- Deutschland. Ein Wintermährchen
- Heinrich Heine
- Hoffmann und Campe, Hamburg, 1844
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- Deutschland. Ein Wintermährchen erschien erstmals 1844 in dem Gedichtband Neue Gedichte. In dieser Ausgabe gibt es kein Vorwort. Ebenfalls 1844 erschien die zensierte Separatausgabe Deutschland. Ein Wintermährchen. In dieser gibt es ein Vorwort.
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- [277] Deutschland.
- Ein Wintermährchen.
- Geschrieben im Januar 1844.
- [279] Caput I.
- Im traurigen Monat November war’s,
- Die Tage wurden trüber,
- Der Wind riß von den Bäumen das Laub,
- Da reist’ ich nach Deutschland hinüber.
- Und als ich an die Grenze kam,
- Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen
- In meiner Brust, ich glaube sogar
- Die Augen begunnen zu tropfen.
- Und als ich die deutsche Sprache vernahm,
- Da ward mir seltsam zu Muthe;
- Ich meinte nicht anders, als ob das Herz
- Recht angenehm verblute.
- [280] Ein kleines Harfenmädchen sang.
- Sie sang mit wahrem Gefühle
- Und falscher Stimme, doch ward ich sehr
- Gerühret von ihrem Spiele.
- Sie sang von Liebe und Liebesgram,
- Aufopfrung und Wiederfinden
- Dort oben, in jener besseren Welt,
- Wo alle Leiden schwinden.
- Sie sang vom irdischen Jammerthal,
- Von Freuden, die bald zerronnen,
- Vom Jenseits, wo die Seele schwelgt
- Verklärt in ew’gen Wonnen.
- Sie sang das alte Entsagungslied,
- Das Eyapopeya vom Himmel,
- Womit man einlullt, wenn es greint,
- Das Volk, den großen Lümmel.
- [281] Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
- Ich kenn’ auch die Herren Verfasser;
- Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
- Und predigten öffentlich Wasser.
- Ein neues Lied, ein besseres Lied,
- O Freunde, will ich Euch dichten!
- Wir wollen hier auf Erden schon
- Das Himmelreich errichten.
- Wir wollen auf Erden glücklich seyn,
- Und wollen nicht mehr darben;
- Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
- Was fleißige Hände erwarben.
- Es wächst hienieden Brod genug
- Für alle Menschenkinder,
- Auch Rosen und Myrthen, Schönheit und Lust,
- Und Zuckererbsen nicht minder.
- [282] Ja, Zuckererbsen für Jedermann,
- Sobald die Schooten platzen!
- Den Himmel überlassen wir
- Den Engeln und den Spatzen.
- Und wachsen uns Flügel nach dem Tod,
- So wollen wir Euch besuchen
- Dort oben, und wir wir essen mit Euch
- Die seligsten Torten und Kuchen.
- Ein neues Lied, ein besseres Lied,
- Es klingt wie Flöten und Geigen!
- Das Miserere ist vorbey,
- Die Sterbeglocken schweigen.
- Die Jungfer Europa ist verlobt
- Mit dem schönen Geniusse
- Der Freiheit, sie liegen einander im Arm,
- Sie schwelgen im ersten Kusse.
- [283] Und fehlt der Pfaffenseegen dabei,
- Die Ehe wird gültig nicht minder –
- Es lebe Bräutigam und Braut,
- Und ihre zukünftigen Kinder!
- Ein Hochzeitkarmen ist mein Lied,
- Das bessere, das neue!
- In meiner Seele gehen auf
- Die Sterne der höchsten Weihe –
- Begeisterte Sterne, sie lodern wild,
- Zerfließen in Flammenbächen –
- Ich fühle mich wunderbar erstarkt,
- Ich könnte Eichen zerbrechen!
- Seit ich auf deutsche Erde trat
- Durchströmen mich Zaubersäfte –
- Der Riese hat wieder die Mutter berührt,
- Und es wuchsen ihm neu die Kräfte.
- [284] Caput II.
- Während die Kleine von Himmelslust
- Getrillert und musiciret,
- Ward von den preußischen Douanièrs
- Mein Koffer visitiret.
- Beschnüffelten alles, kramten herum
- In Hemden, Hosen, Schnupftüchern;
- Sie suchten nach Spitzen, nach Bijouterien,
- Auch nach verbotenen Büchern.
- Ihr Thoren, die Ihr im Koffer sucht!
- Hier werdet Ihr nichts entdecken!
- Die Contrebande, die mit mir reist,
- Die hab’ ich im Kopfe stecken.
- [285] Hier hab’ ich Spitzen, die feiner sind
- Als die von Brüssel und Mecheln,
- Und pack’ ich einst meine Spitzen aus,
- Sie werden Euch sticheln und hecheln.
- Im Kopfe trage ich Bijouterien,
- Der Zukunft Krondiamanten,
- Die Tempelkleinodien des neuen Gotts,
- Des großen Unbekannten.
- Und viele Bücher trag’ ich im Kopf!
- Ich darf es Euch versichern,
- Mein Kopf ist ein zwitscherndes Vogelnest
- Von konfiszirlichen Büchern.
- Glaubt mir, in Satans Bibliothek
- Kann es nicht schlimmere geben;
- Sie sind gefährlicher noch als die
- Von Hoffmann von Fallersleben! –
- [286] Ein Passagier, der neben mir stand,
- Bemerkte mir, ich hätte
- Jetzt vor mir den preußischen Zollverein,
- Die große Douanenkette.
- „Der Zollverein“ – bemerkte er –
- „Wird unser Volksthum begründen,
- Er wird das zersplitterte Vaterland
- Zu einem Ganzen verbinden.
- „Er giebt die äußere Einheit uns,
- Die sogenannt materielle;
- Die geistige Einheit giebt uns die Censur,
- Die wahrhaft ideelle –
- „Sie giebt die innere Einheit uns,
- Die Einheit im Denken und Sinnen;
- Ein einiges Deutschland thut uns Noth,
- Einig nach Außen und Innen.“
- [287] Caput III.
- Zu Aachen, im alten Dome, liegt
- Carolus Magnus begraben.
- (Man muß ihn nicht verwechseln mit Carl
- Mayer, der lebt in Schwaben.)
- Ich möchte nicht todt und begraben seyn
- Als Kaiser zu Aachen im Dome;
- Weit lieber lebt’ ich als kleinster Poet
- Zu Stukkert am Neckarstrome.
- Zu Aachen langweilen sich auf der Straß’
- Die Hunde, sie flehn unterthänig:
- Gieb uns einen Fußtritt, o Fremdling, das wird
- Vielleicht uns zerstreuen ein wenig.
- [288] Ich bin in diesem langweilgen Nest
- Ein Stündchen herumgeschlendert.
- Sah wieder preußisches Militär,
- Hat sich nicht sehr verändert.
- Es sind die grauen Mäntel noch
- Mit dem hohen, rothen Kragen –
- (Das Roth bedeutet Franzosenblut,
- Sang Körner in früheren Tagen.)
- Noch immer das hölzern pedantische Volk,
- Noch immer ein rechter Winkel
- In jeder Bewegung, und im Gesicht
- Der eingefrorene Dünkel.
- Sie stelzen noch immer so steif herum,
- So kerzengrade geschniegelt,
- Als hätten sie verschluckt den Stock
- Womit man sie einst geprügelt.
- [289] Ja, ganz verschwand die Fuchtel nie,
- Sie tragen sie jetzt im Innern;
- Das trauliche Du wird immer noch
- An das alte Er erinnern.
- Der lange Schnurbart ist eigentlich nur
- Des Zopfthums neuere Phase:
- Der Zopf, der ehmals hinten hing,
- Der hängt jetzt unter der Nase.
- Nicht übel gefiel mir das neue Costum
- Der Reuter, das muß ich loben,
- Besonders die Pikkelhaube, den Helm,
- Mit der stählernen Spitze nach oben.
- Das ist so ritterthümlich und mahnt
- An der Vorzeit holde Romantik,
- An die Burgfrau Johanna von Montfaucon,
- An den Freyherrn Fouquè, Uhland, Tieck.
- [290] Das mahnt an das Mittelalter so schön,
- An Edelknechte und Knappen,
- Die in dem Herzen getragen die Treu
- Und auf dem Hintern ein Wappen.
- Das mahnt an Kreuzzug und Turney,
- An Minne und frommes Dienen,
- An die ungedruckte Glaubenszeit,
- Wo noch keine Zeitung erschienen.
- Ja, ja, der Helm gefällt mir, er zeugt
- Vom allerhöchsten Witze!
- Ein königlicher Einfall war’s!
- Es fehlt nicht die Pointe, die Spitze!
- Nur fürcht’ ich, wenn ein Gewitter entsteht,
- Zieht leicht so eine Spitze
- Herab auf Euer romantisches Haupt
- Des Himmels modernste Blitze! – –
- [291] Zu Aachen, auf dem Posthausschild,
- Sah ich den Vogel wieder,
- Der mir so tief verhaßt! Voll Gift
- Schaute er auf mich nieder.
- Du häßlicher Vogel, wirst du einst
- Mir in die Hände fallen,
- So rupfe ich dir die Federn aus
- Und hacke dir ab die Krallen.
- Du sollst mir dann, in luft’ger Höh,
- Auf einer Stange sitzen,
- Und ich rufe zum lustigen Schießen herbei
- Die Rheinischen Vogelschützen.
- Wer mir den Vogel herunterschießt,
- Mit Zepter und Krone belehn’ ich
- Den wackern Mann! Wir blasen Tusch
- Und rufen: es lebe der König!
- [292] Caput IV.
- Zu Cöllen kam ich spät Abends an,
- Da hörte ich rauschen den Rheinfluß,
- Da fächelte mich schon deutsche Luft,
- Da fühlt’ ich ihren Einfluß –
- Auf meinen Appetit. Ich aß
- Dort Eierkuchen mit Schinken,
- Und da er sehr gesalzen war
- Mußt ich auch Rheinwein trinken.
- Der Rheinwein glänzt noch immer wie Gold
- Im grünen Römerglase,
- Und trinkst du etwelche Schoppen zu viel,
- So steigt er dir in die Nase.
- [293] In die Nase steigt ein Prickeln so süß,
- Man kann sich vor Wonne nicht lassen!
- Es trieb mich hinaus in die dämmernde Nacht,
- In die wiederhallenden Gassen.
- Die steinernen Häuser schauten mich an,
- Als wollten sie mir berichten
- Legenden aus altverschollener Zeit,
- Der heilgen Stadt Cöllen Geschichten.
- Ja, hier hat einst die Clerisey
- Ihr frommes Wesen getrieben,
- Hier haben die Dunkelmänner geherrscht,
- Die Ulrich von Hutten beschrieben.
- Der Cancan des Mittelalters ward hier
- Getanzt von Nonnen und Mönchen;
- Hier schrieb Hochstraaten, der Menzel von Cölln,
- Die giftgen Denunziaziönchen.
- [294] Die Flamme des Scheiterhaufens hat hier
- Bücher und Menschen verschlungen;
- Die Glocken wurden geläutet dabei
- Und Kyrie Eleison gesungen.
- Dummheit und Bosheit buhlten hier
- Gleich Hunden auf freier Gasse;
- Die Enkelbrut erkennt man noch heut
- An ihrem Glaubenshasse. –
- Doch siehe! dort im Mondenschein
- Den kolossalen Gesellen!
- Er ragt verteufelt schwarz empor,
- Das ist der Dom von Cöllen.
- Er sollte des Geistes Bastille sein,
- Und die listigen Römlinge dachten:
- In diesem Riesenkerker wird
- Die deutsche Vernunft verschmachten!
- [295] Da kam der Luther, und er hat
- Sein großes „Halt!“ gesprochen -
- Seit jenem Tage blieb der Bau
- Des Domes unterbrochen.
- Er ward nicht vollendet – und das ist gut.
