- Almansor
- Heinrich Heine
- Dümmler, Berlin, 1823
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- [129]
- Almansor.
- * * *
- Eine Tragödie.
- * * *
- Personen[1]
- Almansor ben Abdullah
- Drei Mauren
- Hassan
- Don Enrique
- Zuleima (Donna Clara)
- Aly (Don Gonzalvo)
- Don Diego
- Pedrillo
- Damen, Ritter, Fackelträger, Musikanten u. s. w.
- Chor
- [131]
- * * *
- Glaubt nicht, es sey so ganz und gar phantastisch
- Das hübsche Lied, das ich Euch freundlich biete!
- Hört zu: es ist halb episch und halb drastisch,
- Dazwischen blüht manch lyrisch zarte Blüthe;
- Romantisch ist der Stoff, die Form ist plastisch,
- Das Ganze aber kam aus dem Gemüthe;
- Es kämpfen Christ und Moslem, Nord und Süden,
- Die Liebe kommt am End’ und macht den Frieden.
- * * *
- [133] Das Innere eines alten, verödeten Maurenschlosses. Durch die Seitenfenster fallen Stralen der untergehenden Sonne. Almansor allein.
- Almansor.
- Es ist der alte, liebe Boden noch,
- Der wohlbekannte, buntgestickte Teppich,
- Worauf der Väter heil’ger Fuß gewandelt!
- Jetzt nagen Würmer an den seidnen Blumen,
- Als wären sie des Spaniers Bundgenossen.
- Es sind die alten, treuen Säulen noch,
- Des stolzen Hauses stolze Marmorstützen,
- Woran ich oft mich angelehnt als Knabe.
- O, hätten unsre Gomeles und Ganzuls,
- Abenkeragen und hochmüth’ge Zegris,
- So treu wie diese Säulen hier, getragen
- Den Königsthron im leuchtenden Alhambrah!
- Es sind die alten, guten Mauern noch,
- [134]
- Die glattgetäfelten, die hübsch bemalten,
- Die stets dem müden Wandrer Obdach gaben!
- Gastlich geblieben sind die guten Mauern,
- Doch ihre Gäste sind nur Eul’ und Uhu.
- (Er geht an’s Fenster.)
- Still bleibt’s! Nur du, o Sonne, hörtest mich;
- Mitleidig schickst du mir die letzten Stralen,
- Und streu’st mir Licht auf meinen dunkeln Pfad!
- Du, güt’ge Sonne, hör’ mein dankbar Wort:
- Entflieh’ auch du nach Mauritaniens Küste,
- Und nach Arabiens ewig heitrer[2] Flur; –
- O, fürchte Don Fernand und seine Räthe,
- Die Haß geschworen allem schönen Lichte;
- O, fürchte Donna Isabell, die Stolze,
- Die im Gefunkel ihrer Diamanten,
- Allein zu glänzen glaubt, wenn Nacht ringsum;
- O, flieh auch du den schlimmen, span’schen Boden,
- Wo schon gesunken deine Schwestersonne,
- Die goldgethürmte, leuchtende Granada!
- (Geht vom Fenster.)
- Beklommen ist mein Herz, als habe sich
- [135]
- Der untergeh’nden Sonne Flammenball
- Auf diese arme, schwache Brust gewälzt.
- Wie morsche, glüh’nde Asche ist mein Leib,
- Und unter meinen Füßen wankt der Boden.
- So heimisch ist mir hier, und doch so ängstlich!
- Das Lüftchen, das mir lind die Wange kühlt,
- Haucht Grüße mir aus längstverscholl’ner Zeit.
- In jener Schatten wechselnder Bewegung
- Seh’ ich die Mährchen meiner Kinderjahre;
- Sie regen sich, und nicken mir, und lächeln
- Mit klugen Mienen, und verwundern sich
- Daß jetzt der alte Freund so bang, so fremd thu’t.
- Dort schwankt hervor die liebe, todte Mutter,
- Und schaut wehmüthiglich besorgt, und weint,
- Und winkt, und winkt mit ihrer weißen Hand.
- Und auch den Vater seh’ ich dorten sitzen,
- Auf grünem Sammetpolster, leise schlummernd.
- (Er steht sinnend. Es ist ganz dunkel geworden. Man sieht im Hintergrunde eine Gestalt, mit einer Fackel in der Hand, vorüberschreiten.)
- Welch Nebelbild kam dort vorbey geflirrt?
- [136]
- War’s nur ein Blendwerk, das mich toll umgaukelt?
- War’s nicht der alte Hassan, der dort ging?
- Vielleicht liegt Hassans todter Leib im Grab,
- Und nur sein Geist noch wandelt hier als Wächter
- Der Burg, die er im Leben treu gehüthet?
- Es rauscht und rollet dumpf, und immer näher,
- Als stiegen meine Väter aus den Gräbern,
- Um mir zum Gruß die Knochenhand zu reichen,
- Zum Willkommkuß die weißen, kalten Lippen –
- Sie kommen schon – Eu’r Grüßen könnt mich tödten –
- (Mehrere Mauren stürzen hervor mit blanken Säbeln.)
- Erster Maure.
- Das könnte wohl geschehn!
- Almansor.
- (Zieht sein Schwert aus der Scheide.)
- So komm hervor,
- Du wunderreiches, blankes Amulet,
- Und schütze mich vor solchen schlimmen Geistern.
- Zweiter Maure.
- Wie kömmst du, Fremdling, hier in unsre Burg?
- [137]
- Almansor.
- Ich geb’ die Frag’ zurück, die Burg ist mein,
- Und dieser Anwalt
- (Zeigt sein Schwert.)
- soll mein gutes Recht,
- Auf Eure Haut, mit rothen Zügen schreiben.
- Erster Maure.
- Ey! ey! wenn unser Anwalt Einspruch thut,
- Ist seine Zunge nicht von Holz; fürwahr,
- Metallvoll klirret seine Eisenstimme.
- (Sie fechten.)
- Erster Maure.
- Ey! ey! dein Anwalt kommt ja recht in Hitze,
- Und seine Rede sprühet Feuerfunken.
- Almansor.
- Schweig’ nur, in deinem Blut’ soll er sie löschen.
- Dritter Maure.
- Der Spaß geht bald zu End’, ergieb dich uns.
- (Hassan, in der linken Hand eine Fackel, in der rechten ein Säbel, stürzt wild herbey.)
- Hassan.
- Ho! ho! habt Ihr den Alten ganz vergessen?
- [138]
- Blutrache, wißt Ihr ja, ist mein Gewerbe,
- Und mir gehört der dort, Ich muß ihn tödten.
- (Er ficht mit dem schon ermatteten Almansor; wie er ihn eben niederhauen will, erblickt er das Gesicht desselben beim Scheine der Fackel, und erschüttert stürzt er zu Almansors Füßen.)
- Allah! Es ist Almansor ben Abdullah!
- Almansor.
- Das bin ich noch, und du bist Hassan noch;
- Steh’ auf du treuer Diener meines Hauses.
- Ein nächtig Blendwerk hat uns hier verwirr’t,
- Und bald wär’ mir die Vaterburg zum Grab,
- Die alte Wiege mir zum Sarg geworden.
- Erster Maure.
- Du schienest Spanier durch Baret und Mantel,
- Und unser Säbel nur bewillkommt Spanier.
- Hassan.
- (Steht langsam auf und spricht mit strengem Tone.)
- Almansor ben Abdullah! steh’ mir Rede:
- Wie kömmt dein Leib in diese span’sche Tracht?
- [139]
- Wer hat das edle Berberroß behängt,
- Mit dieser gleißend farb’gen Schlangenhaut?
- Wirf ab die gift’ge Hülle, Sohn Abdullahs,
- Tritt auf das Haupt der Schlange, edles Roß!
- Almansor.
- (Lächelnd.)
- Du bist der alte Eifrer Hassan noch,
- Und klebst noch fest an Farben und an Formen.
- Die Schlangenhaut, die schützet wider Schlangen;
- So wie die Wolfsfellhülle schützt das Lamm,
- Das, wehrlos fromm, die Waldungen durchstreift.
- Trotz Hut und Mantel bin ich doch ein Moslem,
- Denn in der Brust hier trag’ ich meinen Turban.
- Hassan.
- Gelobt sey Allah! Allah sey gelobt!
- Legt Euch zur Ruhe, Brüder, ich will wachen;
- Verjüngt hat plötzlich sich der alte Hassan.
- Die Mauren gehn ab.
- Almansor.
- Wer sind die Männer, die du Brüder nanntest?
- [140]
- Hassan.
- Es sind die Reste jener treuen Diener,
- Die Allah noch in diesem Land besitzt.
- Ach! ihre Zahl ist gring, und täglich schmilzt sie;
- Derweil die Zahl der Schelme täglich anschwillt.
- Almansor.
- Wie tief bist du gesunken! O Granada!
- Hassan.
- Wohl sinken muß die Stadt, wo Doppelfeinde,
- Wo drinnen Zwietracht, draußen Arglist, wüthen.
- O! Fluch der Nacht, wo diese Weiberarglist
- Mit Männerhabsucht süß gebuhlt; O! Fluch
- Der Nacht, wo das Verderben von Granada,
- In solcher Glutumarmung, ward berathen;
- O! Fluch der Nacht, wo einst in’s Brautbett stieg
- Don Ferdinand zu Donna Isabella!
- Wo solches Paar der Zwietracht Funken schür’t,
- Da flackert bald in Flammen auf das Haus.
- Nicht durch den Speer des kräftigen Leoners,
- Nicht durch des stolzen Arragoniers Lanze,
- Nicht durch das Schwert kastilscher Ritterschaft, –
- [141]
- Nur durch Granada selber fiel Granada!
- Wenn der Erzeuger meuchelt seine Kinder,
- Die wehrlos eignen Kinder in der Wiege,
- Und wenn der Sohn die frevelhafte Rechte
- Entgegenballt dem heil’gen Haupt’ des Vaters,
- Und wenn der Bruder, auf des Bruders Leiche,
- Des Thrones blut’ge Stufen frech erklimmt,
- Und wenn des Reiches pflichtvergess’ne Großen
- Ehrlos der Fahne ihres Erbfeinds folgen:
- Dann flieh’n mit schaamverhüllten Angesichtern
- Die Engel, die der Hauptstadt Thore hüthen,
- Und siegreich ziehen ein der Feinde Schaaren.
- Almansor.
- Ich denke noch des unheilschwangern Tags;
- Ich stand am Thor’ des Schlosses unten, plötzlich
- Sprengt rasch einher, auf schwarzem Roß, ein Reiter.
- Wild, und verstörten Blicks, und athemlos
- Fragt er nach Vater. Schnell die Trepp’ hinauf, –
- Und in des Vaters offne Arme sank er.
- Da sah ich erst, es war der gute Aly –
- [142]
- Hassan.
- (Bitter.)
- Der gute Aly!
- Almansor.
- Aly, sprich, was bringst du?
- Sprach schnell mein Vater, – O, da stürzten Bäche
- Blutdunkler Thränen über Alys Wangen,
- Und schluchzend sprach er: In Granada haben
- Don Ferdinand und Isabell den Einzug
- Gehalten, unterm Schalle der Drometen,
- Und König Boabil hat ihnen knieend
- Die Schlüssel überreicht auf gold’nem Becken,
- Und auf Alhambrahs Thurm steht aufgepflanzt
- Kastiliens Fahne und Mendozas Kreuz.
- Hassan.
- (Hält sich die Augen zu.)
- O! eine Gnade nur verlang’ ich, Allah!
- Lösch’ aus in meinem Hirn dies Bild des Gräuels!
- Almansor.
- Noch schwebt mir’s vor, wie dieser Bothschaft Blitz
- In jedem Mund’ die Zunge kalt gelähmt.
- [143]
- Bleich, stumm und stieren Blickes stand mein Vater,
- Die Arme hingen lang und schlaff herab,
- Die Kniee schlotterten, und wie er hinsank,
- Erhub sich Weiberjammer und Geheul.
- Hassan.
- Lösch’ aus in meinem Hirn dies Bild des Gräuels!
- Almansor.
- Da schloß mich an sein Herz der gute Aly;
- Hielt mir besorgt die nassen Augen zu,
- Um mir des Jammers Anblick zu verbergen,
- Und zog mich fort, und hub mich auf sein Roß –
- Hassan.
- (Bitter lächelnd.)
- Und trug dich fort nach seinem hübschen Schloß,
- Wo dich empfing die liebliche Zuleima,
- Und dir die Thräne aus dem Aug’ gelächelt,
- Vielleicht geküßt –
- Almansor.
- Du boßhaft saurer Hassan!
- Vergiß nicht, daß ich noch ein Knabe war.
- Auch irrst du dich, Zuleimas Augenstralen
- [144]
- Vermochten’s nicht mein nasses Aug’ zu trocknen.
- Ich stahl mich heimlich fort aus Alys Schloß,
- Und war in wen’gen Stunden hier zurück.
- Hier auf dem Boden wälzte sich mein Vater,
- Sein Kleid zerrissen, Asche auf dem Haupt,
- Und wildzerrauft des Bartes weiße Locken.
- Hier neben ihm lag weinend meine Mutter,
- Mitsammt den Dienerinnen schwarz verschleyert.
- Und wenn es still ward, und nur eine Stimme
- Aufseufzend rief das Wort „Granada!“ so
- Ergoß sich doppelt laut die alte Klage.
- Hassan.
- (Weinend.)
- Versieget nie, ihr ew’gen Thränenquellen!
- Almansor.
- Sieh’ nicht so kläglich aus, du alter Hassan.
- Weit besser kleidet dich der Löwentrotz,
- Mit dem du, harnischglänzend, waffenklirrend,
- Zu uns Erstaunten tratest in den Saal.
- Ich seh’ dich noch, wie du zum Vater sprachest:
- „Ich kann nicht länger dienen dir, Abdullah,
- [145]
- Dieweil mein Gott jetzt seines Knechts bedarf.“
- Und festen Gangs verließest du das Schloß,
- Und seit der Zeit sah’ ich dich niemals wieder.
- Hassan.
- Zu jenen Kämpfern hatt’ ich mich gesellt,
- Die in’s Gebürge, auf die kalten Höh’n,
- Mit ihren heißen Herzen sich geflüchtet.
- So wie der Schnee dort oben nimmer schwindet,
- So schwand auch nie die Glut in unsrer Brust;
- Wie jene Berge nie und nimmer wanken,
- So wankte nimmer unsre Glaubenstreue;
- Und wie von jenen Bergen Felsenblöcke
- Oefters herunter rollen, allzerschmetternd,
- So stürzten wir von jenen Höhen oft,
- Zermalmend, auf das Christenvolk im Thal;
- Und wenn sie sterbend röchelten, die Buben,
- Wenn ferne wimmerten die Trauerglocken,
- Und Angstgesänge dumpf dazwischen schollen,
- Dann klang’s in unsre Ohren süß wie Wollust.
- Doch hat solch blutigen Besuch erwiedert
- Unlängst Graf Aquilar mit seinen Rittern.
- [146]
- Der hat zum letzten Tanz uns aufgespielt;
- Und beim Geschmetter gellender Trompeten,
- Bey der Kanonen dumpfem Paukenschalle,
- Beim Kehrausfiedeln kastilian’scher Klingen,
- Und bey der Kugeln lustig hellem Pfeifen,
- Flog jählings mancher Maure in den Himmel,
- Und wen’ge nur entrannen wir dem Tanzplatz.
