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- 838
- H33c
- OS
- 967.712
- THE GIFT OF
- ^3^
- (7 5"
- DER ARME HEINRICH
- HERRN HARTMANNS VON AUE
- ÜNI»
- ZWEI JÜNGERE PROSALEGENDEN
- VERWANDTEN INHALTES.
- MIT ANMEEKUNGEN UND ABHANDlUNfiBN
- VON
- WILHELM WACKERNAGEL.
- H E R A U 8 G E G R B E N
- VON
- W. TOISCHER.
- BENNO SCHWABE, VERLAGSBUCHHANDLUNG.
- 1885.
- SeliMraigltaiiserisclie Rneltdriiekerei.
- Vorrede.
- Wackernagels Manuscript zum armen Heinrich, das ich
- zur Herausgabe übernommen habe, ist ein grosser Quartband,
- in den auch ein Exemplar der ersten (Text-) Ausgabe (Basel
- 1855) eingebunden ist. Die Anordnung ist dieselbe wie in
- dem vorliegenden Buche, nur dass die Anmerkungen auf
- Blättern, zwischen welchen der Text sich befindet, ein-
- gezeichnet sind.
- Die Citate aus Walther sind nach der Ausgabe von
- Wackernagel und Rieger (Giessen 1862) eingetragen : die
- Anmerkungen müssen also von Wackernagel nach diesem Jahre
- eingeschrieben sein. Aber die Arbeit geht sicher in frühere
- Jahre zurück, denn das wesentlichste derselben war bei diesem
- Eintragen bereits gethan. Aber die Sammlung wurde fort-
- gesetzt, schwierigere Punkte auf's neue und wiederholt in Er-
- wsegung gezogen und mit verschiedener Tinte und verschie-
- dener Schrift sind Zusätze und BerichtigungSb nachgetragen:
- bald länger, bald kürzer ; viele weiter ausgeführt, sehr häufig
- blosse Citate hinzugefügt. So kann man das vorliegende Buch
- mit Recht ein Werk jahrelangen Sammeins und Arbeitens
- nennen und die Berechtigung des Druckes steht wohl ausser
- Frage.
- Aber Bedenken gab es doch. Im Manuscripte finden sich
- vielfach, namentlich in der Einleitung und den Anmerkungen
- O ^ p-^r^'-jjß
- — IV —
- bloss Schlagworte: ich musste die Sätze erst ergänzen. In
- den meisten Fällen war das jedoch leicht; fast niemals war
- ich über den Sinn der Worte im Zweifel, verhältnissmsessig
- selten auch über die Wahl der Worte. Dass ich überall und
- immer auch den Ausdruck und die Verbindung gefunden habe,
- die Wackernagel im Sinne hatte, kann ich allerdings nicht
- behaupten; dass ich mit eigenen Zusätzen sparsam war, wird
- man dem Buche ansehen. Hätte W. es zum Drucke fertig
- gemacht, der Text würde fliessender und abgerundeter sein.
- Besonders gilt das von den Anmerkungen. Da ging die Kürze
- W.'s am weitesten und ich habe da am wenigsten gethan die
- angedeuteten Gedanken zu ergänzen, einmal weil ich die Worte
- so für verständlich halte (an etwas schwierige Anmerkungen
- zu den Werken Hartmanns sind wir ja schon gewcehnt) und
- dann weil ich allzuviel hätte hinzuthun, ja umgestalten müssen,
- um überall vollständige Sätze herauszubringen.
- Und es sollte doch W.'s Werk bleiben. Wir verehren
- in ihm einen der Altmeister unserer Wissenschaft und es ist
- darum nicht ohne Interesse zu wissen, wie er über den Gegen-
- stand dachte, wie er die Dichtung, der er ein besonderes
- Studium gewidmet, vor seinen Zuhoerern interpretirt hat. Da
- mussten alle Umgestaltungen fern bleiben, da mussten moeg-
- lichst seine eigenen Worte beibehalten werden.
- Ich hätte auch gar zu viel umwerfen müssen. Nament-
- lich die Einleitung fordert zur Umgestaltung förmlich heraus.
- Da stimmt manches mit W.'s Literaturgeschichte überein. Die
- Charakteristik der drei grossen Epiker Hartmann, Wolfram,
- Gottfried ist der in § 61 der LG. gegebenen sehr sehnlich;
- der Abriss der Metrik, wie er hier gegeben ist, erscheint erst
- in § 48 der LG. recht begründet und ausgeführt. Das also
- hätte vielleicht hier wegbleiben können. Anderes erscheint
- antiquirt. Sicher hätte W. da den neueren Forschungen
- Rechnung getragen und die Abschnitte über Leben und Werke
- Hartmanns würden unter seinen Händen eine andere Gestalt
- erhalten haben. Wie weit aber seine Ansichten durch diese
- neueren Untersuchungen umgestaltet worden wseren, kann man
- nicht wissen. So viel WaBrscheinlichkeit die neueren An-
- sichten über die Heimat Hartmanns für sich haben, Sicherheit
- herrscht durchaus keine und es ist die Frage, ob W. nicht
- daran festgehalten hätte, dass Hartmann der Ortenau ent-
- stammt sei. Auch die Bestimmung der Reihenfolge der
- Werke Hartmanns hat keine absolute Sicherheit. So musste
- die Einleitung bleiben, wie W. sie geschrieben hat: alle
- nöthig scheinenden Zusätze habe ich in eckige Klammern
- gestellt.
- Auch in der Abhandlung über die Sage war ein Zweifel
- mceglich. Auf die Autoritset Virchow's hin waere wohl der
- Anfang, der die detaillirte Beschreibung des Aussatzes giebt,
- umzugestalten gewesen. Aber es sind vielleicht auch hier
- verschiedene Meinungen moeglich und jedenfalls fühlte ich
- mich auf diesem Gebiete zu sehr fremd, um weitgehende
- Aenderungen vornehmen zu können und — aufrichtig gesagt,
- ich wünschte diese Detailbeschreibung der scheusslichen Krank-
- heit (nur diese) aus dem Buche ganz weg. Durch eine solche
- wird erst, da die Krankheit selbst glücklicherweise unserer
- Anschauung entrückt ist, Goethes bekanntes ürtheil über den
- armen Heinrich gerechtfertigt. Desshalb wollte ich diesen
- Theil nicht noch vermehren durch Citate oder Auszüge. Wer
- will, möge sich aus den citirten Werken weitere Belehrung
- holen.
- /
- — VI —
- Auch dem Texte gegenüber bin ich moeglichst conservativ
- verfahren. W. hat erst später die Varianten der St. Florianer
- Bruchstücke eingetragen, aber nicht mehr für den Text alles
- verwerthet. Ich habe die Varianten, wie sie W. eingetragen
- hat, unter die Lesarten verwiesen und schon daraus ergeben
- sich leicht einige Besserungen des Textes. Andere ergeben
- sich erst, wenn man nach den Bruchstücken unsere vollstän-
- digen Hss. beurtheilt. Unzweifelhaft ist A die bessere, B über-
- arbeitet, aber diese Ueberarbeitung enthält doch öfter das
- Richtige als man früher glaubte. Wenn also bestimmte Gründe
- gegen A und für B sprechen, ist man genoethigt in diesem
- das Ursprüngliche zu sehen, resp. nach diesem dasselbe zu
- suchen. So ergaben sich z. B. die Besserungen von V. 33
- und 353. Auch die Verszahl wird durch die Bruchstücke
- verändert. Die zwei Verse nach 852 hat W. selbst schon
- für echt anerkannt und herzustellen gesucht (wie ich glaube,
- nicht glücklich), zwei Verse nach 78 erst als echt erwiesen;
- ich würde auch noch die vier Verse nach 652 und 662 auf-
- genommen haben: die Gesammtzahl der Verse betrüge dann
- 1532. Ob das auch die ursprüngliche Anzahl der Verse ist,
- kann ich freilich nicht behaupten, denn die Ueberlieferung des
- Gedichtes ist eben „ ausgezeichnet schlecht, " und so bin ich auch
- bei W.'s Zählung geblieben und habe auch in den Anmerkungen
- meine Zusätze durch eckige Klammern getrennt. Nur in
- einem Falle nicht. W. hat nämlich ursprünglich die ange-
- zogenen Stellen auch ganz hingeschrieben, die nachgetragenen
- bloss citirt; ich fühlte mich da veranlasst auch die Verse
- beizusetzen. In der Abhandlung über die Sage dagegen er-
- scheinen die nachgetragenen Stellen meist unter dem Strich.
- Moeglich dass W. manchmal nach diesen Stellen den Text
- — VII —
- geändert hätte, aber wer kann das abgrenzen ? Hier ist auch
- eine Abänderung schwieriger. Die Form ist hier viel voll-
- endeter, theilweise sogar künstlerisch durchgebildet.
- Diese Abhandlung, auf breitester Basis aufgebaut, lehrt
- uns das Gedicht erst recht in seiner Gänze verstehen und
- würdigen, nachdem die Anmerkungen uns im Verständniss des
- Einzelnen weiter gebracht haben. Denn ich darf wohl be-
- haupten, dass nicht bloss Anfänger, für die diese zunsechst
- bestimmt sind, für die ich z. B. auch die Citate aus den An-
- merkungen zum Iwein und Erec nachgetragen habe, neues
- daraus lernen werden. So wird das Buch trotz der Mängel
- der Form, die nach dem Tode des Verfassers ohne tief ein-
- schneidende Umgestaltung nicht behoben werden konnten, eine
- würdige Stelle neben den hervorragendsten commentirten Aus-
- gaben mhd. Dichtungen einnehmen.
- W. Toischer.
- Einleitung.
- Die Heimath Hartmanns von Aue ist Schwaben, das
- nicht der einzige, aber doch ein hauptsächlicher Sitz der
- Dichtkunst des „mittelhochdeutschen" Zeitraumes unserer
- Litteraturgeschichte war. Dieser Vorrang war gegeben durch
- das schwaebische Geschlecht der hohenstaufischen Koenige, und
- er wurde behauptet durch zahlreiche Dichter, deren bedeu-
- tendster Hartmann ist, und durch mehr als einen fürstlichen
- Gönner der Dichtkunst. Dass dieses Schwaben die Heimath
- Hartmanns war, wird nicht bewiesen durch den Beinamen
- v Aue, der auch genugsam anderswo Anlass hätte; siche-
- rer erscheint es schon durch die Sprache, die eine andre
- als die der bairischen, der oesterreichischen, der fränkischen,
- der thüringischen und der rheinischen Dichter und dieselbe ist,
- die bei unzweifelhaft schwsebischen sich findet [über die Reime
- pflach : sprach; bestreich : sweich, die Paul, Beiträge I, 539
- gegen die fränkische Heimath Hartmanns anführt, s. z. A. H.
- 1264]; am bestimmtesten aber erfahren wir es durch das
- Zeugniss eines jüngeren Zeitgenossen oder Nachfolgers, Heinrich
- von dem Thürlein, Krone 2353: als ich ez vil dicke las an
- ^recJcCj — den von der Swähe lande uns hrähte ein tihtcere
- — Hartman. Nun tritt auch eine Stelle des A. H. in ihr
- rechtes Licht, Z. 1422. Auch ein Andrer hätte das sagen
- können : aber doch treten diese Worte uns nseher, da sie Aus-
- druck des gemüthlichen Behagens an der eigenen Heimath
- sind. Findet sich jedoch nicht bei Hartmann selbst ein Wider-
- spruch dagegen? Lieder 22, 19 (LB. 514, 15 [MSr.218, 20])
- 1
- — 2 —
- und lebte min her Sdlatin und al sm her^ dien hrcehten mich
- von Vranken niemer einen fuoz, — Aber ein Franke war er
- gewiss nicht, denn es findet sich bei ihm keine der sehr be-
- zeichnenden fränkischen Spracheigenheiten. Vielleicht ist mit
- dem Worte Tranken Deutschland gemeint, oder wie das seit
- der Karolingerzeit immer noch galt, das ganze christliche
- Abendland. Noch jetzt gebraucht so den Namen der Orient
- und ebenso erscheint er frühzeitig schon im Mittelalter, vgl.
- Zv B. Liudprand Legat. XXXIII [Corp. scrip. bist. Byz. XI, 357]
- von dem griechischen Kaiser Nicephorus: ex Francis^ quo
- nomine tarn Latinos quam Teutones comprehendit,
- ludum hdbuit: hier in dem Liede Hartmanns ist der Name
- Franken gerade im Gegensatz zum Orient gebraucht, so dass
- eine Benennung in dessen Art und Sinne wohl am Platze
- ist. [Unabhängig von Wackernagel ist zu derselben Ansicht
- gekommen E. Martin, s. A. f. d. A. I, 182].
- Wir können die Heimath Hartmanns aber noch enger
- begrenzen, indem wir zugleich und zuvor den Stand des
- Dichters in Betracht ziehen.
- Wo das Mittelalter dem Dichternamen einen Titel bei-
- giebt, so giebt es denen bürgerlicher Abkunft den Titel meister,
- und bezeichnet damit die Gelehrsamkeit (Gottfried von Strass-
- burg, Konrad von Würzburg), denen adlicher Abkunft den
- Titel her zur Bezeichnung des Standes (Herr Heinrich von Veld-
- eke, Herr Wolfram von Eschenbach). In Heinrichs von dem
- Thürlein Krone 2360 heisst es nun meister Hartman. Dem-
- nach müsste unser Dichter bürgerlicher Abkunft gewesen sein.
- Indess wird meister auch Adlichen beigelegt, nicht als Titel,
- sondern als ehrendes Beiwort, namentlich ausgezeichneter Dich-
- ter, wie spaeter in einer Stelle Gottfrieds von Strassburg. So
- ist auch das meister Hartman Heinrichs zu verstehen [Vgl.
- LG.2 128]. Denn Hartmann von Aue war nicht bürgerlichen
- Standes. Geist und Darstellungsweise all seiner Dichtungen
- ist ritterlich: wirklich nennen ihn die Hss. seiner Lieder
- her und im Parz. 143, 21 min her Hartman von Ouwe
- ~ 3 —
- (Anrede); und die Bilder in den Liederhss. stellen ihn dar
- zu Boss, für Turnier oder sonstigen Streit .gewappnet. Er
- war demnach von Adel und zwar, wie wir von ihm selbst
- erfahren, gleich den meisten Dichtern der Zeit vom niederen
- Adel, aus dem Stande der Dienstmannen. A. H. 5 dienst-
- man was er ze Ouwe. Und wiederholendlich in seinen Liedern
- gedenkt er seines Herrn, indem er dessen Tod beklagt: 4, 23
- [MSP. 206, 14] mich Mt ieswceret mines herren tot;
- 11, 3 (LB. 512, 13) [MSP. 210, 23] sU mich der tot
- beroubet hat des herren min. Daher ist er, wenn ihn Wolf-
- ram und die Liederhss. Her Hartman von Ouwe nennen und
- er selbst Greg. 3 von Ouwe Hartman sagt, damit nicht als
- der wirkliche hochadliche Herr von Aue selbst bezeichnet,
- sondern nur in kürzerer Weise als Dienstmann der Herren
- von Aue, als von Aue abhängig, mit seinem Dienste dort
- angesessen. Ebenso wird in Otto dem ßothen Konrads von
- Würzburg ein Heinrich von Kempten genannt, der Dienst-
- mann des Abtes von Kempten war. Hartmann selbst nennt
- sich Iw. 29 ein Ouwcere, d. h. einen von den Leuten zu
- Ouwe; ebenso sagen der Ouwcere Gottfried von Strassburg
- und Rudolf von Ems.
- Er war also von Ouwe, Wo in Schwaben lag nun
- dieses? Es gab dort mehrere und mehr als ein so benanntes
- Geschlecht. Der Freiherr Josef von Lassberg, der mit
- grosser Beflissenheit darauf aus war, so viel Dichter als
- moeglich an den Bodensee und in das alte Thurgau zu
- bringen, hielt ßeichenau im üntersee für die Heimath Hart-
- manns und glaubte, er sei aus dem Geschlechte derer von
- Westerspül gewesen, die unterhalb Andelfingen am Einflüsse
- der Thur in den Rhein angesessen und Lehnstrseger der
- Abtei Reichenau waren, weil das Wappen, das die Stutt-
- garter und die Pariser Liederhandschrift Hartmann geben,
- eines ist mit dem der Herren von Westerspül. (S. Spicilegium
- Vaticanum von Greith S. 162.) Das wurde mit Begierde
- aufgegriffen von den Zürchern, weil dies Stück Landes jetzt
- — 4 —
- zu Zürich gehört. 1840 gab die dortige Museumsgesell-
- schaft als Denkschrift zur Feier des 24. Juni eine Samm-
- lung von Stil- und Schriftproben all der Männer, ,,die ge-
- boren in Zürich oder fremdher gekommen und eingebürgert,
- für Licht, Recht und Wahrheit, religioese und bürgerliche
- Freiheit geredet und geschrieben und durch ihre Schriften
- Zürichs Namen verherrlicht haben*: an die Spitze war
- Hartmann von Aue gestellt.
- Der Beweis vom Wappen ist aber nicht zuverlässige
- ist oft nur ein Käthen auf Gerathewohl und lässt sich auch
- anders deuten und brauchen. Der Gegenbeweis lässt sich
- leicht aus dem A. H. liefern [s. Haupt, d. A. H. u. d.
- Büchlein IX]. Da wird die Sage von einem Herrn von Aue^
- offenbar einem Vorfahren von Hartmanns Herren behandelt.
- Das war aber ein Ritter, der zuletzt seine Vermselung feiert,
- also kein Abt von Reichenau.
- Im Breisgau lag die Ortenau, wo noch jetzt eine gute
- Stunde südlich von Freiburg Au mit der wüsten Stätte einer
- alten Burg liegt. Hier hauste ein Geschlecht, das bei den
- Herzogen von Zsehringen zu Lehen gieng; in Urkunden von
- und um 1111 findet sich Heinricus de Oivon oder de Owa
- als Zeuge einer Vergabung Bertholds IIL und seines Bruders
- Eonrad an das Kloster St. Peter auf dem Schwarzwald und
- selbst mit Vergabungen an eben dasselbe : Heinricus de Owon
- curtem siiam, una cum domo et omnibm, quce ibi possidebaty
- S. Petro donavit in prcesentia domini sui Berfholdi IIL et
- fratris eius domini Cuonradi, Diese Nachrichten deuten
- übereinstimmend auf den Helden unseres Gedichtes: s. Lach-
- mann, Walther 197; Stselin und H. Schreiber in des letz-
- teren Taschenbuch für Geschichte und Alterthum in Süd-
- deutschland 1846, 403 ffg.; Stselins Wirtembergische Ge-
- schichte 2, 762. Die Sage hatte diesen Heinricus verherr-
- licht, Hartmanns Gedicht schildert ihn selbst als einen msech-
- tigen Herren, der wol den fürsten gelich gewesen sei (Z. 43),
- gerade wie da auch die Schenkungen in vergroessertem Mass-
- stabe erscheinen (Z. 256).
- Ein Dienstmann also dieser Zaehringischen Vasallen war
- Hartmann. Dabei kommt noch zweierlei in Betracht, das
- eine findet Erklserung, das andere dient zur Unterstützung.
- Einmal nsemlich das Wappen, das die Handschriften Hart-
- mann geben, ein Adlerkopf, wie ihn auch die Herren von
- Westerspül führten. Die Zsehringer führten einen Adler,
- (nicht Loewen): abgekürzt als Adlerkopf erinnert das an das
- gleiche Wappen Freiburgs; „und das Freiburger Wappen
- ist ohne Zweifel von den Zsehringern verliehen, woher auch
- Hartmann das seinige haben mochte**: s. Stselin a. a. 0. Es
- war allgemeine Sitte, dass Untergebene das Wappen des
- Herrn trugen und dadurch eben sind Sprüchwörter und
- Ausdrücke entstanden, wie z. B. bei Hartraann selbst Lie-
- der 3, 3 [MSF. 205, 3]. Sit ich den sumer truoc riwe
- unde klagen^ so ist mm tröst ze fröiden niht so guot, mm
- sanc ensüle des winters wäpen tragen. Sodann kommt
- zweitens in Betracht, dass unter den Herzogen von Zseh-
- ringen, zu denen der Dichter nun auch in einem mittel-
- baren Dienstverhseltnisse stand, gerade der zu der Zeit des
- Dichters herrschende ein Freund der Dichtkunst war. Bert-
- hold V., 1286—1218. S. in Schöpflins Cod. dipl. bist. Zar.
- Bad. 77 die Schilderung durch einen Neffen, Abt Bert-
- hold von Thennenbach: IngressiiS quippe curiam ducis, ipsum
- cum ministris et militibus in Castro Friburg jucundum et
- hilarem invenit, ludo et aleis quibusdam deditis, aliis vero
- choreas ducentibus et ad vocem organi cantantibus. Ihm
- ist auch gewidmet (dem edelen Zeringcere)^ der Alexander
- Bertholds von Herboldsheim (im Breisgau), der uns verloren
- ist, von dem uns Eudolf von Ems in seiner Alexandreis Nach-
- richt gegeben hat. Eben derselbe Zsehringer wurde 1191 der
- Gründer Berns ; der Name verrseth auch den dichterischen Zug,
- denn er übertrug auf seine Gründung den in der Heldensage
- gefeierten deutschen Namen von Verona: s. Z. f. d. Ä. 6, 157.
- — 6 —
- [Bauer und Freiherr von Ow haben Germ. XVI»
- 155 flf. gezeigt, dass besser als jenes Dienstmannengeschlecht
- im Breisgau ein bei Obernau am Neckar ansässiges Ge-
- schlecht zu den Angaben im A. H. passe, in welchem
- Hartmann denn doch wohl einen Ahnherrn des Geschlechts,
- zu dem er selbst gehörte, gefeiert hat. Diese Aufstellungen
- waren freilich nicht überzeugend. Die Schwächen derselben
- sind dargelegt bei Schreyer, Untersuchungen über das Leben
- und die Dichtungen Hartmanns v. Aue, Programm von Pforta
- 1874, S. 2 — 1 0. Besser begründet und theil weise berichtigt wurde
- die neue Meinung von Dr. Ludwig Schmid, des Minnesängers
- Hartmann von Aue Stand, Heimath und Geschlecht, Tü-
- bingen 1874. Das Dienstmannengeschlecht, dessen Stamm-
- burg in dem heutigen Obernau am Neckar lag, war ab-
- hängig von den Grafen von Hohenberg-Zollern, welche ihrer-
- seits wiederum diese um Rotenburg gelegenen Besitzungen
- vom Bisthum Bamberg zu Lehen hatten. Diesem Dienst-
- mannengeschlecht waere Hartmann beizuzsehlen. Aber Schmid
- hat (S. 103) aus dem XII. Jahrh. (1125—1133) am Neckar
- auch mehrere Glieder eines freien Geschlechtes von Oiiwa
- nachgewiesen, dem der arme Heinrich angehört haben kann:
- wenn schon diese liberi homines von Outve auch Vasallen
- eines Grafen von Zollern waren, so standen sie im Range
- doch höher als das Dienstmannengeschlecht, und diese höhere
- Rangordnung kann das fürsten gelich sehr wohl ausdrücken,
- denn Sage und Dichtung kann auch hier etwas übertrieben
- haben. Vielleicht bietet gerade die Missheirath des Herrn
- Heinrich mit der Tochter des bümannes, da die Kinder der
- ärgeren Hand folgten, s. Wackernagel z. A. H. 1497, die Ver-
- bindung zwischen den beiden rangungleichen Geschlechtern?
- Jedenfalls ist mit der Einrechnung Hartmanns in das Dienst-
- mannengeschlecht in Obernau die Forderung Lachraanns
- erfüllt (zu Walther S. 197): „Hartmanns Herr wird nur
- dann können als nachgewiesen gelten, wenn was wir von
- ihm wissen zutrifft, dass er um 1196 gestorben ist": Mar-
- — 7 —
- tin hat A. f. d. A. I, 127 einen Grafen von Hohenberg,
- auf den dies zutrifft, nachgewiesen. So spricht wenigstens
- grosse Wahrscheinlichkeit dafür, dass Hartmanns Heimath
- am Neckar war. Volle Sicherheit herrscht freilich nicht.
- Von den Einwänden, die dagegen erhoben wurden (Nau-
- mann, Z. f. d. A. XXII, 26 ff.) fällt namentlich ins Ge-
- wicht, dass kein Hartmann in dem Dienstmannengeschlecht
- zu Obernau erscheint. Aus dem ^e A. H. 5 dienstman was
- er ze Ouwe ist nichts zu gewinnen, denn diesem steht
- nicht nur Greg. 3 u. Büchl. 1, 29 von Ouwe Hartman,
- sondern im A. H. selbst noch die JEs. B gegenüber ein
- dienstman von owe. Mit des Freiherrn v. Ow Erklärung
- dieses Verses: „Ein Ritter . . . war Hartmann genannt und war
- ein Dienstmann und war von Geburt ein Herr von Aue"
- wird man aber natürlich auch nicht übereinstimmen.]
- Hiemit sind wir schon an die Bestimmung der Zeit
- herangetreten. Er lebte im Blüthenalter der mhd. Litteratur,
- das freilich zumeist eben durch ihn herbeigeführt wurde.
- Einige Zahlen lassen sich noch mit Bestimmtheit festsetzen,
- allerdings in ziemlich engen Grenzen neben einander; etwas
- weniges auch aus seinem Leben.