- Denn eben die Nichtvollendung
- Macht ihn zum Denkmahl von Deutschlands Kraft
- Und protestantischer Sendung.
- Ihr armen Schelme vom Domverein,
- Ihr wollt mit schwachen Händen
- Fortsetzen das unterbrochene Werk,
- Und die alte Zwingburg vollenden!
- Oh thörichter Wahn! Vergebens wird
- Geschüttelt der Klingelbeutel,
- Gebettelt bei Ketzern und Juden sogar;
- Ist alles fruchtlos und eitel.
- [296] Vergebens wird der große Franz Lißt
- Zum Besten des Doms musiziren,
- Und ein talentvoller König wird
- Vergebens deklamiren!
- Er wird nicht vollendet, der Köllner Dom,
- Obgleich die Narren in Schwaben
- Zu seinem Fortbau ein ganzes Schiff
- Voll Steine gesendet haben.
- Er wird nicht vollendet, trotz allem Geschrey
- Der Raben und der Eulen,
- Die, alterthümlich gesinnt, so gern
- In hohen Kirchthürmen weilen.
- Ja, kommen wird die Zeit sogar
- Wo man, statt ihn zu vollenden,
- Die inneren Räume zu einem Stall
- Für Pferde wird verwenden.
- [297] „Und wird der Dom ein Pferdestall,
- Was sollen wir dann beginnen
- Mit den heil’gen drey Kön’gen, die da ruhn
- Im Tabernakel da drinnen?“
- So höre ich fragen. Doch brauchen wir uns
- In unserer Zeit zu geniren?
- Die heil’gen drey Kön’ge aus Morgenland,
- Sie können wo anders logiren.
- Folgt meinem Rath und steckt sie hinein
- In jene drey Körbe von Eisen,
- Die hoch zu Münster hängen am Thurm,
- Der Sankt Lamberti geheißen.
- Fehlt etwa einer vom Triumvirat,
- So nehmt einen anderen Menschen,
- Ersetzt den König des Morgenlands
- Durch einen abendländschen.
- [298] Caput V.
- Und als ich an die Rheinbrück kam,
- Wohl an die Hafenschanze,
- Da sah ich fließen den Vater Rhein
- Im stillen Mondenglanze.
- Sey mir gegrüßt, mein Vater Rhein,
- Wie ist es mir ergangen?
- Ich habe oft an dich gedacht,
- Mit Sehnsucht und Verlangen.
- So sprach ich, da hört’ ich im Wasser tief
- Gar seltsam grämliche Töne,
- Wie Hüsteln eines alten Manns,
- Ein Brümmeln und weiches Gestöhne:
- [299] „Willkommen, mein Junge, das ist mir lieb,
- Daß du mich nicht vergessen;
- Seit dreizehn Jahren sah ich dich nicht,
- Mir ging es schlecht unterdessen.
- „Zu Biberich hab’ ich Steine verschluckt,
- Wahrhaftig, sie schmeckten nicht lecker!
- Doch schwerer liegen im Magen mir
- Die Verse von Niklas Becker.
- „Er hat mich besungen, als ob ich noch
- Die reinste Jungfer wäre,
- Die sich von niemand rauben läßt
- Das Kränzlein ihrer Ehre.
- „Wenn ich es höre, das dumme Lied,
- Dann möcht ich mir zerraufen
- Den weißen Bart, ich möchte fürwahr
- Mich in mir selbst ersaufen!
- [300] „Daß ich keine reine Jungfer bin,
- Die Franzosen wissen es besser,
- Sie haben mit meinem Wasser so oft
- Vermischt ihr Siegergewässer.
- „Das dumme Lied und der dumme Kerl!
- Er hat mich schmählich blamiret,
- Gewissermaßen hat er mich auch
- Politisch kompromittiret.
- „Denn kehren jetzt die Franzosen zurück,
- So muß ich vor ihnen erröthen,
- Ich, der um ihre Rückkehr so oft
- Mit Thränen zum Himmel gebeten.
- „Ich habe sie immer so lieb gehabt,
- Die lieben kleinen Französchen –
- Singen und springen sie noch wie sonst?
- Tragen noch weiße Höschen?
- [301] „Ich möchte sie gerne wiedersehn,
- Doch fürcht’ ich die Persifflage,
- Von wegen des verwünschten Lieds,
- Von wegen der Blamage.
- „Der Alphred de Müsset, der Gassenbub,
- Der kommt an ihrer Spitze
- Vielleicht als Tambour, und trommelt mir vor
- All seine schlechten Witze.“
- So klagte der arme Vater Rhein,
- Konnt sich nicht zufrieden geben.
- Ich sprach zu ihm manch tröstendes Wort,
- Um ihm das Herz zu heben:
- O, fürchte nicht, mein Vater Rhein,
- Den spöttelnden Scherz der Franzosen;
- Sie sind die alten Franzosen nicht mehr,
- Auch tragen sie andere Hosen.
- [302] Die Hosen sind roth und nicht mehr weiß,
- Sie haben auch andere Knöpfe,
- Sie singen nicht mehr, sie springen nicht mehr,
- Sie senken nachdenklich die Köpfe.
- Sie philosophiren und sprechen jetzt
- Von Kant, von Fischte und Hegel,
- Sie rauchen Tabak, sie trinken Bier,
- Und manche schieben auch Kegel.
- Sie werden Philister ganz wie wir
- Und treiben es endlich noch ärger;
- Sie sind keine Voltairianer mehr,
- Sie werden Hengstenberger.
- Der Alphred de Müsset, das ist wahr,
- Ist noch ein Gassenjunge;
- Doch fürchte nichts, wir fesseln ihm
- Die schändliche Spötterzunge.
- [303] Und trommelt er dir einen schlechten Witz,
- So pfeifen wir ihm einen schlimmern,
- Wir pfeifen ihm vor was ihm passirt
- Bei schönen Frauenzimmern.
- Gieb dich zufrieden, Vater Rhein,
- Denk’ nicht an schlechte Lieder,
- Ein besseres Lied vernimmst du bald –
- Leb wohl, wir sehen uns wieder.
- [304] Caput VI.
- Den Paganini begleitete stets
- Ein Spiritus Familiaris,
- Manchmal als Hund, manchmal in Gestalt
- Des seligen Georg Harris.
- Napoleon sah einen rothen Mann
- Vor jedem wicht’gen Ereigniß.
- Sokrates hatte seinen Dämon,
- Das war kein Hirnerzeugniß.
- Ich selbst, wenn ich am Schreibtisch saß
- Des Nachts, hab ich gesehen
- Zuweilen einen vermummten Gast
- Unheimlich hinter mir stehen.
- [305] Unter dem Mantel hielt er etwas
- Verborgen, das seltsam blinkte
- Wenn es zum Vorschein kam, und ein Beil,
- Ein Richtbeil, zu seyn mir dünkte.
- Er schien von untersetzter Statur,
- Die Augen wie zwey Sterne;
- Er störte mich im Schreiben nie,
- Blieb ruhig stehn in der Ferne.
- Seit Jahren hatte ich nicht gesehn
- Den sonderbaren Gesellen,
- Da fand ich ihn plötzlich wieder hier
- In der stillen Mondnacht zu Cöllen.
- Ich schlenderte sinnend die Straßen entlang,
- Da sah ich ihn hinter mir gehen,
- Als ob er mein Schatten wäre, und stand
- Ich still, so blieb er stehen.
- [306] Blieb stehen, als wartete er auf was,
- Und förderte ich die Schritte,
- Dann folgte er wieder. So kamen wir
- Bis auf des Domplatz Mitte.
- Es ward mir unleidlich, ich drehte mich um
- Und sprach: Jetzt steh’ mir Rede,
- Was folgst du mir auf Weg und Steg,
- Hier in der nächtlichen Oede?
- Ich treffe dich immer in der Stund,
- Wo Weltgefühle sprießen
- In meiner Brust und durch das Hirn
- Die Geistesblitze schießen.
- Du siehst mich an so stier und fest –
- Steh’ Rede: was verhüllst du
- Hier unter dem Mantel, das heimlich blinkt?
- Wer bist du und was willst du?
- [307] Doch jener erwiederte trockenen Tons,
- Sogar ein bischen phlegmatisch:
- „Ich bitte dich, exorzire mich nicht,
- Und werde nur nicht emphatisch!
- „Ich bin kein Gespenst der Vergangenheit,
- Kein grabentstiegener Strohwisch,
- Und von Rhetorik bin ich kein Freund,
- Bin auch nicht sehr philosophisch.
- „Ich bin von praktischer Natur,
- Und immer schweigsam und ruhig.
- Doch wisse: was du ersonnen im Geist’,
- Das führ’ ich aus, das thu’ ich.
- „Und gehn auch Jahre drüber hin,
- Ich raste nicht, bis ich verwandl
- In Wirklichkeit was du gedacht;
- Du denkst, und ich, ich handle.
- [308] „Du bist der Richter, der Büttel bin ich,
- Und mit dem Gehorsam des Knechtes
- Vollstreck’ ich das Urtheil, das du gefällt,
- Und sey es ein ungerechtes.
- „Dem Consul trug man ein Beil voran,
- Zu Rom, in alten Tagen.
- Auch du hast deinen Liktor, doch wird
- Das Beil dir nachgetragen.
- „Ich bin dein Liktor, und ich geh’
- Beständig mit dem blanken
- Richtbeile hinter dir – ich bin
- Die That von deinem Gedanken.“
- [309] Caput VII.
- Ich ging nach Haus und schlief als ob
- Die Engel gewiegt mich hätten.
- Man ruht in deutschen Betten so weich,
- Denn das sind Federbetten.
- Wie sehnt’ ich mich oft nach der Süßigkeit
- Des vaterländischen Pfühles,
- Wenn ich auf harten Matratzen lag,
- In der schlaflosen Nacht des Exiles!
- Man schläft sehr gut und träumt auch gut
- In unseren Federbetten.
- Hier fühlt die deutsche Seele sich frey
- Von allen Erdenketten.
- [310] Sie fühlt sich frey und schwingt sich empor
- Zu den höchsten Himmelsräumen.
- O deutsche Seele, wie stolz ist dein Flug
- In deinen nächtlichen Träumen!
- Die Götter erbleichen wenn du nah’st!
- Du hast auf deinen Wegen
- Gar manches Sternlein ausgeputzt
- Mit deinen Flügelschlägen!
- Franzosen und Russen gehört das Land,
- Das Meer gehört den Britten,
- Wir aber besitzen im Luftreich’ des Traums
- Die Herrschaft unbestritten.
- Hier üben wir die Hegemonie,
- Hier sind wir unzerstückelt;
- Die andern Völker haben sich
- Auf platter Erde entwickelt. – –
- [311] Und als ich einschlief, da träumte mir,
- Ich schlenderte wieder im hellen
- Mondschein die hallenden Straßen entlang,
- In dem alterthümlichen Cöllen.
- Und hinter mir ging wieder einher
- Mein schwarzer, vermummter Begleiter.
- Ich war so müde, mir brachen die Knie,
- Doch immer gingen wir weiter.
- Wir gingen weiter. Mein Herz in der Brust
- War klaffend aufgeschnitten,
- Und aus der Herzenswunde hervor
- Die rothen Tropfen glitten.
- Ich tauchte manchmal die Finger hinein,
- Und manchmal ist es geschehen,
- Daß ich die Hausthürpfosten bestrich
- Mit dem Blut im Vorübergehen.
- [312] Und jedesmal wenn ich ein Haus
- Bezeichnet in solcher Weise,
- Ein Sterbeglöckchen erscholl fernher,
- Wehmüthig wimmernd und leise.
- Am Himmel aber erblich der Mond,
- Er wurde immer trüber;
- Gleich schwarzen Rossen jagten an ihm
- Die wilden Wolken vorüber.
