- The Project Gutenberg EBook of Die Verschwoerung des Fiesco zu Genua
- by Friedrich (Johann Christoph Friedrich von ) Schiller
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- Title: Die Verschwoerung des Fiesco zu Genua
- Author: Friedrich (Johann Christoph Friedrich von ) Schiller
- Release Date: September, 2004 [EBook #6499]
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- Edition: 10
- Language: German
- *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DIE VERSCHWOERUNG DES FIESCO ZU GENUA ***
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- Friedrich Schiller
- Die Verschwörung des Fiesco zu Genua
- Ein republikanisches Trauerspiel.
- Nam id facinus inprimis ego memorabile existimo sceleris atque
- periculi novitate. Sallust vom Catilina.
- Vorrede. Die Geschichte dieser Verschwörung habe ich vorzüglich aus
- des Cardinals von Retz Conjuration du Comte Jean Louis de Fiesque,
- der Histoire des Conjurations, Histoire de Gènes und Robertsons
- Geschichte Karls V.--dem dritten Theil--gezogen. Freiheiten, welche
- ich mir mit den Begebenheiten herausnahm, wird der Hamburgische
- Dramaturgist entschuldigen, wenn sie mir geglückt sind; sind sie das
- nicht, so will ich doch lieber meine Phantasieen als Facta verdorben
- haben. Die wahre Katastrophe des Komplotts, worin der Graf durch
- einen unglücklichen Zufall am Ziel seiner Wünsche zu Grunde geht,
- mußte durchaus verändert werden, denn die Natur des Dramas duldet den
- Finger des Ohngefährs oder der unmittelbaren Vorsehung nicht. Es
- sollte mich sehr wundern, warum noch kein tragischer Dichter in
- diesem Stoffe gearbeitet hat, wenn ich nicht Grund genug in eben
- dieser undramatischen Wendung fände. Höhere Geister sehen die zarten
- Spinneweben einer That durch die ganze Dehnung des Weltsystems laufen
- und vielleicht an die entlegensten Grenzen der Zukunft und
- Vergangenheit anhängen--wo der Mensch nichts, als das in freien
- Lüften schwebende Factum sieht. Aber der Künstler wählt für das
- kurze Gesicht der Menschheit, die er belehren will, nicht für die
- scharfsichtige Allmacht, von der er lernt.
- Ich habe in meinen Räubern das Opfer einer ausschweifenden Empfindung
- zum Vorwurf genommen.--Hier versuche ich das Gegentheil, ein Opfer
- der Kunst und Cabale. Aber so merkwürdig sich auch das unglückliche
- Project des Fiesco in der Geschichte gemacht hat, so leicht kann es
- doch diese Wirkung auf dem Schauplatz verfehlen. Wenn es wahr ist,
- daß nur Empfindung Empfindung weckt, so müßte, däucht mich, der
- politische Held in eben dem Grade kein Subject für die Bühne sein, in
- welchem er den Menschen hintenansetzen muß, um der politische Held zu
- sein. Es stand daher nicht bei mir, meiner Fabel jene lebendige
- Gluth einzuhauchen, welche durch das lautere Product der Begeisterung
- herrscht; aber die kalte, unfruchtbare Staatsaction aus dem
- menschlichen Herzen herauszuspinnen und eben dadurch an das
- menschliche Herz wieder anzuknüpfen--den Mann durch den staatsklugen
- Kopf zu verwickeln--und von der erfindrischen Intrigue Situationen
- für die Menschheit zu entlehnen--das stand bei mir. Mein Verhältniß
- mit der bürgerlichen Welt machte mich auch mit dem Herzen bekannter,
- als dem Kabinet, und vielleicht ist eben diese politische Schwäche zu
- einer poetischen Tugend geworden.
- Personen des Stücks.
- Andreas Doria, Doge von Genua. Ehrwürdiger Greis von 80 Jahren.
- Spuren von Feuer. Ein Hauptzug: Gewicht und strenge befehlende Kürze.
- Gianettino Doria, Neffe des Vorigen. Prätendent. Mann von 26 Jahren.
- Rauh und anstößig in Sprache, Gang und Manieren. Bäurisch-stolz.
- Die Bildung zerrissen.
- (Beide Doria tragen Scharlach)
- Fiesco, Graf von Lavagna. Haupt der Verschwörung. Junger, schlanker,
- blühend-schöner Mann von 23 Jahren--stolz mit Anstand--freundlich
- mit Majestät--höflich-geschmeidig und eben so tückisch.
- (Alle Nobili gehen schwarz. Die Tracht ist durchaus altdeutsch.)
- Verrina, verschworner Republikaner. Mann von 60 Jahren. Schwer,
- ernst und düster. Tiefe Züge.
- Bourgognino, Verschworner. Jüngling von 20 Jahren. Edel und
- angenehm. Stolz, rasch und natürlich.
- Calcagno, Verschworner. Hagrer Wollüstling. 30 Jahre. Bildung
- gefällig und unternehmend.
- Sacco, Verschworner. Mann von 45 Jahren. Gewöhnlicher Mensch.
- Lomellino, Gianettinos Vertrauter. Ein ausgetrockneter Hofmann.
- Zenturione, Zibo, Asserato, Mißvergnügte.
- Romano, Maler. Frei, einfach und stolz.
- Muley Hassan, Mohr von Tunis. Ein confiscirter Mohrenkopf. Die
- Physiognomie eine originelle Mischung von Spitzbüberei und Laune.
- Deutscher der herzoglichen Leibwache. Ehrliche Einfalt. Handfeste
- Tapferkeit.
- Drei aufrührerische Bürger.
- Leonore, Fiesco's Gemahlin. Dame von 18 Jahren. Blaß und schmächtig.
- Fein und empfindsam. Sehr anziehend, aber weniger blendend. Im
- Gesicht schwärmerische Melancholie. Schwarze Kleidung.
- Julia, Gräfin Wittwe Imperiali, Dorias Schwester. Dame von 25 Jahren.
- Groß und voll. Stolze Kokette. Schönheit, verdorben durch
- Bizarrerie. Blendend und nicht gefallend. Im Gesicht ein böser
- moquanter Charakter. Schwarze Kleidung.
- Bertha, Verrinas Tochter. Unschuldiges Mädchen.
- Rosa, Arabella, Leonorens Kammermädchen.
- Mehrere Nobili, Bürger, Deutsche, Soldaten, Bediente, Diebe.
- Der Schauplatz Genua.--Die Zeit 1547.
- Erster Aufzug
- Saal bei Fiesco
- Man hört in der Ferne eine Tanzmusik und den Tumult eines Balls.
- Erster Auftritt.
- Leonore maskiert, Rosa, Arabella fliehen zerstört auf die Bühne.
- Leonore (reißt die Maske ab). Nichts mehr! Kein Wort mehr! Es ist
- am Tag. (Sie wirft sich in einen Sessel.) Das wirft mich nieder.
- Arabella. Gnädige Frau-Leonore (aufstehend). Vor meinen Augen! eine
- stadtkundige Kokette! im Angesicht des ganzen Adels von Genua!
- (Wehmütig.) Rosa! Bella! und vor meinen weinenden Augen.
- Rosa. Nehmen Sie die Sache für Das, was sie wirklich war--eine
- Galanterie-Leonore. Galanterie?--und das emsige Wechselspiel ihrer
- Augen? das ängstliche Lauern auf ihre Spuren? der lange verweilende
- Kuß auf ihren entblößten Arm, daß noch die Spur seiner Zähne im
- flammrothen Fleck zurückblieb? Ha! und die starre tiefe Betäubung,
- worein er, gleich dem gemalten Entzücken, versunken saß, als wär' um
- ihn her die Welt weggeblasen und er allein mit dieser Julia im ewigen
- Leeren? Galanterie?--gutes Ding, das noch nie geliebt hat, streite
- mir nicht über Galanterie und Liebe.
- Rosa. Desto besser, Madonna. Einen Gemahl verlieren heißt zehen
- Cicisbeo Profit machen.
- Leonore. Verlieren?--ein kleiner aussetzender Puls der Empfindung
- und Fiesco verloren? Geh, giftige Schwätzerin--komm mir nie wieder
- vor die Augen!--eine unschuldige Neckerei--vielleicht eine
- Galanterie? Ist es nicht so, meine empfindende Bella?
- Arabella. O ja! ganz zuverlässig so!
- Leonore (in Tiefsinn versunken). Daß sie darum in seinem Herzen sich
- wüßte?--daß hinter jedem seiner Gedanken ihr Name im Hinterhalt
- läge?--ihn anspräche in jeder Fußtapfe der Natur?--Was ist das? wo
- gerath' ich hin? Daß ihm die schöne majestätische Welt nichts wäre,
- als der prächtige Demant, worauf nur ihr Bild--nur ihr Bild gestochen
- ist?--daß er sie liebte?--Julien! O deinen Arm her--halte mich,
- Bella!
- (Pause. Die Musik läßt sich von Neuem hören.)
- Leonore (aufgefahren). Horch! War das nicht die Stimme Fiescos, die
- aus dem Lärme hervordrang? Kann er lachen, wenn seine Leonore im
- Einsamen weinet? Nicht doch, mein Kind! Es war Gianettino Dorias
- bäurische Stimme.
- Arabella. Sie war's, Signora! Aber kommen Sie in ein anderes Zimmer.
- Leonore. Du entfärbst dich, Bella! du lügst--ich lese in euren
- Augen--in den Gesichtern der Genueser ein Etwas--ein Etwas. (Sich
- verhüllend.) O gewiß! diese Genueser wissen mehr, als für das Ohr
- einer Gattin taugt.
- Rosa. O der Alles vergrößernden Eifersucht!
- Leonore. (schwermüthig schwärmend). Da er noch Fiesco war--dahertrat
- im Pomeranzenhain, wo wir Mädchen lustwandeln gingen, ein blühender
- Apoll, verschmolzen in den männlich-schönen Antinous. Stolz und
- herrlich trat er daher, nicht anders, als wenn das durchlauchtige
- Genua auf seinen jungen Schultern sich wiegte; unsere Augen schlichen
- diebisch ihm nach und zuckten zurück, wie auf dem Kirchenraub
- ergriffen, wenn sein wetterleuchtender Blick sie traf. Ach, Bella!
- wie verschlangen wir seine Blicke! wie parteiisch zählte sie der
- ängstliche Neid der Nachbarin zu! Sie fielen unter uns wie der
- Goldapfel des Zanks, zärtliche Augen brannten wilder, sanfte Busen
- pochten stürmischer, Eifersucht hatte unsere Eintracht zerrissen.
- Arabella. Ich besinne mich. Das ganze weibliche Genua kam in
- Aufruhr um diese schöne Eroberung.
- Leonore (begeistert). Und nun mein ihn zu nennen! verwegenes,
- entsetzliches Glück! Mein Genuas größten Mann, (mit Anmuth) der
- vollendet sprach aus dem Meißel der unerschöpflichen Künstlerin, alle
- Größen seines Geschlechts im lieblichsten Schmelze verband--Höret,
- Mädchen! kann ich's nun doch nicht mehr verschweigen!--Höret, Mädchen,
- ich vertraue euch etwas, (geheimnißvoll) einen Gedanken--als ich am
- Altar stand neben Fiesco--seine Hand in meine Hand gelegt--hatt' ich
- den Gedanken, den zu denken dem Weibe verboten ist--dieser Fiesco,
- dessen Hand jetzt in der deinigen liegt--dein Fiesco--aber still! daß
- kein Mann uns belausche, wie hoch wir uns mit dem Abfall seiner
- Vortrefflichkeit brüsten--dieser dein Fiesco--Weh euch, wenn das
- Gefühl euch nicht höher wirft!--wird--uns Genua von seinen Tyrannen
- erlösen!
- Arabella (erstaunt). Und diese Vorstellung kam einem Frauenzimmer am
- Brauttag?
- Leonore. Erstaune, Bella! Der Braut in der Wonne des Brauttags!
- (Lebhafter.) Ich bin ein Weib--aber ich fühle den Adel meines Bluts,
- kann es nicht dulden, daß dieses Haus Doria über unsre Ahnen
- hinauswachsen will. Jener sanftmüthige Andreas--es ist eine Wollust,
- ihm gut zu sein--mag immer Herzog von Genua heißen, aber Gianettino
- ist sein Neffe--sein Erbe--und Gianettino hat ein freches,
- hochmüthiges Herz. Genua zittert vor ihm, und Fiesco, (in Wehmuth
- hinabgefallen) Fiesco--weinet um mich--liebt seine Schwester.
- Arabella. Arme, unglückliche Frau-Leonore. Geht jetzt und sehet
- diesen Halbgott der Genueser im schamlosen Kreis der Schwelger und
- Buhldirnen setzen, ihre Ohren mit unartigem Witze kitzeln, ihnen
- Märchen von verwünschten Prinzessinnen erzählen--das ist Fiesco!--Ach,
- Mädchen! nicht Genua allein verlor seinen Helden--auch ich meinen
- Gemahl!
- Rosa. Reden Sie leiser. Man kömmt durch die Galerie.
- Leonore (zusammenschreckend). Fiesco kommt. Flieht! flieht! Mein
- Anblick könnte ihm einen trüben Augenblick machen. (Sie entspringt
- in ein Seitenzimmer. Die Mädchen ihr nach.)
- Zweiter Auftritt
- Gianettino Doria maskiert im grünen Mantel. Ein Mohr. Beide im
- Gespräch.
- Gianettino. Du hast mich verstanden.
- Mohr. Wohl.
- Gianettino. Die weiße Maske.
- Mohr. Wohl.
- Gianettino. Ich sage--die weiße Maske!
- Mohr. Wohl! wohl! wohl!
- Gianettino. Hörst du? Du kannst sie nur (auf seine Brust deutend)
- hieher verfehlen.
- Mohr. Seid unbekümmert.
- Gianettino. Und einen tüchtigen Stoß!
- Mohr. Er soll zufrieden sein.
- Gianettino (hämisch). Daß der arme Graf nicht
- Mohr. Um Vergebung--wie schwer möchte ungefähr sein Kopf ins Gewicht
- fallen?
- Gianettino. Hundert Zechinen schwer.
- Mohr (bläst durch die Finger). Puh! Federleicht!
- Gianettino. Was brummst du da?
- Mohr. Ich sag' es ist eine leichte Arbeit.
- Gianettino. Das ist deine Sorge. Dieser Mensch ist ein Magnet.
- Alle unruhigen Köpfe fliegen gegen seine Pole. Höre, Kerl! fasse ihn
- ja recht.
- Mohr. Aber, Herr--ich muß flugs auf die That nach Venedig.
- Gianettino. So nimm deinen Dank voraus. (wirft ihm einen Wechsel zu.)
- In höchstens drei Tagen muß er kalt sein. (Ab.)
- Mohr (indem er den Wechsel vom Boden nimmt). Das nenn' ich Credit!
- Der Herr traut meiner Jaunerparole ohne Handschrift. (Ab.)
- Dritter Auftritt
- Calcagno, hinter ihm Sacco. Beide in schwarzen Mänteln.
- Calcagno. Ich werde gewahr, daß du alle meine Schritte belauerst.
- Sacco. Und ich beobachte, daß die mir alle verbirgst. Höre,
- Calcagno, seit einigen Wochen arbeitet etwas auf deinem Gesichte, das
- nicht geradezu just dem Vaterland gilt.--Ich dächte, Bruder, wir
- Beide könnten schon Geheimniß gegen Geheimniß tauschen, und am Ende
- hätte Keiner beim Schleichhandel verloren--Wirst du aufrichtig sein?
- Calcagno. So sehr, daß, wenn deine Ohren nicht Lust haben, in meine
- Brust hinunter zu steigen, mein Herz dir halbwegs auf meiner Zunge
- entgegen kommen soll--Ich liebe die Gräfin Fiesco.
- Sacco (tritt verwundernd zurück). Wenigstens das hätt' ich nicht
- entziffert, hätte ich alle Möglichkeiten Revue passieren
- lassen--Deine Wahl spannt meinen Witz auf die Folter, aber es ist um
- ihn geschehen, wenn sie glückt.
- Calcagno. Man sagt, sie sei ein Beispiel der strengsten Tugend.
- Sacco. Man lügt. Sie ist das ganze Buch über den abgeschmackten
- Text. Eins von beiden, Calcagno, gib dein Gewerb oder dein Herz
- auf-Calcagno. Der Graf ist ihr ungetreu. Eifersucht ist die
- abgefeimteste Kupplerin. Ein Anschlag gegen die Doria muß den Grafen
- in Athem halten und mir im Palaste zu schaffen geben. Während er nun
- den Wolf aus der Hürde scheucht, soll der Marder in seinen
- Hühnerstall fallen.
- Sacco. Unverbesserlich, Bruder! Habe Dank. Auch mich hast du
- plötzlich des Rothwerdens überhoben. Was ich mich zu denken geschämt
- habe, kann ich jetzt laut vor dir sagen. Ich bin ein Bettler, wenn
- die jetzige Verfassung nicht übern Haufen fällt.
- Calcagno. Sind deine Schulden so groß?
- Sacco. So ungeheuer, daß mein Lebensfaden, achtfach genommen, am
- ersten Zehentheil abschnellen muß. Eine Staatsveränderung soll mir
- Luft machen, hoff' ich. Wenn sie mir auch nicht zum Bezahlen hilft,
- soll sie doch meinen Gläubigern das Fordern entleiden.
- Calcagno. Ich verstehe--und am Ende, wenn Genua bei der Gelegenheit
- frei wird, läßt sich Sacco Vater des Vaterlands taufen. Wärme mir
- Einer das verdroschene Märchen von Redlichkeit auf, wenn der
- Bankerott eines Taugenichts und die Brunst eines Wollüstlings das
- Glück eines Staats entscheiden. Bei Gott, Sacco! ich bewundre in uns
- Beiden die feine Speculation des Himmels, der das Herz des Körpers
- durch die Eiterbeulen der Gliedmaßen rettet--Weiß Verrina um deinen
- Anschlag?
- Sacco. So weit der Patriot darum wissen darf. Genua, weißt du
- selbst, ist die Spindel, um welche sich alle seine Gedanken mit einer
- eisernen Treue drehen. An dem Fiesco hängt jetzt sein Falkenaug.
- Auch dich hofft er halbwegs zu einem kühnen Komplott.
- Calcagno. Er hat eine treffliche Nase. Komm, laß uns ihn aufsuchen
- und seinen Freiheitssinn mit dem unsrigen schüren. (Gehen ab.)
- Vierter Auftritt
- Julia erhitzt. Fiesco, der einen weißen Mantel trägt, eilt ihr nach.
- Julia. Lakaien! Läufer!
- Fiesco. Gräfin, wohin? Was beschließen Sie?
- Julia. Nichts, im mindesten nichts. (Bediente.) Mein Wagen soll
- vorfahren.
- Fiesco. Sie erlauben--er soll nicht. Hier ist eine Beleidigung.
- Julia. Pah! doch wohl das nicht--Weg! Sie zerren mir ja die
- Garnierung in Stücken--Beleidigung? Wer ist hier, der beleidigen
- kann? So gehen Sie doch.
- Fiesco (auf einem Knie.) Nicht, bis Sie mir den Verwegenen sagen.
- -Julia (steht still mit angestemmten Armen). Ah, schön! schön!
- sehenswürdig! Rufe doch Jemand die Gräfin von Lavagna zu diesem
- reizenden Schauspiel!--Wie, Graf? wo bleibt der Gemahl? Diese
- Stellung taugte ausnehmend in das Schlafgemach Ihrer Frau, wenn sie
- im Kalender ihrer Liebkosungen blättert und einen Bruch in der
- Rechnung findet. Stehen Sie doch auf. Gehen Sie zu Damen, wo Sie
- wohlfeiler markten. So stehen Sie doch auf. Oder wollen Sie die
- Impertinenzen Ihrer Frau mit Ihren Galanterieen abbüßen?
- Fiesco (springt auf). Impertinenzen? Ihnen?
- Julia. Aufzubrechen--den Sessel zurückzustoßen--der Tafel den Rücken
- zu kehren--der Tafel, Graf! an der ich sitze.
- Fiesco. Es ist nicht zu entschuldigen.
- Julia. Und mehr ist es nicht?--Über die Fratze! und ist es denn
- meine Schuld, (sich belächelnd) daß der Graf seine Augen hat?
- Fiesco. Das Verbrechen Ihrer Schönheit, Madonna, daß er sie nicht
- überall hat.
- Julia. Keine Delicatesse, Graf, wo die Ehre das Wort führt. Ich
- fordre Genugthuung. Finde ich sie bei Ihnen? oder hinter den Donnern
- des Herzogs?
- Fiesco. In den Armen der Liebe, die Ihnen den Mißtritt der
- Eifersucht abbittet.
- Julia. Eifersucht? Eifersucht? Was will denn das Köpfchen? (Vor
- einem Spiegel gesticulierend.) Ob sie wohl eine bessere Fürsprache
- für ihren Geschmack zu erwarten hat, als wenn ich ihn für den
- meinigen erkläre? (Stolz.) Doria und Fiesco?--ob sich die Gräfin von
- Lavagna nicht geehrt fühlen muß, wenn die Nichte des Herzogs ihre
- Wahl beneidenswürdig findet? (Freundlich, indem sie dem Grafen ihre
- Hand zum Küssen reicht.) Ich setze den Fall, Graf, daß ich sie so
- fände.
- Fiesco (lebhaft). Grausamste, und mich dennoch zu quälen!--Ich weiß
- es, göttliche Julia, daß ich nur Ehrfurcht gegen Sie fühlen sollte.
- Meine Vernunft heißt mich das Knie des Unterthans vor dem Blut Dorias
- beugen, aber mein Herz betet die schöne Julia an. Eine Verbrecherin
- ist meine Liebe, aber eine Heldin zugleich, die kühn genug ist, die
- Ringmauer des Rangs durchzubrechen und gegen die verzehrende Sonne
- der Majestät anzufliegen.
- Julia. Eine große, große, gräfliche Lüge, die auf Stelzen
- heranhinkt--Seine Zunge vergöttert mich, sein Herz hüpft unter dem
- Schattenriß einer Andern.
- Fiesco. Oder besser, Signora, es schlägt unwillig dagegen und will
- ihn hinwegdrücken. (Indem er die Silhouette Leonorens, die an einem
- himmelblauen Bande hängt, herabnimmt und sie der Julia überliefert.)
- Stellen Sie Ihr Bild an diesem Altar auf, so können Sie diesen Götzen
- zerstören.
- Julia (steckt das Bild hastig zu sich, vergnügt). Ein großes Opfer,
- bei meiner Ehre, das meinen Dank verdient. (Sie hängt ihm die ihrige
- um.) So, Sklave! trage die Farbe deines Herrn. (Sie geht ab.)
- Fiesco (mit Feuer). Julia liebt mich! Julia! Ich beneide keinen
- Gott. (Frohlockend im Saal.) Diese Nacht sei eine Festnacht der
- Götter, die Freude soll ihr Meisterstück machen. Holla! holla!
- (Menge Bediente.) Der Boden meiner Zimmer lecke cyprischen Nektar,
- Musik lärme die Mitternacht aus ihrem bleiernen Schlummer auf,
- tausend brennende Lampen spotten die Morgensonne hinweg--Allgemein
- sei die Lust, der bacchantische Tanz stampfe das Todtenreich in
- polternde Trümmer!
- (Er eilt ab. Rauschendes Allegro, unter welchem der Mittelvorhang
- aufgezogen wird und einen großen illuminierten Saal eröffnet, worin
- viele Masken tanzen. Zur Seite Schenk--und Spieltische von Gästen
- besetzt.)
- Fünfter Auftritt
- Gianettino halb betrunken. Lomellin. Zibo. Zenturione. Verrina.
- Sacco. Calcagno. Alle maskiert. Mehrere Damen und Nobili.
- Gianettino (lärmend). Bravo! Bravo! Diese Weine glitschen herrlich,
- unsre Tänzerinnen springen à merveille. Geh Einer von euch, streu'
- es in Genua aus, ich sei heitern Humors, man könne sich gütlich
- thun--Bei meiner Geburt! sie werden den Tag roth im Kalender zeichnen
- und drunter schreiben: Heute war Prinz Doria lustig.
- Gäste (setzen die Gläser an). Die Republik! (Trompetenstoß.)
- Gianettino (wirft das Glas mit Macht auf die Erde). Hier liegen die
- Scherben. (Drei schwarze Masken fahren auf, versammeln sich um
- Gianettino.)
- Lomellin (führt den Prinzen vor). Gnädiger Herr, Sie sagten mir
- neulich von einem Frauenzimmer, das Ihnen in der Lorenzokirche
- begegnete?
- Gianettino. Das hab' ich auch, Bursche, und muß ihre Bekanntschaft
- haben.
- Lomellin. Die kann ich Eurer Gnaden verschaffen.
- Gianettino (rasch). Kannst du? Kannst du? Lomellin, du hast dich
- neulich zur Procuratorwürde gemeldet. Du sollst sie erhalten.
- Lomellin. Gnädiger Prinz, es ist die zweite im Staat, mehr denn
- sechzig Edelleute bewerben sich darum, alle reicher und angesehener,
- als Euer Gnaden unterthäniger Diener.
- Gianettino (schnaubt ihn trotzig an). Donner und Doria! Du sollst
- Procurator werden. (Die drei Masken kommen vorwärts.) Adel in Genua?
- Laß sie all ihre Ahnen und Wappen zumal in die Wagschale schmeißen,
- was braucht es mehr, als ein Haar aus dem weißen Bart meines Onkels,
- Genuas ganze Adelschaft in alle Lüfte zu schnellen? Ich will, du
- sollst Procurator sein, das ist so viel als alle Stimmen der Signoria.
- Lomellin (leiser). Das Mädchen ist die einzige Tochter eines
- gewissen Verrina.
- Gianettino. Das Mädchen ist hübsch, und trutz allen Teufeln! muß ich
- sie brauchen.
- Lomellin. Gnädiger Herr! das einzige Kind des starrköpfigsten
- Republikaners!
- Gianettino. Geh in die Hölle mit deinem Republikaner! Der Zorn eines
- Vasallen und meine Leidenschaft! Das heißt, der Leuchtthurm muß
- einstürzen, wenn Buben mit Muscheln darnach werfen. (Drei schwarze
- Masken treten mit großen Bewegungen näher.) Hat darum Herzog Andreas
- seine Narben geholt in den Schlachten dieser Lumpenrepublikaner, daß
- sein Neffe die Gunst ihrer Kinder und Bräute erbetteln soll? Donner
- und Doria! diesen Gelust müssen sie niederschlucken, oder ich will
- über den Gebeinen meines Oheims einen Galgen aufpflanzen, an dem sich
- ihre genuesische Freiheit zu Tod zappeln soll. (Die drei Masken treten
- zurück.)
- Lomellin. Das Mädchen ist eben jetzt allein. Ihr Vater ist hier und
- eine von den drei Masken.
- Gianettino. Erwünscht, Lomellin. Gleich bringe mich zu ihr.
- Lomellin. Aber Sie werden eine Buhlerin suchen und eine Empfindlerin
- finden.
- Gianettino. Gewalt ist die beste Beredsamkeit. Führe mich alsobald
- hin; den republikanischen Hund will ich sehen, der am Bären Doria
- hinaufspringt. (Fiesco begegnet ihm an der Thür.) Wo ist die Gräfin?
- Sechster Auftritt
- Vorige. Fiesco.
- Fiesco. Ich habe sie in den Wagen gehoben. (Er faßt Gianettinos
- Hand und hält sie gegen seine Brust.) Prinz, ich bin jetzt doppelt in
- Ihren Banden. Gianettino herrscht über meinen Kopf und Genua; über
- mein Herz Ihre liebenswürdige Schwester.
- Lomellin. Fiesco ist ganz Epikuräer worden. Die große Welt hat viel
- an Ihnen verloren.
- Fiesco. Aber Fiesco nichts an der großen Welt. Leben heißt träumen;
- weise sein, Lomellin, heißt angenehm träumen. Kann man das besser
- unter den Donnern des Throns, wo die Räder der Regierung ewig ins
- gellende Ohr krachen, als am Busen eines schmachtenden Weibs?
- Gianettino Doria mag über Genua herrschen. Fiesco wird lieben.
- Gianettino. Brich auf, Lomellin! Es wird Mitternacht. Die Zeit
- rückt heran. Lavagna, wir danken für deine Bewirtung. Ich war
- zufrieden.
- Fiesco. Das ist alles, was ich wünschen kann, Prinz.
- Gianettino. Also gute Nacht. Morgen ist Spiel bei Doria, und Fiesco
- ist eingeladen. Komm, Procurator.
- Fiesco. Musik! Lichter!
- Gianettino (trotzig durch die drei Masken). Platz dem Namen des
- Herzogs.
- Eine von den drei Masken (murmelt unwillig). In der Hölle! Niemals
- in Genua!
- Gäste (in Bewegung). Der Prinz bricht auf. Gute Nacht, Lavagna!
- (Taumeln hinaus.)
- Siebenter Auftritt
- Die drei schwarzen Masken. Fiesco. Pause.
- Fiesco. Ich werde hier Gäste gewahr, die die Freuden meines Festes
- nicht theilen.
- Masken (murmeln verdrießlich durcheinander). Nicht Einer.
- Fiesco (verbindlich). Sollte mein guter Wille einen Genueser
- mißvergnügt weglassen? Hurtig, Lakaien! man soll den Ball erneuern
- und die großen Pokale füllen. Ich wollte nicht, daß Jemand hier
- Langeweile hätte. Darf ich Ihre Augen mit Feuerwerken ergötzen?
- Wollen Sie die Künste meines Harlekins hören? Vielleicht finden Sie
- bei meinem Frauenzimmer Zerstreuung? Oder wollen wir uns zum Pharao
- setzen und die Zeit mit Spielen betrügen?
- Eine Maske. Wir sind gewohnt, die mit Thaten zu bezahlen!
- Fiesco. Eine männliche Antwort, und--das ist Verrina.
- Verrina (nimmt die Maske ab). Fiesco findet seine Freunde
- geschwinder in ihren Masken, als sie ihn in der seinigen.
- Fiesco. Ich verstehe das nicht. Aber was soll der Trauerflor an
- deinem Arm? Sollte Verrina Jemand begraben haben und Fiesco nichts
- darum wissen?
- Verrina. Trauerpost taugt nicht für Fiescos lustige Feste.
- Fiesco. Doch, wenn ein Freund ihn auffordert. (Drückt seine Hand
- mit Wärme.) Freund meiner Seele! wer ist uns Beiden gestorben?
- Verrina. Beiden! Beiden! O allzuwahr!--Aber nicht alle Söhne
- trauern um ihre Mutter.
- Fiesco. Deine Mutter ist lange vermodert.
- Verrina (bedeutend). Ich besinne mich, daß Fiesco mich Bruder nannte,
- weil ich der Sohn seines Vaterlands war.
- Fiesco (scherzhaft). Ah! ist es das? Also auf einen Spaß war es
- abgezielt? Trauerkleider um Genua! und es ist wahr, Genua liegt
- wirklich in letzten Zügen. Der Gedanke ist einzig und neu. Unser
- Vetter fängt an, ein witziger Kopf zu werden!
- Calcagno. Er hat es ernsthaft gesagt, Fiesco!
- Fiesco. Freilich! freilich! Das war's eben. So trocken weg und so
- weinerlich. Der Spaß verliert Alles, wenn der Spaßmacher selber
- lacht. Mit einer wahren Leichenbittersmiene! Hätt' ich's je gedacht,
- daß der finstre Verrina in seinen alten Tagen noch ein so lustiger
- Vogel würde!
- Sacco. Verrina, komm! Er ist nimmermehr unser.
- Fiesco. Aber lustig weg, Landsmann. Laß uns aussehen wie listige
- Erben, die heulend hinter der Bahre gehen und desto lauter ins
- Schnupftuch lachen. Doch dürften wir dafür eine harte Stiefmutter
- kriegen. Sei's drum, wir lassen sie keifen, und schmausen.
- Verrina (heftig bewegt). Himmel und Erde! und thun nichts?--Wo bist
- du hingekommen, Fiesco? Wo soll ich den großen Tyrannenhasser
- erfragen? Ich weiß eine Zeit, wo du beim Anblick einer Krone Gichter
- bekommen hättest.--Gesunkener Sohn der Republik! du wirst's
- verantworten, daß ich keinen Heller um meine Unsterblichkeit gebe,
- wenn die Zeit auch Geister abnützen kann.
- Fiesco. Du bist der ewige Grillenfänger. Mag er Genua in die Tasche
- stecken und einem Kaper von Tunis verschachern, was kümmert's uns?
- Wir trinken Cyprier und küssen schöne Mädchen.
- Verrina (blickt ihn ernst an). Ist das deine wahre, ernstliche
- Meinung?
- Fiesco. Warum nicht, Freund? Ist es denn eine Wollust, der Fuß des
- trägen, vielbeinigen Thiers Republik zu sein? Dank' es Dem, der ihm
- Flügel gibt und die Füße ihrer Ämter entsetzt. Gianettino Doria
- wird Herzog. Staatsgeschäfte werden uns keine grauen Haare mehr
- machen.