- Doch sprich, Almansor, wie erging es Euch?
- Mit jenen Freunden floh ich jüngst hierher,
- Und fand nur öde Säle, und betrübt
- Sah’n auf mich nieder diese kahlen Wände,
- Und traur’ge Ahnung gab das traur’ge Schloß.
- Almansor.
- Verlange nicht ein Klagelied, laß schlummern
- Die lieben Todten und Almansors Schmerzen.
- Du sahst ja damals, wie auf schwarzem Roß
- Der gute Aly hergebracht das Unglück.
- Nie kommt das Unglück ohne sein Gefolge!
- Tagtäglich kamen aus Granada schlimmre
- Bothschaften her; und wie der Wandrer schnell
- Sich mit dem Antlitz auf den Boden wirft,
- [147]
- Wenn ihm entgegen weht der glüh’nde Samum,
- So stürzten wir oft weinend hin zur Erde,
- Daß uns der Kunden gift’ger Hauch nicht tödte.
- Bald hörten wir vom Abfall unsrer Priester,
- Der Morabiten und der Alfaquis; –
- Hassan.
- Giebt’s irgendwo ’nen Glauben zu verschachern,
- So sind zuerst die Pfaffen bey der Hand.
- Almansor.
- Bald hörten wir daß auch der große Zegri,
- In feiger Todesangst, das Kreuz umklammert;
- Daß vieles Volk dem Beyspiel Großer folgte,
- Und Tausende ihr Haupt zur Taufe beugten; –
- Hassan.
- Der neue Himmel lockt viel alte Sünder.
- Almansor.
- Wir hörten daß der furchtbare Ximenes,
- Inmitten auf dem Markte, zu Granada –
- Mir starrt die Zung’ im Munde – den Koran
- In eines Scheiterhaufens Flamme warf!
- [148]
- Hassan.
- Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher
- Verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.
- Almansor.
- Am Ende kam die allerschlimmste Bothschaft:
- (stockt.)
- Daß auch der gute Aly Christ geworden.
- (Pause.)
- Da quoll kein Tropfen aus des Vaters Augen,
- Kein Klagelaut entstahl sich seinem Mund’,
- Kein Haar entraufte er dem greisen Haupte; –
- Nur seine Antlitzmuskeln zuckten krampfhaft,
- Und wildverzerrt, und schneidend brach hervor
- Aus seiner Brust ein gellendes Gelächter.
- Und wie ich mich mit leisem Weinen nahte,
- Ergriff’s wie Wahnsinnwuth den armen Vater.
- Er zog den Dolch und nannt’ mich „Schlangenbrut“
- Und wollt’ mir schon die Brust durchstoßen, – plötzlich
- Zog sich’s wie sanftrer Schmerz um seine Lippen.
- „Du, Knabe, sollst die Schuld nicht büßen,“ sprach er,
- Und wankte fort nach seiner stillen Kammer.
- [149]
- Dort saß er schweigend, ohne Speis’ und Trank,
- Drey Tage lang. Doch wie er da hervorkam,
- Schien er wie umgewandelt. Ruhig war er,
- Befahl den Knechten: all sein’ Hab’ und Gut
- Auf Maulthier’ und auf Wagen aufzuladen;
- Befahl den Weibern: uns mit Wein und Brod,
- Für eine lange Reise zu versorgen.
- Als das geschehn, nahm er in seine Arme,
- Und trug es selbst, das allerbeste Kleinod,
- Die Rolle der Gesetze Mahomets,
- Dieselben alten, heil’gen Pergamente,
- Die einst die Väter mitgebracht nach Spanien.
- Und so verließen wir der Heimath Fluren,
- Und zogen fort, halb zaudernd und halb eilig,
- Als wenn es unsichtbar, mit weichen Armen
- Und schmelzend lieber Stimm’, uns rückwärts zöge,
- Und dennoch Wolfsgeheul uns vorwärts triebe.
- Als wär’s ein Mutterkuß beim letzten Scheiden,
- So sogen wir begierig ein den Duft
- Der span’schen Myrten- und Zitronen-Wälder;
- Derweil die Bäume klagend uns umrauschten,
- [150]
- Wehmüthig süß die Lüfte uns umspielten,
- Und traur’ge Vöglein, wie zum Lebewohl,
- Uns stumme Wandrer stumm umflatterten.
- Hassan.
- Ihr hieltet fest in Euren treuen Händen
- Den besten Wanderstab, der Väter Glauben.
- Almansor.
- Wo Tariks Fuß zuerst dies Land betrat,
- Setzten wir schleunig über nach Marocko,
- Wohin die Besten unsres Volkes flohn.
- Doch als wir landeten, erblich die Mutter,
- Und legte still in’s Grab ihr müdes Haupt.
- Hassan.
- Von rauher Hand versetzt in fremden Boden,
- Hat welken müssen solche zarte Lilie.
- Almansor.
- In Trauerkleidern reisten wir von dannen,
- Und schlossen uns an jene Caravanen,
- Die nach dem heil’gen Mekka gläubig wallen.
- In Jemen, in dem Land der Stammesbrüder,
- Schloß auch Abdullah die verweinten Augen,
- [151]
- Und schlummerte hinüber nach der Heimath,
- Wo kein Ximenes, keine Isabella.
- Hassan.
- Und giebt es in Arabien keine Oerter,
- Wo man den todten Vater kann beweinen?
- Almansor.
- O, kenntest du die Qual des Ruhelosen,
- Den unsichtbare Flammengeißeln treiben.
- Noch einmal wollt’ ich küssen Spaniens Boden –
- Hassan.
- Und bey Gelegenheit Zuleimas Lippen.
- Almansor.
- (Ernst.)
- Des Vaters Diener ist nicht Herr des Sohnes;
- Drum, bittrer Hassan, laß dein bitt’res Deuteln.
- Ja, ich bekenn’ es, nach Zuleima schmacht’ ich,
- Wie nach dem Morgenthau der Sand der Wüste.
- Noch diese Nacht geh’ ich nach Alys Schloß.
- Hassan.
- Geh’ nicht nach Alys Schloß! Pestörtern gleich
- [152]
- Flieh’ jenes Haus, wo neuer Glaube keimt.
- Dort zieht man dir, mit süßen Zangentönen,
- Aus tiefer Brust hervor das alte Herz,
- Und legt dir eine Schlang’ dafür hinein.
- Dort gießt man dir Bleytropfen, hell und heiß,
- Auf’s arme Haupt, daß nimmermehr dein Hirn
- Gesunden kann vom wilden Wahnsinnschmerz.
- Dorten vertauscht man dir den alten Namen,
- Und giebt dir einen neu’n; damit dein Engel,
- Wenn er dich warnend ruft beim alten Namen,
- Vergeblich rufe. O, bethörtes Kind,
- Geh’ nicht nach Alys Schloß; – du bist verloren,
- Wenn man in dir Almansorn wiedersieht!
- Almansor.
- Besorge nichts; denn niemand kennt mich mehr.
- Mein Antlitz trägt des Grames tiefe Furchen,
- Getrübt von salz’gen Thränen ist mein Aug’,
- Nachtwandlerartig ist mein schwanker Gang,
- Gebrochen, wie mein Herz, ist meine Stimme –
- Wer sucht in mir den blühenden Almansor?
- Ja, Hassan, ja, ich liebe Alys Tochter!
- [153]
- Nur einmal noch will ich sie schau’n, die Holde!
- Und hab’ ich mich noch einmal süß berauscht
- Im Anblick ihrer lieblichen Gestalt,
- In ihre Augen meine Seel’ getaucht,
- Und schwelgend eingehaucht den süßen Odem; –
- Dann geh’ ich wieder nach Arabiens Wüste,
- Und setze mich auf jenen steilen Felsen,
- Wo Mödschnun saß und Leilas Namen seufzte! –
- Drum sey nur ohne Sorge, alter Hassan,
- Im span’schen Mantel geh’ ich, unbemerkt
- Und unerkannt, im ganzen Schloß herum,
- Und meine Bundgenossinn ist die Nacht.
- Hassan.
- Trau’ nicht der Nacht, sie birgt im schwarzen Mantel
- Viel arge Fratzenbilder, Molch’ und Schlangen,
- Und wirft sie heimlich hin vor deine Füße[3].
- Trau’ ihrem bleichen Buhlen nicht, der droben
- Liebäugelnd aus den Wolken niederblinzelt,
- Und hämisch bald, mit schrägen, fahlen Lichtern,
- Die Schreckgestalten deines Wegs beflimmert.
- Trau’ nimmer ihrer Bastardbrut dort oben,
- [154]
- Den goldnen Kindlein, die so munter funkeln,
- Und freundlich thun, und liebeschmeichelnd nicken,
- Und dennoch, wie mit tausend glühnden Fingern,
- Am Ende spöttisch auf dich niederdeuten.
- Geh’ nicht nach Alys Schloß! Am Eingang sitzen
- Drey dunkle Frau’n, und harren deiner Rückkehr;
- Um würgend dich mit Inbrunst zu umarmen,
- Im Liebeskuß dein Herzblut auszusaugen!
- Almansor.
- Wirf hemmend dich in eines Mühlrads Speichen,
- Dräng’ mit der Brust zurück des Stromes Flut,
- Halt’ mit den Armen auf des Bergquells Sturz, –
- Doch halte mich nicht ab von Alys Schloß.
- Dort zieht’s mich hin mit tausend Demantfäden,
- Die sich verwebt in meines Hirnes Adern,
- Und in den Fasern meines Herzens; – Hassan,
- Schlaf wohl! mein altes Schwert ist mein Begleiter.
- Hassan.
- Und deine Leuchte sey dein alter Glaube.
- * * *
- [155] Alys Schloß. Erleuchtetes Kabinet, mit einer großen Mittelthüre. Man hört Tanzmusik. Don Enrique liegt zu Zuleimas Füßen.
- Don Enrique.
- (Pathetisch.)
- Ein Zauberduft betäubet meine Sinne,
- Und schauernd weiß ich nicht, was ich beginne!
- Anbetend sink’ ich hin zu deinen Füßen,
- Um dich als heil’ge Jungfrau zu begrüßen!
- Du bist des Himmels Stralenkuniginne,
- Der ich nicht nahen darf mit ird’scher Minne!
- Und wenn auch Hymens Bande uns umschließen –
- Ich lieg’ als Knecht dir immerdar zu Füßen!
- (Die Musik hat aufgehört. Don Diego ist während dieser Apostrophe hereingeschlichen, und hat beide Flügel der Mittelthüre geöffnet. Man sieht einen prächtigen, menschenvollen Ballsaal. Die tanzenden Paare bleiben stehen, und schaun freudig nach Don Enrique und Zuleima. Einige Stimmen rufen:
- Heil! Heil! Heil! unserm schönen Brautpaar!
- Trompetentusch. Don Enrique steht auf. Don Diego schleicht sich wieder fort. Die Mittelthüre bleibt offen stehen.)
- [156]
- Zuleima.
- (Ernst.)
- Führt mich zum Saal’.
- D. Enrique.
- (Reicht ihr den Arm; verwirrt.)
- Señora, mein Bedienter,
- Der Schalk hat dies gethan.
- Zuleima.
- Gut Señor, gut.
- (Aly und ein Ritter treten in der Thüre den Vorigen entgegen.)
- Aly.
- (Er faßt Don Enrique beim Arm.)
- Nein, liebe Clara, laß mir deinen Bräut’gam;
- Hier Don Rodrigo führet dich zum Saal’.
- (Zuleima, vom Ritter geführt, geht ab. Die Mittelthüre schließt sich.)
- D. Enrique.
- Ich wundre mich –
- Aly.
- (Ernst.)
- Erinnert Ihr euch nicht,
- [157]
- Daß ich noch ein Geheimniß für Euch habe,
- Das ich versprach noch vor dem Hochzeitstag’
- Euch mitzutheilen, Señor?
- D. Enrique.
- (Neugierig und schmeichelnd.)
- Ach, Ihr habt
- So vieles schon für mich gethan –
- Aly.
- Ich nichts,
- Nur, nur von Donna Clara hing es ab,
- Ob sie die Hand Euch reichen wollt’.
- D. Enrique.
- Nein, Señor,
- Nur Eure Stimme, die des Vaters, galt.
- Aly.
- Wohl hatt’ ich Gründe, Claras Hand Euch nicht
- Zu geben. Doch ich hatte nicht das Recht.
- Denn wisset: Claras Vater bin ich nicht.
- D. Enrique.
- (Kleinlaut)
- Ihr Vater nicht?
- [158]
- Aly.
- (Lächelnd.)
- Seyd ohne Sorge, Señor.
- Urkundlich und durch Testamentes Kraft
- Hab’ ich sie anerkannt als eigne Tochter.
- Jetzt, Señor, seht Ihr wohl, warum nur Clara
- Verfügen konnte über ihre Hand.
- Doch merkt’s Euch, niemand hier, sie selber nicht,
- Kennt dies Geheimniß.
- Don Enrique.
- Señor, staunen muß ich –
- Aly.
- Mittheilen aber muß ich’s Euch, dem Bräut’gam.
- Doch erst gelobt mir, daß ihr es verschweigt,
- Sogar vor Eurer Braut, damit ich ihr
- Den großen Schmerz erspare, und die Ruh’
- Aus ihrem süßen Herzchen nicht verscheuche.
- Don Enrique.
- (Giebt ihm den Handschlag.)
- Mit meinem Ritterwort’ gelob’ ich Schweigen.
- Aly.
- Ihr wißt, ich hieß nicht immer Don Gonzalvo.
- [159]
- D. Enrique.
- Nicht minder schön und herrlich war der Name,
- Den jedermann Euch gab, dem guten Aly.
- Aly.
- Ja, ja! den guten Aly nannt man mich!
- Doch hätt’ man mich mit besserm Recht genannt:
- Den Glücklichen. Denn Aly war einst glücklich,
- Durch Freundschaft und durch Liebe.
- Einen Freund,
- Den seltensten der Schätze, gab mir Gott.
- Und auch ein Weib, ein Weib, so schön, so mild –
- Nein, Sünde ist es, sie ein Weib zu nennen –
- Ein Engel lag an meinem sel’gen Herzen;
- Und auch noch Vaterfreuden sollt’ ich fühlen.
- Mein holdes Weib gebar mir einen Knaben;
- Sie selber aber wurde bleich und bleicher, –
- Und starb.
- Da goß der Freund mir Trost in’s Herz,
- Und da sein Weib, just zu derselben Zeit,
- Ein Töchterchen gebar, hat diese Gute
- Zu sich genommen mein verwaistes Kind,
- [160]
- Und großgesäugt und mütterlich gepflegt.
- Doch als ich wieder zu mir nahm in’s Schloß
- Den Schmerzensohn, ergriff, bey seinem Anblick,
- Mich jedesmahl auf’s neu der alte Schmerz,
- Ob seiner todten Mutter. Dieses merkte
- Mein kluger Freund, und einst sprach er zu mir:
- Was dünkt dir, Aly, wenn wir unsre Kinder
- Schon jetzt als Braut und Bräutigam verlobten,
- Um unsre Freundschaft fester noch zu gründen?