- Er hat eine Kreuzfahrt mitgemacht, wie wir aus zwei darauf
- bezüglichen Liedern ersehen: Lieder S. 9, 21 ffg. [MSF. 209,
- 25 ff.] und 22, 4 fg. [MSF. 218, 5 ff.] (LB. 511 ff.) Indem
- zweiten sind auch die schon angeführten Worte und lebte min
- her Salatin und al sin her^ dien brcehten mich von Vranken
- niemer einen fuo0. Saladin ist gestorben im März 1193. Mceg-
- lich, ja wahrscheinlich ist die unrühmlich missglückte Kreuz-
- fahrt von 1197, die jener Zsehringer Berthold mit anführte,
- diejenige, die auch Hartmann mitmachte. Er war da noch
- jung. In dem ersten seiner Büchlein, in welchem er sich
- selber noch als jung und jugendlich bezeichnet (Z. 7 einen
- jungelinc u. Z. 1483 ganze tugent und unsen sin, den vor-
- dert mir noch niemen zuo: wan daz tvcer mir noch al ze
- fruo: st sint von mtnen jären niht, den man der grözen
- — 8 —
- sinne giht) hat er bereits die Anschauungen der Kreuzfahrt
- hinter sich: vgl. 351 fgg. [Dass diese Schilderung des Meeres
- (es kommen zur angeführten Stelle noch Er. 7063 — 66,
- 7791 — 97) nicht auf eigener Anschauung bei Gelegenheit
- eines Kreuzzuges zu beruhen braucht, ist mehrfach hervor-
- gehoben worden. Fischer, Germ. XX, 373 flf. meint, er
- könne solche Anschauungen auf dem Bodensee gewonnen
- haben; Martin a. a. 0. Hartmann könnte im Gefolge Fried-
- richs von Hohenberg 1186 in Italien gewesen sein; Wil-
- manns Z. f. d. A. 14, 155 Hartmann habe sich diese
- Kenntniss erworben ,i entweder durch Schilderung oder Er-
- zsehlung anderer oder durch eine Erfahrung, die dem Kreuz-
- zug vorangieng". Dass diese Erwsehnung des Meeres in der
- That nach keiner Seite hin einen Anhaltspunkt gewsehrt,
- zeigen auch Naumann Z. f. d. A. 22, 36 fg. Schreyer a. a.
- 0. S. 14. 17; und Sievers, Paul u. Braune Beitr. V, 547.]
- Dass er um diese Zeit noch jung und noch im Beginn seiner
- dichterischen Laufbahn war, bezeugt noch ein andrer Um-
- stand. Wenn man seine epischen Gedichte mit dem Lan-
- zelet Ulrichs von Zazikoven vergleicht, so ist deutlich,
- dass durch dessen Vorgang und Beispiel Hartmann in die
- Epik eingeführt worden ist. Der Lanzelet ist aber erst
- in oder nach 1194 verfasst, denn Ulrich von Zazikoven
- (9340) lernte das franzoesische Original durch einen der
- Geisel kennen, die Eichard von England dem Kaiser Hein-
- rich gestellt hatte, das war im Anfang des Jahres 1194.
- Sodann als Wirnt von Gravenberg seinen Wigalois um
- 1209 (Pfeiffers Ausgabe XIV) dichtete, waren Hartmanns
- epische Dichtungen sämmtlich schon vorhanden : denn
- sämratlich sind sie von diesem seinem Nachahmer benutzt.
- Hartmann war noch am Leben: denn zu eben dieser Zeit
- dichtete Gottfried von Strassburg seinen Tristan (LB. S. 657)
- und darin wird Hartmanns als eines noch Lebenden Erwseh-
- nung gethan. Wann er gestorben ist, lässt sich nicht be-
- stimmen. Heinrich von dem Thürlein, dessen Krone frei-
- — 9 —
- lieh auf kein bestimmtes Jahr anzuberaumen ist [um 1220,
- s. LG.^ 246] beklagt a. a. 0. Hartmanns Tod (nach 2942 war
- Wirnt noch am Leben), und zwar, wie es scheint, als noch
- nseher liegendes Ereigniss. Die dichterische Thsetigkeit Hart-
- manns ist demnach durch die Jahre 1197 — 1209 bestimmt.
- [Nach Wilmanns a. a. 0. ist das erste Büchlein vor dem
- Winter 1194 verfasst. Naumann a; a. 0. vertheilt Hart-
- manns Werke auf die Jahre 1192 — 1202.]
- Ueber die Lebensumstände Hartmanns wissen wir
- noch weniger. Andere Dichter von niederem Adel pflegten
- dadurch, dass sie sich als „Fahrende**, als „Begehrende*
- udgl. bezeichnen, Hindeutungen zu geben auf ihre Bedürf-
- tigkeit, so Walther von der Vogelweide, so Wolfram von
- Eschenbach. Klagen der Art finden sich bei Hartmann
- nicht, bei ihm zeigt sich vielmehr ruhige Behaglichkeit.
- Er führte auch kein Wanderleben, denn er gedenkt nirgend
- eines Gönners, der ihn und seine Kunst unterstützt habe,
- weist nicht einmal auf Berthold hin, spricht nur von seinem
- eigentlichen und angeborenen Herren und zwar so, dass ein
- Verhältniss inniger Liebe und Treue bestanden haben muss
- (die Stellen oben S. 3). Auch dass er im A. H. eine Sage des
- Geschlechtes behandelte, ist ein Beweis dafür. — Von der
- Bildung, die seine Jugend ihm gegeben, werden wir nach-
- her in anderem Zusammenhange sprechen; auch darin ist
- er unterschieden von den meisten Genossen seiner Zeit.
- [Hartmann diente, wie wir aus seinen Liedern sehen, erst
- einer vornehmen Frau ohne Erfolg; 1195 starb sein Herr,
- er gab nun auch den Minnedienst auf und nahm das Kreuz
- (Nov./Dez.): da ist er bereits Ritter, wsehrend er den Erec
- noch als tumber hneht verfasst hatte. 1196 knüpfte er
- ein neues Verhältniss an, machte dann (1197) den Kreuz-
- zug mit, von dem er 1198 zurückkehrte; nach einem Jahr
- der huote heirathete er seine Dame. S. Wilmans a. a. 0.
- Naumann a. a. 0.]
- So viel oder so wenig von den zeitlichen und den
- — 10 —
- sonstigen äussei'en Verhältnissen seines Lebens. Jetzt
- wollen wir ihn lediglich als Dichter und seine dich-
- terischen Werke betrachten. Es scheint beinahe Alles
- vollständig vorzuliegen, und nichts von irgend hoeherer Be-
- deutung verloren gegangen zu sein. Einzelne Lieder mag
- er vielleicht gesungen haben, deren Aufzeichnung noch nicht
- wieder ans Licht gekommen ist, oder die ohne Aufzeich-
- nung verklungen und entschwunden sind. Sicherlich ver-
- loren sind seine Leiche. [Das erste Büchlein endigt mit
- einem Leich Z. f. d. A. 4, 395; vgl. unten S. 11.] Leich war
- im Unterschied von Lied eine lyrische Dichtung in einer
- Beihe ungleicher, immer nur zweitheiliger Strophen, zu-
- meist bestimmt für den Tanz. Der von Gliers (v. d. Hagen
- MS. 1, 107b = LB. 989, 25) sagt Lebte der von Guotm-
- iure, von Tum^ von Et^ge Heinrich, von Ouwe und der
- von Eotenburc, da M von Hüsen Fridertch, die enkunden
- üf ir eit ge^sellen niht ir scelekeit, die doch min frouwe
- cdeine treit. Da^ wären alse guote man, daz man an
- Zeichen ir genöz niemer me gevinden Jean; ir kunst was
- dne mäze gros: doch enkundens alle niht min vrouwen
- lobes hän beriht^ von der ze sprechen mir geschiht.
- Zuvorderst trat Hartmann eben als Lyriker auf,
- wie die meisten Dichter damals; ja die Mehrzahl war nur
- Lyriker und gerade von den Schwaben. Und wie diese
- Mehrzahl nur Minnedichtung übte, wie diese auch bei den
- andern vorwaltete, ebenso bei Hartmann. Die Liebe ward
- damals wie zu aller Zeit als der natürliche Hauptstofif er-
- griffen und betrachtet. Es galt als Zeichen feiner Bildung
- überhaupt, sich gelegentlich als Minnedichter zu versuchen,
- wie wir z. B. auch sehen aus der Schilderung im A. H.
- 71: und sanc vil wol von minnen. Von Hartmanns Minne-
- dichtung spricht Gliers a. a. 0. ; Heinrich von dem Thür-
- lein, der von Hartmanns Antheil an der epischen Dichtung
- ausgegangen, preist ihn, und neben ihm Reinmar, dennoch
- auch als Minnesänger, 2360 fgg. [Die Stelle bei Haupt d.
- — 11 —
- A. H. u. d. B. XIII ff.] Gleichwohl hat Hartmann nicht
- bloss Minnelieder gedichtet, sondern seine Lieder sind auch
- von religioesem Bezüge, und wsehrend Andre selbst die Kreuz-
- lieder zu Minneliedern machten und nur von der Geliebten
- zu reden wussten, that er das nicht und unterscheidet sich
- mit dem ernsteren Gehalte seiner Dichtung da einmal selbst
- ausdrücklich von den Minnesängern: 22, 20 [MSF. 218,
- 21] = LB. 514, 16 ir minnesinger u. s. w.
- Ausser den Liedern und Leichen hatte die mhd. Lyrik
- noch eine dritte Form, die wir z. B. bei Walther von der
- Vogelweide neben jenen beiden auch sehr zahlreich ange-
- wendet, von ihm eigentlich erst recht ausgebildet und in
- üebung gebracht finden, den Spruch. Dieser ist didactisch
- und besteht nur aus einer Strophe, die auch untheilig sein
- kann. Hartmann dichtete nur Lieder und Leiche; letztere
- sind verloren, Sprüche sind weder erhalten noch bezeugt.
- Er hat aber der lyrischen Reflexion einen anderen, selten
- gebrauchten Ausdruck gegeben, den nach ihm auch Ulrich
- von Lichtenstein anwendete, die Form des Büchleins. Es
- ist das eine Weiterbildung des poetischen Briefes, der
- Epistel, welche schon im 12. Jahrhundert gebraucht wurde.
- Das Büchlein ist im Ganzen nach Art sonstiger Lehrdich-
- tungen in Eeimpaaren verfasst, aber mit gelegentlicher
- Häufung und Verschränkung der Reime, mit Veränderung
- des Maasses, üebergang in die bewegteren Formen des
- Liedes und des Leiches. Von Hartmann haben wir zwei
- solche Büchlein, das zweite, kleinere (826 Zeilen) ist eine
- Liebesklage und Betrachtungen über das Leid der Liebe;
- das erste (1914 Zeilen) ist in jeder Rücksicht ausgeführter,
- ein minnigliches Zwiegesprsech zwischen dem Herzen und
- dem Leibe. Er ist noch „jungelinc^, es ist nach der Kreuz-
- fahrt gedichtet [1195,- vor der Kreuzfahrt; s. oben S. 9.]
- Herausgegeben sind diese Werke von Moriz Haupt, die
- Lieder und Büchlein und der arme Heinrich Hartmanns
- von Aue, Leipzig 1842. [2. Auflage besorgt v. E. Martin
- — 12 —
- 1881 enthält nur den A. H. und die Büchlein. Die Lieder
- in MSF. 3. Auflage 1882.]
- Fruchtbarer und bedeutender denn als Lyriker, bedeu-
- tender auch ohne alle litterarhistorische Kücksicht war Hart-
- mann auf dem Gebiete der Epik. Werfen wir einen Blick
- auf die zwiefache Bildung, die er zum Dichten mitgebracht
- und die ihn dazu befsehigte.
- Die bewegenden Ideen der Zeit waren Eitterthum und
- Kreuzzüge. Sie waren von Frankreich her nach Deutsch-
- land gekommen, und die ganze Bildung der Edeln trug
- dadurch seit dem 12. Jahrhundert eine oft sehr grell her-
- vorstechende franzoesische Farbe. Im Turnierwesen, im Tanz
- und anderen Vergnügungen, in Kleidung, in Speise und Trankt
- in aller Sitte, in Sprache und Litteratur und hier sowohl
- im Stoff als auch in der Darstellungsweise, überall waren die
- Franzosen Muster. Auf dem Gebiete der Litteratur über-
- holten die Deutschen das Muster freilich weit, ebenso wie
- in der Baukunst.
- Diese franzoesische Bildung aller Edeln hatte auch Hart-
- mann, und ihr Einfluss auf die Litteratur ist durch ihn zwar
- nicht zuerst herbeigeführt, aber doch wesentlich mit ver-
- stärkt worden. In der Epik nun waren die franzcesischen
- Romane brittischen Ursprungs von Kcenig Artus und der
- Tafelrunde am verbreitetsten und beliebtesten. Der Haupt-
- vertreter dieser Gattung war Chrestien von Troies. Der
- erste deutsche Boman in dieser Eichtung war der Lanzelet
- von Ulrich von Zazikoven [vgl. LG.^ 244], einem Thur-
- gauer ?, etwa um 1195 gedichtet (s. oben S. 8.). Das Werk
- ist von geringem Werthe. Es ist unbeholfen und in der
- Sprache mehr, als seine Zeit bedingte, alterthümlich. Es
- wäere auch wahrscheinlich wirkungslos dahingegangen, wie
- es auch im weitern Verlaufe des Mittelalters ziemlich in
- Vergessenheit gerathen ist, wenn nicht Hartmann dadurch
- angeregt worden wäre. Aus mannigfachen Anklängen, die
- haften geblieben sind, ist es unzweifelhaft, dass seine Werke
- — 13 —
- durch den Lanzelet eingeführt worden sind. Aber Ulrich
- von Zazikoven hat nur das voraus, dass er den Weg ge-
- wiesen hat, den nun Hartmann mit eigener und unendlich
- überlegener Kraft und Kunst betrat. Er dichtete zuerst
- und gleich den Erec nach Chrestien von Troies. Aus einer
- freilich sehr fehlervollen und unvollständigen Hs. ist er
- nicht ganz so gut als moBglich herausgegeben von M. Haupt,
- Leipzig 1839 [zweite verbesserte Ausgabe mit Anmerkungen
- von Haupt 1871.] Spseter ist der Iwein gedichtet (von dem
- Leun^ Rudolf von Ems LB. 785, 28). Herausgegeben ist er
- öfter, zuletzt von Benecke und Lachmann, Berlin 1827 und
- 1843 ^1868 n877].
- Der Iwein ist mit viel reicherer, reiferer Kunst gedichtet,
- und doch ist er nicht viel spseter, nicht einmal ein Jahrzehnt
- nach dem Erec gedichtet; so schnell und lebendig war die
- Entwicklung der mhd. Litteratur. Der Erec ist frühestens
- 1196 [1192] verfasst (nach dem Lanzelet). Der Iwein war
- schon 1204 [1202] vorhanden, dönn Wolfram macht in
- seinem Parzival, dessen sechstes Buch im Herbst 1204 ge-
- dichtet ist (s. Lachmann, Walther S. 146) schon im 5. Buche
- (253, 10) eine Anspielung auf die Geschichte Iweins, die be-
- sonders in der Kürze, dass bloss der Name Lunete genannt wird,
- nur mcBglich war, wenn er eine durch deutsche Dichtung ver-
- mittelte Bekanntschaft voraussetzen durfte, wenn eben die Dich-
- tung Hartmanns schon vorhanden war. Im dritten Buche (143,
- 21 fgg.) findet sich eine ausgeführtere , auch Hartmann
- nennende Beziehung auf dessen Erec. Wir werden den In-
- halt dieser beiden wie der andern Dichtungen spseterhin, wo
- der Anlass dazu sein wird, und zugleich die Eigenheit und
- den Werth ihrer Composition zu beurtheilen haben. (Eine
- Stelle des Iwein 3201 fgg. im LB. 561 ff.)
- Die franzcBsische Bildung theilte Hartmann mit der
- Menge seiner Standesgenossen. Wsehrend aber die übrigen
- der Begel nach darauf eingeschränkt waren, und so einge-
- schränkt, dass auch die meisten edlen Dichter nicht einmal
- — 14 —
- lesen und schreiben konnten und für beides auf die Hilfe
- Andrer angewiesen waren, konnte Hartmann lesen und schrei-
- ben, ja er besass eine gewisse Gelehrsamkeit, er konnte La-
- teinisch und war nicht unvertraut mit der Bibel und auch
- dem und jenem Erzeugniss der rcemischen Litteratur. All
- das weist auf eine Klosterschule hin. Im Greg, findet sich
- auch die Schilderung des Unterrichts in einer solchen und
- des Widerspruches, in welchen die von aussen herangebrachte
- Gelehrsamkeit mit der angeborenen ritterlichen Art edler
- Jünglinge oft gerathen musste, des Kampfes, ob sie für
- Zeitlebens bei der Geistlichkeit bleiben oder nach Vollendung
- der Schule in die Welt zurücktreten sollten: Z. 1009 — 1025;
- und dann, da er gleichsam aufgeschreckt, dem Abte erklärt
- hat, er wolle auf ritterliche Abenteuer gehen, folgt ein Ge-
- sprsech mit diesem: 1260 fgg. bis 1468.
- Vielleicht, dass aus der kloesterlichen Jugendzeit noch
- ein litterarisches üeberbleibsel uns erhalten ist in einem
- Bruchstück eines religioes- moralischen Lehrgedichts (Docen
- in Massmanns Denkraselem deutscher Sprache und Litteratur
- 80 — 82; LB. 429). Es ist ungeschickt, was die metrische
- Form betrifft, nicht überall klar im Ausdruck der Gedanken und
- Empfindungen: aber in dieser Unklarheit zeigt sich ein ringendes
- Talent und Gedanken und Empfindungen, wie sie oft sogar
- wörtlich in derselben Ausdrucksweise in den vollständigen
- und benannten Gedichten Hartmanns uns entgegentreten;
- namentlich Berührungen mit dem ersten Büchlein (jungelinc)^
- legen die Vermuthung nahe, dass Hartmann auch dieses
- Stück und zwar in frühester Jugend gedichtet habe. [Dieses
- Fragment ist von Scherer Q. F. 12, 102 fg. Trost in
- Verzweiflung genannt und Z. f. d. A. XX, 346 ff. heraus-
- gegeben worden. Er hat auch die Beziehungen zu Hart-
- mann hervorgehoben und kommt S. 354 zu dem Schluss:
- „Aus alle dem darf man aber vielleicht nicht einmal schlies-
- sen, dass Hartmann das ältere Gedicht gekannt habe". Die
- meisten Berührungen zeigt dieses Fragment aber zu der
- — 15 —
- spsßter aufgefundenen Einleitung zum Greg, (ich citiere im ff.
- nach der kleineren Ausgabe von Paul, Halle 1882). Die
- meisten Gedanken von ,, Trost** finden sich hier wieder,
- theilweise auch in den gleichen Ausdrücken. Im Greg, wird
- mehrfach hervorgehoben, dass der Sünder nur niemals dem
- ^wwel sich ergeben, an Gottes Barmherzigkeit verzweifeln
- dürfe (63. 70. 74. 166); etwas sehnliches liegt wohl auch im
- Tr. 7 da^ er an gotes dienest deheinen zwtvel darf hart (statt
- dienest würde ich ein anderes Wort erwarten). In beiden Ge-
- dichten wird der Weg zur Seligkeit als beschwerlich {hungern
- und friesen Tr. 13), das Weltleben (den gemeinlichen wec
- Gr. 81) als angenehm geschildert (Gr. 84 jse heiz noch ze
- kaU^ man vert in dne des libes not). Das herze verleitet den
- Menschen zu letzterem (Tr. 49 ff. 66 ff. 137 ff; Gr. 1 ff*.)
- auf Eath des Teufels (Tr. 68 der tiufel rcetet ml boeser dinge;
- Gr. 7; 58 die der tiuvel verriet üf den wec der helle). Der
- Mensch, der sündigt, ist verglichen dem Wanderer, der auf
- dem Wege in die Hände der Feinde fällt (Tr. 90 ff. Gr. 99);
- diese schlagen ihm tiefe Wunden (Tr. 104 si sluogen mir ein
- verchwunden; Gr. 105 die marterltchen wunden; 140 sine verch-
- wunden). Die Heilung erfolgt änemäsen (Tr. 130; Gr. 141),
- Nachträglich werden die Wunden erklsert (Tr. 132 ff. Nu wil
- ich iu sagen an disen stunden, welhez doch sm die wunden
- — den ich an schaden niht moht enpfarn; Gr. 144 ff. nu hdn
- ich iu niht geseit, welchez die wunden sint gewesen der er*sd
- hüme ist genesen). Tr. 2 di hahent daz hoeser teil erchom
- stimmt überein mit Gr. 25 hat danne den boesem teil erkom.
- — Nimmt man zu den angeführten die von Scherer hervor-
- gehobenen Uebereinstimmungen mit den übrigen Werken Hart-
- manns, die ja Wackernagel für seine Vermuthung allein im
- Auge hatte, hinzu, so wird man eine Beziehung zwischen den
- beiden Dichtern nicht leugnen können. Von Härtmann aber
- ist das Bruchstück gewiss nicht: wenn er es auch liebt, ein-
- zelne Wendungen zu wiederholen, so sich selbst abschreiben
- konnte er nicht. Ich glaube, auch einen andern nicht (die
- — 16 —
- Anführungen aus dem einen Liede im 2. Büchlein wird man
- nicht entgegen halten). Die Einleitung zum Gr. trsegt zu sehr
- den Charakter des Einheitlichen, Ursprünglichen an sich; die
- Parabel ist besser mit dem üebrigen verbunden, und in der
- Ausführung ist das biblische Vorbild deutlich bis in alle Ein-
- zelnheiten sichtbar, gleich darauf 156 flf. folgt wieder eine bib-
- lische Anspielung (Ez. 33, 11. 2 Petr. 3,9), dass ich eher glaube,
- der Verfasser von Tr. sei ein im Versbau ungeschickter, weil
- ungeübter („wortarm* Q. F. 12, 102) Nachahmer Hartmanns
- (zwischen 1185 — 95 setzt Scherer das Fragment). Ich würde
- es sogar für moeglich halten, wenn ich es auch nicht als
- wahrscheinlich bezeichnen kann, dass das Buch, das ihm in
- seiner Verzweiflung Trost brachte (nach Scherers Ergänzung
- von V. 168) der Gregorius war.]
- Aber auch Hartmann, wie Gregorius, er und sein Dichten,
- sind aus dem Kloster in die ritterliche Standesart zurückge-
- kehrt: so jedoch, dass der Erwerb seiner Knabenjahre ihm
- darüber nicht verloren gegangen ist und er nicht ohne ein
- gewisses Wohlgefallen seine Gelehrsamkeit verrseth. Z. B. im
- Beginn des A. H. wie des Iwein nennt er sich geleret d. h.
- so weit unterrichtet, dass er lesen konnte; im Erec 5218 wird
- der Lucanus citiert, der im Mittelalter sehr viel galt; im
- A. H. Hiob und die Propheten; selbst lateinische Citate ge-
- braucht er, wie in jener lehrhaften Jugenddichtung, im A. H.
- 92. 1357. Das ganze erste Büchlein gehört hieher. Der Streit
- zwischen Herz und Leib ist ein minnigliches Gegenbild der geistli-
- chen Streitgesprseche zwischen Seele und Leib, Conflictus animse
- et corporis, deren es von Beda und anderen, spseteren gab, beliebt
- als Belehrung und Erbauung. Und für zwei Gedichte hat er den
- StoflF in eben dieser lateinisch gelehrten Eichtung gewonnen:
- für die Legende vom heiligen Gregorius, eigentlich von dem
- guoten sündsere, und für den A. H. (Ausgabe des Greg, von Lach-
- mann, Berlin 1838) [kritischer Apparat dazu von Lachmann Z.
- f. d. A. 5, 32 flf.; andere Ausgaben: von Bech, deutsche Classiker
- des MA. V, Leipzig 1867; von Paul, Halle 1873; kleinere
- — 17 —
- Ausgabe von Paul, Halle 1882] eine Stelle aus Greg. 2579 flf.
- LB. 513.
- Der Gregorius ist ein kirchlicher Stoff, eine Legende, zu-
- nsechst wahrscheinlich nach einer lateinischen Quelle bearbeitet,
- vielleicht nach einem lateinischen Gedicht. Ein Bruchstück
- eines solchen wurde zuerst veröffentlicht von Leo und dann
- in den lateinischen Gedichten des 10. und 11. Jahrhunderts
- von J. Grimm und Schmeller S. XLV fg. Es ist aber zweifel-
- haft, ob es aus Hartmanns Gedicht übersetzt ist oder ob Hart-
- mann aus ihm schöpfte. Jenes behauptete Leo, dieses Grimm.
- Auch ein altfranzoesisches Gedicht haben wir, das dem Inhalte
- nach ganz übereinstimmt, und es ist die Frage, ob nicht vielleicht
- dieses Hartmanns Quelle war. Eine Hs. davon ist in Tours,
- herausgegeben wurde es von V. Luzarche, Tours 1857.