- Verrina. Fiesco?--ist das deine wahre, ernstliche Meinung?
- Fiesco. Andreas erklärt seinen Neffen zum Sohn und Erben seiner
- Güter, wer wird der Thor sein, ihm das Erbe seiner Macht abzustreiten?
- Verrina (mit äußerstem Unmut). So kommt, Genueser! (Er verläßt den
- Fiesco schnell, die Andern folgen.)
- Fiesco. Verrina!--Verrina!--dieser Republikaner ist hart wie Stahl!--
- Achter Auftritt
- Fiesco. Eine unbekannte Maske.
- Maske. Haben Sie eine Minute übrig, Lavagna?
- Fiesco (zuvorkommend). Für Sie eine Stunde!
- Maske. So haben Sie die Gnade, einen Gang mit mir vor die Stadt zu
- thun.
- Fiesco. Es ist funfzig Minuten auf Mitternacht.
- Maske. Sie haben die Gnade, Graf.
- Fiesco. Ich werde anspannen lassen.
- Maske. Das ist nicht nöthig. Ich schicke ein Pferd voraus. Mehr
- braucht es nicht, denn ich hoffe, es soll nur Einer zurückkommen.
- Fiesco (betreten). Und?
- Maske. Man wird Ihnen auf eine gewisse Thräne eine blutige Antwort
- abfordern.
- Fiesco. Diese Thräne?
- Maske. Einer gewissen Gräfin von Lavagna. Ich kenne diese Dame sehr
- gut und will wissen, womit sie verdient hat, das Opfer einer Närrin
- zu werden?
- Fiesco. Jetzt verstehe ich Sie. Darf ich den Namen dieses seltsamen
- Aufforderers wissen?
- Maske. Es ist der nämliche, der das Fräulein von Zibo einst anbetete
- und vor dem Bräutigam Fiesco zurück trat.
- Fiesco. Scipio Bourgognino!
- Bourgognino (nimmt die Maske ab). Und der jetzt da ist, seine Ehre
- zu lösen, die einem Nebenbuhler wich, der klein genug denkt, die
- Sanftmuth zu quälen.
- Fiesco (umarmt ihn mit Feuer). Edler junger Mann! Gedankt sei's dem
- Leiden meiner Gemahlin, das mir eine so werthe Bekanntschaft macht.
- Ich fühle die Schönheit Ihres Unwillens, aber ich schlage mich nicht.
- Bourgognino (einen Schritt zurück). Der Graf von Lavagna wäre zu
- feig, sich gegen die Erstlinge meines Schwertes zu wagen?
- Fiesco. Bourgognino! gegen die ganze Macht Frankreichs, aber nicht
- gegen Sie! Ich ehre dieses liebe Feuer für einen lieberen Gegenstand.
- Einen Lorbeer verdient der Wille, aber die That wäre kindisch.
- Bourgognino (erregt). Kindisch! Graf? Das Frauenzimmer kann über
- Mißhandlung nur weinen--wofür ist der Mann da?
- Fiesco. Ungemein gut gesagt, aber ich schlage mich nicht.
- Bourgognino (dreht ihm den Rücken, will gehen). Ich werde Sie
- verachten.
- Fiesco (lebhaft). Bei Gott, Jüngling! das wirst du nie, und wenn die
- Tugend im Preis fallen sollte. (Faßt ihn bedächtlich bei der Hand.)
- haben Sie jemals etwas gegen mich gefühlt, das man--wie soll ich
- sagen?--Ehrfurcht nennt?
- Bourgognino. Wär' ich einem Mann gewichen, den ich nicht für den
- ersten der Menschen erklärte?
- Fiesco. Also, mein Freund! einen Mann, der einst meine Ehrfurcht
- verdiente, würde ich--etwas langsam verachten lernen. Ich dächte doch,
- das Gewebe eines Meisters sollte künstlicher sein, als dem flüchtigen
- Anfänger so geradezu in die Augen zu springen--Gehen Sie heim,
- Bourgognino, und nehmen Sie sich Zeit, zu überlegen, warum Fiesco so
- und nicht anders handelt. (Bourgognino geht stillschweigend ab.) Fahr
- hin, edler Jüngling! Wenn diese Flammen ins Vaterland schlagen, mögen
- die Doria fest stehen.
- Neunter Auftritt
- Fiesco. Der Mohr tritt schüchtern herein und sieht sich überall
- sorgfältig um.
- Fiesco (faßt ihn scharf und lang ins Auge). Was willst du, und wer
- bist du?
- Mohr (wie oben). Ein Sklave der Republik.
- Fiesco. Sklaverei ist ein elendes Handwerk. (Immer ein scharfes Aug
- auf ihn.) Was suchst du?
- Mohr. Herr, ich bin ein ehrlicher Mann.
- Fiesco. Häng' immer diesen Schild vor dein Gesicht hinaus, das wird
- nicht überflüssig sein--aber was suchst du?
- Mohr (sucht ihm näher zu kommen, Fiesco weicht aus). Herr, ich bin
- kein Spitzbube.
- Fiesco. Es ist gut, daß du das beifügst, und--doch wieder nicht gut.
- (Ungeduldig.) Aber was suchst du?
- Mohr (rückt wieder näher). Seid Ihr der Graf Lavagna?
- Fiesco (stolz). Die Blinden in Genua kennen meinen Tritt.--Was soll
- dir der Graf?
- Mohr. Seid auf Eurer Hut, Lavagna. (Hart an ihn.)
- Fiesco (springt auf die andere Seite). Das bin ich wirklich.
- Mohr (wie oben). Man hat nichts Guts gegen Euch vor, Lavagna.
- Fiesco (retiriert sich wieder). Das seh' ich.
- Mohr. Hütet Euch vor dem Doria.
- Fiesco (tritt ihm vertraut näher). Freund! sollt' ich dir doch wohl
- Unrecht getan haben? Diesen Namen fürchte ich wirklich.
- Mohr. So flieht vor dem Mann. Könnt Ihr lesen?
- Fiesco. Eine kurzweilige Frage. Du bist bei manchem Cavalier
- herumgekommen. Hast du was Schriftliches?
- Mohr. Euren Namen bei armen Sündern. (Er reicht ihm einen Zettel
- und nistet sich hart an ihn. Fiesco tritt vor einen Spiegel und
- schielt über das Papier. Der Mohr geht lauernd um ihn herum, endlich
- zieht er den Dolch und will stoßen.)
- Fiesco (dreht sich geschickt und fährt nach dem Arm des Mohren).
- Sachte, Canaille! (Entreißt ihm den Dolch.)
- Mohr (stampft wild auf den Boden). Teufel--Bitt' um Vergebung.
- (Will sich abführen.)
- Fiesco (packt ihn, mit starker Stimme). Stephano! Drullo! Antonio!
- (Den Mohren an der Gurgel.) Bleib, guter Freund! Höllische Büberei!
- (Bediente.) Bleib und antworte! Du hast schlechte Arbeit gemacht;
- an wen hast du dein Taglohn zu fordern?
- Mohr (nach vielen vergeblichen Versuchen, sich wegzustehlen,
- entschlossen). Man kann mich nicht höher hängen, als der Galgen ist.
- Fiesco. Nein, tröste dich! Nicht an die Hörner des Monds, aber doch
- hoch genug, daß du den Galgen für einen Zahnstocher ansehen sollst.
- Doch deine Wahl war zu staatsklug, als daß ich sie deinem Mutterwitz
- zutrauen sollte. Sprich also, wer hat dich gedungen?
- Mohr. Herr, einen Schurken könnt ihr mich schimpfen, aber den
- Dummkopf verbitt' ich.
- Fiesco. Ist die Bestie stolz. Bestie, sprich, wer hat dich gedungen?
- Mohr (nachdenkend). Hum! so wär' ich doch nicht allein der Narr!
- --wer mich gedungen hat?--und waren's doch nur hundert magre Zechinen!
- --Wer mich gedungen hat?--Prinz Gianettino.
- Fiesco (erbittert auf und nieder). Hundert Zechinen und nicht mehr
- für des Fiesco Kopf. (Hämisch.) Schäme dich, Kronprinz von Genua.
- (Noch einer Schatulle eilend.) Hier, Bursche, sind tausend, und sag
- deinem Herrn--er sei ein knickiger Mörder!
- (Mohr betrachtet ihn vom Fuß bis zum Wirbel.)
- Fiesco. Du besinnst dich, Bursche?
- Mohr (nimmt das Geld, setzt es nieder, nimmt es wieder und besieht
- ihn mit immer steigendem Erstaunen).
- Fiesco. Was machst, Bursche?
- Mohr (wirft das Geld entschlossen auf den Tisch). Herr--das Geld
- hab' ich nicht verdient.
- Fiesco. Schafskopf von einem Jauner! den Galgen hast du verdient.
- Der entrüstete Elephant zertritt Menschen, aber nicht Würmer. Dich
- würd' ich hängen lassen, wenn es mich nur so viel mehr als zwei Worte
- kostete.
- Mohr (mit einer frohen Verbeugung). Der Herr sind gar zu gütig.
- Fiesco. Behüte Gott! nicht gegen dich. Es gefällt mir nun eben, daß
- meine Laune einen Schurken, wie du bist, zu etwas und nichts machen
- kann, und darum gehst du frei aus. Begreife mich recht. Dein
- Ungeschick ist mir ein Unterpfand des Himmels, daß ich zu etwas
- Großem aufgehoben bin, und darum bin ich gnädig, und du gehst frei
- aus.
- Mohr (treuherzig). Schlagt ein, Lavagna! Eine Ehre ist der andern
- werth. Wenn Jemand auf dieser Halbinsel eine Gurgel für Euch
- überzählig hat, befehlt! und ich schneide sie ab, unentgeldlich.
- Fiesco. Eine höfliche Bestie! Sie will sich mit fremder Leute
- Gurgeln bedanken.
- Mohr. Wir lassen uns nichts schenken, Herr! Unser eins hat auch
- Ehre im Leibe.
- Fiesco. Die Ehre der Gurgelschneider?
- Mohr. Ist wohl feuerfester als Eurer ehrlichen Leute: sie brechen
- ihre Schwüre dem lieben Herrgott; wir halten sie pünktlich dem Teufel.
- Fiesco. Du bist ein drolligter Jauner.
- Mohr. Freut mich, daß Ihr Geschmack an mir findet. Setzt mich erst
- auf die Probe, Ihr werdet einen Mann kennen lernen, der sein
- Exercitium aus dem Stegreif macht. Fordert mich auf. Ich kann Euch
- von jeder Spitzbubenzunft ein Testimonium aufweisen, von der
- untersten bis zur höchsten.
- Fiesco. Was ich nicht höre! (Indem er sich niedersetzt.) Also auch
- Schelmen erkennen Gesetzt und Rangordnung? Laß mich doch von der
- untersten hören.
- Mohr. Pfui, gnädiger Herr! das ist das verächtliche Heer der langen
- Finger. Ein elend Gewerb, das keinen großen Mann ausbrütet, arbeitet
- nur auf Karbatsche und Raspelhaus und führt--höchstens zum Galgen.
- Fiesco. Ein reizendes Ziel. Ich bin auf die beßre begierig.
- Mohr. Das sind die Spionen und Maschinen. Bedeutende Herren, denen
- die Großen ein Ohr leihen, wo sie ihre Allwissenheit holen; die sich
- wie Blutigel in Seelen einbeißen, das Gift aus dem Herzen schlürfen
- und an die Behörde speien.
- Fiesco. Ich kenne das--fort!
- Mohr. Der Rang trifft nunmehr die Meuter, Giftmischer und Alle, die
- ihren Mann lang hinhalten und aus dem Hinterhalt fassen. Feige
- Memmen sind's oft, aber doch Kerls, die dem Teufel das Schulgeld mit
- ihrer armen Seele bezahlen. Hier thut die Gerechtigkeit schon etwas
- Übriges, strickt ihre Knöchel aufs Rad und pflanzt ihre Schlauköpfe
- auf Spieße. Das ist die dritte Zunft.
- Fiesco. Aber, sprich doch, wann wird die deinige kommen?
- Mohr. Blitz, gnädiger Herr! das ist eben der Pfiff. Ich bin durch
- diese alle gewandert. Mein Genie geilte frühzeitig über jedes Gehege.
- Gestern Abend macht' ich mein Meisterstück in der dritten, vor
- einer Stunde war ich--ein Stümper in der vierten.
- Fiesco. Diese wäre also?
- Mohr (lebhaft). Das sind Männer, (in Hitze) die ihren Mann zwischen
- vier Mauern aufsuchen, durch die Gefahr eine Bahn sich hauen, ihm
- gerade zu Leib gehen, mit dem ersten Gruß ihm den Großdank für den
- zweiten ersparen. Unter uns! man nennt sie nur die Extrapost der
- Hölle. Wenn Mephistopheles einen Gelust bekommt, braucht's nur einen
- Wink, und er hat den Braten noch warm.
- Fiesco. Du bist ein hartgesottener Sünder. Einen solchen vermißte
- ich längst. Gib mir deine Hand. Ich will dich bei mir behalten.
- Mohr. Ernst oder Spaß?
- Fiesco. Mein völliger Ernst, und gebe dir tausend Zechinen des Jahrs.
- Mohr. Topp, Lavagna! Ich bin Euer, und zum Henker fahre das
- Privatleben. Braucht mich, wozu Ihr wollt. Zu Eurem Spürhund, zu
- Eurem Parforce-Hund, zu Eurem Fuchs, zu Eurer Schlange, zu Eurem
- Kuppler und Henkersknecht. Herr, zu allen Commissionen, nur bei
- Leibe! zu keiner ehrlichen--dabei benehm' ich mich plump wie Holz.
- Fiesco. Sei unbesorgt! Wem ich ein Lamm schenken will, lass' ich's
- durch keinen Wolf überliefern. Geh also gleich morgen durch Genua
- und suche die Witterung des Staats. Lege dich wohl auf Kundschaft,
- wie man von der Regierung denkt und vom Haus Doria flüstert, sondiere
- daneben, was meine Mitbürger von meinem Schlaraffenleben und meinem
- Liebesroman halten. Überschwemme ihre Gehirne mit Wein, bis ihre
- Herzensmeinungen überlaufen. Hier hast du Geld. Spende davon unter
- den Seidenhändlern aus.
- Mohr (sieht ihn nachdenklich an). Herr-Fiesco. Angst darf dir nicht
- werden. Es ist nichts Ehrliches--Geh! rufe deine ganze Bande zu
- Hilfe. Morgen will ich deine Zeitungen hören. (Er geht ab.)
- Mohr (ihm nach). Verlaßt Euch auf mich. Jetzt ist's früh vier Uhr.
- Morgen um Acht habt Ihr so viel Neues erfahren, als in zweimal
- siebenzig Ohren geht. (Ab.)
- Zehnter Auftritt
- Zimmer bei Verrina.
- Bertha rücklings in einem Sopha, den Kopf in die Hand geworfen.
- Verrina düster hereintretend.
- Bertha (erschrickt, springt auf). Himmel! da ist er!
- Verrina (steht still, besieht sie befremdet). An ihrem Vater
- erschrickt meine Tochter?
- Bertha. Fliehen Sie! Lassen Sie mich fliehen! Sie sind schrecklich,
- mein Vater.
- Verrina. Meinem einzigen Kinde?
- Bertha (mit einem schweren Blick auf ihn). Nein! Sie müssen noch
- eine Tochter haben.
- Verrina. Drückt dich meine Zärtlichkeit zu schwer?
- Bertha. Zu Boden, Vater.
- Verrina. Wie? welcher Empfang, meine Tochter? Sonst, wenn ich nach
- Hause kam, Berge auf meinem Herzen, hüpfte mir meine Bertha entgegen,
- und meine Bertha lachte sie weg. Komm, umarme mich, Tochter. An
- dieser glühenden Brust soll mein Herz wieder erwarmen, das am
- Todtenbett des Vaterlands einfriert. O mein Kind! Ich habe heute
- Abrechnung gehalten mit allen Freuden der Natur, und (äußerst schwer)
- nur du bist mir geblieben.
- Bertha (mißt ihn mit einem langen Blick). Unglücklicher Vater!
- Verrina (umarmt sie beklemmt). Bertha! mein einziges Kind! Bertha!
- meine letzte übrige Hoffnung!--Genuas Freiheit ist dahin--Fiesco
- hin--(indem er sie heftiger drückt, durch die Zähne) Werde du eine
- Hure-Bertha (reißt sich aus seinen Armen). Heiliger Gott! Sie
- wissen?-Verrina (steht bebend still). Was?
- Bertha. Meine jungfräuliche Ehre-Verrina (wüthend). Was?
- Bertha. Diese Nacht-Verrina (wie ein Rasender). Was?
- Bertha. Gewalt! (Sinkt am Sopha nieder.)
- Verrina (nach einer langen schreckhaften Pause mit dumpfer Stimme).
- Noch ein Athemzug, Tochter--den letzten! (Mit hohlem gebrochnem Ton.)
- Wer?
- Bertha. Weh mir, nicht diesen todtenfarben Zorn! Helfe mir Gott! er
- stammelt und zittert.
- Verrina. Ich wüßte doch nicht--meine Tochter! Wer?
- Bertha. Ruhig! ruhig! mein bester, mein theurer Vater.
- Verrina. Um Gotteswillen--Wer? (will vor ihr niederfallen.)
- Bertha. Eine Maske.
- Verrina (tritt zurück, nach einem stürmischen Nachdenken). Nein! das
- kann nicht sein! Den Gedanken sendet mir Gott nicht. (Lacht graß
- auf.) Alter Geck! als wenn alles Gift nur aus einer und eben der
- Kröte spritzte? (Zu Bertha gefaßter.) Die Person, wie die meinige,
- oder kleiner?
- Bertha. Größer.
- Verrina (rasch). Die Haare schwarz? kraus?
- Bertha. Kohlschwarz und kraus.
- Verrina (taumelt von ihr hinweg). Gott! mein Kopf! mein Kopf--die
- Stimme?
- Bertha. Rauh, eine Baßstimme.
- Verrina (heftig). Von welcher Farbe? Nein! ich will nicht mehr
- hören!--der Mantel--von welcher Farbe?
- Bertha. Der Mantel grün, wie mich däuchte.
- Verrina (hält beide Hände vors Gesicht und wankt in den Sopha). Sei
- ruhig. Es ist nur ein Schwindel, meine Tochter. (Läßt die Hände
- sinken; ein Todtengesicht.)
- Bertha (die Hände ringend). Barmherziger Himmel! das ist mein Vater
- nicht mehr.
- Verrina (nach einer Pause mit bitterm Gelächter). Recht so! recht so!
- Memme Verrina!--daß der Bube in das Heiligthum der Gesetze
- griff--diese Aufforderung war dir zu matt--der Bube mußte noch ins
- Heiligthum deines Bluts greifen--(Springt auf.) Geschwind! rufe den
- Nicolo--Blei und Pulver--oder halt! halt! ich besinne mich eben
- anders--besser--Hole mein Schwert herbei, bet' ein Vaterunser. (Die
- Hand vor die Stirne.) Was will ich aber?
- Bertha. Mir ist sehr bange, mein Vater.
- Verrina. Komm, setzt dich zu mir. (Bedeutend.) Bertha, erzähle
- mir--Bertha, was that jener eisgraue Römer, als man seine Tochter
- auch so--wie nenn ich's nun--auch so artig fand, seine Tochter? Höre
- Bertha, was sagte Virginius zu seiner verstümmelten Tochter?
- Bertha (mit Schaudern). Ich weiß nicht, was er sagte.
- Verrina. Närrisches Ding--Nichts sagte er. (Plötzlich auf, faßt ein
- Schwert.) Nach einem Schlachtmesser griff er-Bertha (stürzt ihm
- erschrocken in die Arme). Großer Gott! was wollen Sie thun?
- Verrina (wirft das Schwert ins Zimmer). Nein! noch ist Gerechtigkeit
- in Genua!
- Eilfter Auftritt
- Sacco. Calcagno. Vorige.
- Calcagno. Verrina, geschwind! Mache dich fertig. Heute hebt die
- Wahlwoche der Republik an. Wir wollen früh in die Signoria, die
- neuen Senatoren wählen. Die Gassen wimmeln von Volk. Der ganze Adel
- strömt nach dem Rathhaus. Du begleitest uns doch, (spöttisch) den
- Triumph unsrer Freiheit zu sehen.
- Sacco. Ein Schwert liegt im Saal. Verrina schaut wild. Bertha hat
- rothe Augen.
- Calcagno. Bei Gott! das nehm' ich nun auch gewahr--Sacco, hier ist
- ein Unglück geschehen.
- Verrina (stellt zwei Sessel hin). Setzt euch.
- Sacco. Freund, du erschreckst uns.
- Calcagno. So sah ich dich nie, Freund. Hätte nicht Bertha geweint,
- ich würde fragen: geht Genua unter?
- Verrina (fürchterlich). Unter! Sitzt nieder!
- Calcagno (erschrocken, indem sich Beide setzen). Mann! Ich
- beschwöre dich!
- Verrina. Höret!
- Calcagno. Was ahnet mir, Sacco?
- Verrina. Genueser--ihr Beide kennt das Alterthum meines Namens.
- Eure Ahnen haben den meinigen die Schleppe getragen. Meine Väter
- fochten die Schlachten des Staats. Meine Mütter waren Muster der
- Genueserinnen. Ehre war unser einziges Capital und erbte vom Vater
- zum Sohn--oder wer weiß es anders?
- Sacco. Niemand.
- Calcagno. So wahr Gott lebt, Niemand.
- Verrina. Ich bin der letzte meines Geschlechts. Mein Weib liegt
- begraben. Diese Tochter ist ihr einziges Vermächtniß. Genueser, ihr
- seid Zeugen, wie ich sie erzog. Wird Jemand auftreten und Klage
- führen, daß ich meine Bertha verwahrloste?
- Calcagno. Deine Tochter ist ein Muster im Lande.
- Verrina. Freunde! ich bin ein alter Mann. Verliere ich diese, darf
- ich keine mehr hoffen. Mein Gedächtniß löscht aus. (Mit einer
- schrecklichen Wendung.) Ich habe sie verloren. Infam ist mein Stamm.
- Beide. (in Bewegung). Das wolle Gott verhüten! (Bertha wälzt sich
- jammernd im Sopha.)
- Verrina. Nein! Verzweifle nicht, Tochter. Diese Männer sind tapfer
- und gut. Beweinen dich diese, wird's irgendwo bluten.--Seht nicht so
- betroffen aus, Männer. (Langsam, mit Gewicht.) Wer Genua unterjocht,
- kann doch wohl ein Mädchen bezwingen?
- Beide (fahren auf, werfen die Sessel zurück). Gianettino Doria!
- Bertha (mit einem Schrei). Stürzt über mich, Mauern! mein Scipio!
- Zwölfter Auftritt
- Bourgognino. Vorige.
- Bourgognino (erhitzt). Springe hoch, Mädchen! Eine Freudenpost!
- --Edler Verrina, ich komme, meinen Himmel auf Ihre Zunge zu setzen.
- Schon längst liebte ich Ihre Tochter, und nie durft' ich es wagen, um
- ihre Hand zu bitten, weil mein ganzes Vermögen auf falschen Brettern
- von Coromandel schwamm. Eben jetzt fliegt meine Fortuna wohlbehalten
- in die Rhede und führt, wie sie sagen, unermeßliche Schätze mit. Ich
- bin ein reicher Mann. Schenken Sie mir Bertha, ich mache sie
- glücklich. (Bertha verhüllt sich, große Pause.)
- Verrina (bedächtlich zu Bourgognino). Haben Sie Lust, junger Mensch,
- Ihr Herz in eine Pfütze zu werfen?
- Bourgognino (greift nach dem Schwert, zieht aber plötzlich die Hand
- zurück). Das sprach der Vater-Verrina. Das spricht jeder Schurk' in
- Italien. Nehmen Sie mit dem Abtrag von anderer Leute Gastung vorlieb?
- Bourgognino. Mach mich nicht wahnwitzig, Graukopf!
- Calcagno. Bourgognino, wahr spricht der Graukopf.
- Bourgognino (auffahrend, gegen Bertha stürzend). Wahr spricht er?
- Mich hätte eine Dirne genarrt?
- Calcagno. Bourgognino, nicht da hinaus. Das Mädchen ist engelrein.
- Bourgognino (steht erstaunt still). Nun! so wahr ich selig werden
- will. Rein und entehrt. Ich habe keinen Sinn für das.--Sie sehen
- sich an und sind stumm. Irgend ein Unhold von Missethat zuckt auf
- ihren bebenden Zungen. Ich beschwöre euch! Schiebt meine Vernunft
- nicht im Kurzweil herum. Rein wäre sie? Wer sagte rein?
- Verrina. Mein Kind ist nicht schuldig.
- Bourgognino. Also Gewalt! (Faßt das Schwert von dem Boden.)
- Genueser! bei allen Sünden unter dem Mond! Wo--wo find' ich den
- Räuber?
- Verrina. Eben dort, wo du den Dieb Genuas findest.--(Bourgognino
- erstarrt. Verrina geht gedankenvoll auf und nieder, dann steht er
- still.)
- Verrina. Wenn ich deinen Wink verstehe, ewige Vorsicht, so willst du
- Genua durch meine Bertha erlösen! (Er tritt zu ihr, indem er den
- Trauerflor langsam von seinem Arme wickelt, darauf feierlich.) Eh das
- Herzblut eines Doria diesen häßlichen Flecken aus deiner Ehre wäscht,
- soll kein Strahl des Tages auf diese Wangen fallen. Bis dahin--(er
- wirft den Flor über sie) verblinde! (Pause. Die Übrigen sehen ihn
- schweigend, betreten an.)
- Verrina (feierlicher, seine Hand auf Berthas Haupt gelegt).
- Verflucht sei die Luft, die dich fächelt! Verflucht der Schlaf, der
- dich erquickt! Verflucht jede menschliche Spur, die deinem Elend
- willkommen ist! Geh hinab in das unterste Gewölb meines Hauses.
- Winsle, heule, lähme die Zeit mit deinem Gram. (Unterbrochen von
- Schauern fährt er fort.) Dein Leben sei das gichterische Wälzen des
- sterbenden Wurms--der hartnäckige, zermalmende Kampf zwischen Sein
- und Vergehen.--Dieser Fluch hafte auf dir, bis Gianettino den letzten
- Odem verröchelt hat.--Wo nicht, so magst du ihn nachschleppen längs
- der Ewigkeit, bis man ausfindig macht, wo die zwei Enden ihres Rings
- in einander greifen.
- (Großes Schweigen. Auf allen Gesichtern Entsetzen. Verrina blickt
- Jeden fest und durchdringend an.)
- Bourgognino. Rabenvater! was hast du gemacht? Diesen ungeheuren,
- gräßlichen Fluch deiner armen, schuldlosen Tochter?
- Verrina. Nicht wahr--das ist schrecklich, mein zärtlicher
- Bräutigam?--(Höchst bedeutend.) Wer von euch wird nun auftreten und
- jetzt noch von kaltem Blut und Aufschube schwatzen? Genuas Loos ist
- auf meine Bertha geworfen, mein Vaterherz meiner Bürgerpflicht
- überantwortet. Wer von uns ist nun Memme genug, Genuas Erlösung zu
- verzögern, wenn er weiß, daß dieses schuldlose Lamm seine Feigheit
- mit unendlichem Gram bezahlt?--Bei Gott! das war nicht das Gewäsch
- eines Narren--Ich hab' einen Eid gethan und werde mich meines Kindes
- nicht erbarmen, bis ein Doria am Boden zuckt, und sollt' ich auf
- Martern raffinieren, wie ein Henkersknecht, und sollt' ich dieses
- unschuldige Lamm auf kannibalischer Folterbank zerknirschen--Sie
- zittern--Blaß wie Geister schwindeln sie mich an.--Noch einmal,
- Scipio! Ich verwahre sie zum Geisel deines Tyrannenmords. An diesem
- theuren Faden halt' ich deine, meine, eure Pflichten fest. Genuas
- Despot muß fallen, oder das Mädchen verzweifelt. Ich widerrufe nicht.
- Bourgognino (wirft sich der Bertha zu Füßen). Und fallen soll
- er--fallen für Genua, wie ein Opferstier. So gewiß ich dies Schwert
- im Herzen Dorias umkehre, so gewiß will ich den Bräutigamskuß auf
- deine Lippen drücken. (Steht auf.)
- Verrina. Das erste Paar, das die Furien einsegnen. Gebt euch die
- Hände. In Dorias Herzen wirst du dein Schwert umkehren?--Nimm sie,
- sie ist dein!
- Calcagno (kniet nieder). Hier kniet noch ein Genueser und legt
- seinen furchtbaren Stahl zu den Füßen der Unschuld. So gewiß möge
- Calcagno den Weg zum Himmel ausfindig machen, als dieses sein Schwert
- die Straße zu Dorias Leben. (Steht auf.)
- Sacco. Zuletzt, doch nicht minder entschlossen, kniet Raphael Sacco.
- Wenn dies mein blankes Eisen Berthas Gefängniß nicht aufschließt, so
- schließe sich das Ohr des Erhörers meinem letzten Gebet zu. (Steht
- auf.)
- Verrina (erheitert). Genua dankt euch in mir, meine Freunde. Gehe
- nun, Tochter. Freue dich, des Vaterlands großes Opfer zu sein.
- Bourgognino (umarmt sie im Abgehen). Geh! Traue auf Gott und
- Bourgognino. An einem und eben dem Tag werden Bertha und Genua frei
- sein. (Bertha entfernt sich.)
- Dreizehnter Auftritt
- Vorige ohne Bertha.
- Calcagno. Eh wir weiter gehn, noch ein Wort, Genueser!
- Verrina. Ich errath' es.
- Calcagno. Werden vier Patrioten genug sein, Tyrannei, die mächtige
- Hyder, zu stürzen? Werden wir nicht den Pöbel aufrühren, nicht den
- Adel zu unsrer Partei ziehen müssen?
- Verrina. Ich verstehe. Höret also, ich habe längst einen Maler im
- Solde, der seine ganze Kunst verschwendet, den Sturz des Appius
- Claudius fresco zu malen. Fiesco ist ein Anbeter der Kunst, erhitzt
- sich gern an erhabenen Scenen. Wir werden die Malerei nach seinem
- Palast bringen und zugegen sein, wenn er sie betrachtet. Vielleicht,
- daß der Anblick seinen Genius wieder aufweckt--Vielleicht-Bourgognino.
- Weg mit ihm! Verdopple die Gefahr, spricht der Held, nicht die
- Helfer. Ich habe schon längst ein Etwas in meiner Brust gefühlt, das
- sich von nichts wollte ersättigen lassen--Was es war, weiß ich jetzt
- plötzlich (indem er heroisch aufspringt). Ich hab' einen Tyrannen!
- (Der Vorhang fällt.)
- Zweiter Aufzug
- Vorzimmer in Fiescos Palast.
- Erster Auftritt
- Leonore. Arabella.
- Arabella. Nein, sag' ich. Sie sahen falsch. Die Eifersucht lieh
- Ihnen die häßlichen Augen.
- Leonore. Es war Julia lebendig. Rede mir nichts ein. Meine
- Silhouette hing an einem himmelblauen Band, dies war feuerfarb und
- geflammt. Mein Loos ist entschieden.
- Zweiter Auftritt
- Vorige. Julia.
- Julia (affectiert hereintretend). Der Graf bot mir sein Palais an,
- den Zug nach dem Rathhaus zu sehen. Die Zeit wird mir lang werden.
- Eh die Chocolade gemacht ist, Madame, unterhalten Sie mich. (Bella
- entfernt sich, kommt sogleich wieder.)
- Leonore. Befehlen Sie, daß ich Gesellschaft hieher bitte?
- Julia. Abgeschmackt. Als wenn ich die hier suchen müßte? Sie
- werden mich zerstreuen, Madame. (Auf und ab, sich den Hof machend.)
- Wenn Sie das können, Madame--denn ich habe nichts zu versäumen.
- Arabella (boshaft). Desto mehr dieser kostbare Mohr, Signora. Wie
- grausam, bedenken Sie! die Perspectivchen der jungen Stutzer um diese
- schöne Prise zu bringen? Ah! und das blitzende Spiel der Perlen, das
- Einem die Augen bald wund brennt.--Beim großmächtigen Gott! haben Sie
- nicht das ganze Meer ausgeplündert?
- Julia (vor einem Spiegel). Das ist Ihr wohl eine Seltenheit,
- Mamsell? Aber höre Sie, Mamsell, hat Sie Ihrer Herrschaft auch die
- Zunge verdingt? Scharmant, Madame! Ihre Gäste durch Domestiken
- becomplimentieren zu lassen.
- Leonore. Es ist mein Unglück, Signora, daß meine Laune mir das
- Vergnügen Ihrer Gegenwart schmälert.
- Julia. Eine gräßliche Unart ist das, die Sie schwerfällig und albern
- macht. Rasch! lebhaft und witzig! Das ist der Weg nicht, Ihren Mann
- anzufesseln.