- Lautweinend fiel ich in des Freundes Arm,
- Und in derselben Stunde ward beschlossen:
- Daß ich des Freundes Tochter zu mir nehmen,
- Und unter Ammenleitung, hier im Schlosse,
- Selbst auferziehen sollt’, damit ich selbst
- Dem eignen Sohn ein wackres Weib erziehe,
- Und daß mein Sohn erzogen werden sollte
- Von meinem Freund’, damit er selber bilde
- Den künft’gen Eh’mann seiner einz’gen Tochter.
- Und dies geschah.
- D. Enrique.
- Ich brenne vor Begier –
- [161]
- Aly.
- Die Kinder wuchsen auf, und sahn sich oft,
- Und liebten sich, – bis das Gewitter kam.
- Ihr wißt wohl, wie sein Blitzstral eingeschlagen
- In des Alhambrahs höchsten Thurm, wie viele
- Der edelsten Geschlechter von Granada
- Zur Religion des Kreuzes sich gewandt.
- Ihr wißt, daß es der frommen Christenamme
- Schon längst gelang, Zuleimas sanftes Herz
- Für Christum zu gewinnen, daß die Holde
- Den Heiland auch bald öffentlich bekannte,
- Und durch der Taufe heil’ges Sakrament
- Den schönen Namen Clara sich gewann.
- Ich ging denselben Weg, dem eignen Herzen
- Und der geliebten Pflegetochter folgend.
- Ich hegte keinen Zweifel, daß mein Freund,
- Der Gleichgesinnte, gleichem Beyspiel huld’ge.
- Doch wehe mir, er war ein blinder Moslem,
- Und nahm die Bothschaft auf mit kaltem Zorne,
- Und ließ mir melden: Seines Gottes Feind,
- Den hasse er, als seinen eignen Feind,
- [162]
- Er wolle nie der Gottesläugnerinn,
- Der eignen Tochter Antlitz wiedersehn,
- Er wolle fliehen aus dem Land’ der Schlangen,
- Und meinen Sohn, das eigne Pflegekind,
- Den wolle er dem Zorne Allahs opfern,
- Und mit des Sohnes Blut den Vater sühnen.
- Und Wort gehalten hat der Wütherich!
- Vergebens eilte ich nach seinem Schlosse;
- Er war entflohn, entflohn mit seiner Beute.
- Ich sah den armen Knaben nimmer wieder;
- Und Krämer einst, die von Marocko kamen,
- Erzählten mir vom Tode meines Sohns.
- Don Enrique.
- (Mit affektirtem Schmerze.)
- O schrecklich! schrecklich! Rührung übermannt mich!
- Mein Herz verblutet! Und Ihr habt Euch nicht
- Furchtbar gerächt an diesen Wütherich?
- Ihr hattet ja des Buben eigne Tochter
- In der Gewalt? Wie habt Ihr da gehandelt?
- [163]
- Aly.
- (Stolz.)
- Ich hab’ gehandelt, Señor, wie ein Christ.
- (Geht ab.)
- Don Enrique.
- (Allein.)
- Soll ich es Don Diego sagen? Ja, ja.
- Er soll mahl sehn, daß er nicht alles weiß.
- Er sieht mich an für dumm. Nur immer zu.
- Wir wollen sehen, wer der klügste ist.
- (Die Tanzmusik beginnt wieder.)
- Doch still davon. Da rufen schön’re Töne,
- Und meine schöne Donna darf nicht warten.
- (Er geht ab.)
- * * *
- [164] Nacht. Alys Schloß von außen. Die Fenster sind erleuchtet. Fröhliche Tanzmusik im Schlosse. Almansor steht sinnend davor. Die Musik schweigt.
- Almansor.
- Fürwahr, recht hübsch ist die Musik. Nur Schade,
- Hör’ ich der Zimbeln hüpfend helles Klingen,
- Fühl’ ich im Herzen tausend Natterstiche;
- Hör’ ich der Geigen langsam weiche Töne,
- Zieht mir ein Messer schneidend durch die Brust;
- Hör’ ich dazwischen die Trompeten schmettern,
- Zuckt’s mir durch Mark und Bein, wie’n rascher Blitz;
- Und hör’ ich dröhnend dumpf die Pauken donnern,
- So fallen Keulenschläge auf mein Haupt.
- Ich und dies Haus, wie passen wir zusammen?
- (Wechselnd nach dem Schlosse und nach seiner Brust zeigend.)
- Dort wohnt die Lust mit ihren Harfentönen;
- Hier wohnt der Schmerz mit seinen gift’gen Schlangen.
- Dort wohnt das Licht mit seinen goldnen Lampen;
- Hier wohnt die Nacht mit ihrem dunkeln Brüten.
- [165]
- Dort wohnt die schöne, liebliche Zuleima; –
- (Sinnet, zeigt endlich auf seine Brust.)
- Wir passen doch, – hier wohnt Zuleima auch.
- Zuleimas Seel’ wohnt hier im engen Hause,
- Hier in den purpurrothen Kammern sitzt sie,
- Und spielt mit meinem Herzen Ball, und klimpert
- Auf meiner Wehmuth zarten Harfensaiten,
- Und ihre Dienerschaft sind meine Seufzer, –
- Und wachsam steht auch meine düstre Laune,
- Als schwarzer Frauenhüther, vor der Pforte.
- (Zeigt nach dem Schlosse.)
- Doch was dort oben, in dem hellen Saal,
- Prachtvoll geschmückt und prangend stolz einhergeht,
- Und mit dem Lockenhaupte freundlich zunickt
- Dem seidnen Buben, der sich zierlich krümmt, –
- Das dort ist nur Zuleimas kalter Schatten,
- Nur eine Drahtfigur, der man ein Glasaug’
- Im Wachsgesichte künstlich eingefugt,
- Und die, durch aufgedrehter Federn Kraft,
- Den leeren Busen wechselnd hebt und senkt.
- (Trompetentusch)
- [166]
- O Weh! da kommt der seidne Bube wieder,
- Und fodert auf zum Tanz die Drahtfigur.
- Das holde Glasaug’ sendet süße Blitze!
- Das liebe Wachsgesicht bewegt sich lächelnd!
- Der schöne Federbusen schwillt und schwillt!
- Mit rauher Hand berühret dort der Bube
- Das leichtgebrechlich zarte Kunstgewebe –
- (Rauschende Musik.)
- Umschlingt’s mit frechem Arm, und zieht es fort
- In wilder Tänzer fluthendes Gedränge!
- Halt ein! halt ein! Ihr Geister meiner Leiden,
- Reißt fort den Buben von dem Leib der Holden!
- Schlagt ein! schlagt ein! Ihr Blitze meines Zorns!
- Brecht ein! brecht ein! Ihr Mauern dieses Schlosses,
- Und stürzt zermalmend auf des Frevlers Haupt!
- (Pause; leisere Musik.)
- Sie bleiben ruhig stehn, die alten Mauern,
- Und meine Wuth zerschellt an ihren Quadern.
- Ihr seyd gar stark gebaut, Ihr festen Mauern,
- Und doch habt Ihr ein schwach und schlecht Gedächtniß!
- Ich heiß’ Almansor, und war sonst der Liebling
- [167]
- Des guten Aly, und auf Alys Knieen
- Wohnt’ ich, und „lieber Sohn“ nannt’ Aly mich,
- Und strich mir dann mit sanfter Hand den Kopf; –
- Und jetzt steh’ ich, wie’n Bettler, vor der Thüre!
- (Die Musik schweigt. Man hört im Schlosse verworrene Stimmen und lautes Gelächter.)
- Da spottet’s mein; Hollah! ich lache mit!
- (Schlägt an die Pforte.)
- Macht auf! macht auf! ein Gast will übernachten!
- (Die Schloßthüre öffnet sich. Pedrillo erscheint mit einem Armleuchter; er bleibt in der Thüre stehen.)
- Pedrillo.
- Beim heiligen Pilatus! Ihr klopft stark;
- Auch kommt Ihr spät zum Ball, er ist schon aus.
- Almansor.
- Ich suche keinen Ball, ich such’ ein Obdach;
- Bin fremd und müd, und dunkel ist die Nacht.
- Pedrillo.
- Beim Barte des Propheten – ich wollt’ sagen
- Der heiligen Eli – Elisabeth –
- Das Schloß ist keine Herberg mehr. Unweit
- Von hier steht so ein Ding, das nennt man Wirthshaus.
- [168]
- Almansor.
- So wohnt allhier nicht mehr der gute Aly,
- Wenn Gastlichkeit aus diesem Schloß verbannt ist.
- Pedrillo.
- Beim heil’gen Jago von – von Compostella!
- Nehmt Euch in Acht, denn Don Gonzalvo zürnt,
- Wenn man ihn noch den guten Aly nennt.
- Zuleima nur,
- (Schlägt sich vor die Stirne.)
- wollt’ sagen Donna Clara,
- Darf noch den Namen Aly nennen. Aly,
- Der irr’t sich auch, und nennt sie oft Zuleima.
- Auch ich, ich heiße jetzt nicht mehr Hamahmah,
- Pedrillo heiß ich, wie in seiner Jugend
- Der heilge Petrus hieß; und auch Habahbah,
- Die alte Köchinn, heißt jetzt Petronella,
- Wie einst die Frau des heilgen Petrus hieß;
- Und was die alte Gastlichkeit betrifft,
- So ist das eine jener Heidensitten,
- Wovon dies christlichfromme Haus gesäubert.
- Gut Nacht! Ich muß jetzt leuchten unsern Gästen,
- [169]
- Es ist schon spät, und manche wohnen weit.
- (Er geht in’s Schloß zurück und schlägt die Pforte zu. Im Schlosse wird es bewegter.)
- Almansor.
- (Allein.)
- Kehr’ um, O Pilger, denn hier wohnt nicht mehr
- Der gute Aly und die Gastlichkeit;
- Kehr’ um, O Moslem, denn der alte Glaube
- Ist ausgezogen längst aus diesem Hause;
- Kehr’ um, Almansor, denn die alte Liebe
- Hat man mit Hohn zur Thür hinausgestoßen,
- Und laut verlacht ihr leises Todeswimmern.
- Verändert sind die Namen und die Menschen;
- Was eh’mals Liebe hieß, heißt jetzo Haß. –
- Doch hör’ ich schon die lieben Gäste kommen,
- Und gar bescheiden geh’ ich aus dem Weg.
- (Geht ab.)
- (Das Schloßthor öffnet sich ganz; buntes Gewühl und verworrene Stimmen. Bediente mit Lichtern treten hervor.)
- Alys Stimme.
- Nein, Señor, nein, das leid’ ich nimmermehr.
- [170]
- Eine andre Stimme.
- Die Nacht ist ja recht schön und sternenhell.
- Unweit von hier stehn unsre Pferd’ und Maulthier’,
- Und weiche Sänften für die weichen Damen.
- Eine dritte Stimme.
- (Beschwichtigend.)
- Nur eine kleine Strecke ist’s, Señora,
- Und nicht zu groß für Euren kleinen Fuß.
- (Damen, Ritter, Fackelträger, Musikanten u. s. w. kommen aus dem Schlosse. Jede Dame wird von einem Ritter geführt.)
- Erster Ritter,
- Verstandet ihr den leisen Wink, Señora?
- Seine Dame.
- (Lächelnd.)
- Ihr seyd heut boshaft, boshaft, Don Antonio.
- (Gehn vorüber.)
- Eine andre Dame.
- (Heftig.)
- Doch überladen war die Stickerey,
- Und noch ein bischen Maurisch war der Schnitt.
- [171]
- Ihr Ritter.
- (Mit verstelltem Ernste.)
- Jedoch was soll das arme Mädchen machen
- Mit all den alten, reichen Maurenkleidern?
- Die Dame.
- Giebt’s keine Maskenbälle, süßer Spötter?
- (Gehn vorüber.)
- (Zwey Ritter gehn im Arm gefaßt.)
- Der Erste.
- Dem alten Herrn sah man den Aerger an,
- Als ihm der Diener, mit gekreuzten Armen,
- Des Bratens Unfall in der Angst berichtet.
- Der Zweite
- (Spöttisch.)
- Das war noch nichts. Er biß sich blau die Lippen,
- Als Carlos laut den wilden Schweinskopf lobte,
- Und scherzhaft drollig den Propheten schalt,
- Der seinem Volk’ ein solch Gericht versagt hat.
- Der Erste.
- (Gutmüthig.)
- Aus lieber Dummheit that’s der alte Schlemmer,
- Dem Wein und Bratenduft den Sinn umnebelt.
- [172]
- Der Zweite.
- (Mit schlauem Seitenblick.)
- Die Dummheit geht oft Hand in Hand mit Boßheit.
- (Gehn vorüber.)
- (Zwey andre Ritter kommen sprechend.)
- Der eine Ritter.
- (Sieht sich sorgsam um.)
- Wir waren wohl die einz’gen Maurenchristen,
- Die Aly eingeladen, und als Carlos –
- Der andre Ritter.
- Versteh’, Schmerz zuckte über Alys Antlitz,
- Er sah uns forschend an, – wem traut man jetzt?
- (Gehn langsam vorüber.)
- (Musikanten, ihre Instrumente stimmend, gehen vorüber.)
- Ein junger Fiedler.
- Gesprungen ist mir wieder eine Saite.
- Der Alte.
- Ja, ja, im Kopfe springt dir sicher keine;
- Die Saiten des Gehirns strengst du nicht an,
- Und plagst mich immer mit den dümmsten Fragen.
- [173]
- Der junge Fiedler.
- (Schmeichelnd.)
- Nur eins noch sag’ mir, dein Verstand ist ja
- So fein, wie eines Fiedelbogens Härchen;
- Und du bist ja der Klügste von uns allen,
- Du stehst ja zwischen uns, so wie dein Brummbaß
- Großmächtig stehet zwischen unsern Geigen –
- Doch du bist auch so brummig wie dein Brummbaß –
- O sag’ mir doch: warum denn Don Gonzalvo,
- So hastig und so ängstlich auf uns einsprang,
- Als wir den hübschen Maurentanz, den Zambrah,
- Aufspielen wollten, und warum statt dessen
- Hieß er den spanischen Fandango spielen?
- Der Alte.
- (Mit selbstgefällig pfiffiger Miene.)
- He! he! das weiß ich wohl, doch sag’ ich’s nicht;
- Denn so was spielt schon in die Politik.
- (Sie gehn vorüber.)
- (Man hört im Schlosse Don Enriques Stimme.)
- Don Enrique.
- Ich hab’ genug an einem Fackelträger.
- [174]
- Mein Esel, der Diego, leuchtet mir;
- (zärtlich)
- Und vor mir schweben immer, freundlich leitend,
- Zwey Liebessternlein, Donna Claras Augen!
- (Verworrene Stimmen. Die Thüre wird geschlossen. Don Enrique und Don Diego treten auf; letzterer in Bedientenkleidung und eine Fackel tragend.)
- Don Diego.
- (Stolz.)
- Wir tauschen jetzt die Rollen, gnäd’ger Herr,
- Und Ihr seyd jetzt der Diener und – der Esel.
- Don Enrique.
- (Nimmt die Fackel.)
- Ich that nach Kräften, Señor, seyd nicht launisch.
- Don Diego.
- (Mit Grandezza.)
- Auf Ehre, Señor, ganz ein andrer schien’t Ihr,
- Als ich zuerst Bekanntschaft mit Euch machte,
- Im Zuchthaus zu Puente del Sahurro.
- Don Enrique.
- (Beschwichtigend.)