- Und immer ging hinter mir einher
- Mit seinem verborgenen Beile
- Die dunkle Gestalt – so wanderten wir
- Wohl eine gute Weile.
- Wir gehen und gehen, bis wir zuletzt
- Wieder zum Domplatz gelangen;
- Weit offen standen die Pforten dort,
- Wir sind hineingegangen.
- [313] Es herrschte im ungeheuren Raum
- Nur Tod und Nacht und Schweigen;
- Es brannten Ampeln hie und da,
- Um die Dunkelheit recht zu zeigen.
- Ich wandelte lange den Pfeilern entlang
- Und hörte nur die Tritte
- Von meinem Begleiter, er folgte mir
- Auch hier bey jedem Schritte.
- Wir kamen endlich zu einem Ort,
- Wo funkelnde Kerzenhelle
- Und blitzendes Gold und Edelstein;
- Das war die Drey-Königs-Kapelle.
- Die heil’gen drey Könige jedoch,
- Die sonst so still dort lagen,
- O Wunder! sie saßen aufrecht jetzt
- Auf ihren Sarkophagen.
- [314] Drey Todtengerippe, phantastisch geputzt,
- Mit Kronen auf den elenden
- Vergilbten Schädeln, sie trugen auch
- Das Zepter in knöchernen Händen.
- Wie Hampelmänner bewegten sie
- Die längstverstorbenen Knochen;
- Die haben nach Moder und zugleich
- Nach Weihrauchduft gerochen.
- Der Eine bewegte sogar den Mund
- Und hielt eine Rede, sehr lange;
- Er setzte mir auseinander warum
- Er meinen Respekt verlange.
- Zuerst weil er ein Todter sey,
- Und zweitens weil er ein König,
- Und drittens weil er ein Heil’ger sey, –
- Das alles rührte mich wenig.
- [315] Ich gab ihm zur Antwort lachenden Muths:
- Vergebens ist deine Bemühung!
- Ich sehe, daß du der Vergangenheit
- Gehörst in jeder Beziehung.
- Fort! fort von hier! im tiefen Grab,
- Ist Eure natürliche Stelle.
- Das Leben nimmt jetzt in Beschlag
- Die Schätze dieser Kapelle.
- Der Zukunft fröhliche Cavallerie
- Soll hier im Dome hausen.
- Und weicht Ihr nicht willig, so brauch ich Gewalt,
- Und laß’ Euch mit Kolben lausen!
- So sprach ich und ich drehte mich um,
- Da sah ich furchtbar blinken
- Des stummen Begleiters furchtbares Beil –
- Und er verstand mein Winken.
- [316] Er nahte sich, und mit dem Beil
- Zerschmetterte er die armen
- Skelette des Aberglaubens, er schlug
- Sie nieder ohn’ Erbarmen.
- Es dröhnte der Hiebe Wiederhall
- Aus allen Gewölben, entsetzlich, –
- Blutströme schossen aus meiner Brust,
- Und ich erwachte plötzlich.
- [317]
- Caput VIII.
- Von Cöllen bis Hagen kostet die Post
- Fünf Thaler sechs Groschen Preußisch.
- Die Diligence war leider besetzt
- Und ich kam in die offene Beyschais’.
- Ein Spätherbstmorgen, feucht und grau,
- Im Schlamme keuchte der Wagen;
- Doch trotz des schlechten Wetters und Wegs
- Durchströmte mich süßes Behagen.
- Das ist ja meine Heimathluft!
- Die glühende Wange empfand es!
- Und dieser Landstraßenkoth, er ist
- Der Dreck meines Vaterlandes!
- [318] Die Pferde wedelten mit dem Schwanz
- So traulich wie alte Bekannte,
- Und ihre Mistküchlein dünkten mir schön
- Wie die Aepfel der Atalante!
- Wir fuhren durch Mühlheim. Die Stadt ist nett,
- Die Menschen still und fleißig.
- War dort zuletzt im Monat May
- Des Jahres Ein und dreyzig.
- Damals stand alles im Blüthenschmuck
- Und die Sonnenlichter lachten,
- Die Vögel sangen sehnsuchtvoll,
- Und die Menschen hofften und dachten –
- Sie dachten: „Die magere Ritterschaft
- Wird bald von hinnen reisen,
- Und der Abschiedstrunk wird ihnen kredenzt
- Aus langen Flaschen von Eisen!
- [319] „Und die Freiheit kommt mit Spiel und Tanz,
- Mit der Fahne, der weiß-blau-rothen;
- Vielleicht holt sie sogar aus dem Grab
- Den Bonaparte, den Todten!“
- Ach Gott! die Ritter sind immer noch hier,
- Und manche dieser Gäuche,
- Die spindeldürre gekommen in’s Land,
- Die haben jetzt dicke Bäuche.
- Die blassen Canaillen, die ausgesehn
- Wie Liebe, Glauben und Hoffen,
- Sie haben seitdem in unserm Wein
- Sich rothe Nasen gesoffen – – –
- Und die Freiheit hat sich den Fuß verrenkt,
- Kann nicht mehr springen und stürmen;
- Die Trikolore in Paris
- Schaut traurig herab von den Thürmen.
- [320] Der Kaiser ist auferstanden seitdem,
- Doch die englischen Würmer haben
- Aus ihm einen stillen Mann gemacht,
- Und er ließ sich wieder begraben.
- Hab’ selber sein Leichenbegängniß gesehn,
- Ich sah den goldenen Wagen
- Und die goldenen Siegesgöttinnen drauf,
- Die den goldenen Sarg getragen.
- Den Elisäischen Feldern entlang,
- Durch des Triumphes Bogen,
- Wohl durch den Nebel, wohl über den Schnee,
- Kam langsam der Zug gezogen.
- Mißtönend schauerlich war die Musik.
- Die Musikanten starrten
- Vor Kälte. Wehmüthig grüßten mich
- Die Adler der Standarten.
- [321] Die Menschen schauten so geisterhaft
- In alter Erinn’rung verloren –
- Der imperiale Mährchentraum
- War wieder herauf beschworen.
- Ich weinte an jenem Tag. Mir sind
- Die Thränen in’s Auge gekommen,
- Als ich den verschollenen Liebesruf,
- Das Vive l’Empereur! vernommen.
- [322] Caput IX.
- Von Cöllen war ich drei Viertel auf Acht
- Des Morgens fortgereiset;
- Wir kamen nach Hagen schon gegen Drey,
- Da wird zu Mittag gespeiset.
- Der Tisch war gedeckt. Hier fand ich ganz
- Die altgermanische Küche.
- Sey mir gegrüßt, mein Sauerkraut,
- Holdselig sind deine Gerüche!
- Gestofte Kastanien im grünen Kohl!
- So aß ich sie einst bei der Mutter!
- Ihr heimischen Stockfische seid mir gegrüßt!
- Wie schwimmt Ihr klug in der Butter!
- [323] Jedwedem fühlenden Herzen bleibt
- Das Vaterland ewig theuer –
- Ich liebe auch recht braun geschmort
- Die Bücklinge und Eyer.
- Wie jauchzten die Würste im spritzelnden Fett!
- Die Krammetsvögel, die frommen
- Gebratenen Englein mit Apfelmuß,
- Sie zwitscherten mir: Willkommen!
- Willkommen, Landsmann, – zwitscherten sie –
- Bist lange ausgeblieben,
- Hast dich mit fremdem Gevögel so lang
- In der Fremde herumgetrieben!
- Es stand auf dem Tische eine Gans,
- Ein stilles, gemüthliches Wesen.
- Sie hat vielleicht mich einst geliebt,
- Als wir beide noch jung gewesen.
- [324] Sie blickte mich an so bedeutungsvoll,
- So innig, so treu, so wehe!
- Besaß eine schöne Seele gewiß,
- Doch war das Fleisch sehr zähe.
- Auch einen Schweinskopf trug man auf
- In einer zinnernen Schüssel;
- Noch immer schmückt man den Schweinen bei uns
- Mit Lorbeerblättern den Rüssel.
- [325] Caput X.
- Dicht hinter Hagen ward es Nacht,
- Und ich fühlte in den Gedärmen
- Ein seltsames Frösteln. Ich konnte mich erst
- Zu Unna, im Wirthshaus, erwärmen.
- Ein hübsches Mädchen fand ich dort,
- Die schenkte mir freundlich den Punsch ein;
- Wie gelbe Seide das Lockenhaar,
- Die Augen sanft wie Mondschein.
- Den lispelnd westphälischen Accent
- Vernahm ich mit Wollust wieder.
- Viel süße Erinnerung dampfte der Punsch,
- Ich dachte der lieben Brüder,
- [326] Der lieben Westphalen womit ich so oft
- In Göttingen getrunken,
- Bis wir gerührt einander an’s Herz
- Und unter die Tische gesunken!
- Ich habe sie immer so lieb gehabt,
- Die lieben, guten Westphalen,
- Ein Volk so fest, so sicher, so treu,
- Ganz ohne Gleißen und Prahlen.
- Wie standen sie prächtig auf der Mensur,
- Mit ihren Löwenherzen!
- Es fielen so grade, so ehrlich gemeint,
- Die Quarten und die Terzen.
- Sie fechten gut, sie trinken gut,
- Und wenn sie die Hand dir reichen,
- Zum Freundschaftsbündniß, dann weinen sie;
- Sind sentimentale Eichen.
- [327] Der Himmel erhalte dich, wackres Volk,
- Er segne deine Saaten,
- Bewahre dich vor Krieg und Ruhm,
- Vor Helden und Heldenthaten.
- Er schenke deinen Söhnen stets
- Ein sehr gelindes Examen,
- Und deine Töchter bringe er hübsch
- Unter die Haube – Amen!
- [328] Caput XI.
- Das ist der Teutoburger Wald,
- Den Tacitus beschrieben,
- Das ist der klassische Morast,
- Wo Varus stecken geblieben.
- Hier schlug ihn der Cheruskerfürst,
- Der Hermann, der edle Recke;
- Die deutsche Nationalität,
- Die siegte in diesem Drecke.
- Wenn Hermann nicht die Schlacht gewann,
- Mit seinen blonden Horden,
- So gäb’ es deutsche Freiheit nicht mehr,
- Wir wären römisch geworden!
- [329] In unserem Vaterland herrschten jetzt
- Nur römische Sprache und Sitten,
- Vestalen gäb’ es in München sogar,
- Die Schwaben hießen Quiriten!
- Der Hengstenberg wär’ ein Haruspex
- Und grübelte in den Gedärmen
- Von Ochsen. Neander wär’ ein Augur,
- Und schaute nach Vögelschwärmen.
- Birch-Pfeifer söffe Terpentin,
- Wie einst die römischen Damen.
- (Man sagt, daß sie dadurch den Urin
- Besonders wohlriechend bekamen.)
- Der Raumer wäre kein deutscher Lump,
- Er wäre ein röm’scher Lumpazius.
- Der Freiligrath dichtete ohne Reim,
- Wie weiland Flaccus Horazius.
- [330] Der grobe Bettler, Vater Jahn,
- Der hieße jetzt Grobianus.
- Me hercule! Maßmann spräche Latein,
- Der Marcus Tullius Maßmanus!
- Die Wahrheitsfreunde würden jetzt
- Mit Löwen, Hyänen, Schakalen,
- Sich raufen in der Arena, anstatt
- Mit Hunden in kleinen Journalen.
- Wir hätten Einen Nero jetzt
- Statt Landesväter drey Dutzend.
- Wir schnitten uns die Adern auf,
- Den Schergen der Knechtschaft trutzend.
- Der Schelling wär’ ganz ein Seneka,
- Und käme in solchem Conflikt um.
- Zu uns’rem Cornelius sagten wir:
- Kakatum non est piktum.
- [331] Gottlob! Der Hermann gewann die Schlacht,
- Die Römer wurden vertrieben,
- Varus mit seinen Legionen erlag,
- Und wir sind Deutsche geblieben!