- [Vgl. LG.2 208; Strobl, Germ. 13, 188; Lippold, üeber die
- Quelle d. Greg. Hartmanns v. Aue, Leipzig 1869; Köhler,
- Germ. 15, 284; die Einleitungen der Ausgaben Pauls. Das
- lateinische Gedicht ist eine Uebersetzung des Hartmannschen ;
- dieser schöpfte wohl aus einem franzoesischen Werke, obschon
- die von Luzarche publicirte Eecension nicht als seine unmittel-
- bare Quelle erscheint.]
- Auch der A. H., obwohl er eine heimathliche Sage, eine Ge-
- schlechtssage seines Herrn behandelt, ist nicht aus mündlicher,
- sondern aus schriftlicher, lateinischer Ueberlieferung geschöpft,
- wie aus Z. 16 hervorgeht.
- So tief indessen gieng die classisch- kirchliche Bildung
- doch nicht, dass sie, wie bei manchem neueren das ganze Dich-
- ten Hartmanns bis unten hin und von unten auf durchdrungen
- hätte. Er nahm wohl auch Stoffe von daher, aber die Form-
- gebung nicht. Der Greg, ist, soweit der hcefisch ritterliche
- Ton zulässig war, in diesem ausgeführt und auch im A.
- H. klingt er ein und an; er bildet durchweg die Grundlage,
- auf die das Gelehrte nur stellenweis aufgetragen ist. Er ge-
- braucht auch durchweg die Sprache der Hoefe, nicht die der
- Kirche. Ein Wort ist genügendes Beispiel dafür. Wie nah
- 2
- - 18 —
- hätte es ihm gelegen, gleich anderen lateinisch geschulten Dich-
- tern der Zeit creatüre zu sagen; aber er spricht creatiure A. H.
- 1199. Und die aufgetragene Gelehrsamkeit ist wohl auch
- verwischt: wir werden sehen, dass die beiden lateinischen
- Citate des A. H. trotz ihrem biblischen Aussehen doch nicht
- aus der Bibel sind, sondern Missverständniss und Entstellung
- zeigen.
- Was nun die Reihenfolge der Werke Hartmanns be-
- trifft, so Isege die Vermuthung nahe, dass Hartmann zuerst die mehr
- geistlich gelehrten, dann die ritterlich und franzoesisch weltlichen
- Gedichte; den Greg, und A. H. früher, den Brec und Iwein spaeter
- gedichtet habe. Jene sind nseher bei der Klosterschule, diese
- ganz von ihr abgelegen. Es würde das dem Gange seines
- Lebens und seiner Bildung und auch dem Gange entsprechen,
- den die ganze Litteratur selbst bei ihrem Uebertritt aus dem 12.
- ins 13. Jahrhundert genommen hat: geistliche und weltliche
- Dichtung, Legende und Roman. Aber so viel Scheinbares
- das für sich haben mag, in Wirklichkeit ist es unrichtig.
- Auf jenes vermuthete Jugendwerk, das bruchstückweise
- erhaltene Lehrgedicht, ist zuerst und gleich der Erec ge-
- folgt. Hier zeigt sich noch eine gewisse Abhängigkeit von
- Ulrichs Lanzelet, in den übrigen Werken (Greg., A. H.) nicht
- mehr so; spseter werden wir noch ein Merkmal der Unter-
- scheidung kennen lernen. Wie aber die übrigen Werke zu
- ordnen sind, wird sich schwerlich feststellen lassen. Beständen
- auch zwischen diesen Verschiedenheiten in Sprache und Stil
- und Versbau, in denen ein Fortschritt von Stufe zu Stufe
- hoeherer Kunstvollendung sich zeigte, so sind diese nicht
- mehr mit Sicherheit zu erkennen, da keines in eigent-
- lich ganz guten Hss., keines mit Zuverlässigkeit der Echtheit
- überliefert ist. Sie fallen aber innerhalb eines so kurzen Zeit-
- raums so dicht hintereinander, dass wesentliche Verschieden-
- heiten, erhebliche Fortschritte der Kunst kaum denkbar sind.
- Von einer Eigenheit Hartmanns könnte man für diese
- Frage der Eeihenfolge, die bei einem genaueren und theilnahms-
- — 19 —
- volleren Studium immerhin ihr Gewicht hat, Licht erwarten.
- Hartmann naemlich liebt es Worte und Wendungen, Gedanken
- und Empfindungen, Anschauungen und Bilder zu wiederholen.
- Da meint man dann oft auf eine Spur zu kommen, in welchem Ge-
- dicht er etwas zuerst gebraucht, in welchem sich selber nur
- copiert habe, jenes wa3re dann das frühere, dieses das jüngere. Man
- sieht sich aber jedesmal nur geneckt: denn gleich nachher
- findet sich wieder eine andere Uebereinstimmung, in welcher
- sich das Verhältniss umzukehren scheint und wieder das Gedicht,
- das man noch für das jüngere gehalten hat, wie das ältere
- und originalere klingt. Wir müssen es somit, auch was den
- A. H. betrifft, dahin gestellt sein lassen, ob er vor dem Greg,
- und dem Iwein, oder nach demselben abgefasst sei ; wir müssen
- uns begnügen zu wissen, dass er ungefähr an die Grenzscheide
- des 12. und 13. Jahrhunderts falle.
- [üeber die Reihenfolge der Werke Hartmanns von Aue
- handelt E. Naumann, Z. f. d. A. 22, 25 — 74. Darnach ist
- der Erec 1192, der Greg. 1194, das erste Büchlein 1195,
- der arme Heinrich 1198, das zweite Büchlein 1199, der
- Iwein 1202 verfasst. Diese Reihenfolge ist grossentheils
- nach stilistischen Merkmalen bestimmt und darum aus den
- von Wackernagel namhaft gemachten Gründen nicht ab-
- solut sicher. Aus der Einleitung zum Greg, ergiebt sich
- auch kein sicherer Anhaltspunkt zur Bestimmung der Ab-
- fassungszeit. — Dieselbe Reihenfolge wie Naumann ge-
- winnt für die groesseren Werke Hartmanns Schreyer, (Unter-
- suchungen über das Leben u. d. Dichtungen H. von Aue, Prog.
- d. Landesschule Pforte 1874), der aber das zweite Büchlein
- für ein Werk Gottfrieds hält und in der Bestimmung der Chro-
- nologie der Lieder sowie der Jahreszahlen für die groesseren
- Werke vielfach abweicht. Vgl. zu der Frage auch Wilmanns
- a. a. 0. R. Heinzel Z. f. d. A. XV, 125 ff.; H. Paul Beitr. I, 535
- ff. ; R. V. Muth, Wiener Sitzungsber. XCV, 661 ff. ; Ed. Sam-
- haber, über die innere Chronologie der Lieder Hartmanns, Progr.
- d. Gym. in Freistadt, 1873; Bechs Ausgaben. Die neueste Arbeit
- — 20 —
- „üeber die chronologische Folge der Dichtungen Hartmanns von
- Aue'' von F. Kuff, Waidhofen a. d. Ybbs 1882 ist ganz belanglos.]
- Zum Glück wird auch durch unsre Unwissenheit und
- Ungewissheit über diese Einzeldinge etwas anderes, das von
- groesserer Bedeutung ist, in seiner Gewissheit nicht beeinträch-
- tigt, die Stellung nämlich, die Hartmann von Aue in der
- litterarischen Bewegung seiner Zeit eingenommen hat, die
- litterarhistorische Stellung, die er auch für uns, die
- Nachkommen, noch einnimmt.
- Mit Ablauf des 12. Jahrhunderts hatte sich als die eigent-
- lich bezeichnende Schöpfung des mhd. Zeitraums neben der
- Dichtung der Geistlichkeit und der des Volkes und alsobald
- beide weit überragend die hoe fische Dichtkunst erhoben,
- eine wahrhaft mit Bewusstsein geübte Kunst, hoefisch, weil sie
- der Unterhaltung der Herren und Frauen bei Hofe dienen sollte
- und demgemsess sich anschloss an die feinere Hofbildung und
- mit dieser an die Muster, die Frankreich gab, von daher auch
- die beliebtesten Stoffe und die Hauptgesetze der Tongebung
- gewann, freilich nur (und das kann uns zum Tröste dienen)
- um die Stoffe zu veredeln und die Form in aller Selbstän-
- digkeit fort zu entwickeln. Eine Kunstdichtung also war es,
- abgewandt von dem Leben des Volkes im Grossen und Ganzen,
- eingeschränkt auf die Kreise der hoeheren Welt, aber hier
- um so reicher und lebensvoller mit allen Adern festgewurzelt,
- durchdrangen von Ritterlichkeit und Frauendienst und Feinheit
- der Sitte. Unter den hoefischen Dichtern wurde im Mittelalter
- selbst Heinrich von Veldeke immer vorangestellt, ein West-
- fale [vielmehr Limburger, s. LG.^ 220], der um 1180 eine
- Aeneide (ein antik gelehrter Stoff, aber nach Benoit und wie
- sonst ein Ritterroman behandelt) und Minnelieder von groes-
- serer Kunst und Genauigkeit des Vers- und Strophenbaues
- dichtete. [Ausserdem ist von ihm ein Servatius erhalten, heraus-
- gegeben V. Bormans, Maestrichtl858. Seine Eneide wurde her-
- ausgegeben V. EttmüUer, 1852, von Behaghel 1882.] Aber er
- hat nur das Verdienst des Stifters, er wurde gleich von den
- — 21 —
- nsecbsten Nachfolgern überholt, in der Lyrik von Eeinmar
- von Hagenau oder dem Alten (so genannt im Gegensatz zu
- Eeinmar von Zweter), und gar von Walther von der Vogel-
- weide, in der Epik von Hartmann, von Wolfram von Eschen-
- bach, von Gottfried von Strassburg.
- Ich habe in der Lyrik Eeinmar' und Walther genannt,
- Hartmann nicht, denn in der That, was Fülle und Man-
- nigfaltigkeit der Ereignisse, was Gehalt und Form betrifft,
- steht er hinter diesen zurück. Es ist weniger seine Sache, er
- folgte mehr nur dem was Gebrauch war, als eigenem innerem
- Trieb und Bedürfniss. Als Lyriker rühmt ihn ausser Gliers,
- der bloss von seinen Leichen spricht, nur noch ein Dichter,
- Heinrich von dem Thürlein in der Krone, 2360 fgg. und dessen
- Lob verliert an Werth, da er ganz gedankenlos des unzweifel-
- haft groesseren ganz vergessen hat, Walthers von der Vogel-
- weide. Die Anerkennung aber des viel bedeutenderen, das
- Hartmann für die Epik geleistet hat, kehrt mehrmals bei
- Dichtern seiner Zeit und der Folgezeit wieder [vgl. Haupt,
- Erec ^323 fg.], und bei solchen, die besser als Heinrich be-
- rufen waren ein ürtheil abzugeben. Eudolf von Ems wirft
- in zweien seiner epischen Dichtungen, dem Alexander, der
- nach 1230, und dem Wilhelm von Orleans, der vor 1241 ver-
- fasst ist, wohlgefällige Ueberblicke auf die gesammte hoefische
- Ependichtung seines Zeitalters. Die Stelle aus dem Alexander
- findet man bei v. d. Hagen, MS. 4, 865 — 867, die aus dem
- Wilhelm von Orleans LB. 783: beidemal ist wesentlich das
- Gleiche gesagt, [vgl. Germ. XXIV, 1 ff.; Paul und Braune
- Beiträge III, 140 ff.]. Beidemale stellt er als Stifter an die
- Spitze Heinrich von Veldeke, dann folgen als die eigentlichen
- Häupter Hartmann, Wolfram und Gottfried, erst nach diesen
- all die übrigen, nicht als die jüngeren, denn es ist darunter z. B.
- auch Ulrich von Zazikoven, sondern nur als die minder gros-
- sen, die nur die Menge ausmachen. Allerdings sind diese
- drei die Häupter: durch die üebermacht ihrer Kunst ist das
- mitlebende und die spseteren Geschlechter in ihre Nachfolge
- — 22 —
- gezogen worden, und sie haben, wie sie auf dem Gebiete der
- Sagen von Artus und dem heiligen Gral zusammentrafen, dieses
- für immer zu dem erkorensten Felde der hoefischen Epik ge-
- macht; sie haben, wie jeder doch den gemeinsamen Stoflf
- wieder auf andere Weise ergriff und gestaltete, in dieselbe
- lebensvolle Verschiedenheit des Dichtens auch all die übrigen
- eingelenkt. Aber nicht zufällig hat Rudolf von Ems wieder
- beidemale Hartmann vorangestellt : er ist das zu oberst ragende
- Haupt, er zeigt die epische Kunstdichtung des Mittelalters auf
- dem Gipfel der sich selbst und andern genügenden Vollendung,
- die Classizitset. Seine Haupttugend ist die mä^e. Die Stoffe,
- die zu bewältigen sind, sind so einfach, dass sie mit Klar-
- heit zu erzsehlen nothwendig ist, und doch wieder in sich so
- mannigfaltig, dass die Erzsßhlung spannt und fesselt. Und er
- erzsßhlt geordnet und in objectiver Anschaulichkeit. Nicht
- ideelos sind seine Werke, sondern idealisch durchdrungen und
- ganz von dem idealischen Kern heraus componiert: wir werden
- davon spseter mehr zu sagen haben. Aber er stellt nicht die
- Reflexion neben die Thatsachen und ebensowenig blosse Be-
- schreibung neben die Erzsehlung (eine Ausnahme nachher); er
- pflegt nicht über den Character seiner Personen zu sprechen,
- sondern lässt sie selbst sich characterisieren durch ihr Handeln
- und namentlich mit meisterhaftester Handhabung durch Ge-
- sprsech und Selbstgesprsech. Sein Talent ist kein überquel-
- lender Schatz, der Kreis, innerhalb dessen seine Anschauungen
- sich bewegen, ein nicht gar weit gedehnter. Desshalb ist
- von Gedicht zu Gedicht auch kein beweglicher Wechsel von
- immer anderm und neuem zu bemerken, sondern wie die idea-
- lische Erfassung wesentlich stsets gleichgeartet ist, so sind
- auch in der Darstellung beständige Anklänge und Widerklänge.
- Aber innerhalb der engeren Grenzen, welche seine Msessigung
- ihm zieht, waltete er mit um so groesserer Sicherheit und Ge-
- wandtheit und die Wiederholungen tragen nicht das Geprsege
- der ünbeholfenheit, sondern einer künstlerischen Genüge an
- dem, was einmal für gewisse Umstände als das treffendste
- — 23 —
- Bild und Wort ist erfunden und befunden worden. Diese
- liebenswürdige Selbstentäusserung und Schlichtheit waltet bis
- in die äusserlichste Äeusserlichkeit der Sprache. Er kannte
- und konnte das Franzoesische und wir wissen aus Belegen ge-
- nug, dass bei Hofe ein franzoesisch-deutsches Sprachgemenge
- beliebt war, aber er giebt sich dem nicht hin, sondern gebraucht
- ein reines Deutsch und das Franzoesische nur so weit, als es
- unvermeidbar war, also nur ganz geläufige Ausdrücke (creatiure
- A. H. 1199^ und namentlich die unentbehrlichen Fremd werte
- des Turnierwesens (s. J. Grimm, kl. Sehr. 1, 363), das ein-
- mal von Frankreich her erlernt war. Eine Ausnahme in diesem
- wie in noch mehreren andern der bisher berührten Punkte
- bildet nur der Erec, nach dem Klosterleben die erste seiner
- Dichtungen. Hier gebraucht er noch mehr franzoesische Worte
- als noethig, es finden sich langgestreckte Beschreibungen und
- die Erzsehlung ist gestoert durch Reflexionen der subjectivsten
- Art. Ich habe schon früher berührt, wie Hartmann im Erec
- noch nicht ganz er selbst ist, noch abhängig ist vom Lanzelet
- (gerade auch in diesen Stücken), welch ein Fortschritt aber
- binnen kürzester Zeit von diesem zu seinen andern epischen
- Gedichten gemacht ist.
- Den zwei anderen, Wolfram und Gottfried, so gross in
- seiner Art auch jeder von ihnen und in manchen Stücken
- groesser als Hartmann sein mag, gebricht dennoch, damit
- auch sie auf den Namen hcefischer Classiker Anspruch machen
- könnten, bald die bald jene Dichtertugend.
- Wolframs Hauptwerke sind der Parzival und eine den-
- selben ergänzende Dichtung, Titurel, der nur bruchstücksweise
- erhalten und wohl auch nur so gedichtet ist. [üeber Wolf-
- rams Titurel 1 i eder, wie Müllenhoff sie bezeichnet hat, s. Stosch
- Z. f. d. A. 25, 189 ff.] Der Parzival, der allein ganz ist,
- ist grossartig durchdacht und angelegt, in der Anlage wahr-
- haft ein Werk des Tiefsinns, und eben dieser Tiefsinn herrscht
- auch ganz in Einzelheiten, aber eben nur in Einzelheiten; er
- dichtet ohne Mass und Ebenmass, denn er dichtet ohne Ob-
- — 24 —
- jectivitset lediglich aus seiner eigenthümlichen Subjectivitaet
- heraus, und seine Eigenthümlichkeit ist eine ebenso wunderbare
- als wunderliche. Es findet sich ein unstaeter Wechsel tief-
- heiligen Ernstes und halber Scherze, breitester Ausführung und
- kurzer Abgebrochenheit ; er bemüht sich alles und jedes über
- sich selbst hinaus in das Ungewoehnliche zu erheben, und
- deshalb oder vielleicht auch nur aus spoettischer Neckerei ist
- sein Deutsch buntscheckicht gemischt mitfranzcesischen Worten,
- ja ganzen Versen in franzoesischer Sprache. Bei Hartmann
- sind Dichter und Dichtung einander eben und gerecht, des-
- halb kann auch der Dichter so ganz in seine Dichtung auf-
- gehen: bei Wolfram mangelt diese Zusammenstimmung, sein
- Streben geht über die Kraft hinaus, die er besitzt, oder doch
- über die Mittel, die er braucht; Dichter und Dichtung decken
- einander nicht und bald ragt so zu sagen der Dichter noch
- über dßn Rand des Gedichtes, bald ist ein Theil des Gedichtes
- von dem Dichter unberührt und unausgefüllt. Darum endlich
- wenn Hartmann Stil besitzt, hat Wolfram nur Manier.
- Blosse Manier und gleichfalls keinen Stil hat auch der
- dritte, Gottfried, der Verfasser des Tristan. Denn auch
- er ist, um einen solchen zu besitzen, nicht objectiv genug.
- Er lässt gleichfalls nur seine Subjectivitset walten und die ist
- nicht die des Ernstes und Tiefsinns, sondern vielmehr die einer
- leichtfertigen Gesinnungslosigkeit. Er behandelt einen wol-
- lüstigen Stoff. Man findet keine stockende Rede, sondern
- diese fliesst unaufgehalten , aber auch im Ueberfluss; keine
- Härte, kein Dunkel begegnet bei ihm, sondern alles ist heitere
- Anmuth, aber hüpfend und tändelnd; seine Darstellung ist
- glänzend, aber oft auch mit falschem Glänze blendend. Im-
- mer geht er auf Zierlichkeit aus: selbst die Reflexionen,
- die auch er keineswegs meidet, haben etwas zierliches, in
- lyrischer Dichtart zierliches, um so mehr, da er stsets damit
- auf der Oberfläche bleibt ; sogar dem Prunken mit Gelehrsamkeit,
- das er liebt, verleiht er einen zierlichen Schimmer, und das
- viele Franzoesisch , das auch er einmischt, bei ihm soll es
- — 25 —
- zierlich klingen. Der ganze Tristan hat etwas weibisches; so
- hofgerecht er auch ist, so ist er doch nicht ritterlich: er ist
- immer nur ein gelehrtes und feingebildetes Stadtkind. Gott-
- fried ist hierin wie in allem der gerade Gegensatz Wolframs,
- der seinen Stoff noch ritterlicher gemacht hat, als er an sich
- schon war und den Leser von einem Speerbrechen zum:^andern
- treibt: er aber wollte auch vor allen Dingen Ritter, dann erst
- Dichter sein und die Gunst der Frauen nicht mit Gesänge,
- sondern mit Speer und Schild verdienen: Parz. 115, 11 fg:
- Schildes ambet ist min art. swä mm eilen st gespart^ swelhiu
- mich minnet umhe sanc^ so dunJcet mich ir witise hranc, oh
- ich guotes wibes minne ger, mag ich mit Schilde und oiich
- mit sper verdienen niht ir minne solt, al dar nach st sie mir
- holt. Hartmann hat auch hierin die rechte mä^e. Er ist
- ritterlich gesinnt und ihm ist ein vollkommener Ritter
- wie eine Zierde der Welt: er trsegt aber davon nicht mehr
- in seine Dichtungen hinein, als ihm deren Stoff entgegenbringt,
- er dichtet zuletzt doch nicht als Ritter, sondern als Mensch
- und kann sich mit Liebe und Verständniss ebensowohl in das
- Wesen niederer Personen und auch da in die Eigenart beider
- Geschlechter versenken, wie, da er den A. H. dichtete, in die
- ganze volle Denk- und Sprechweise eines ländlichen Ehepaares
- und eines halb kindlichen, halb jungfräulichen Landmsedchens.
- Nach all dem werden wir, wenn schon die Litteraturgeschichte
- Hartmann und Wolfram und Gottfried neben einander als die
- Häupter der hoefischen Epik zu nennen hat, in sehnlicher Weise
- und mit sehnlichem Verhältniss neben einander, wie spseter im
- Beginne unserer neueren Litteratur Lessing und Klopstock und
- Wieland; wir werden nach all dem dennoch nicht anstehn,
- mit Rudolf von Ems unter diesen dreien wieder Hartmann
- den vordersten Rang einzuräumen. Im Vergleiche bloss mit
- Wolfram hat das schon Gottfried selbst gethan, an einer Stelle
- seines Tristan Sp. 117 — 119 der Ausgabe von Massmann
- [v. 4619 ff. der Ausgabe von R. Bechstein], was Hartmann be-
- trifft nur mit Gerechtigkeit, auch nicht ungerecht gegen
- — 26 —
- Wolfram, aber in hoehnisch bitterer Weise, gereizt durch die
- allerdings ganz widerhaarig verschiedene Art, in welcher Wolf-
- ram ihm entgegenstand, wsehrend ihm Hartmann bei weitem
- weniger ferne und fremd, ja zum Theil schon ihm ein Muster
- war (LB. 659 ff).
- Wie vorher gesagt worden ist, die drei genannten Dich-
- ter haben auf das mit und nach ihnen lebende Geschlecht
- massgebend eingewirkt, sie sind der Mit- und Folgezeit für
- die Wahl der Stoffe und für die Darstellungsweise die Vor-
- bilder gewesen. Ihre Wirkung dauerte ununterbrochen bis an
- das Ende des Jahrhunderts und theilweise noch darüber hinaus.
- Wir haben hier bloss die besonderen Nachfolger Hartmanns
- zu betrachten und wollen auch von diesen bloss die nennens-
- wertheren namhaft machen. [Vgl. zum vorausgehenden LG.
- § 61.]
- Zunsechst erinnern wir noch einmal an Gottfried, der ja
- selber Hartmann hoch genug stellt, dass man berechtigt wird,
- den leichten Pluss seiner Erzsehlung auf den Vorgang Hart-
- manns zurückzuführen, nur dass er die Leichtheit eben in
- Leichtigkeit, die Anmuth in Ziererei gezogen hat, weil ihm
- der Ernst des Gemuthes, weil ihm die Kitterlichkeit und zu-
- gleich die Schlichtheit von Hartmanns Sinne abgieng. Gott-
- frieds von Strassburg Werke (auch das Lyrische) sind heraus-
- gegeben von V. d. Hagen, Breslau 1823. Die letzte Ausgabe
- seines Tristan ist von Massmann, Leipzig 1843. [von K. Bech-
- stein, Deutsche Classiker des Mittelalters 7 — 8 Band; 2. Auf-
- lage Leipzig 1873.] Ferner ebenfalls noch bei Hartmanns
- Lebzeiten dichtete Wirnt von Gravenberg, ein fränkischer
- Eitter, um 1209, wie es scheint, noch ehe Gottfrieds Tristan
- bekannt geworden ist, den Wigalois, auch einen Roman aus dem
- Sagenkreise von Artus und der Tafelrunde. Sein Werk wird
- als der ritter mit dem rade erwähnt im Renner 183b und
- als da^ Bat von Rudolf von Ems: LB. 786, 17. Wirnt ist
- nicht unbegabt, seine Dichtung ist stellenweise sogar gelungen
- zu nennen, aber es ist durchweg beinahe widerwärtig durch
- — 27 —
- die eintoenige Art, in welcher er Absatz für Absatz seines
- langen Gedichtes (11708 Z.) in gehaltlos reflectierende Worte
- auslaufen lässt. Er hat das von Hartmann nicht, aber, über-
- bietend, aus Ulrichs Lanzelet, wo stellenweise auch gerade so
- die Keflexion angebracht ist. üeberhaupt hat er für die Kunst
- des Dichtens wenig von Hartmann gelernt und doch ist nie-
- mand sonst ein so entschieden eigentlicher Nachahmer. Ein-
- zelne Wendungen und ganze Stellen aus Hartmanns Werken
- sind wirklich in den Wigalois aufgenommen. Er hat sich in
- alle Epen Hartmanns, vom Erec bis zum A. H. so hineinge-
- lesen, dass ihm alles gegenwärtig im Sinn und auf der Zunge
- liegt: aber er kommt über die blossen Beminiscenzen nicht
- hinaus. Dadurch hat sein Werk einen gewissen Werth für
- die Erklserung und Kritik der Hartmannischen Dichtungen.