- Grollt nicht, ich bin Eu’r treuer Zögling, Señor.
- [175]
- Don Diego.
- Mein Zögling muß, mit bess’ren Schmeicheleyn,
- Sich reicher Damen Gunst erwerben können.
- Was soll denn der Vergleich mit schmächt’gen Sternlein?
- Mit Sonnen muß man so ein Lieb vergleichen!
- Lernt nur auswendig besser unsre Dichter,
- Und schmiert mit Oehl geschmeidig Eure Zung’,
- Die Euch wie eingerostet lag im Munde,
- Als Ihr so stumm an Claras Seite saßet.
- Don Enrique.
- (Schmachtend.)
- Ich sah entzückt auf ihr schneeweißes Händchen!
- Don Diego.
- (Auflachend.)
- Hätt’ Euch das Blitzen ihrer Demantringe
- Das Aug’ geblendet, und die Zung’ gelähmt,
- So ließ’ ich gelten solch ein süß’ Verstummen.
- (Ironisch langsam.)
- Entzücken soll Euch freilich Claras Hand,
- Wenn sie der alte Herr gefüllt mit – Gold.
- Dann will ich mit Euch theilen Eu’r Entzücken,
- Das klingend helle, goldene Entzücken!
- [176]
- Doch überlaß ich Euch allein die Freude
- Am süßen Spiele ihrer weißen Finger,
- An ihrer Muskeln sanftgeschwellter Weichheit,
- Und an der Adern bläulichem Gewebe!
- Don Enrique.
- (Aufgeblasen.)
- Kein Spott! Ich freye zwar des Vaters Schätze,
- Jedoch gesteh’ ich: Claras Schönheit rührt mich.
- Don Diego.
- Mistpfütze, hüthe dich daß man dich rühre!
- Kein Ambrahduft steigt auf durch solche Rührung.
- Lieb’ nicht nach innen, liebe nur nach außen.
- Gefühle sind gar schlechte Liebeswerber;
- Wort, Miene und Bewegung sind weit bess’re.
- Und dringen diese Werber noch nicht durch,
- So helfen schön gefärbte Jünglingswangen,
- Elastisch üpp’ge Waden aus Madrid,
- Schnürleiber, hohe Polsterbrust und Kunstbauch,
- Die Waffen aus dem Schneiderarsenal.
- Und sind auch die zu stumpf, so helfen sicher
- Die Mauerbrecher, –
- [177]
- (Sieht ihn kaltlächelnd an.)
- Señor, kennt Ihr noch
- Die Documente, die ich ausgefertigt,
- Mit alter Schrift und mit erlosch’ner Dinte,
- Die vorsätzlich im Schloß verlornen Briefe,
- Die Don Gonzalvo fand, und draus ersah –
- (Lachend.)
- Ja, Señor, mir, mir habt Ihr es zu danken
- Daß Ihr ein Prinz geworden; – Seyd jetzt folgsam;
- Sprecht nur wie ich’s Euch habe einstudiert;
- Sprecht viel von Religion und von Moral;
- Zeigt jene Wunden oft, die Euch im Zuchthaus
- Der Büttel schlug, und nennt sie heil’ge Narben,
- Die Ihr im Feldzug für die gute Sache
- Erbeutet habt; sprecht viel von der Courage;
- Vor allem aber kräuselt oft den Schnautzbart.
- Don Enrique.
- Ich beuge mich vor Eurer Klugheit, Señor.
- Nur kann ich noch Eu’r Kunststück nicht begreifen,
- Wie Ihr den Pfaffen in’s Intresse zoget?
- Don Diego.
- Die Pfaffen sind ja auch vom Handwerk, Señor,
- [178]
- Und heil’ge Männer haben heil’ge Zwecke,
- Und brauchen Gold für ihre Kirchenkelche,
- Und brauchen Wein, um sie damit zu füllen.
- Ihr merktet nicht daß ich die Volte schlug?
- Ich gab Euch gute Karten, und da trumpft
- Nun Euer Herz die Dame, und den König,
- Den Alten, trumpft Ihr lustig mit dem Kreuz;
- Und morgen ist das Spiel gewonnen, morgen,
- Dann gratulir’ ich Euch zu Eurer Hochzeit.
- Don Enrique.
- (Andächtig gen Himmel schauend.)
- Ich danke dir, du Vater in der Höh’!
- Don Diego.
- Ja, freylich in der Höh’, denn luftig schwebt er
- Am hohen Galgen, zu San Salvador.
- (Sie gehn ab.)
- (Almansor tritt auf.)
- Almansor.
- Die buntgeputzten Fledermäus’ und Eulen
- Sind nun vorbey geflirrt. Recht widerlich
- Drang mir in’s Ohr ihr heiserharsches Schrillen,
- Und athmen konnt’ ich kaum in ihrer Näh’.
- [179]
- Zuleima, Dich umschwärmt solch Nachtgevögel?
- Dich, weiße Taub’, umkreisen solche Raben?
- Dich, schöne Ros’, umkriechet solch Gewürm?
- Hält denn ein Zauber dich umstrickt, Zuleima?
- Ist denn das Bild des flehenden Almansors
- In deiner Seele ganz und gar erloschen?
- Kommt nie Erinn’rung an Almansors Liebe
- Aus deinem Busen seufzend aufgestiegen?
- Dort oben wallen tausend Liebesboten,
- Und jedem gab ich tausend Liebesgrüße,
- Und schmerzlich süß entfloß mein glühend Blut,
- Bey jedem Gruß, aus tausend Liebeswunden;
- Und dennoch brachte keiner dieser Boten
- Der Heißgeliebten meine heißen Grüße!
- Schämt Euch, untreue Boten, Sterne oben,
- Die Ihr so klug und pfiffig niederblinzelt,
- Und Euch als Menschenschicksal-Lenker brüstet!
- Ihr konntet nicht bestellen meine Grüße –
- Und blöde Tauben tragen, treu und sicher,
- Den Liebesbrief des Hirten in der Wüste! –
- Das Schloßgesinde ist zu Bett gegangen,
- [180]
- Bedächtig sind die Lichter ausgelöscht,
- Und nur ein einz’ges noch stralt dort durch’s Fenster.
- Ich kenn’ dies Fenster noch; dort schläft Zuleima.
- Dort stand ich manche schöne Sommernacht,
- Und ließ die Laute klingen, bis die Liebste,
- Mit süßem Wort, auf dem Balkon erschien.
- (Er zieht eine Laute hervor.)
- Hier ist die alte Laute. Klingend schwebt mir
- Im Kopf’ das alte Lied; und sehen möcht’ ich,
- Ob auch der alte Zauberklang noch wirkt.
- (Er spielt und singt.)
- Güldne Sternlein schauen nieder,
- Mit der Liebe Sehnsuchtwehe;
- Bunte Blümlein nicken wieder,
- Schauen schmachtend in die Höhe.
- Zärtlich blickt der Mond herunter,
- Spiegelt sich in Bächleins Fluten,
- Und vor Liebe taucht er unter,
- Kühlt im Wasser seine Gluten.
- [181]
- Wollustathmend, in der Schwüle,
- Schnäbeln weiße Turteltäubchen;
- Flimmernd, wie zum Liebesspiele,
- Fliegt der Glühwurm nach dem Weibchen.
- Lüftlein schauern wundersüße,
- Ziehen feyernd durch die Bäume,
- Werfen Kuß und Liebesgrüße
- Nach den Schatten weicher Träume.
- Blümlein hüpfet, Bächlein springet,
- Sternlein kommt herabgeschossen,
- Alles wacht und lacht und singet, –
- Liebe hat ihr Reich erschlossen.
- Zuleimas Stimme im Schloß.
- Ist es ein Traum, der freundlich mich umgaukelt,
- Und liebe Töne in mein Ohr zurückruft?
- Ist es ein Unhold, der mich zu verlocken,
- Des Freundes süße Stimme künstlich nachäfft?
- [182]
- Ist’s gar der todte, irrende Almansor,
- Der in der Nacht gespenstisch mich umschleicht?
- Almansor.
- Es ist kein Traum, der täuschend dich umgaukelt,
- Es ist kein Unhold, der dich will verlocken,
- Auch ist’s kein todter, irrender Almansor –
- Es ist Almansor selbst, der Sohn Abdullahs.
- Er ist zurückgekehrt, und trägt noch immer
- Lebend’ge Liebe im lebend’gen Herzen.
- (Zuleima tritt, mit einem Lichte, auf den Balkon.)
- Zuleima.
- Sey mir gegrüßt, Almansor ben Abdullah,
- Sey mir gegrüßt im Reiche der Lebend’gen!
- Denn längst kam uns die trübe Mähr: todt sey
- Almansor, – und Zuleimas Augen wurden
- Zwey unversiegbar stille Thränenquellen.
- Almansor.
- O süße Lichter, holde Veilchenaugen,
- So seyd Ihr mir noch immer treu geblieben,
- Als meiner schon vergaß Zuleimas Seele!
- [183]
- Zuleima.
- Die Augen sind der Seele klare Fenster,
- Und Thränen sind der Seele weißes Blut.
- Almansor.
- Und floß auch Blut schon aus Almansors Seele,
- Am Grab’ der Mutter und am Grab’ des Vaters,
- So muß sie jetzt doch ganz und gar verbluten,
- Hier an dem Grabe von Zuleimas Liebe.
- Zuleima.
- O schlimme Worte und noch schlimm’re Kunden!
- Ihr bohrt Euch schneidend ein in meine Brust,
- Und auch Zuleimas Seele muß verbluten.
- (Sie weint.)
- Almansor.
- O weine nicht! Wie glüh’nde Naftatropfen,
- So fallen deine Thränen auf mein Herz.
- Mein Wort soll dich jetzt nimmermehr verletzen!
- Verehren will ich dich wie’n Heiligthum,
- In dessen Näh’ sogar des Blutes Rächer
- Die scharfe Spitze abbricht von der Lanze;
- In dessen Näh’ die Taube und Gazelle
- [184]
- Gesichert sind vor schlimmen Jägerspfeilen;
- In dessen Näh’ selbst gier’ge Räubershände
- Sich demuthsvoll nur zum Gebet bewegen.
- Zuleima, du bist meine heil’ge Caaba,
- Dich glaubte ich zu küssen, als zu Mekka
- Mein glühnder Mund berührt den heil’gen Stein; –
- Du bist so süß, doch auch so kalt wie er!
- Zuleima.
- Bin ich dein Heiligthum, so brich sie ab,
- Die scharfe Lanzenspitze deiner Worte;
- So laß im Köcher ruhn die argen Pfeile,
- Die luftbefiedert in mein Herze treffen;
- Und falte nicht wie zum Gebet die Hände,
- Um[4] desto sich’rer meine Ruh’ zu rauben.
- Genug schon schmerzt mich deine böse Kunde
- Vom Tod Abdullahs und Fatymas; beide
- Hab’ ich wie eigne Eltern stets geliebt,
- Und beide nannten mich auch gerne „Tochter!“
- O sprich, wie starb Fatyma, unsre Mutter?
- Almansor.
- Auf ihrem Ruhebette lag die Mutter,
- [185]
- Zur linken kniete ich, und weinte still,
- Zur rechten stand Abdullah, starr und stumm,
- Und mit der Friedenspalme schwebte sichtbar
- Der Todesengel über Mutters Haupt.
- Ich wollte sie entreißen diesem Engel,
- Und ängstlich hielt ich fest der Mutter Hand.
- Doch, wie die Sanduhr leis und leiser rinnet,
- So rann das Leben aus der Hand der Mutter;
- Auf ihrem bleichen Antlitz zuckten wechselnd
- Ein Lächeln und ein Schmerz, und wie ich leise
- Mich hinbog über sie, da seufzte sie
- Aus tiefer Brust: „bring diesen Kuß Zuleimen.“
- Bey diesem Namen stöhnte auf Abdullah,
- Wie ein zu Tod getroff’nes, wildes Thier.
- Die Mutter sprach nicht mehr, die kalte Hand nur
- Lag in der meinigen, wie ein Versprechen.
- Zuleima.
- O Mutter, O Fatyma, du hast noch
- Bis in den Tod geliebt dein armes Kind!
- Abdullah aber hat mich noch gehaßt,
- Als er hinabstieg in sein dunkles Haus.
- [186]
- Almansor.
- Nicht mit in’s Grab nahm er den Haß. Obzwar,
- Wenn nur durch Zufall ihm in’s Ohr geklungen
- Die Namen Aly und Zuleima, so
- Erwacht’ in seiner Brust der Sturm, wie Wolken
- Umzog es seine Stirn’, sein Auge blitzte,
- Und seinem Mund’ entquoll Verwünschungsfluch.
- Doch einst nach solchem Sturme fiel der Vater,
- Ermattet und betäubt in tiefen Schlaf.
- Ich stand bey ihm, auf sein Erwachen harrend.
- Wie staunte ich! Als er die Wimper aufschlug,
- Da lag in seinem Blick’, statt Zornesglühen,
- Nur klare Freundlichkeit und fromme Milde;
- Statt seiner Wahnsinnschmerzen wildes Zuckens,
- Umschwebte heit’res Lächeln seine Lippen;
- Und statt den grausen Fluch hervorzufluchen,
- Sprach er zu mir mit leiser, weicher Stimme:
- „Die Mutter will’s nun mahl, ich kann’s nicht ändern,
- Drum geh’ nur hin, mein Sohn, durchschiff’ das Meer,
- Geh’ nach Hispanien zurück, geh’ hin
- Nach Alys Schloß, und suche dort Zuleima,
- [187]
- Und sage ihr“ –
- Da kam der Todesengel,
- Und schnitt, mit scharfem Schwerte, rasch entzwey
- Abdullahs Leben und Abdullahs Rede.
- (Pause.)
- Ich habe ihn in’s Grab gelegt, doch nicht,
- Nach Moslembrauch, das Antlitz gegen Mekka;
- Gegen Granada hab’ ich, wie er’s einst
- Befahl, sein todtes Angesicht gerichtet.
- So liegt er mit den stieren, offnen Augen,
- Und sieht mir immer nach.
- (Sich allmählig umdrehend.)
- Du todter Vater,
- Du sahst mich wandern durch den Sand der Wüste,
- Und sahst mich schiffen nach der Küste Spaniens,
- Und sahst mich eilen nach dem Schlosse Alys,
- Und siehst mich hier, –
- hier steh ich vor Zuleima,
- Sag’ nun, Abdullahs Geist, was soll ich sprechen?
- (Eine, in einem schwarzen Mantel verhüllte, Gestalt tritt auf.)
- Die Gestalt.
- O sprich zu ihr: Zuleima steig’ herunter
- [188]
- Aus deines Marmorschlosses güldnen Kammern,
- Und schwing’ dich auf Almansors edles Roß.
- Im Lande, wo des Palmbaums Schatten kühlen,
- Wo süßer Weihrauch quillt aus heil’gem Boden,
- Und Hirten singend ihre Lämmer weiden;
- Dort steht ein Zelt von blendend weißer Leinwand,
- Und die Gazelle mit den klugen Augen,
- Und die Kameele mit den langen Hälsen,
- Und schwarze Mädchen mit den Blumenkränzen,
- Stehn an des Zeltes buntgeschmücktem Eingang,
- Und harren ihrer Herrinn – O Zuleima,
- Dorthin, dorthin entfliehe mit Almansor.