- Wir blieben deutsch, wir sprechen deutsch,
- Wie wir es gesprochen haben;
- Der Esel heißt Esel, nicht asinus,
- Die Schwaben blieben Schwaben.
- Der Raumer blieb ein deutscher Lump
- In unserm deutschen Norden.
- In Reimen dichtet Freiligrath,
- Ist kein Horaz geworden.
- Gottlob, der Maßmann spricht kein Latein,
- Birch-Pfeifer schreibt nur Dramen,
- Und säuft nicht schnöden Terpentin,
- Wie Roms galante Damen.
- [332] O Hermann, dir verdanken wir das!
- Drum wird dir, wie sich gebühret,
- Zu Dettmoldt ein Monument gesetzt;
- Hab’ selber subskribiret.
- [333] Caput XII.
- Im nächtlichen Walde humpelt dahin
- Die Chaise. Da kracht es plötzlich –
- Ein Rad ging los. Wir halten still.
- Das ist nicht sehr ergötzlich.
- Der Postillon steigt ab und eilt
- In’s Dorf, und ich verweile
- Um Mitternacht allein im Wald.
- Ringsum ertönt ein Geheule.
- Das sind die Wölfe, die heulen so wild,
- Mit ausgehungerten Stimmen.
- Wie Lichter in der Dunkelheit
- Die feurigen Augen glimmen.
- [334] Sie hörten von meiner Ankunft gewiß,
- Die Bestien, und mir zu Ehre
- Illuminirten sie den Wald,
- Und singen sie ihre Chöre.
- Das ist ein Ständchen, ich merke es jetzt,
- Ich soll gefeyert werden!
- Ich warf mich gleich in Positur
- Und sprach mit gerührten Gebehrden:
- „Mitwölfe! Ich bin glücklich heut
- In Eurer Mitte zu weilen,
- Wo so viel edle Gemüther mir
- Mit Liebe entgegenheulen.
- „Was ich in diesem Augenblick
- Empfinde, ist unermeßlich;
- Ach! diese schöne Stunde bleibt
- Mir ewig unvergeßlich.
- [335] „Ich danke Euch für das Vertraun,
- Womit Ihr mich beehret,
- Und das Ihr in jeder Prüfungszeit
- Durch treue Beweise bewähret.
- „Mitwölfe! Ihr zweifeltet nie an mir,
- Ihr ließet Euch nicht fangen
- Von Schelmen, die Euch gesagt, ich sey
- Zu den Hunden übergegangen,
- „Ich sey abtrünnig und werde bald
- Hofrath in der Lämmerhürde –
- Dergleichen zu widersprechen war
- Ganz unter meiner Würde.
- „Der Schaafpelz, den ich umgehängt
- Zuweilen, um mich zu wärmen,
- Glaubt mir’s, er brachte mich nie dahin
- Für das Glück der Schaafe zu schwärmen.
- [336] „Ich bin kein Schaaf, ich bin kein Hund,
- Kein Hofrath und kein Schellfisch –
- Ich bin ein Wolf geblieben, mein Herz
- Und meine Zähne sind wölfisch.
- „Ich bin ein Wolf und werde stets
- Auch heulen mit den Wölfen –
- Ja, zählt auf mich und helft Euch selbst,
- Dann wird auch Gott Euch helfen!“
- Das war die Rede, die ich hielt,
- Ganz ohne Vorbereitung;
- Verstümmelt hat Kolb sie abgedruckt
- In der Allgemeinen Zeitung.
- [337]
- Caput XIII.
- Die Sonne ging auf bey Paderborn,
- Mit sehr verdross’ner Gebehrde.
- Sie treibt in der That ein verdrießlich Geschäft –
- Beleuchten die dumme Erde!
- Hat sie die eine Seite erhellt,
- Und bringt sie mit strahlender Eile
- Der andern ihr Licht, so verdunkelt schon
- Sich jene mittlerweile.
- Der Stein entrollt dem Sisyphus,
- Der Danaiden Tonne
- Wird nie gefüllt, und den Erdenball
- Beleuchtet vergeblich die Sonne! – –
- [338] Und als der Morgennebel zerrann,
- Da sah ich am Wege ragen,
- Im Frührothschein, das Bild des Mann’s,
- Der an das Kreuz geschlagen.
- Mit Wehmuth erfüllt mich jedesmahl
- Dein Anblick, mein armer Vetter,
- Der du die Welt erlösen gewollt,
- Du Narr, du Menschheitsretter!
- Sie haben dir übel mitgespielt,
- Die Herren vom hohen Rathe.
- Wer hieß dich auch reden so rücksichtslos
- Von der Kirche und vom Staate!
- Zu deinem Malheur war die Buchdruckerey
- Noch nicht in jenen Tagen
- Erfunden; Du hättest geschrieben ein Buch
- Ueber die Himmelsfragen.
- [339] Der Censor hätte gestrichen darin
- Was etwa anzüglich auf Erden,
- Und liebend bewahrte dich die Censur
- Vor dem Gekreuzigtwerden.
- Ach! hättest du nur einen andern Text
- Zu deiner Bergpredigt genommen,
- Besaßest ja Geist und Talent genug,
- Und konntest schonen die Frommen!
- Geldwechsler, Banquièrs, hast du sogar
- Mit der Peitsche gejagt aus dem Tempel –
- Unglücklicher Schwärmer, jetzt hängst du am Kreuz
- Als warnendes Exempel!
- [340]
- Caput XIV.
- Ein feuchter Wind, ein kahles Land,
- Die Chaise wackelt im Schlamme,
- Doch singt es und klingt es in meinem Gemüth:
- Sonne, du klagende Flamme!
- Das ist der Schlußreim des alten Lieds,
- Das oft meine Amme gesungen –
- „Sonne, du klagende Flamme!“ das hat
- Wie Waldhornruf geklungen.
- Es kommt im Lied ein Mörder vor,
- Der lebt’ in Lust und Freude;
- Man findet ihn endlich im Walde gehenkt,
- An einer grauen Weide.
- [341] Der Mörders Todesurtheil war
- Genagelt am Weidenstamme;
- Das haben die Rächer der Vehme gethan –
- Sonne, du klagende Flamme!
- Die Sonne war Kläger, sie hatte bewirkt,
- Daß man den Mörder verdamme.
- Otilie hatte sterbend geschrien:
- Sonne, du klagende Flamme!
- Und denk ich des Liedes, so denk’ ich auch
- Der Amme, der lieben Alten;
- Ich sehe wieder ihr braunes Gesicht,
- Mit allen Runzeln und Falten.
- Sie war geboren im Münsterland,
- Und wußte, in großer Menge,
- Gespenstergeschichten, grausenhaft,
- Und Mährchen und Volksgesänge.
- [342] Wie pochte mein Herz, wenn die alte Frau
- Von der Königstochter erzählte,
- Die einsam auf der Heide saß
- Und die goldnen Haare strählte.
- Die Gänse mußte sie hüten dort
- Als Gänsemagd, und trieb sie
- Am Abend die Gänse wieder durch’s Thor,
- Gar traurig stehen blieb sie.
- Denn angenagelt über dem Thor
- Sah sie ein Roßhaupt ragen,
- Das war der Kopf des armen Pferds,
- Das sie in die Fremde getragen.
- Die Königstochter seufzte tief:
- O Falada, daß du hangest!
- Der Pferdekopf herunter rief:
- O wehe! daß du gangest!
- [343] Die Königstochter seufzte tief:
- Wenn das meine Mutter wüßte!
- Der Pferdekopf herunter rief:
- Ihr Herze brechen müßte!
- Mit stockendem Athem horchte ich hin,
- Wenn die Alte ernster und leiser
- Zu sprechen begann und vom Rothbart sprach,
- Von unserem heimlichen Kaiser.
- Sie hat mir versichert, er sey nicht todt,
- Wie da glauben die Gelehrten,
- Er hause versteckt in einem Berg
- Mit seinen Waffengefährten.
- Kiffhäuser ist der Berg genannt,
- Und drinnen ist eine Höhle;
- Die Ampeln erhellen so geisterhaft
- Die hochgewölbten Sääle.
- [344] Ein Marstall ist der erste Saal,
- Und dorten kann man sehen
- Viel tausend Pferde, blankgeschirrt,
- Die an den Krippen stehen.
- Sie sind gesattelt und gezäumt,
- Jedoch von diesen Rossen
- Kein einziges wiehert, kein einziges stampft,
- Sind still, wie aus Eisen gegossen.
- Im zweiten Saale, auf der Streu,
- Sieht man Soldaten liegen,
- Viel tausend Soldaten, bärtiges Volk,
- Mit kriegerisch trotzigen Zügen.
- Sie sind gerüstet von Kopf bis Fuß,
- Doch alle diese Braven,
- Sie rühren sich nicht, bewegen sich nicht,
- Sie liegen fest und schlafen.
- [345] Hochaufgestapelt im dritten Saal
- Sind Schwerter, Streitäxte, Speere,
- Harnische, Helme, von Silber und Stahl,
- Altfränkische Feuergewehre.
- Sehr wenig Kanonen, jedoch genug
- Um eine Trophee zu bilden.
- Hoch ragt daraus eine Fahne hervor,
- Die Farbe ist schwarz-roth-gülden.
- Der Kaiser bewohnt den vierten Saal.
- Schon seit Jahrhunderten sitzt er
- Auf steinernem Stuhl, am steinernen Tisch,
- Das Haupt auf den Armen stützt er.
- Sein Bart, der bis zur Erde wuchs,
- Ist roth wie Feuerflammen,
- Zuweilen zwinkert er mit dem Aug’,
- Zieht manchmal die Braunen zusammen.
- [346] Schläft er oder denkt er nach?
- Man kann’s nicht genau ermitteln;
- Doch wenn die rechte Stunde kommt,
- Wird er gewaltig sich rütteln.
- Die gute Fahne ergreift er dann
- Und ruft: Zu Pferd’! zu Pferde!
- Sein reisiges Volk erwacht und springt
- Lautrasselnd empor von der Erde.
- Ein jeder schwingt sich auf sein Roß,
- Das wiehert und stampft mit den Hufen!
- Sie reiten hinaus in die klirrende Welt,
- Und die Trompeten rufen.
- Sie reiten gut, sie schlagen gut,
- Sie haben ausgeschlafen.
- Der Kaiser hält ein strenges Gericht,
- Er will die Mörder bestrafen –
- [347] Die Mörder, die gemeuchelt einst
- Die theure, wundersame,
- Goldlockigte Jungfrau Germania –
- Sonne, du klagende Flamme!
- Wohl mancher, der sich geborgen geglaubt,
- Und lachend auf seinem Schloß saß,
- Er wird nicht entgehen dem rächenden Strang,
- Dem Zorne Barbarossas! – – –
- Wie klingen sie lieblich, wie klingen sie süß,
- Die Mährchen der alten Amme!
- Mein abergläubisches Herze jauchzt:
- Sonne, du klagende Flamme!
- [348] Caput XV.
- Ein feiner Regen prickelt herab,
- Eiskalt, wie Nähnadelspitzen.
- Die Pferde bewegen traurig den Schwanz,
- Sie waten im Koth und schwitzen.
- Der Postillon stößt in sein Horn,
- Ich kenne das alte Getute –
- „Es reiten drey Reiter zum Thor hinaus!“ –
- Es wird mir so dämmrig zu Muthe.
- Mich schläferte und ich entschlief,
- Und siehe! mir träumte am Ende,
- Daß ich mich in dem Wunderberg
- Beim Kaiser Rothbart befände.
- [349] Er saß nicht mehr auf steinernem Stuhl,
- Am steinernen Tisch, wie ein Steinbild;
- Auch sah er nicht so ehrwürdig aus,
- Wie man sich gewöhnlich einbild’t.
- Er watschelte durch die Sääle herum
- Mit mir im trauten Geschwätze.