- Leonore. Ich weiß nur einen, Gräfin. Lassen Sie den Ihrigen immer
- ein sympathetisches Mittel bleiben.
- Julia (ohne darauf achten zu wollen). Und, wie Sie sich tragen,
- Madame! Pfui doch! Auch auf Ihren Körper wenden Sie mehr. Nehmen
- Sie zur Kunst Ihre Zuflucht, wo die Natur an Ihnen Stiefmutter war.
- Einen Firniß auf diese Wangen, woraus die mißfärbige Leidenschaft
- kränkelt. Armes Geschöpf! So wird Ihr Gesichtchen nie einen Käufer
- finden.
- Leonore (munter zu Bella). Wünsche mir Glück, Mädchen. Unmöglich
- hab' ich meinen Fiesco verloren, oder ich habe nichts an ihm verloren.
- (Man bringt Chocolade, Bella gießt ein.)
- Julia. Von Verlieren murmeln Sie etwas? Aber mein Gott! wie kam
- Ihnen auch der tragische Einfall, den Fiesco zu nehmen?--Warum auf
- diese Höhe, mein Kind, wo Sie nothwendig gesehen werden müssen?
- verglichen werden müssen?--Auf Ehre, mein Schatz, das war ein Schelm
- oder ein Dummkopf, der Sie dem Fiesco kuppelte. (Mitleidig ihre Hand
- ergreifend.) Gutes Thierchen, der Mann, der in den Assembleen des
- guten Tons gelitten wird, konnte nie deine Partie sein. (Sie nimmt
- eine Tasse.)
- Leonore (lächelnd auf Arabellen). Oder er würde in diesen Häusern
- des guten Tons nicht gelitten sein wollen.
- Julia. Der Graf hat Person--Welt--Geschmack. Der Graf war so
- glücklich, Connaissancen von Rang zu machen. Der Graf hat
- Temperament, Feuer. Nun reißt er sich warm aus dem delicatesten
- Zirkel. Er kommt nach Hause. Die Ehfrau bewillkommt ihn mit einer
- Werkeltagszärtlichkeit, löscht seine Gluth in einem feuchten,
- frostigen Kuß, schneidet ihm ihre Caressen wirthschaftlich, wie einem
- Kostgänger, vor. Der arme Ehmann! Dort lacht ihm ein blühendes
- Ideal--hier ekelt ihn eine grämliche Empfindsamkeit an. Signora, um
- Gotteswillen! wird er nicht den Verstand verlieren, oder was wird er
- wählen?
- Leonore (bringt ihr eine Tasse). Sie, Madame, wenn er ihn verloren
- hat.
- Julia. Gut. Dieser Biß sei in dein eigenes Herz gegangen. Zittre
- um diesen Spott, aber eh du zitterst, erröthe.
- Leonore. Kennen Sie das Ding auch, Signora? Doch warum nicht? Es
- ist ja ein Toilettenpfiff.
- Julia. Man sehe doch! Erzürnen muß man das Würmchen, will man ihm
- ein Fünkchen Mutterwitz abjagen. Gut für jetzt. Es war Scherz,
- Madame. Geben Sie mir Ihre Hand zur Versöhnung.
- Leonore (gibt ihr die Hand mit vielsagendem Blick). Imperiali!--vor
- meinem Zorn haben Sie Ruhe.
- Julia. Großmüthig, allerdings! Doch sollt' ich's nicht auch sein
- können, Gräfin? (Langsam und lauernd.) Wenn ich den Schatten einer
- Person bei mir führe, muß es nicht folgen, daß das Original mir werth
- ist? Oder was meinen Sie?
- Leonore (roth und verwirrt). Was sagen Sie? Ich hoffe, dieser
- Schluß ist zu rasch.
- Julia. Das denk' ich selbst. Das Herz ruft nie die Sinne zu Hilfe.
- Wahre Empfindung wird sich nie hinter Schmuckwerk verschanzen.
- Leonore. Großer Gott! Wie kommen Sie zu dieser Wahrheit?
- Julia. Mitleid, bloßes Mitleid--Denn sehen Sie, so ist es auch
- umgekehrt wahr--und Sie haben Ihren Fiesco noch. (Sie gibt ihr ihre
- Silhouette und lacht boshaft auf.)
- Leonore (mit auffahrender Erbitterung). Mein Schattenriß? Ihnen?
- (Wirft sich schmerzvoll in einen Sessel.) O der heillose Mann!
- Julia (frohlockend). Hab' ich vergolten? hab' ich? Nun, Madame,
- keinen Nadelstich mehr in Bereitschaft? (Laut in die Scene.) Den
- Wagen vor! Mein Gewerb ist bestellt. (Zu Leonoren, der sie das Kinn
- streicht.) Trösten Sie sich, mein Kind. Er gab mir die Silhouette im
- Wahnwitz. (Ab.)
- Dritter Auftritt
- Calcagno kommt.
- Calcagno. So erhitzt ging die Imperiali weg, und Sie in Wallung,
- Madonna?
- Leonore (mit durchdringendem Schmerz). Nein! das war nie erhört!
- Calcagno. Himmel und Erde! Sie weinen doch wohl nicht?
- Leonore. Ein Freund vom Unmenschlichen--Mir aus den Augen!
- Calcagno. Welchem Unmenschlichen? Sie erschrecken mich.
- Leonore. Von meinem Mann--Nicht so! von dem Fiesco.
- Calcagno. Was muß ich hören?
- Leonore. O, nur ein Bubenstück, das bei euch gangbar ist, Männer.
- Calcagno (faßt ihre Hand mit Heftigkeit). Gnädige Frau, ich habe ein
- Herz für die weinende Tugend.
- Leonore (ernst). Sie sind ein Mann--es ist nicht für mich.
- Calcagno. Ganz für Sie--voll von Ihnen--daß Sie wüßten, wie
- sehr--wie unendlich sehr-Leonore. Mann, du lügst--du versicherst, eh
- du handelst.
- Calcagno. Ich schwöre Ihnen-Leonore. Einen Meineid. Hör' auf! Ihr
- ermüdet den Griffel Gottes, der sie niederschreibt. Männer! Männer!
- wenn eure Eide zu so viel Teufeln würden, sie könnten Sturm gegen den
- Himmel laufen und die Engel des Lichts als Gefangene wegführen.
- Calcagno. Sie schwärmen, Gräfin. Ihre Erbitterung macht Sie
- ungerecht. Soll das Geschlecht für den Frevel des Einzelnen Rede
- stehn?
- Leonore (sieht ihn groß an). Mensch! ich betete das Geschlecht in
- dem Einzelnen an, soll ich es nicht in ihm verabscheuen dürfen?
- Calcagno. Versuchen Sie, Gräfin--Sie gaben Ihr Herz das erstemal
- fehl--ich wüßte ihnen den Ort, wo es aufgehoben sein sollte.
- Leonore. Ihr könntet den Schöpfer aus seiner Welt hinauslügen--Ich
- will nichts von dir hören.
- Calcagno. Diesen Verdammungsspruch sollten Sie noch heute in meinen
- Armen zurückrufen.
- Leonore (aufmerksam). Rede ganz aus. In deinen--?
- Calcagno. In meinen Armen, die sich öffnen, eine Verlassene
- aufzunehmen und für verlorene Liebe zu entschädigen.
- Leonore (sieht ihn fein an). Liebe?
- Calcagno (vor ihr nieder mit Feuer). Ja! es ist hingesagt. Liebe,
- Madonna. Leben und Tod liegt auf Ihrer Zunge. Wenn meine
- Leidenschaft Sünde ist, so mögen die Enden von Tugend und Laster in
- einander fließen und Himmel und Hölle in eine Verdammniß gerinnen.
- Leonore (tritt mit Unwillen und Hoheit zurück). Da hinaus zielte
- deine Theilnehmung, Schleicher?--In einer Kniebeugung verräthst du
- Freundschaft und Liebe? Ewig aus meinem Aug! Abscheuliches
- Geschlecht! Bis jetzt glaubte ich, du betrügest nur Weiber; das hab'
- ich nie gewußt! daß du auch an dir selbst zum Verräther wirst.
- Calcagno (steht betroffen auf). Gnädige Frau-Leonore. Nicht genug,
- daß er das heilige Siegel des Vertrauens erbrach, auch an den reinen
- Spiegel der Tugend haucht dieser Heuchler die Pest und will meine
- Unschuld im Eidbrechen unterweisen.
- Calcagno (rasch). Das Eidbrechen ist nur Ihr Fall nicht, Madonna.
- Leonore. Ich verstehe, und meine Empfindlichkeit sollte dir meine
- Empfindung bestechen? Das wußtest du nicht, (sehr groß) daß schon
- allein das erhabene Unglück, um den Fiesco zu brechen, ein Weiberherz
- adelt. Geh! Fiescos Schande macht keinen Calcagno bei mir steigen,
- aber--die Menschheit sinken. (Schnell ab.)
- Calcagno (sieht ihr betäubt nach, dann ab, mit einem Schlag vor die
- Stirne). Dummkopf!
- Vierter Auftritt
- Der Mohr. Fiesco.
- Fiesco. Wer war's, der da wegging?
- Mohr. Marchese Calcagno.
- Fiesco. Auf dem Sopha blieb dieses Schnupftuch liegen. Meine Frau
- war hier.
- Mohr. Begegnete mir so eben in einer starken Erhitzung.
- Fiesco. Dieses Schnupftuch ist feucht. (Steckt es zu sich.)
- Calcagno hier? Leonore in starker Erhitzung? (Nach einigem
- Nachdenken zum Mohren.) Auf den Abend will ich dich fragen, was hier
- geschehen ist.
- Mohr. Mamsell Bella hört es gern, daß sie blond sei. Will es
- beantworten.
- Fiesco. Und nun sind dreißig Stunden vorbei. Hast du meinen Auftrag
- vollzogen?
- Mohr. Auf ein Jota, mein Gebieter.
- Fiesco (setzt sich). Sag denn, wie pfeift man von Doria und der
- gegenwärtigen Regierung?
- Mohr. O pfui; nach abscheulichen Weisen. Schon das Wort: Doria,
- schüttelt sie wie ein Fieberfrost. Gianettino ist gehaßt bis in den
- Tod. Alles murrt. Die Franzosen, sagen sie, seien Genuas Ratten
- gewesen, Kater Doria habe sie aufgefressen und lasse sich nun die
- Mäuse belieben.
- Fiesco. Das könnte wahr sein--und wußten sie keinen Hund für den
- Kater?
- Mohr (leichtfertig). Die Stadt murmelte Langes und Breites von einem
- gewissen--einem gewissen--Holla! Hätt' ich denn gar den Namen
- vergessen?
- Fiesco (steht auf). Dummkopf! Er ist so leicht zu behalten, als
- schwer er zu machen war. Hat Genua mehr als einen Einzigen?
- Mohr. So wenig als zween Grafen von Lavagna.
- Fiesco (setzt sich). Das ist Etwas. Und was flüstert man denn über
- mein lustiges Leben?
- Mohr (mißt ihn mit großen Augen). Höret, Graf von Lavagna! Genua
- muß groß von Euch denken. Man kann's nicht verdauen, daß ein
- Cavalier vom ersten Hause--voll Talenten und Kopf--in vollem Feuer
- und Einfluß--Herr von vier Millionen Pfund--Fürstenblut in den
- Adern--ein Cavalier wie Fiesco, dem auf den ersten Wink alle Herzen
- zufliegen würden-Fiesco (wendet sich mit Verachtung ab). Von einem
- Schurken das anzuhören-Mohr. Daß Genuas großer Mann Genuas großen
- Fall verschlafe. Viele bedauern, sehr Viele verspotten, die Meisten
- verdammen Euch. Alle beklagen den Staat, der Euch verlor. Ein
- Jesuit wollte gerochen haben, daß ein Fuchs im Schlafrock stecke.
- Fiesco. Ein Fuchs riecht den andern.--Was spricht man zu meinem
- Roman mit der Gräfin Imperiali?
- Mohr. Was ich zu wiederholen hübsch unterlassen werde.
- Fiesco. Frei heraus! Je frecher, desto willkommener. Was murmelt
- man?
- Mohr. Nichts murmelt man. Auf allen Kaffeehäusern, Billardtischen,
- Gasthöfen, Promenaden--auf dem Markt--auf der Börse schreit man
- laut-Fiesco. Was? Ich befehl' es dir!
- Mohr (sich zurückziehend). Daß Ihr ein Narr seid.
- Fiesco. Gut. Hier nimm die Zechine für diese Zeitung. Die
- Schellenkappe hab' und nun aufgesetzt, daß diese Genueser über mich
- lachen; bald will ich mir eine Glatze scheeren, daß sie den Hanswurst
- von mir spielen. Wie nahmen sich die Seidenhändler bei meinen
- Geschenken?
- Mohr (drollig). Narr, sie stellten sich wie die armen Sünder-Fiesco.
- Narr? Bist du toll, Bursche?
- Mohr. Verzeiht! Ich hätte Lust zu noch mehr Zechinen.
- Fiesco (lacht, gibt ihm eine). Nun, wie die armen Sünder--?
- Mohr. Die auf dem Block liegen und jetzt Pardon über sich hören.
- Euer sind sie Seel und Leib.
- Fiesco. Das freut mich. Sie geben den Ausschlag bei dem Pöbel zu
- Genua.
- Mohr. Was das ein Auftritt war! Wenig fehlte, der Teufel hole mich!
- daß ich nicht Geschmack an der Großmuth gefunden hätte. Sie wälzten
- sich mir wie unsinnig um den Hals, die Mädel schienen sich bald in
- meines Vaters Farbe vergafft zu haben, so hitzig fielen sie über
- meine Mondsfinsterniß her. Allmächtig ist doch das Gold, war da mein
- Gedanke; auch Mohren kann's bleichen.
- Fiesco. Dein Gedanke war besser, als das Mistbeet, worin er
- wuchs--Die Worte, die du mir hinterbracht hast, sind gut, lassen sich
- Thaten daraus schließen?
- Mohr. Wie aus des Himmels Räuspern der ausbrechende Sturm. Man
- steckt die Köpfe zusammen, rottiert sich zu Hauf, ruft Hum! spukt ein
- Fremder vorbei. Durch ganz Genua herrscht eine dumpfe Schwüle--
- Dieser Mißmuth hängt wie ein schweres Wetter über der Republik--
- nur einen Wind, so fallen Schlossen und Blitze.
- Fiesco. Stille! horch! Was ist das für ein verworrenes Gesumse?
- Mohr (aus dem Fenster fliegend). Es ist das Geschrei vieler Menschen,
- die vom Rathhaus herabkommen.
- Fiesco. Heute ist Procuratorwahl. Laß meine Carriole vorfahren.
- Unmöglich kann die Sitzung schon aus sein. Ich will hinauf.
- Unmöglich kann sie rechtmäßig sein--Schwert und Mantel her. Wo ist
- mein Orden?
- Mohr. Herr, ich hab' ihn gestohlen und versetzt.
- Fiesco. Das freut mich.
- Mohr. Nun, wie? wird mein Präsent bald herausrücken?
- Fiesco. Weil du nicht auch den Mantel nahmst?
- Mohr. Weil ich den Dieb ausfindig machte.
- Fiesco. Der Tumult wälzt sich hierher. Horch! Das ist nicht das
- Gejauchze des Beifalls. (Rasch.) Geschwind, riegle die Hofpforten
- auf. Ich hab' eine Ahnung. Doria ist tollkühn. Der Staat gaukelt
- auf einer Nadelspitze. Ich wette, auf der Signoria ist Lärm worden.
- Mohr (am Fenster, schreit). Was ist das? Die Straße Balbi
- herunter--Troß vieler Tausende--Hellebarden blitzen--Schwerter--Holla!
- Senatoren--fliegen hieher-Fiesco. Es ist ein Aufruhr! Spring
- unter sie. Nenn meinen Namen. Sieh zu, daß sie hieher sich werfen.
- (Mohr eilt hinunter.) Was die Ameise Vernunft mühsam zu Haufen
- schleppt, jagt in einem Hui der Wind des Zufalls zusammen.
- Fünfter Auftritt
- Fiesco. Zenturione, Zibo, Asserato stürzen stürmisch ins Zimmer.
- Zibo. Graf, Sie verzeihen unserm Zorn, daß wir unangemeldet
- hereintreten.
- Zenturione. Ich bin beschimpft, tödlich beschimpft vom Neffen des
- Herzogs, im Angesicht der ganzen Signoria.
- Asserato. Doria hat das goldene Buch besudelt, davon jeder
- genuesische Edelmann ein Blatt ist.
- Zenturione. Darum sind wir da. Der ganze Adel ist in mir
- aufgefordert. Der ganze Adel muß meine Rache theilen. Meine Ehre zu
- rächen, dazu würde ich schwerlich Gehilfen fordern.
- Zibo. Der ganze Adel ist in ihm aufgereizt. Der ganze Adel muß
- Feuer und Flamme speien.
- Asserato. Die Rechte der Nation sind zertrümmert. Die
- republikanische Freiheit hat einen Todesstoß.
- Fiesco. Sie spannen meine ganze Erwartung.
- Zibo. Er war der neunundzwanzigste unter den Wahlherrn, hatte zur
- Procuratorwahl eine goldene Kugel gezogen. Achtundzwanzig Stimmen
- waren gesammelt. Vierzehn sprachen für mich, eben so viele für
- Lomellino! Dorias und die seinige standen noch aus.
- Zenturione (rasch ins Wort fallend). Standen noch aus. Ich votierte
- für Zibo. Doria--fühlen Sie die Wunde meiner Ehre--Doria-Asserato
- (fällt ihm wieder ins Wort). So was erlebte man nicht, so lang der
- Ocean um Genua fluthet-Zenturione (hitziger fort). Doria zog ein
- Schwert, das er unter dem Scharlach verborgen gehalten, spießte mein
- Votum daran, rief in die Versammlung:
- Zibo. »Senatoren, es gilt nicht! Es ist durchlöchert! Lomellin ist
- Procurator.«
- Zenturione. »Lomellin ist Procurator,« und warf sein Schwert auf die
- Tafel.
- Asserato. Und rief: »Es gilt nicht!« und warf sein Schwert auf die
- Tafel.
- Fiesco (nach einigem Stillschweigen). Wozu sind Sie entschlossen?
- Zenturione. Die Republik ist ins Herz gestoßen. Wozu wir
- entschlossen sind?
- Fiesco. Zenturione, Binsen mögen vom Athem knicken. Eichen wollen
- den Sturm. Ich frage, was Sie beschließen?
- Zibo. Ich dächte, man fragte, was Genua beschließe?
- Fiesco. Genua? Genua? Weg damit; es ist mürb, bricht, wo Sie es
- anfassen. Sie rechnen auf die Patrizier? Vielleicht weil sie saure
- Gesichter schneiden, die Achsel zucken, wenn von Staatssachen Rede
- wird? Weg damit! Ihr Heldenfeuer klemmt sich in Ballen levantischer
- Waaren, ihre Seelen flattern ängstlich um ihre ostindische Flotte.
- Zenturione. Lernen Sie unsere Patrizier besser schätzen. Kaum war
- Dorias trotzige That gethan, flohen ihrer einige Hundert mit
- zerrissenen Kleidern auf den Markt. Die Signoria fuhr auseinander.
- Fiesco (spöttisch). Wie Tauben auseinander flattern, wenn in den
- Schlag sich ein Geier wirft?
- Zenturione (stürmisch). Nein! wie Pulvertonnen, wenn eine Lunte
- hineinfällt.
- Zibo. Das Volk wüthet auch, was vermag nicht ein angeschossener Eber?
- Fiesco (lacht). Der blinde, unbeholfene Koloß, der mit plumpen
- Knochen Anfangs Gepolter macht, Hohes und Niederes, Nahes und Fernes
- mit gähnendem Rachen zu verschlingen droht und zuletzt--über
- Zwirnsfäden stolpert? Genueser, vergebens! Die Epoche der
- Meerbeherrscher ist vorbei. Genua ist unter seinen Namen gestürzt.
- Genua ist doch, wo das unüberwindliche Rom wie ein Federball in die
- Rakete eines zärtlichen Knaben Octavius sprang. Genua kann nicht
- mehr frei sein. Genua muß von einem Monarchen erwärmt werden. Genua
- braucht einen Souverain, also huldigen Sie dem Schwindelkopf
- Gianettino.
- Zenturione (aufbrausend). Wenn sich die grollenden Elemente
- versöhnen und der Nordpol dem Südpol nachspringt--Kommt, Kameraden!
- Fiesco. Bleiben Sie, bleiben Sie! Worüber brüten Sie, Zibo?
- Zibo. Über nichts oder einem Possenspiel, das das Erdbeben heißen
- soll.
- Fiesco (führt sie zu einer Statue). Schauen Sie doch diese Figur an.
- Zenturione. Es ist die Venus von Florenz. Was soll sie uns hier?
- Fiesco. Sie gefällt Ihnen aber?
- Zibo. Ich sollte denken, oder wir wären schlechte Italiener. Wie
- Sie das jetzt fragen mögen?
- Fiesco. Nun, reisen Sie durch alle Welttheile und suchen unter allen
- lebendigen Abrücken des weiblichen Modells den glücklichsten aus, in
- welchem sich alle Reize dieser geträumten Venus umarmen.
- Zibo. Und tragen dann für unsre Mühe davon?
- Fiesco. Dann werden Sie die Phantasie der Marktschreierei überwiesen
- haben-Zenturione (ungeduldig). Und was gewonnen haben?
- Fiesco. Gewonnen haben den verjährten Proceß der Natur mit den
- Künstlern.
- Zenturione (hitzig). Und dann?
- Fiesco. Dann? dann? (Fängt zu lachen an). Dann haben Sie vergessen
- zu sehen, daß Genuas Freiheit zu Trümmern geht! (Zenturione, Zibo,
- Asserato gehen ab.)
- Sechster Auftritt
- Fiesco.--Getümmel um den Palast nimmt zu.
- Glücklich! glücklich! Das Stroh der Republik ist in Flammen. Das
- Feuer hat schon Häuser und Thürme gefaßt--Immer zu! immer zu!
- Allgemein werde der Brand, der schadenfrohe Wind pfeife in die
- Verwüstung!
- Siebenter Auftritt
- Mohr in Eile. Fiesco.
- Mohr. Haufen über Haufen!
- Fiesco. Mache die Thorflügel weit auf. Laß hereinstürzen, was Füße
- hat.
- Mohr. Republikaner! Republikaner! Ziehen ihre Freiheit am Joch,
- keuchen, wie Lastochsen, unter ihrer aristokratischen Herrlichkeit.
- Fiesco. Narren, die glauben, Fiesco von Lavagna werde fortführen,
- was Fiesco von Lavagna nicht anfing! Die Empörung kommt wie gerufen.
- Aber die Verschwörung muß meine sein. Sie stürmen die Treppe herauf.
- Mohr (hinaus). Holla! holla! Werden das Haus höflichst zur Thüre
- hereinbringen. (Das Volk stürmt herein, die Thüre in Trümmer.)
- Achter Auftritt
- Fiesco. Zwölf Handwerker.
- Alle. Rache an Doria! Rache an Gianettino!
- Fiesco. Hübsch gemach, meine Landsleute. Daß ihr mir alle eure
- Aufwartung so machtet, das zeugt von eurem guten Herzen. Aber meine
- Ohren sind delicater.
- Alle (ungestümer). Zu Boden mit den Doria! Zu Boden Oheim und
- Neffen!
- Fiesco (der sie lächelnd überzählt). Zwölf sind ein vornehmes
- Heer-Einige. Diese Doria müssen weg. Der Staat muß eine andere Form
- haben.
- Erster Handwerker. Unsre Friedensrichter die Treppen hinab zu
- schmeißen--die Treppen die Friedensrichter.
- Zweiter. Denkt doch, Lavagna, die Treppen hinab, als sie ihm bei der
- Wahl widersprachen.
- Alle. Soll nicht geduldet werden! darf nicht geduldet werden!
- Ein Dritter. Ein Schwert in den Rath zu nehmen-Erster. Ein Schwert!
- Das Zeichen des Kriegs! im Zimmer des Friedens!
- Zweiter. Im Scharlach in den Senat zu kommen! Nicht schwarz, wie
- die übrigen Rathsherrn.
- Erster. Mit acht Hengsten durch unsere Hauptstadt zu fahren.
- Alle. Ein Tyrann! ein Verräther des Lands und der Regierung!
- Zweiter. Zweihundert Deutsche zur Leibwach vom Kaiser zu
- kaufen-Erster. Ausländer wider die Kinder des Vaterlands! Deutsche
- gegen Italiener! Soldaten neben die Gesetze!
- Alle. Hochverrath! Meuterei! Genuas Untergang!
- Erster. Das Wappen der Republik an der Kutsche zu führen-Zweiter.
- Die Statue des Andreas mitten im Hof der Signoria!-Alle. In Stücken
- mit dem Andreas! In tausend Stück den steinernen und den lebendigen!
- Fiesco. Genueser, warum mir Das alles?
- Erster. Ihr sollt es nicht dulden! Ihr sollt ihm den Daumen aufs
- Aug halten!
- Zweiter. Ihr seid ein kluger Mann, und sollt es nicht dulden, und
- sollt den Verstand für uns haben.
- Erster. Und seid ein besserer Edelmann, und sollt ihm das eintränken,
- und sollt es nicht dulden.
- Fiesco. Euer Zutrauen schmeichelt mir sehr. Kann ich es durch
- Thaten verdienen?
- Alle (lärmend). Schlage! Stürze! Erlöse!
- Fiesco. Doch ein gut Wort werdet ihr noch annehmen?
- Einige. Redet, Lavagna!
- Fiesco (der sich niedersetzt). Genueser--Das Reich der Thiere kam
- einst in bürgerliche Gährung, Parteien schlugen mit Parteien, und ein
- Fleischerhund bemächtigte sich des Throns. Dieser, gewohnt, das
- Schlachtvieh an das Messer zu hetzen, hauste hündisch im Reich,
- klaffte, biß und nagte die Knochen seines Volks. Die Nation murrte,
- die Kühnsten traten zusammen und erwürgten den fürstlichen Bullen.
- Jetzt ward ein Reichstag gehalten, die große Frage zu entscheiden,
- welche Regierung die glücklichste sei? Die Stimmen theilten sich
- dreifach. Genueser, für welche hättet ihr entschieden?
- Erster Bürger. Fürs Volk. Alle fürs Volk.
- Fiesco. Das Volk gewann's. Die Regierung ward demokratisch. Jeder
- Bürger gab seine Stimme. Mehrheit setzte durch. Wenige Wochen
- vergingen, so kündigte der Mensch dem neugebackenen Freistaat den
- Krieg an. Das Reich kam zusammen. Roß, Löwe, Tiger, Bär, Elephant
- und Rhinoceros traten auf und brüllten laut zu den Waffen! Jetzt kam
- die Reih' an die Übrigen. Lamm, Hase, Hirsch, Esel, das ganze Reich
- der Insecten, der Vögel, der Fische ganzes menschenscheues Heer--alle
- traten dazwischen und wimmerten: Friede. Seht, Genueser! Der Feigen
- waren mehr, denn der Streitbaren, der Dummen mehr, denn der
- Klugen--Mehrheit setzte durch. Das Thierreich streckte die Waffen,
- und der Mensch brandschatzte sein Gebiet. Dieses Staatssystem ward
- also verworfen. Genueser, wozu wäret ihr jetzt geneigt gewesen?
- Erster und Zweiter. Zum Ausschuß! Freilich zum Ausschuß!
- Fiesco. Diese Meinung gefiel! Die Staatsgeschäfte theilten sich in
- mehrere Kammern. Wölfe besorgten die Finanzen, Füchse waren ihre
- Secretäre. Tauben führten das Criminalgericht, Tiger die gütlichen
- Vergleiche, Böcke schlichteten Heirathsprocesse. Soldaten waren die
- Hasen; Löwen und Elephant blieben bei der Bagage; der Esel war
- Gesandter des Reichs, und der Maulwurf Oberaufseher über die
- Verwaltung der Ämter. Genueser, was hofft ihr von dieser weisen
- Vertheilung? Wen der Wolf nicht zerriß, den prellte der Fuchs. Wer
- diesem entrann, den tölpelte der Esel nieder. Tiger erwürgten die
- Unschuld; Diebe und Mörder begnadigte die Taube, und am Ende, wenn
- die Ämter niedergelegt wurden, fand sie der Maulwurf alle
- unsträflich verwaltet--Die Thiere empörten sich. Laßt uns einen
- Monarchen wählen, riefen sie einstimmig, der Klauen und Hirn und nur
- einen Magen hat--und einem Oberhaupt huldigten alle--einem,
- Genueser--aber (indem er mit Hoheit unter sie tritt) es war der Löwe.
- Alle (klatschen, werfen die Mützen in die Höhe). Bravo! Bravo! das
- haben sie schlau gemacht.
- Erster. Und Genua soll's nachmachen, und Genua hat seinen Mann schon.
- Fiesco. Ich will ihn nicht wissen. Gehet heim! Denkt auf den Löwen!
- (Die Bürger tumultuarisch hinaus.) Es geht erwünscht. Volk und
- Senat wider Doria. Volk und Senat für Fiesco--Hassan!--Hassan! Ich
- muß diesen Wind benutzen--Hassan! Hassan! Ich muß diesen Haß
- verstärken! dieses Interesse anfrischen!--Heraus, Hassan! Hurensohn
- der Hölle! Hassan! Hassan!
- Neunter Auftritt
- Mohr kommt. Fiesco.
- Mohr (wild). Meine Sohlen brennen noch. Was gibt's schon wieder?
- Fiesco. Was ich befehle.
- Mohr (geschmeidig). Wohin lauf' ich zuerst? wohin zuletzt?
- Fiesco. Das Laufen sei dir diesmal geschenkt. Du wirst geschleift
- werden. Mache dich gleich gefaßt; ich posaune jetzt deinen
- Meuchelmord aus und übergebe dich gebunden der peinlichen Nota.
- Mohr (sechs Schritte zurück). Herr?--das ist wider die Abrede.
- Fiesco. Sei ganz ruhig. Es ist nichts mehr, denn ein Possenspiel.
- In diesem Augenblick liegt Alles daran, daß Gianettinos Anschlag auf
- mein Leben ruchbar wird. Man wird dich peinlich verhören.
- Mohr. Ich bekenne dann oder leugne?
- Fiesco. Leugnest. Man wird dich auf die Tortur schrauben. Den
- ersten Grad stehst du aus. Diese Witzigung kannst du auf Conto
- deines Meuchelmords hinnehmen. Beim zweiten bekennst du.
- Mohr (schüttelt den Kopf, bedenklich). Ein Schelm ist der Teufel.
- Die Herren könnten mich beim Essen behalten, und ich würde aus lauter
- Komödie gerädert.
- Fiesco. Du kommst ganz weg. Ich gebe dir meine gräfliche Ehre. Ich
- werde mir deine Bestrafung zur Genugthuung ausbitten und dich dann
- vor den Augen der ganzen Republik pardonnieren.
- Mohr. Ich lasse mir's gefallen. Sie werden mir das Gelenk
- auseinander treiben. Das macht geläufiger.
- Fiesco. So ritze mir hurtig mit deinem Dolche den Arm auf, bis Blut
- darnach läuft--Ich werde thun, als hätt' ich dich erst frisch auf der
- That ergriffen. Gut! (Mit gräßlichem Geschrei.) Mörder! Mörder!
- Mörder! Besetzt die Wege! Riegelt die Pforten zu! (Er schleppt den
- Mohren an der Gurgel hinaus, Bediente fliehen über den Schauplatz.)
- Zehnter Auftritt
- Leonore. Rosa stürzen erschrocken herein.
- Leonore. Mord! schrieen sie, Mord! Von hier kam der Lärm.
- Rosa. Ganz gewiß nur ein blinder Tumult, wie alltäglich in Genua.
- Leonore. Sie schrieen Mord, und das Volk murmelte deutlich: Fiesco.
- Armselige Betrüger! Meine Augen wollten sie schonen, aber mein Herz
- überlistet sie. Geschwind, eile nach, sieh, sage mir, wo sie ihn
- hinschleppen.
- Rosa. Sammeln Sie sich. Bella ist nach.
- Leonore. Bella wird seinen brechenden Blick noch auffassen! die
- glückliche Bella! Weh über mich, seine Mörderin! Hätte Fiesco mich
- lieben können, nie hätte Fiesco sich in die Welt gestürzt, nie in die
- Dolche des Neids!--Bella kommt! Fort! Rede nicht, Bella!
- Eilfter Auftritt
- Vorige. Bella.
- Bella. Der Graf lebt und ist ganz. Ich sah ihn durch die Stadt
- galoppieren. Nie sah ich unsern gnädigen Herrn so schön. Der Rapp
- prahlte unter ihm und jagte mit hochmüthigem Huf das andrängende Volk
- von seinem fürstlichen Reiter. Er erblickte mich, als er vorüber
- flog, lächelte gnädig, winkte hieher und warf drei Küsse zurück.