- * * *
- [189] Garten vor Alys Schloß, blühend und von der Morgensonne beleuchtet. Zuleima liegt betend vor einem Christusbilde. Sie steht langsam auf.
- Zuleima.
- Und doch liegt noch die Sorg’ auf dieser Brust!
- Mein Herze zittert noch. Ist es vor Freude,
- Daß er noch lebt, den ich als todt beweint?
- Nein, nicht vor Freude, die verträgt sich nicht
- Mit meinem heil’gen Eid’, mit dem Versprechen,
- Das ich dem frommen Abt des Klosters gab.
- Almansor ist zurückgekommen! Wenn
- Mein Vater das erfährt – Wird nicht sein Zorn
- Den Sohn des Todfeinds treffen? Noch erlosch nicht
- Sein Groll, noch liegen lauernd in der Brust ihm
- Viel schlimme Geister, die mit Wuth entsteigen,
- Wenn nur sein Ohr Abdullahs Namen hört.
- Was hat Abdullah ihm gethan? Mein Vater
- [190]
- Ist sonst so mild! Ich hab’ ihn oft behorcht;
- Des Nachts durchwandelt er des Schlosses Gänge,
- Mit bloßem Schwert’, und ruft „Abdullah, komm,
- Wir wollen fechten, Blut will Blut“ – Almansor!
- Dich darf er nimmer schau’n, entflieh! entflieh!
- Der Väter Feindschaft bringt den Kindern Tod.
- Mit meinem Schleyer will ich dich umhüllen,
- Daß meines Vaters Blick dich nimmer treffe.
- Ich seh’ dich in Gefahr, und es erwachen
- All die Gefühle, die mich einst bewegten,
- Als wir noch Braut und Bräut’gam kindisch spielten,
- Als du den morschen Apfelbaum erklettert,
- Als ich dich weinend, und mit bangen Bitten,
- Herunterlockte von der schlimmen Höh’.
- (Sinnend.)
- „Todt[5] ist Almansor“ sagten böse Leute,
- Und böser Kunde glaubte böses Herz,
- Und Braut des fremden Mannes ward Zuleima!
- Ich will dich lieben, wie man liebt den Bruder, –
- Sey mir ein Bruder, lieblicher Almansor!
- (Sie sieht zur Erde, und seufzt: „Almansor!“)
- [191]
- (Almansor ist unterdessen hinter Zuleima erschienen, naht sich derselben unbemerkt, legt beide Hände auf ihre Schulter, und lächelnd seufzt er im selben Tone: „Zuleima.“)
- Zuleima.
- (Dreht sich erschrocken um, und betrachtet ihn lange.)
- Du hast dich viel verändert, mein Almansor.
- Du siehst fast aus wie’n starker Mann, doch hast du
- Die wilden Knabensitten nicht vergessen,
- Und störst mich wieder, eben so wie sonst,
- Wenn ich mit meinen Blumen heimlich spreche.
- Almansor.
- (Heiter lächelnd.)
- Sag’ mir, mein Liebchen, welche Blume ist es,
- Die jetzt „Almansor“ heißt? Ein trüber Name,
- Der nur für Trauerblumen passen könnt’!
- Zuleima.
- Sag’ mir zuvor, du wilder, finstrer Buhle,
- Wer war der schwarze Sprecher diese Nacht?
- Almansor.
- Es war ein alter Freund, du kennst ihn gut.
- [192]
- Der alte Hassan war’s, der vielbesorgt,
- Wie’n treues Thier, gefolget meiner Spur.
- Leg’ ab, mein süßes Lieb, die finstre Miene,
- Den schwarzn Flor, der deinen Blick umdüstert.
- Wie’n Schmetterling die Raupenhülle abstreift,
- Und leuchtend bunt entfaltet seine Flügel,
- So hat die Erde abgestreift das Dunkel,
- Womit die Nacht ihr schönes Haupt umschleyert.
- Die Sonne senkt sich küssend auf sie nieder;
- Im grünen Wald erwacht ein süßes Singen;
- Der Springborn rauscht und stäubet Diamanten;
- Die hübschen Blümlein weinen Wonnethränen; –
- Das Licht des Tages ist ein Zauberstab,
- Der all die Blumen und die Lieder weckte,
- Der selbst Almansors Seele konnt’ entnachten.
- Zuleima.
- Trau’ nicht den Blumen, die hierher dir winken,
- Trau’ nicht den Liedern, die hierher dich locken,
- Sie winken und sie locken in den Tod.
- Almansor.
- Ich weiche nicht, und weich’ auch nicht dem Tod.
- [193]
- Mir ist so wohl, so heimlich wohl allhier!
- Sie steigen auf, die goldnen Knabenträume!
- Hier ist der Garten, wo ich gerne spielte,
- Hier blühn die Blumen, die mir freundlich nickten,
- Hier singt der Zeisig, der mich morgens grüßt, –
- Doch sprich, mein Lieb, ich sehe nicht die Myrthe,
- Wo sie einst stand, da steht jetzt die Cypresse?
- Zuleima.
- Die Myrthe starb, und auf das Grab der Myrthe
- Hat man gepflanzt die traurige Cypresse.
- Almansor.
- Noch steht die Laube von Jasmin und Geisblatt,
- Wo wir die hübschen Mährchen uns erzählten,
- Von Mödschnuns Wahnsinn und von Leilas Sehnsucht,
- Von beider Liebe und von beider Tod.
- Hier steht auch noch der liebe Feigenbaum,
- Mit dessen Frucht du meine Mährchen lohntest;
- Hier stehn auch noch die Trauben und Melonen,
- Die uns erquickten, wenn wir lang geschwatzt –
- Doch sprich, mein Lieb, ich seh’ nicht den Granatbaum,
- [194]
- Worauf einst saß und sang die Nachtigall,
- Ihr Liebesweh der rothen Rose klagend.
- Zuleima.
- Die rothe Rose ward vom Sturm entblättert,
- Die Nachtigall sammt ihrem Liede starb,
- Und böse Aexte haben abgehau’n
- Den edeln Stamm des blühenden Granatbaums.
- Almansor.
- Hier ist mir wohl! auf diesem lieben Boden
- Klebt fest mein Fuß, wie heimlich angekettet;
- Ich bin gebannt in diesen lieben Kreisen,
- Die du um mich gezogen, schöne Fee;
- Vertraute Balsamdüfte mich umhauchen,
- Die Blumen sprechen und die Bäume singen,
- Bekannte Bilder hüpfen aus den Büschen –
- (Er erblickt das Christusbild, befremdet.)
- Doch sprich, mein Lieb, dort steht ein fremdes Bild,
- Das schaut mich an so mild, und doch so traurig,
- Und eine bittre Thräne läßt es fallen
- In meinen schönen, goldnen Freudenkelch.
- [195]
- Zuleima.
- Und kennst du nicht dies heilge Bild, Almansor?
- Hast du es nie geschaut in sel’gen Träumen?
- Trafst du es wachend nie auf deinen Wegen?
- Besinn’ dich wohl, du mein verlor’ner Bruder!
- Almansor.
- Wohl traf ich schon auf meinem Weg dies Bildniß,
- Am Tage meiner Rückkehr in Hispanien.
- Links an der Straße, die nach Xeres führt,
- Steht prangend eine herrliche Moschee.
- Doch wo der Thürmer einst vom Thurme rief:
- „Es giebt nur einen Gott, und Mahomet
- Ist sein Prophet!“ da klung jetzund herab
- Ein dröhnend dumpfes, schweres Glockenläuten.
- Schon an der Pforte goß sich mir entgegen
- Ein dunkler Strom gewalt’ger Orgeltöne,
- Die hochaufrauschten und wie schwarzer Sud,
- Im glühnden Zauberkessel, qualmig quollen.
- Und wie mit langen Armen, zogen mich
- Die Riesentöne in das Haus hinein,
- Und wanden sich um meine Brust, wie Schlangen,
- [196]
- Und zwängten ein die Brust, und stachen mich,
- Als läge auf mir das Gebirge Kaff,
- Und Simurghs Schnabel picke mir in’s Herz.
- Und in dem Hause scholl, wie’n Todtenlied,
- Das heisre Singen wunderlicher Männer,
- Mit strengen Mienen und mit kahlen Häuptern,
- Umwallt von blum’gen Kleidern, und der feine
- Gesang der weiß- und rothgeröckten Knaben,
- Die oft dazwischen klingelten mit Schellen,
- Und blanke Weihrauchfässer dampfend schwangen.
- Und tausend Lichter gossen ihren Schimmer
- Auf all das Goldgefunkel und Geglitzer,
- Und überall, wohin mein Auge sah,
- Aus jeder Nische nickte mir entgegen
- Dasselbe Bild, das ich hier wiedersehe.
- Doch überall sah, schmerzenbleich und traurig,
- Des Mannes Antlitz, den dies Bildniß darstellt.
- Hier schlug man ihn mit harten Geißelhieben,
- Dort sank er nieder unter Kreuzeslast,
- Hier spie man ihm verachtungsvoll in’s Antlitz,
- Dort krönte man mit Dornen seine Schläfe,
- [197]
- Hier schlug man ihn an’s Kreuz, mit scharfem Speer
- Durchstieß man seine Seite, – Blut, Blut, Blut
- Entquoll jedwedem Bild. Ich schaute gar
- Ein traurig Weib, die hielt auf ihrem Schooß’
- Des Martermannes abgezehrten Leichnahm,
- Ganz gelb, und nackt, von schwarzem Blut umronnen –
- Da hört’ ich eine gellend scharfe Stimme:
- „Dies ist sein Blut,“ und wie ich hinsah, schaut ich
- (Schaudernd.)
- Den Mann, der eben einen Becher austrank.
- (Pause.)
- Zuleima.
- In’s Haus der Liebe trat dein Fuß, Almansor,
- Doch Blindheit lag auf deinen Augenwimpern.
- Vermissen mochtest du den heitern Schimmer,
- Der leichtdurchgaukelt alte Heidentempel,
- Und jene Werkeltagsbequemlichkeit,
- Die in des Moslems dumpfer Betstub’ kauert.
- Ein ernst’res, bess’res Haus hat sich die Liebe
- Zur Wohnung ausgesucht auf dieser Erde.
- In diesem Hause werden Kinder mündig,
- [198]
- Und Münd’ge werden da zu Kinder wieder;
- In diesem Hause werden Arme reich,
- Und Reiche werden selig in der Armuth;
- In diesem Hause wird der Frohe traurig,
- Und aufgeheitert wird da der Betrübte.
- Denn selber als ein traurig, armes Kind
- Erschien die Liebe einst auf dieser Erde.
- Ihr Lager war des Stalles enge Krippe,
- Und gelbes Stroh war ihres Hauptes Kissen.
- Und flüchten muste sie wie’n scheues Reh,
- Von Dummheit und Gelehrsamkeit verfolgt.
- Für Geld verkauft, verrathen ward die Liebe,
- Sie ward verhöhnt, gegeißelt und gekreuzigt; –
- Doch von der Liebe sieben Todesseufzern,
- Zersprangen jene sieben Eisenschlösser,
- Die Satan vorgehängt der Himmelspforte,
- Und wie der Liebe sieben Wunden klafften,
- Erschlossen sich auf’s neu’ die sieben Himmel,
- Und zogen ein die Sünder und die Frommen.
- Die Liebe war’s, die du geschaut als Leiche,
- Im Mutterschooße jenes traur’gen Weibes.
- [199]
- O, glaube mir, an jenem kalten Leichnahm
- Kann sich erwärmen eine ganze Menschheit,
- Aus jenem Blute sprossen schön’re Blumen,
- Als aus Alradschids stolzen Gartenbeeten,
- Und aus den Augen jenes traur’gen Weibes
- Fließt wunderbar ein süß’res Rosenöhl,
- Als alle Rosen Schiras liefern könnten.
- Auch du hast Theil, Almansor ben Abdullah,
- An jenem ew’gen Leib und ew’gen Blute,
- Auch du kannst setzen dich zu Tisch mit Engeln,
- Und Gottesbrod und Gotteswein genießen,
- Auch du darfst wohnen in der Sel’gen Halle,
- Und, gegen Satans starke Höllenmacht,
- Schützt dich mit ew’gem Gastrecht Jesu Christ,
- Wenn du genossen hast sein „Brod und Wein.“
- Almansor.
- Du sprachest aus, Zuleima, jenes Wort,
- Das Welten schafft und Welten hält zusammen;
- Du sprachest aus das große Wörtlein „Liebe!“
- Und tausend Engel singen’s jauchzend nach,
- Und in den Himmeln klingt es schallend wieder;
- [200]
- Du sprachst es aus, und Wolken wölben sich,
- Dort oben hoch, wie eines Domes Kuppel,
- Die Ulmen rauschen auf, wie Orgeltöne,
- Die Vöglein zwitschern fromme Andachtlieder,
- Der Boden dampft von wallend süßem Weihrauch,
- Der Blumenrasen hebt sich als Altar, –
- Nur eine Kirch’ der Liebe ist die Erde.
- Zuleima.
- Die Erde ist ein großes Golgatha,
- Wo zwar die Liebe siegt, doch auch verblutet.
- Almansor.
- O, flechte nicht zum Todtenkranz die Myrthe,
- Und hüll’ die Liebe nicht in Trauerflöre.
- Der Liebe Priesterinn bist du, Zuleima,
- Die Liebe wohnt in deines Busens Zelle,
- Aus deiner Aeuglein klaren Fenstern schaut sie,
- Ihr Odem weht aus deinem süßen Munde –
- Auf Euch, Ihr sammetweiche Purpurkissen,
- Auf Euch, Ihr holden Lippen, thront die Liebe,
- Auf Euch möcht sich Almansors Seele betten, –
- [201]
- Ey, hörst du nicht Fatymas letzte Worte:
- „Bring diesen Kuß Zuleimen, meiner Tochter.“ –
- (Sie sehn sich lange wehmüthig an. Sie küssen sich feierlich.)
- Zuleima.
- Fatymas Todtenkuß hab ich empfangen,
- Nimm hin dagegen Christi Lebenskuß.
- Almansor.
- Es war der Liebe Odem den ich trank,
- Aus einem Becher mit Rubienenrande;
- Es war ein Feuerborn woraus ich trank
- Ein Oehl, das heiß durch meine Adern rinnet,
- Und mir das Herz erquicket und verbrennt.
- (Umschlingt sie.)
- Ich laß nicht ab von dir, von dir, Zuleima!
- Und ständen offen Allahs goldne Hallen,
- Und Houris winkten mir mit schwarzen Augen,
- Ich ließ’ nicht ab von dir, ich blieb’ bey dir,
- Umschlänge fester deinen süßen Leib, –
- Dein Himmel nur, Zuleimas Himmel nur,
- Sey auch Almansors Himmel, und dein Gott,
- [202]
- Sey auch Almansors Gott, Zuleimas Kreuz
- Sey auch Almansors Hort, dein Christus sey
- Almansors Heiland auch, und beten will ich
- In jener Kirche, wo Zuleima betet.
- Beseligt schwimm’ ich wie in Liebeswellen,
- Von weichen Harfenlauten süß umklungen; –
- Die Bäume tanzen wunderlichen Reigen; –
- Die Englein schütten neckend Sonnenstralen
- Und bunten Blüthenstaub auf mich herab; –
- Erschlossen ist des Himmels stille Pracht; –
- Hellgoldne Schwingen tragen mich hinauf, –
- Zur Seligkeit hinauf!