- Er zeigte wie ein Antiquar
- Mir seine Curiosa und Schätze.
- Im Saale der Waffen erklärte er mir
- Wie man sich der Kolben bediene,
- Von einigen Schwertern rieb er den Rost
- Mit seinem Hermeline.
- Er nahm ein Pfauenwedel zur Hand,
- Und reinigte vom Staube
- Gar manchen Harnisch, gar manchen Helm,
- Auch manche Pickelhaube.
- [350] Die Fahne stäubte er gleichfalls ab,
- Und er sprach: „mein größter Stolz ist,
- Daß noch keine Motte die Seide zerfraß,
- Und auch kein Wurm im Holz ist.“
- Und als wir kamen in den Saal,
- Wo schlafend am Boden liegen
- Viel tausend Krieger, kampfbereit,
- Der Alte sprach mit Vergnügen:
- „Hier müssen wir leiser reden und gehn,
- Damit wir nicht wecken die Leute;
- Wieder verflossen sind hundert Jahr
- Und Löhnungstag ist heute.“
- Und siehe! der Kaiser nahte sich sacht
- Den schlafenden Soldaten,
- Und steckte heimlich in die Tasch’
- Jedwedem einen Dukaten.
- [351] Er sprach mit schmunzelndem Gesicht,
- Als ich ihn ansah verwundert:
- „Ich zahle einen Dukaten per Mann,
- Als Sold, nach jedem Jahrhundert.“
- Im Saale wo die Pferde stehn
- In langen, schweigenden Reihen,
- Da rieb der Kaiser sich die Händ’,
- Schien sonderbar sich zu freuen.
- Er zählte die Gäule, Stück vor Stück,
- Und klätschelte ihnen die Rippen;
- Er zählte und zählte, mit ängstlicher Hast
- Bewegten sich seine Lippen.
- „Das ist noch nicht die rechte Zahl“ –
- Sprach er zuletzt verdrossen –
- „Soldaten und Waffen hab’ ich genung,
- Doch fehlt es noch an Rossen.
- [352] „Roßkämme hab’ ich ausgeschickt
- In alle Welt, die kaufen
- Für mich die besten Pferde ein,
- Hab’ schon einen guten Haufen.
- „Ich warte bis die Zahl komplet,
- Dann schlag’ ich los und befreye
- Mein Vaterland, mein deutsches Volk,
- Das meiner harret mit Treue.“
- So sprach der Kaiser, ich aber rief:
- Schlag’ los, du alter Geselle,
- Schlag’ los, und hast du nicht Pferde genug,
- Nimm Esel an ihrer Stelle.
- Der Rothbart erwiederte lächelnd: „Es hat
- Mit dem Schlagen gar keine Eile,
- Man baute nicht Rom in einem Tag,
- Gut Ding will haben Weile.
- [353] „Wer heute nicht kommt, kommt morgen gewiß,
- Nur langsam wächst die Eiche,
- Und chi va piano va sano, so heißt
- Das Sprüchwort im römischen Reiche.“
- [354] Caput XVI.
- Das Stoßen des Wagens weckte mich auf,
- Doch sanken die Augenlieder
- Bald wieder zu, und ich entschlief
- Und träumte vom Rothbart wieder.
- Ging wieder schwatzend mit ihm herum
- Durch alle die hallenden Sääle;
- Er frug mich dies, er frug mich das,
- Verlangte, daß ich erzähle.
- Er hatte aus der Oberwelt
- Seit vielen, vielen Jahren,
- Wohl seit dem siebenjährigen Krieg,
- Kein Sterbenswort erfahren.
- [355] Er frug nach Moses Mendelssohn,
- Nach der Karschin, mit Intresse
- Frug er nach der Gräfin Dübarry,
- Des fünfzehnten Ludwigs Maitresse.
- O Kaiser, rief ich, wie bist du zurück!
- Der Moses ist längst gestorben,
- Nebst seiner Rebekka, auch Abraham,
- Der Sohn, ist gestorben, verdorben.
- Der Abraham hatte mit Lea erzeugt
- Ein Bübchen, Felix heißt er,
- Der brachte es weit im Christenthum,
- Ist schon Capellenmeister.
- Die alte Karschin ist gleichfalls todt,
- Auch die Tochter ist todt, die Klenke;
- Helmine Chesy, die Enkelin,
- Ist noch am Leben, ich denke.
- [356] Die Dübarry lebte lustig und flott,
- So lange Ludwig regierte,
- Der fünfzehnte nämlich, sie war schon alt
- Als man sie guillotinirte.
- Der König Ludwig der fünfzehnte starb
- Ganz ruhig in seinem Bette,
- Der sechzehnte aber ward guillotinirt
- Mit der Königin Antoinette.
- Die Königin zeigte großen Muth,
- Ganz wie es sich gebührte,
- Die Dübarry aber weinte und schrie
- Als man sie guillotinirte. – –
- Der Kaiser blieb plötzlich stille stehn,
- Und sah mich an mit den stieren
- Augen und sprach: „Um Gotteswill’n,
- Was ist das, guillotiniren?“
- [357] Das Guillotiniren – erklärte ich ihm –
- Ist eine neue Methode,
- Womit man die Leute jeglichen Stands
- Vom Leben bringt zu Tode.
- Bey dieser Methode bedient man sich
- Auch einer neuen Maschine,
- Die hat erfunden Herr Guillotin,
- Drum nennt man sie Guillotine.
- Du wirst hier an ein Brett geschnallt; –
- Das senkt sich; – du wirst geschoben
- Geschwinde zwischen zwey Pfosten; – es hängt
- Ein dreyeckig Beil ganz oben; –
- Man zieht eine Schnur, dann schießt herab
- Das Beil, ganz lustig und munter; –
- Bey dieser Gelegenheit fällt dein Kopf
- In einen Sack hinunter.
- [358] Der Kaiser fiel mir in die Red:
- „Schweig still, von deiner Maschine
- Will ich nichts wissen, Gott bewahr’,
- Daß ich mich ihrer bediene!
- „Der König und die Königinn!
- Geschnallt! an einem Brette!
- Das ist ja gegen allen Respekt
- Und alle Etiquette!
- „Und du, wer bist du, daß du es wagst
- Mich so vertraulich zu dutzen?
- Warte, du Bürschchen, ich werde dir schon
- Die kecken Flügel stutzen!
- „Es regt mir die innerste Galle auf,
- Wenn ich dich höre sprechen,
- Dein Odem schon ist Hochverrath
- Und Majestätsverbrechen!“
- [359] Als solchermaßen in Eifer gerieth
- Der Alte und sonder Schranken
- Und Schonung mich anschnob, da platzten heraus
- Auch mir die geheimsten Gedanken.
- Herr Rothbart – rief ich laut – du bist
- Ein altes Fabelwesen,
- Geh’, leg’ dich schlafen, wir werden uns
- Auch ohne dich erlösen.
- Die Republikaner lachen uns aus,
- Sehn sie an unserer Spitze
- So ein Gespenst mit Zepter und Kron’;
- Sie rissen schlechte Witze.
- Auch deine Fahne gefällt mir nicht mehr,
- Die altdeutschen Narren verdarben
- Mir schon in der Burschenschaft die Lust
- An den schwarz-roth-goldnen Farben.
- [360] Das Beste wäre du bliebest zu Haus,
- Hier in dem alten Kiffhäuser –
- Bedenk’ ich die Sache ganz genau,
- So brauchen wir gar keinen Kaiser.
- [361] Caput XVII.
- Ich habe mich mit dem Kaiser gezankt
- Im Traum, im Traum versteht sich, –
- Im wachenden Zustand sprechen wir nicht
- Mit Fürsten so widersetzig.
- Nur träumend, im idealen Traum,
- Wagt ihnen der Deutsche zu sagen
- Die deutsche Meinung, die er so tief
- Im treuen Herzen getragen.
- Als ich erwacht’ fuhr ich einem Wald
- Vorbey, der Anblick der Bäume,
- Der nackten hölzernen Wirklichkeit
- Verscheuchte meine Träume.
- [362] Die Eichen schüttelten ernsthaft das Haupt,
- Die Birken und Birkenreiser
- Sie nickten so warnend – und ich rief:
- Vergieb mir, mein theurer Kaiser!
- Vergieb mir, o Rothbart, das rasche Wort!
- Ich weiß, du bist viel weiser
- Als ich, ich habe so wenig Geduld –
- Doch komme du bald, mein Kaiser!
- Behagt dir das Guillotiniren nicht,
- So bleib bey den alten Mitteln:
- Das Schwert für Edelleute, der Strick
- Für Bürger und Bauern in Kitteln.
- Nur manchmal wechsle ab, und laß
- Den Adel hängen, und köpfe
- Ein bischen die Bürger und Bauern, wir sind
- Ja alle Gottesgeschöpfe.
- [363] Stell’ wieder her das Halsgericht,
- Das peinliche Carls des fünften,
- Und theile wieder ein das Volk
- Nach Ständen, Gilden und Zünften.
- Das alte heilige römische Reich,
- Stell’s wieder her, das ganze,
- Gieb uns den modrigsten Plunder zurück
- Mit allem Firlifanze.
- Das Mittelalter, immerhin,
- Das wahre, wie es gewesen,
- Ich will es ertragen – erlöse uns nur
- Von jenem Zwitterwesen,
- Von jenem Kamaschenritterthum,
- Das ekelhaft ein Gemisch ist
- Von gothischem Wahn und modernem Lug,
- Das weder Fleisch noch Fisch ist.
- [364] Jag’ fort das Comödiantenpack,
- Und schließe die Schauspielhäuser,
- Wo man die Vorzeit parodirt –
- Komme du bald, o Kaiser!
- [365] Caput XVIII.
- Minden ist eine feste Burg,
- Hat gute Wehr’ und Waffen!
- Mit preußischen Festungen hab’ ich jedoch
- Nicht gerne was zu schaffen.
- Wir kamen dort an zur Abendzeit.
- Die Planken der Zugbrück stöhnten
- So schaurig, als wir hinübergerollt;
- Die dunklen Gräben gähnten.
- Die hohen Bastionen schauten mich an,
- So drohend und verdrossen;
- Das große Thor ging rasselnd auf,
- Ward rasselnd wieder geschlossen.
- [366] Ach! meine Seele ward betrübt
- Wie des Odysseus Seele,
- Als er gehört, daß Polyphem
- Den Felsblock schob vor die Höhle.
- Es trat an den Wagen ein Corporal
- Und frug uns: wie wir hießen?
- Ich heiße Niemand, bin Augenarzt
- Und steche den Staar den Riesen.
- Im Wirthshaus ward mir noch schlimmer zu Muth,
- Das Essen wollt mir nicht schmecken.
- Ging schlafen sogleich, doch schlief ich nicht,
- Mich drückten so schwer die Decken.
- Es war ein breites Federbett,
- Gardinen von rothem Damaste,
- Der Himmel von verblichenem Gold,
- Mit einem schmutzigen Quaste.
- [367] Verfluchter Quast! der die ganze Nacht
- Die liebe Ruhe mir raubte!
- Er hing mir, wie des Damokles Schwert,
- So drohend über dem Haupte!
- Schien manchmal ein Schlangenkopf zu seyn,
- Und ich hörte ihn heimlich zischen:
- Du bist und bleibst in der Festung jetzt,
- Du kannst nicht mehr entwischen!
- O, daß ich wäre – seufzte ich –
- Daß ich zu Hause wäre,
- Bei meiner lieben Frau in Paris,
- Im Faubourg-Poissonière!
- Ich fühlte, wie über die Stirne mir
- Auch manchmal etwas gestrichen,
- Gleich einer kalten Censorhand,
- Und meine Gedanken wichen –
- [368] Gensd’armen in Leichenlaken gehüllt,
- Ein weißes Spukgewirre,
- Umringte mein Bett, ich hörte auch
- Unheimliches Kettengeklirre.