- (Boshaft.) Was mach' ich damit, Signora?
- Leonore (in Entzückung). Leichtfertige Schwätzerin! Bring sie ihm
- wieder.
- Rosa. Nun sehen Sie! jetzt sind Sie wieder Scharlach über und über.
- Leonore. Sein Herz wirft er den Dirnen nach, und ich jage nach einem
- Blick?--O Weiber! Weiber! (Gehen ab.)
- Zwölfter Auftritt
- Im Palast des Andreas.
- Gianettino. Lomellin kommen hastig
- Gianettino. Laß sie um ihre Freiheit brüllen, wie die Löwin um ein
- Junges. Ich bleibe dabei.
- Lomellin. Doch, gnädiger Herr-Gianettino. Zum Teufel mit Eurem Doch,
- dreistundlanger Procurator! Ich weiche um keines Haares Breite.
- Laß Genuas Thürme die Köpfe schütteln und die tobende See Nein
- dareinbrummen. Ich fürchte den Troß nicht.
- Lomellin. Der Pöbel ist freilich das brennende Holz, aber der Adel
- gibt seinen Wind dazu. Die ganze Republik ist in Wallung. Volk und
- Patrizier.
- Gianettino. So steh' ich wie Nero auf dem Berg und sehe dem
- possierlichen Brande zu-Lomellin. Bis sich die ganze Masse des
- Aufruhrs einem Parteigänger zuwirft, der ehrgeizig genug ist, in der
- Verwüstung zu ernten.
- Gianettino. Possen! Possen! Ich kenne nur Einen, der fürchterlich
- werden könnte, und für den ist gesorgt.
- Lomellin. Seine Durchlaucht. (Andreas kommt, Beide verneigen sich
- tief.)
- Andreas. Signor Lomellin! Meine Nichte wünscht auszufahren.
- Lomellin. Ich werde die Gnade haben, sie zu begleiten. (Ab.)
- Dreizehnter Auftritt
- Andreas. Gianettino.
- Andreas. Höre, Neffe! Ich bin schlimm mit dir zufrieden.
- Gianettino. Gönnen Sie mir Gehör, durchlauchtigster Oheim.
- Andreas. Dem zerlumptesten Bettler in Genua, wenn er es werth ist.
- Einem Buben niemals, und wär' er mein Neffe. Gnädig genug, daß ich
- dir den Oheim zeige; du verdientest den Herzog und seine Signoria zu
- hören.
- Gianettino. Nur ein Wort, gnädigster Herr-Andreas. Höre, was du
- gethan hast, und verantworte dich dann--Du hast ein Gebäude
- umgerissen, das ich in einem halben Jahrhundert sorgsam
- zusammenfügte--das Mausoleum deines Oheims--seine einzige
- Pyramide--die Liebe der Genueser. Den Leichtsinn verzeiht dir
- Andreas.
- Gianettino. Mein Oheim und Herzog-Andreas. Unterbrich mich nicht.
- Du hast das schönste Kunstwerk der Regierung verletzt, das ich selbst
- den Genuesern vom Himmel holte, das mich so viele Nächte gekostet, so
- viele Gefahren und Blut. Vor ganz Genua hast du meine fürstlichen
- Ehre besudelt, weil du für meine Anstalt keine Achtung zeigtest. Wem
- wird sie heilig sein, wenn mein Blut sie verachtet?--Diese Dummheit
- verzeiht dir der Oheim.
- Gianettino (beleidigt). Gnädigster Herr, Sie haben mich zu Genuas
- Herzog gezogen.
- Andreas. Schweig--du bist ein Hochverräther des Staates und hast das
- Herz seines Lebens verwundet. Merke dir's, Knabe! Es heißt--
- Unterwerfung!--Weil der Hirte am Abend seines Tagwerks zurücktrat,
- wähntest du die Heerde verlassen? Weil Andreas eisgraue Haare
- trägt, trampeltest du wie ein Gassenjunge auf den Gesetzen?
- Gianettino (trotzig). Gemach, Herzog. Auch in meinen Adern siedet
- das Blut das Andreas, vor dem Frankreich erzitterte.
- Andreas. Schweig! befehl' ich--Ich bin gewohnt, daß das Meer
- aufhorcht, wenn ich rede--Mitten in ihrem Tempel spieest du die
- majestätische Gerechtigkeit an. Weißt du, wie man das ahndet,
- Rebelle?--Jetzt antworte!
- (Gianettino heftet den Blick sprachlos zu Boden.)
- Andreas. Unglückseliger Andreas! In deinem eigenen Herzen hast du
- den Wurm deines Verdiensts ausgebrütet.--Ich baute den Genuesern ein
- Haus, das der Vergänglichkeit spotten sollte, und werfe den ersten
- Feuerbrand hinein--Diesen! Dank' es, Unbesonnener, diesem eisgrauen
- Kopf, der von Familienhänden zur Grube gebracht sein will--Dank' es
- meiner gottlosen Liebe, daß ich den Kopf des Empörers dem beleidigten
- Staate nicht--vom Blutgerüste zuwerfe. (Schnell ab.)
- Vierzehnter Auftritt
- Lomellin außer Athem, erschrocken. Gianettino sieht dem Herzog
- glühend und sprachlos nach.
- Lomellin. Was hab' ich gesehen? was angehört? Jetzt! Jetzt!
- Fliehen Sie, Prinz! Jetzt ist Alles verloren.
- Gianettino (mit Ingrimm). Was war zu verlieren?
- Lomellin. Genua, Prinz. Ich komme vom Markt. Das Volk drängte sich
- um einen Mohren, der an Stricken dahin geschleift wurde; der Graf von
- Lavagna, über die dreihundert Nobili ihm nach bis ins Richthaus, wo
- die Verbrecher gefoltert werden. Der Mohr war über einem Meuchelmord
- ertappt worden, den er an dem Fiesco vollstrecken sollte.
- Gianettino (stampft mit dem Fuß). Was? Sind heut alle Teufel los?
- Lomellin. Man inquirierte scharf, wer ihn bestochen. Der Mohr
- gestand nichts. Man brachte ihn auf die erste Folter. Er gestand
- nichts. Man brachte ihn auf die zweite. Er sagte aus, sagte
- aus--gnädiger Herr, wo gedachten Sie hin, da Sie Ihre Ehre einem
- Taugenichts preisgaben?
- Gianettino (schnaubt ihn wild an). Frage mich nichts!
- Lomellin. Hören Sie weiter. Kaum war das Wort Doria
- ausgesprochen--lieber hätt' ich meinen Namen auf der Schreibtafel des
- Teufels gelesen, als hier den Ihren gehört--so zeigte sich Fiesco dem
- Volk. Sie kennen ihn, den Mann, der befehlend flehet, den Wucherer
- mit den Herzen der Menge. Die ganze Versammlung hing ihm odemlos in
- starren, schrecklichen Gruppen entgegen; er sprach wenig, aber
- streifte den blutenden Arm auf, das Volk schlug sich um die fallenden
- Tropfen, wie um Reliquien. Der Mohr wurde seiner Willkür übergeben,
- und Fiesco--ein Herzstoß für uns--Fiesco begnadigte ihn. Jetzt raste
- die Stille des Volks in einen brüllenden Laut aus, jeder Odem
- zernichtete einen Doria, Fiesco wurde auf tausendstimmigem Vivat nach
- Hause getragen.
- Gianettino (mit einem dumpfen Gelächter). Der Aufruhr schwelle mir
- an die Gurgel!--Kaiser Karl! Mit dieser einzigen Silbe will ich sie
- niederwerfen, daß in ganz Genua auch keine Glocke mehr summen soll.
- Lomellin. Böhmen liegt weit von Italien--Wenn Karl sich beeilt, kann
- er noch zeitig genug zu Ihrem Leichenschmaus kommen.
- Gianettino (zieht einen Brief mit großem Siegel hervor). Glück genug
- also, daß er schon hier ist!--Verwundert sich Lomellin? Glaubte er
- mich tolldreist genug, wüthige Republikaner zu reizen, wenn sie nicht
- schon verkauft und verrathen wären?
- Lomellin (betreten). Ich weiß nicht, was ich denke.
- Gianettino. Ich denke Etwas, das du nicht weißt. Der Schluß ist
- gefaßt. Übermorgen fallen zwölf Senatoren. Doria wird Monarch, und
- Kaiser Karl wird ihn schützen--Du trittst zurück?
- Lomellin. Zwölf Senatoren! Mein Herz ist nicht weit genug, eine
- Blutschuld zwölfmal zu fassen.
- Gianettino. Närrchen, am Thron wirft man sie nieder. Siehst du, ich
- überlegte mit Karls Ministern, daß Frankreich in Genua noch starke
- Parteien hätte, die es ihm zum zweiten Mal in die Hände spielen
- könnten, wenn man sie nicht mit der Wurzel vertilgte. Das wurmte
- beim alten Karl. Er unterschrieb meinen Anschlag--und du schreibst,
- was ich dictiere.
- Lomellin. Noch weiß ich nicht-Gianettino. Setze dich! Schreib!
- Lomellin. Was schreib' ich aber? (Setzt sich.)
- Gianettino. Die Namen der zwölf Candidaten--Franz Zenturione.
- Lomellin (schreibt). Zum Dank für sein Votum führt er den Leichenzug.
- Gianettino. Cornelio Calva.
- Lomellin. Calva.
- Gianettino. Michael Zibo.
- Lomellin. Eine Abkühlung auf die Procuratur.
- Gianettino. Thomas Asserato mit drei Brüdern (Lomellin hält inne.)
- Gianettino (nachdrücklich). Mit drei Brüdern.
- Lomellin (schreibt). Weiter.
- Gianettino. Fiesco von Lavagna.
- Lomellin. Geben Sie Acht! geben Sie Acht! Sie werden über diesem
- schwarzen Stein noch den Hals brechen.
- Gianettino. Scipio Bourgognino.
- Lomellin. Der mag anderswo Hochzeit halten.
- Gianettino. Wo ich Brautführer bin--Raphael Sacco.
- Lomellin. Dem sollt' ich Pardon auswirken, bis er mir meine
- fünftausend Scudi bezahlt hat. (Schreibt.) Der Tod macht quitt.
- Gianettino. Vincent Calcagno.
- Lomellin. Calcagno--den Zwölften schreib' ich auf meine Gefahr, oder
- unser Todfeind ist vergessen.
- Gianettino. Ende gut, Alles gut. Joseph Verrina.
- Lomellin. Das war der Kopf des Wurms. (Steht auf, streut Sand,
- fliegt die Schrift durch, reicht sie dem Prinzen.) Der Tod gibt
- übermorgen prächtige Gala und hat zwölf genuesische Fürsten geladen.
- Gianettino (tritt zum Tisch, unterzeichnet). Es ist geschehen--In
- zwei Tagen ist Dogewahl. Wenn die Signoria versammelt ist, werden
- die Zwölf auf das Signal eines Schnupftuchs mit einem plötzlichen
- Schuß gestreckt, wenn zugleich meine zweihundert Deutsche das
- Rathhaus mit Sturm besetzen. Ist das vorbei, tritt Gianettino Doria
- in den Saal und läßt sich huldigen. (Klingelt.)
- Lomellin. Und Andreas?
- Gianettino (verächtlich). Ist ein alter Mann. (Ein Bedienter.) Wenn
- der Herzog fragt, ich bin in der Messe. (Bedienter ab.) Der Teufel,
- der in mir steckt, kann nur in Heiligenmaske incognito bleiben.
- Lomellin. Aber das Blatt, Prinz?
- Gianettino. Nimmst du, lässest es durch unsre Partei circulieren.
- Dieser Brief muß mir Extrapost nach Levanto. Er unterrichtet den
- Spinola von Allem und heißt ihn früh acht Uhr in der Hauptstadt hier
- eintreffen. (Will fort.)
- Lomellin. Ein Loch im Faß, Prinz! Fiesco besucht keinen Senat mehr.
- Gianettino (zurückrufend). Doch noch einen Meuter wird Genua
- haben?--Ich sorge dafür. (Ab in ein Seitenzimmer, Lomellin fort
- durch ein anderes.)
- Fünfzehnter Auftritt
- Vorzimmer bei Fiesco.
- Fiesco mit Briefen und Wechseln. Mohr.
- Fiesco. Also vier Galeeren sind eingelaufen.
- Mohr. Liegen glücklich in der Darsena vor Anker.
- Fiesco. Das kommt erwünscht. Woher die Expressen?
- Mohr. Von Rom, Piacenza und Frankreich.
- Fiesco (bricht die Briefe auf, fliegt sie durch). Willkommen,
- willkommen in Genua! (Sehr aufgeräumt.) Die Kuriere werden fürstlich
- bewirthet.
- Mohr. Hum! (Will gehen.)
- Fiesco. Halt! Halt! Hier kommt Arbeit für dich die Fülle.
- Mohr. Was steht zu Befehl? Die Nase des Spürers oder der Stachel
- des Skorpions?
- Fiesco. Für jetzt des Lockvogels Schlag. Morgen früh werden
- zweitausend Mann verkappt zur Stadt hereinschleichen, Dienste bei mir
- zu nehmen. Vertheile du deine Handlanger an den Thoren herum, mit
- der Ordre, auf die eintretenden Passagiers ein wachsames Auge zu
- haben. Einige werden als ein Trupp Pilgrime kommen, die nach Loretto
- wallfahrten gehen, andre als Ordensbrüder, oder Savoyarden, oder
- Komödianten, wieder andre als Krämer, oder als ein Trupp Musikanten,
- die meisten als abgedankte Soldaten, die genuesisches Brod essen
- wollen. Jeder Fremde wird ausgefragt, wo er einstellet; antwortet er:
- zur goldenen Schlange, so muß man ihn freundlich grüßen und meine
- Wohnung bedeuten. Höre, Kerl! aber ich baue auf deine Klugheit.
- Mohr. Herr! wie auf meine Bosheit. Entwischt mir ein Lock Haare, so
- sollt Ihr meine zwei Augen in eine Windbüchse laden und Sperlinge
- damit schießen. (Will fort.)
- Fiesco. Halt! noch eine Arbeit. Die Galeeren werden der Nation
- scharf in die Augen stechen. Merke auf, was davon die Rede wird.
- Fragt dich Jemand, so hast du von Weitem murmeln gehört, daß dein
- Herr damit Jagd auf die Türken mache. Verstehst du?
- Mohr. Verstehe. Die Bärte der Beschnittenen liegen oben drauf. Was
- im Korb ist, weiß der Teufel. (Will fort.)
- Fiesco. Gemach. Noch eine Vorsicht. Gianettino hat neuen Grund,
- mich zu hassen und mir Fallen zu stellen. Geh, beobachte deine
- Kameraden, ob du nicht irgendwo einen Meuchelmord witterst. Doria
- besucht die verdächtigen Häuser. Hänge dich an die Töchter der
- Freude. Die Geheimnisse des Cabinets stecken sich gern in die Falten
- eines Weiberrocks; versprich ihnen goldspeiende Kunden--versprich
- deinen Herrn. Nichts kann zu ehrwürdig sein, das du nicht in diesen
- Morast untertauchen sollst, bis du den festen Boden fühlst.
- Mohr. Halt! Holla! Ich habe Eingang bei einer gewissen Diana
- Bononi und bin gegen fünf Vierteljahr ihr Zuführer gewesen.
- Vorgestern sah ich den Procurator Lomellino aus ihrem Hause kommen.
- Fiesco. Wie gerufen. Eben der Lomellino ist der Hauptschlüssel zu
- allen Tollheiten Dorias. Gleich morgen früh mußt du hingehen.
- Vielleicht ist er heute Nacht dieser keuschen Luna Endymion.
- Mohr. Noch ein Umstand, gnädiger Herr. Wenn mich die Genueser
- fragen--und ich bin des Teufels! das werden sie--wenn sie mich jetzt
- fragen: was denkt Fiesco zu Genua?--Werdet Ihr Eure Maske noch länger
- tragen, oder was soll ich antworten?
- Fiesco. Antworten! Wart! Die Frucht ist ja zeitig. Wehen
- verkündigen die Geburt--Genua liege auf dem Block, sollst du
- antworten, und dein Herr heiße Johann Ludwig Fiesco.
- Mohr (sich froh streckend). Was ich anbringen will, daß sich's
- gewaschen haben soll, bei meiner hundsföttischen Ehre!--Aber nun hell
- auf, Freund Hassan! In ein Weinhaus zuerst! Meine Füße haben alle
- Hände voll zu thun--und muß meinen Magen caressieren, daß er mir bei
- meinen Beinen das Wort redt. (Eilt ab, kommt aber schnell zurück.) A
- propos! Bald hätt' ich das verplaudert. Was zwischen Eurer Frau und
- Calcagno vorging, habt Ihr gern wissen mögen!--Ein Korb ging vor,
- Herr, und Das war Alles. (Läuft davon.)
- Sechzehnter Auftritt
- Fiesco bei sich.
- Ich bedaure, Calcagno--Meinten Sie etwa, ich würden den empfindlichen
- Artikel meines Ehebetts Preis geben, wenn mir meines Weibes Tugend
- und mein eigener Werth nicht Handschrift genug ausgestellt hätten?
- Doch willkommen mit dieser Schwägerschaft. Du bist ein guter Soldat.
- Das soll mir deinen Arm zu Dorias Untergang kuppeln!--(Mit starkem
- Schritt auf und nieder.) Jetzt, Doria, mit mir auf den Kampfplatz!
- Alle Maschinen des großen Wagestücks sind im Gang. Zum schaudernden
- Concert alle Instrumente gestimmt. Nichts fehlt, als die Larve
- herabzureißen und Genuas Patrioten den Fiesco zu zeigen. (Man hört
- kommen.) Ein Besuch! Wer mag mich jetzt stören?
- Siebzehnter Auftritt
- Voriger. Verrina. Romano mit einem Tableau. Sacco. Bourgognino.
- Calcagno. Alle verneigen sich.
- Fiesco (ihnen entgegen, voll Heiterkeit). Willkommen, meine würdigen
- Freunde! Welche wichtige Angelegenheit führt Sie so vollzählig zu
- mir--Du auch da, theurer Bruder Verrina? Ich würde bald verlernt
- haben, dich zu kennen, wären meine Gedanken nicht fleißiger um dich,
- als meine Augen. War's nicht seit dem letzten Ball, daß ich meinen
- Verrina entbehrte?
- Verrina. Zähl' ihm nicht nach, Fiesco. Schwere Lasten haben indeß
- sein graues Haar gebeugt. Doch genug hievon.
- Fiesco. Nicht genug für die wißbegierige Liebe. Du wirst mir mehr
- sagen müssen, wenn wir allein sind. (Zu Bourgognino.) Willkommen,
- junger Held! Unsre Bekanntschaft ist noch grün, aber meine
- Freundschaft ist zeitig. Haben Sie Ihre Meinung von mir verbessert?
- Bourgognino. Ich bin auf dem Wege.
- Fiesco. Verrina, man sagt mir, daß dieser junge Cavalier dein
- Tochtermann werden soll. Nimm meinen ganzen Beifall zu dieser Wahl.
- Ich hab' ihn nur einmal gesprochen, und doch würd' ich stolz sein,
- wenn er der meinige wäre.
- Verrina. Dieses Urtheil macht mich eitel auf meine Tochter.
- Fiesco (zu den Andern). Sacco? Calcagno?--Lauter seltne
- Erscheinungen in meinen Zimmern. Beinahe möchte ich mich meiner
- Dienstfertigkeit schämen, wenn Genuas edelste Zierden sie
- vorübergehen--Und hier begrüße ich einen fünften Gast, mir zwar fremd,
- doch empfohlen genug durch diesen würdigen Zirkel.
- Romano. Es ist ein Maler schlechtweg, gnädiger Herr, Romano mit
- Namen, der sich vom Diebstahl an der Natur ernährt, kein Wappen hat,
- als seinen Pinsel, und nun gegenwärtig ist, (mit einer tiefen
- Verbeugung) die große Linie zu einem Brutuskopfe zu finden.
- Fiesco. Ihre Hand, Romano. Ihre Meisterin ist eine Verwandte meines
- Hauses. Ich liebe sie brüderlich. Kunst ist die rechte Hand der
- Natur. Diese hat nur Geschöpfe, jene hat Menschen gemacht. Was
- malen Sie aber, Romano?
- Romano. Scenen aus dem nervigten Alterthum. Zu Florenz steht mein
- sterbender Hercules, meine Kleopatra zu Venedig, der wüthende Ajax zu
- Rom, wo die Helden der Vorwelt--im Vatican wieder auferstehen.
- Fiesco. Und was ist wirklich Ihres Pinsels Beschäftigung?
- Romano. Er ist weggeworfen, gnädiger Herr. Das Licht des Genies
- bekam weniger Fett, als das Licht des Lebens. Über einen gewissen
- Punkt hinaus brennt nur die papierne Krone. Hier ist meine letzte
- Arbeit.
- Fiesco (aufgeräumt). Sie könnte nicht erwünschter gekommen sein.
- Ich bin heute ganz ungewöhnlich heiter, mein ganzes Wesen feiert eine
- gewisse heroische Ruhe, ganz offen für die schöne Natur. Stellen Sie
- Ihr Tableau auf. Ich will mir ein rechtes Fest daraus bereiten.
- Tretet herum, meine Freunde. Wir wollen uns ganz dem Künstler
- schenken. Stellen Sie Ihr Tableau auf.
- Verrina (winkt den Andern). Nun merket auf, Genueser!
- Romano (stellt das Gemälde zurecht). Das Licht muß von der Seite
- spielen. Ziehen Sie jenen Vorhang auf. Diesen lassen Sie fallen.
- Gut. (Er tritt auf die Seite.) Es ist die Geschichte der Virginia
- und des Appius Claudius.
- (Lange ausdrucksvolle Pause, worin alle die Malerei betrachten.)
- Verrina (in Begeisterung). Spritz zu, eisgrauer Vater!--Zuckst du,
- Tyrann?--Wie so bleich steht ihr Klötze Römer--ihm nach, Römer--das
- Schlachtmesser blinkt--Mir nach, Klötze Genueser--Nieder mit Doria!
- Nieder! nieder! (Er haut gegen das Gemälde.)
- Fiesco (lächelnd zum Maler.) Fordern Sie mehr Beifall? Ihre Kunst
- macht diesen alten Mann zum bartlosen Träumer.
- Verrina (erschöpft). Wo bin ich? Wo sind sie hingekommen? Weg, wie
- Blasen? Du hier, Fiesco? Der Tyrann lebt noch, Fiesco?
- Fiesco. Siehst du? Über vielem Sehen hast du die Augen vergessen.
- Diesen Römerkopf findest du bewundernswerth? Weg mit ihm! Hier das
- Mädchen blick' an! Dieser Ausdruck, wie weich, wie weiblich! Welche
- Anmuth auch aus den welkenden Lippen? Welche Wollust im
- verlöschenden Blick?--Unnachahmlich! göttlich, Romano!--Und noch die
- weiße, blendende Brust, wie angenehm noch von des Athems letzten
- Wellen gehoben! Mehr solche Nymphen, Romano, so will ich vor Ihren
- Phantasieen knieen und der Natur einen Scheidebrief schreiben.
- Bourgognino. Verrina, ist das deine gehoffte herrliche Wirkung?
- Verrina. Fasse Muth, Sohn. Gott verwarf den Arm des Fiesco, er muß
- auf den unsrigen rechnen.
- Fiesco (zum Maler). Ja, es ist Ihre letzte Arbeit, Romano. Ihr
- Markt ist erschöpft. Sie rühren keinen Pinsel mehr an. Doch über
- des Künstlers Bewunderung vergess' ich das Werk zu verschlingen. Ich
- könnte hier stehen und hingaffen und ein Erdbeben überhören. Nehmen
- Sie Ihr Gemälde weg. Sollt' ich Ihnen diesen Virginiakopf bezahlen,
- müßt' ich Genua in Versatz geben. Nehmen Sie weg.
- Romano. Mit Ehre bezahlt sich der Künstler. Ich schenke es Ihnen.
- (Er will hinaus.)
- Fiesco. Eine kleine Geduld, Romano. (Er geht mit majestätischem
- Schritt im Zimmer und scheint über etwas Großes zu denken. Zuweilen
- betrachtet er die Andern fliegend und scharf, endlich nimmt er den
- Maler bei der Hand, führt ihn vor das Gemälde.) Tritt her, Maler!
- (Äußerst stolz und mit Würde.) So trotzig stehst du da, weil du
- Leben auf todten Tüchern heuchelst und große Thaten mit kleinem
- Aufwand verewigst. Du prahlst mit Poetenhitze, der Phantasie
- marklosem Marionettenspiel, ohne Herz, ohne thatenerwärmende Kraft;
- stürzest Tyrannen auf Leinwand;--bist selbst ein elender Sklave?
- Machst Republiken mit einem Pinsel frei;--kannst deine eignen Ketten
- nicht brechen? (Voll und befehlend.) Geh! Deine Arbeit ist
- Gaukelwerk--der Schein weiche der That--(Mit Größe, indem er das
- Tableau umwirft.) Ich habe gethan, was du--nur maltest. (Alle
- erschüttert. Romano trägt sein Tableau mit Bestürzung fort.)
- Achtzehnter Auftritt
- Fiesco. Verrina. Bourgognino. Sacco. Calcagno.
- Fiesco (unterbricht eine Pause des Erstaunens). Dachtet ihr, der
- Löwe schliefe, weil er nicht brüllte? Waret ihr eitel genug, euch zu
- überreden, daß ihr die Einzigen wäret, die Genuas Ketten fühlten? die
- Einzigen, die sie zu zerreißen wünschten? Eh ihr sie nur fern
- rasseln hörtet, hatte sie schon Fiesco zerbrochen. (Er öffnet die
- Schatulle, nimmt ein Paket Briefe heraus, die er alle über die Tafel
- spreitet.) Hier Soldaten von Parma--hier französisches Geld--hier
- vier Galeeren vom Papst. Was fehlt noch, einen Tyrannen in seinem
- Nest aufzujagen? Was wißt ihr noch zu erinnern? (Da sie alle
- erstarrt schweigen, tritt er von der Tafel mit Selbstgefühl.)
- Republikaner, ihr seid geschickter, Tyrannen zu verfluchen, als sie
- in die Luft zu sprengen. (Alle, außer Verrina, werfen sich sprachlos
- Fiesco zu Füßen.)
- Verrina. Fiesco!--Mein Geist neigt sich vor dem deinigen--mein Knie
- kann es nicht--Du bist ein großer Mensch!--aber--Steht auf, Genueser.
- Fiesco. Ganz Genua ärgerte sich an dem Weichling Fiesco. Ganz Genua
- fluchte über den verbuhlten Schurken Fiesco. Genueser! Genueser!
- Meine Buhlerei hat den arglistigen Despoten betrogen, meine Tollheit
- hat eurem Fürwitz meine gefährliche Weisheit verhüllt. In den
- Windeln der Üppigkeit lag das erstaunliche Werk der Verschwörung
- gewickelt. Genug. Genua kennt ich in euch. Mein ungeheuerster
- Wunsch ist befriedigt.
- Bourgognino (wirft sich unmuthig in einen Sessel). Bin ich denn gar
- nichts mehr?
- Fiesco. Aber laßt uns schleunig von Gedanken zu Thaten gehn. Alle
- Maschinen sind gerichtet. Ich kann die Stadt von Land und Wasser
- bestürmen. Rom, Frankreich und Parma bedecken mich. Der Adel ist
- schwierig. Des Pöbels Herzen sind mein. Die Tyrannen hab' ich in
- Schlummer gesungen. Die Republik ist zu einem Umgusse zeitig. Mit
- dem Glück sind wir fertig. Nichts fehlt--Aber Verrina ist
- nachdenkend?
- Bourgognino. Geduld. Ich hab' ein Wörtchen, das ihn rascher
- aufschrecken soll, als des jüngsten Tages Posaunenruf. (Er tritt zu
- Verrina, ruft ihm bedeutend zu.) Vater, wach' auf! Deine Bertha
- verzweifelt.
- Verrina. Wer sprach das?--Zum Werk, Genueser!
- Fiesco. Überlegt den Entwurf zur Vollstreckung. Über dem ernsten
- Gespräch hat uns die Nacht überrascht. Genua liegt schlafen. Der
- Tyrann fällt erschöpft von den Sünden des Tages nieder. Wachet für
- beide!
- Bourgognino. Eh wir scheiden, laßt uns den heldenmüthigen Bund durch
- eine Umarmung beschwören. (Sie schließen mit verschränkten Armen
- einen Kreis.) Hier wachsen Genuas fünf größte Herzen zusammen, Genuas
- größtes Loos zu entscheiden. (Drücken sich inniger.) Wenn der Welten
- Bau auseinander fällt und der Spruch des Gerichts auch die Bande des
- Bluts, auch der Liebe zerschneidet, bleibt dieses fünffache
- Heldenblatt ganz! (Treten auseinander.)
- Verrina. Wann versammeln wir uns wieder?
- Fiesco. Morgen Mittag will ich eure Meinungen sammeln.
- Verrina. Morgen Mittag denn. Gute Nacht, Fiesco! Bourgognino, komm!
- Du wirst etwas Seltsames hören. (Beide ab.)
- Fiesco (zu den Andern). Geht ihr zu den Hinterthoren hinaus, daß
- Dorias Spionen nichts merken. (Alle entfernen sich.)
- Neunzehnter Auftritt
- Fiesco, der nachdenkend auf und nieder geht.
- Welch ein Aufruhr in meiner Brust! welche heimliche Flucht der
- Gedanken--Gleich verdächtigen Brüdern, die auf eine schwarze That
- ausgehen, auf den Zehen schleichen und ihr flammroth Gesicht
- furchtsam zu Boden schlagen, stehlen sich die üppigen Phantome an
- meiner Seele vorbei--Haltet! haltet! Laßt mich euch ins Angesicht
- leuchten--ein guter Gedanke stählet des Mannes Herz und zeigt sich
- heldenmäßig dem Tage.--Ha! ich kenne euch!--das ist die Liverei des
- ewigen Lügners--verschwindet! (Wieder Pause, darauf lebhafter.)
- Republikaner Fiesco? Herzog Fiesco?--Gemach--Hier ist der gähe
- Hinuntersturz, wo die Mark der Tugend sich schließt, sich scheiden
- Himmel und Hölle--Eben hier haben Helden gestrauchelt, und Helden
- sind gesunken, und die Welt belagert ihren Namen mit Flüchen--Eben
- hier haben Helden gezweifelt, und Helden sind still gestanden und
- Halbgötter geworden--(Rascher.) Daß sie mein sind, die Herzen von
- Genua? Daß von meinen Händen dahin, dorthin sich gängeln läßt das
- furchtbare Genua?--O über die schlaue Sünde, die einen Engel vor
- jeden Teufel stellt--Unglückselige Schwungsucht! uralte Buhlerei!
- Engel küßten an deinem Halse den Himmel hinweg, und der Tod sprang
- aus deinem kreißenden Bauche--(Sich schaudernd schüttelnd.) Engel
- fingst du mit Sirenentrillern von Unendlichkeit--Menschen angelst du
- mit Gold, Weibern und Kronen! (Nach einer nachdenkenden Pause, fest.)
- Ein Diadem erkämpfen ist groß. Es wegwerfen ist göttlich.
- (Entschlossen.) Geh unter, Tyrann! Sei frei, Genua, und ich (sanft
- geschmolzen) dein glücklichster Bürger!
- Dritter Aufzug
- Furchtbare Wildniß.
- Erster Auftritt
- Verrina. Bourgognino kommen durch die Nacht.
- Bourgognino (steht still.)A wohin führst du mich, Vater? Der dumpfe
- Schmerz, womit du mich abriefst, keucht noch immer aus deinem
- arbeitenden Odem. Unterbrich dieses grauenvolle Schweigen. Rede.
- Ich folge nicht weiter.
- Verrina. Das ist der Ort.
- Bourgognino. Der schrecklichste, den du auffinden konntest. Vater,
- wenn Das, was du hier vornehmen wirst, dem Orte gleich sieht, Vater,
- so werden meine Haarspitzen aufwärts springen.
- Verrina. Doch blühet das, gegen die Nacht meiner Seele. Folge mir
- dahin, wo die Verwesung Leichname morsch frißt, und der Tod seine
- schaudernde Tafel hält--dahin, wo das Gewinsel verlorner Seelen
- Teufel belustigt, und des Jammers undankbare Thränen im
- durchlöcherten Sieb der Ewigkeit ausrinnen--dahin, mein Sohn, wo die
- Welt ihre Losung ändert, und die Gottheit ihr allgütiges Wappen
- bricht--dort will ich zu dir durch Verzerrungen sprechen, und mit
- Zähneklappern wirst du hören.
- Bourgognino. Hören? Was? ich beschwöre dich.