- (In der Ferne hört man Glockengeläute und Kirchengesang.)
- Zuleima.
- (Sich erschrocken von ihm wendend.)
- Jesus Maria!
- Almansor.
- Welch dunkler Laut zerreißt den goldnen Schleyer,
- Womit mich sel’ge Träume leicht umwoben?
- Erblassen seh’ ich plötzlich dich, mein Lieb,
- [203]
- Mein Röslein wandelt sich in eine Lilie, –
- Sag’ an, mein Lieb, hast du den Tod geschaut,
- Der unsichtbar erscheinet, uns zu trennen?
- Zuleima.
- Der Tod, der trennet nicht, der Tod vereinigt,
- Das Leben ist’s, was uns gewaltsam trennt.
- Hörst du, Almansor, was die Glocken murmeln?
- Sie murmeln dumpf
- (verhüllt sich.)
- Zuleima wird vermählt heut
- Mit einem Mann’, der nicht Almansor heißt.
- (Pause.)
- Almansor.
- So hast du mir in’s Herz hineingezischt
- Dein schlimmstes Gift, du Schlangenköniginn!
- Von diesem Gifthauch welken rings die Blumen,
- Des Springborns Wasser wandelt sich in Blut,
- Und todt fällt aus der Luft herab der Vogel.
- So hast du mich hineingesungen, Falsche,
- In jene Folterkammer, die du Kirch’ nennst,
- [204]
- Und kreuzigst mich an deines Gottes Kreuz,
- Und ziehst geschäftig an den Glockensträngen,
- Und spielst die Orgel, um zu übertäuben
- Mein lautes Reu- und Angstgebet zu Allah!
- So hast du mich gelockt, du schlimme Fee,
- In deinen Muschelwagen mit den Täubchen,
- Hast mich hinaufgelockt bis in die Wolken,
- Um jählings mich von dort herabzuschleudern.
- Ich höre fallend noch dein Spottgelächter,
- Ich sehe fallend, wie dein Zauberwagen
- Zu einem Sarge wird, mit Feuerrädern,
- Wie deine Tauben sich in Drachen wandeln,
- Wie du sie lenkst am schwarzen Schlangenzügel, –
- Und grausen Fluch hinunterbrüllend, stürz’ ich
- Hinab, hinab, bis in den Schlund der Hölle,
- Und Teufel selbst erschrecken und erbleichen,
- Bey meinem Wahnsinnfluch und Wahnsinnanblick.
- Fort! fort von hier! ich weiß noch einen Fluch,
- Spräch’ ich ihn aus, müßt’ Eblis selbst erblassen,
- Die Sonne müst’ erschrocken rückwärts eilen,
- [205]
- Die Todten kröchen zitternd aus den Gräbern,
- Und Mensch und Thier und Bäume würden Stein.
- (Stürzt fort.)
- (Zuleima, die bis jetzt verhüllt und unbeweglich stand, wirft sich nieder vor dem Christusbilde. Ein Kirchenlied singend ziehen Mönche, mit Kirchenfahnen und Heil’gen-Bildern, in Prozession vorüber.)
- * * *
- [206] Waldgegend.
- Der Chor.
- Es ist ein schönes Land, das schöne Spanien,
- Ein großer Garten, wo da prangen Blumen,
- Goldäpfel, Myrthen; – aber schöner noch
- Prangten mit stolzem Glanz die Maurenstädte,
- Das edle Maurenthum, das Tarik einst,
- Mit starker Hand, auf span’schen Boden pflanzte.
- Durch manch Ereigniß war schon früh gediehn
- Das junge Reich; es wuchs und blühte auf
- In Herrlichkeit, und überstralte fast
- Des alten Mutterlands ehrwürd’ge Pracht.
- Denn als der letzte Omayad entrann
- Dem Gastmahl, wo der arge Abasside
- Der Omayaden blut’ge Leichenhaufen,
- Zu Speisetischen, höhnend aufgeschichtet;
- Als Abderam nach Spanien sich gerettet,
- Und wackre Mauren treu sich angeschlossen
- Dem letzten Zweig des alten Herrscherstamms, –
- Da trennte feindlich sich der span’sche Moslem
- Vom Glaubensbruder in dem Morgenlande;
- [207]
- Zerrissen ward der Faden, der von Spanien,
- Weit über’s Meer, bis nach Damaskus reichte,
- Und dort geknüpft war am Kaliphenthron’;
- Und in den Prachtgebäuden Cordovas
- Da wehte jetzt ein rein’rer Lebensgeist,
- Als in des Orients dumpfigen Haremen.
- Wo sonst nur grobe Schrift die Wand bedeckte,
- Erhub sich jetzt, in freundlicher Verschlingung,
- Der Thier- und Blumenbilder bunte Fülle;
- Wo sonst nur lärmte Tamburin und Zimbel,
- Erhob sich jetzt, beim Klingen der Chitarre,
- Der Wehmuthsang, die schmelzende Romanze;
- Wo sonst der finstre Herr, mit strengem Blick,
- Die bange Sklavinn trieb zum Liebesfrohn,
- Erhub das Weib jetzund sein Haupt als Herrinn,
- Und milderte, mit zarter Hand, die Rohheit
- Der alten Maurensitten und Gebräuche,
- Und Schönes blühte, wo die Schönheit herrschte.
- Kunst, Wissenschaft, Ruhmsucht und Frauendienst,
- Das waren jene Blumen, die da pflegten
- Der Abderamen königliche Hand.
- [208]
- Gelehrte Männer kamen aus Byzanz,
- Und brachten Rollen voll uralter Weisheit;
- Viel neue Weisheit sproßte aus der alten;
- Und Schaaren wißbegier’ger Schüler wallten,
- Aus allen Ländern, her nach Cordova,
- Um hier zu lernen, wie man Sterne mißt,
- Und wie man löst die Räthsel dieses Lebens.
- Cordova fiel, Granada stieg empor,
- Und ward der Sitz der Maurenherrlichkeit.
- Noch klingt’s in blühend stolzen Liedern von
- Granadas Pracht, von ihren Ritterspielen,
- Von Höflichkeit im Kampf, von Siegergroßmuth,
- Und von dem Herzenspochen holder Damen,
- Die streiten sahn die Ritter ihrer Farbe.
- Doch war’s ein ernst’rer Ritterkampf, worinn
- Sie selber fiel, die leuchtende Granada,
- Und ritterliche Großmuth war es nicht,
- Als jüngst sein Wort, womit er Glaubensfreiheit
- Verbürget hatt’, der Sieger listig brach,
- Und den Besiegten nur die Wahl gelassen,
- Entweder Christ zu werden, oder fort
- [209]
- Aus Spanien nach Afrika zu fliehn.
- Da wurde Aly Christ. Er wollte nicht
- Zurück in’s dunkle Land der Barbarey.
- Ihn hielt gefesselt edle Sitte, Kunst
- Und Wissenschaft, die in Hispanien blühte.
- Ihn hielt gefesselt Sorge für Zuleima,
- Die zarte Blume, die im Frauenkäfig
- Des strengen Morgenlands hinwelken sollte.
- Ihn hielt gefesselt Vaterlandesliebe,
- Die Liebe für das liebe, schöne Spanien.
- Doch was am meisten ihn gefesselt hielt,
- Das war ein großer Traum, ein schöner Traum,
- Anfänglich wüst und wild, Nordstürme heulten,
- Und Waffen klirrten, und dazwischen rief’s
- „Quiroga und Riego!“ tolle Worte!
- Und rothe Bäche flossen, Glaubenskerker
- Und Zwingherrnburgen stürzten ein, in Glut
- Und Rauch, und endlich stieg, aus Glut und Rauch,
- Empor das ew’ge Wort, das urgebor’ne,
- In rosenrother Glorie selig stralend.
- (Geht ab.)
- * * *
- [210] Almansor wankt träumerisch einher.
- Almansor.
- (Kalt und verdrossen.)
- In alten Mährchen giebt es gold’ne Schlösser,
- Wo Harfen klingen, schöne Jungfraun tanzen,
- Und schmucke Diener blitzen, und Jasmin
- Und Myrth’ und Rosen ihren Duft verbreiten –
- Und doch ein einziges Entzaub’rungswort
- Macht all die Herrlichkeit im Nu zerstieben,
- Und übrig bleibt nur alter Trümmerschutt,
- Und krächzend Nachtgevögel und Morast.
- So hab’ auch ich mit einem einz’gen Worte
- Die ganze blühende Natur entzaubert.
- Da liegt sie nun, leblos und kalt und fahl,
- Wie eine aufgeputzte Königsleiche,
- Der man die Backenknochen roth gefärbt,
- Und in die Hand ein Scepter hat gelegt.
- Die Lippen aber schauen gelb und welk,
- Weil man vergaß sie gleichfalls roth zu schminken,
- Und Mäuse springen um die Königsnase,
- Und spotten frech des großen, goldnen Scepters. –
- [211]
- Es ist das eig’ne Blut, das uns hinaufsteigt
- In’s Aug’, wodurch mit schönem, rothen Schimmer
- Bekleidet werden all die Rosenblätter,
- Jungfrauenwänglein, Sommerabendwölkchen,
- Und gleiche Spielerey’n, die uns entzücken.
- Ich hab’ die rothe Brille abgelegt –
- Und sieh’! welch schlechtes Machwerk ist die Welt!
- Die Vögel singen falsch; die Bäume ächzen
- Wie alte Mütterchen; die Sonne wirft,
- Statt glüh’nder Stralen, lauter kalte Schatten;
- Schamlos, wie Metzen, lachen dort die Veilchen;
- Und Tulpen, Nelken und Aurikeln haben
- Die bunten Sonntagsröckchen ausgezogen,
- Und tragen ihr geflicktes, graues Hauskleid.
- Ich selbst hab’ mich verändert noch am meisten;
- Kaum kann ein Mädchensinn sich so verändern!
- Ich bin nur noch ein knöchrichtes Skelett;
- Und was ich sprech’, ist nur ein kalter Windstoß,
- Der klappernd zieht durch meine trocknen Rippen.
- Das kluge Männlein, das im Kopf’ mir wohnte,
- Ist ausgezogen, und in meinem Schädel
- [212]
- Spinnt eine Spinn’ ihr friedliches Gewebe.
- Auch wein’ ich einwärts jetzt; denn als ich schlief,
- Stahl man die Augen mir, und glühnde Kohlen
- Hat man gefugt in meine Augenhöhlen.
- Du Engel oben, du, von dem die Amme
- Mir einst erzählte: daß du jede Thräne,
- Die meinem Aug’ entflösse, sorgsam zähltest,
- Du hast jetzt Feyerabend! Mühsam war
- Dein Tagewerk, du armer Thränenzähler, –
- Hast du dich nie verzählt? und konntest du
- Die großen Zahlen stets im Kopf’ behalten?
- Du bist wohl müd’, und ich bin auch recht müd’,
- Und auch mein Herz ist müd’ vom vielen Klopfen,
- Und ausruhn wollen wir.
- (Er legt sich nieder, an einen Kastanienbaum gelehnt.)
- Ich bin recht müd’,
- Und krank, und kranker noch als krank, denn ach!
- Die allerschlimmste Krankheit ist das Leben;
- Und heilen kann sie nur der Tod. Das ist
- Die bitterste Arz’ney, doch auch die letzte,
- Und ist zu haben überall, und wohlfeil,
- [213]
- (Er zieht einen Dolch hervor.)
- Du eiserne Arzney, du schaust so zweifelnd
- Mich an. Willst du mir helfen?
- (Hassan tritt auf und naht sich leise.)
- Hassan.
- Allah hilft!
- Almansor.
- (Ohne ihn zu bemerken, noch immer mit dem Dolche sprechend.)
- Du murmelst was von Allah und dergleichen.
- Bedarf der Dolch noch eines spitz’gen Wortes,
- Um mir das Herz im Leibe zu verwunden?
- Hassan.
- Was Allah thut, ist wohlgethan.
- Almansor.
- (Immer noch mit dem Dolche sprechend.)
- Ha, ha, ha!
- Moralisiren, scheint es, will der Dolch!
- Ich rathe, schweig’, denn schweigend sprichst du mehr,
- Als mancher Moralist mit seinem Wortschwall.
- [214]
- Hassan.
- (Seufzend.)
- Almansor ben Abdullah, was beginnst du?
- Almansor.
- (Hassan erblickend.)
- Ha! ha! Du sprachst, zweybeinig kluges Ding!
- Trägst du nicht Hassans Bart und Hassans Augen?
- Bist du gar Hassan selbst? Das ist recht schön.
- Wir wollen Abschied nehmen. Lebe wohl!
- Gleich reis’ ich ab!
- (Zeigt ihm den Dolch.)
- Sieh’, diese schmale Brücke
- Führt aus dem Land der Trauer in das Land
- Der Freude. Drohend steht am Eingang zwar,
- Mit blankem Schwert, ein kohlenschwarzer Riese, –
- Der ist dem Feigen furchtbar, doch der Muth’ge
- Geht ungestört hinein in’s Land der Freude.
- Ja, dorten ist die wahre Freude, oder –
- Was doch dasselbe ist – die wahre Ruh’.
- Dort summt in’s Ohr kein überläst’ger Käfer,
- Und keine Mücke kitzelt dort die Nase;
- [215]
- Dort fällt kein grelles Licht in’s blöde Aug’;
- Und nimmer quält dort Hitz’, und Frost, und Hunger
- Und Durst; und was das beste ist, dort schläft man
- Den ganzen Tag, und obendrein die Nacht.
- Hassan.
- Nein, Sohn Abdullahs, feige ist der Schwächling,
- Der keine Kraft hat mit dem Schmerz zu ringen,
- Und ihm den Nacken zeigt, und zaghaft von
- Des Lebens Kampfplatz flieht – steh’ auf, Almansor!
- Almansor.
- (Hebt eine Kastanie von der Erde.)
- Durch wessen Schuld liegt diese Frucht am Boden?
- Hassan.
- Durch Wurm und Sturm; der Wurm zernagt die Fasern,
- Und leicht wirft dann der Sturm die Frucht herab.
- Almansor.
- Soll nun der Mensch, die allerschwächste Frucht,
- Nicht auch zu Boden fallen, wenn der Wurm,
- (Zeigt auf’s Herz)
- [216]
- Der schlimmste Wurm die Lebenskraft zernagte,
- Und der Verzweiflung wilder Sturm ihn rüttelt?
- Hassan.[6]
- Steh’ auf, steh’ auf, Almansor! Nur der Wurm
- Mag sich am Boden krümmen, doch der Aar
- Fliegt stolz hinauf zum ew’gen Sonnenlichte.
- Almansor.
- Reiß’ du dem Aar die mächt’gen Flügel aus,
- Und auch der Aar ist Wurm und kriecht am Boden.
- Des Mißmuths Scheere hat mir längst zerschnitten
- Die goldnen Flügel, die mich einst als Knabe
- Gen Himmel trugen, hoch, gar hoch hinauf.
- Hassan.
- O, zeig’ mir einen Stein, der kalt und stumm ist,
- Und sprich: das ist Almansor! Ich will’s glauben.