- Ach! die Gespenster schleppten mich fort,
- Und ich hab’ mich endlich befunden
- An einer steilen Felsenwand;
- Dort war ich festgebunden.
- Der böse schmutzige Betthimmelquast!
- Ich fand ihn gleichfalls wieder,
- Doch sah er jetzt wie ein Geyer aus,
- Mit Krallen und schwarzem Gefieder.
- Er glich dem preußischen Adler jetzt,
- Und hielt meinen Leib umklammert;
- Er fraß mir die Leber aus der Brust,
- Ich habe gestöhnt und gejammert.
- [369] Ich jammerte lange – da krähte der Hahn,
- Und der Fiebertraum erblaßte.
- Ich lag zu Minden im schwitzenden Bett,
- Der Adler ward wieder zum Quaste.
- Ich reiste fort mit Extrapost,
- Und schöpfte freyen Odem
- Erst draußen in der freien Natur,
- Auf Bükkeburgschem Boden.
- [370] Caput XIX.
- O, Danton, du hast dich sehr geirrt
- Und mußtest den Irthum büßen!
- Mitnehmen kann man das Vaterland
- An den Sohlen, an den Füßen.
- Das halbe Fürstenthum Bückeburg
- Blieb mir an den Stiefeln kleben;
- So lehmigte Wege habe ich wohl
- Noch nie gesehen im Leben.
- Zu Bückeburg stieg ich ab in der Stadt,
- Um dort zu betrachten die Stammburg,
- Wo mein Großvater geboren ward;
- Die Großmutter war aus Hamburg.
- [371] Ich kam nach Hannover um Mittagzeit,
- Und ließ mir die Stiefel putzen.
- Ich ging sogleich die Stadt zu besehn,
- Ich reise gern mit Nutzen.
- Mein Gott! da sieht es sauber aus!
- Der Koth liegt nicht auf den Gassen.
- Viel’ Prachtgebäude sah ich dort,
- Sehr imponirende Massen.
- Besonders gefiel mir ein großer Platz,
- Umgeben von stattlichen Häusern;
- Dort wohnt der König, dort steht sein Palast,
- Er ist von schönem Aeußern.
- (Nämlich der Palast.) Vor dem Portal
- Zu jeder Seite ein Schildhaus.
- Rothröcke mit Flinten halten dort Wacht,
- Sie sehen drohend und wild aus.
- [372] Mein Cicerone sprach: „Hier wohnt
- Der Ernst Augustus, ein alter,
- Hochtoryscher Lord, ein Edelmann,
- Sehr rüstig für sein Alter.
- „Idyllisch sicher haust er hier,
- Denn besser als alle Trabanten
- Beschützet ihn der mangelnde Muth
- Von unseren lieben Bekannten.
- „Ich seh’ ihn zuweilen, er klagt alsdann
- Wie gar langweilig das Amt sey,
- Das Königsamt, wozu er jetzt
- Hier in Hannover verdammt sey.
- „An großbritanisches Leben gewöhnt,
- Sey es ihm hier zu enge,
- Ihn plage der Spleen, er fürchte schier,
- Er halt’ es nicht aus auf die Länge.
- [373] „Vorgestern fand ich ihn traurig gebückt
- Am Camin, in der Morgenstunde;
- Er kochte höchstselbst ein Lavement
- Für seine kranken Hunde.“
- [374] Caput XX.
- Von Harburg fuhr ich in einer Stund’
- Nach Hamburg. Es war schon Abend.
- Die Sterne am Himmel grüßten mich,
- Die Luft war lind und labend.
- Und als ich zu meiner Frau Mutter kam,
- Erschrak sie fast vor Freude;
- Sie rief: „mein liebes Kind!“ und schlug
- Zusammen die Hände beide.
- „Mein liebes Kind, wohl dreyzehn Jahr
- Verflossen unterdessen!
- Du wirst gewiß sehr hungrig seyn –
- Sag’ an, was willst du essen?
- [375] „Ich habe Fisch und Gänsefleisch
- Und schöne Apfelsinen.“
- So gieb mir Fisch und Gänsefleisch
- Und schöne Apfelsinen.
- Und als ich aß mit großem Ap’tit,
- Die Mutter ward glücklich und munter,
- Sie frug wohl dies, sie frug wohl das,
- Verfängliche Fragen mitunter.
- „Mein liebes Kind! und wirst du auch
- Recht sorgsam gepflegt in der Fremde?
- Versteht deine Frau die Haushaltung,
- Und flickt sie dir Strümpfe und Hemde?“
- Der Fisch ist gut, lieb Mütterlein,
- Doch muß man ihn schweigend verzehren;
- Man kriegt so leicht eine Grät’ in den Hals,
- Du darfst mich jetzt nicht stören.
- [376] Und als ich den braven Fisch verzehrt,
- Die Gans ward aufgetragen.
- Die Mutter frug wieder wohl dies, wohl das,
- Mitunter verfängliche Fragen.
- „Mein liebes Kind! in welchem Land
- Läßt sich am besten leben?
- Hier oder in Frankreich? und welchem Volk
- Wirst du den Vorzug geben?“
- Die deutsche Gans, lieb Mütterlein,
- Ist gut, jedoch die Franzosen,
- Sie stopfen die Gänse besser als wir,
- Auch haben sie bessere Saucen. –
- Und als die Gans sich wieder empfahl,
- Da machten ihre Aufwartung
- Die Apfelsinen, sie schmeckten so süß,
- Ganz über alle Erwartung.
- [377] Die Mutter aber fing wieder an
- Zu fragen sehr vergnüglich,
- Nach tausend Dingen, mitunter sogar
- Nach Dingen die sehr anzüglich.
- „Mein liebes Kind! wie denkst du jetzt?
- Treibst du noch immer aus Neigung
- Die Politik? Zu welcher Parthey
- Gehörst du mit Ueberzeugung?“
- Die Apfelsinen, lieb Mütterlein,
- Sind gut, und mit wahrem Vergnügen
- Verschlucke ich den süßen Saft,
- Und ich lasse die Schaalen liegen.
- [378] Caput XXI.
- Die Stadt, zur Hälfte abgebrannt,
- Wird aufgebaut allmählig;
- Wie’n Pudel, der halb geschoren ist,
- Sieht Hamburg aus, trübselig.
- Gar manche Gassen fehlen mir,
- Die ich nur ungern vermisse –
- Wo ist das Haus, wo ich geküßt
- Der Liebe erste Küsse?
- Wo ist die Druckerey, wo ich
- Die Reisebilder druckte?
- Wo ist der Austerkeller, wo ich
- Die ersten Austern schluckte?
- [379] Und der Dreckwall, wo ist der Dreckwall hin?
- Ich kann ihn vergeblich suchen!
- Wo ist der Pavillon, wo ich
- Gegessen so manchen Kuchen?
- Wo ist das Rathhaus, worin der Senat
- Und die Bürgerschaft gethronet?
- Ein Raub der Flammen! Die Flamme hat
- Das Heiligste nicht verschonet.
- Die Leute seufzten noch vor Angst,
- Und mit wehmüth’gem Gesichte
- Erzählten sie mir vom großen Brand
- Die schreckliche Geschichte:
- „Es brannte an allen Ecken zugleich,
- Man sah nur Rauch und Flammen!
- Die Kirchenthürme loderten auf
- Und stürzten krachend zusammen.
- [380] „Die alte Börse ist verbrannt,
- Wo unsere Väter gewandelt,
- Und mit einander Jahrhunderte lang
- So redlich als möglich gehandelt.
- „Die Bank, die silberne Seele der Stadt,
- Und die Bücher wo eingeschrieben
- Jedweden Mannes Banko-Werth,
- Gottlob! sie sind uns geblieben!
- „Gottlob! man kollektirte für uns
- Selbst bei den fernsten Nazionen –
- Ein gutes Geschäft – die Collekte betrug
- Wohl an die acht Millionen.
- „Aus allen Ländern floß das Geld
- In unsre offnen Hände,
- Auch Victualien nahmen wir an,
- Verschmähten keine Spende.
- [381] „Man schickte uns Kleider und Betten genug,
- Auch Brod und Fleisch und Suppen!
- Der König von Preußen wollte sogar
- Uns schicken seine Truppen.
- „Der materielle Schaden ward
- Vergütet, das ließ sich schätzen –
- Jedoch den Schrecken, unseren Schreck,
- Den kann uns niemand ersetzen!“
- Aufmunternd sprach ich: Ihr lieben Leut,
- Ihr müßt nicht jammern und flennen,
- Troya war eine bessere Stadt
- Und mußte doch verbrennen.
- Baut Eure Häuser wieder auf
- Und trocknet Eure Pfützen,
- Und schafft Euch bess’re Gesetze an,
- Und beß’re Feuerspritzen.
- [382] Gießt nicht zuviel Cajenne-Piment
- In Eure Mokturtelsuppen,
- Auch Eure Karpfen sind Euch nicht gesund,
- Ihr kocht sie so fett mit den Schuppen.
- Kalkuten schaden Euch nicht viel,
- Doch hütet Euch vor der Tücke
- Des Vogels, der sein Ey gelegt
- In des Bürgermeisters Perücke. – –
- Wer dieser fatale Vogel ist,
- Ich brauch es Euch nicht zu sagen –
- Denk’ ich an ihn, so dreht sich herum
- Das Essen in meinem Magen.
- [383] Caput XXII.
- Noch mehr verändert als die Stadt
- Sind mir die Menschen erschienen,
- Sie geh’n so betrübt und gebrochen herum,
- Wie wandelnde Ruinen.
- Die mageren sind noch dünner jetzt,
- Noch fetter sind die feisten,
- Die Kinder sind alt, die Alten sind
- Kindisch geworden, die meisten.
- Gar manche, die ich als Kälber verließ,
- Fand ich als Ochsen wieder;
- Gar manches kleine Gänschen ward
- Zur Gans mit stolzem Gefieder.
- [384] Die alte Gudel fand ich geschminkt
- Und geputzt wie eine Syrene;
- Hat schwarze Locken sich angeschafft
- Und blendend weiße Zähne.
- Am besten hat sich konservirt
- Mein Freund der Papierverkäufer;
- Sein Haar ward gelb und umwallt sein Haupt,
- Sieht aus wie Johannes der Täufer.
- Den **** den sah ich nur von fern,
- Er huschte mir rasch vorüber;
- Ich höre, sein Geist ist abgebrannt
- Und war versichert bey Biber.
- Auch meinen alten Censor sah
- Ich wieder. Im Nebel, gebücket,
- Begegnet’ er mir auf dem Gänsemarkt,
- Schien sehr darnieder gedrücket.
- [385] Wir schüttelten uns die Hände, es schwamm
- Im Auge des Manns eine Thräne.
- Wie freute er sich, mich wieder zu sehn!
- Es war eine rührende Scene. –
- Nicht alle fand ich. Mancher hat
- Das Zeitliche gesegnet.
- Ach! meinem Gumpelino sogar
- Bin ich nicht mehr begegnet.
- Der Edle hatte ausgehaucht
- Die große Seele so eben,
- Und wird als verklärter Seraph jetzt
- Am Throne Jehovahs schweben.
- Vergebens suchte ich überall
- Den krummen Adonis, der Tassen
- Und Nachtgeschirr von Porzelan
- Feil bot in Hamburgs Gassen.
- [386] Sarras, der treue Pudel, ist todt.
- Ein großer Verlust! Ich wette,
- Daß Campe lieber ein ganzes Schock
- Schriftsteller verloren hätte. – –
- Die Populazion des Hamburger Staats
- Besteht, seit Menschengedenken,
- Aus Juden und Christen; es pflegen auch
- Die letztren nicht viel zu verschenken.
- Die Christen sind alle ziemlich gut,
- Auch essen sie gut zu Mittag,
- Und ihre Wechsel bezahlen sie prompt,
- Noch vor dem letzten Respittag.