- Verrina. Jüngling! ich fürchte--Jüngling, dein Blut ist
- rosenroth--dein Fleisch ist milde geschmeidig; dergleichen Naturelle
- fühlen menschlich weich; an dieser empfindenden Flamme schmilzt meine
- grausame Weisheit. Hätte der Frost des Alters oder der bleierne Gram
- den fröhlichen Sprung deiner Geister gestellt--hätte schwarzes,
- klumpigtes Blut der leidenden Natur den Weg zum Herzen gesperrt, dann
- wärst du geschickt, die Sprache meines Grams zu verstehen und meinen
- Entschluß anzustaunen.
- Bourgognino. Ich werde ihn hören und mein machen.
- Verrina. Nicht darum, mein Sohn--Verrina wird damit dein Herz
- verschonen. O Scipio, schwere Lasten liegen auf dieser Brust--ein
- Gedanke, grauenvoll, wie die lichtscheue Nacht--ungeheuer genug, eine
- Mannsbrust zu sprengen--Siehst du? Allein will ich ihn
- vollführen--allein tragen kann ich ihn nicht. Wenn ich stolz wäre,
- Scipio, ich könnte sagen, es ist eine Qual, der einzige große Mann zu
- sein--Größe ist dem Schöpfer zur Last gefallen, und er hat Geister zu
- Vertrauten gemacht--Höre, Scipio-Bourgognino. Meine Seele
- verschlingt die deinige.
- Verrina. Höre, aber erwiedre nichts. Nichts, junger Mensch! Hörst
- du? Kein Wort sollst du drauf sagen--Fiesco muß sterben!
- Bourgognino (mit Bestürzung). Sterben? Fiesco?
- Verrina. Sterben!--Ich danke dir, Gott! es ist heraus--Fiesco
- sterben, Sohn, sterben durch mich!--Nun geh--es gibt Thaten, die sich
- keinem Menschen-Urtheil mehr unterwerfen--nur den Himmel zum
- Schiedsmann erkennen--Das ist eine davon. Geh. Ich will weder
- deinen Tadel, noch deinen Beifall. Ich weiß, was sie mich kostet,
- und damit gut. Doch höre--du könntest dich wohl gar wahnsinnig daran
- denken--Höre--sahest du ihn gestern in unsrer Bestürzung sich
- spiegeln?--Der Mann, dessen Lächeln Italien irre führte, wird er
- seines Gleichen in Genua dulden?--Geh. Den Tyrannen wird Fiesco
- stürzen, das ist gewiß! Fiesco wird Genuas gefährlichster Tyrann
- werden, das ist gewisser! (Er geht schnell ab. Bourgognino blickt
- ihm staunend und sprachlos nach, dann folgt er ihm langsam.)
- Zweiter Auftritt
- Saal bei Fiesco.
- In der Mitte des Hintergrunds eine große Glasthüre, die den Prospect
- über das Meer und Genua öffnet. Morgendämmerung.--Fiesco vom Fenster.
- Was ist das?--der Mond ist unter--Der Morgen kommt feurig aus der
- See--Wilde Phantasieen haben meinen Schlaf aufgeschwelgt--mein ganzes
- Wesen krampfig um eine Empfindung gewälzt--Ich muß mich im Offenen
- dehnen. (Er macht die Glasthüre auf. Stadt und Meer von Morgenroth
- überflammt. Fiesco mit starken Schritten im Zimmer.) Daß ich der
- größte Mann bin im ganzen Genua? und die kleineren Seelen sollten
- sich nicht unter die große versammeln?--Aber ich verletze die Tugend?
- (steht still.) Tugend?--Der erhabene Kopf hat andre Versuchungen, als
- der gemeine--Sollt' er Tugend mit ihm zu theilen haben?--Der Harnisch,
- der des Pygmäen schmächtigen Körper zwingt, sollte der einem
- Riesenleib anpassen müssen?
- Die Sonne geht auf über Genua.
- Diese majestätische Stadt! (Mit offenen Armen dagegen eilend.) Mein!
- --und drüber emporzuflammen, gleich dem königlichen Tag--drüber zu
- brüten mit Monarchenkraft--all die kochenden Begierden--all die
- nimmersatten Wünsche in diesem grundlosen Ocean unterzutauchen?--
- Gewiß! Wenn auch des Betrügers Witz den Betrug nicht adelt, so
- adelt doch der Preis den Betrüger. Es ist schimpflich, eine Börse
- zu leeren--es ist frech, eine Million zu veruntreuen, aber es ist
- namenlos groß, eine Krone zu stehlen. Die Schande nimmt ab mit der
- wachsenden Sünde. (Pause, dann mit Ausdruck.) Gehorchen!--
- Herrschen!--ungeheure schwindlichte Kluft--Legt Alles hinein, was
- der Mensch Kostbares hat--eure gewonnenen Schlachten, Eroberer--
- Künstler, eure unsterblichen Werke--eure Wollüste, Epikure--eure
- Meere und Inseln, ihr Weltumschiffer! Gehorchen und Herrschen!--
- Sein und Nichtsein! Wer über den schwindlichten Graben vom letzten
- Seraph zum Unendlichen setzt, wird auch diesen Sprung ausmessen.
- (Mit erhabenem Spiel.) Zu stehen in jener schrecklich erhabenen
- Höhe--niederzuschmollen in der Menschlichkeit reißenden Strudel,
- wo das Rad der blinden Betrügerin Schicksale schelmisch wälzt--
- den ersten Mund am Becher der Freude--tief unten den geharnischten
- Riesen Gesetz am Gängelbande zu lenken--schlagen zu sehen
- unvergoltene Wunden, wenn sein kurzarmiger Grimm an das Geländer
- der Majestät ohnmächtig poltert--die unbändigen Leidenschaften
- des Volks, gleich so viel strampfenden Rossen, mit dem weichen
- Spiele des Zügels zu zwingen--den emporstrebenden Stolz der
- Vasallen mit einem--einem Athemzug in den Staub zu legen, wenn der
- schöpferische Fürstenstab auch die Träume des fürstlichen Fiebers ins
- Leben schwingt.--Ha! welche Vorstellung, die den staunenden Geist
- über seine Linien wirbelt!--Ein Augenblick Fürst hat das Mark des
- ganzen Daseins verschlungen. Nicht der Tummelplatz des Lebens--sein
- Gehalt bestimmt seinen Werth. Zerstücke den Donner in seine
- einfachen Silben, und du wirst Kinder damit in den Schlummer singen;
- schmelze sie zusammen in einen plötzlichen Schall, und der
- monarchische Laut wird den ewigen Himmel bewegen--Ich bin
- entschlossen! (Heroisch auf und nieder.)
- Dritter Auftritt
- Voriger. Leonore tritt herein mit merklicher Angst.
- Leonore. Vergeben Sie, Graf. Ich fürchte, Ihre Morgenruhe zu stören.
- Fiesco (tritt höchst betreten zurück.) Gewiß, gnädige Frau, Sie
- überraschen mich seltsam.
- Leonore. Das begegnet nur den Liebenden nie.
- Fiesco. Schöne Gräfin, Sie verrathen Ihre Schönheit an den
- feindlichen Morgenhauch.
- Leonore. Auch wüßt' ich nicht, warum ich den wenigen Rest für den
- Gram schonen sollte.
- Fiesco. Gram, meine Liebe? Stand ich bisher im Wahn, Staaten nicht
- umwühlen wollen, hieße Gemüthsruhe?
- Leonore. Möglich--Doch fühl' ich, daß meine Weiberbrust unter dieser
- Gemüthsruhe bricht. Ich komme, mein Herr, Sie mit einer
- nichtsbedeutenden Bitte zu belästigen, wenn Sie Zeit für mich
- wegwerfen möchten. Seit sieben Monaten hatt' ich den seltsamen Traum,
- Gräfin von Lavagna zu sein. Er ist verflogen. Der Kopf schmerzt
- mir davon. Ich werden den ganzen Genuß meiner unschuldigen Kindheit
- zurückrufen müssen, meine Geister von diesem lebhaften Phantome zu
- heilen. Erlauben Sie darum, daß ich in die Arme meiner guten Mutter
- zurückkehre?
- Fiesco (äußerst bestürzt). Gräfin?
- Leonore. Es ist ein schwaches, verzärteltes Ding, mein Herz, mit dem
- Sie Mitleiden haben müssen. Auch die geringsten Andenken des Traums
- könnten meiner kranken Einbildung Schaden thun. Ich stelle deßwegen
- die letzten überbliebenen Pfänder ihrem rechtmäßigen Besitzer zurück.
- (Sie legt einige Galanterieen auf ein Tischchen.) Auch diesen Dolch,
- der mein Herz durchfuhr--(seinen Liebesbrief) auch diesen--und (indem
- sie sich laut weinend hinausstürzen will) behalte nichts, als die
- Wunde!
- Fiesco (erschüttert, eilt ihr nach, hält sie auf). Leonore! Welch
- ein Auftritt! Um Gotteswillen!
- Leonore (fällt matt in seinen Arm). Ihre Gemahlin zu sein, hab' ich
- nicht verdient, aber Ihre Gemahlin hätte Achtung verdient--Wie sie
- jetzt zischen, die Lästerzungen! Wie sie auf mich herabschielen,
- Genuas Damen und Mädchen! »Seht, wie sie wegblüht, die Eitle, die den
- Fiesco heirathete.«--Grausame Ahndung meiner weiblichen Hoffart! Ich
- hatte mein ganzes Geschlecht verachtet, da mich Fiesco zum Brautaltar
- führte.
- Fiesco. Nein, wirklich, Madonna! dieser Auftritt ist sonderbar.
- Leonore. Ah, erwünscht. Er wird blaß und roth. Jetzt bin ich
- muthig.
- Fiesco. Nur zwei Tage, Gräfin, und dann richten Sie mich.
- Leonore. Aufgeopfert!--Laß mich es nicht vor dir aussprechen,
- jungfräuliches Licht! Aufgeopfert einer Buhlerin. Nein, sehen Sie
- mich an, mein Gemahl! Wahrhaftig, die Augen, die ganz Genua in
- knechtisches Zittern jagen, müssen sich jetzt vor den Thränen eines
- Weibes verkriechen.-Fiesco (äußerst verwirrt). Nicht mehr, Signora.
- Nicht weiter.
- Leonore (mit Wehmuth und etwas bitter). Ein schwaches Weiberherz zu
- zerfleischen! O es ist des starken Geschlechts so würdig.--Ich warf
- mich in die Arme dieses Mannes. An diesen Starken schmiegten sich
- wollüstig alle meine weiblichen Schwächen. Ich übergab ihm meinen
- ganzen Himmel--Der großmüthige Mann verschenkte ihn an eine-Fiesco
- (stürzt ihr mit Heftigkeit ins Wort). Meine Leonore! nein-Leonore.
- Meine Leonore?--Himmel, habe Dank! das war wieder echter Goldklang
- der Liebe. Hassen sollt' ich dich, Falscher, und werfe mich hungrig
- auf die Brosamen deiner Zärtlichkeit--Hassen? Sagte ich hassen,
- Fiesco? O glaub' es nicht! Sterben lehrt mich dein Meineid, aber
- nicht hassen. Mein Herz ist betrogen. (Man hört den Mohren.)
- Fiesco. Leonore, erfüllen Sie mir eine kleine kindische Bitte.
- Leonore. Alles, Fiesco, nur nicht Gleichgültigkeit.
- Fiesco. Was Sie wollen, wie Sie wollen--(Bedeutend.) Bis Genua um
- zwei Tage älter ist, fragen Sie nicht, verdammen Sie nicht! (Er
- führt sie mit Anstand in ein anderes Zimmer.)
- Vierter Auftritt
- Mohr keuchend. Fiesco.
- Fiesco. Woher so in Athem?
- Mohr. Geschwind, gnädiger Herr-Fiesco. Ist was ins Garn gelaufen?
- Mohr. Lest diesen Brief. Bin ich denn wirklich da? Ich glaube,
- Genua ist um zwölf Gassen kürzer worden, oder meine Beine um so viel
- länger. Ihr verblaßt? Ja, um Köpfe werden sie karten, und der Eure
- ist Tarock. Wie gefällt's Euch?
- Fiesco (wirft den Brief erschüttert auf den Tisch). Krauskopf und
- zehn Teufel! wie kommst zu diesem Brief?
- Mohr. Ungefähr wie--Euer Gnaden zur Republik. Ein Expresser sollte
- damit nach Levanto fliegen! Ich wittre den Fraß, laure dem Burschen
- in einem Hohlweg auf. Baff, liegt der Marder--wir haben das Huhn.
- Fiesco. Sein Blut über dich! Der Brief ist nicht mit Gold zu
- bezahlen.
- Mohr. Doch dank' ich für Silber. (Ernsthaft und wichtig.) Graf von
- Lavagna! Ich habe neulich einen Gelust nach Eurem Kopf gehabt.
- (Indem er auf den Brief deutet.) Hier wär' er wieder--Jetzt, denk'
- ich, wären gnädiger Herr und Halunke quitt. Fürs Weitere könnt Ihr
- Euch beim guten Freund bedanken. (Reicht ihm einen zweiten Zettel.)
- Numero zwei.
- Fiesco (nimmt das Blatt mit Erstaunen). Wirst du toll sein?
- Mohr. Numero zwei. (Er stellt sich trotzig neben ihn, stemmt den
- Ellenbogen an.) Der Löwe hat's doch so dumm nicht gemacht, daß er die
- Maus pardonnierte? (Arglistig.) Gelt! er hat's schlau gemacht, wer
- hätt ihn auch sonst aus dem Garne genagt?--Nun? Wie behagt Euch das?
- Fiesco. Kerl, wie viel Teufel besoldest du?
- Mohr. Zu dienen--nur einen, und der steht in gräflichem Futter.
- Fiesco. Dorias eigene Unterschrift!--Wo bringst du das Blatt her?
- Mohr. Warm aus den Händen meiner Bononi. Ich machte mich noch die
- gestrige Nacht dahin, ließ Eure schönen Worte und Eure noch schönern
- Zechinen klingen. Die letzten drangen durch. Früh sechs sollt' ich
- wieder anfragen. Der Graf war richtig dort, wie Ihr sagtet, und
- bezahlte mit Schwarz und Weiß das Weggeld zu einem contrebandenen
- Himmelreich.
- Fiesco (aufgebracht). Über die feilen Weiberknechte!--Republiken
- wollen sie stürzen, können keiner Metze nicht schweigen. Ich sehe
- aus diesen Papieren, daß Doria und sein Anhang Komplott gemacht haben,
- mich mit eilf Senatoren zu ermorden und Gianettino zum souveränen
- Herzog zu machen.
- Mohr. Nicht anders, und das schon am Morgen der Dogewahl, dem
- dritten des Monats.
- Fiesco (rasch.) Unsere flinke Nacht soll diesen Morgen in Mutterleibe
- erwürgen--Geschwind, Hassan--meine Sachen sind reif--Rufe die
- Andern--wir wollen ihnen einen blutigen Vorsprung machen--Tummle dich,
- Hassan!
- Mohr. Noch muß ich Euch meinen Schubsack von Zeitungen stürzen.
- Zweitausend Mann sind glücklich hereinprakticiert. Ich habe sie bei
- den Kapuzinern untergebracht, wo auch kein vorlauter Sonnenstrahl sie
- ausspionieren soll. Sie brennen vor Neugier, ihren Herrn zu sehen,
- und es sind treffliche Kerl.
- Fiesco. Aus jedem Kopf blüht ein Scudi für dich--Was murmelt Genua
- zu meinen Galeeren?
- Mohr. Das ist ein Hauptspaß, gnädiger Herr. Über die vierhundert
- Abenteurer, die der Friede zwischen Frankreich und Spanien auf den
- Sand gesetzt hat, nisteten sich an meine Leute und bestürmten sie,
- ein gutes Wort für sie bei Euch einzulegen, daß Ihr sie gegen die
- Ungläubigen schicken mögt. Ich habe sie auf den Abend zu Euch in den
- Schloßhof beschieden.
- Fiesco (froh.) Bald sollt' ich dir um den Hals fallen, Schurke! Ein
- Meisterstreich! Vierhundert, sagst du?--Genua ist nicht mehr zu
- retten. Vierhundert Scudi sind dein.
- Mohr (treuherzig.) Gelt, Fiesco? Wir Zwei wollen Genua
- zusammenschmeißen, daß man die Gesetze mit dem Besen aufkehren
- kann--Das hab' ich Euch nie gesagt, daß ich unter der hiesigen
- Garnison meine Vögel habe, auf die ich zählen kann, wie auf meine
- Höllenfahrt. Nun hab' ich veranstaltet, daß wir auf jedem Thor
- wenigstens sechs Creaturen unter der Wache haben, die genug sind, die
- Andern zu beschwätzen und ihre fünf Sinne unter Wein zu setzen. Wenn
- Ihr also Lust habt, diese Nacht einen Streich zu wagen, so findet Ihr
- die Wachen besoffen.
- Fiesco. Rede nichts mehr. Bis jetzt hab' ich den ungeheuren Quader
- ohne Menschenhilfe gewälzt; hart am Ziel soll mich der schlechteste
- Kerl in der Rundung beschämen?--Deine Hand, Bursche! Was dir der
- Graf schuldig bleibt, wird der Herzog hereinholen.
- Mohr. Überdies noch ein Billet von der Gräfin Imperiali. Sie
- winkte mir von der Gasse hinauf, war sehr gnädig, fragte mich
- spöttelnd, ob die Gräfin von Lavagna keinen Anfall von Gelbsucht
- gehabt hätte? Euer Gnaden, sagt' ich, fragen nur einem Befinden nach,
- sagt' ich-Fiesco (hat das Billet gelesen und wirft es weg). Sehr
- gut gesagt; sie antwortete?
- Mohr. Antwortete, sie bedaure dennoch das Schicksal der armen Wittwe,
- erbiete sich auch, ihr Genugthuung zu geben und Euer Gnaden
- Galanterieen künftig zu verbitten.
- Fiesco (hämisch). Welche sich wohl noch vor Welt-Untergang aufheben
- dürften--Das die ganze Erheblichkeit, Hassan?
- Mohr (boshaft). Gnädiger Herr, Angelegenheiten der Damen sind es
- zunächst nach den politischen-Fiesco. O ja freilich, und diese
- allerdings. Aber was willst du mit diesem Papierchen?
- Mohr. Eine Teufelei mit einer andern auskratzen--Diese Pulver gab
- mir Signora, Eurer Frau täglich eins in die Chocolade zu rühren.
- Fiesco (tritt blaß zurück). Gab dir?
- Mohr. Donna Julia, Gräfin Imperiali.
- Fiesco (reißt ihm solche weg, heftig). Lügst du, Canaille, lass' ich
- dich lebendig an den Wetterhahn vom Lorenzothurm schmieden, wo dich
- der Wind in einem Athemzug neunmal herumtreibt--die Pulver?
- Mohr (ungeduldig). Soll ich Eurer Frau in der Chocolade zu saufen
- geben, verordnete Donna Julia Imperiali.
- Fiesco (außer Fassung). Ungeheuer! Ungeheuer!--dieses holdselige
- Geschöpf?--Hat so viel Hölle in einer Frauenzimmerseele Platz?--Doch,
- ich vergaß dir zu danken, himmlische Vorsicht, die du es nichtig
- machst--nichtig durch einen ärgeren Teufel. Deine Wege sind
- sonderbar. (Zum Mohren.) Du versprichst, zu gehorchen, und schweigst.
- Mohr. Sehr wohl. Das Letzte kann ich, sie bezahlte mir's baar.
- Fiesco. Dieses Billet ladet mich zu ihr--Ich will kommen, Madame!
- Ich will Sie beschwätzen, bis Sie hieher folgen. Gut. Du eilst
- nunmehr, was du eilen kannst, rufst die ganze Verschwörung zusammen.
- Mohr. Diesen Befehl hab' ich vorausgewittert und darum Jeden auf
- meine Faust Punkt zehn Uhr hieher bestellt.
- Fiesco. Ich höre Tritte. Sie sind's. Kerl, du verdientest deinen
- eigenen Galgen, wo noch kein Sohn Adams gezappelt hat. Geh ins
- Vorzimmer, bis ich läute.
- Mohr (im Abgehen). Der Mohr hat seine Arbeit gethan, der Mohr kann
- gehen. (Ab.)
- Fünfter Auftritt
- Alle Verschwornen.
- Fiesco (ihnen entgegen). Das Wetter ist im Anzug. Die Wolken laufen
- zusammen. Tretet leis auf! Laßt beide Schlösser vorfallen!
- Verrina. Acht Zimmer hinter uns hab' ich zugeriegelt; der Argwohn
- kann auf hundert Mannsschritte nicht beikommen.
- Bourgognino. Hier ist kein Verräther, wenn's unsre Furcht nicht wird.
- Fiesco. Furcht kann nicht über meine Schwelle. Willkommen, wer noch
- der Gestrige ist. Nehmt eure Plätze. (Setzen sich.)
- Bourgognino (spaziert im Zimmer). Ich sitze ungern, wenn ich ans
- Umreißen denke.
- Fiesco. Genueser, das ist eine merkwürdige Stunde.
- Verrina. Du hast uns aufgefordert, einem Plan zum Tyrannenmord
- nachzudenken. Frage uns. Wir sind da, dir Rede zu geben.
- Fiesco. Zuerst also--eine Frage, die spät genug kommt, um seltsam zu
- klingen--Wer soll fallen? (Alle schweigen.)
- Bourgognino (indem er sich über Fiescos Sessel lehnt, bedeutend).
- Die Tyrannen.
- Fiesco. Wohlgesprochen, die Tyrannen. Ich bitte euch, gebt genau
- Acht auf die ganze Schwere des Worts. Wer die Freiheit zu stürzen
- Miene macht, oder Gewicht hat?--Wer ist mehr Tyrann?
- Verrina. Ich hasse den Ersten, den Letzten fürchte ich. Andreas
- Doria falle!
- Calcagno (in Bewegung). Andreas, der abgelebte Andreas, dessen
- Rechnung mit der Natur vielleicht übermorgen zerfallen ist?
- Sacco. Andreas, der sanftmüthige Alte?
- Fiesco. Furchtbar ist dieses alten Mannes Sanftmuth, mein Sacco!
- Gianettinos Tolltrotz nur lächerlich. Andreas Doria falle! das
- sprach deine Weisheit, Verrina.
- Bourgognino. Ketten von Stahl oder Seide--es sind Ketten, und
- Andreas Doria falle!
- Fiesco (zum Tisch gehend). Also den Stab gebrochen über Onkel und
- Neffen! Unterzeichnet! (Alle unterschreiben.) Das Wer? ist
- berichtigt. (Setzen sich wieder.) Nun zum gleich merkwürdigen
- Wie?--Reden Sie zuerst, Freund Calcagno.
- Calcagno. Wir führen es aus wie Soldaten oder wie Meuter. Jenes ist
- gefährlich, weil es uns zwingt, viele Mitwisser zu haben, gewagt,
- weil die Herzen der Nation noch nicht ganz gewonnen sind--diesem sind
- fünf gute Dolche gewachsen. In drei Tagen ist hohe Messe in der
- Lorenzokirche. Beide Doria halten dort ihre Andacht. In der Nähe
- des Allerhöchsten entschläft auch Tyrannenangst. Ich sagte Alles.
- Fiesco (abgewandt). Calcagno--abscheulich ist Ihre vernünftige
- Meinung--Raphael Sacco?
- Sacco. Calcagnos Gründe gefallen mir, seine Wahl empört. Besser,
- Fiesco läßt Oheim und Neffen zu einem Gastmahle laden, wo sie dann,
- zwischen den ganzen Groll der Republik gepreßt, die Wahl haben, den
- Tod entweder an unsern Dolchen zu essen, oder in gutem Cyprier
- Bescheid zu thun. Wenigstens bequem ist diese Methode.
- Fiesco (mit Entsetzen). Sacco, und wenn der Tropfe Wein, den ihre
- sterbende Zunge kostet, zum siedenden Pech wird, ein Vorschmack der
- Hölle--Wie dann, Sacco?--Weg mit diesem Rath! Sprich du, Verrina.
- Verrina. Ein offenes Herz zeigt eine offene Stirn. Meuchelmord
- bringt uns in jedes Banditen Brüderschaft. Das Schwert in der Hand
- deutet den Helden. Meine Meinung ist, wir geben laut das Signal des
- Aufruhrs, rufen Genuas Patrioten stürmend zur Rache auf. (Er fährt
- vom Sessel. Die Andern folgen. Bourgognino wirft sich ihm um den
- Hals.)
- Bourgognino. Und zwingen mit gewaffneter Hand dem Glück eine Gunst
- ab? Das ist die Stimme der Ehre und die meinige.
- Fiesco. Und die meinige. Pfui, Genueser! (Zu Calcagno und Sacco.)
- Das Glück hat bereits schon zu viel für uns gethan, wir müssen uns
- selbst auch noch Arbeit geben--Also Aufruhr, und den noch diese Nacht,
- Genueser! (Verrina, Bourgognino erstaunen. Die Andern erschrecken.)
- Calcagno. Was? noch diese Nacht? Noch sind die Tyrannen zu mächtig,
- noch unser Anhang zu dünne.
- Sacco. Diese Nacht noch? und es ist nichts gethan, und die Sonne
- geht schon bergunter?
- Fiesco. Eure Bedenklichkeiten sind sehr gegründet, aber lest diese
- Blätter. (Er reicht ihnen die Handschriften Gianettinos und geht,
- indeß sie neugierig lesen, hämisch auf und nieder.) Jetzt fahre wohl,
- Doria, schöner Stern! Stolz und vorlaut standst du da, als hättest
- du den Horizont von Genua verpachtet, und sahest doch, daß auch die
- Sonne den Himmel räumt und das Scepter der Welt mit dem Monde theilt.
- Fahre wohl, Doria, schöner Stern!
- Auch Patroklus ist gestorben, Und war mehr als du.
- Bourgognino (nachdem sie die Blätter gelesen). Das ist gräßlich!
- Calcagno. Zwölf auf einen Schuß!
- Verrina. Morgen in der Signoria!
- Bourgognino. Gebt mir die Zettel. Ich reite spornstreichs durch
- Genua, halte sie so, so werden die Steine hinter mir springen und die
- Hunde Zetermordio heulen.
- Alle. Rache! Rache! Rache! Diese Nacht noch!
- Fiesco. Da seid ihr, wo ich euch wollte. Sobald es Abend wird, will
- ich die vornehmsten Mißvergnügten zu einer Lustbarkeit bitten;
- nämlich alle, die auf Gianettinos Mordliste stehen, und noch überdies
- die Sauli, die Gentili, Vivaldi und Vesodimari, alle Todfeinde des
- Hauses Doria, die der Meuchelmörder zu fürchten vergaß. Sie werden
- meinen Anschlag mit offenen Armen umfassen, daran zweifle ich nicht.
- Bourgognino. Daran zweifl' ich nicht.
- Fiesco. Vor Allem müssen wir uns des Meers versichern. Galeeren und
- Schiffsvolk hab' ich. Die zwanzig Schiffe der Doria sind unbetakelt,
- unbemannt, leicht überrumpelt. Die Mündung der Darsena wird gestopft,
- alle Hoffnung zur Flucht verriegelt. Haben wir den Hafen, so liegt
- Genua an Ketten.
- Verrina. Unleugbar.
- Fiesco. Dann werden die festen Plätze der Stadt erobert und besetzt.
- Der wichtigste ist das Thomasthor, das zum Hafen führt und unsere
- Seemacht mit der Landmacht verknüpft. Beide Doria werden in ihren
- Palästen überfallen, ermordet. In allen Gassen wird Lärm geschlagen;
- die Sturmglocken werden gezogen, die Bürger herausgerufen, unsere
- Partei zu nehmen und Genuas Freiheit zu verfechten. Begünstiget uns
- das Glück, so hört ihr in der Signoria das Weitere.
- Verrina. Der Plan ist gut. Laß sehen, wie wir die Rollen vertheilen.
- Fiesco (bedeutend). Genueser, ihr stelltet mich freiwillig an die
- Spitze des Komplotts. Werdet ihr auch meinen weiteren Befehlen
- gehorchen?
- Verrina. So gewiß sie die besten sind.
- Fiesco. Verrina, weißt du das Wörtchen unter der Fahne?--Genueser,
- sagt's ihm, es heißt Subordination! Wenn ich nicht diese Köpfe
- drehen kann, wie ich eben will--versteht mich ganz--wenn ich nicht
- der Souverän der Verschwörung bin, so hat sie auch ein Mitglied
- verloren.
- Verrina. Ein freies Leben ist ein paar knechtische Stunden
- werth--Wir gehorchen.
- Fiesco. So verlaßt mich jetzt. Einer von euch wird die Stadt
- visitieren und mir von der Stärke und Schwäche der festen Plätze
- Rapport machen. Ein Anderer erforscht die Parole. Ein Dritter
- bemannt die Galeeren. Ein Vierter wird die zweitausend Mann nach
- meinem Schloßhof befördern. Ich selbst werde auf den Abend Alles
- berichtigt haben und noch überdies, wenn das Glück will, die Bank im
- Pharao sprengen. Schlag neun Uhr ist Alles im Schloß, meine letzten
- Befehle zu hören. (Klingelt.)
- Verrina. Ich nehme den Hafen auf mich. (Ab.)
- Bourgognino. Ich die Soldaten. (Auch ab.)
- Calcagno. Die Parole will ich ablauern. (Ab.)
- Sacco. Ich die Runde durch Genua machen. (Ab.)
- Sechster Auftritt
- Fiesco. Darauf der Mohr.
- Fiesco (hat sich an ein Pult gesetzt und schreibt). Schlugen sie
- nicht um gegen das Wörtchen Subordination, wie die Raupe gegen die
- Nadel?--Aber es ist zu spät, Republikaner!
- Mohr (kommt). Gnädiger Herr-Fiesco (steht auf, gibt ihm einen
- Zettel). Alle, deren Namen auf diesem Blatt stehen, ladest du zu
- einer Komödie auf die Nacht.
- Mohr. Mitzuspielen vermuthlich. Die Entrée wird die Gurgel kosten.
- Fiesco (fremd und verächtlich). Wenn das bestellt ist, will ich dich
- nicht länger in Genua aufhalten. (Er geht und läßt eine Goldbörse
- hinter sich fallen.) Das sei deine letzte Arbeit. (Geht ab.)
- Siebenter Auftritt
- Mohr hebt den Beutel langsam von der Erde, indem er ihm stutzig
- nachblickt.
- Stehn wir so miteinander? »Will ich dich nicht mehr in Genua
- aufhalten.« Das heißt aus dem Christlichen in mein Heidenthum
- verdolmetscht: Wenn ich Herzog bin, lass' ich den guten Freund an
- einen genuesischen Galgen hängen. Gut. Er besorgt, weil ich um
- seine Schliche weiß, werd' ich seine Ehre über mein Maul springen
- lassen, wenn er Herzog ist. Sachte, Herr Graf! das Letzte wäre noch
- zu überlegen.
- Jetzt, alter Doria, steht mir deine Haut zu Befehl.--Hin bist du,
- wenn ich dich nicht warne. Wenn ich jetzt hingehe und das Komplott
- angebe, rett' ich dem Herzog von Genua nichts Geringeres, als ein
- Leben und ein Herzogthum; nichts Geringers, als dieser Hut, von Gold
- gestrichen voll, kann sein Dank sein. (Er will fort, bleibt aber
- plötzlich still stehn.) Aber sachte, Freund Hassan! Du bist etwa gar
- auf der Reise nach einem dummen Streich? Wenn die ganze
- Todtschlägerei jetzt zurückging' und daraus gar etwas Gutes
- würde?--Pfui! pfui! was will mir mein Geiz für einen Teufelsstreich
- spielen!--Was stiftet größeres Unheil: wenn ich diesen Fiesco
- prelle?--wenn ich jenen Doria an das Messer liefre?--Das klügelt mir
- aus, meine Teufel!--Bringt der Fiesco es hinaus, kann Genua aufkommen.
- Weg! das kann nicht sein. Schlüpft dieser Doria durch, bleibt
- Alles wie vor, und Genua hat Frieden--das wäre noch garstiger!--Aber
- das Spektakel, wenn die Köpfe der Rebellen in die Garküche des
- Henkers fliegen? (Auf die andere Seite.) Aber das lustige Gemetzel
- dieser Nacht, wenn Ihre Durchlauchten am Pfiff eines Mohren erwürgen?
- Nein! aus diesem Wirrwarr helf' sich ein Christ, dem Heiden ist das
- Räthsel zu spitzig--Ich will einen Gelehrten fragen. (Ab.)
- Achter Auftritt
- Saal bei der Gräfin Imperiali.
- Julia im Negligé. Gianettino tritt herein, zerstört.
- Gianettino. Guten Abend, Schwester.
- Julia (steht auf). Etwas Außerordentliches mag es auch sein, das den
- Kronprinzen von Genua zu seiner Schwester führt?
- Gianettino. Schwester, bist du doch stets von Schmetterlingen
- umschwärmt und ich von Wespen. Wer kann abkommen? Setzen wir uns.
- Julia. Du machst mich bald ungeduldig.
- Gianettino. Schwester, wann war's das letztemal, daß dich Fiesco
- besuchte?
