen erkältet! Über mich soll sie
  • kommen!--Jetzt will ich verloren sein, aber du sollst es mit mir
  • sein--Auf! Auf! Ruft Mord durch die Gassen! Weckt die Justiz auf!
  • Gerichtsdiener, bindet mich! Führt mich von hinnen! Ich will
  • Geheimnisse aufdecken, daß Denen, die sie hören, die Haut schauern
  • soll. (Will gehen.)
  • Präsident (hält ihn). Du wirst doch nicht, Rasender?
  • Wurm (klopft ihn auf die Schulter). Ich werde, Kamerad! Ich werde!
  • --Rasend bin ich, das ist wahr--das ist dein Werk--so will ich auch
  • jetzt handeln wie ein Rasender--Arm in Arm mit dir zum Blutgerüst!
  • Arm in Arm mit dir zur Hölle! Es soll mich kitzeln, Bube, mit dir
  • verdammt zu sein! (Er wird abgeführt.)
  • Miller (der die ganze Zeit über, den Kopf in Luisens Schooß gesunken,
  • in stummem Schmerz gelegen hat, steht schnell auf und wirft dem Major
  • die Börse vor die Füße). Giftmischer! Behalt dein verfluchtes Gold!
  • --wolltest du mir mein Kind damit abkaufen? (Er stürzt aus dem
  • Zimmer.)
  • Ferdinand (mit brechender Stimme). Geht ihm nach! Er
  • verzweifelt--Das Geld hier soll man ihm retten--Es ist meine
  • fürchterliche Erkenntlichkeit. Luise!--Luise!--Ich komme--Lebt
  • wohl--Laßt mich an diesem Altar verscheiden-Präsident (aus einer
  • dumpfen Betäubung zu seinem Sohn). Sohn Ferdinand! Soll kein Blick
  • mehr auf einen zerschmetterten Vater fallen? (Der Major wird neben
  • Luisen niedergelassen.)
  • Ferdinand. Gott dem Erbarmenden gehört dieser letzte.
  • Präsident (in der schrecklichsten Qual vor ihm niederfallend).
  • Geschöpf und Schöpfer verlassen mich--Soll kein Blick mehr zu meiner
  • letzten Erquickung fallen?
  • Ferdinand (reicht ihm seine sterbende Hand).
  • Präsident (steht schnell auf). Er vergab mir! (Zu den Andern.)
  • Jetzt euer Gefangener! (Er geht ab, Gerichtsdiener folgen ihm, der
  • Vorhang fällt.)
  • Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Kabale und Liebe, von Friedrich
  • Schiller.
  • *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, KABALE UND LIEBE ***
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