- Herausgegeben ist der Wigalois von Benecke, Berlin 1819
- und von Pfeiffer, Leipzig 1847. [Das Verhältniss Wirnts zu
- Hartmann behandeln Dr. H. Eckert, Programm d. Gym. zu
- Stettin 1875; Meisner, Germ. XX, 421 ff; R. Medem, Progr. v.
- Danzig 1880; R. Bethge, Wirnt v. Gravenberg, Berlin 1881.]
- Ganz das gleiche gilt von einer betrsechtlich spseteren Dich-
- tung, der Guten Frau, von einem ungenannten und unbe-
- kannten Verfasser. Sie behandelt eine Sage, die wenn schon
- mit ganz anderer äusseren Gestaltung doch ihrem idealen Ge-
- halte nach in derselben -Richtung liegt mit dem A. H. Am
- Schluss ist sie durch eine genealogische Anknüpfung in Ver-
- bindung gebracht mit der Geschichte und Geschichtsdichtung
- von Karl dem Grossen. Das Werk ist dürftig und ungeschickt
- in der Darstellung und verrseth den schon begonnenen Verfall
- der Kunst : um so mehr stechen nun durch Verschiedenheit der
- Farbe die zahlreichen Stellen ab, die wörtlich aus den Ge-
- dichten Hartmanns herausgeschrieben sind. Herausgegeben ist
- es von Sommer in Haupts Z. f. d. A. 2, 392 fgg. Endlich
- ist noch zu nennen Kon rad von Würz bürg, für die ältere
- und die neuere Zeit der namhafteste unter allen Dichtern
- Basels: er hat hier gelebt und in der Gunst Baselscher Edeln
- — 28 —
- und Bürger gedichtet, ist hier gestorben 1287, und hier wohl
- auch geboren, nicht in Würzburg; sein Haus an der Ehein-
- seite der Augustinergasse dem Museum gegenüber hatte den
- Namen Wirjs^eburg [s. LG.^ 140; Wackernagel kl. Sehr. 1,
- 297]. Er gebeert bereits ans Ende der mhd. Litteratur, war
- aber bemüht die Kunst der früheren Geschlechter wieder her-
- zustellen und neu am Leben zu erhalten. Die mit Geschick
- und reicher eigener Begabung befolgten Muster waren ihm
- Hartmann und Gottfried: letzterer that dem Muster Hart-
- manns Eintrag und der Kedefluss geht oft über in Breite und
- Tautologie. Dasjenige seiner zahlreichen und theilweise über-
- aus umfangreichen Gedichte, das am meisten mit Absicht und
- Bewusstsein an Hartmann sich anlehnt, ist der Engelhart oder
- vielmehr von hohen triuwen. Der Stoff berührt sich mit dem
- A. H., und dieser namentlich ist vielfach benutzt, wie wir
- sehen werden. Herausgegeben ist der Engelhart von M. Haupt,
- Leipzig 1844: ein Versuch aus einem durchweg entstellenden
- Drucke des Jahres 1573 (Hss. fehlen) ein Gedicht des 13.
- Jahrhunderts wieder herzustellen.
- Gehen wir nun über zur Betrachtung des Armen Hein-
- rich. Von der Sage, von ihren geschichtlichen Bezügen und
- idealem Sinne, von der Art, in welcher Hartmann den gege-
- benen Stoff aufgefasst und gestaltet habe, werden wir spseter
- handeln. Jetzt wollen wir das Gedicht nur ganz für sich
- betrachten. Es war bekannt und beliebt im Mittelalter, was
- aber nicht wie bei manchem andern Werke schon durch die
- Zahl und Beschaffenheit der Hss. bewiesen wird, denn wir
- haben deren nur drei, alle drei sind jung und keine ist son-
- derlich gut: die Strassburger stammt aus dem 14. Jahrhundert,
- die Heidelberger gleichfalls aus dem 14., die Koloczaer aus
- dem 15. Jahrhundert. Nur Bruchstücke einer Hs. aus dem
- 13. Jahrhundert sind in St. Florian erhalten und abgedruckt
- in Pfeiffers Germania 3, 347 fg. und enthalten Z. 646—652
- und einzelne Verse und Versgruppen bis 888. Die Beliebtheit
- ist aber bewiesen durch die wiederholte Benützung bei andern
- k.
- — 29 —
- Dichtern, namentlich bei Konrad von Würzburg und in ge-
- wisser Art noch mehr durch das Verhältniss, in welchem der
- Text der Heidelberger und der Koloczaer Hs. zu dem der
- Strassburger steht. Sie zeigen nsemlich eine durchgreifende
- Umarbeitung: ein Versmacher (Dichter kann man nicht sagen)
- des 14. Jahrhunderts hat seine Theilnahme damit beurkundet,
- dass er, um nach seiner Ansicht die Dichtung schoener und
- sinnreicher zu machen, sie gleichsam neu gedichtet hat, ge-
- ändert, weggelassen, hin und wieder noch zugesetzt, nament-
- lich einen ganz neuen Schluss: er lässt nämlich den A. H.
- noch Mönch werden. Die Hss. haben dadurch Werth als Be-
- leg des Portlebens der Dichtung, und für die Kritik sind sie
- auch wichtig, da manchmal in der üeberarbeitung einzelne
- Worte und Verse echter und richtiger festgehalten sind als
- in der Strassburger Hs., die zwar keine üeberarbeitung bietet,
- sondern den Urtext, aber nicht ohne Fehler, enthält: stammt
- sie doch aus dem 14. Jahrhundert, wo die Sprache schon eine
- ganz andre war als um 1200, und die Schreiber des Mittel-
- alters schrieben diese stsets in die Sprache ihrer Zeit und ihre
- Mundart um.
- Ausgaben sind viele veranstaltet worden.
- 1. Abdrücke der Hss. Die Strassburger Hs. wurde abge-
- druckt durch Christoph Heinrich Müller in der Sammlung
- deutscher Gedichte aus dem 12., 13. und 14. Jahrhundert, 3
- Bände, Berlin 1784 fgg: der 1. Band enthält u. a. den A. H.
- Gesondert abgedruckt wurde die Hs. dann durch die Brüder
- Grimm, Berlin 1815. Die Koloczaer Hs. ist abgedruckt im
- Koloczaer Codex altdeutscher Gedichte, herausgegeben vom
- Grafen Mailäth und Köffinger, Pest 1817. Die Heidelberger
- Hs. ist nicht eigens gedruckt, und es ist auch überflüssig,
- da sie mit unerheblichen Abweichungen wörtlich mit dem
- Koloczaer Codex stimmt, nur dass sie älter ist: beide stam-
- men aus einer und derselben Urschrift.
- 2. Kritische Bearbeitungen : Lachmann, Auswahl aus den
- hochdeutschen Dichtern des 13. Jahrhunderts, Berlin 1820;
- — 30 —
- in meinem AM. LB. 1835 und 1839 [4873 S. 523]; Wil-
- helm Müller, Göttingen 1842; Haupt, die Lieder und Büch-
- lein und der arme Heinrich von Hartmann von Aue, Leipzig
- 1842 [21881; s. oben S. 11.]. Meine Ausgabe [Basell855; ent-
- hielt nur den Text] schliesst sich gleich den früheren wesent-
- lich an die Strassburger Hs. an, nur in selteneren Fällen, wo
- die üeberarbeitung das echtere bewahrt zu haben schien, wurde
- deren Lesart der Vorrang gegeben; in den Anmerkungen sind
- die Abweichungen der Hs. nur da angeführt, wo alle drei Hss.
- abweichen und der fehlerhafte Text derselben entweder von
- mir oder meinen Vorgsengern gebessert ist. [Ausgabe von
- F. Bech in den deutschen Classikern des Mittelalters, 5. Bd,
- Leipzig 1867, ^1873; in MüUenhoffs altdeutschen Sprachproben,
- 3. Auflage Berlin 1878; mit Glossar von JB. Sdhtdz^ Leipzig
- 1871; Her Hartmann v, d. Avs^ diu mcere vom armen Hein-
- rich, Kiel 1880 giebt sich als Handschriften-Facsimile, ent-
- hält aber den Hauptschen Text in imitierter alter Schreibweise ;
- Ausgabe vonH- Paul, Altdeutsche Textbibliothek 3, Halle 1882.
- Auch die meisten mhd. Lesebücher enthalten den A. H.]
- Diese zahlreichen Ausgaben moegen dafür bürgen, dass
- das Werk nicht bloss einen geschichtlich vergsenglichen und
- vergangenen Werth hat, sondern einen dauernden, und dass
- sein Reiz für Freunde der erzaehlenden Dichtung auch noch
- jetzt besteht. Noch mehr ist das bewsehrt durch die eben-
- so zahlreichen Erneuerungen, die die Dichtung ganz in
- den Kreis unserer Litteratur hineingerückt haben oder doch
- haben hineinrücken sollen. Der A. H. von Büsching, mit
- Kupfern von Hegi, Zürich 1816 ist fast nur in die neuere
- Orthographie umgeschrieben, voll von unverständlichen und was
- noch schlimmer missverständlichen Alterthümlichkeiten. Eine
- eigentliche üebersetzung hat Simrock gegeben, Berlin 1830
- [besser im Altdeutschen Lesebuch in neudeutscher Sprache,
- Stuttgart und Tübingen 1854, S. 261 flf.; dann zuletzt die '
- üebersetzung Simrocks zugleich mit verwandten Gedichten und
- Sagen, Heilbronn 1875. Der A. H. übersetzt von Marbach,
- — 31 —
- mit Holzschnitten, Leipzig 1850. Der A. H. mit 7 Zeichnungen
- von J. V. Pührich, Leipzig 1877]. In Prosa hat G. Schwab das
- Werk übersetzt : Buch der schcensten Geschichten und Sagen,
- Theil 1, Stuttgart 1836. Simrocks Deutsche Volksbücher
- Theil 6, Frankfurt 1847. Endlich ist der arme Heinrich noch
- neu und frei mit bedeutend geringerem Umfange als bei U art-
- mann (Abkürzung der dialogischen Theile) gedichtet worden
- von Chamisso: eine seiner letzten, aber nicht gerade seiner
- besten Arbeiten. [Eine italienische Uebersetzung erschien von
- A. Baragiola, Bai tedesco medioevale. Der arme Heinrich von
- H, V, Aue, Ilpovero Enrico^ versione inprosa. Strassburgo 1881.1
- Metrischerer m. Die epischen Dichtungen des Volkes
- sind Lieder, berechnet für Gesang und Begleitung von Saiten-
- spiel. Daher sind auch gern in Strophen diejenigen umfang-
- reicheren Epopoeien abgefasst, denen Heldenlieder des Volkes
- zum Grunde liegen, die volksmsßssigen Epen : Nibelungen,
- Gudrun. Sie selbst wurden nicht mehr gesungen. In hoefischer
- Epik, die nicht an deutschem Volksgesang anknüpft, ist Stro-
- phenbau selten, obwohl er sich findet, wie z. B. im Titurel.
- Hier ist wie im Lehrgedicht, wie dann auch im Dialog des
- Dramas in der Regel eine unsangbare, von vornherein nur
- für das Lesen brauchbare, auf Lesen berechnete Form, die
- (im Gegensatz zum Gesänge) rede im Gebrauch (A. H. 17;
- lesen 23). Auch Hartmann gebraucht diese Form in seinen
- epischen und seinen halb lehrhaften Dichtungen, den Büchlein,
- hier sind sie nur stellenweis der mannigfaltiger belebten Form-
- gebung der Lyrik nahe gebracht.
- Das Versmass kann halbprosaisch genannt werden, inso-
- fern zum Wesen der voll und eigentlich poetischen Form der
- Gesang gebeert. Sie ist auch hervorgegangen aus der Prosa,
- nur einer über das Gewoehnliche hinaus mit Wohlklang ge-
- schmückten Prosa. Schon früh im Mittelalter wurde in latei-
- nischer Prosa Satz für Satz mit Reimen durchflochten : s. z. B.
- Vita St. Galli aus dem 8. Jahrhundert (Pertz, Mon. Germ,
- bist. 2). Weiterhin wurde diese Art Prosa besonders beliebt
- — 32 —
- bei den Geschichtsschreibern in der Zeit der letzten Saechsi-
- schen und zumal der Salischen Kaiser. Als Beispiel moege
- dienen das Leben Meinwerks, Bischofs von Paderborn (Vita
- Meimverci episcopi 1009—1036) cp. 52, Pertz 13, 140: Stu-
- diorum muUiplicia sub eo floriierunt exercitia — quando ibi
- musid ftierunt et dialectid, enituerunt rhetorici darique gram-
- matici; quando magistri artium exercebant trivium (eben Gram-
- matik, Rhetorik, Dialektik), quibus omne Studium erat circa
- quadruvium (Geometrie, Arithmetik, Astronomie, Physik), ubi
- mathematici (L arithmetici?) claruerunt et astronomid; ha-
- bebantur phisici atque geometrici; viguit Oratius magnus et
- Virgilius, Crispus ac Salustius et Urbanu^s Statius ; ludusque
- fiiit Omnibus insudare versibus et dictaminibus iocundisque
- cantibus u. s. w. So finden sich gewoehnlich obenhin vier
- Accente, der Beim unmittelbar zweimal: es zeigt sich darin
- Einfluss des Versbaues der deutschen Lieder und Leiche. Die
- Zeit, wo diese lateinische Reimprosa im hoechsten Flor war,
- war es gerade, wo auch die deutsche Litteratur vorzüglich in
- den Händen der Geistlichkeit war und wo sie ihrem üeber-
- tritte aus der ahd. in die mhd. Periode entgegengieng und
- sich darauf vorbereitete. Und im 11. und 12. Jahrhundert
- wurde diese Reimprosa auch ins Deutsche eingeführt, in
- Erzsehlung und Lehre angewandt, in der rede, deren Prosa
- stellen weis oder durch und durch so geschmückt war; auch
- hier finden sich denn im Durchschnitt vier gehobene Silben
- und meist Reimpaare: aber es finden sich auch mehr, auch
- weniger Accente, auch mehr Reime und reimlose Zeilen.
- Dieser Form nun bemächtigte sich die hoefische Dichtung
- gleich bei ihrem ersten Entstehen. Schon Heinrich von Veld-
- eke gebrauchte sie. Aber hier wurde diese . Form zu künst-
- lerischer Regelung getrieben durch inneres Bedürfniss und von
- aussen her durch franzoesisches Muster. Bei diesen z. B. bei
- Chrestien von Troies finden sich acht- oder neunsylbige, viermal
- gehobene, paarweis reimende Verse : dem sehnlich, nur mit den
- Abweichungen, welche die deutsche Sprache gebietet, hat sich
- — 33 —
- nun auch in Deutschland aus der bisherigen ßeimprosa ein
- eigentlicher Versbau entwickelt, die Form der Gedichte, die
- auch jetzt noch rede war, unsangbare Epik und Didaktik.
- Mit dieser Ausbildung des Versbaues war die Einführung noch
- einer andern Genauigkeit verbunden. Bis auf Heinrich von
- Veldeke war in der ßeimprosa wie in gesungenen Liedern
- und Leichen der Reim oft nur ein ungefsehrer Gleichklang,
- die reimenden Silben waren nicht gleich, sondern nur sehn-
- lich und das beruhte auf Nachlässigkeit, aber auch auf Un-^
- faehigkeit der Sprache. Jetzt wurde man hierin in Rede und
- Lied sorgfältiger und strenger; die Sprache erleichterte das sehr.
- Hartmann v. A. fällt mit den Anfängen seines Dichtens
- noch in die Anfänge dieser neuen Vers- und Reimkunst. Da-
- her finden sich bei ihm auch noch üeberreste der frühern
- Kunstlosigkeit, falls nsemlich, wie vermuthet, jenes lehrhafte
- Bruchstück aus einer Dichtung seiner kloesterlichen Jugend-
- zeit herrührt. Es finden sich hier Verse, die noch fast nir-
- gends das rechte Mass der Accente innehalten: es ist eben nur
- noch Reimprosa. Der Reim ist zwar meist schon genau, aber doch
- nicht überall. (Als Beispiel dient das im LB. 429 abgedruckte
- Stück.) In all den spseteren Gedichten aber, d. h. in allen
- denen, die mit Gewissheit sein Eigenthum sind, erscheint die
- neue hoefische Kunst in all ihrer Fülle und Reinheit, genauer
- Vers, genauer Reim. Nur was letzteren betrifft, ist der Erec
- noch nicht ganz vollkommen. Hier findet sich z. B. 3303
- mcm : Mn [vgl. Haupt z. Er. 241]; (späterhin z. B. nur
- mom : hau, Mn : län; nur Wolfram von Eschenbach ist da-
- rin nicht genau); 435 oehein : stein, 901 ruon : tuon;
- spseter nur noch einmal Greg. 565 (xJiein : mein. Sonst findet
- sich im Greg, und Iw. und A. H. nichts der Art (Haupt,
- Erec XV).
- Der Bau der Verse ist nicht so, wie wir jetzt diese
- Versart behandeln, weil der Accent, die Grundlage alles deut-
- schen Versbaues in der älteren Sprache anderen Gesetzen folgt
- als jetzt. Das Nothwendige wollen wir in Kürze angeben.
- 3
- — 34 —
- Die Hochtoene fallen wie jetzt auf alle einsylbigen Wur-
- zelworte, auf die Wurzelsylben aller mehrsylbigen flectierten
- oder abgeleiteten Worte und auf die Wurzelsylbe des ersten
- Bestandtheils in Zusammensetzungen.
- Die Tieftoene fallen auf den zweiten Theil von Zusammen-
- setzungen und die voller lautenden Ableitungssylben , wie
- -nisse, -unge udgl. Daneben zeigt aber die alte Sprache noch
- Tieftoene unter mehrfachen Umständen, wo jetzt die Sylben
- tonlos sind. Es haben sich aber im Portschritt vom Ahd.
- zum Nhd. nicht bloss diese Qualitsets-, es haben sich auch
- die Quantitsetsverhältnisse unserer Sprache geändert.
- In zweisylbigen Worten, deren erste kurz und hochtonig
- ist, ist die zweite, die Plexions- oder Ableitungssylbe, tonlos:
- wäge^ zehen^ beliben, böte, jügenL Wenn die erste Sylbe lang
- ist, so ist die zweite tieftonig: wäge, ^ehen^ belibe, röte, sügent,
- wdlgen, süngm, aber nur wenn darauf eine tonlose Sylbe, ein
- proklitisohes Wort oder eine Vorsylbe folgt: loägen den Up;
- vor einem Hochton sinkt der Ton dieser Sylbe herab: wägen
- ere unde Up, In dreisylbigen Worten, deren erste hochtonig
- ist, ist die letzte tieftonig: wägende^ edele, Witege, löbete,
- tügende, aber wieder nur wenn eine tonlose Sylbe darauf folgt :
- smer tügende geniesen^ dagegen sine tügtmde prlsen,
- Ist in dreisylbigen Worten die erste lang, so ruht der
- Tiefton auf der zweiten: wägmde^ änderiu, ^tselen, dürftige,
- Undlsehe. — Solche wie alle Tieftoene werden für den Vers-
- bau den Hochtoenen gleich gerechnet: die einen wie die an-
- dern helfen die jedesmal erforderliche Zahl der Hebungen her-
- stellen.
- In den Versbau der Lyrik war. mit Heinrich von Veld-
- eke ein mehr gleichmsessig geregelter Rhythmus gekommen,
- als die früheren Zeiten schon gekannt hatten: zwischen je zwei
- Hebungen durfte nur eine Senkung stehen; ob auch vor der
- ersten Hebung, war für gewoehnlich gleichgültig, also gleich-
- gültig ob Jamben oder Trochseen den Vers bildeten. Doch
- gab es Dichter, die auch hierauf achteten, wie Walther von
- — 35 —
- der Vogelweide. Es bedingte das auch die groessere Kunst
- des Gesanges. Nicht so war es in der Epik, wo auch beim
- Gesänge der Vortrag ein kunstloserer war, wo aber meist nicht
- einmal mehr gesungen, sondern nur noch gesagt, nur noch
- gelesen ward. In diesen Gedichten musste nur jeler Vers vier
- Hebungen haben, gebildet durch Hochtoene und Tieftoene. Nur
- diese waren nothwendig. So viel Sylben dann daneben ohne
- Accent können gesprochen werden, so viel dürfen als Senkungen
- sich daneben legen: dürfen, nicht müssen. Und so entstehen
- wohl oft genug auch hier rein jambische und rein trochseische
- Verse, weil zwischen, weil vor allen betonten Sylben unbetonte
- liegen, und ab und zu Anapäste und Dactylen, weil die Be-
- schaffenheit und Stellung der Worte eine zweisylbige Senkung
- zulässt. Z. 1 ein rUter ,sd geleret wds^ Z. 2 däjsf er an den
- w
- bmchen las, Z. 28 swer Über des ändern schulde bite. Aber
- dem am äussersten Ende gegenüber kommen ebenso wohl Verse
- vor ohne alle Senkung, die bloss die 4 Hebungen, bloss 4
- Sylben haben. Im A. H. findet sich dafür kein Beispiel, aber
- im Erec 3298 fünf rouhcere, 5116 ouch wart £rec^ 6717
- dar üf saiszer^ 7333 halp swaris, halp blanc; im Iwein 459
- (Zsehne eines ungeheuren Menschen) lanc^ scharpf, gröis, breit
- (915. 3734). Dazwischen stehen auf und ab Verse bald ohne
- die eine, bald ohne die andere Senkung, und nicht selten sind
- gerade .auch dann Worte als Hebungen gebraucht, deren Ton
- nur ein sehr schwacher sein kann, die sonst eher tonlos, pro-
- kli tisch sind: Z. 814 üs iuwem hüldhi; 1230 ein loch gände
- va/nt, wo ein der Artikel, nicht Zahlwort ist.
- Kegelmsessig je zwei solcher Verse reimen nun mit ein-
- ander, unmittelbar, paarweise. Aber die Besonderheiten der
- mhd. Quantitaet und Betonung führen auch in Betreff des
- Reimes Abweichungen von dem jetzigen Verfahren mit sich.
- Da zweisylbige Worte, deren erste kurz ist, auf der zweiten
- aecentlos sind und bloss die Accente gezsehlt werden, so ha-
- ben Reime mit dergleichen Worten denselben Werth als mit
- einsylbigen, und bilden auch nur einen stumpfen Reim : Z. 23
- — 36 —
- fgg. lese : wese, göte : höte^ mite : bUe. Ebenso können drei-
- sylbige Worte, deren zweite tieftonig und kurz ist (-i^) mit
- den beiden letzten Sylben als stumpfer Reim verwendet wer-
- den : Greg. 2579 dürftigen : verisigen. Dagegen bestellt der
- klingende Reim aus Worten, deren erste Sylbe lang ist, trsegt
- demgemsess zwei Hebungen, und ein solches Wort giebt die
- volle Hälfte des Verses her: Z. 5. dienstman was er ze Oüwe;
- er näm im mdnge schöuwe. Zweimal betont werden und des-
- halb auch klingenden Reim geben die Worte mit drei kurzen
- Sylben {^^^),. die aber bei Hartmann selten im Reim vor-
- kommen: Iw. 617 hoch ündenidere die stimme gdp hin widere.
- Hier aber, im Reim, am Schluss der Verse, ist der Tiefton
- schwach, denn der Gegensatz einer nachfolgenden tonlosen Sylbe
- fehlt und es ist bloss der Gegensatz der vorangehenden stark
- . betonten vorhanden: die letzte Sylbe ist wohl auch tonlos»
- so dass nur die Hebung der ersten Sylbe in Betracht kommt.
- Das zeigen Verse, die auf dem klingenden Reimwort nur diese
- eine Hebung tragen: Z. 549 war ümbe lästü uns niht
- släfen? süs begtinden si st strafen. (Nicht slafen : strafen;
- sonst gsebe das 5 Hebungen.)
- In solcher Weise sind klingende Reimpaare von gleichem,
- Werthe mit stumpfen, da ja beide die gleiche Zahl der He-
- bungen gewsehren; sie sind auch in den epischen Gedichten
- nach Zufall gemischt. Die Lyrik ist auch hierin sti:enger:
- sie kann beiderlei Reime nur mit Ordnung wechseln lassen,
- Strophe für Strophe muss die gleiche Mischung und Reihen-
- folge einhalten.
- Diess sind die Grundzüge der epischen Metrik. Durch-
- aus erscheint Gesetzlichkeit und Gleichmass, aber mit Freiheit
- und in Mannigfaltigkeit entwickelt. Der gleiche Charakter
- gilt bis in die weiteren Einzelnheiten hinein.
- Wir wollen nur noch einige wenige Punkte betrachten»
- die theils bei allen Dichtern gelten, theils Eigenheiten sind»
- welche Hartmann nicht so mit allen übrigen gemein hat.
- Durchweg findet sich Beseitigung derjenigen Hiatus, die dem
- — 37 —
- deutschen Ohre widerstreben, d. h. auslautendes stummes e
- vor unbetontem vocalischem Anlaut wird apocopiert oder ver-
- schleift. Sodann herrscht besondere Strenge und Genauigkeit
- am Schluss des Verses: auch die antiken Dichter gestatten
- sich da nicht all die Freiheiten, die Auflösungen, die Zusäm-
- menziehungen, die sie sich sonst erlauben, denn durch schär-
- fere reinere Abgrenzung ist die Gestalt des Ganzen in ihrer
- Schärfe und Reinheit gesichert. Im Deutschen macht der
- Reim, damit sein Wohllaut nicht leide, doppelte Sorgfalt
- noth wendig. Bei der Erklserung des Einzelnen werden wir
- manche Functe, die darauf Bezug haben, berühren müssen.