- Doch du bist’s nicht, du, der mit offnen Augen
- Dort zaghaft liegst, und liegst, und glotzend zusiehst,
- Wie man die Schmach auf deine Brüder wälzt,
- Wie[7] span’scher Uebermuth der Mauren beste
- Und edelste Geschlechter frech verhöhnt,
- Wie man sie schlau beraubt, und händeringend,
- [217]
- Und nackt und hülflos aus der Heimath peitscht –
- Du bist Almansor nicht, sonst dränge dir
- In’s Ohr der Greise und der Weiber Wimmern,
- Das span’sche Hohngelächter und der Angstruf
- Der edlen Opfer auf dem glüh’nden Holzstoß.
- Almansor.
- Glaub’ mir, ich bin’s. Ich seh’ den span’schen Hund!
- Dort spuckt er meinem Bruder in den Bart,
- Und tritt ihn noch mit Füßen obendrein.
- Ich hör’s; dort weint das arme Mütterchen;
- Sie aß am Freytag gerne Gänsebraten,
- Drum bratet man sie selbst jetzt, Gott zu Ehren.
- Am Pfahl daneben steht ein schönes Mädchen –
- Die Flammen sind in sie verliebt, umschmeicheln,
- Umlecken sie mit lüstern rothen Zungen;
- Sie schreit und sträubt sich holderröthend gegen
- Die allzuheißen Buhlen, und sie weint –
- O Schade! aus den schönen Augen fallen
- Hellreine Perlen in die gier’ge Glut.
- Jedoch was sollen diese Leute mir?
- Mein Herz ist ganz durchstochen wie ein Sieb,
- [218]
- Hat keinen Raum für neue Schmerzenstiche.
- Der blut’ge Mann, der auf der Folter liegt,
- Hat kein Gefühl für einer Biene Stachel.
- Glaub’ mir’s, ich bin Almansor noch, und gastfrey
- Steht meine Brust noch offen fremden Schmerzen;
- Doch, durch die engen Pförtlein Aug’ und Ohr,
- Sind Riesenleiden in die Brust gestiegen,
- Die Brust ist voll –
- (Aengstlich leise.)
- Gar ein’ge wunde Gäste
- Sind, herbergsuchend, mir in’s Hirn gestiegen.
- Hassan.
- Steh’ auf! steh auf! sonst sag’ ich dir ein Wort,
- Das dich aufgeißeln wird, und neue Glut
- In deine Adern gießt –
- (Sich zu ihm herab beugend.)
- Zuleima
- Liegt heute Nacht in eines Spaniers Armen.
- Almansor.
- (Aufspringend und sich krampfhaft windend.)
- Die Sonne ist mir auf den Kopf gefallen,
- [219]
- Das Hirn ist eingebrochen, und die Gäste,
- Die dort sich eingenistet taumeln auf,
- Umflirren mich, wie graue Fledermäuse,
- Umsummen mich, umächzen mich, umnebeln
- Mich mit dem Duft vergifteter Gedanken!
- (Hält sich den Kopf.)
- O Weh! o Weh! die Alte faßt mich an,
- Reißt mir das Haupt vom Rumpf, und schleudert es
- In einen Hochzeitsaal, wo zärtlich bellend
- Ein span’scher Hund mein süßes Liebchen küßt,
- Und schnalzend küßt und herzt – O weh! O hilf mir!
- (Wirft sich zu Hassans Füßen.)
- O hilf dem blut’gen, abgerißnen Kopf’,
- Der keine Arme hat, den Hund zu würgen –
- O leih’ mir deine Arme, Hassan! Hassan!
- Hassan.
- Ja, meinen Arm will ich dir leih’n, Almansor,
- Und auch die starken Arme meiner Freunde.
- Wir wollen würgen jenen span’schen Hund,
- Der dir entreißen will dein Eigenthum.
- Steh’ auf! Du sollst Zuleima bald besitzen.
- [220]
- (Almansor steht auf.)
- Als ich eu’r gestrig Nachtgespräch belauscht,
- Rieth ich zu schneller Flucht, allein vergebens;
- Doch soll Almansor nicht verzweifeln dacht’ ich.
- Ich habe meine Freunde hergeführt;
- Sie harren meines Winkes, und wir stürmen
- Nach Alys Schloß, wir ungeladne Gäste.
- Du nimmst dir deine Braut, und bringst sie mit
- Nach unserm Schiff’, das an der Küste liegt.
- Zuleimas Liebe wird schon wiederkommen.
- Almansor.
- Ha, ha, ha! Liebe! Liebe! Fades Wort,
- Das einst, mit schläf’rig halbgeschloss’nen Augen,
- Ein Engel gähnend sprach. Er gähnte wieder,
- Und eine Welt voll Narren, Alt und Jung,
- Hat gähnend nachgelallet: Liebe! Liebe!
- Nein, nein! ich bin kein schmächt’ger Zephyr mehr,
- Der schmeichelnd fächelt eines Mädchens Wange;
- Ich bin der Nordsturm, der ihr Haar zerzaust[8],
- Und rasend mit sich reißt die scheue Braut.
- Ich bin kein süßes Weihrauchdüftchen mehr,
- [221]
- Das einer Jungfrau Nase zärtlich kitzelt;
- Ich bin der Gifthauch, der sie dumpf betäubt,
- Und schwelgend dringt in alle ihre Sinne.
- Ich bin das Lamm nicht mehr, das, fromm und mild,
- Sich hinschmiegt zu den Füßen seiner Schäf’rin;
- Ich bin der Tiger, der sie wild umkrallt,
- Und wollustbrüllend ihren Leib zerfleischt.
- Zuleimas Leib ist’s, was ich jetzt verlange;
- Ich will ein glücklich Thier seyn, ja, ein Thier;
- Und in des Sinnenrausches Taumel will ich
- Vergessen daß es einen Himmel giebt.
- (Ergreift hastig Hassans Hand.)
- Ich bleibe bey dir, Hassan! ja wir wollen
- Auf wilder See ein lustig Reich begründen;
- Tribut soll uns der stolze Spanier zollen;
- Wir plündern seine Küst’ und seine Schiffe; –
- Auf dem Verdecke kämpf’ ich dir zur Seite; –
- Mein Säbel spaltet stolze Spanierschädel –
- Die Hunde über Bord! – das Schiff ist unser!
- Ich aber eile jetzt, mich zu erquicken,
- Nach der Kajüte, wo Zuleima wohnt,
- [222]
- Umfasse sie mit meinen[9] blut’gen Armen,
- Und küsse ab von ihrer weißen Brust
- Die rothen Flecken – Ha! sie sträubt sich noch?
- Zu meinen Füßen, Sklavinn, sollst du wimmern,
- Ohnmächtig Ding, das meine Sinne kühlt
- Nach wilder Kampfeshitze, – Sklavinn, Sklavinn,
- Gehorche mir, und fächle meine Glut!
- (Beide eilen fort.)
- * * *
- [223] Saal in Alys Schloß. Ritter und Frauen sitzen, festlich geschmückt, an einer Speisetafel. Aly. Don Enrique. Zuleima. Ein Abt. Musikanten. Speisenauftragende Bediente.
- Ein Ritter.
- (Steht auf mit einem gefüllten Becher in der Hand.)
- Ein schöner Name klingt in meiner Brust:
- Es lebe Isabella[10] von Castilien!
- (Er trinkt.)
- Ein Theil der Gäste.
- Hoch lebe Isabella von Castilien!
- (Bechergeklirr und Trompetentusch.)
- Der Abt.
- Noch einen Namen nenn ich Euch: Ximenes,
- Erzbischof von Toledo, lebe hoch!
- (Er trinkt.)
- Ein Theil der Gäste.
- Hoch lebe der Erzbischof von Toledo!
- (Bechergeklirr und Trompetentusch.)
- [224]
- Ein anderer Ritter.
- Laßt uns die besten Namen nicht vergessen.
- Stoßt an; Es lebe hoch das edle Brautpaar!
- (Er trinkt.)
- Alle.
- Hoch lebe Donna Clara und Enrique.
- (Bechergeklirr und Trompetentusch. Zuleima und Enrique verneigen sich.)
- Don Enrique.
- Ich danke Euch.
- Zweiter Ritter.
- Doch Eure Braut ist stumm.
- Don Enrique.
- Die holde Clara spricht zwar wenig heut,
- Doch heut bedarf’s nur eines einz’gen Wortes,
- Des Jaworts am Altar, und ich bin glücklich.
- Zuleima.
- Die Brust ist mir so sehr beklommen, Señor.
- Dritter Ritter.
- Ein schlimmes Zeichen ist es, Don Enrique,
- Daß Ihr das Salzfaß eben umgestoßen.
- [225]
- Vierter Ritter.
- Ein schlimm’res Zeichen wär’s, wenn Ihr den Becher
- Mitsammt dem Weine umgestoßen hättet.
- Dritter Ritter.
- Don Carlos ist ein Säufer.
- Vierter Ritter.
- Ja! Gottlob,
- Und kein trübselig Sonntagskind, wie Ihr,
- Dem gleich das beste Mahl versalzen ist,
- Wenn jemand unverseh’ns das Salzfaß umwirft.
- Ja, ja der Wein, das ist mein Element!
- In seinen goldig hellen Liebesfluten
- Will ich gesund die kranke Seele baden;
- Und lachen muß ich immer, wenn ich denke,
- Wie Mekkahs nüchterner Prophet –
- Ja, Señor,
- Der Wein, der Wein, ja, ja, ich wollte sagen
- Der Wein ist gut, –
- Aly.
- Pedrillo! Hör’ Pedrillo!
- [226]
- Pedrillo.
- Genäd’ger Herr?
- Aly.
- Laß’ alle Possenreißer,
- Und alle Gaukler kommen, alle Springer,
- Und auch den Harfenspieler, das Gesindel
- Aus Barzelona.
- Pedrillo.
- Versteh’ schon, gnäd’ger Herr!
- (Geht ab.)
- Fünfter Ritter.
- (Im Gespräch mit einer Dame.)
- Heurathen werd’ ich nimmermehr, Señora.
- Die Dame.
- Ihr scherzt, Ihr seyd bey Laune, Don Antonio;
- Ihr seyd ein Damenfreund, und Freund der Liebe.
- Fünfter Ritter.
- Ich liebe wohl die Myrthe, ich ergötze
- Mein Auge an dem frischen Grün der Blätter,
- Erquicke mir das Herz an ihrem Duft;
- Doch hüth’ ich mich, daß ich die Myrthe koche,
- [227]
- Um als Gemüse sie zu speisen, – bitter,
- Señora, bitter schmeckt ein solch Gericht.
- Der Abt.
- (Im Gespräche mit seinem Nachbar.)
- Das war ein herrliches Auto – da – fe;
- So etwas labt das Herz des frommen Christen,
- Und schreckt die starren Sünder auf den Bergen –
- (Zu Aly.)
- Wißt Ihr die Nachricht schon vom Sieg der Unsern,
- Und von der Heiden blut’ger Niederlage?
- Sie haben sich zerstreut, unweit von hier
- Durchstreifen sie die Gegend, –
- Aly.
- (Nach der Thüre sehend.)
- Gott sey Dank!
- Ich hab’ es schon gehört, ehrwürd’ger Herr, –
- Doch soll uns jetzt das Gaukelspiel ergötzen –
- (Possenreißer, Gaukler, Springer, und ein Harfenspieler treten herein.)
- (Burleskes Ballet.)
- [228]
- Der Harfenspieler.
- (Singt.)
- In dem Hofe des Alhambrahs
- Stehn zwölf Löwensäul von Marmor;
- Auf den Löwen steht ein Becken
- Von dem reinsten Alabaster.
- In dem Becken schwimmen Rosen,
- Rosen von der schönsten Farbe;
- Das ist Blut der besten Ritter,
- Die geleuchtet in Granada.
- Aly.
- Ein traurig Lied. Es ist zu melancholisch.
- Gebt uns ein lustig Hochzeitlied, recht lustig.
- Der Harfenspieler.
- (Singt)
- Es war mahl ein Ritter, trübselig und stumm,
- Mit hohlen, schneeweißen Wangen;
- Er schwankte und schlenderte schlotternd herum,
- [229]
- In dumpfen Träumen befangen.
- Er war so hölzern, und täppisch, und links,
- Die Blümlein und Mägdlein, die kicherten rings,
- Wenn er stolpernd vorbey gegangen.
- Oft saß er im finstersten Winkel zu Haus;
- Er hat sich vor Menschen verkrochen.
- Da streckte er sehnend die Arme aus,
- Doch hat er kein Wörtlein gesprochen.
- Kam aber die Mitternachtstunde heran,
- Ein seltsames Singen und Klingen begann,
- An die Thüre da hört er es pochen.
- Da kommt seine Liebste geschlichen herein,
- Im rauschenden Wellenschaumkleide.
- Sie blüht und glüht, wie ein Röselein,
- Ihr Schleyer ist eitel Geschmeide.
- Goldlocken umspielen die schlanke Gestalt,
- Die Aeugelein grüßen mit süßer Gewalt –
- In die Arme sinken sich beide.
- [230]
- Der Ritter umschlingt sie mit Liebesmacht,
- Der Hölzerne steht jetzt in Feuer;
- Der Blasse erröthet, der Träumer erwacht,
- Der Blöde wird freyer und freyer.
- Sie aber, sie hat ihn gar schalkhaft geneckt,
- Sie hat ihm ganz leise den Kopf bedeckt
- Mit dem weißen, demantenen Schleyer.
- In einen kristallenen Wasserpalast
- Ist plötzlich gezaubert der Ritter.
- Er staunt, und die Augen erblinden ihm fast,
- Vor alle dem Glanz und Geflitter.
- Doch hält ihn die Nixe umarmet gar traut,
- Der Ritter ist Bräut’gam, die Nixe ist Braut,
- Ihre Jungfrau’n spielen die Zitter.
- Sie spielen und singen; es tanzen herein
- Viel winzige Mädchen und Bübchen.
- Der Ritter der will sich zu Tode freu’n,
- Und fester umschlingt er sein Liebchen –
- (Pedrillo stürzt ängstlich herein.)
- [231]
- Pedrillo.
- O, Allah hilf! Jesus Maria Joseph!
- Wir sind verloren, denn sie kommen, kommen!
- Alle.
- Wer kömmt?
- Pedrillo.
- Die Unsern kommen!
- Alle.
- Wie? die Unsern?
- Pedrillo.
- Nein, nicht die Unsern. Die verfluchten Heiden,
- Die schändlichen Rebellen von den Bergen,
- Die sind herangeschlichen auf den Strümpfen –
- Wir sind verloren, draußen sind sie, hört Ihr?
- (Man hört Waffengerassel. Verworrene Stimmen rufen: Granada! Allah! Mahomet!)
- Einige Ritter.
- Wohlan, sie mögen kommen.
- Andre Ritter.
- Unsre Waffen!
- (Die Damen geben Zeichen des Schreckens. Zuleima sinkt ohnmächtig hin. Laute Bewegung im Saale.)
- [232]
- Aly.
- O seyd nur außer Sorge, schöne Damen.
- Der Maure ist gallant, und selbst im Zorne
- Wird er den Damen ritterlich begegnen.
- Wir Männer aber wollen tüchtig kämpfen –
- Alle Ritter.
- (Ihre Schwerter ziehend.)
- Wir kämpfen für den Leib und für die Ehre!
- (Waffengeklirr. Verworrene Stimmen. Die Mauren brechen herein; an ihrer Spitze Hassan und Almansor. Letzterer bricht sich Bahn zur ohnmächtigen Zuleima. Gefecht.)