- Die Juden theilen sich wieder ein
- In zwey verschiedne Partheyen;
- Die Alten gehn in die Synagog’
- Und in den Tempel die Neuen.
- [387] Die Neuen essen Schweinefleisch,
- Zeigen sich widersetzig,
- Sind Demokraten; die Alten sind
- Vielmehr aristokrätzig.
- Ich liebe die Alten, ich liebe die Neu’n –
- Doch schwör’ ich, beim ewigen Gotte,
- Ich liebe gewisse Fischchen noch mehr,
- Man heißt sie geräucherte Sprotte.
- [388] Caput XXIII.
- Als Republik war Hamburg nie
- So groß wie Venedig und Florenz,
- Doch Hamburg hat bessere Austern; man speist
- Die besten im Keller von Lorenz.
- Es war ein schöner Abend, als ich
- Mich hinbegab mit Campen;
- Wir wollten mit einander dort
- In Rheinwein und Austern schlampampen.
- Auch gute Gesellschaft fand ich dort,
- Mit Freude sah ich wieder
- Manch alten Genossen, z. B. Chaufepié,
- Auch manche neue Brüder.
- [389] Da war der Wille, dessen Gesicht
- Ein Stammbuch, worin mit Hieben
- Die akademischen Feinde sich
- Recht leserlich eingeschrieben.
- Da war der Fucks, ein blinder Heid,
- Und persönlicher Feind des Jehovah,
- Glaubt nur an Hegel und etwa noch
- An die Venus des Canova.
- Mein Campe war Amphytrio
- Und lächelte vor Wonne;
- Sein Auge stralte Seligkeit,
- Wie eine verklärte Madonne.
- Ich aß und trank, mit gutem Ap’tit,
- Und dachte in meinem Gemüthe:
- „Der Campe ist wirklich ein großer Mann,
- Ist aller Verleger Blüthe.
- [390] „Ein andrer Verleger hätte mich
- Vielleicht verhungern lassen,
- Der aber giebt mir zu trinken sogar;
- Werde ihn niemals verlassen.
- „Ich danke dem Schöpfer in der Höh’,
- Der diesen Saft der Reben
- Erschuf, und zum Verleger mir
- Den Julius Campe gegeben!
- „Ich danke dem Schöpfer in der Höh’,
- Der, durch sein großes Werde,
- Die Austern erschaffen in der See
- Und den Rheinwein auf der Erde!
- „Der auch Citronen wachsen ließ,
- Die Austern zu bethauen –
- Nun laß mich, Vater, diese Nacht
- Das Essen gut verdauen!“
- [391] Der Rheinwein stimmt mich immer weich,
- Und löst jedwedes Zerwürfniß
- In meiner Brust, entzündet darinn
- Der Menschenliebe Bedürfniß.
- Es treibt mich aus dem Zimmer hinaus,
- Ich muß in den Straßen schlendern;
- Die Seele sucht eine Seele und späh’t
- Nach zärtlich weißen Gewändern.
- In solchen Momenten zerfließe ich fast
- Vor Wehmuth und vor Sehnen;
- Die Katzen scheinen mir alle grau,
- Die Weiber alle Helenen. – – –
- Und als ich auf die Drehbahn kam,
- Da sah ich im Mondenschimmer
- Ein hehres Weib, ein wunderbar
- Hochbusiges Frauenzimmer.
- [392] Ihr Antlitz war rund und kerngesund,
- Die Augen wie blaue Turkoasen,
- Die Wangen wie Rosen, wie Kirschen der Mund,
- Auch etwas röthlich die Nase.
- Ihr Haupt bedeckte eine Mütz’
- Von weißem gesteiftem Linnen,
- Gefältelt wie eine Mauerkron’,
- Mit Thürmchen und zackigen Zinnen.
- Sie trug eine weiße Tunika,
- Bis an die Waden reichend.
- Und welche Waden! Das Fußgestell
- Zwey dorischen Säulen gleichend.
- Die weltlichste Natürlichkeit
- Konnt man in den Zügen lesen;
- Doch das übermenschliche Hintertheil
- Verrieth ein höheres Wesen.
- [393] Sie trat zu mir heran und sprach:
- „Willkommen an der Elbe,
- Nach dreyzehnjähr’ger Abwesenheit –
- Ich sehe du bist noch derselbe!
- „Du suchst die schönen Seelen vielleicht,
- Die dir so oft begegen’t
- Und mit dir geschwärmt die Nacht hindurch,
- In dieser schönen Gegend.
- „Das Leben verschlang sie, das Ungethüm,
- Die hundertköpfige Hyder’;
- Du findest nicht die alte Zeit
- Und die Zeitgenössinnen wieder!
- „Du findest die holden Blumen nicht mehr,
- Die das junge Herz vergöttert;
- Hier blühten sie – jetzt sind sie verwelkt,
- Und der Sturm hat sie entblättert.
- [394] „Verwelkt, entblättert, zertreten sogar
- Von rohen Schicksalsfüßen –
- Mein Freund, das ist auf Erden das Loos
- Von allem Schönen und Süßen!“
- Wer bist du? – rief ich – du schaust mich an
- Wie’n Traum aus alten Zeiten –
- Wo wohnst du, großes Frauenbild?
- Und darf ich dich begleiten?
- Da lächelte das Weib und sprach:
- „Du irrst dich, ich bin eine feine,
- Anständ’ge, moralische Person;
- Du irrst dich, ich bin nicht so Eine.
- „Ich bin nicht so eine kleine Mamsell,
- So eine welsche Lorettinn –
- Denn wisse: ich bin Hammonia,
- Hamburgs beschützende Göttinn!
- [395] „Du stutzest und erschreckst sogar,
- Du sonst so muthiger Sänger!
- Willst du mich noch begleiten jetzt?
- Wohlan, so zög’re nicht länger.“
- Ich aber lachte laut und rief:
- Ich folge auf der Stelle –
- Schreit’ du voran, ich folge dir,
- Und ging’ es in die Hölle!
- [396] Caput XXIV.
- Wie ich die enge Sahltrepp’ hinauf
- Gekommen, ich kann es nicht sagen;
- Es haben unsichtbare Geister mich
- Vielleicht hinaufgetragen.
- Hier, in Hammonias Kämmerlein,
- Verflossen mir schnell die Stunden.
- Die Göttinn gestand die Sympathie,
- Die sie immer für mich empfunden.
- „Siehst du“ – sprach sie – „in früherer Zeit
- War mir am meisten theuer
- Der Sänger, der den Messias besang
- Auf seiner frommen Leyer.
- [397] „Dort auf der Commode steht noch jetzt
- Die Büste von meinem Klopstock,
- Jedoch seit Jahren dient sie mir
- Nur noch als Haubenkopfstock.
- „Du bist mein Liebling jetzt, es hängt
- Dein Bildniß zu Häupten des Bettes;
- Und siehst du, ein frischer Lorbeer umkränzt
- Den Rahmen des holden Portraites.
- „Nur daß du meine Söhne so oft
- Genergelt, ich muß es gestehen,
- Hat mich zuweilen tief verletzt;
- Das darf nicht mehr geschehen.
- „Es hat die Zeit dich hoffentlich
- Von solcher Unart geheilet,
- Und dir eine größere Toleranz
- Sogar für Narren ertheilet.
- [398] „Doch sprich, wie kam der Gedanke dir
- Zu reisen nach dem Norden
- In solcher Jahrzeit? Das Wetter ist
- Schon winterlich geworden!“
- O, meine Göttin! – erwiederte ich –
- Es schlafen tief im Grunde
- Des Menschenherzens Gedanken, die oft
- Erwachen zur unrechten Stunde.
- Es ging mir äußerlich ziemlich gut,
- Doch innerlich war ich beklommen,
- Und die Beklemmniß täglich wuchs –
- Ich hatte das Heimweh bekommen.
- Die sonst so leichte französische Luft,
- Sie fing mich an zu drücken;
- Ich mußte Athem schöpfen hier
- In Deutschland, um nicht zu ersticken.
- [399] Ich sehnte mich nach Torfgeruch,
- Nach deutschem Tabaksdampfe;
- Es bebte mein Fuß vor Ungeduld,
- Daß er deutschen Boden stampfe.
- Ich seufzte des Nachts, und sehnte mich,
- Daß ich sie wiedersähe,
- Die alte Frau, die am Dammthor wohnt;
- Das Lottchen wohnt in der Nähe.
- Auch jenem edlen alten Herrn,
- Der immer mich ausgescholten
- Und immer großmüthig beschützt, auch ihm
- Hat mancher Seufzer gegolten.
- Ich wollte wieder aus seinem Mund
- Vernehmen den „dummen Jungen!“
- Das hat mir immer wie Musik
- Im Herzen nachgeklungen.
- [400] Ich sehnte mich nach dem blauen Rauch,
- Der aufsteigt aus deutschen Schornsteinen,
- Nach niedersächsischen Nachtigall’n,
- Nach stillen Buchenhainen.
- Ich sehnte mich nach den Plätzen sogar,
- Nach jenen Leidensstazionen,
- Wo ich geschleppt das Jugendkreuz
- Und meine Dornenkronen.
- Ich wollte weinen wo ich einst
- Geweint die bittersten Thränen –
- Ich glaube Vaterlandsliebe nennt
- Man dieses thörigte Sehnen.
- Ich spreche nicht gern davon; es ist
- Nur eine Krankheit im Grunde.
- Verschämten Gemüthes, verberge ich stets
- Dem Publiko meine Wunde.
- [401] Fatal ist mir das Lumpenpack,
- Das, um die Herzen zu rühren,
- Den Patriotismus trägt zur Schau
- Mit allen seinen Geschwüren.
- Schamlose schäbige Bettler sind’s,
- Almosen wollen sie haben –
- Ein’n Pfennig Popularität
- Für Menzel und seine Schwaben!
- O meine Göttin, du hast mich heut
- In weicher Stimmung gefunden;
- Bin etwas krank, doch pfleg’ ich mich,
- Und ich werde bald gesunden.
- Ja ich bin krank, und du könntest mir
- Die Seele sehr erfrischen
- Durch eine gute Tasse Thee;
- Du mußt ihn mit Rum vermischen.
- [402] Caput XXV.
- Die Göttin hat mir Thee gekocht
- Und Rum hineingegossen;
- Sie selber aber hat den Rum
- Ganz ohne Thee genossen.
- An meine Schulter lehnte sie
- Ihr Haupt (die Mauerkrone,
- Die Mütze, ward etwas zerknittert davon)
- Und sie sprach mit sanftem Tone:
- „Ich dachte manchmal mit Schrecken dran,
- Daß du in dem sittenlosen
- Paris so ganz ohne Aufsicht lebst,
- Bei jenen frivolen Franzosen.
- [403] „Du schlenderst dort herum, und hast
- Nicht mahl an deiner Seite
- Einen treuen deutschen Verleger, der dich
- Als Mentor warne und leite.
- „Und die Verführung ist dort so groß,
- Dort giebt es so viele Sylphiden,
- Die ungesund, und gar zu leicht
- Verliert man den Seelenfrieden.
- „Geh’ nicht zurück und bleib’ bei uns;
- Hier herrschen noch Zucht und Sitte,
- Und manches stille Vergnügen blüht
- Auch hier, in unserer Mitte.
- „Bleib’ bei uns in Deutschland, es wird dir hier
- Jetzt besser als eh’mals munden;
- Wir schreiten fort, du hast gewiß
- Den Fortschritt selbst gefunden.
- [404] „Auch die Censur ist nicht mehr streng,
- Hoffmann wird älter und milder,
- Und streicht nicht mehr mit Jugendzorn
- Dir deine Reisebilder.
- „Du selbst bist älter und milder jetzt,
- Wirst dich in manches schicken,
- Und wirst sogar die Vergangenheit
- In besserem Lichte erblicken.