- Hier nur eins. Die vorletzte Sylbe, wenn sie gesenkt ist,
- duldet keine Consonantenhäufung : z. B. nicht Up und güot,
- sondern Up ünäe güot. Im Erec finden sich noch solche
- Härten, z. B. 5282 wan dö weinde wip unt man [2. Aufl.
- unde man] (Lachmann z. Iw. 4365); aber im A. H. heisst
- es z. B. 672 mich lobet man unde wip, — Dafür nun herrscht
- eine groessere Freiheit inmitten des Verses und gar zu Be-
- ginn. Starke Tieftoene, ja selbst einsylbige Hochtoene, die un-
- mittelbar zwischen zwei anderen Tcenen stehen, werden hinab-
- gedrückt, wie bei uns: Z. 5 dienst man tväs er ze Ouwe; 729
- und öuch der werlt nach völgende ist In Schlusssylben mit
- stummem e vor Liquida, denen vocalischer Anlaut folgt, wird
- das e syncopiert (Verschleifung): Z. 34 die ein ritter in stner
- jugent Häufig wird auch das stumme e der Vorsilbe ge-
- syncopiert: geselle wie gselle nach alamannischer Mundart,
- oder es ist vielleicht auch ganz ohne ge- seile gesprochen wor-
- den? Wir hätten dann niederdeutschen Einfluss anzunehmen
- (Veldeke) [s. Haupt z. Er. 1969]. Im Anfang aber wird bei
- Worten mit erster langer Sylbe (-i) der Hochton nicht ge-
- rechnet: Z. 994 zwischen dem herren unde in drin; zweisyl-
- bige Worte oder zwei Worte werden, sobald der Sinn unter-
- geordnet ist, im Accent hinabgedrückt und stehen ganz in
- der ersten Senkung und darauf erst kommt die erste Hebung.
- Dergleichen mehrsylbiger Auflaut findet sich öfter, z. B. 108
- — 38 —
- unser süeze ist vermischet; 584 wan dun quceme nie in leider
- loch.
- Es ist einleuchtend, zu welch beweglicher Mannigfaltig-
- keit sich so auf der Grundlage seiner Regeln der epische
- Versbau entwickeln kann, wie ihm nach allen Seiten hin der
- Wohllaut eröffnet und es ihm moeglich gemacht ist, mit ver-
- schiedenem Ausdruck charakteristisch abzuwechseln. Ich meine
- den epischen Versbau, wie er bei Hartmann von Aue und
- seinen Zeitgenossen in dem Blütenalter der epischen Dichtung
- uns entgegentritt. Bei dem namhaftesten des späteren Ge-
- schlechtes, Konrad von Würzburg, ist er schon ganz anders
- geartet: dieser behandelt den epischen Vers wie den lyrischen,
- regelmsessig um einander gesenkt und gehoben und mit Aus-
- nahme der selteneren Stellen, wo etwa eine spondaeische Zu-
- sammensetzung ein unübersteigliches Hinderniss in den Weg
- legte, Jamben. Da ist der Vers allerdings eintcenig genug
- und wäre ganz zum Ermüden, wenn Konrad nicht wenigstens
- eine Eigenheit, die unter seinen Vorgängern namentlich un-
- seren Hartmann bezeichnet, auch in seine Dichtungen über-
- tragen hätte. Das ist die ßeimbrechung, der Gebrauch den
- Schluss eines Satzes nicht an das Ende, sondern in die Mitte
- eines Reimpaares, hinter das erste Reimwort zu verlegen:
- zwischen Satz und Vers herrscht dadurch dasselbe Verhält-
- niss, das innerhalb des einzelnen Verses zwischen Worten und
- Füssen herrscht: die Reimbrechung erscheint als eine Caesur
- im weiter gedehnten Maassstab. Zusammenfallen von Satz-
- schluss und Reimschluss tritt nur ein am Ende eines Ab-
- schnittes, und ein solcher wird dadurch bezeichnet, wie am
- Ende eines Verses Wortfuss und Versfuss, z. B. Z. 47 fgg. Sin
- nanie u. s. w. Hartmann hat nicht als der erste, auch nicht
- der einzige diese Eigenheit, sondern zunsechst vor ihm schon
- Ulrich von Zazikoven in seinem Lanzelet und auch das schon
- Heinrich von Veldeke: aber bei keinem sonst ist es mit so
- beharrlicher Strenge, mit so deutlichem Bewusstsein, mit so
- leichter Gewandtheit durchgeführt als bei Hartmann. Er
- — 39 —
- denn zumal ist für Konrad das Muster des gleichen Verfah-
- rens gewesen. Es bricht dessen metrische Eintoenigkeit in
- etwas: um wie viel mehr muss dieses neue Mittel der Be-
- wegung und des Wechsels der hartmannischen Rede zu gute
- kommen, der sonst schon eine solche Fülle des Lebens und
- wohlgegliederter Mannigfaltigkeit inne wohnt?
- DER ARME HEINRICH
- HKEEN HAKTMANN8 VOK AUE.
- r>^
- DIZ IST VON DEM ARMEN HEINRICHE.
- Ein ritter s6 geleret was,
- daz er an den buochen las,
- swaz er Aar an geschriben vant:
- der was Hartman genant;
- 5 dienstman was er ze Ouwe.
- er nam im mange schouwe
- an mislichen buochen:
- 1. L&nz, 11S2 nter : sturmgiter,
- "Wolfr. u. a. riter ohne Reim.
- Hartm. Greg. 1331 ritter : bitter,
- [s. Benecke und Lachmann zu Iw.
- 42; Haupt z. Er. 8793].
- geleret wohl auch in dem adj. abge-
- schlossenem Sinne von gelehrt: Kehr.
- 7584 um ein toiser arzat kom; der
- was gelert uil wol. Herbort 18451
- ein gelarter schulere. ßuol. 260, 4
- di biscofe voölten zesamene Tcomen
- unt ander gelerten (= Geistliche,
- Walth. S. XVI). Als Particip =
- unterrichtet: Wig. 276, 12 die (Ele-
- fanten) künden entwichen unde
- 8ten, mit strite gegen den tinden
- gen: sus wären si geleret,
- Krone 224 wan er so geleret
- was, daz er die spräche künde.
- Das nsßchste Merkmal, dass je-
- mand Unterricht empfangen, war
- die Kunst des Lesens [„geleret
- hiess wer lesen konnte** Benecke
- z. Iw. 21]: Ruol. 77, 7 selbe er
- den brief las, wände er wole
- geleret was. [der wol gelerte
- Tristant an den brieten selber
- las Heinr. v. Fr. Trist. 1408].
- Wolfr. Wilh. 2, 21 swaz an den
- buochen stet geschriben, des bin
- ich künstelös bdiben: niht an-
- ders ich geleret bin, wan, hän
- ich kunst, die gxt mir sin, Greg.
- 868 also der gelerte man an stner
- tavele gelas. j. Tit. 1834 Ein
- schriber wol geleret, Berth. 404,
- 21 fg. Da hat er uns rehte mit
- geflorierten buochstaben an daz
- antlitze geschriben, — Daz ver-
- stet ir gelerten Hute wol, aber
- die ungelerten mügent sin niht
- versten. Diu zwei ougen daz
- sint zwei o. Ein H daz ist
- niht ein rehter buochstabe u,
- s. w.
- 2. lesen an wie ^ ,schr%ben an,
- 8 suochen an,
- 6. schouwe act. Blick, Anblick;
- pass. Aussehen, Gestalt.
- 7. Goth. misso wechselseitig,
- ahd. missi variu^ ; missi - missen :
- miden^ mutare. Adj. misselich,
- mislich verschiedenartig, verschie-
- den, mannigfach. Nicht allen gleich
- geläufig, H. sehr: im A. H. [167.
- 992. 1473].
- 44 —
- dar an begunde er suochen,
- ob er iht des fände,
- 10 da mite er swaere stunde
- möhte senfter machen,
- und von s6 gewanten Sachen,
- daz gotes eren töhte
- und da mite er siqjü möhte
- 15 gelieben den liuten.
- nü beginnet er iu diuten
- 8. hegunde nur umschreibend,
- wie es oft gebraucht wird, auch von
- Hartmann; im A. fl. [251. 482.
- 859. 884. 999. 1208. 1219. 1258.
- 1451]. Die Thffitigkeit ist mehr
- in Leben und Bewegung gesetzt,
- wenn nicht einfach nur deren Aus-
- übung, Sondern Anfang und Fort-
- schritt bezeichnet wird.
- 9. Die Consonantenverbindungen
- nd, ng, nJc verhindern den Um-
- laut des u zu ü; die Verba dieser
- Classe, auf deren Stammvocal mm,
- nn, oder m und n mit einem an-
- deren Consonanten folgt, haben da-
- her nur die Vocale i, a, u [vgl.
- Weinhold, mhd. Gr. 333].
- Dieser und die folgenden Verse
- sind nachgeahmt imWig. 8, 27 min
- Jcunst diu was verborgen ie. die wolt
- ich nu offen hie, ob ich mit mineni
- munde möchte sware stunde
- den liuten senfte machen,
- und von solchen Sachen, daz
- guot ze hcerene totere. Auch in Ge-
- danken und Worten hier anklingend
- Heinr. v. d. Thürlein, Krone 227.
- 11. senfte das Gegen theil von
- swcere, leicht , angenehm ; adv.
- sanfte, Zeitwort senften A. H.
- [637. 1036].
- 12. von =: Gen. Z. 9.
- gewant beschaffen: sus g. 410,
- also g. 1268.
- 13. daz und 14 da mite geht
- auf iht von so gew. s. : dass es,
- dass damit; vgl. 202. 411. 443.
- 498. zu 741. — touc (noch im
- 17. Jh. taug) tugen (tügen)
- tohte : Pr. aus Impf. Grund-
- bedeutung ist wohl: von Statten
- gehn. Hier entweder nützen, die-
- nen, wie 551. 889 oder ziemen,
- angemessen sein, wie 1020. Der-
- selbe Zweifel auch 330. Hier
- jedoch eher das letztere; bei der
- ersteren Bedeutung steht die Person
- im Dativ, Sache mit ze: Lanzelet
- 4166 swaz ze den eren tohte,
- des was diu burc beraten.
- 15. lieben lieb machen: 347.
- möhte gelieben.
- 16. Goth. thiuth (dienlich) gut :
- diuten, tiuten verständlich ma-
- chen, ausdeuten, übersetzen; Aus-
- druck wofür sein, bedeuten; kund
- thun, erzsehlen; zeigen, deuten.
- Hier die .erste oder dritte Bedeu-
- tung. Die Quelle war lateinisch,
- deshalb ist auch eine Beziehung
- auf diutisch vorhanden : ver-
- deutschen.
- 45 —
- ein rede, die er geschriben vant.
- dar umbe hat er sich genant,
- daz er siner arbeit,
- 20 die er dar an hat geleit,
- iht äne lön belibe,
- und swer nach sinem libe
- si hoere sagen oder läse,
- daz er im bitende wese
- 25 der sele heiles hin ze gote.
- 21. Die Strassburger Handschrift Niht, die Heidelberger und die
- von Kölocza Ane Ion iht.
- 17. rede Erzaehlung oder Lehre
- in Reimprosa oder Reimpaaren.
- Etwas unlogisch, denn eigentlich
- meint er wohl nicht seine Quelle
- als Eeimprosa, noch weniger, wenn
- diuten s. y. a. erzählen ist, den
- Stoff und Gegenstand seiner Er-
- zählung, sondern sein eigenes Ge-
- dicht, zu dem er den Stoff oder
- die Quelle erst gestalten will; ge-
- nauer also: in einer Rede, was
- er geschrieben fand.
- 19. arbeit Bemühung, Arbeit;
- gewoehnlich Mühsal, Noth. Der
- Genitiv gebeert zu Ion 21.
- 20. müssig, wie 419 din triuwe,
- die du hast; 738 iuwer rivwe,
- die ir da hdbent umbe mich u. Ö.
- arbeit legen an : Greg. 3818 Hart-
- man, der sin arbeit an ditz getihte
- hat geleit Ja Büchl. 2, 801 ich
- lege und hän an ^ (die Geliebte)
- geleit zwäre michel arbeit an libe
- unde an muote,
- 21. daz 'iht udgl. einem ne,
- seltener einem ut non entsprechend.
- Meist und zuerst im finalen, nicüt
- in consecutivem Sinne; Ellipse von:
- zu verhindern, dass. Diese Ellipse
- niclit mehr so für daz Z. 24.
- 22. lip mit leben zu belihen : die
- Existenz,das Existierende ; vgl.unser
- Leib und Leben, entleiben, nach
- s. l, wie nach sime lebne. Nib.7,3.
- [ Wernher v. Elmd, 49 an ein blat
- gescribe daz man sin gedenke nach
- sime libe].
- 23. sagen, Gegensatz singen;
- hoeren sagen, lesen hceren Gegen-
- satz zu selbst lesen, Greg. 3823
- die ez hcerent ode lesent, W. Gast
- 1080 hoern und lesen.
- 24k. besser bittende: Greg. 3824
- daz ir bittende wesent. Häufige,
- besonders H. beliebte Aufloesung.
- [z. B. Iw. 4172 als ich des beitende
- bin; 4906 diu mir ze herzen gende
- sint], Sie dient zur Verstärkung
- des besonderen Begriffes; der all-
- gemeine Zeitbegriff und die Flexion
- wird durch das Hilfswort aus-
- gedrückt.
- Nhd. ist von wcsen gebildet: We-
- sen, ab- anwesend, gewesen, war.
- 25. Gen. caus. und Dat. comm.:
- Iw. 6008 do begunde ouch er ir
- 46 —
- man seit, er si sin selbes böte
- unde erloese sich da mite,
- swer über des andern schulde bite.
- heiles hiten. — hin zei Worte
- zu Gott gesendet, die Hand aus-
- gestreckt.
- 26. sui ipsius wie 248 sin sel-
- bes muot 1070 von ir selber herzen.
- Noch Hebr. 9, 7 Blut, das er
- opferte für sein selbst und des
- Volks Unwissenheit. [Sein eigener
- Bote sein zrz in seinem eigenen In-
- teresse handeln ; s. Dr. K. Schmuhi,
- Beitrag zur Würdigung d. Stiles
- Hartmanns v- Aue, Programm der
- Lateinischen Schule in Halle a. S.
- 1881, S. 16.]
- 28. über Ausstreckung der be-
- tenden und segnenden Hand, biten
- über (bitten für) MS. 2, 157 a.
- Er sol biten über mich, Rud. v.
- E. Bari. 370, 36—39. Er sprach
- ze gote sin gebet über des niuwen
- küneges leben, daz im got heil
- geruochte geben, dar nach bat er
- über al die schar. Sonst für und
- umbe. So auch in den anderen
- Stellen , wo eben dieser Spruch
- vorkommt: Hartm. selbst Greg.
- 3401 wir haben daz von sime
- (Gottes) geböte, swer umbe den
- anderen bite, da Ices er sidi sel-
- ben mite; Freid. 39, 18 'merket,
- swer vür den andern bit^, sich
- selben Iceset er da mite. Auch Hugo
- V. Trimb. Renner 25 doch toil ich
- ein büechelin, daz si da bi geden-
- ken min, minen guoten friunden
- tihten und mit rimen also berihten,
- swelche ez lesen oder hceren
- lesen, die suln miner sele wesen
- gencedic: wan geschriben stät,
- swer für des andern schulde bite,
- stw selbes sele Ices er da mite. —
- So ist der Eingang des Renner an-
- klingend an den des A. H. ; so
- auch der Schluss von Ulr. v. Turh.
- Wilh. Hie hat daz buoch ein ende,
- daz ich ze boten sende an si die
- ez hceren lesen, daz sie mir bittende
- wesen der sele heiles hin ze gote,
- so mir kom des todes böte; und
- das Vater Unser von Heinr. von
- Krolewitz 4002 ff: der dise rede
- hat geticht unde in diuschen bericht,
- der ist Heinrich genant von Krole-
- wiz uz Missenland, unde durch
- daz muoz er sich hie nennen, daz
- ist billich, daz man gedenke stn da
- la, swer dise rede lesende si,
- unde daz er im heiles wünsche
- unde ouh des teiles, swes wir in
- den Worten gern, daz in got ruche
- des gewern unde daz er muze teil-
- haft loerde aller dirre worte kraft
- unde daz er ir dort vinde Ion unde
- daz im iuwer bete don muze gar
- zuo heile komen.
- Ganz richtig der Ion Z. 21 ver-
- standen: und 22 ist erklärend.
- Hartmann selbst — er liebt Wie-
- derholungen — hat einen sehnlichen
- Eingang im Iw. und aßhnlich ist
- der Schluss im Greg. Vielleicht
- stand dergleichen auch im ErecV
- der Anfang ist verloren. Iw. 21 ff:
- ein riter, der g eieret was unde ez
- an den buochen las, swenner stne
- stunde niht baz beteenden künde.
- — 47 —
- Er las diz selbe msere,
- 30 wie ein herre wsere
- ze Swäben gesezzen;
- an dem enwas vergezzen
- deheiner der * tugent,
- die ein ritter in siner jugent
- 35 ze vollem lobe haben sol.
- 30. Die Handschriften Wie daz : gebessert von Lachmann.
- 33. Strassh. ES, Dekeine, HeideTb. t*. Kol, Aller : Lachmann in der
- Auswahl Dekeiniu der tagende — jagende, bei JSaupt deheine wis der
- tugent
- daz er ouch tihtennes pftac (daz
- man gerne hceren mac, da kert er
- sinen vliz an ; er was genant Hart-
- man und was ein Ouwisre), der
- Uhte ditz mtsre. Hartmann denkt
- an Leser in ferner Zukunft. —
- Schluss des Greg.: H, der s«w ar-
- beit an ditz getihte hat geleit got
- und iu ze minnen, der gert daran
- getüinnen ze lone von iu allen daz
- ir iu lät gevallen, die ez hoerent
- öde lesent , daz ir bittende
- wesent, daz im diu scelde ge-
- schehe daz er iu^h noch gesehe in
- dem himeliiche. des sendet alle ge-
- Itche disen guoten sündare (Greg.)
- ze boten umb unser sware, daz
- wir in disem eilende ein sceligez
- ende nemen, als si da namen, des
- gestiure uns got, amen. Der Un-
- terschied hesteht darin, dass im Iw.
- einfache Nennung, im Greg, und
- A. H. eine zum Inhalt passende
- Begründung steht: Fürbitte, dass
- man wisse für wen. In diese Ge-
- sinnung sind auch die angeführten
- Nachahmer eingetreten. Vgl. den
- Schluss von Cynewulfs Juliana Z.
- 718 fgg.
- 29. diz, ditze; diz : didaz. der
- selbe dieser; daz selbe 393. disiu
- selbe 166. dirre selbe 367.
- 31. in Suevis. Nib. 325, 1 ez was
- ein küniginne gesezzen über se.
- 32 fgg. Anklänge an die Selbst-
- schilderang Hiobs Cp. 29, 31.
- 33. dehein mit pron. dem. der.
- Iw. 375 und jach daz im nie mere
- dehein der gast wäre komen, von
- dem er hcete vernomen daz er även-
- tiure suochte. 3728 sine rou dehein
- daz guotj daz si an in hete geleit.
- 4273 ichn hörte da ze hove sagen
- von iu dehein daz mtsre, daz iuwer
- iht wcere. Trist. 433, 28 niht durch
- deheinen den bejac. MSF. 152, 17
- sol mich diu werlt also vergän daz
- ich deheinen den gewalt an minem
- lieben friunde hän. Vgl. Nib. 131, 3.
- ein (2«^ frouwe, die er noch nie ge-
- sach, *Eracl. 1448 welch der tieveh
- [Trist 258 (s. zu V. 38) an ime
- brast aller tugende niht, der herre
- haben solde zeigt, dass die Heidelb. u.
- Kol. Hs. das ursprüngliche überlie-
- fern : an dem was niht vergezzen aller
- der tugende, der (ein) riter in sinei-
- jugende ze ganzem lobe haben sol.]
- 48 —
- man sprach dö niemen also wol
- in allen den landen,
- er bete ze sinen banden
- geburt und dar zuo ricbeit;
- 40 oucb was sin tugent vil breit,
- swie ganz sin babe waere,
- sin burt unwandelbsere
- und wol den fürsten gelicb,
- docb was er unnäcb also rieb
- 36. wol, haz spr, mit Dat. Lan-
- zelet und bei Uartmann: Lieder
- 5, 1 [MSF. 206, 20] swes vröide an
- Quoten wiben stät, der sol in spre-
- chen wol und wesen undertän u. a.
- auch^wo*: Lieder 7, 16 [MSF. 208,
- 4] ich spriche ir niuwan guot u. a.
- 38 fgg. Nachgeahmt von Gottfr.
- Trist. 247 fgg.
- 39. geburt 45. 717; hurt 42.
- Iw. 2089; — Erec 3810 ich hän
- geburt noch daz guot, 9600 du^rch
- daz in lebende was begraben mm
- jugent unde min geburt. Iw. 1926
- nü habent ir schcsne unde jugent,
- geburt, richeit unde tugent xx.bl,
- üngeburt A. H. 721. ungeborn
- Greg. 2405. 2657.
- 40. Erec 8543 des ist sin ere
- vil breit wnd ze ganzem lobe er-
- Tcant über elliu disiu lant, Engelh.
- 820 wie was so breit ir schcene,
- ir adel und ir tugent. Kehr. 8074
- daz wurden breitiu mcere, Iw, 2904
- daz sich iuwer ere breite unde
- niere. Parz. 123, 18 des wart sin
- lob von wiben wit,
- 41. ganz vollständig, vollkom-
- men: 63. 768. 788. 837.
- 42. ica'ndel Rückgang, Tausch ;
- Fehler, Boeses: wandelbare boese.
- tadelhaft. Iw. 199 in der werlde
- ist manec man valsch und wandeU
- beere, der gerne biderbe wcere, wan
- daz in sin herze enlät, unwandel-
- beere untadlich, gut: 1172. Iw. 3252
- swie manhaft er doch wcere und
- swie unwanddbcere an libe unde
- an sinne,
- 43. fürsten die zunaechst dem
- Koenige stehen, denen die Wahl
- desselben zukommt: Herzoge, Land-
- und Markgrafen. Dem Adel der
- Fürsten gleich: Erec 288 sin b(srde
- was vil herlich, einem edeln manne
- glich, 1320 ir gebaerde was, vü
- bliuclich, einer mägde gelich, Greg.
- 2756 sieht und unzefüeret ist din
- här und din lieh eime gemasten
- fräze glich, geliehen Erec 2815 daz
- man begunde geliehen sine^uoistuom
- Sälomöne, — Eine Nachahmung der
- StelleWigal. 137, 13. an siner geburt
- tcas er groz, vil wol der fürsten
- genöz, Meier. 3247 fgg. er ist von
- geburte groz, wol aller künige genöz,
- 44. nach beinahe 1203; unnäch
- hebt die Annseherung an die Ueber-
- einstimmung auf, kaum =: nicht.
- Parz. 224, 27 sin reise unnäch
- was so groz des tages, do er Ithe-
- ren schöz.
- — 49 —
- 45 der geburt und des guotes
- 86 der eren und des muotes.
- Sin name was gar erkennelich:
- er hiez der herre Heinrich
- und was von Ouwe geborn.
- 50 sin herze häte versworn
- valsch und alle törperheit,
- und behielt ouch vaste den eit
- 46. mtiot Kraft des Denkens,
- Empfindens, Wollens. Im Znsam-
- menhang hier ist es diejenige Ge-
- sinnung, die dem blossen Besitze
- Yon Adel und Beichthnm entge-
- gengesetzt und zum Ehrenerwerb
- behilflich ist. Gegensatz dazn guot
- Iw. 2905 irte iuch etswenne dez
- guot michel ha/iiier danne der muot,
- n4 mugt ir mit dem guote volzie-
- hen dem muote; lip Iw. 5472 wie
- selten ich daz toip, beide ir muot
- und ir Itp, immer geprise; wort
- Iw. 3125 siniu wort diu sint
- guot: von den scheidet sich der
- muot; werc Iw. 1505 daz er an
- ctMen dingen wü volbringen mit
- den werken ^nen muot; gebärde
- Iw. 4387 do nam er ir beider war,
- ir gebcerde und ir muotes n. a.
- 47. Wig. 31, 8 &r het erworben,
- daz sin nam von siner tugende
- was erJsant; vgl. 137, 10 ir namen
- man erkande in dem lande verre.
- Aber erkennelich (Wolfr. Wilh.
- 48, 9) sonst erkennecltch s. v. a.
- erkennbar; adv, erkenneclichen act.
- erkennend: Farz. 258, 2 do Par-
- zival gruoz gein ir sprach, an in
- si erkenneclichen sach : er was der
- schcenste übr.elliu lant; da von si
- in schiere het erkant. Daher besser
- wohl erkanüich, das öfter im
- Sinne von erkannt steht: W. Tit.