- * * *
- [233] (Waldgegend. Man hört in der Nähe Waffengerassel und Kampfruf. Pedrillo kommt ängstlich und händeringend gelaufen.)
- Pedrillo.
- O weh! die hübsche Hochzeit ist verdorben!
- O weh! die hübschen, seidnen Hochzeitkleider,
- Die werden jetzt zerhauen und zerfetzt,
- Und blutig obendrein, und statt des Weines
- Fließt Blut! Ich lief nicht fort aus Feigheit, nein,
- Beim Kampfe wollt’ ich niemand in dem Weg stehn.
- Sie werden fertig ohne mich. Schon sind
- Die Feinde aus dem Saal zurück gedrängt, –
- Und sieh!
- (Nach der Seite gewendet.)
- Schon vor dem Schlosse kämpfen sie.
- Sieh’ dort! O weh! der säbelt lustig drein!
- Mir wär’s nicht lieb, wenn solch ein krummes Ding
- Mir flink und zierlich durch’s Gesicht spatzierte.
- Dem dorten ist die Nase abgehau’n,
- Und unserm armen, dicken Ritter Sancho
- Hat man den fetten Schmeerbauch aufgeschlitzt.
- Doch sieh! wer ist der rothe Ritter? Seltsam!
- [234]
- Er trägt den span’schen Mantel und gehört
- Zur maurischen Parthey – O Allah! Jesus!
- (Weint.)
- Ach, unsre arme, freundliche Zuleima!
- Dem rothen Ritter liegt sie auf der Schulter,
- Er hält sie fest mit seinem linken Arm,
- Und mit der rechten Hand schwingt er den Säbel,
- Und haut, wie’n Rasender – er ist verwundet –
- Er sinkt – Nein! nein! er wankte nur – Er steht,
- Er kämpft – er flieht –
- O Weh! wo soll ich hin,
- Auch hier muß ich den Leuten aus dem Weg gehn.
- (Eilt fort.)
- (Almansor wankt ermattet vorüber. Er trägt auf dem Arm die ohnmächtige Zuleima, schleppt sein Schwert nach sich, und lallt: „Zuleima! Mahomet!“ Kämpfende Mauren und Spanier treten auf. Die Mauren werden weiter gedrängt. Hassan und Aly kommen fechtend. Wildes Gefecht zwischen beiden. Hassan wird verwundet. Don Enrique, Diego und spanische Ritter treten auf.)
- Hassan.
- (Niedersinkend.)
- Ha! ha! die Christenschlange hat gestochen!
- [235]
- Und just in’s Herz hinein – O schläfst du Allah?
- Nein, Allah ist gerecht, und was er thut,
- Ist wohlgethan – Vergißt du meiner? – Nein,
- Nur Menschen sind vergeßlicher Natur –
- Vergessen ihren Gott, und ihren Freund,
- Und ihres Freundes besten Knecht – Sag’, Aly,
- Kennst du den Hassan noch, den Knecht Abdullahs?
- Abdullah –
- Aly.
- (In Zorn ausbrechend.)
- Abdullah ist der Name jenes
- Verrätherischen Buben, jenes feigen,
- Blutdurst’gen Bösewichts, der meinen Sohn,
- Den theuern Sohn Almansor, mir gemordet!
- Abdullah heißt Almansors Meuchelmörder –
- Hassan.
- (Sterbend.)
- Abdullah ist kein Bösewicht, kein Bube,
- Abdullah ist Almansors Mörder nicht!
- Almansor lebt – lebt – lebt – ist hier – es ist
- [236]
- Der rothe Ritter, der Zuleima raubt’, –
- Dort, dort –
- Aly.
- Mein Sohn Almansor lebt? es ist
- Der rothe Ritter der Zuleima raubt’?
- Hassan.
- Ja, ja! fest hält er was er einmahl hat –
- Du lügst, Abdullah war kein Meuchelmörder,
- Und war kein Bösewicht, und war kein Christ –
- Laß’ mich in Ruh’ – Es kommen schon die Mädchen,
- Mit schwarzen Augen, schöne Houris kommen –
- (Selig lächelnd.)
- Die jungen Mädchen und der alte Hassan!
- (Er stirbt.)
- Aly.
- O Gott, ich danke dir! Mein Sohn, er lebt!
- O Gott, das ist ein Zeichen deiner Gnade!
- Mein Sohn, er lebt! Kommt, Freunde, laßt uns jetzt
- Verfolgen seine Spur. Er ist uns nah,
- [237]
- Und hat als Beute schon davon getragen
- Die holde Braut, die ich ihm einst erkor.
- (Alle gehen ab, bis auf Don Enrique und Don Diego, die sich lange schweigend ansehn.)
- Don Enrique.
- (Weinerlich.)
- Und nun? Nun, Don Diego?
- Don Diego.
- (Ihn nachäffend.)
- Und nun, Don
- Enrique del Puente del Sahurro?
- Don Enrique.
- Was wollen wir jetzt thun?
- Don Diego.
- Wir? Wir? Nein Señor,
- Wir beide sind geschiedne Leute jetzt.
- Ihr habt kein Glück. Das kostet mir Zweyhundert
- Dukaten. Geld ist fort. Die Müh’ verloren.
- (Aergerlich lachend.)
- Ich plage mich von Jugend auf, mit Kniffen
- Und Pfiffen, denke mir die Haare grau;
- [238]
- Auf krummen Pfaden schleiche ich im Wald,
- Daß mir der Dornbusch Rock und Fleisch zerreißt;
- Durch steile Felsen wind’ ich mich, und springe
- Von Spitz’ zu Spitz’, daß wenn ich niederfiele,
- Die Raben meinen Kopf als ein Ragout
- Verspeisen würden – dennoch bleib’ ich arm!
- Ich bleibe arm, wie eine Kirchmaus arm!
- Derweil mein Schulkam’rad, der blöde Dummkopf,
- Der immer, recht schnurgrade und behaglich,
- Auf seiner breiten Landstraß schlendert,
- Noch immer seinen Ochsengang fortschlendert,
- Und ein geehrter, dicker, reicher Mann ist.
- Nein, ich bin’s müde, Señor; lebet wohl!
- (Geht ab.)
- Don Enrique.
- (Steht lange sinnend.)
- Ob Don Gonsalvo mir nichts borgen wird?
- (Geht ab.)
- * * *
- [239] (Felsengegend. Almansor, matt und blutend, und die ohnmächtige Zuleima tragend, erklimmt den höchsten Felsen.)
- Almansor.
- O, hilf mir, Allah, bin so müd und matt.
- Hab’ mir zurückgeholt mein weißes Reh,
- Just als des Jägers Hand es schlachten wollte.
- (Er setzt sich auf des Felsens Spitze, und hält Zuleima auf dem Schooße.)
- Ich bin der arme Mödschnun, und ich sitze
- Auf meinem Felsen, spiel’ mit meinem Reh;
- Denn in ein Reh verwandelte sich Leila,
- Und sah mich an mit freundlich klaren Augen.
- Jetzt sind die Aeuglein zu, mein Rehlein schläft.
- Still! still! Du Zeisig, zwitschre nicht so schmetternd.
- Du Käfer, summe leiser. Liebes Lüftlein,
- Durchraschle nicht so laut die Blätter, – Stille!
- Ein Wiegenlied will ich dir singen. Stille!
- (Er wiegt Zuleima im Schooße und singt:)
- Die Sonne wirft ihr Nachtkleid um,
- Gar rosenroth und schön;
- [240]
- Die Vöglein werden still und stumm,
- Sie woll’n zu Bette gehn.
- Schlafe mein Rehlein auch du!
- Mein Rehlein schläft, recht hübsch; doch gar zu lang.
- Die schmachtend süßen, liebeklaren Aeuglein
- Sind zugeschlossen jetzt, fest zugeschlossen, –
- Und bleiben zu? Ist denn mein Rehlein todt?
- (In Thränen ausbrechend.)
- Todt! todt! mein weiches, weißes Rehlein todt!
- Die süßen Sternlein ausgelöscht und todt!
- Mein todtes Rehlein! sanft will ich dich betten
- Auf Rosen, Lilien, Veilchen, Hyazinthen.
- Aus goldnem Mondschein web’ ich eine Decke,
- Und deck’ dich zu. Ein Trauerlied soll dir
- Rothkehlchen singen, und es sollen zwölf
- Goldkäfer ernsthaft Schildwacht stehn des Tags,
- An deinem kleinen Blumenbettchen, zwölf
- Glühwürmchen sollen flimmernd dort des Nachts,
- Wie stille Todtenkerzen, leuchten; aber
- Ich selber will dort weinen Tag und Nacht.
- [241]
- (Zuleima erwacht aus ihrer Ohnmacht.)
- Was seh’ ich? Heimlich leise regen sich
- Die zarten Glieder, und der seid’ne Vorhang
- Der süßen Augen rollt sich langsam auf!
- Das ist kein Rehlein, das ist Leila nicht,
- Das ist Zuleima, Alys schöne Tochter –
- (Zuleima öffnet die Augen.)
- Der Himmel schließt sich auf, das Himmelreich!
- Zuleima.
- Bin ich im Himmel schon?
- Almansor.
- Aus starrem Tod
- Bist du erwacht.
- Zuleima.
- Ich weiß es wohl, daß ich
- Gestorben bin, und jetzt im Himmel bin.
- (Sieht sich überall um.)
- Wie schön ist’s hier, wie leicht und rein die Luft,
- Und Alles trägt ein rosenfarbig Kleid.
- Almansor.
- Ja, ja, wir sind im Himmel, süßes Lieb,
- [242]
- Siehst du die Blumen, die dort unten spielen,
- Die Schmetterlinge, die dazwischen flattern,
- Und, neckend, bunten Diamantenstaub
- Den armen Blümlein in die Augen werfen?
- Hörst du dort unten, wie das Bächlein rauscht,
- Wie bläuliche Libellen es umsummen,
- Und grüngelockte Wassermädchen, plätschernd,
- In röthlich goldne Wellen untertauchen?
- Siehst du die weißen Nebelbilder wallen?
- Es ist der Seel’gen Schaar, die, ewig jung,
- Im ew’gen Frühlingsgarten sich ergehn.
- Zuleima.
- Wenn das der Seel’gen Wohnung ist, Almansor,
- So sage mir, wie bist du hergekommen?
- Denn unser frommer Abt hat mir versichert:
- Daß nur wer Christ ist seelig werden kann.
- Almansor.
- O zweifle nicht an meiner Seeligkeit!
- Ich halte dich, mein Lieb, in meinen Armen,
- Und seelig, dreimal seelig ist Almansor.
- [243]
- Zuleima.
- So log der fromme Mann, er sagte auch,
- Den edeln Don Enrique müßt’ ich lieben.
- Ich hab’s gethan, so gut es ging. Almansor
- Wollt’ ich vergessen. O, das ging nicht gut.
- Ich hab’ es auch geklagt der Mutter Gottes.
- Die hat gelächelt, freundlich, gnädig, huldreich,
- Und hat mich eingehüllt in ihren Schleyer,
- Und hergetragen in die lichte Höh’.
- Musik erklang auf meinem Weg’; es bliesen
- Die Englein auf Waldhörnern, und Schallmeyn,
- Und sangen süße Lieder; – süße Lust!
- Ich bin im Himmel, und das beste ist,
- Almansor ist bey mir, und in dem Himmel
- Bedarf es der Verstellungskünste nicht,
- Und frey darf ich gestehn: Ich liebe dich,
- Ich liebe dich, ich liebe dich, Almansor!
- (Das scheidende Abendroth verklärt die beiden Gestalten)
- Almansor.
- Ich wußte längst, du liebest mich noch immer,
- Mehr als dich selbst. Die Nachtigall hat mir’s
- [244]
- Vertraut, die Rose hat’s mir zugehaucht,
- Ein Lüftlein hat es mir in’s Ohr gefächelt,
- Und jede Nacht hab’ ich es klar gelesen
- Im blauen Buche mit den goldnen Lettern.
- Zuleima.
- Nein! nein! der fromme Mann hat nicht gelogen,
- Es ist so schön im schönen Himmelreich!
- Umschließe mich mit deinen lieben Armen,
- Und wiege mich auf deinem weichen Schooß,
- Und laß’ Jahrtausende mich Wonnetrunk’ne
- In diesem Himmel in dem Himmel liegen!
- Almansor.
- Wir sind im Himmel, und die Engel singen,
- Und rauschen drein mit ihren seidnen Flügeln, –
- Hier wohnet Gott im Grübchen dieser Wangen, –
- (Waffengeklirr in der Ferne. Almansor erschrickt.)
- Dort unten aber wohnet Eblis, furchtbar
- Dringt seine Stimm’ hinauf, bis in den Himmel,
- Und streckt er nach mir aus die Eisenhand.
- [245]
- Zuleima.
- (Erschrocken.)
- Was schrickst du plötzlich auf? was zitterst du?
- Almansor.
- Nenn’ ’s Eblis, nenn’ es Satan, nenn’ es Menschen,
- Die tückisch arge Macht, die wild hinaufsteigt,
- In meinen Himmel selbst –
- Zuleima.
- So laß uns fliehn,
- Hinab in’s Blumenthal, wo Blümlein spielen,
- Die Schmetterlinge flattern, Bächlein rauscht,
- Libellen summen, Nachtigallen trillern,
- Und stille, seel’ge Nebelbilder wallen –
- Trag’ mich hinab, ich bleib’ an deiner Brust.
- (Sie schmiegt sich an ihn.)
- Almansor.
- (Springt auf und hält Zuleima im Arm.)
- Hinab! hinab! die Blumen winken ängstlich,
- Die Nachtigall ruft mich mit bangem Ton,
- Der Seel’gen Schatten strecken nach mir aus
- Die Nebelarme, riesig lang, ziehn mich
- Hinab, hinab –
- [246]
- (Fliehende Mauren eilen vorüber.)
- Die Jäger nahen schon,
- Mein Reh zu schlachten! dorten klirrt der Tod,
- Hier unten blüht entgegen mir das Leben,
- Und meinen Himmel halt ich in den Armen.
- (Er stürzt sich mit Zuleima den Felsen hinab.)
- (Spanische Ritter, die den Mauren nacheilen, sehen beide herabstürzen, und treten entsetzt zurück. Man hört Alys Stimme:
- „Sucht ihn, sucht ihn, er muß uns nahe seyn!“
- Aly tritt auf.)
- Mehrere Ritter.
- Entsetzlich!
- Aly.
- Habt Ihr ihn und sie gefunden?
- Ein Ritter.
- (Hinter den Felsen zeigend.)
- Gefunden wohl, der Wüthende hat sich
- Herabgestürzt mit seiner theuern Last.
- (Pause.)
- Aly.
- Jetzt, Jesu Christ, bedarf ich deines Wortes,
- [247]
- Und deines Gnadentrost’s, und deines Beispiels.
- Der Allmacht Willen kann ich nicht begreifen,
- Doch Ahnung sagt mir: ausgeräutet wird
- Die Lilie und die Myrte auf dem Weg,
- Worüber Gottes goldner Siegeswagen
- Hinrollen soll in stolzer Majestät.
- * * *
- Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Nicht Teil der Vorlage
- ↑ Vorlage: heit’re (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: deinen Füßen (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: Und (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: Tod (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: Hasssan
- ↑ Vorlage: Mie
- ↑ Vorlage: zersaust (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: meinem (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: Isallella
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