- Julia. Seltsam. Als wenn mein Gehirn dergleichen Nichtigkeiten
- beherbergte.
- Gianettino. Ich muß es durchaus wissen.
- Julia. Nun--er war gestern da.
- Gianettino. Und zeigte sich offen?
- Julia. Wie gewöhnlich.
- Gianettino. Auch noch der alte Phantast?
- Julia (beleidigt). Bruder!
- Gianettino (mir stärkerer Stimme). Höre! Auch noch der alte
- Phantast?
- Julia (steht aufgebracht auf). Wofür halten Sie mich, Bruder?
- Gianettino (bleibt sitzen, hämisch). Für ein Stück Weiberfleisch, in
- einen großen--großen Adelsbrief gewickelt. Unter uns, Schwester,
- weil doch Niemand auflauert.
- Julia (hitzig). Unter uns--Sie sind ein tolldreister Affe, der auf
- dem Credit seines Onkels steckenreitet--weil doch Niemand auflauert.
- Gianettino. Schwesterchen, Schwesterchen! Nicht böse--Ich bin nur
- lustig, weil Fiesco noch der alte Phantast ist. Das hab' ich wissen
- wollen. Empfehl' mich. (Will gehen.)
- Neunter Auftritt
- Lomellin kommt.
- Lomellin (küßt der Julia die Hand). Verzeihung für meine
- Dreistigkeit, gnädige Frau. (Zum Gianettino gekehrt.) Gewisse Dinge,
- die sich nicht aufschieben lassen-Gianettino (nimmt ihn bei Seite.
- Julia tritt zornig zu einem Flügel und spielt ein Allegro). Alles
- angeordnet auf morgen?
- Lomellin. Alles! Prinz. Aber der Kurier, der heute früh nach
- Levanto flog, ist nicht wieder zurück. Auch Spinola ist nicht da.
- Wenn er aufgefangen wäre!--Ich bin in höchster Verlegenheit.
- Gianettino. Besorge nichts. Du hast doch die Liste bei der Hand?
- Lomellin (betreten). Gnädiger Herr--die Liste--ich weiß nicht--ich
- werde sie in meiner gestrigen Rocktasche liegen haben-Gianettino.
- Auch gut. Wär' nur Spinola zurück. Fiesco wird morgen früh todt im
- Bette gefunden. Ich hab' die Anstalt gemacht.
- Lomellin. Aber fürchterlich Aufsehen wird's machen.
- Gianettino. Das eben ist unsre Sicherheit, Bursche.
- Alltagsverbrechen bringen das Blut des Beleidigten in Wallung, und
- Alles kann der Mensch. Außerordentliche Frevel machen es vor
- Schrecken gefrieren, und der Mensch ist nichts. Weißt du das Märchen
- mit dem Medusakopf? Der Anblick macht Steine--Was ist nicht gethan,
- Bursche, bis Steine erwarmen.
- Lomellin. Haben Sie der gnädigen Frau einen Wink gegeben?
- Gianettino. Pfui doch! die muß man des Fiesco wegen delicater
- behandeln. Doch, wenn sie erst die Früchte verschmeckt, wird sie die
- Unkosten verschmerzen. Komm! ich erwarte diesen Abend noch Truppen
- von Mailand und muß an den Thoren die Ordre geben. (Zur Julia.) Nun,
- Schwester, hast du deinen Zorn bald verklimpert?
- Julia. Gehen Sie! Sie sind ein wilder Gast.
- (Gianettino will hinaus und stößt auf Fiesco.)
- Zehnter Auftritt
- Fiesco kommt.
- Gianettino (zurückfahrend). Ha!
- Fiesco (zuvorkommend, verbindlich). Prinz, Sie überheben mich eines
- Besuchs, den ich mir eben vorbehalten hatte-Gianettino. Auch mir,
- Graf, konnte nichts Erwünschters als Ihre Gesellschaft begegnen.
- Fiesco (tritt zu Julien, küßt ihr respectvoll die Hand). Man ist es
- bei Ihnen gewohnt, Signora, immer seine Erwartungen übertroffen zu
- sehen.
- Julia. Pfui doch, das würde bei einer Andern zweideutig lauten--Aber
- ich erschrecke an meinem Negligé. Verzeihen Sie, Graf. (Will in ihr
- Kabinet fliegen.)
- Fiesco. O bleiben Sie, schöne gnädige Frau! Das Frauenzimmer ist
- nie so schön, als im Schlafgewand, (lächelnd) es ist die Tracht
- seines Gewerbes--Diese hinaufgezwungenen Haare--Erlauben Sie, daß ich
- sie ganz durcheinander werfe.
- Julia. Daß ihr Männer so gerne verwirret!
- Fiesco (unschuldig gegen Gianettino). Haare und Republiken! Nicht
- wahr, das gilt uns gleichviel?--Und auch dieses Band ist falsch
- angeheftet--Setzen Sie sich, schöne Gräfin--Augen zu betrügen
- versteht Ihre Laura, aber nicht Herzen--Lassen Sie mich Ihre
- Kammerfrau sein. (Sie setzt sich, er macht ihr den Anzug zurecht.)
- Gianettino (zupft den Lomellin). Der arme, sorglose Wicht!
- Fiesco (an Juliens Busen beschäftigt). Sehen Sie--dieses verstecke
- ich weislich. Die Sinne müssen immer nur blinde Briefträger sein und
- nicht wissen, was Phantasie und Natur mit einander abzukarten haben.
- Julia. Das ist leichtfertig.
- Fiesco. Ganz und gar nicht, denn, sehen Sie, die beste Neuigkeit
- verliert, sobald sie Stadtmärchen wird--Unsre Sinne sind nur die
- Grundsuppe unsrer innern Republik. Der Adel lebt von ihnen, aber
- erhebt sich über ihren platten Geschmack. (Er hat sie fertig gemacht
- und führt sie vor den Spiegel.) Nun, bei meiner Ehre! dieser Anzug
- muß morgen Mode in Genua sein. (Fein.) Darf ich Sie so durch die
- Stadt führen, Gräfin?
- Julia. Über den verschlagenen Kopf! Wie künstlich er's anlegte,
- mich in seinen Willen hineinzulügen! Aber ich habe Kopfweh und werde
- zu Hause bleiben.
- Fiesco. Verzeihen Sie, Gräfin--das können Sie, wie Sie wollen, aber
- Sie wollen es nicht--Diesen Mittag ist eine Gesellschaft
- florentinischer Schauspieler hier angekommen und hat sich erboten, in
- meinem Palaste zu spielen--Nun hab' ich nicht verhindern können, daß
- die meisten Edeldamen der Stadt Zuschauerinnen sein werden, welches
- mich äußerst verlegen macht, weil ich die vornehmste Loge besetzen
- soll, ohne meinen empfindlichen Gästen eine Sottise zu machen. Noch
- ist nur ein Ausweg möglich. (Mit einer tiefen Verbeugung.) Wollen
- Sie so gnädig sein, Signora?
- Julia (wird roth und geht schleunig ins Kabinet). Laura!
- Gianettino (tritt zu Fiesco). Graf, Sie erinnern sich einer
- unangenehmen Geschichte, die neulich zwischen uns Beiden
- vorfiel-Fiesco. Ich wünschte, Prinz, wir vergäßen sie Beide--Wir
- Menschen handeln gegen uns, wie wir uns kennen, und wessen Schuld
- ist's, als die meinige, daß mich mein Freund Doria nicht ganz gekannt
- hat?
- Gianettino. Wenigstens werd' ich nie daran danken, ohne Ihnen von
- Herzen Abbitte zu thun-Fiesco. Und ich nie, ohne Ihnen von Herzen zu
- vergeben--(Julia kommt etwas umgekleidet zurück.)
- Gianettino. Eben fällt es mir bei, Graf, Sie lassen ja gegen die
- Türken kreuzen?
- Fiesco. Diesen Abend werden die Anker gelichtet--Ich bin eben darum
- in einiger Besorgniß, woraus mich die Gefälligkeit meines Freundes
- Doria reißen könnte.
- Gianettino (äußerst höflich). Mit allem Vergnügen!--Befehlen Sie
- über meinen ganzen Einfluß!
- Fiesco. Der Vorgang dürfte gegen Abend einigen Auflauf gegen den
- Hafen und meinen Palast verursachen, welchen der Herzog, Ihr Oheim,
- mißdeuten könnten-Gianettino (treuherzig). Lassen Sie mich dafür
- sorgen. Machen Sie immer fort, und ich wünsche Ihnen viel Glück zur
- Unternehmung.
- Fiesco (schmollt). Ich bin Ihnen sehr verbunden.
- Eilfter Auftritt
- Vorige. Ein Deutscher der Leibwache.
- Gianettino. Was soll's?
- Deutscher. Als ich das Thomasthor vorbeiging, sah ich gewaffnete
- Soldaten in großer Anzahl der Darsena zueilen und die Galeeren des
- Grafen von Lavagna segelfertig machen-Gianettino. Nichts Wichtigers?
- Es wird nicht weiter gemeldet.
- Deutscher. Sehr wohl. Auch aus den Klöstern der Kapuziner wimmelt
- verdächtiges Gesindel und schleicht über den Markt; Gang und Ansehen
- lassen vermuthen, daß es Soldaten sind.
- Gianettino (zornig). Über den Diensteifer eines Dummkopfs! (Zu
- Lomellin zuversichtlich.) Das sind meine Mailänder.
- Deutscher. Befehlen Euer Gnaden, daß sie arretiert werden sollen?
- Gianettino (laut zu Lomellin). Sehen Sie nach, Lomellin. (Wild zum
- Deutschen.) Nur fort, es ist gut! (Zu Lomellin.) Bedeuten Sie dem
- deutschen Ochsen, daß er das Maul halten soll.
- (Lomellin ab mit dem Deutschen.)
- Fiesco (der bisher mit Julien getändelt und verstohlen
- herübergeschielt hatte). Unser Freund ist verdrießlich. Darf ich
- den Grund wissen?
- Gianettino. Kein Wunder. Das ewige Anfragen und Melden! (Schießt
- hinaus.)
- Fiesco. Auch auf uns wartet das Schauspiel. Darf ich Ihnen den Arm
- anbieten, gnädige Frau?
- Julia. Geduld! Ich muß erst die Enveloppe umwerfen. Doch kein
- Trauerspiel, Graf? Das kommt mir im Traum.
- Fiesco (tückisch). O, es ist zum Todtlachen, Gräfin!
- (Er führt sie ab. Vorhang fällt.)
- Vierter Aufzug
- Es ist Nacht. Schloßhof des Fiesco. Die Laternen werden angezündet.
- Waffen hereingetragen. Ein Schloßflügel ist erleuchtet.
- Erster Auftritt
- Bourgognino führt Soldaten auf.
- Bourgognino. Halt!--An das große Hofthor kommen vier Posten. Zwei
- an jede Thüre zum Schloß. (Wachen nehmen ihren Posten.) Wer will,
- wird hereingelassen. Hinaus darf Niemand. Wer Gewalt braucht,
- niedergestochen. (Mit den Übrigen ins Schloß. Schildwachen auf und
- nieder. Pause.)
- Zweiter Auftritt
- Wachen am Hofthor (rufen an). Wer da? (Zenturione kommt.)
- Zenturione. Freund von Lavagna. (Geht quer über den Hof nach dem
- rechten Schloßthor.)
- Wachen (dort). Zurück!
- Zenturione (stutzt und geht nach dem linken Thor).
- Wachen (am linken). Zurück!
- Zenturione (steht betreten still. Pause. Darauf zur linken Wache).
- Freund, wo hinaus geht's zur Komödie?
- Wache. Weiß nicht.
- Zenturione (auf und ab mit steigender Besorgnis, darauf zur rechten
- Wache). Freund, wann geht die Komödie an?
- Wache. Weiß nicht.
- Zenturione (erstaunt auf und nieder. Wird die Waffen gewahr.
- Bestürzt). Freund, was soll das?
- Wache. Weiß nicht.
- Zenturione (hüllt sich erschrocken in seinen Mantel). Sonderbar.
- Wachen am Hofthor (rufen an). Wer da?
- Dritter Auftritt
- Vorige. Zibo.
- Zibo (im Hereintreten). Freund von Lavagna.
- Zenturione. Zibo, wo sind wir?
- Zibo. Was?
- Zenturione. Schau' um dich, Zibo!
- Zibo. Wo? Was?
- Zenturione. Alle Thüren besetzt.
- Zibo. Hier liegen Waffen.
- Zenturione. Niemand gibt Auskunft.
- Zibo. Das ist seltsam.
- Zenturione. Wie viel ist die Glocke?
- Zibo. Acht Uhr vorüber.
- Zenturione. Puh! es ist grimmkalt.
- Zibo. Acht Uhr ist die bestellte Stunde.
- Zenturione (den Kopf schüttelnd). Hier ist's nicht richtig.
- Zibo. Fiesco hat einen Spaß vor.
- Zenturione. Morgen ist Dogewahl--Zibo, hier ist's nicht richtig.
- Zibo. Stille! stille! stille!
- Zenturione. Der rechte Schloßflügel ist voll Lichter.
- Zibo. Hörst du nichts? Hörst du nichts?
- Zenturione. Hohles Gemurmel drinnen und mitunter-Zibo. Dumpfiges
- Rasseln, wie von Harnischen, die sich an einander reiben-Zenturione.
- Schauervoll! Schauervoll!
- Zibo. Ein Wagen! Er hält an der Pforte!
- Wachen am Hofthor (rufen an). Wer da?
- Vierter Auftritt
- Vorige. Vier Asserato.
- Asserato (im Hereintreten). Freund von Fiesco.
- Zibo. Es sind die vier Asserato.
- Zenturione. Guten Abend, Landsmann.
- Asserato. Wir gehen in die Komödie.
- Zibo. Glück auf den Weg!
- Asserato. Geht ihr nicht mit in die Komödie?
- Zenturione. Spaziert nur voran. Wir wollen erst frische Luft
- schöpfen.
- Asserato. Es wird bald angehen. Kommt. (Gehen weiter.)
- Wache. Zurück!
- Asserato. Wo will das hinaus?
- Zenturione (lacht). Zum Schloß hinaus.
- Asserato. Hier ist ein Mißverstand.
- Zibo. Ein handgreiflicher. (Musik auf dem rechten Flügel.)
- Asserato. Hört ihr die Symphonie? Das Lustspiel wird vor sich gehen.
- Zenturione. Mich däucht, es fing schon an, und wir spielen die
- Narren drin.
- Zibo. Übrige Hitze hab' ich nicht. Ich gehe.
- Asserato. Waffen hier.
- Zibo. Pah! Komödienwaaren.
- Zenturione. Sollen wir hier stehen, wie die Narren am Acheron?
- Kommt zum Kaffeehaus! (Alle Sechs eilen gegen die Pforte.)
- Wachen (schreien heftig). Zurück!
- Zenturione. Mord und Tod! Wir sind gefangen!
- Zibo. Mein Schwert sagt: nicht lange!
- Asserato. Steck' ein! steck' ein! Der Graf ist ein Ehrenmann.
- Zibo. Verkauft! Verrathen! Die Komödie war der Speck, hinter der
- Maus schlug die Thüre zu.
- Asserato. Das wolle Gott nicht! Mich schaudert, wie das sich
- entwickeln soll.
- Fünfter Auftritt
- Schildwachen. Wer da? (Verrina, Sacco kommen.)
- Verrina. Freunde vom Hause. (Sieben andere Nobili kommen nach.)
- Zibo. Seine Vertrauten! Nun klärt sich Alles auf.
- Sacco (im Gespräch mit Verrina). Wie ich Ihnen sagte. Lescaro hat
- die Wache am Thomasthor, Dorias bester Officier und ihm blindlings
- ergeben.
- Verrina. Das freut mich.
- Zibo (zu Verrina). Sie kommen erwünscht, Verrina, uns allen aus dem
- Traume zu helfen.
- Verrina. Wie so? Wie so?
- Zenturione. Wir sind zu einer Komödie geladen.
- Verrina. So haben wir einen Weg.
- Zenturione (ungeduldig). Den Weg alles Fleisches. Den weiß ich.
- Sie sehen ja, daß die Thüren besetzt sind? Wofür die Thüren besetzen?
- Zibo. Wofür die Waffen?
- Zenturione. Wir stehen da, wie unter dem Galgen.
- Verrina. Der Graf wird selbst kommen.
- Zenturione. Er kann sich betreiben. Meine Geduld reißt den Zaum ab.
- (Alle Nobili gehen im Hintergrunde auf und nieder.)
- Bourgognino (aus dem Schloß). Wie steht's im Hafen, Verrina?
- Verrina. Alles glücklich an Bord.
- Bourgognino. Das Schloß ist auch gepfropft voll Soldaten.
- Verrina. Es geht stark auf neun Uhr.
- Bourgognino. Der Graf macht sehr lang.
- Verrina. Immer zu rasch für seine Hoffnung. Bourgognino, ich werde
- zu Eis, wenn ich mir etwas denke.
- Bourgognino. Vater, übereile dich nicht.
- Verrina. Es läßt sich nicht übereilen, wo nicht gezögert werden kann.
- Wenn ich den zweiten Mord nicht begehe, kann ich den ersten niemal
- verantworten.
- Bourgognino. Aber wann soll Fiesco sterben?
- Verrina. Wann Genua frei ist, stirbt Fiesco!
- Schildwachen. Wer da?
- Sechster Auftritt
- Vorige. Fiesco.
- Fiesco (im Hereintreten). Ein Freund! (Alle verneigen sich.
- Schildwachen präsentieren.) Willkommen, wertheste Gäste! Sie werden
- geschmählt haben, daß der Hausvater so lange auf sich warten ließ.
- Verzeihen Sie. (Leise zu Verrina.) Fertig?
- Verrina (ihm ins Ohr). Nach Wunsch.
- Fiesco (leise zu Bourgognino). Und?
- Bourgognino. Alles richtig.
- Fiesco (zu Sacco). Und?
- Sacco. Alles gut.
- Fiesco. Und Calcagno?
- Bourgognino. Fehlt noch.
- Fiesco (laut zu den Thorwachen). Man soll schließen! (Er nimmt den
- Hut ab und tritt mit freiem Anstand zur Versammlung.)
- Meine Herren!
- Ich bin so frei gewesen, Sie zu einem Schauspiel bitten zu
- lassen--Nicht aber, Sie zu unterhalten, sondern Ihnen Rollen darin
- aufzutragen.
- Lange genug, meine Freunde, haben wir Gianettino Dorias Trotz und die
- Anmaßungen des Andreas ertragen. Wenn wir Genua retten wollen,
- Freunde, wird keine Zeit zu verlieren sein. Zu was Ende glauben Sie
- diese zwanzig Galeeren, die den vaterländischen Hafen belagern? Zu
- was Ende die Allianzen, so diese Doria schlossen? Zu was Ende die
- fremden Waffen, die sie ins Herz Genuas zogen?--Jetzt ist es nicht
- mehr mit Murren und Verwünschen gethan. Alles zu retten, muß Alles
- gewagt werden. Ein verzweifeltes Übel will eine verwegene Arznei.
- Sollte Einer in dieser Versammlung sein, der Phlegma genug hat, einen
- Herrn zu erkennen, der nur seines Gleichen ist?--(Gemurmel.)--Hier
- ist Keiner, dessen Ahnen nicht um Genuas Wiege standen. Was? bei
- Allem, was heilig ist! was? was haben denn diese zween Bürger voraus,
- daß sie den frechen Flug über unsere Häupter nehmen?--(Wilderes
- Gemurre.)--Jeder von Ihnen ist feierlich aufgeforderet, Genuas Sache
- gegen seine Unterdrücker zu führen--Keiner von Ihnen kann ein
- Haarbreit von seinen Rechten vergeben, ohne zugleich die Seele des
- ganzen Staats zu verrathen-(Ungestüme Bewegungen unter den Zuhörern
- unterbrechen ihn; dann fährt er fort.)
- Sie empfinden--jetzt ist Alles gewonnen. Schon hab' ich vor Ihnen
- her den Weg zum Ruhme gebahnt. Wollen Sie folgen? Ich bin bereit,
- Sie zu führen. Diese Anstalten, die Sie noch kaum mit Entsetzen
- beschauten, müssen Ihnen jetzt frischen Heldenmuth einhauchen. Diese
- Schauder der Bangigkeit müssen in einen rühmlichen Eifer erwarmen,
- mit diesen Patrioten und mir Eine Sache zu machen und die Tyrannen
- von Grund aus zu stürzen. Der Erfolg wird das Wagstück begünstigen,
- denn meine Anstalten sind gut. Das Unternehmen ist gerecht, denn
- Genua leidet. Der Gedanke macht uns unsterblich, denn er ist
- gefährlich und ungeheuer.
- Zenturione (in stürmischer Aufwallung). Genug! Genua wird frei!
- Mit diesem Feldgeschrei gegen die Hölle!
- Zibo. Und wen das nicht aus seinem Schlummer jagt, der keuche ewig
- am Ruder, bis ihn die Posaune des Weltgerichts losschließt.
- Fiesco. Das waren Worte eines Mannes. Nun erst verdienen Sie die
- Gefahr zu wissen, die über Ihnen und Genua hing. (Er gibt ihnen die
- Zettel des Mohren.) Leuchtet, Soldaten! (Nobili drängen sich um eine
- Fackel und lesen.) Es ging, wie ich wünschte, Freund.
- Verrina. Doch rede noch nicht so laut. Ich habe dort auf dem linken
- Flügel Gesichter bleich werden und Kniee schlottern gesehen.
- Zenturione (in Wuth). Zwölf Senatoren! Teuflisch! Faßt alle
- Schwerter auf! (Alle stürzen sich auf die bereit liegenden Waffen,
- zwei ausgenommen.)
- Zibo. Dein Name steht auch da, Bourgognino.
- Bourgognino. Und noch heute, so Gott will, auf Dorias Gurgel.
- Zenturione. Zwei Schwerter liegen noch.
- Zibo. Was? was?
- Zenturione. Zwei nahmen kein Schwert.
- Asserato. Meine Brüder können kein Blut sehen. Verschont sie!
- Zenturione (heftig). Was? was? Kein Tyrannenblut sehen? Zerreißt
- die Memmen! Werft sie zur Republik hinaus, diese Bastarde! (Einige
- von der Gesellschaft werfen sich ergrimmt auf die Beiden.)
- Fiesco (reißt sie auseinander). Haltet! haltet! Soll Genua Sklaven
- seine Freiheit verdanken? Soll unser Gold durch dieses schlechte
- Metall seinen guten Klang verlieren? (Er befreit sie.) Sie, meine
- Herren, nehmen so lang mit einem Zimmer in meinem Schloß vorlieb, bis
- unsre Sachen entschieden sind. (Zur Wache.) Zween Arrestanten! Ihr
- haftet für sie! Zwei scharfe Posten an ihre Schwelle! (Sie werden
- abgeführt.)
- Schildwachen am Hofthor. Wer draußen? (Man pocht.)
- Calcagno (ruft ängstlich). Schließt auf! Ein Freund! Schließt um
- Gotteswillen auf!
- Bourgognino. Es ist Calcagno. Was soll das »um Gotteswillen«?
- Fiesco. Macht ihm auf, Soldaten.
- Siebenter Auftritt
- Vorige. Calcagno außer Athem, erschrocken.
- Calcagno. Aus! aus! Fliehe, wer fliehen kann! Alles aus!
- Bourgognino. Was aus? Haben sie Fleisch von Erz, sind unsre
- Schwerter von Binsen?
- Fiesco. Überlegung, Calcagno! Ein Mißverstand hier wäre nicht mehr
- zu vergeben.
- Calcagno. Verrathen sind wir. Eine höllische Wahrheit. Ihr Mohr
- Lavagna, der Schelm! Ich komme vom Palast der Signoria. Er hatte
- Audienz beim Herzog. (Alle Nobili erblassen. Fiesco selbst
- verändert die Farbe.)
- Verrina (entschlossen gegen die Thorwachen). Soldaten! streckt mir
- die Hellebarden vor! Ich will nicht durch die Hände des Henkers
- sterben. (Alle Nobili rennen bestürzt durcheinander.)
- Fiesco (gefaßter.) Wohin? Was macht ihr?--Geh in die Hölle,
- Calcagno--Es war ein blinder Schrecken, ihr Herrn--Weib! Das vor
- diesen Knaben zu sagen--Auch du, Verrina?--Bourgognino, du
- auch?--Wohin du?
- Bourgognino (heftig). Heim, meine Bertha ermorden und wieder hier
- sein.
- Fiesco (schlägt ein Gelächter auf). Bleibt! Haltet! Ist das der
- Muth der Tyrannenmörder?--Meisterlich spieltest du deine Rolle,
- Calcagno!--Merktet ihr nicht, daß diese Zeitung meine Veranstaltung
- war?--Calcagno, sprechen Sie, war's nicht mein Befehl, daß Sie diese
- Römer auf die Prob' stellen sollten?
- Verrina. Nun, wenn du lachen kannst?--Ich will's glauben, oder dich
- nimmer für einen Menschen halten.
- Fiesco. Schande über euch, Männer! In dieser Knabenprobe zu fallen!
- --Nehmt eure Waffen wieder--Ihr werdet wie Bären fechten, wollt ihr
- diese Scharte verwetzen. (Leise zu Calcagno.) Waren Sie selbst dort?
- Calcagno. Ich drängte mich durch die Trabanten, meinem Auftrag gemäß
- die Parole beim Herzog zu holen--wie ich zurücktrete, bringt man den
- Mohren.
- Fiesco (laut). Also der Alte ist zu Bette? Wir wollen ihn aus den
- Federn trommeln (Leise.) Sprach er lang mit dem Herzog?
- Calcagno. Mein erster Schreck und Eure nahe Gefahr ließen mich kaum
- zwei Minuten dort.
- Fiesco (laut und munter). Sieh doch! wie unsre Landsleute noch
- zittern.
- Calcagno. Sie hätten auch nicht so bald herausplatzen sollen.
- (Leise.) Aber um Gotteswillen, Graf! was wird diese Nothlüge fruchten?
- Fiesco. Zeit, Freund, und dann ist der erste Schreck jetzt vorüber.
- (Laut.) He! an soll Wein bringen! (Leise.) Und sahn Sie den Herzog
- erblassen? (Laut.) Frisch, Brüder, wir wollen noch eins Bescheid
- thun auf den Tanz dieser Nacht! (Leise.) Und sahn Sie den Herzog
- erblassen?
- Calcagno. Des Mohren erstes Wort muß »Verschwörung« gelautet haben;
- der Alte trat schneebleich zurück.
- Fiesco (verwirrt). Hum! Hum! der Teufel ist schlau, Calcagno--er
- verrieth nichts, bis das Messer an ihre Gurgel ging. Jetzt ist er
- freilich ihr Engel. Der Mohr ist schlau. (Man bringt ihm einen
- Becher Wein; er hält ihn gegen die Versammlung und trinkt.) Unser
- gutes Glück, Kameraden! (Man pocht.)
- Schildwachen. Wer draußen?
- Eine Stimme. Ordonnanz des Herzogs. (Die Nobili stürzen
- verzweifelnd im Hof herum.)
- Fiesco (springt unter sie). Nein, Kinder! Erschreckt nicht!
- erschreckt nicht! Ich bin hier. Hurtig! Schafft diese Waffen weg.
- Seid Männer! ich bitte euch. Dieser Besuch läßt mich hoffen, daß
- Andreas noch zweifelt. Geht hinein. Faßt euch. Schließt auf,
- Soldaten. (Alle entfernen sich. Das Thor wird geöffnet.)
- Achter Auftritt
- Fiesco, als käm' er eben aus dem Schloß. Drei Deutsche, die den
- Mohren gebunden bringen.
- Fiesco. Wer rief mich in den Hof?
- Deutscher. Führt uns zum Grafen.
- Fiesco. Der Graf ist hier. Wer begehrt mich?
- Deutscher (macht die Honneurs vor ihm). Einen guten Abend vom Herzog.
- Diesen Mohren liefert er Euer Gnaden gebunden aus. Er habe
- schändlich herausgeplaudert. Das Weitere sagt der Zettel.
- Fiesco (nimmt ihn gleichgültig.) Und hab' ich dir nicht erst heut die
- Galeere verkündigt? (Zum Deutschen.) Es ist gut, Freund. Meinen
- Respect an den Herzog.
- Mohr (ruft ihnen nach). Und auch meinerseits einen, und sag'
- ihm--dem Herzog--wenn er keinen Esel geschickt hätte, so würd' er
- erfahren haben, daß im Schloß zweitausend Soldaten stecken.
- (Deutsche gehen ab. Nobili kommen zurück.)
- Neunter Auftritt
- Fiesco. Verschworene. Mohr trotzig in der Mitte.
- Verschworene (fahren bebend zurück beim Anblick des Mohren). Ha! was
- ist das?
- Fiesco (hat das Billet gelesen, mit verbissenem Zorn). Genueser! die
- Gefahr ist vorbei--aber auch die Verschwörung.
- Verrina (ruft erstaunt aus). Was? Sind die Doria todt?
- Fiesco (in heftiger Bewegung). Bei Gott! auf die ganze Kriegsmacht
- der Republik--auf Das war ich nicht gefaßt. Der alte schwächliche
- Mann schlägt mit vier Zeilen dritthalbtausend Mann. (Läßt kraftlos
- die Hände sinken.) Doria schlägt den Fiesco.
- Bourgognino. So sprechen Sie doch! Wir erstarren.
- Fiesco (liest). »Lavagna, Sie haben, däucht mich, Ein Schicksal mit
- mir--Wohlthaten werden Ihnen mit Undank belohnt. Dieser Mohr warnt
- mich vor einem Komplott--Ich sende ihn hier gebunden zurück und werde
- heute Nacht ohne Leibwache schlafen.« (Er läßt das Papier fallen.
- Alle sehen sich an.)
- Verrina. Nun, Fiesco?
- Fiesco (mit Adel). Ein Doria soll mich an Großmuth besiegt haben?
- Eine Tugend fehlt im Stamm der Fiesker?--Nein! so wahr ich ich selber
- bin!--Geht auseinander, ihr! Ich werde hingehen--und Alles bekennen.
- (Will hinausstürzen.)
- Verrina (hält ihn auf). Bist du wahnsinnig, Mensch? War es denn
- irgend ein Bubenstreich, den wir vorhatten? Halt! oder war's nicht
- Sache des Vaterlands! Halt! oder wolltest du nur dem Andreas zu
- Leibe, nicht dem Tyrannen? Halt! sag' ich--ich verhafte dich als
- einen Verräther des Staats-Verschworne. Bindet ihn! werft ihn zu
- Boden!
- Fiesco (reißt Einem ein Schwert weg und macht sich Bahn). Sachte
- doch! Wer ist der Erste, der das Halfter über den Tiger wirft?--Seht,
- ihr Herrn--Frei bin ich--könnte durch, wo ich Luft hätte--Jetzt will
- ich bleiben, denn ich habe mich anders besonnen.
- Bourgognino. Auf Ihre Pflicht besonnen?
- Fiesco (aufgebracht, mit Stolz). Ha, Knabe! Lernen Sie erst die Ihrige
- gegen mich auswendig, und mir nimmer das!--Ruhig, ihr Herrn--es bleibt
- Alles wie vor.--(Zum Mohren, dessen Stricke er zerhaut.) Du hast das
- Verdienst, eine große That zu veranlassen--Entfliehe!
- Calcagno (zornig). Was? was? Leben soll der Heide? leben und uns
- alle verrathen haben?
- Fiesco. Leben und euch allen--bang gemacht haben. Fort, Bursche!
- Sorge, daß du Genua auf den Rücken kriegst, man könnte seinen Muth an
- dir retten wollen.
- Mohr. Das heißt, der Teufel läßt keinen Schelmen sitzen!--Gehorsamer
- Diener, ihr Herrn!--Ich merke schon, in Italien wächst mein Strick
- nicht. Ich muß ihn anderswo suchen. (Ab mit Gelächter.)
- Zehnter Auftritt
- Bedienter kommt. Vorige ohne den Mohren.
- Bedienter. Die Gräfin Imperiali fragen schon dreimal nach Euer
- Gnaden.
- Fiesco. Potz tausend! Die Komödie wird freilich wohl angehen müssen!
- Sag' ihr, ich bin unverzüglich dort--Bleib--Meine Frau bittest du,
- in den Concertsaal zu treten und mich hinter den Tapeten zu erwarten.
- (Bedienter ab.) Ich habe hier euer Aller Rollen zu Papier gebracht;
- wenn Jeder die seinige erfüllt, so ist nichts mehr zu sagen--Verrina
- wird voraus in den Hafen gehen und mit einer Kanone das Signal zum
- Ausbruch geben, wenn die Schiffe erobert sind.--Ich gehe; mich ruft
- noch eine große Verrichtung. Ihr werdet ein Glöckchen hören und alle
- miteinander in meinen Concertsaal kommen--Indeß geht hinein--und laßt
- euch meinen Cyprier schmecken. (Sie gehen auseinander.)