- 104, 4 erkantliu mare ; BarL 162, 2
- daa erkantltche gewant. [Der Vers
- hier mnss nach B lanten : ^n name
- der was erkennelich s. Haapt z.
- Er. 5500.]
- 51. valsch Unredlichkeit, Tren-
- losigkeit. Betrag.
- törper {dörper — p nd., t assim.)
- Bauer, bänerisch roher Mensch,
- törpel Tölpel: vilain im Gegen-
- satz zu cou>rtois, hövisch, törper^
- heit der Gegensatz von hövesch^
- heit: bäaerisches Wesen, rohes
- Benehmen, sittliche Rohheit: Iw.
- 7121 heten si do gevohten ze rosse
- mitten swerten, des st niene gerten,
- daz wcere der armen rosse tot : von
- diu was in beiden not, daz si die
- dörperheit vermiten und daz si ze
- vuoze striten.
- 52. Welchen Blick wirft das
- auf die Sittlichkeit des Adels!
- (Ans Ps. 14, 4. vgl. Mos. m. 19, 12.)
- vaste adv. zu veste, vgl. harte,
- ange, sanfte, swäre, dräte, späte,
- schöne, suoze; spat, fast, schon,
- fest : 1207 ; Iw. 3470 st hafte zei-
- nem aste diu pfert beidiu vaste;
- Greg. 2884 do slief er also vaste.
- behalten unversehrt erhalten.
- 4
- 50 —
- statte unz an sin ende.
- äu alle missewende
- 55 stuont sin %re und sin leben.
- im was der rehte wünsch gegeben
- ze werltlichen eren;
- die künde er wol gemeren
- mit aller hande reiner tugent.
- 60 er was ein bluome der jugent,
- der werlte fröude ein Spiegelglas,
- stseter triuwe ein adamas,
- 53. sUßte, nicht State : adv. Acc,
- wie unser stcets adv. Gen.
- .54. missewende Wendung ins
- B(Bse: Unthat, Unglück, Tadel. Hier
- 1 oder 3 ; auch sonst äne m. häufig.
- daz an missewende allez dtn
- (Gottes) werc stdt Erec 5797 Wig.
- 36, 23 nu gab im got in ^ner jugent
- Schemen lip und ganze tugent : die
- behielt er an ^n ende, äne misse-
- wende lebt er in siner kintheit.
- 56. wünsch das Vermcegen et-
- was ausserordentliches zu schaffen,
- auch personif. (Odhin Oski) [s.
- J. Grimm Myth. I, 114—118,
- Nachtr. III, 50 — 55.]; kraft dieses
- Vermoegens ausgesprochenes Begeh-
- ren (nhd. abgeschwächt); Inbegriff
- des Schoensten, Besten, Vollkom-
- mensten, Ideal : Konrad Alexius
- 142 im hcete got den wünsch ge-
- geben ue erweiter dinge; wünsch"
- leben 393. Iw. 44. Büchl. 2, 79.
- [vjunschwint Greg. 615 wunsch-
- spil Er. 8530. — Ueber Wunsch
- und tounsch bei Hartmann aus-
- fdhrUch Schmuhl a. a. 0. 25 f.]
- 59. reine rein ; vollkommen, gut,
- schoen: 296. 938.
- 58—60. G. Frau 1474 der mute
- uz erkorne was ein zil der eren:
- die künde er wol gemeren mit dller
- hande tugende. er was ein bluome
- der jugende.
- Nun eine Keihe von Metaphern.
- 60. 656 ein bluome in dime
- künne, Pilatus 115 (Ma/ria) aller
- wibe bluome; Walth. 35, 9 [35, 15]
- d&r DUrnge bluome schinet dur
- den sne; Parz. 122, 13 aller manne
- schoene ein bluomen kränz.
- 60—61. Konr. Engelh. 5303
- Dieterich — über dl dn künne
- ein Spiegel unde ein bluome schein.
- 5731. du bist der schcenheit ie ge-
- sin ein Spiegel unde ein bluo-
- me; Alex. 138 er wart ein spiegel
- richer tugent und aller erenblu>ome.
- Reinm. der Alte MS. 1, 182 a
- der Spiegel miner froiden ist
- verlorn [= MSF. 168, 12 ndner
- tounnen spiegel derst verlorn.]'^
- Helbl. 10, 4 der engel spiegel schouwe
- bistü erweltiu küniginne. [der
- werlte fröude ein sp. = „ein
- leuchtendes Abbild dessen, was die
- Welt an Freuden bieten kann**
- Schmuhl a. a. 0. 19.]
- 62. Härte des Diamants hervor-
- gehoben Er. 8427 J^rec im antwur-
- — 51 —
- ein ganziu kröne der zuht.
- er was der nöthaften fluht,
- 65 ein schilt siner mäge,
- der milte ein glichiu wäge: ,
- ime enwart über noch gebrast,
- er truoc den arbeitsamen last
- 68. Besserung Lachmanns : Heidelb, u. Koh die arbeit als ein last,
- Strassb, der ersamen last
- ten began als ein unverzagter man
- des herze doch vü steete toas und
- vester danne der adamas ; von dem
- man solhe kraft seit, und wurde
- der adamas geleit zwischen zwein
- bergen stähelin (wie möhte dez
- wunder grcezer sin?), die zemüele
- er kleine, e man ez dem steine
- iender möhte erkiesen an. dannoch
- hete dirre man ze kekhdt stceteren
- muot ; da von daz einer slähte bluot
- disen stein geweichen mac (Bocks-
- blnt): so künde ouch 6m des tödes slac
- niht »inen muot betmngen noch üf
- zageheit bringen. Als Bild der
- Beständigkeit : Iw. 3257 der tu ein
- rechter adamas ritterlicher tugende
- was; MSF. 144, 27 ganzer tugende
- ein adamas S. ülr. 249 der wären
- mmne ein adamas. Der adam
- macht den, der ihn trsegt, getreu:
- M. Altswert, Kittel S. 43 ig. Die
- adamast hant craft und art. Wer
- uf erden nie getrüw wart, Der
- sie hat der mtioz getruw sin —
- Ach richer got, durch dl din gut
- Gib der lieben stet fest gemüt. —
- Er ist aber auch das Sinnbild der
- Hartnäckigkeit: Sacharja 7, 12.
- 63. Alle an Wohlgezogenheit
- überragend und überstralend : Wig.
- 144, 34 er was ein kröne unde
- ein dach rehter riterschefte; MS.
- 2, 394^ wip sint der tugende
- ein kröne) guoter dinge ein über-
- dach.
- 64. Diut. 2, 291 (Maria) du da
- bist ein fluht aller, die sich fer-
- wurchet hant.
- 65. Beaflor 105, 37 mit diner
- güete du mir bist ein schilt vitr
- dl der vinde nit.
- 66. Das Geld wurde gewogen:
- Helbl. 7, 344 (Kriegszug der Müde)
- ir banier wiz, dar inne gemalt ein
- wäge , dar uf rötez golt gewegen,
- daz iz ab riset. Aber Hartmann
- meint hier ein Gleichmass der Er-
- wägung zwischen Geben und Be-
- halten, so dass ihm nichts blieb,
- wo zu geben, nichts mangelte, wo
- zu haben geziemte.
- 67. überwerden, gebresten un-
- persoenl. mit Dat. und Gen.: Iw.
- 6880 in was diu kampfzit also
- na, daz in der tage zuo ir vart
- enweder gebrast noch über wart,
- und kömen ze rehten ziten. —
- Vgl. Walth. 50, 13 fg. [104, 33 ff.]
- 68. last nicht die Fülle wie
- Wig. 211, 40 ir kiusche truoc der
- eren last; Gottfr. Lobges. 54, 8
- du swebest oben ob aller eren bürde;
- £w. 2636 ez hete der schänden
- — 52 —
- der eren über rücke.
- 70 er was des rätös brücke
- und sanc vil wol von minnen.
- . alsus kund er gewinnen
- der werlte lop unde pris.
- er was hübesch und dar zuo wis.
- last sxnen ruke überladen. Arbeit-
- sam (mit Anstrengung nnd Mühe
- verbunden) : Erec 2746 üf ere leit
- er arbeit.
- Tragen zum Tragen * auf sich
- nehmen.
- 69. mher mit Acc. : über rucke
- tragen sich aufladen, auf sich neh-
- men, eigentlich wie bildlich: Wig.
- 189, 16 ein schilt er ze schirmen
- truoc, da hiet ein man an genuoc
- ze tragen über sinem rüke; Gudr.
- 627, 2 daz er über rücke truoc den
- grözen last, wier sich gerieche an
- Hetelen der leide [vgl. Martins
- Anm.]; Helbl. 6, 133 des treit er
- über rucke die burcgräfschaft ze
- Brücke u. a.
- 70. HimmL Jerus. Diemer, deut-
- sche Ged. d. XI. u. XII. Jahrh.
- 368, 12 di (Märtyrer) sint unser
- berucge: si sulen unsich laiten
- üz tifen arbaiten ze der himelisgen
- Jerusalem, Abr. a. S. Ol. Jud. 4, 285
- Das Wort Pontifex hat doch den
- Namen a ponte, von der Brücke;
- welche ein eigentliches Sinnbild
- eines Moemischen Päbstes, massen
- dieser auch wie eine Brücke durch
- Jedermann zu dienen sich selbst
- verzehren thut, [„er wusste mit
- seinem Rathe über Schwierigkeiten
- hinwegzuhelfen" Bech.]
- [71. Vgl. LG, § 43, 28. 25.]
- 73. werlt; der werlt nicht aber
- Gottes lop und pris wie 81 und
- Erec 9946 gepriset und geeret;
- Iw. 3751 si begunden an in keren
- den lop unde den pris, er wäre
- biderbe hövesch unde wis:
- 74. hövisch, hübisch Gegensatz
- zu törperlichj wie cotirtois und
- vilain, hövisch unde ujts Aeusseres
- und Inneres : Lanz. 27 der (L.) was
- hübsch unde uns, H. häufig : Iw.
- 3356 wart er ie Mvesch unde ujis,
- wart er ie edel unde rieh, dem ist
- er nü vil ungelich.
- Diese Charakterschilderung Hein-
- richs ist vor Augen gestanden
- dem Dichter der Rabenschlacht:
- 911 Diner Hute und diner mäge
- war du ein meien tac, der
- milt ein glichiu wäge;
- 912 Du w(Br der tugent leige
- schilt alle zit [Martin liest im
- DH: der tutende heie sieht alle
- zit] (Dietrichs Klage um Diether);
- Dietrichs Flucht 2333 (Hug-
- dietrich) er minte tugent unde
- zuht, er was der nöthaften
- fluht, der milte ein glichiu
- wäge, ein tröst aller siner
- mäge; im enwart über noch
- gebrast; er was der rehten
- triuwe ein ast, der zuht ein rehter
- adamant; 9990 der milte ein
- gelichiu wäge.
- — OS-
- TS
- 75 D6 der herre Heinrich
- also geniete sich
- 6ren unde guotes
- und froeliches muotes
- [unde im werde lebete
- ^ unde er suoze swebete]
- und [=in] werltlicher wünne
- 80 und [er] was über al sin künne
- gepriset unde geßret:
- sin höchmuot wart verkeret
- in ein leben gar geneiget.
- an ime wart erzeiget
- 85 als euch an Äbsalöne,
- 80. und] die HSS, Er. — Strassb. fiir alles ; Heidelb, w. KoL über
- aUez 82. Besserung Haupts: Strassb. hoher muot; Heidelb, u.
- Kol. daz wart im schire verkeret
- 76. nieten, genieten reflexiv mit
- dem Gen. (not): eifrig wozu oder
- worin sein, sich befleissen, üben; in
- Fülle gemessen, sich freuen, (nied-
- lich); satt werden und aufgeben.
- Hier erste und zweite Bedeutung.
- 77. ere unde guot 363. 398.
- 403. 495. 1431. Erec 9395. Walth.
- 8, 17 fgg. [8, 14 ff.]
- 78. Dahinter in der Heidelber-
- ger nnd Koloczaer Hs. noch Und
- in der werde (K. werlde) lebete
- in dirre suze swebete 79. in werlt-
- licher tounne. Und dergleichen
- scheint bereits Eonrad von Würz-
- burg vorgefunden zu haben: En-
- gelh. 5298 mit disen dingen unde
- dlsd Dieterich dö lebete, der e vü
- schone swebete in werltlicher wünne
- und über dl sin künne ein Spie-
- gel unde ein bluome schein. Bei
- Hartmann etwa unde im werde
- l^ete (Walth. 14, 38 [bei Wack.
- u. ß. 81, 10] allererst leb ich mir
- werde) unde er suoze (in dirre
- süeze?) swebete (oder lebte, swebte:
- Lachm. z. Iw. 617) in werltlicher
- wünne und er —
- 80. für: z. B. Iw. 6053 daz
- also gar ze prise stät vur mangen
- ritter iuwer lip; Greg. 1812 da
- von er da wart ze schalle und ze
- prise für si alle; Heidelberger und
- Koloczaer Hs. haben über und das
- ist vorzuziehen, da auch Konrad a.
- a. 0. 5302 hat über al ^n künne,
- 82. Hiob Cp. 19. höchmuot:
- Erec 1230 daz unrehter höchmuot
- dem manne lihte schaden tuot;
- zzi hoher muot A. H. 718 (Hoch-
- muth 404). verkeren, verwandeln.
- 83. Wig. 257, 23 din höchvart mrt
- geneiget und din gewagt verkeret,
- 85. alse ouch 128. 542; Erec
- 9221 daz er gesach und sich ver-
- san und gehörte alsam ouch e.
- 54 —
- daz diu üppige kröne
- werltlicher süeze
- vellet under füeze
- ab ir besten werdekeit,
- 90 als uns diu schrift hat geseit.
- ez spricht an einer stat da
- „media vita
- in morte sumus":
- daz bediutet sich alsus,
- 95 daz wir in dem töde sweben,
- s6 wir aller beste wsenen leben.
- 88. ^Besserung Haupts: Strassb. Veliet nider vnder die f., Heidelb,
- u. Köl. gezuckete (86 der die) nnder die f.
- 86. Hieb 19, 9 Er hat meine
- Ehre mir ausgezogen und die
- Krone von meinem Haupt ge-
- nommen; Krone vom Haupt ge-
- fallen Jer. 13, 18. Klagel. 5, 16;
- Jes. 28, 1. 3 (prächtige Krone mit
- Füssen zertreten). — üppic (ob,
- über) überflüssig, nnnütz, eitel;
- übermüthig.
- 88. under füeze wie 702; Iw.
- 1578 81 (Minne) ist mit ir süeze
- ml dicke under vüeze der Schanden
- gevallen ; under füezen ligen Nib.
- 1948, 1; R. V. Zw. MS. II,
- 188» e daz er dich werfe under
- eren vueze. — Vgl. zu Füssen
- fallen, mit Füssen treten.
- 89. werdekeit auch 117; gew.
- wirdikeit; Ehre, "Würde, Herr-
- lichkeit.
- 90. Schrift, geschrift bedeutet
- die heilige Schrift; aber die Verse
- stammen aus einem Liede von
- Notker Balbulus (f 912), das er
- dichtete, als er auf der Martins-
- brücke einen Menschen sterben sah;
- Antiphone: Media vita in morte
- sumus : quem quoerimus adjutorem,
- nisi te, domine? qui pro peccatis
- nostris juste irasceris, Sancte devs,
- sancte fortis, sancte et misericors
- salvator, Amarce morti ne tradas
- nos. (Deutsch von Luther LB.
- 2, 44 [vgl. Hoffmann v. Fallers-
- ieben, Gesch. d. deutschen Kirchen-
- liedes, S. 324.]) Oefter wird so die
- hl. Schrift citirt, indem man nur
- meinte, es stehe so in derselben:
- vgl. Grieshaber Pred. XXII. [Lach-
- mann Iw. S. 516.]
- 91. sprichet s. Lachm. z. Iw.
- 192. Haupt schreibt nach der
- Strassburger Hds. stete : aber über-
- all lautet bei Hartmann in be-
- weisenden Keimen der Dat. stat,
- 94. Iw. 3678 daz man niht be-
- halten sol, daz verliuset sich
- wol.
- 95. sweben in der Luft (149),
- auf dem Wasser, vom Wasser selbst
- (wie fliezen)] bildlich Lanz. 5636
- ir herze in riuioe swebete ; Stricker
- 55 —
- jrsÄi--
- Dirre werlte veste,
- ir stsete, unde ir beste
- unde ir grceste magenkraft,
- 100 diu stät äne meisterschaft.
- des muge wir an der kerzen seB^n
- ein wärez bilde geschehen,
- daz si zeiner eschen wirt,
- enmitten d6 si lieht birt.
- 105 wir sin von brceden Sachen,
- nü sehent, wie unser lachen
- mit weinen erlischet.
- unser süeze ist vermischet
- mit bitterre gallen.
- 110 unser bluome der muoz vallen,
- I c,.
- \\(^ 1
- in Docens Miscellaneen 2, 219 ich
- und die mit svnden leben und in
- des tödes vnden sweben,
- 99. Lanz. 1 12 ein mähtec magen ;
- Iw. 1600 ir meinlich ungemach,
- ir starkez ungemüete, Tautologi-
- sche Zosammensetzang. LB. 341, 21
- also chom dir diu magenchraft,
- daz du tourde berehaft; ahd. für
- waiestas; in Heinr. Kr. öfters.
- 100. meister stärker als — nnd da-
- dnrch Herr : meisterschaft Ueberwäl-
- tignng, Bemeisterung, Herrschaft;
- Kraft nnd Gewalt sich za behaupten.
- 101. Krone 7046 Nu seht, me
- ein herze tuot, diu aller gähes
- erlischet : also wart gemischet in
- ir vröuden herzensere, Wins-
- becke 3 Sun, merke, me das ker-
- zen lieht, die wUe ez brinnet,
- svoi/ndet gar. geloube daz dir sam
- geschiht von tage ze tage.
- 103. esche wie weschen, flesche,
- tesche.
- 104. enmittetnen zeitlich in-
- zwischen, wsehrend dessen, vgl. Erec
- 6893. 8684 [2443 mit Haupts Anm.]
- bern : schate bern [z. B. Walth.
- 93, 12 = 94, 24 L. daz diu linde m^cere
- mir küelen schaten beere] ; lieht bern
- Büchl. 1, 1504 daz er (Karfunkel)
- des vinstern nahtes lieht ber ; Freid.
- 71, 7 diu kerze lieht den Hüten
- birt, unz daz si selbe zaschen wirt.
- 105. brcede 696. 1139. Sache:
- wir sind gebrechlich; Kl. 900 du
- bist von höhen Sachen (hoch) komen
- unz an din ende; Substantivische
- Umschreibung: Lampr. Alexander
- 4239 mit listiclichen Sachen hiez
- der herre machen erine bilede ge-
- scaffen alse helide; Engelh. 5169
- sin Up der wart gesundert vil gar
- von schcenen Sachen (Schönheit).
- 107. ccffßeatog yikmg IL 1, 599.
- Od. 8, 326. 20, 346. Noch im
- Bilde der Kerze.
- 110. Jesaias 28, 1. Wehe —
- der welken Blume, ihrer lieblichen
- Herrlichkeit! — 4 das gleiche Bild.
- - 56 —
- so er aller grüenest wsenet sin.
- an hern Heinriche wart wol schin:
- der in dem hoehsten werde
- lebet üf dirre erde, ^^^'
- 115 derst der versmsehete vor gote.
- er viel von sime geböte
- ab stner besten werdekeit
- in ein versmaehelichez leit:
- in ergreif diu miselsuht.
- 120 dO man die swseren gotes zuht
- gesach an sinem l^be, _^ ^
- mannß..unde wibe \^^
- wart er d6 widerzaeme.
- nü sehent, wie gar genseme
- 114. Besserung Haupts: HSS, lebete, lebte
- 112. scMn ahd. (mhd.) adj.:
- 416 sin unwert tuot er mir schin ;
- Bücbl. 1, 1095 der worte ich
- tuen mit werken schin; 1899 daz
- mir genauen werde schin [hern:
- 8. z. Er. 3259]
- 113. wert Würdigkeit, Herrlich-
- keit, Ansehen: Gute Fran 1594
- swer sich durch mich nideret
- üf der erde, der kumt ze hohem
- werde,
- 116. Iw. 3413 ob er von uns
- wirt gesunt [So nach BE abcd,
- Lachm. liest ober wirdet gesunt],
- Silv. 1415 daz ich mac von dir
- genesen, Wig. 198, 28 nu hat der
- ganze wille sich von dinem töde
- gescheiden zwischen uns beiden,
- 118. versmcehen gering schätzen,
- geringschätzig behandeln; versnuB-
- hdich was Geringschätzung mit sich
- führt, schimpflich.
- 120. zuht Züchtigung, Strafe.
- 123. zemen ziemen und gefallen
- gezmme wohlanständig und wohl-
- gefällig; t(;ie26r;?^me nicht anstehend
- unangemessen: Greg. 3382 mugei
- ir doch minen lip sehen? der ist
- so ungentsme den eren widerzaeme .
- missföllig, widerwärtig A. H. 147^
- Engelhard 5196 dö man in gesacl
- so wandelbeeren an der hut, de
- wart er »inem ißibe trüt und cUleti
- sinen künden gar wider ztßme fun
- den; Wig. 59, 6 swer deheineti
- eit zebrach, swä man den iemer
- me gesach, der was ungename
- den Hüten widerzeeme, cUs der töi
- sieche man, der von der werlt mr\
- getan. [Heinr. v. Freib., hl. Krem
- 131 dz waz got widrzeine vnd gai
- vngenem.]
- 124. genceme mit dem Dativ an
- genehm; abs. schön 311; unge
- name 1477. [gar ist zu streichen:
- s. Haupt z. Er. 5500.]
- 57 —
- 125 er e der werlte wsere,
- und wart nü alse unmsere,
- daz in niemen gerne an sach;
- alse ouch J6be geschach,
- dem edeln und dem riehen,
- 130 der ouch vil jsemerlichen
- dem miste wart ze teile
- mitten in sime heile.
- Und d6 der arme Heinrich
- alrest verstuont sich,
- 135 daz er der werlte widerstuont,
- als alle sine glichen tuont,
- d5 schiet in sin bitter leit
- von Jöbes gedultekeit.
- 126. mcere wovon man viel
- spricht nnd gerne spricht, herühmt,
- herrlich, werth, lieb; unmcsre
- gleichgültig, verhasst, verachtet.
- 128 ff. Job ist einsylbig, latei-
- nisch nnd deutsch. Heinrich von
- des tödes gehngede 452 tödes:
- Jöbes, 602 töde: Jobe,
- 131. Hiob 2, 8 und sass in der
- Asche; lai. sedens in sterquiUnio,
- Winshecke 73, 6 dem miste Job ze
- teile wart; Engelhard 6086 ich
- fimeste biuwen einen mist dem ar-
- men Jobe vil gelkh.
- 132. enmittemen .-vgl. enzmschen,
- enwec, enwiderstrtt. — heil Glück
- anch in ganz irdischem Sinne 424.
- 741.
- 134. aller erest, alrerst, älreist
- und alrest (418). dö alrest sobald
- als: Bmehstück LB. 430, 32 dö
- ich erste wart gebornj dö het min
- herze üf mich gesworn, — sich
- versttumt: 803.
- 136. gelwh, geliche, adj. mit
- Dat., snbst. mit pron. Gen. (des-
- gleichen, dergleichen) oder Pron.
- poss.: dn gelich 281 [vgl. Haupt
- z. Er. 2323] ; BüchL 1, 253 daz er
- dem tiuvel enteil stm altherrn wer-
- den müeze und alle stne geliehen.
- Khd. seines gleichen: LB. 1456,
- 27 nit dins glichen; Luth. Auf
- Erd ist nicht seins gleichen.
- tuont Erec 7494 nu stoic, lieber
- Hartman — ich tuon; Greg. 2248
- jäne geschach mim libe nie deheiner
- slahte guot unde ouch niemer ge-
- tuot. Bekleidung des vertretenen
- Zeitworts mit Acc. Iw. 5108 hern
- Gäweinen minn ich : ich weiz wol,
- also tuot er mich; Gen: Iw. 1379
- wände sl ^ns tödes gerten, älsam
- der wolf der schdfe tuot; Dat. Iw.
- 138 und enschadest niemen me da
- mite, danne du dir selbem tuost ;
- Entsprechendes Adv. Wig. 39, 9
- ichn rite uz in andriu lant, als
- mm vater her in tet. Wie noiety,
- facere.
- — 58 —
- wan ez leit J6b der guote
- 140 mit gedultigem muote,
- do ez ime ze lidenne geschach,
- durch der s§le gemach .
- den siechtuom und die swacheit,\
- die er von der werlte leit;
- 145 des lobet er got und frönte sich.
- do tet der arme -^Heinrich
- leider niender also:
- wan er was trürec und unfrö.
- sin swebendez herze daz verswanc;
- 141. geschehen durch hoehere
- Schicknng sich ereignen ; mit Dat.
- zu Theil werden, zufallen, kommen
- 1282 daz ir ze sterben niht ge-
- schach; vergl. 289. 402. 1115. 1407
- (Subj. Subst.). Sonst, wo als Sub-
- jekt ein Infinitiv mit ze steht, be-
- deutet es nothwendiges oder zu-
- fälliges Thun, müssen, gerade : 293
- diu ime ze lidenne geschach; 1288
- im wäre ze weinenne geschehen;
- Iw. 3367 M der lantstrdze di in
- ze riten geschach. — Das ez ist auf
- Z. 143 zu beziehen.