- „Ja, daß es uns früher so schrecklich ging,
- In Deutschland, ist Uebertreibung;
- Man konnte entrinnen der Knechtschaft, wie einst
- In Rom, durch Selbstentleibung.
- „Gedankenfreiheit genoß das Volk,
- Sie war für die großen Massen,
- Beschränkung traf nur die g’ringe Zahl
- Derjen’gen, die drucken lassen.
- [405] „Gesetzlose Willkür herrschte nie,
- Dem schlimmsten Demagogen
- Ward niemals ohne Urtheilspruch
- Die Staatskokarde entzogen.
- „So übel war es in Deutschland nie,
- Trotz aller Zeitbedrängniß –
- Glaub’ mir, verhungert ist nie ein Mensch
- In einem deutschen Gefängniß.
- „Es blühte in der Vergangenheit
- So manche schöne Erscheinung
- Des Glaubens und der Gemüthlichkeit;
- Jetzt herrscht nur Zweifel, Verneinung.
- „Die praktische äußere Freiheit wird einst
- Das Ideal vertilgen,
- Das wir im Busen getragen – es war
- So rein wie der Traum der Liljen!
- [406] Auch unsre schöne Poesie
- Erlischt, sie ist schon ein wenig
- Erloschen; mit andern Königen stirbt
- Auch Freiligraths Mohrenkönig.
- „Der Enkel wird essen und trinken genug,
- Doch nicht in beschaulicher Stille;
- Es poltert heran ein Spektakelstück,
- Zu Ende geht die Idylle.
- „O, könntest du schweigen, ich würde dir
- Das Buch des Schicksals entsiegeln,
- Ich ließe dir spätere Zeiten seh’n
- In meinen Zauberspiegeln.
- „Was ich den sterblichen Menschen nie
- Gezeigt, ich möcht’ es dir zeigen:
- Die Zukunft deines Vaterlands –
- Doch ach! du kannst nicht schweigen!“
- [407] Mein Gott, o Göttin! – rief ich entzückt –
- Das wäre mein größtes Vergnügen,
- Laß mich das künftige Deutschland sehn –
- Ich bin ein Mann und verschwiegen.
- Ich will dir schwören jeden Eid,
- Den du nur magst begehren,
- Mein Schweigen zu verbürgen dir –
- Sag an, wie soll ich schwören?
- Doch jene erwiederte: „Schwöre mir
- In Vater Abrahams Weise,
- Wie er Eliesern schwören ließ,
- Als dieser sich gab auf die Reise.
- „Heb’ auf das Gewand und lege die Hand
- Hier unten an meine Hüften,
- Und schwöre mir Verschwiegenheit
- In Reden und in Schriften!“
- [408] Ein feierlicher Moment! Ich war
- Wie angeweht vom Hauche
- Der Vorzeit, als ich schwur den Eid,
- Nach uraltem Erzväterbrauche.
- Ich hob das Gewand der Göttin auf,
- Und legte an ihre Hüften
- Die Hand, gelobend Verschwiegenheit
- In Reden und in Schriften.
- [409] Caput XXVI.
- Die Wangen der Göttinn glühten so roth,
- (Ich glaube, in die Krone
- Stieg ihr der Rum) und sie sprach zu mir
- In sehr wehmüthigem Tone:
- „Ich werde alt. Geboren bin ich
- Am Tage von Hamburgs Begründung.
- Die Mutter war Schellfischköniginn
- Hier an der Elbe Mündung.
- „Mein Vater war ein großer Monarch,
- Carolus Magnus geheißen,
- Er war noch mächt’ger und klüger sogar
- Als Friedrich der Große von Preußen.
- [410] „Der Stuhl ist zu Aachen, auf welchem er
- Am Tage der Krönung ruhte;
- Den Stuhl worauf er saß in der Nacht,
- Den erbte die Mutter, die gute.
- „Die Mutter hinterließ ihn mir,
- Ein Möbel von scheinlosem Aeußern,
- Doch böte mir Rothschild all’ sein Geld,
- Ich würde ihn nicht veräußern.
- „Siehst du, dort in dem Winkel steht
- Ein alter Sessel, zerrissen
- Das Leder der Lehne, von Mottenfraß
- Zernagt das Polsterkissen.
- „Doch gehe hin und hebe auf
- Das Kissen von dem Sessel,
- Du schaust eine runde Oeffnung dann,
- Darunter einen Kessel –
- [411] „Das ist ein Zauberkessel worin
- Die magischen Kräfte brauen,
- Und steckst du in die Ründung den Kopf,
- So wirst du die Zukunft schauen –
- „Die Zukunft Deutschlands erblickst du hier,
- Gleich wogenden Phantasmen,
- Doch schaudre nicht, wenn aus dem Wust
- Aufsteigen die Miasmen!“
- Sie sprach’s und lachte sonderbar,
- Ich aber ließ mich nicht schrecken,
- Neugierig eilte ich den Kopf
- In die furchtbare Ründung zu stecken.
- Was ich gesehn, verrathe ich nicht,
- Ich habe zu schweigen versprochen,
- Erlaubt ist mir zu sagen kaum,
- O Gott! was ich gerochen! – – –
- [412] Ich denke mit Widerwillen noch
- An jene schnöden, verfluchten
- Vorspielgerüche, das schien ein Gemisch
- Von altem Kohl und Juchten.
- Entsetzlich waren die Düfte, o Gott!
- Die sich nachher erhuben;
- Es war als fegte man den Mist
- Aus sechs und dreißig Gruben. – – –
- Ich weiß wohl was Saint-Just gesagt
- Weiland im Wohlfahrtsausschuß:
- Man heile die große Krankheit nicht
- Mit Rosenöl und Moschus –
- Doch dieser deutsche Zukunftsduft
- Mocht alles überragen
- Was meine Nase je geahnt –
- Ich konnt es nicht länger ertragen – – –
- [413] Mir schwanden die Sinne, und als ich aufschlug
- Die Augen, saß ich an der Seite
- Der Göttin noch immer, es lehnte mein Haupt
- An ihre Brust, die breite.
- Es blitzte ihr Blick, es glühte ihr Mund,
- Es zuckten die Nüstern der Nase,
- Bachantisch umschlang sie den Dichter und sang
- Mit schauerlich wilder Extase:
- „Bleib bei mir in Hamburg, ich liebe dich,
- Wir wollen trinken und essen
- Den Wein und die Austern der Gegenwart,
- Und die dunkle Zukunft vergessen.
- „Den Deckel darauf! damit uns nicht
- Der Mißduft die Freude vertrübet –
- Ich liebe dich, wie je ein Weib
- Einen deutschen Poeten geliebet!
- [414] „Ich küsse dich, und ich fühle wie mich
- Dein Genius begeistert;
- Es hat ein wunderbarer Rausch
- Sich meiner Seele bemeistert.
- „Mir ist, als ob ich auf der Straß’
- Die Nachtwächter singen hörte –
- Es sind Hymeneen, Hochzeitmusik,
- Mein süßer Lustgefährte!
- „Jetzt kommen die reitenden Diener auch,
- Mit üppig lodernden Fackeln,
- Sie tanzen ehrbar den Fackeltanz,
- Sie springen und hüpfen und wackeln.
- „Es kommt der hoch- und wohlweise Senat,
- Es kommen die Oberalten;
- Der Bürgermeister räuspert sich
- Und will eine Rede halten.
- [415] „In glänzender Uniform erscheint
- Das Corps der Diplomaten;
- Sie gratuliren mit Vorbehalt
- Im Namen der Nachbarstaaten.
- „Es kommt die geistliche Deputazion,
- Rabiner und Pastöre –
- Doch ach! da kommt der Hoffmann auch
- Mit seiner Censorscheere!
- „Die Scheere klirrt in seiner Hand,
- Es rückt der wilde Geselle
- Dir auf den Leib – Er schneidet in’s Fleisch –
- Es war die beste Stelle.“
- [416] Caput XXVII.
- Was sich in jener Wundernacht
- Des weitern zugetragen,
- Erzähl’ ich Euch einandermahl,
- In warmen Sommertagen.
- Das alte Geschlecht der Heucheley
- Verschwindet Gott sey Dank heut,
- Es sinkt allmählig in’s Grab, es stirbt
- An seiner Lügenkrankheit.
- Es wächst heran ein neues Geschlecht,
- Ganz ohne Schminke und Sünden,
- Mit freien Gedanken, mit freier Lust –
- Dem werde ich Alles verkünden.
- [417] Schon knospet die Jugend, welche versteht
- Des Dichters Stolz und Güte,
- Und sich an seinem Herzen wärmt,
- An seinem Sonnengemüthe.
- Mein Herz ist liebend wie das Licht,
- Und rein und keusch wie das Feuer;
- Die edelsten Grazien haben gestimmt
- Die Saiten meiner Leyer.
- Es ist dieselbe Leyer, die einst
- Mein Vater ließ ertönen,
- Der selige Herr Aristophanes,
- Der Liebling der Kamönen.
- Es ist die Leyer, worauf er einst
- Den Paisteteros besungen,
- Der um die Basileia gefreyt,
- Mit ihr sich emporgeschwungen.
- [418] Im letzten Capitel hab’ ich versucht
- Ein bischen nachzuahmen
- Den Schluß der „Vögel“, die sind gewiß
- Das beste von Vaters Dramen.
- Die „Frösche“ sind auch vortrefflich. Man giebt
- In deutscher Uebersetzung
- Sie jetzt auf der Bühne von Berlin,
- Zu königlicher Ergetzung.
- Der König liebt das Stück. Das zeugt
- Von gutem antiquen Geschmacke;
- Den Alten amüsirte weit mehr
- Modernes Froschgequacke.
- Der König liebt das Stück. Jedoch
- Wär’ noch der Autor am Leben,
- Ich riethe ihm nicht sich in Person
- Nach Preußen zu begeben.
- [419] Dem wirklichen Aristophanes,
- Dem ginge es schlecht, dem Armen;
- Wir würden ihn bald begleitet sehn
- Mit Chören von Gensd’armen.
- Der Pöbel bekäm’ die Erlaubniß bald
- Zu schimpfen statt zu wedeln;
- Die Polizei erhielte Befehl
- Zu fahnden auf den Edeln.
- O König! Ich meine es gut mit dir,
- Und will einen Rath dir geben:
- Die todten Dichter, verehre sie nur,
- Doch schone die da leben.
- Beleid’ge lebendige Dichter nicht,
- Sie haben Flammen und Waffen,
- Die furchtbarer sind als Jovis Blitz,
- Den ja der Poet erschaffen.
- [420] Beleid’ge die Götter, die alten und neu’n,
- Des ganzen Olymps Gelichter,
- Und den höchsten Jehovah obendrein –
- Beleid’ge nur nicht den Dichter!
- Die Götter bestrafen freilich sehr hart
- Des Menschen Missethaten,
- Das Höllenfeuer ist ziemlich heiß,
- Dort muß man schmoren und braten –
- Doch Heilige giebt es, die aus der Glut
- Losbeten den Sünder; durch Spenden
- An Kirchen und Seelenmessen wird
- Erworben ein hohes Verwenden.
- Und am Ende der Tage kommt Christus herab
- Und bricht die Pforten der Hölle;
- Und hält er auch ein strenges Gericht,
- Entschlüpfen wird mancher Geselle.
- [421] Doch giebt es Höllen aus deren Haft
- Unmöglich jede Befreiung;
- Hier hilft kein Beten, ohnmächtig ist hier
- Des Welterlösers Verzeihung.
- Kennst du die Hölle des Dante nicht,
- Die schrecklichen Terzetten?
- Wen da der Dichter hineingesperrt,
- Den kann kein Gott mehr retten –
- Kein Gott, kein Heiland, erlöst ihn je
- Aus diesen singenden Flammen!
- Nimm dich in Acht, daß wir dich nicht
- Zu solcher Hölle verdammen.
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