- Eilfter Auftritt
- Concertsaal--Leonore. Arabella. Rosa. Alle beängstigt.
- Leonore. In den Concertsaal versprach Fiesco zu kommen, und kommt
- nicht. Eilf Uhr ist vorüber. Von Waffen und Menschen dröhnt
- fürchterlich der Palast, und kommt kein Fiesco?
- Rosa. Sie sollen sich hinter die Tapeten verstecken--Was der gnädige
- Herr damit wollen mag?
- Leonore. Er will's, Rosa, ich weiß also genug, um gehorsam zu sein.
- Bella, genug, um ganz außer Furcht zu sein--Und doch! doch zittr' ich
- so sehr, Bella, und mein Herz klopft so schrecklich bang. Mädchen,
- um Gotteswillen! gehe keines von meiner Seite.
- Bella. Fürchten Sie nichts. Unsre Angst bewacht unsern Fürwitz.
- Leonore. Worauf mein Auge stößt, begegnen mir fremde Gesichter, wie
- Gespenster hohl und verzerrt. Wen ich anrufe, zittert wie ein
- Ergriffener und flüchtet sich in die dichteste Nacht, diese gräßliche
- Herberge des bösen Gewissens. Was man antwortet, ist ein halber
- heimlicher Laut, der auf bebender Zunge noch ängstlicher zweifelt, ob
- er auch kecklich entwischen darf.--Fiesco?--Ich weiß nicht, was hier
- Grauenvolles geschmiedet wird--Nur meinen Fiesco (mit Grazie ihre
- Hände faltend) umflattert, ihr himmlischen Mächte!
- Rosa (zusammengeschreckt). Jesus! Was rauscht in der Galerie?
- Bella. Es ist der Soldat, der dort Wache steht. (Die Schildwache
- ruft außen: »Wer da?« Man antwortet.)
- Leonore. Leute kommen! Hinter die Tapete! Geschwind! (Sie
- verstecken sich.)
- Zwölfter Auftritt
- Julia. Fiesco im Gespräch.
- Julia (sehr zerstört). Hören Sie auf, Graf! Ihre Galanterieen
- fallen nicht mehr in achtlose Ohren, aber in ein siedendes Blut--Wo
- bin ich? Hier ist Niemand als die verführerische Nacht. Wohin haben
- Sie mein verwahrlostes Herz geplaudert?
- Fiesco. Wo die verzagte Leidenschaft kühner wird, und Wallungen
- freier mit Wallungen reden.
- Julia. Halt ein, Fiesco. Bei Allem, was heilig ist, nicht weiter!
- Wäre die Nacht nicht so dichte, du würdest meine flammrothen Wangen
- sehen und dich erbarmen.
- Fiesco. Weit gefehlt, Julia! Eben dann würde meine Empfindung die
- Feuerfahne der deinigen gewahr und lief' desto muthiger über. (Er
- küßt ihr heftig die Hand.)
- Julia. Mensch, dein Gesicht brennt fiebrisch, wie dein Gespräch.
- Weh, auch aus dem meinigen, ich fühl's, schlägt wildes, frevelndes
- Feuer. Laß uns das Licht suchen, ich bitte. Die aufgewiegelten
- Sinne könnten den gefährlichen Wink dieser Finsterniß merken. Geh!
- diese gährenden Rebellen könnten hinter dem Rücken des verschämten
- Tages ihre gottlosen Künste treiben. Geh unter Menschen, ich
- beschwöre dich.
- Fiesco (zudringlicher). Wie ohne Noth besorgt, meine Liebe! Wird je
- die Gebieterin ihren Sklaven fürchten?
- Julia. Über euch Männer und den ewigen Widerspruch! Als wenn ihr
- nicht die gefährlichsten Sieger wäret, wenn ihr euch unsrer
- Eigenliebe gefangen gebt. Soll ich dir Alles gestehen, Fiesco? daß
- nur mein Laster meine Tugend bewahrte? nur mein Stolz deine Künste
- verlachte? nur bis hieher meine Grundsätze Stand hielten? Du
- verzweifelst an deiner List und nimmst deine Zuflucht zu Julias Blut.
- Hier verlassen sie mich.
- Fiesco (leichtfertig dreist). Und was verlorst du bei diesem
- Verluste?
- Julia (aufgeregt und mit Hitze). Wenn ich den Schlüssel zu meinem
- weiblichen Heiligthum an dich vertändle, womit du mich schamroth
- machst, wenn du willst? Was hab' ich weniger zu verlieren, als
- Alles? Willst du mehr wissen, Spötter? Das Bekenntniß willst du
- noch haben, daß die ganze geheime Weisheit unsers Geschlechts nur
- eine armselige Vorkehrung ist, unsere tödtliche Seite zu entsetzen,
- die doch zuletzt allein von euren Schwüren belagert wird, die (ich
- gesteh' es erröthend ein) so gern erobert sein möchte, so oft beim
- ersten Seitenblick der Tugend den Feind verrätherisch empfängt?--daß
- alle unsere weiblichen Künste einzig für dieses wehrlose Stichblatt
- fechten, wie auf dem Schach alle Officiere den wehrlosen König
- bedecken? Überrumpelst du diesen--Matt! und wird getrost das ganze
- Brett durcheinander. (Nach einer Pause mit Ernst.) Du hast das
- Gemäld' unsrer prahlerischen Armuth--Sei großmüthig!
- Fiesco. Und doch, Julia--Wo besser als in meiner unendlichen
- Leidenschaft kannst du diesen Schatz niederlegen?
- Julia. Gewiß nirgends besser, und nirgends schlimmer--Höre, Fiesco,
- wie lang wird diese Unendlichkeit währen?--Ach! schon zu unglücklich
- hab' ich gespielt, daß ich nicht auch mein Letztes noch setzen
- sollte--Dich zu fangen, Fiesco, muthete ich dreist meinen Reizen zu;
- und ich mißtraue ihnen die Allmacht, dich festzuhalten--Pfui doch,
- was red' ich da? (Sie tritt zurück und hält die Hände vors Gesicht.)
- Fiesco. Zwei Sünden in einem Athem. Das Mißtrauen in meinen Geschmack,
- oder das Majestätsverbrechen gegen deine Liebenswürdigkeit--was von
- beiden ist schwerer zu vergeben?
- Julia (matt, unterliegend, mit beweglichem Ton). Lügen sind nur die
- Waffen der Hölle--die bracht Fiesco nicht mehr, seine Julia zu fällen.
- (Sie fällt erschöpft in einen Sopha, nach einer Pause feierlich.)
- Höre, laß dir noch ein Wörtchen sagen, Fiesco--Wir sind Heldinnen,
- wenn wir unsere Tugend noch sicher wissen:--wenn wir sie vertheidigen,
- Kinder; (ihm starr und wild unter die Augen) Furien, wenn wir sie
- rächen--Höre. Wenn du mich kalt würgtest, Fiesco?
- Fiesco (nimmt einen aufgebrachten Ton an). Kalt? kalt?--Nun, bei
- Gott! was fordert denn die unersättliche Eitelkeit des Weibs, wenn es
- einen Mann vor sich kriechen sieht und noch zweifelt? Ha, er erwacht
- wieder, ich fühle, (den Ton in Kälte verändert) noch zu rechter Zeit
- gehen mir die Augen auf--Was war's, das ich eben erbetteln
- wollte?--Die kleinste Erniedrigung eines Mannes ist gegen die höchste
- Gunst eines Weibs weggeworfen! (Zu ihr mit tiefer, frostiger
- Verbeugung.) Fassen Sie Muth, Madame! Jetzt sind Sie sicher.
- Julia (bestürzt). Graf? Welche Anwandlung!
- Fiesco (äußerst gleichgültig). Nein, Madame! Sie haben vollkommen
- recht, wir Beide haben die Ehre nur einmal auf dem Spiel. (Mit einem
- höflichen Handkuß.) Ich habe das Vergnügen, Ihnen bei der
- Gesellschaft meinen Respect zu bezeugen. (Er will schnell fort.)
- Julia (ihm nach, reißt ihn zurück). Bleib! Bist du rasend? Bleib! Muß
- ich es denn sagen--heraussagen, was das ganze Männervolk auf den
- Knieen--in Thränen--auf der Folterbank meinem Stolz nicht abdringen
- sollte?--Weh! auch dies dichte Dunkel ist zu licht, diese Feuersbrunst
- zu bergen, die das Geständniß auf meinen Wangen macht--Fiesco--O, ich
- bohre durchs Herz meines ganzen Geschlechts--mein ganzes Geschlecht
- wird mich ewig hassen--Ich bete dich an, Fiesco! (Fällt vor ihm
- nieder.)
- Fiesco (weicht drei Schritte zurück, läßt sie liegen und lacht
- triumphierend auf). Das bedaur' ich, Signora. (Er zieht die Glocke,
- hebt die Tapete auf und führt Leonoren hervor.) Hier ist meine
- Gemahlin--ein göttliches Weib! (Er fällt Leonoren in den Arm.)
- Julia (springt schreiend vom Boden). Ah! unerhört betrogen!
- Dreizehnter Auftritt
- Die Verschwornen, welche zumal hereintreten. Damen von der andern
- Seite. Fiesco. Leonore und Julia.
- Leonore. Mein Gemahl, das war allzu streng.
- Fiesco. Ein schlechtes Herz verdiente nicht weniger. Deinen Thränen
- war ich diese Genugthuung schuldig. (Zur Versammlung.) Nein, meine
- Herrn und Damen, ich bin nicht gewohnt, bei jedem Anlaß in kindische
- Flammen aufzuprasseln, Die Thorheiten der Menschen belustigen mich
- lange, eh sie mich reizen. Diese verdient meinen ganzen Zorn, denn
- sie hat diesem Engel dieses Pulver gemischt. (Er zeigt das Gift der
- Versammlung, die mit Abscheu zurücktritt.)
- Julia (ihre Wuth in sich beißend). Gut! Gut! Sehr gut, mein Herr!
- (Will fort.)
- Fiesco (führt sie am Arm zurück). Sie werden Geduld haben,
- Madame--Noch sind wir nicht fertig--Diese Gesellschaft möchte gar zu
- gern wissen, warum ich meinen Verstand so verleugnen konnte, den
- tollen Roman mit Genuas größter Närrin zu spielen-Julia
- (aufspringend). Es ist nicht auszuhalten! Doch zittre du! (Drohend.
- ) Doria donnert in Genua, und ich--bin seine Schwester.
- Fiesco. Schlimm genug, wenn das Ihre letzte Galle ist--Leider muß
- ich Ihnen die Botschaft bringen, daß Fiesco von Lavagna aus dem
- gestohlenen Diadem Ihres durchlauchtigsten Bruders einen Strick
- gedreht hat, womit er den Dieb der Republik diese Nacht aufzuhängen
- gesonnen ist. (Da sie sich entfärbt, lacht er hämisch auf.) Pfui,
- das kam unerwartet--und sehen Sie! (indem er beißender fortfährt)
- darum fand ich es für nöthig, den ungebetenen Blicken Ihres Hauses
- etwas zu schaffen zu geben; darum behängt' ich mich (auf sie deutend)
- mit dieser Harlekinsleidenschaft, darum (auf Leonoren zeigend) ließ
- ich diesen Edelstein fallen, und mein Wild rannte glücklich in den
- blanken Betrug--Ich dank' für Ihre Gefälligkeit, Signora, und gebe
- meinen Theaterschmuck ab. (Er überliefert ihren Schattenriß mit
- einer Verbeugung.)
- Leonore (schmiegt sich bittend an den Fiesco). Mein Ludovico, sie
- weint. Darf Ihre Leonore Sie zitternd bitten?
- Julia (trotzig zu Leonoren). Schweig! du Verhaßte-Fiesco (zu einem
- Bedienten). Sei Er galant, Freund--biete Er dieser Dame den Arm an;
- sie hat Lust, mein Staatsgefängniß zu sehen. Er steht mir davor, daß
- Madonna von Niemand incommodiert wird--draußen geht eine scharfe
- Luft--der Sturm, der heute Nacht den Stamm Doria spaltet, möchte ihr
- leicht--den Haarputz verderben.
- Julia (schluchzend). Die Pest über dich, schwarzer heimtückischer
- Heuchler! (Zu Leonoren grimmig.) Freue dich deines Triumphs nicht,
- auch dich wird er verderben, und sich selbst und--verzweifeln!
- (Stürzt hinaus.)
- Fiesco (winkt den Gästen). Sie waren Zeugen--Retten Sie meine Ehre
- in Genua! (Zu den Verschwornen.) Ihr werdet mich abholen, wenn die
- Kanone kommt. (Alle entfernen sich.)
- Vierzehnter Auftritt
- Leonore. Fiesco.
- Leonore (tritt ihm ängstlich näher). Fiesco?--Fiesco?--Ich verstehe
- Sie nur halb, aber ich fange an zu zittern.
- Fiesco (wichtig). Leonore--ich sahe Sie einst einer Genueserin zur
- Linken gehen--Ich sahe Sie in den Assembleen des Adels mit dem
- zweiten Handkuß der Ritter vorlieb nehmen. Leonore--das that meinen
- Augen weh. Ich beschloß, es soll nicht mehr sein--es wird aufhören.
- Hören Sie das kriegerische Getöse in meinen Schloß? Was Sie fürchten,
- ist wahr--Gehn Sie zu Bette, Gräfin--morgen will ich--die Herzogin
- wecken.
- Leonore (schlägt beide Arme zusammen und wirft sich in einen Sessel).
- Gott! meine Ahnung! Ich bin verloren!
- Fiesco (gesetzt, mit Würde). Lassen Sie mich ausreden, Liebe! Zwei
- meiner Ahnherrn trugen die dreifache Krone; das Blut der Fiesker
- fließt nur unter dem Purpur gesund. Soll Ihr Gemahl nur geerbten
- Glanz von sich werfen? (Lebhafter.) Was? Soll er sich für all seine
- Hoheit beim gaukelnden Zufall bedanken, der in einer erträglichen
- Laune aus modernden Verdiensten einen Johann Ludwig Fiesco
- zusammenflickte? Nein, Leonore! Ich bin zu stolz, mir etwas
- schenken zu lassen, was ich noch selbst zu erwerben weiß. Heute
- Nacht werf' ich meinen Ahnen den geborgten Schmuck in ihr Grab
- zurück--Die Grafen von Lavagna starben aus--Fürsten beginnen.
- Leonore (schüttelt den Kopf, still phantasierend). Ich sehe meinen
- Gemahl an tiefen tödtlichen Wunden zu Boden fallen--(Hohler.) Ich
- sehe die stummen Träger den zerrissenen Leichnam meines Gemahls mir
- entgegen tragen. (Erschrocken aufspringend.) Die erste--einzige
- Kugel fliegt durch die Seele Fiescos.
- Fiesco (faßt sie liebevoll bei der Hand). Ruhig, mein Kind. Das
- wird die einzige Kugel nicht.
- Leonore (blickt ihn ernsthaft an). So zuversichtlich ruft Fiesco den
- Himmel heraus? Und wäre der tausendmaltausendste Fall nur der
- mögliche, so könnte der tausendmaltausendste wahr werden, und mein
- Gemahl wäre verloren--Denke, du spieltest um den Himmel, Fiesco.
- Wenn eine Billion Gewinnste für einen einzigen Fehler fiel', würdest
- du dreist genug sein, die Würfel zu schütteln und die freche Wette
- mit Gott einzugehen? Nein, mein Gemahl! wenn auf dem Brett Alles
- liegt, ist jeder Wurf Gotteslästerung.
- Fiesco (lächelt). Sei unbesorgt, das Glück und ich stehen besser.
- Leonore. Sagst du das--und standest bei jenem geisterverzerrenden
- Spiele--ihr nennt es Zeitvertreib--sahest zu der Betrügerin, wie sie
- ihren Günstling mit kleinen Glückskarten lockte, bis er warm ward,
- aufstand, die Bank forderte--und ihn jetzt im Wurf der Verzweiflung
- verließ--O mein Gemahl! du gehst nicht hin, dich den Genuesern zu
- zeigen und angebetet zu werden. Republikaner aus ihrem Schlaf
- aufzujagen, das Roß an seine Hufe zu mahnen, ist kein Spaziergang,
- Fiesco. Traue diesen Rebellen nicht. Die Klugen, die dich
- aufhetzten, fürchten dich. Die Dummen, die dich vergötterten, nützen
- dir wenig, und wo ich hinsehe ist Fiesco verloren.
- Fiesco (mit starken Schritten im Zimmer). Kleinmuth ist die höchste
- Gefahr. Größe will auch ein Opfer haben.
- Leonore. Größe, Fiesco?--Daß dein Genie meinem Herzen so übel will!
- --Sieh! Ich vertraue deinem Glück, du siegst, will ich sagen--Weh
- dann mir Ärmsten meines Geschlechts! Unglückselig, wenn es mißlingt!
- wenn es glückt, unglückseliger! Hier ist keine Wahl, mein Geliebter!
- Wenn er den Herzog verfehlt, ist Fiesco verloren. Mein Gemahl ist
- hin, wenn ich den Herzog umarme.
- Fiesco. Das verstehe ich nicht.
- Leonore. Doch, mein Fiesco! In dieser stürmischen Zone des Throns
- verdorret das zarte Pflänzchen der Liebe. Das Herz eines Menschen,
- und wär' auch selbst Fiesco der Mensch, ist zu enge für zwei
- allmächtige Götter--Götter, die sich so gram sind. Liebe hat Thränen,
- und kann Thränen verstehen; Herrschsucht hat eherne Augen, worin
- ewig nie die Empfindung perlt--Liebe hat nur ein Gut, thut Verzicht
- auf die ganze übrige Schöpfung: Herrschsucht hungert beim Raube der
- ganzen Natur--Herrschsucht zertrümmert die Welt in ein rasselndes
- Kettenhaus, Liebe träumt sich in jede Wüste Elysium.--Wolltest du
- jetzt an meinem Busen dich wiegen, pochte ein störriger Vasalle an
- dein Reich--Wollt' ich jetzt in deine Arme mich werfen, hörte deine
- Despotenangst einen Mörder aus den Tapeten hervorrauschen und jagte
- dich flüchtig von Zimmer zu Zimmer. Ja, der großäugige Verdacht
- steckte zuletzt auch die häusliche Eintracht an--Wenn deine Leonore
- dir jetzt einen Labetrank brächte, würdest du den Kelch mit
- Verzuckungen wegstoßen und die Zärtlichkeit eine Giftmischerin
- schelten.
- Fiesco (bleibt mit Entsetzen stehen). Leonore, hör auf! Das ist
- eine häßliche Vorstellung-Leonore. Und doch ist das Gemälde nicht
- fertig. Ich würde sagen, opfre die Liebe der Größe, opfre die
- Ruhe--wenn nur Fiesco noch bleibt--Gott! das ist Radstoß!--Selten
- stiegen Engel auf den Thron, seltner herunter. Wer keinen Menschen
- zu fürchten braucht, wird er sich eines Menschen erbarmen? Wer an
- jeden Wunsche einen Donnerkeil heften kann, wird er für nöthig finden,
- ihm ein sanftes Wörtchen zum Geleite zu geben? (Sie hält inne, dann
- tritt sie bescheiden zu ihm und faßt seine Hand; mit feinster
- Bitterkeit.) Fürsten, Fiesco? diese mißrathenen Projecte der
- wollenden und nicht könnenden Natur--sitzen so gern zwischen
- Menschheit und Gottheit nieder;--heillose Geschöpfe! schlechtere
- Schöpfer!
- Fiesco (stürzt sich beunruhigt durchs Zimmer). Leonore, hör' auf!
- Die Brücke ist hinter mir abgehoben-Leonore (blickt ihn schmachtend
- an). Und warum, mein Gemahl? Nur Thaten sind nicht mehr zu tilgen.
- (Schmelzend zärtlich und etwas schelmisch.) Ich hörte dich wohl einst
- schwören, meine Schönheit habe alle deine Entwürfe gestürzt--du hast
- falsch geschworen, du Heuchler, oder sie hat frühzeitig
- abgeblüht--Frage dein Herz, wer ist schuldig? (Feuriger, indem sie
- ihn mit beiden Armen umfaßt.) Komm zurücke! Ermanne dich! Entsage!
- Die Liebe soll dich entschädigen. Kann mein Herz deinen ungeheuren
- Hunger nicht stillen--o Fiesco! das Diadem wird noch ärmer sein.
- --(Schmeichelnd.) Komm! ich will alle deine Wünsche auswendig lernen,
- will alle Zauber der Natur in einen Kuß der Liebe zusammenschmelzen,
- den erhabenen Flüchtling ewig in diesen himmlischen Banden zu
- halten--dein Herz ist unendlich--auch die Liebe ist es, Fiesco.
- (Schmelzend.) Ein armes Geschöpf glücklich zu machen--ein Geschöpf,
- das seinen Himmel an deinem Busen lebt--sollte das eine Lücke in
- deinem Herzen lassen?
- Fiesco (durch und durch erschüttert). Leonore, was hast du gemacht?
- (Er fällt ihr kraftlos um den Hals.) Ich werde keinem Genueser mehr
- unter die Augen treten-Leonore (freudig rasch). Laß uns fliehen,
- Fiesco, laß in den Staub uns werfen all diese prahlenden Nichts, laß
- in romantischen Fluren ganz der Liebe uns leben! (Sie drückt ihn an
- ihr Herz mit schöner Entzückung.) Unsre Seelen, klar, wie über uns
- das heitre Blau des Himmels, nehmen dann den schwarzen Hauch des
- Grams nicht mehr an--Unser Leben rinnt dann melodisch wie die
- flötende Quelle zum Schöpfer--(Man hört den Kanonenschuß. Fiesco
- springt los. Alle Verschwornen treten in den Saal.)
- Fünfzehnter Auftritt
- Verschworne. Die Zeit ist da!
- Fiesco (zu Leonoren, fest). Lebe wohl! Ewig--oder Genua liegt
- morgen zu deinen Füßen. (Will fortstürzen.)
- Bourgognino (schreit). Die Gräfin sinkt um. (Leonore in Ohnmacht.
- Alle springen hin, sie zu halten. Fiesco vor ihr niedergeworfen.)
- Fiesco (mit schneidendem Ton). Leonore! Rettet! um Gotteswillen!
- Rettet! (Rosa, Bella kommen, sie zurecht zu bringen.) Sie schlägt
- die Augen auf--(Er springt entschlossen in die Höh'.) Jetzt
- kommt--sie dem Doria zuzudrücken. (Verschworne stürzen zum Saal
- hinaus. Vorhang fällt.)
- Fünfter Aufzug
- Nach Mitternacht.--Große Straße in Genua--Hie und da leuchten Lampen
- an einigen Häusern, die nach und nach auslöschen--Im Hintergrund der
- Bühne sieht man das Thomasthor, das noch geschlossen ist. In
- perspectivischer Ferne die See.--Einige Menschen gehen mit
- Handlaternen über den Platz, darauf die Runde und Patrouille--Alles
- ist ruhig. Nur das Meer wallt etwas ungestüm.
- Erster Auftritt
- Fiesco kommt gewaffnet und bleibt vor dem Palast des Andreas Doria
- stehen. Darauf Andreas.
- Fiesco. Der Alte hat Wort gehalten--im Palast alle Lichter aus. Die
- Wachen sind fort. Ich will läuten. (Läutet.) He! holla! Wach' auf,
- Doria! Verrathner, verkaufter Doria, wach' auf! Holla! Holla!
- Holla! Wach' auf!
- Andreas (erscheint auf dem Altane). Wer zog die Glocke?
- Fiesco (mit veränderter Stimme). Frage nicht! Folge! Dein Stern
- geht unter, Herzog, Genua steht auf wider dich! Nahe sind deine
- Henker, und du kannst schlafen, Andreas?
- Andreas (mit Ehre). Ich besinne mich, wie die zürnende See mit
- meiner Bellona zankte, daß der Kiel krachte und der oberste Mast
- brach--Andreas Doria schlief sanft. Wer schickt die Henker?
- Fiesco. Ein Mann, furchtbarer als deine zürnende See, Johann Ludwig
- Fiesco.
- Andreas (lacht). Du bist bei Laune, Freund. Bring deine Schwänke
- bei Tag. Mitternacht ist eine ungewöhnliche Stunde.
- Fiesco. Du höhnst deinen Warner?
- Andreas. Ich dank' ihm und geh zu Bette. Fiesco hat sich schläfrig
- geschwelgt und hat keine Zeit für Doria übrig.
- Fiesco. Unglücklicher alter Mann--traue der Schlange nicht! Sieben
- Farben ringen auf ihrem spiegelnden Rücken--du nahst--und gählings
- schnürt dich der tödliche Wirbel. Den Wink eines Verräthers
- verlachtest du. Verlache den Rath eines Freundes nicht. Ein Pferd
- steht gesattelt in deinem Hof. Fliehe bei Zeit! Verlache den Freund
- nicht!
- Andreas. Fiesco denkt edel. Ich hab' ihn niemal beleidigt, und
- Fiesco verräth mich nicht.
- Fiesco. Denkt edel, verräth dich, und gab dir Proben von Beidem.
- Andreas. So steht eine Leibwache da, die kein Fiesco zu Boden wirft,
- wenn nicht Cherubim unter ihm dienen.
- Fiesco (hämisch). Ich möchte sie sprechen, einen Brief in die
- Ewigkeit zu bestellen.
- Andreas (groß). Armer Spötter, hast du nie gehört, daß Andreas Doria
- Achtzig alt ist, und Genua--glücklich? (Er verläßt die Altane.)
- Fiesco (blickt ihm erstaunt nach). Mußt' ich diesen Mann erst
- stürzen, eh' ich lerne, daß es schwerer ist, ihm zu gleichen? (Er
- geht einige Schritte tiefsinnig auf und nieder.) Nun, ich machte
- Größe mit Größe wett--Wir sind fertig, Andreas, und nun, Verderben,
- gehe deinen Gang.
- (Er eilt in die hinterste Gasse--Trommeln tönen von allen Enden.
- Scharfes Gefecht am Thomasthor. Das Thor wird gesprengt und öffnet
- die Aussicht in den Hafen, worin Schiffe liegen, mit Fackeln
- erleuchtet.)
- Zweiter Auftritt
- Gianettino Doria in einen Scharlachmantel geworfen. Lomellin.
- Bediente voraus mit Fackeln. Alle hastig.
- Gianettino (steht still). Wer befahl, Lärmen zu schlagen?
- Lomellin. Auf den Galeeren krachte eine Kanone.
- Gianettino. Die Sklaven werden ihre Ketten reißen. (Schüsse am
- Thomasthor.)
- Lomellin. Feuer dort!
- Gianettino. Thor offen! Wachen in Aufruhr! (Zu den Bedienten.)
- Hurtig, Schurken! Leuchtet dem Hafen zu! (Eilen gegen das Thor.)
- Dritter Auftritt
- Vorige. Bourgognino mit Verschwornen, die vom Thomasthor kommen.
- Bourgognino. Sebastian Lescaro ist ein wackrer Soldat.
- Zenturione. Wehrte sich wie ein Bär, bis er niederfiel.
- Gianettino (tritt bestürzt zurück). Was hör' ich da?--Haltet!
- Bourgognino. Wer dort mit dem Flambeau?
- Lomellin. Es sind Feinde, Prinz! Schleichen Sie links weg.
- Bourgognino (ruft hitzig an). Wer da mit dem Flambeau?
- Zenturione. Steht! Eure Losung!
- Gianettino (zieht das Schwert, trotzig). Unterwerfung und Doria.
- Bourgognino (schäumend, fürchterlich). Räuber der Republik und
- meiner Braut! (Zu den Verschwornen, indem er auf Gianettino stürzt.)
- Ein Gang Profit, Brüder! Seine Teufel liefern ihn selbst aus. (Er
- stößt ihn nieder.)
- Gianettino (fällt mit Gebrüll). Mord! Mord! Mord! Räche mich,
- Lomellin!
- Lomellin. Bediente (fliehend). Hilfe! Mörder! Mörder!
- Zenturione (ruft mit starker Stimme). Er ist getroffen. Haltet den
- Grafen auf! (Lomellin wird gefangen.)
- Lomellin (knieend). Schont meines Lebens, ich trete zu euch über!
- Bourgognino. Lebt dieses Unthier noch? Die Memme mag fliehen.
- (Lomellin entwischt.)
- Zenturione. Thomasthor unser! Gianettino kalt! Rennt, was ihr
- rennen könnt! Sagt's dem Fiesco an!
- Gianettino (bäumt sich krampfig in die Höh). Pest! Fiesco--(Stirbt.)
- Bourgognino (reißt den Stahl aus dem Leichnam). Genua frei und meine
- Bertha--Dein Schwert, Zenturione. Dies blutige bringst du meiner
- Braut. Ihr Kerker ist gesprengt. Ich werde nachkommen und ihr den
- Brautkuß gegen. (Eilen ab zu verschiedenen Straßen.)
- Vierter Auftritt
- Andreas Doria. Deutsche.
- Deutscher. Der Sturm zog sich dorthin. Werft Euch zu Pferd, Herzog.
- Andreas. Laß mich noch einmal Genuas Thürme schauen und den Himmel!
- Nein, es ist kein Traum, und Andreas ist verrathen.
- Deutscher. Feinde um und um! Fort! Flucht über die Grenze!
- Andreas (wirft sich auf den Leichnam seines Neffen). Hier will ich
- enden. Rede Keiner von Fliehen. Hier liegt die Kraft meines Alters.
- Meine Bahn ist aus. (Calcagno fern mit Verschwornen.)
- Deutscher. Mörder dort! Mörder! Flieht, alter Fürst!
- Andreas (da die Trommeln wieder anfangen). Höret, Ausländer! Höret!
- das sind die Genueser, deren Joch ich brach. (Verhüllt sich.)
- Vergilt man auch so in Eurem Lande?
- Deutscher. Fort! Fort! Fort! indeß unsre deutschen Knochen
- Scharten in ihre Klingen schlagen. (Calcagno näher.)
- Andreas. Rettet euch! Laßt mich! Schreckt Nationen mit der
- Schauerpost: die Genueser erschlugen ihren Vater-Deutscher. Mord!
- Zum Erschlagen hat's noch Weile--Kameraden, steht! Nehmt den Herzog
- in die Mitte! (Ziehen.) Peitscht diesen welschen Hunden Respect vor
- einem Graukopf ein-Calcagno (ruft an). Wer da? Was gibt's da?
- Deutsche (hauen ein). Deutsche Hiebe! (Gehen fechtend ab.
- Gianettinos Leichnam wird hinweggebracht.)
- Fünfter Auftritt
- Leonore in Mannskleidern. Arabella hinter ihr her. Beide schleichen
- ängstlich hervor.
- Arabella. Kommen Sie, gnädige Frau, o kommen Sie doch-Leonore. Da
- hinaus wüthet der Aufruhr--Horch! war das nicht eines Sterbenden
- Ächzen?--Weh! sie umzingeln ihn--Auf Fiescos Herz deuten ihre
- gähnenden Rohre--Auf das meinige, Bella--Sie drücken ab--Haltet!
- haltet! Es ist mein Gemahl! (Wirft ihre Arme schwärmend in die Luft.)
- Arabella. Aber um Gotteswillen-Leonore (immer wilder phantasierend,
- nach allen Gegenden schreiend). Fiesco!--Fiesco!--Fiesco!--Sie
- weichen hinter ihm ab, seine Getreuen--Rebellentreue ist wankend.
- (Heftig erschrocken.) Rebellen führt mein Gemahl? Bella? Himmel?
- Ein Rebell kämpft mein Fiesco?
- Arabella. Nicht doch, Signora, als Genuas furchtbarer Schiedsmann.
- Leonore (aufmerksam). Das wäre Etwas--und Leonore hätte gezittert?
- Den ersten Republikaner umarmte die feigste Republikanerin?--Geh,
- Arabella--wenn die Männer um Länder sich messen, dürfen auch die
- Weiber sich fühlen. (Man fängt wieder an zu trommeln.) Ich werfe
- mich unter die Kämpfer.
- Arabella (schlägt die Hände zusammen). Barmherziger Himmel!
- Leonore. Sachte! Woran stößt sich mein Fuß? Hier ist ein Hut und
- ein Mantel. Ein Schwert liegt dabei. (Sie wägt es.) Ein schweres
- Schwert, meine Bella; doch schleppen kann ich's noch wohl, und das
- Schwert macht seinem Führer nicht Schande. (Man läutet Sturm.)
- Arabella. Hören Sie? hören Sie? das wimmert vom Thurm der
- Dominicaner. Gott erbarme! wie fürchterlich!
- Leonore (schwärmend). Sprich, wie entzückend! In dieser Sturmglocke
- spricht mein Fiesco mit Genua. (Man trommelt stärker.) Hurrah!
- Hurrah! Nie klangen mir Flöten so süß--Auch diese Trommeln belebe
- mein Fiesco--Wie mein Herz höher wallt! Ganz Genua wird
- munter--Miethlinge hüpfen hinter seinem Namen, und sein Weib sollte
- zaghaft thun? (Es stürmt auf drei andern Thürmen.) Nein! Eine
- Heldin soll mein Held umarmen--Mein Brutus soll eine Römerin umarmen.