- 143. swach schlecht, gering,
- verachtet (krank, siech) : Iw. 3551
- troum, wie wunderlich du bist!
- du rrumhest riche in kurzer vrist
- einen also swachen man, der nie
- nach eren muot gewan. Adv.
- swache 754. Zw. swa^chen entehren
- (schwächen), gering achten: Iw.
- 2485 ez swachet manec boßse man
- den biderben swd er iemer kan,
- Subst. swacheit Unehre, Schmach:
- Iw. 3393 daz eim also prumen
- man diu swacheit solte geschehn
- daz er in den schänden wart
- gesehn.
- 146. do Gegensatz wie 318. 556.
- 591: dagegen, aber.
- 147. niender aus nio in eru;
- vgl. niene.
- 148. triirec unde unfro = 566.
- Lanz. 7446. Bruchst. LB. 432, 14.
- Er. 3135. Dagegen witziger Ge-
- gensatz trürec unde vrö Greg. 1575.
- Engelh. 5695. 6355.
- 149. refl. versmngen : Kätzlerin
- 2. Abth. 44, 19 und far yrr in
- meinem muot, als ein zames välck-
- lin tuot, das sich verschwingt also
- ferr, das sein vermiszt sein rechter
- herr. Swingen : Beinmar der Alte
- MSF. 156, 12 ze fröiden swinget
- sich min mu^t, als der valke en-
- fluge tuot und der are en sweime;
- intransitiv Wernher Marienleben
- 171, 4 [1678 ein tübe swank do
- dannen], MSF. 139, 25 nach der
- min gedanc sere ranc unde swanc.
- MS. 1, 206» also swang er wider
- dar. Büheler Diokletian 1300 der
- falk — swange und swange mit
- grim und ach; ü f stoingenW Mher
- 113, 1 [47, 9] u. a. So nun auch
- verswingen. Oder versanc? vgl.
- Heidelberger und Koloczaer Codex
- — 59
- J,
- 150 sin swimmendiu fröude ertranc.
- sin höchvart muoste Valien;
- sin honec wart ze gallen.
- f+»'q ein s winde vinster donreslac
- ' zerbrach im sinen mitten tac;
- 155 ein trüebez wölken unde die
- Vv,JLtcl«iXji bedaht im siner sunnen blic. cM^ ^a.
- er sente sich vil sSre,
- daz er s6 manege §re
- 149. 150. Besserung Lachtnanns: Strctssb. verswant — wart ertrant,
- Heidelb, Köl, Sin swebende vroude im versanc sin swimmendez herze
- daz ertranc
- und Büchl. 1, 1715 von sinem hazze
- ich nach versanc und doch versun-
- ken wcsre, des half mir, daz ich niht
- ertranc, gedinge üf liebiu rtuere.
- 150. Wilh. 47, 22 »in herze in
- jämer muose baden; Lanz. 5636
- (s. zu 95) ir herze in riuwe swe-
- bete, Fersoenliches Snbjekt Büchl.
- 1, 1715. Jüngerer Titurel 1064
- mm swebender trost der sinket,
- 152. honec und galle (wie süeze
- und gtüle 108) findet sich oft. [Greg.
- 286. Iw. 1580. Walth. 17, 1 = 25,
- 18 L.; 76, 5 = 124, 36 L. Vgl. daz
- süege honec ist bitter Greg. 1332.]
- [149 — 152 dichotomische Respon-
- sion; s. Z. f. d. A. 24, 2.]
- [153. vgl. Büchl. 1, 299.]
- 154. mitter tac Mittag; ebenso
- mitten naht: Dat. im Nhd. erstarrt.
- 155. Nib. 425, 4 in (den Stein)
- truogen küme zwelfe der küenen
- hdde tmde snd,
- die nndurchdringlich, dicht. Iw.
- 575 von einer Linde: si ist breit,
- hoch und also die, daz regen noch
- der sunnen blic niemer dar durch
- kumt.
- 155—156. Hiob30, 15: Schrecken
- hat sich gegen mich gekehret nnd
- hat verfolget wie der Wind meine
- Herrlichkeit nnd wie eine laufende
- Wo Ike meinen glückseligen Stand.
- Vgl. Jeremias 15, 19 ihre Sonne
- soll bei hohem Tage untergehen,
- dass beides ihr Ruhm nnd Freude
- ein Ende haben soll. Büchl. 2, 18
- mtner freuden sunne, diu ist
- leider bedaht mit tötvinsterre
- naht; Greg. 2327 ir vröuden sunne
- was bedaht mit tötvinsterre naht.
- Krone 7041 Der vröuden sunne,
- diu gemein under dirre kurzwUe
- schein, der gap ein ende ein vinster
- naht, mit solher tunkel bedaht,
- daz sie betruobte ir aller muot.
- Noch nseher ebd. 11259 Siner
- vröuden schin gar bedaht ein wöl-
- ken tötvinster.
- blic Glanz; Blitz; Blick. Glanz
- 732; der sunnen blic Iw. 576.
- Engelh. 5318.
- 157. sich senen sich härmen:
- Parzival 248, 16 ob in ein kumber
- wecke, des was er davor niht ge-
- went : ern hete sich niht vil gesent.
- — 60 —
- hinder im müeste läzen.
- 160 verfluochet und verwäzen
- wart vil ofte der tac,
- da sin geburt ane lac.
- Ein wenec fröuwet er sich doch
- von eime tröste dannoch: dotJL <
- 165 wan im wart dicke geseit,
- daz disiu selbe siecheit
- wsere vil mislich
- und etelichiu genislich.
- des wart vil maneger slahte
- 170 sin gedinge und sin ahte.
- er gedähte, daz er waere
- vil lihte genisbsere,
- und fuor also dräte
- tf %/^
- 160. Ahd. wazan anklagen, ver-
- wäzen verdammen, verfluchen, ver-
- wünschen (gewoßhnlich nur Parti-
- cipium Perfekt!) : 798; in ver-
- wünschenden Ausrufungen: Greg.
- 1169 die vische sin verwäzen, daz
- sin ment vräzen, do er üf den
- se geworfen wart. Zu Grunde rich-
- ten Erec 878 ir ietweder wolt ez
- läzen, wan dem wäre verwäzen
- heidiu sin ere und ouch daz leben.
- 162. ligen an zeitlich Statt
- finden. Winsbeckin 1, 5 gehcehet
- si der siieze tac, da diu gehurt
- von erste an lac. Hieb 3, 3 Der
- Tag müsse verloren sein, darinnen
- ich geboren bin, und die Nacht,
- da man sprach, „es ist ein Männ-
- lein empfangen. '^ Jeremias 20,
- 14 fgg.
- 166. siecheit 410. 911, Seuche
- Krankheit Luc. 6, 18. mht 196. 282.
- 168. genislich der genesen kann
- 186. 190. 199. wie genisbare 172.
- Hier bedeutet es das, wovon man
- genesen kann. Heilbar hat dieselben
- Bedeutungen.
- 169. maneger sl, mancherlei,
- mannigfach. Büchl. 1, 698 so du
- an dem bette list und aller sargen
- verpMist, so wache ich und ahte
- vil harte maneger slahte, wie ich
- ez bringe darzuo, daz si dinen
- willen tuo, Subst. Titurel 49, 3
- minne, du bist alze maneger slahte :
- gar alle schribar künden nimer
- volschriben din art noch din ahte,
- 170. gedinge schw. m. st, f.
- st. n. Gedanke, Denken? Hoffnung?
- Besser hier die erste Bedeutung.
- ahte Nachdenken (ahten Büchl.
- 1, 697).
- 173. drate (zu drajen drehen,
- auch nacheilen) Büchl. 1, 1858
- der selbe ist zollen tugenden laz,
- ze den Untugenden drtßte, Adv.
- dräte 1238. 1346; also dräte wie
- alsbald [s. z. Er. 4321].
- — 61 —
- nach der arzäte rate
- 175 gegen Munpasiliere.
- da vant er vil schiere
- niht wan den untröst,
- daz er niemer würde erlöst.
- Daz hörte er gar ungerne
- 180 und fuor gegen Salerne
- 174. arzät aus archiater.
- nach Verlangen , Erwartung,
- Zweck, Erfolg. 1167.
- 175. Mona pessulani^s, pessu-
- larius. Die medicinische Schule
- daselbst wird zuerst 1137 erwähnt.
- S. Jaffe de arte medica scßculi XIT
- pag. 17 [u. Bibl. rer. germ. III, 592].
- Vgl. G<ß8. Heisterbac. DiaL miraxi,
- Vn, 24. In Monte Pessulano, ubi
- fons est artis physic{Bjtanta8(Maria)
- operatur sanitates in quadam sua
- ecclesia, ut medici gratice inmdentes
- etc. — Weim, Jahrb, 1, 453. Krone
- 12513 zwen guot phisidn, so si beste
- mähten sin, wart in gewunnen
- schiere von MonpaMliere (Hs. Mon-
- tailliere), F. Platter 145 fgg. (Mon-
- peUer), In Mainz heisst ein Haus
- Montbasilir, Mombasilir : Fichard,
- Frankfurter Archiv UI, 348. [Vgl.
- Haeser, Gesch. d. Medicin '1, 654 ff.]
- [179. 1. mit Heidelb. u. Kol. Hs.
- vü ungerne s. Haupt z. Er. 5500.]
- 180. Eine Steigerung. Salerno
- war die ältere und noch berühm-
- tere Hochschule für Aerzte. Ihr
- Ruhm reicht bis ins 10. Jahrhun-
- dert zurück; förmlichere Fest-
- setzungen erfolgen um 1100, 1150
- und wieder durch Friedrich II.:
- ein Loblied Aimeri's von Pe-
- gnilain (Raynouard, P. d. Tr. 4,
- 195) nach 1214, worin dieser König
- unter dem Bilde eines Meisters von
- Salerno dargestellt wird. Ihre
- Thsetigkeit und ihr Ruhm reichte
- bis in den germanischen Norden.
- Adalbert von Bremen hatte, da er
- starb (1072) einen Arzt von Sa-
- lerno, Namens Adamatus, um sich:
- Ad. von Bremen III, 64 Schol. 91.
- Isengrimus in der ersten Hälfte,
- Reinardus in der Mitte und Rein-
- hart in der zweiten Hälfte des 12.
- Jahrhunderts erzaehlen die vergeb-
- liche Reise des Fuchses nach Sa-
- lerno, um Heilmittel für den kran-
- ken Löwen zu holen; Reinhard
- 1874. 1888 wird Meister Bendin
- zu Salerno genannt, der dem König
- eine Latwerge schickt; s. auch
- Jakob Grimm, Gedichte auf Fried-
- rich I. S. 201 Verse des Archi-
- poeta (1162 — 64) zum Ruhme der
- Doctrina Salemi. Der kranke
- Tristan lässt seiner Sicherheit we-
- gen ausbreiten, dass er zu Salerne
- wsere durch sines Ubes genist :
- Gottfrieds Tristan 185, 16. Die
- europseische Wirksamkeit geht bis
- in neuere Jahrhunderte durch die
- s. g. Schola Salernitana, eigentlich
- Begimen Schola Salernitance, eine
- Sammlung medicinischer, namentl.
- diätetischer Regeln in leoninischen
- Hexametern, s. Meiners Mittelalter
- 2,413 fgg. [Haeser a. a. 0. % 645 ff.]
- Ä^
- }r^
- — 62 —
- und suocht ouch da dur ch ge nist
- der wisen arzäte list.
- den besten meister er da vant,
- der Seite ime zehant
- 185 ein seltsaene msere,
- daz er genislich waere
- und waer doch iemer ungenesen.
- dö sprach er „wie mac daz wesen?
- diu rede ist harte unmügelich.
- 190 bin ich gnislich, s6 genise ich,
- und swaz mir für wirt geleit
- von guote oder von arbeit,
- 189. Strassh. du redest
- 181. genist: 240. Genesung.
- Auch Heilmittel, Rettung, Lebens-
- unterhalt.
- 182. list Weisheit : auch Gottes
- 1360; Kunst. Bei Aerzten beides:
- 374; Bruchst. LB. 432, 4 waz
- hüfet aller arzt list, sit diu
- wunde so tif und verborgen ist?
- 183. Contraction und Abtraction
- von Haupt- und Adjectivsatz : 440
- mit der genist statt diu genist mit
- der [s. die Anm.].
- 185. seltstene (ahd. unsäni de-
- formis) selten, seltsam, wundersam
- 1412. Zahl und Mengebegriff, wie
- unser selten, hat es erst gegen
- Ende des Mhd.: Engelhard 5151
- im wurden här und ouch der hart
- dünne und seltsane.
- . 187. ungenesen 203; unrewert
- 214; ungeschriben 1400; ungetan
- Ruther 2277; ungemezzen W&iiher
- 59, 5 [10, 3]; mit stürme ir niht
- geschadet was Parz. 226, 17.
- 189. diu rede ist: Engelhard
- 6026 davon, geselle, dühte mich diu
- rede gar unmügelich, diu mit mir
- treip der engel. [vgl. Lachmann z.
- Iw. 6372.]
- mügelich was geschehen sollte,
- recht und billig: Konrad Trojaner-
- krieg 28. Berth. 249, 5. Unmüge-
- lich was nicht so sein sollte, über-
- mässig und ungewoehnlich : Ruol.
- 291, 4 si slu^gen unmugeliche siege.
- Berth. 392, 33 Wände ez unmüge-
- liehen swtsr ist von der unmüge-
- liehen unten die ez hat,
- 190. Nicht genis' ich : eine Apo-
- kope wssre nur dann mceglich,
- wenn ich tonlos wsBre, dann aber
- w»re es des Reimes auf unmüge-
- lich nicht fehig. Durch diese Be-
- tonung entsteht ein Hiatus, der
- Yor betonten Sylben das deutsche
- Ohr weniger verletzt. Iw. 3299
- ich arme, wie genise ich, [Vgl.
- Lachmann z. Iw. 318. 2943.]
- 191. vür legen: andere, aber
- verwandte Sinnlichkeit wie in un-
- serem auferlegen : Behinderung des
- Weges zum Ziel — Last.
- — 63
- daz trüwe ich vollebringen.*'
- ^nü lät daz gedingen''
- 195 sprach der meister aber dö.
- ^iüwerre suhte ist also
- (waz frumt, daz ichz iu kunt tuo?):
- da hceret arzenie zuo, p .
- aJ)
- f
- "^^ öj^ der wserent ir genislich.
- 200 DU enist ab oieman sd rieh
- noch von s6 starken sinnen,
- icLG ^ '>vl(A ■m'VMafl. der si müg^gewinnen. iru ^ (X4\^
- ^o^o(M u4/ dUJ^ dßs sint ir iemer ungenesen,
- AU
- Vvu
- J
- \ ( lM*C^^
- V ^
- h^
- got welle dan der arzät wesen."
- 205 D6 sprach der arme Heinrich
- ^war umbe untrcfestent ir mich?
- cAiwiv. ja hin ich guotes wol die kraft:
- .^^^^^^.AA (M^ ir ei^w ellent iuwer meisterschaft
- jiji ^rt^ und iuwer reht ouch brechen P^t f^
- 210 und dar zuo versprechen
- 200. Besserung Haupts: Strassb, aber; in Heidelb. u, Köl,
- 188—209 gekürzt, 207. Strassb. Joch
- 'Vw»'^''^^ ^Vv^-C^--'
- t^
- /VW
- 193. trüwen, getrüwen unrefl.
- mit blossem Infinitiv: 1152 ge-
- truwent ir mim herren sinen ge-
- sunt wider geben.
- 194. dingen, gedingen denken;
- Zuversicht haben, hoffen [s. z. 170
- gedinge],
- 195. aber sprechen erwiedern : 215.
- 196. 216 tmd wäre der arzenie
- cUsö.
- 198. Dazu ist erforderlich : 230.
- arzenie Heilmittel und Heilkunst;
- arzatie. — arzeme, arzentuam, Zw.
- arzenön, von Archigenes, Juvenal
- Satiren 6, 236. 13, 98. 14, 252.
- 199. der : vgl. 853.
- 200. aber, abe, ab.
- 201. sinne Weisheit 695. 802.
- Sing, die wisheit und den sin
- 860.
- 202. der d. h. daz er : 13 daz =
- daz ez.
- 204.Genauer wBsregotenwelledan.
- 206. untroestenwie 801 unminnen.
- 207. kraft Menge, Fülle.
- 209. reht Pflicht: 680. 1450;
- 858 menschlich reht die Schranken,
- die der Menschheit durch Gottes Ord-
- nung gesetzt sind, also auch passiv.
- brechen von dem Bild der Schranke
- oder der Fessel hergenommen. 1284
- si brach ir zuht unde ir site ; 858
- unde menschlich reht zerbrach.
- 210. versprechen, ver- im Sinne
- der Fntfemung, der Beseitigung:
- ablehnen, verreden.
- — 64 —
- beidiu min silber und min golt,
- ich mache iuch mir also holt,
- daz ir mich harte gerne nert.^
- ,,mir wsere der wille unrewert** UM/«^vt^ ^rt/vl
- 215 sprach der meister aber dö;
- ^und wsere der arzenle also,
- daz man si veile funde,
- oder daz man st kimde
- mit deheinen dingen erwerben,
- 220 ich enlieze iuch niht verderben.
- nu enmac des leider niht sin.
- da von muoz iu diu helfe min
- durch alle not sin versaget.
- ir müestent haben eine maget,
- 225 diu vollen hibsere
- 211. Besserung Lachinanns: HSS. Beide; ebenso 275.
- 224. Strassb. muezent, Heidelb, soldet, Koh scholdet 225. Heidelb^
- KoL vriebere, Strassb. erbere: vgl. 447 und 1453.
- 211. beidiu: 275 beidiu mit
- stiure und mit bete; 590 beidiu
- mit bete und mit drö. Neben bei-
- diu kommt aach die Form beide
- vor; nbd. beides.
- 213. nern, ernern Bewirktings-
- wort zu genesen: heilen, retten,
- naehren.
- 214. erwern mit dem Acc. nnd
- Dat.: wehren, verwehren: 841. —
- unrewert nicht zu wehren. Kehr.
- 7099 unregangen: re für er nach
- einsylbigen Pronomen und Par-
- tikeln, die auf Yocal oder Liquida
- ausgehen ; ebenso nach un : erster
- Anlass dazu war wohl Yocal und r,
- do rebeizte ist kein Hiatus, er retobte
- keine misslautende Wiederholung.
- 223. durch not nothwendiger
- Weise.
- 225. volle schw. m. schw. st. f*
- Fülle, Vollkommenheit, Genüge:
- adv. den vollen, die vollen, be- en-
- ze vollen : vollen vollkommen, ge-
- nug, sehr : 447 vollen htbare, 1177
- vollen guot.
- Die Abweichung der beiden Texte
- (Vgl. nubiles — nobiles Tolc. Germ.
- 8) deutet auf Aenderuug eines
- ungewohnten Ausdrucks : Mbcere.
- Gehlen hat Hartmann selbst:
- Erec 5894 du bist vü wol zuo mir
- gehU ; Iw. 2672 si was unz an die
- zU niuwan nach wäne wol gehU;
- 2809 eltche gehU; auch Wigalois
- 157, 11 swenne sin tohter würde
- gehU zeinem biderben manne. Das
- sonst veraltete hibtere noch Lanze-
- let 4996. In der Heidelberger und
- Koloczaer Hs. steht vrtebare wie
- — 65 —
- und ouch des
- 1453 vridt statt hträt. (irrten eigent-
- lich loesen, kaufen, gr. ngCaa^ai^
- lat. pretium,) [Scherer zeigte mir,
- dass vrkbißre hier und 447 zu le-
- sen ist. 225 erbcere A , vriebere
- B ; 447 manbere A, (verbere B) :
- die handschriftliche üeberlieferung
- führt auf wlcfe^ere an heiden Stellen.
- Dieses Wort ist hisher ana^ Xeyo-
- fieyoy. Daraus erkisert sich die
- Aenderung in A; vriebere kann
- nicht von B gemacht sein, wie 447
- zeigt, wo B selbst ändert, aber auf
- dasselbe Wort führt. Vgl. 1453 B
- vrtät, wo auch eine Aenderung von
- i^tdt in Mrät wahrscheinlicher ist
- als das umgekehrte. — Dass vridt
- auch oberdeutsch ist,s.Schm. I^, 817.]
- Die Strassburger Hs. (Haupt)
- liest beidemal erbcere, Sie nahm
- an dem Mbaere Anstoss wegen
- der 8 Jahre 303 (Heidelb. und
- Eol. Hs. 12), so dass also nach
- den. 3 Jahren 351 das Msedchen
- 11 — 12 Jahre alt ist. Ueberall
- jedoch wird sie nicht bloss als
- Kind, sondern auch als Jungfrau
- bezeichnet (kint = Tochter, Msed-
- chen) : ich bin ein maget 562 (224.
- 446) ; als keusche Jungfrau : erbaere
- gienge darauf um nichts weniger
- als Mbaere, In Wirklichkeit hat
- man die frühere Reife der Weiber
- des Mittelalters in Betracht zu zie-
- hen: durch die öfters wieder-
- kehrende rechtliche Festsetzung ist
- bezeugt, dass Msedchen mit 12 und
- Knaben mit 14 Jahren zu ihren
- Tagen gekommen^ d. h. mündig
- seien; unter 12 Jahren dagegen
- noch unter ihren Tagen seien : das
- willen waere,
- ist also die Grenze der Unmann-
- barkeit und der Mannbarkeit. J.
- Grimms RA. 412—415. Weis-
- thümer 1, 278. Nach longobardi-
- schem, sächsischem und friesischem
- Rechte waren die Ehen 12J8ehri-
- ger gültig und üblich: Weinhold,
- Deutsche Frauen im Mittelalter
- 191 [21. 294]. Nach dem Schwaben-
- spiegel Landrecht 48 durften 14-
- jaehrige Knaben und 12j8ehrige
- Msedchen gültige Heirathen ein-
- gehen. Heinrichs gemahele seihst
- denkt sich ihren ledigen Stand Z.
- 748 nur etwa noch zwei, hoechstens
- 3 Jahre dauernd, also bis zu ihrem
- 13. oder 14. Jahre. Larie, die
- Wigalois nach längerem vergeb-
- lichem Werben Andrer (99, 33)
- sich zur Gemahlin erwirbt, ist erst
- 13 Jahre alt: 99, 19. 125, 35.
- 226, 11. Hildegunde ist, da Wal-
- ther mit ihr als seiner Geliebten
- flieht, nach der Didriks Saga 241
- zwölQsehrig. In der Alexandersage
- bei Lamprecht 5118 heisst es von
- den blumengewachsenen Mssdchen,
- mit denen die Griechen sich ver-
- msehlten: rehte alse si haten aldir
- umbe zvelif jär. Erec 9467 ein
- kint wol einlif jär alt, das der
- Liebhaber entführt. Und so ist
- in Sage und Roman frühe Liebe
- und Yermsehlung öfters wie ganz
- selbstverständlich. Aber auch in
- der Geschichte begegnen die Bei-
- spiele zahlreich genug. „Gertrud,
- die Gemahlinn Herzog Heinrichs
- des Stolzen von Baiern, war erst
- 14J8ehrig, als sie ihm Heinrich den
- Loewen gebar ; letzterer heirathete
- 5
- 66
- tnH tU-t
- daz sl dea tot durch iuch lite.
- nu enist ez uiht der Hute site,
- daz ez iemen gerne tuo.
- 230 so hoert ouch anders niht dar zuo
- niwan der maget herzen bluot:
- daz wfer für iuwer suht guot"
- Nu erkante der arme Heinrich,
- daz daz wtere unmügelich,
- 235 da,z lernen den erwürbe,
- der gerne für in atärbe.
- alsuB was im der trSst benomen,
- . (vv— üf den er dar was komen,
- und dar nach fär die selben friet
- 210 Mt er ze siner genist
- deheiii gedinge m^re.
- des wart stn berzesgre
- also kreftec unde gröz,
- die englische Ecsnigstochter Ma-
- thilde in deren 12. Jahre." Sttelins
- "Wärtembergisohe GeBchiehte2,782.
- Mathilde wurde noch nicht drei'
- zehnjsihrig mit Heinrich 1. ver-
- msehlt, Hedwig von Meran ^wälf'
- JKhrig mit Heinrich (demBGertigen)
- von Schlesien. Sidonie von Boeh-
- men vermcelilte Bich im 14. Jahre
- mit Albrecht von Sachsen. Beatrix,
- die Tochter Eönig Philipps, wnrde
- in ihrem zwölften, die heilige EU-
- mheüi im 13. Jahre vermiehlt.
- 397. durch cansai , nicht in-
- Btmmental: om enrentwillen.
- 228. es?
- 230. nichts als nnr, bitter irO'
- niBch : niht anders wan 446. 451 ;
- 734 wttde enhät niht me verlm^
- wan beide sUe mtde Hp. Vgl,
- MSR 151, 9 fg. 157, 35.
- 232. guot für wie 720 es e.