- (Sie setzt den Hut auf und wirft den Scharlach um.) Ich bin Porcia.
- Arabella. Gnädige Frau, Sie wissen nicht, wie entsetzlich Sie
- schwärmen. Nein, das wissen Sie nicht. (Sturmläuten und Trommeln.)
- Leonore. Elende, die du Das alles hörst und nicht schwärmst! Weinen
- möchten diese Quader, daß sie die Beine nicht haben, meinem Fiesco
- zuzuspringen--Diese Paläste zürnen über ihren Meister, der sie so
- fest in die Erde zwang, daß sie meinem Fiesco nicht zuspringen
- können--Die Ufer, könnten sie's, verließen ihre Pflicht, gäben Genua
- dem Meere Preis und tanzten hinter seiner Trommel--Was den Tod aus
- seinen Windeln rüttelt, kann deinen Muth nicht wecken? Geh!--Ich
- finde meinen Weg.
- Arabella. Großer Gott! Sie werden doch diese Grille nicht wahr
- machen wollen?
- Leonore (stolz und heroisch). Das sollt' ich meinen, du
- Alberne--(Feurig.) Wo am wildesten das Getümmel wüthet, wo in Person
- mein Fiesco kämpft--Ist das Lavagna? hör' ich sie fragen--den Niemand
- bezwingen kann, der um Genua eiserne Würfel schwingt, ist das
- Lavagna?--Genueser! Er ist's, werd' ich sagen, und dieser Mann ist
- mein Gemahl, und ich hab' auch eine Wunde. (Sacco mit Verschwornen.)
- Sacco (ruft an). Wer da? Doria oder Fiesco?
- Leonore (begeistert). Fiesco und Freiheit! (Sie wirft sich in eine
- Gasse. Auflauf. Bella wird weggedrängt.)
- Sechster Auftritt
- Sacco mit einem Haufen. Calcagno begegnet ihm mit einem andern.
- Calcagno. Andreas Doria ist entflohen.
- Sacco. Deine schlechteste Empfehlung bei Fiesco.
- Calcagno. Bären, die Deutschen! pflanzten sich vor den Alten wie
- Felsen. Ich kriegte ihn gar nicht zu Gesicht. Neun von den Unsern
- sind fertig. Ich selbst bin am linken Ohrlappen gestreift. Wenn sie
- das fremden Tyrannen thun, alle Teufel! wie müssen sie ihre Fürsten
- bewachen!
- Sacco. Wir haben schon starken Anhang, und alle Thore sind unser.
- Calcagno. Auf der Burg, hör' ich, fechten sie scharf.
- Sacco. Bourgognino ist unter ihnen. Was schafft Verrina?
- Calcagno. Liegt zwischen Genua und dem Meer, wie der höllische
- Kettenhund, daß kaum ein Anchove durch kann.
- Sacco. Ich lass' in der Vorstadt stürmen.
- Calcagno. Ich marschiere über die Piazza Sarzana. Rühr dich,
- Tambour! (Ziehen unter Trommelschlag weiter.)
- Siebenter Auftritt
- Der Mohr. Ein Trupp Diebe mit Lunten.
- Mohr. Daß ihr's wißt, Schurken! Ich war der Mann, der diese Suppe
- einbrockte--Mir gibt man keinen Löffel. Gut. Die Hatz ist mir eben
- recht. Wir wollen eins anzünden und plündern. Die drüben baxen sich
- um ein Herzogthum, wir heizen die Kirchen ein, daß die erfrornen
- Apostel sich wärmen.
- (Werfen sich in die umliegenden Häuser.)
- Achter Auftritt
- Bourgognino. Bertha verkleidet.
- Bourgognino. Hier ruhe aus, lieber Kleiner. Du bist in Sicherheit.
- Blutest du?
- Bertha (die Sprache verändert). Nirgends.
- Bourgognino (lebhaft). Pfui, so steh auf! Ich will dich hinführen,
- wo man Wunden für Genua erntet--Schön, siehst du? wie diese. (Er
- streift seinen Arm auf.)
- Bertha (zurückfahrend). O Himmel!
- Bourgognino. Du erschrickst? Niedlicher Kleiner, zu früh eiltest du
- in den Mann--Wie alt bist du?
- Bertha. Fünfzehn Jahr.
- Bourgognino. Schlimm! Für diese Nacht fünf Jahre zu zärtlich--Den
- Vater?
- Bertha. Der beste Bürger in Genua.
- Bourgognino. Gemach, Knabe! Das ist nur Einer, und seine Tochter
- ist meine verlobte Braut. Weißt du das Haus des Verrina?
- Bertha. Ich dächte.
- Bourgognino (rasch). Und kennst seine göttliche Tochter?
- Bertha. Bertha heißt seine Tochter.
- Bourgognino (hitzig). Gleich geh und überliefre ihr diesen Ring. Er
- gelte den Trauring, sagst du, und der blaue Busch halte sich brav.
- Jetzt fahre wohl! Ich muß dorthin. Die Gefahr ist noch nicht aus.
- (Einige Häuser brennen.)
- Bertha (ruft ihm nach mit sanfter Stimme). Scipio!
- Bourgognino (steht betroffen still). Bei meinem Schwert! Ich kenne
- die Stimme.
- Bertha (fällt ihm um den Hals). Bei meinem Herzen! Ich bin hier
- sehr bekannt.
- Bourgognino (schreit). Bertha! (Sturmläuten in der Vorstadt.
- Auflauf. Beide verlieren sich in einer Umarmung.)
- Neunter Auftritt
- Fiesco tritt hitzig auf. Zibo. Gefolge.
- Fiesco. Wer warf das Feuer ein?
- Zibo. Die Burg ist erobert.
- Fiesco. Wer warf das Feuer ein?
- Zibo (winkt dem Gefolge). Patrouillen nach dem Thäter! (Einige
- gehen.)
- Fiesco (zornig). Wollen sie mich zum Mordbrenner machen? Gleich
- eilt mit Spritzen und Eimern! (Gefolge ab.) Aber Gianettino ist doch
- geliefert?
- Zibo. So sagt man.
- Fiesco (wild). Sagt man nur? Wer sagt das nur? Zibo, bei Ihrer
- Ehre, ist er entronnen?
- Zibo (bedenklich). Wenn ich meine Augen gegen die Aussagen eines
- Edelmanns setzen kann, so lebt Gianettino.
- Fiesco (auffahrend). Sie reden sich um den Hals, Zibo!
- Zibo. Noch einmal--Ich sah ihn vor acht Minuten lebendig in gelbem
- Busch und Scharlach herumgehn.
- Fiesco (außer Fassung). Himmel und Hölle--Zibo!--den Bourgognino
- lass' ich um einen Kopf kürzer machen. Fliegen Sie, Zibo--Man soll
- alle Stadtthore sperren--alle Felouquen soll man zu Schanden
- schießen--so kann er nicht zu Wasser davon--diesen Demant, Zibo, den
- reichsten in Genua, Lucca, Venedig und Pisa,--wer mir die Zeitung
- bringt: Gianettino ist todt--er soll diesen Demant haben. (Zibo eilt
- ab.) Fliegen Sie, Zibo!
- Zehnter Auftritt
- Fiesco. Sacco. Der Mohr. Soldaten.
- Sacco. Den Mohren fanden wie eine brennende Lunte in den Jesuiterdom
- werfen-Fiesco. Deine Verrätherei ging dir hin, weil sie mich traf.
- Auf Mordbrennereien steht der Strick. Führt ihn gleich ab, hängt ihn
- am Kirchthor auf.
- Mohr. Pfui! Pfui! Pfui! Das kommt mir ungeschickt--Läßt sich
- nichts davon wegplaudern?
- Fiesco. Nichts.
- Mohr (vertraulich). Schickt mich einmal zur Prob auf die Galeere.
- Fiesco (winkt den Andern). Zum Galgen.
- Mohr (trotzig). So will ich ein Christ werden!
- Fiesco. Die Kirche bedankt sich für die Blattern des Heidenthums.
- Mohr (schmeichelnd). Schickt mich wenigstens besoffen in die
- Ewigkeit.
- Fiesco. Nüchtern.
- Mohr. Aber hängt mich nur an keine christliche Kirche.
- Fiesco. Ein Ritter hält Wort. Ich versprach dir deinen eigenen
- Galgen.
- Sacco (brummt). Nicht viel Federlesens, Heide! Man hat noch mehr zu
- thun.
- Mohr. Doch--wenn halt allenfalls--der Strick bräche?-Fiesco (zum
- Sacco). Man wird ihn doppelt nehmen.
- Mohr (resigniert). So mag's sein--und der Teufel kann sich auf den
- Extrafall rüsten. (Ab mit Soldaten, die ihn in einiger Entfernung
- aufhenken.)
- Eilfter Auftritt
- Fiesco. Leonore erscheint hinten im Scharlachrock Gianettinos.
- Fiesco (wird sie gewahr, fährt vor, fährt zurück und murmelt grimmig).
- Kenn' ich nicht diesen Busch und Mantel? (Eilt näher, heftig.) Ich
- kenne den Busch und Mantel! (Wüthend, indem er auf sie losstürzt und
- sie niederstößt.) Wenn du drei Leben hast, so steh wieder auf und
- wandle! (Leonore fällt mit einem gebrochenen Laut. Man hört einen
- Siegesmarsch. Trommeln, Hörner und Hoboen.)
- Zwölfter Auftritt
- Fiesco. Calcagno. Sacco. Zenturione. Zibo. Soldaten mit Musik
- und Fahnen treten auf.
- Fiesco (ihnen entgegen im Triumph). Genueser--der Wurf ist
- geworfen--Hier liegt er, der Wurm meiner Seele--die gräßliche Kost
- meines Hasses. Hebet die Schwerter hoch!--Gianettino!
- Calcagno. Und ich komme, Ihnen zu sagen, daß zwei Drittheile von
- Genua Ihre Partei ergreifen und zu Fieskischen Fahnen schwören-Zibo.
- Und durch mich schickt Ihnen Verrina vom Admiralschiff seinen Gruß
- und die Herrschaft über Hafen und Meer-Zenturione. Und durch mich
- der Gouverneur der Stadt seinen Commandostab und die Schlüssel-Sacco.
- Und in mir wirft sich (indem er niederfällt) der große und kleine
- Rath der Republik knieend vor seinen Herrn und bittet fußfällig um
- Gnade und Schonung-Calcagno. Mich laßt den Ersten sein, der den
- großen Sieger in seinen Mauern willkommen heißt--Heil Ihnen--Senket
- die Fahnen tief!--Herzog von Genua!
- Alle (nehmen die Hüte ab). Heil, Heil dem Herzog von Genua!
- (Fahnenmarsch.)
- Fiesco (stand die ganze Zeit über, den Kopf auf die Brust gesunken,
- in einer denkenden Stellung.)
- Calcagno. Volk und Senat stehen wartend, ihren gnädigen Oberherrn im
- Fürstenornat zu begrüßen--Erlauben Sie uns, durchlauchtigster Herzog,
- Sie im Triumph nach der Signoria zu führen.
- Fiesco. Erlaubt mir erst, daß ich mit meinem Herzen mich
- abfinde--Ich mußte eine gewisse theure Person in banger Ahnung
- zurücklassen, eine Person, die die Glorie dieser Nacht mit mir
- theilen wird. (Gerührt zur Gesellschaft.) Habt die Güte und
- begleitet mich zu eurer liebenswürdigen Herzogin! (Er will
- aufbrechen.)
- Calcagno. Soll der meuchelmörderische Bube hier liegen und seine
- Schande in diesem Winkel verhehlen?
- Zenturione. Steckt seinen Kopf auf eine Hellebarde!
- Zibo. Laßt seinen zerrissenen Rumpf unser Pflaster kehren. (Man
- leuchtet gegen den Leichnam.)
- Calcagno (erschrocken und etwas leise). Schaut her, Genueser! Das
- ist bei Gott kein Gianettinogesicht. (Alle sehen starr auf die
- Leiche.)
- Fiesco (hält still, wirft von der Seite einen forschenden Blick
- darauf, den er starr und langsam unter Verzerrungen zurückzieht).
- Nein, Teufel--Nein, das ist kein Gianettinogesicht, hämischer Teufel!
- (Die Augen herumgerollt.) Genua mein, sagt ihr? Mein--(Hinauswüthend
- in einem gräßlichen Schrei.) Spiegelfechterei der Hölle! Es ist mein
- Weib! (Sinkt durchdonnert zu Boden. Verschworne stehen in todter Pause
- und schauervollen Gruppen.)
- Fiesco (matt aufgerichtet mit dumpfer Stimme). Hab' ich mein Weib
- ermordet, Genueser?--Ich beschwöre euch, schielt nicht so
- geisterbleich auf dieses Spiel der Natur--Gott sei gelobt! Es gibt
- Schicksale, die der Mensch nicht zu fürchten hat, weil er nur Mensch
- ist. Wem Götterwollust versagt ist, wird keine Teufelqual
- zugemuthet--Diese Verirrung wäre etwas mehr. (Mit schrecklicher
- Beruhigung.) Genueser, Gott sei Dank! Es kann nicht sein.
- Dreizehnter Auftritt
- Vorige. Arabella kommt jammernd.
- Arabella. Mögen sie mich umbringen, was hab' ich auch jetzt noch zu
- verlieren?--Habt Erbarmen, ihr Männer--Hier verließ ich meine gnädige
- Frau, und nirgends find' ich sie wieder.
- Fiesco (tritt ihr näher mit leiser bebender Stimme). Leonore heißt
- deine gnädige Frau?
- Arabella (froh). O daß Sie da sind, mein liebster, guter, gnädiger
- Herr!--Zürnen Sie nicht über uns, wir konnten sie nicht mehr
- zurückhalten.
- Fiesco (zürnt sie dumpfig an). Du Verhaßte! von was nicht?
- Arabella. Daß sie nicht nachsprang-Fiesco (heftiger). Schweig!
- wohin sprang?
- Arabella. Ins Gedränge-Fiesco (wüthend). Daß deine Zunge zum
- Krokodil würde--Ihre Kleider?
- Arabella. Ein scharlachner Mantel-Fiesco (rasend gegen sie taumelnd).
- Geh in den neunten Kreis der Hölle!--der Mantel?
- Arabella. Lag hier am Boden-Einige Verschworne (murmelnd). Gianettino
- ward hier ermordet-Fiesco (todesmatt zurückwankend zu Arabella). Deine
- Frau ist gefunden. (Arabella geht angstvoll. Fiesco sucht mit
- verdrehten Augen im ganzen Kreis herum, darauf mit leiser, schwebender
- Stimme, die stufenweis bis zum Toben steigt.) Wahr ist's--wahr--und
- ich das Stichblatt des unendlichen Bubenstücks. (Viehisch um sich
- hauend.) Tretet zurück, ihr menschlichen Gesichter--Ah, (mit frechem
- Zähnblecken gen Himmel) hätt' ich nur seinen Weltbau zwischen diesen
- Zähnen--Ich fühle mich aufgelegt, die ganze Natur in ein grinsendes
- Scheusal zu zerkratzen, bis sie aussieht wie mein Schmerz--(Zu den
- Andern, die bebend herumstehen.) Mensch!--wie es jetzt dasteht, das
- erbärmliche Geschlecht, sich segnet und selig preist, daß es nicht ist
- wie ich--Nicht wie ich! (In hohles Beben hinabgefallen.) Ich allein
- habe den Streich--(Rascher, wilder.) Ich? Warum ich? Warum nicht mit
- mir auch diese? Warum soll sich mein Schmerz am Schmerz eines
- Mitgeschöpfs nicht stumpf reiben dürfen?
- Calcagno (furchtsam). Mein theurer Herzog-Fiesco (dringt auf ihn ein
- mit gräßlicher Freude). Ah, willkommen! Hier, Gott sei Dank! ist
- Einer, den auch dieser Donner quetschte! (Indem er den Calcagno
- wüthend in seine Arme drückt.) Bruder Zerschmettert! Wohl bekomm die
- Verdammniß! Sie ist todt! Du hat sie auch geliebt! (Er zwingt ihn
- an den Leichnam und drückt ihm den Kopf dagegen.) Verzweifle! Sie
- ist todt! (Den stieren Blick in einen Winkel geheftet.) Ah, daß ich
- stünde am Thor der Verdammniß, hinunterschauen dürfte mein Aug auf
- die mancherlei Folterschrauben der sinnreichen Hölle, saugen mein Ohr
- zerknirschter Sünder Gewinsel--Könnt' ich sie sehen, meine Qual, wer
- weiß, ich trüge sie vielleicht? (Mit Schauern zur Leiche gehend.)
- Mein Weib liegt hier ermordet--Nein, das will wenig sagen
- (Nachdrücklicher.) Ich, der Bube, habe mein Weib ermordet--O pfui, so
- etwas kann die Hölle kaum kitzeln--Erst wirbelt sie mich künstlich
- auf der Freude letztes glättestes Schwindeldach, schwätzt mich bis an
- die Schwelle des Himmels--und dann hinunter--dann--o könnte mein Odem
- die Pest unter Seelen blasen--dann--dann ermord' ich mein Weib--Nein,
- ihr Witz ist noch feiner--dann übereilen sich (verächtlich) zwei
- Augen, und (mir schrecklichem Nachdruck) ich--ermorde--mein Weib!
- (Beißend lächelnd.) Das ist das Meisterstück!
- (Alle Verschwornen hängen gerührt an ihren Waffen. Einige wischen
- Thränen aus den Augen. Pause.)
- Fiesco (erschöpft und stiller, indem er im Zirkel herumblickt).
- Schluchzt hier Jemand?--Ja, bei Gott, die einen Fürsten würgten,
- weinen. (In stillen Schmerz geschmolzen.) Redet! Weint ihr über
- diesen Hochverrath des Todes, oder weint ihr über meines Geistes
- Memmenfall? (In ernster, rührender Stellung vor der Todten
- verweilend.) Wo in warme Thränen felsenharte Mörder schmelzen, flucht
- Fiescos Verzweiflung! (Sinkt weinend an ihr nieder.) Leonore,
- vergib--Reue zürnt man dem Himmel nicht ab! (Weich mit Wehmuth.)
- Jahre voraus, Leonore, genoß ich das Fest jener Stunde, wo ich den
- Genuesern ihre Herzogin brächte--Wie lieblich verschämt sah ich schon
- deine Wangen erröthen, deinen Busen wie fürstlich schön unter dem
- Silberflor schwellen, wie angenehm deine lispelnde Stimme der
- Entzückung versagen (Lebhafter.) Ha! wie berauschend wallte mir schon
- der stolze Zuruf zu Ohren, wie spiegelte sich meiner Liebe Triumph im
- versinkenden Neide!--Leonore--die Stund' ist gekommen--Genuas Herzog
- ist dein Fiesco--und Genuas schlechtester Bettler besinnt sich, seine
- Verachtung an meine Qual und meinen Scharlach zu tauschen--(Rührender.)
- Eine Gattin theilt seinen Gram--mit wem kann ich meine Herrlichkeit
- theilen? (Er weint heftiger und verbirgt sein Gesicht an der Leiche.
- Rührung auf allen Gesichtern.)
- Calcagno. Es war eine treffliche Dame.
- Zibo. Daß man doch ja den Trauerfall dem Volk noch verschweige. Er
- nähme den Unsrigen den Muth und gäb' ihn den Feinden.
- Fiesco (steht gefaßt und fest auf). Höret, Genueser!--die Vorsehung,
- versteh' ich ihren Wink, schlug mir diese Wunde nur, mein Herz für
- die nahe Größe zu prüfen.--Es war die gewagteste Probe--jetzt fürcht'
- ich weder Qual, noch Entzücken mehr. Kommt! Genua erwarte mich,
- sagt ihr?--Ich will Genua einen Fürsten schenken, wie ihn noch kein
- Europäer sah--Kommt!--dieser unglücklichen Fürstin will ich eine
- Todtenfeier halten, daß das Leben seine Anbeter verlieren und die
- Verwesung wie eine Braut glänzen soll--Jetzt folgt eurem Herzog!
- (Gehen ab unter Fahnenmarsch.)
- Vierzehnter Auftritt
- Andreas Doria. Lomellin.
- Andreas. Dort jauchzen sie hin.
- Lomellin. Ihr Glück hat sie berauscht. Die Thore sind bloßgegeben.
- Der Signoria wälzt sich Alles zu.
- Andreas. Nur an meinem Neffen scheute das Roß. Mein Neffe ist todt.
- Hören Sie, Lomellin-Lomellin. Was? noch? noch hoffen Sie, Herzog?
- Andreas (ernst). Zittre du für dein Leben, weil du mich Herzog
- spottest, wenn ich auch nicht einmal hoffen darf.
- Lomellin. Gnädigster Herr--eine brausende Nation liegt in der Schale
- Fiescos--Was in der Ihrigen?
- Andreas (groß und warm). Der Himmel!
- Lomellin (hämisch die Achsel zuckend). Seitdem das Pulver erfunden
- ist, campieren die Engel nicht mehr.
- Andreas. Erbärmlicher Affe, der einem verzweifelnden Graukopf seinen
- Gott noch nimmt! (Ernst und gebietend.) Geh! mache bekannt, daß
- Andreas noch lebe--Andreas, sagst du, ersuche seine Kinder, ihn doch
- in seinem achtzigsten Jahre nicht zu den Ausländern zu jagen, die dem
- Andreas den Flor seines Vaterlandes niemals verzeihen würden. Sag'
- ihnen das, und Andreas ersuche seine Kinder um so viel Erde in seinem
- Vaterland für so viel Gebeine.
- Lomellin. Ich gehorsame, aber verzweifle. (Will gehen.)
- Andreas. Höre! und nimm diese eisgraue Haarlocke mit--Sie war die
- letzte, sagst du, auf meinem Haupt und ging los in der dritten
- Jännernacht, als Genua losriß von meinem Herzen und habe achtzig
- Jahre gehalten und habe den Kahlkopf verlassen im achtzigsten
- Jahre--die Haarlocke ist mürbe! aber doch stark genug, dem schlanken
- Jüngling den Purpur zu knüpfen (Er geht ab mit verhülltem Gesicht.
- Lomellin eilt in eine entgegengesetzte Gasse. Man hört ein
- tumultuarisches Freudengeschrei unter Trompeten und Pauken.)
- Fünfzehnter Auftritt
- Verrina vom Hafen. Bertha und Bourgognino.
- Verrina. Man jauchzt. Wem gilt das?
- Bourgognino. Sie werden den Fiesco zum Herzog ausrufen.
- Bertha (schmiegt sich ängstlich an Bourgognino). Mein Vater ist
- fürchterlich, Scipio!
- Verrina. Laßt mich allein, Kinder--O Genua! Genua!
- Bourgognino. Der Pöbel vergöttert ihn und forderte wiehernd den
- Purpur. Der Adel sah mit Entsetzen zu und durfte nicht Nein sagen.
- Verrina. Mein Sohn, ich hab' alle meine Habseligkeiten zu Gold
- gemacht und auf dein Schiff bringen lassen. Nimm deine Frau und
- stich unverzüglich in See. Vielleicht werd' ich nachkommen.
- Vielleicht--nicht mehr. Ihr segelt nach Marseille, und (schwer und
- gepreßt sie umarmend)--Gott geleit' euch! (Schnell ab.)
- Bertha. Um Gotteswillen! Worüber brütet mein Vater?
- Bourgognino. Verstandst du den Vater?
- Bertha. Fliehen, o Gott! Fliehen in der Brautnacht!
- Bourgognino. So sprach er--und wir gehorchen. (Beide gehen nach dem
- Hafen.)
- Sechzehnter Auftritt
- Verrina. Fiesco im herzoglichen Schmuck. (Beide treffen auf
- einander.)
- Fiesco. Verrina! Erwünscht. Eben war und aus, dich zu suchen.
- Verrina. Das war auch mein Gang.
- Fiesco. Merkt Verrina keine Veränderung an seinem Freunde?
- Verrina (zurückhaltend). Ich wünsche keine.
- Fiesco. Aber siehst du auch keine?
- Verrina (ohne ihn anzusehen). Ich hoffe, nein!
- Fiesco. Ich frage, findest du keine!
- Verrina (nach einem flüchtigen Blick). Ich finde keine.
- Fiesco. Nun, siehst du, so muß es doch wahr sein, daß die Gewalt
- nicht Tyrannen macht. Seit wir uns Beide verließen, bin ich Genuas
- Herzog geworden, und Verrina (indem er ihn an die Brust drückt)
- findet meine Umarmung noch feurig wie sonst.
- Verrina. Desto schlimmer, daß ich sie frostig erwiedern muß; der
- Anblick der Majestät fällt wie ein schneidendes Messer zwischen mich
- und den Herzog! Johann Ludwig Fiesco besaß Länder in meinem
- Herzen--jetzt hat er Genua erobert, und ich nehme mein Eigenthum
- zurück.
- Fiesco (betreten). Das wolle Gott nicht! Für ein Herzogthum wäre
- der Preis zu jüdisch.
- Verrina (murmelt düster). Hum! Ist denn etwa die Freiheit in der
- Mode gesunken, daß man dem Ersten dem Besten Republiken um ein
- Schandengeld nachwirft.
- Fiesco (beißt die Lippen zusammen). Das sag du Niemand, als dem
- Fiesco.
- Verrina. O natürlich! Ein vorzüglicher Kopf muß es immer sein, von
- dem die Wahrheit ohne Ohrfeige wegkommt--Aber Schade! der
- verschlagene Spieler hat's nur in einer Karte versehen. Er
- calculierte das ganze Spiel des Neides, aber der raffinierte Witzling
- ließ zum Unglück die Patrioten aus. (Sehr bedeutend.) Hat der
- Unterdrücker der Freiheit auch einen Kniff auf die Züge der römischen
- Tugend zurückbehalten? Ich schwör' es beim lebendigen Gott, eh die
- Nachwelt meine Gebeine aus dem Kirchhof eines Herzogthums gräbt, soll
- sie sie auf dem Rade zusammenlesen!
- Fiesco (nimmt ihn mit Sanftmuth bei der Hand). Auch nicht, wenn der
- Herzog dein Bruder ist? wenn er sein Fürstenthum nur zur Schatzkammer
- seiner Wohlthätigkeit macht, die bis jetzt bei seiner haushälterischen
- Dürftigkeit betteln ging? Verrina, auch dann nicht?
- Verrina. Auch dann nicht--und der verschenkte Raub hat noch keinem
- Dieb von dem Galgen geholfen. Überdies ging diese Großmuth bei
- Verrina fehl. Meinem Mitbürger konnt' ich schon erlauben, mir Gutes
- zu thun--meinem Mitbürger hofft' ich es wett machen zu können. Die
- Geschenke eines Fürsten sind Gnade--und nur Gott ist mir gnädig.
- Fiesco (ärgerlich). Wollt ich doch lieber Italien vom Atlantermeer
- abreißen, als diesen Starrkopf von seinem Wahn.
- Verrina. Und abreißen ist doch sonst deine schlechteste Kunst nicht,
- davon weiß das Lamm Republik zu erzählen, das du dem Wolf Doria aus
- dem Rachen nahmst--es selbst aufzufressen.--Aber genug! Nur im
- Vorbeigehen, Herzog, sage mir, was verbrach denn der arme Teufel, den
- ihr am Jesuiterdom aufknüpftet?
- Fiesco. Die Canaille zündete Genua an.
- Verrina. Aber doch die Gesetze ließ die Canaille ganz?
- Fiesco. Verrina brandschatzt meine Freundschaft.
- Verrina. Hinweg mit der Freundschaft! ich sage dir ja, ich liebe
- dich nicht mehr; ich schwöre dir, daß ich dich hasse--hasse wie den
- Wurm des Paradieses, der den ersten falschen Wurf in der Schöpfung
- that, worunter schon das fünfte Jahrtausend blutet--Höre,
- Fiesco--nicht Unterthan gegen Herrn--nicht Freund gegen
- Freund--Mensch gegen Mensch red' ich zu dir. (Scharf und heftig.) Du
- hast eine Schande begangen an der Majestät des wahrhaftigen Gottes,
- daß du dir die Tugend die Hände zu deinem Bubenstück führen und
- Genuas Patrioten mit Genua Unzucht treiben ließest--Fiesco, wär' auch
- ich der Redlichdumme gewesen, den Schalk nicht zu merken, Fiesco! bei
- allen Schauern der Ewigkeit, einen Strick wollt' ich drehen aus
- meinen eigenen Gedärmen und mich erdrosseln, daß meine fliehende
- Seele im gichtrischen Schaumblasen dir zuspritzen sollte. Das
- fürstliche Schelmenstück drückt wohl die Goldwage menschlicher Sünden
- entzwei, aber du hast den Himmel geneckt, und den Prozeß wird das
- Weltgericht führen.
- (Fiesco erstaunt und sprachlos mißt ihn mit großen Augen.)
- Verrina. Besinne dich auf keine Antwort. Jetzt sind wir fertig.
- (Nach einigem Auf- und Niedergehen.) Herzog von Genua, auf den
- Schiffen des gestrigen Tyrannen lernt' ich eine Gattung armer
- Geschöpfe kennen, die eine verjährte Schuld mit jedem Ruderschlag
- wiederkäuen und in den Ocean ihre Thränen weinen, der wie ein reicher
- Mann zu vornehm ist, sie zu zählen--Ein guter Fürst eröffnet sein
- Regiment mit Erbarmen. Wolltest du dich entschließen, die
- Galeerensklaven zu erlösen?
- Fiesco (scharf). Sie seien die Erstlinge meiner Tyrannei--Geh und
- verkündige ihnen Allen Erlösung.
- Verrina. So machst du deine Sache nur halb, wenn du ihre Freude
- verlierst. Versuch' es und gehe selbst. Die großen Herren sind so
- selten dabei, wenn sie Böses thun; sollten sie auch das Gute im
- Hinterhalt stiften?--Ich dächte, der Herzog wäre für keines Bettlers
- Empfindung zu groß.
- Fiesco. Mann, du bist schrecklich, aber ich weiß nicht, warum ich
- folgen muß. (Beide gehen dem Meer zu.)
- Verrina (hält still, mit Wehmuth). Aber, noch einmal umarme mich,
- Fiesco! Hier ist ja Niemand, der den Verrina weinen sieht und einen
- Fürsten empfinden. (Er drückt ihn innig.) Gewiß, nie schlugen zwei
- größere Herzen zusammen; wir liebten uns doch so brüderlich
- warm--(Heftig an Fiescos Halse weinend.) Fiesco! Fiesco! du räumst
- einen Platz in meiner Brust, den das Menschengeschlecht, dreifach
- genommen, nicht mehr besetzen wird.
- Fiesco (sehr gerührt). Sei--mein--Freund!
- Verrina. Wirf diesen häßlichen Purpur weg, und ich bin's--Der erste
- Fürst war ein Mörder und führte den Purpur ein, die Flecken seiner
- That in dieser Blutfarbe zu verstecken--Höre, Fiesco--ich bin ein
- Kriegsmann, verstehe mich wenig auf nasse Wangen--Fiesco--das sind
- meine ersten Thränen--Wird diesen Purpur weg!
- Fiesco. Schweig!
- Verrina (heftiger). Fiesco--laß hier alle Kronen dieses Planeten zum
- Preis, dort zum Popanz all seine Foltern legen, ich soll knieen vor
- einem Sterblichen--ich werde nicht knieen--Fiesco! (indem er
- niederfällt) es ist mein erster Kniefall--Wirf diesen Purpur weg!
- Fiesco. Steh auf und reize mich nicht mehr!
- Verrina (entschlossen). Ich steh' auf, reize dich nicht mehr (Sie
- stehen an einem Brett, das zu einer Galeere führt.) Der Fürst hat den
- Vortritt. (Gehen über das Brett.)
- Fiesco. Was zerrst du mich so am Mantel?--er fällt!
- Verrina (mit fürchterlichem Hohn). Nun, wenn der Purpur fällt, muß
- auch der Herzog nach! (Er stürzt ihn ins Meer.)
- Fiesco (ruft aus den Wellen). Hilf, Genua! Hilf! Hilf deinem
- Herzog! (Sinkt unter.)
- Siebzehnter Auftritt
- Calcagno. Sacco. Zibo. Zenturione. Verschworne. Volk. (Alle
- eilig, ängstlich.)
- Calcagno (schreit). Fiesco! Fiesco! Andreas ist zurück, halb Genua
- springt dem Andreas zu. Wo ist Fiesco?
- Verrina (mit festem Ton). Ertrunken!
- Zenturione. Antwortet die Hölle oder das Tollhaus?
- Verrina. Ertränkt, wenn das hübscher lautet--Ich geh' zum Andreas.
- (Alle bleiben in starren Gruppen stehn. Der Vorhang fällt.)
- Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes "Die Verschwörung des Fiesco zu
- Genua", von Friedrich Schiller.
- *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DIE VERSCHWOERUNG DES FIESCO ZU GENUA ***
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