- frumt tugent noch ere für A
- tat niht mere dan ttngeburt w
- untugent : Bestimmnng,
- 237. tröst freudige Zoveraich'
- die Znversicht anf Heilang ,
- welcher er —
- 238. «/■mitVerrücknngnndV*
- körznng des eigentlichen Ansdmc
- vor Substantiven der Ik'wartai
- statt vor dem, welches den Gege
- stand der Erwartnog bezeiehni
- Correct Büchl. 1, 1115 ich u
- dehetTter freude ieftwi durch lod
- äf ander minne; dagegen Er
- 4371 das hdn ich ander» rü
- getan uan üf ritterechefte wo»
- \. durch w&n üf ritterschafl.
- 239. für vorwärts in der Ze
- von — an: 686 für dise stitnt, 9!
- für dise stunde.
- -V tW,4AXfj-«
- — 67 —
- OA/^
- daz in des aller meist verdrOz,
- 245 ob er langer solte leben.
- nü fuor er heim und begunde geben
- sin erbe und euch sin varnde guot, Itca^ r/^( «^X«.
- als in dd sin selbes muot
- unde wiser rät ISrte,
- 250 da erz aller beste bekSrte.
- er begunde bescheidenlichen
- stn armen früinde liehen
- und trdst euch frdmede armen,
- daz sich got erbarmen
- 255 geruochte über der sele heil;
- gotes hiusern viel daz ander teil.
- f
- Vt/wvn^-v^ fift^.
- •.-v\.
- 247. erbe ererbtes Grnndeigen-
- thum im Gregensatze zu Uhen und
- varndem gtiote, denn beim Lehen
- galt eigentlich auch kein Erbrecht,
- und die Fahrhabe mag jeder Ein-
- zelne erst persoenlich erwerben
- [vgl. Iw. 7658].
- 250. bekerte anwendete. 976 daz
- enw€Br niht wol bekeret. bewenden
- 1441.
- 251. bescheiden nach Gebühr
- nnd Umständen handelnd , ver-
- ständig, klug; einer, der alles wohl
- zu unterscheiden und jedes an sei-
- nen Ort zu stellen weiss. Noch
- Abraham a Santa Clara Judas 6,
- 447 ein Politicus muss auf der
- Welt haXb so und halb so sein,
- wawn er wül fortkommen, und
- sokhe LetUe seind bescheiden und
- klug; die können die Segel richten
- nach dem Wind, Freidanks Be-
- scheidenheit. BescheidenlkTienüMcli
- 258, mit Verstand, nach Gebühr,
- 80 dass er zugleich die natürlichen
- Ansprüche der Blutsverwandten und
- das Bedürfniss auch der Nichtver-
- wandten berücksichtigte. Unser
- bescheiden schliesst sich an das
- reflexive Zeitwort an.
- 255. riMchen, geruochen acht-
- sam, bedacht, besorgt sein, Rück-
- sicht nehmen, wünschen: mit Gen.
- 413. 1361; wollen, wählen, ge-
- ruhen: mit dem Infinitiv. So
- hier. Und so wie hier wird es
- besonders oft gebraucht, wo got
- das Subjekt ist; auch 1361. Von
- ruoch, ruoche Acht, Bedacht, Be-
- sorgung, Sorgfalt, Sorge: ruchlos,
- 256. gotes hüs Kirche, Erlöster,
- Spital u. dgl.
- Valien mit dem Dativ, gewoehn-
- lich gevallen zufallen, zu Theil
- werden: 1518 als müez ez uns
- allen ze jungest gevallen, —
- Schenkungen des Heinricus de
- Owe an das Kloster S. Peter auf
- dem Schwarzwalde curtem suam
- cum domo et omnibus, quce ibi
- possidebat. Für die Verdienstlich-
- keit solcher Vergebungen und Ent-
- alsus sß tet er sich abe
- bescheidenlichen s!ner habe
- 11DZ an ein geriute:
- 260 dar flöch er die liute.
- disiu jfemerUche geschibt,
- diu was stn eines klage nibt:
- in klageten elliu diu lant,
- da er inne was erkant,
- 265 nnd ouch von Mmden landen,
- die in näcb sage erkanden.
- Der 6 diz gerinte
- und der ez dannocb binte,
- 265. frömdea Besserung Haupts: Strassb. den; tn HeideVi.
- Kol. 261—266 im$gef<älen. 267. Besserung Ladmanns: Strai
- fehlt S; Heidelb. Kol. Der daz selbe gereute
- ävsaernngen nnd toq der Unxobl
- nnd dem Reichthnm. der Öottes-
- hänser fiudet sicli ein reott voller
- nnd bezeichnender Änsdmok dieser
- Zeitstiminnng in einem Uedichte
- des 12. Jahrhunderts hei Hutmann
- (kein Schwabe) von dem heiligen
- Glauben (Credo) 3194 fgg. LB.
- 429, 14 fgg.
- 267. sS hinter dem ersten Worte :
- 1165 da von SÖ »ot ich disen tot
- hän für eine süeze not ; alsus not
- ein Btfirkerea so.
- RefleiiTes abe tuon mit dem
- Oen. sich entänssem, entechlagen:
- 1106.
- 259. genute: 267. 1443; Iw.
- 8285 niwoeriute: Waldboden, der
- dnrcb Änsrenten der Bäume in
- Ban.and nmgeschaffen worden. 268
- Üeberarb. der daz selbe geriute in
- dem wilden walde biute. Orts-
- namen wie BUti, Rente, Eent,
- Baierrent, Gerenth (Erenth), Rütti,
- GrStli. In Baiern ist Gerent <
- Name vieler einzeln liegeo'
- Banernhöfe, deren Besitser dt
- die Gerentinaier, Kreitmayer, N
- renther.
- 260. Gegenstand nnd Ziel
- Fliehens.
- 261. Von geschehen: gesch
- Schicknng, Znfall, ßreignias.
- 262. sin eines wie rin selbes
- 263. klagen transitiv: 3
- eüt« Umlant.
- 264. erkennen kennen lern
- kennen 266. 596. 1380: erkant
- kannt {bekennen kennen lern
- kennen).
- 366. daz ick von sag^iool
- not erkenne 595; si eng^ub
- niemens sage danne ir selber ou^
- 1392 ; vgl. Altnordisch saga.
- 268. dannoch d. i. danne no
- Muuxn nnd bäwen: das Ja
- bestellen (gruw), wohnen, Wohnt
- errichten.
- — 69 —
- daz was ein frier büman,
- 270 der vil selten ie gewan
- dehein gröz ungemach;
- daz andern büren doch geschach,
- die wirs geherret wären,
- und,si die niht verbären ^^^j,
- 275 beidiü mit stiure und mit bete,
- swaz dirre gebüre gerne tete,
- des dühte sinen herren gnuoc;
- dar zuo er in übertrüoc,
- daz er dehein arbeit
- 272. Besserung Haupts: HSS. geburen, gebovren, gebowern
- 274. Besserung Lachmanns bei Haupt: Strassb, Vnd sin do, Heidelb,
- Kol, so fii des
- 269. bÜTfnan Bauer; hier und
- 367 s. y. a. meier 295, der den
- Grand nnd Boden eines andern
- als Päcliter bant (erst 1442 wird
- es sein eigen): so wird in Süd-
- dentschland noch das Wort Bau-
- mann gebraucht ; Ackerknecht :
- Parz. 119, 2 tV büliute unde ir
- enken Acker- und Yiehknechte.
- fri ist von Wichtigkeit für den
- Ausgang der Geschichte : 1497.
- 270. selten ie d. h. nie: selten
- 348.
- 272. &Mr stm. Haus : Vogelbauer ;
- gebik', gdmre Mitbewohner, Nach-
- bar, Dor^^nosse, Bauer : bure, bür
- Bauer (nicht mit -er von bauen ab-
- geleitet).
- 273. wirSf mrser,
- geherret wie geküniget, geliutet,
- geUmdet; Infinitiv wir mugen uns
- niM geherren baz : Meleranz 6634.
- 274. und si; nach und statt
- des relativen Pronomens das per-
- Msnliche [s. Haupt z. Er. 702b].
- die bezieht sich auf herre : Iw. 458
- er was starke gezan, als ein eber,
- niht als ein truxn: üzerhalb des
- mundes tür ragten si im hervür ;
- Parz. 807, 13 in dem pcUas — der
- wol gekerzet was, die harte
- lichte brunnen; Reinmar von Zwe-
- ter MS. n, 199» swer wol ge-
- wibet ist und üf ein ander wendet
- sinen muot, [Vgl. Benecke z. Iw.
- 458 und Haupt z. Er. 7814.]
- verbern : wieder das ver- der Ent-
- fernung, der Beseitigung: nicht
- haben, unterlassen, verschonen.
- 275. ^i{«r6 Stütze, Unterstützung,
- Abgabe. &e^e Bitte; nötbete. Ausser
- dem Pachtzins waren noch ausser-
- ordentliche Abgaben zu entrichten.
- 276. Gen. Dat. fem. Sing, und
- Gen. Plur. dirre aus disere : Nom.
- masc. Sing, aus diser. Ebenso
- disse und ditze aus dises.
- 278. übertragen mit dem Acc.
- und Gen. (Nachsatz mit daz) : über-
- heben, dagegen sicherstellen.
- — 70 —
- 280 von frömdem gewalte leit.
- des was deheiner stn geltch
- in dem lande also rtch.
- zno deme zöch sich
- stn herre^ der arme Heinrich.
- 285 swaz er in het 6 gespart,
- wie wol daz nü gedienet wart,
- und wie schöne er stn gen6z!
- wan in vil lützel des verdröz,
- swaz im geschach durch in.
- 290 er hete die triuwe und euch den sin,
- daz er vil willecllchen leit
- den kumber und die arbeit,
- diu ime ze Itdenne geschach.
- er schuof ime rtch gemach.
- 295 Got hete dem meier gegeben
- nach stner aht ein reinez leben:
- 285. Strassb. in hette g., Heidelb. Kol. im vor hatte verspart
- 289. Besserung Haupts: Strassb, Swaz im zno lidende g. ; in Heideib.
- und Kol. fehlen 287—294.
- 283. zog sich zurück, begab sich :
- 789. [vgl. Hanpt. z. Er. 1585]
- 285. sparn anch mit persoen-
- lichem Object; schonen.
- 286. dienen transitiv mit Dienst
- vergelten; durch Dienst erwerben,
- verdienen: 384.
- 288. lützel =L niht: 401. 969.
- Wie selten 270.
- 289. zn Theil ward, zufiel: 141.
- 291. toille guter Wille, Greneigt-
- heit: tmlUc, mllidkh 900. 1421;
- adv. gern 1251.
- 294. gemach m. n. Ruhe, .Be-
- quemlichkeit, Pflege; Wohnung.
- Ungemach noch jetzt in dem ab-
- stracten Sinne.
- 295. der meier und diu meierin
- 1437. Lat. maiar der oberste unter
- den Knechten oder Hoerigen oder
- Dienern eines Herrn, namentlich
- in der Landwirthschaft ; einer der
- fremdes Land als Pächter baut,
- und persoenlich frei ist, 269. In
- beiden Bedeutungen wird das Wort
- noch jetzt gebraucht. Das Wort Meier
- und allerlei Zusammensetzungen da-
- mit findet sich als Eigenname sehr
- häufig — ursprünglich waren es
- Bauemnamen. Abraham a S. Clara,
- Judas 4, 326 Hans Oberma'^, Gregor
- Untermayr und Lenz Mittermayr,
- drei wolgesessene Bauern.
- 296. ahte activ Beachtung udgL;
- passiv Art, Stand,yerhältnis8e udgL
- reine gut, schoen: 59.
- — 71
- er hete ein wol erbeiten lip
- und ein wol werbendez wip;
- dar zuo het er scboeniu kint,
- 300 diu gar des mannes fröude sint,
- unde bete, s6 man saget,
- under den kinden eine maget,
- ein kint von abte jären.
- daz künde wol gebären
- 305 s6 rebte güetlicben:
- diu wolte nie entwtcben
- von ir berren einen fuoz;
- umbe sine bulde und sinen gruoz,
- so diente si ime alle wege
- 310 mit ir güetlicben pflege.
- si was oucb s6 genseme, *i •- -- •
- j /daz si wol gezseme
- ze kinde dem riebe
- an ir wsetlicbe.
- 803. Heidelb. Kol. Wol von zwelf iaren
- fV
- 314. /S^ras85. werliche,
- Heidelb. mit schöner wetliche oder werliche, Kol. mit schöner wertliche
- 297. beUen zwingen, führen;
- leben, leiten, lip beiten: lip erbei-
- ten [anstrengen; zu sich erbeiten,
- nSich anstrengen, hemühen, abhär-
- ten** Belege hei Lexer. erbeiter lip
- „abgehärteter, an Anstrengung ge-
- woehnter Körper**.]
- 298. werben eine Kreislinie be-
- schreiben: sichnmthun, thsetig sein.
- 301. 80 man saget, so man seit
- Bekräftigung dorch Bemfnng auf
- die Ueberliefdrnng, häufig im £rec,
- im Greg, und Iw. nirgend.
- 802—803. kint Tochter, maget.
- Iw. 4470 ich hän ein tohter, ein
- kint: daz ist ein harte schceniu
- mögt. Der Doppelsinn ist hier
- von Bedeutung.
- 304. gebären sich benehmen:
- Gebserde.
- 305. gHetlich, guotlich adj. s.
- V. a. guot^ freundlich 310. 349;
- adv. auch 1491.
- 307. Vgl ne — pas [Gr. III,
- 748.]
- 311. gen(sme schoen: 124.
- 312. geziemt hätte.
- 313. Gothisch reiks Kcenig, reiki
- Reich: ahd. (mhd.) richi beides:
- Koenig LB. 256, 4 dar scal er
- vorra demo rihhe az rahhu stan-
- tan, vor dem Kaiser: der Kaiser
- das Hoechste auf Erden und oft
- wird das Wott zur Bezeichnung
- desselben gebraucht : Walth. 82, 21
- [L. 15, 35] Do er den tievd do ge-
- 72
- 315 Die andern heten den sin,
- daz si ze rehter mäze in
- wol gemiden künden:
- do flöcli st zallen stunden
- zuo ime und niender anders war. ^ni^'^u-f
- 320 si was sin kurzewile gar. ^rvu>t «^rtw^^
- st hete gar ir gemüete
- mit reiner kindes güete
- an ir herren gewant,
- daz man st zallen ztten vant
- 325 under ir herren fuoze.
- sus wonte diu suoze (^'>n^>xl
- ir herren ze allen ztten bt.
- dar zuo liebet er st,
- swä.mite er ouch mohte;
- 330 und daz dem kinde tohte ^^^ liL.&jilS^^
- ZJL C^ L ^ ^>- ^^^ 'vvw
- ^
- — r f
- 330. Stra^BhS^xA das kinden wol dohte, Heidelb, Köl, daz der meide tochte
- schände daz nie heiser haz gestreit
- J. Grimm, kl. Schriften 1, 336.
- 314. wät : watltch schoen. Erec
- 8291 diu -swachest under den w%-
- ben, diu zierte wol ein riche mit
- ir watliche,
- 316. mit Beobachtung des schick-
- lichen Maasses, so dass sie ihm zwar
- nicht zu nahe kamen, aber sich auch
- nicht gar zu auffällig ferne hielten.
- 318. do Gegensatz: 146.
- 320. kurze Zeit; Zeitkürzung,
- Kurzweil.
- 325. ihrem Herren unten zu
- Füssen ? Vgl. 88. Beaflor 237, 13
- under die meze er im viel. — Aber
- zu erklaeren aus 462.
- 326. wonen bleiben , sein: bi
- oder mite wonen mit Dat. nahe
- sein, ausharren bei, zugehoeren:
- 594 mir wont iedoch diu witze
- M. — suoz neben siieze wie hart
- neben herte, vast, gäch, swär, war,
- Tcunt u. s. f. Die einsylbigen For-
- men sind meist die selteneren. Reim.
- süeze passiv lieblich, angenehm;
- activ freundlich. Auch von Men-
- schen, auch von Gott wird das
- Wort gebraucht : ersteres hier und
- 480, letzteres 348 von gotes gebe
- ein süezer geist; 1360 got — durch
- sinen süezen list. Oft ist es un-
- gewiss, ob activ oder passiv. Subst.
- süeze Süsse, Annehmlichkeit 87.701.
- 328. lieben transitiv zu Hebe,
- Freude machen, Freundlichkeit er-
- weisen: 975 ir hänt uns vil verre
- geliebet und geeret. [Vgl. Lachmann
- z. Iw. 4194.]
- 330. tohte diente oder ange-
- messen war : 13. Der Plur. kinden
- würde tohte, also auch möhte for-
- — 73 —
- zuo ir kintlichen spil,
- des gap der herre ir vil.
- ouch half in s§re, daz diu kint
- sö lihte ze gewenenne sint.
- 335 er gewan ir, swaz er veile vant,
- Spiegel unde härbant,
- und swaz kinden liep sol sin,
- gürtel unde vingerlin.
- mit dienste bräht ers üf die vart,
- 340 daz si im also heimlich wart,
- daz er si sin gemahele hiez.
- diu guote maget in liez
- V
- l '. C "
- 337. HSS. solte, scholde
- Heiddb. Koh gemale
- därn. In beiden Texten ist wegen
- dem ir 331 geändert. Aber z. B.
- Iw. 2890 ein wtp, die man hat
- erkant in diso stiBtem muote ; 4615
- ein wip , diu sere sorget umb ir
- ere; Büchl. 2, 518 von etslicheni
- vnbe, vü siUzer an ir libe, diu etc.
- Kint männlich: Mose 63, 35 [bei
- Diemer 90, 36] duo daz chint
- (Joseph) chom muoder (: bruoder).
- 331. ir, weil kint weiblich dem
- Sinne nach.
- 333. helfen mit dem Acc. nnd
- (gewcßhnlich) Adv. niht , waz n.
- dgl. nntzen. Sprüchwort Iw. 3321
- nu erzeicte der töre zehant, daz
- der töre tmd diu kint vil Uhte ze
- wenenne aint (Kinder nnd Narren
- sprechen die Wahrheit). Hier ist
- ans richtigem üefühle der Narr
- w^gelassen.
- 335. gemnnen anschaffen, kau-
- fen 444.
- 336. härbant Wigamnr 2702.
- 4926. Bintiska 1, 374.
- 341. Strassb, immer gemahel,
- 338. vingerlin Dintiska 1 , 389 fg.
- 339. üf die vart dahin, so weit :
- mit komen nnd bringen,
- 340. heim Hans : heimelich, heim-
- lich einheimisch y familiaris, ver-
- traut, geheim.
- 341. mahelen sprechen (gericht-
- lich, rechtlich); verloben: Willi-
- ram HL. 53, 14 in sinemo mahel-
- tage, dö er imo selbem^ mahelta
- mit demo mdemen sines heiligen
- bluotes die ecclesiam, Gemahele
- Verlobter , Verlobte , Bräutigam,
- Braut: so hier. Aber auch schon
- im ahd., da Verloebniss und Ehe-
- abschluss ursprünglich eins waren
- (s. Z. f. d. A. 2, 548 fgg.) , hat
- es die Bedeutung Gatte nnd Gat-
- tin, wie umgekehrt brüt auch s.
- V. a. Eheweib. — Gemahele ist
- der Regel nach schw. (1446).
- Hier ist es unflectirt: gleichsam
- angeführter Vocativus. So öfter bei
- heizen: (s. mhd. Wb. I, 658 fg.)
- LB. 498, 16 ir heizent mich meister
- - 74 —
- CXA^
- WWW.
- beliben selten eine:
- er dühte si vil reine.
- 345 swie starke irjäaz geriete ^ • ^
- diu kindische mi^te,
- iedoch geliebte irz aller meist
- von gotes gebe ein süezer geist.
- Ii- dienst was sd güetlich.
- 350 diS d6 der arme Heinrich
- driu jär da getwelte ol^<\^L^^^^
- nnde ime gequelte
- cL«,
- r-
- iSC'wC^*^!
- \ o.
- CU.
- cj
- 352. Strdssb, Unn in got gequelte, Heidelb, Kol, got vil sere quelte.
- und herro; Parzival 303, 16 ich heize
- herre einen man, von dem ich
- manec urbor hän; Walther 39, 3
- [11, 11] daz wir in hiezen herre
- unde vor im knieten ; Gudrun 564, 3
- wan si in da hiezen herre. Suchen-
- wirth 31, 116 er rait also verre,
- daz mxin in nimmer haisset herre,
- Flore 4051 do ich ^ min amie
- hiez; 4505 die maget man beginnet
- heizen frouwe; Reinke 1, 7 IFeber-
- schrift %mde Brunen mit vrunt-
- liken worden wilkome het. — Eben-
- so bei nennen: Parz. 280, 9 der
- sich der rUer rot nante; 397, 6
- sin tohter er dö frouwe hiez; W.
- Wh. 181, 17 man sol mich ein
- zage mtne kunftUche tage dar nach
- immer nennen, schelten: Rosen-
- garten 1739 swie so daz du mich
- sehntest verzageter Dieterich. Noch
- Luther, Buch der Richter 6, 24'
- Da bauete Cfideon daselbst dem
- Herrn einen Altar und hiess ihn :
- Der Herr des Friedens. Ev. Lucas
- 6, 46 Was heisst ihr mich aber
- Herr Herr (xvgie, xvgis); Ev^
- Johannes 13, 13 (wie oben) ihr
- heisset mich Meister und Herr
- (gr. Nom., lat. Voc.) ; 1. Petri 3, 6
- Wie die Sara Abraham gehorsam
- war und hiess ihn Herr (xvqiov);
- Hosea 2, 16 Alsdann wirst du
- mich heissen mein Mann, und mich
- niht mehr mein Baal Tieissen. Vgl.
- auch Kellers Fstnsp. ü, 947.
- 343. selten = nie.
- 345. starke sehr, geriete Con-
- junctiv abhängig von swie.
- 346. miete Belohnung 644 ; Be-
- zahlung; Beschenkung: so hier; Be-
- stechung : und zwar für geschehene
- und noch erwartete Leistungen.
- 347« lieben transitiv zu liep,.
- liep machen: 15.
- 351. tweln transitiv verzagen,
- aufhalten; intransitiv zagen, sich
- aufhalten, weilen.
- 352. Die Strassburger Hs. führt
- zunächst auf : unde im got gequelte
- [so in der 1. Aufl. und bei Haupt].
- Besser wird man lesen unde ime
- gequelte oder unde er ime gequelte,
- so dass im den lip s. v. a. sich:^
- vgl. den Up Nib. 667, 2. öreg.
- 2510. Echr. 4901 der man wol
- — 75 —
- mit grözem jämer den lip,
- nü saz der meier und sin wtp
- 355 unde ir tohter, diu maget,
- von der ich iu % hän gesaget,
- bt im in ir unmüezekeit
- und begunden klagen ir herren leit.
- diu klage tet in michel ndt:
- 360 wan si vorhten, daz sin tot ^ju^^^^-y^
- si s^re solte letzen
- und vil gar entsetzen twc^^. :^v^
- 6ren unde guotes,
- und daz herters muotes
- 365 würde ein ander herre.
- da wint des im der lip gerte;
- Nib. 806, 2. Walther 95, 9 [L.
- =: 94, 12 W.] wan ein wunder-
- aUez mp, diu getroste mir den
- Up; Nib. 2048, 2. 1090, 4. 1203, 3.
- 1460, 3. Gudrun 637, 2. Up steht
- noch müssiger Greg. 724. 1046
- nu enlie sin ungetoizzen toip nie
- geruowen ir Up von tägUcher
- trage, jämer ist der Schmerz, den
- man von sich selbst empfindet,
- Herzeleid, nicht ein von aussen
- ' her angethaner Schmerz : 875. 911.
- 930. Und queln wird gewoehnlich,
- auch von Hartmann so rückbezüg-
- lich gebraucht: Leid und Klage
- haben. Erec 8095 wie du queltest
- amen Up, oh du möhtest wizzen
- ^ HDcH, vjaz dir hie geschehen soll
- 6140 dö gehörte er daz vnp mit
- ruofe guelen ir Up, 8325 tvie
- dise edelen frouuoen mit jämer
- qudewt den Up, Wig. 127, 13 war
- urnbe qüelt ir iuwern Up? waz
- leides ist iu hie geschehen ? Tristan
- 81, 19 sus quelte daz vil süeze
- wip ir jungen schanen suezen lip
- mit alsd klageUcher not. Mone
- Altdeutsche Schauspiele 140 daz
- du so quelst den Üb din. Vgl.
- auch Gudrun 927, 1 ritter unde
- meide quelten dö den Up, Ruther
- 3814 Dar stat rotheres mf vnde
- quelit den erlichin lif 3842 Bi
- deme saz rotheres wih vnde qudlite
- ir lib. Wernher Marienleben 153, 9
- [424] harte quelte si ir Up. Und
- so ist qUfCln noch öfter mit Up
- verbunden; aber auch einfach mit
- dem reflexiven Fürworte: Trist.
- 67, 5 ach süeze mttoter: toie du
- dich mit klage nu quelst, daz weiz
- ich wol; Silvester 965 vast unde
- j(BinerUclie queln sach rmin sich
- die vil armen, [Es ist wohl zu
- lesen (mit B 353) und im got ge-
- quälte mit grözen seren sinen Up,]
- 359. that ihnen Noethigung an,
- war nothwendig, sie mussten wohl
- klagen.
- 361. laz, lass: letzen hemmen,
- verhindern, berauben, schädigen.
- — 76
- wCy-^»«. ^ a
- ■+•*"»
- < *■* •■»»
- si gedähten als6 verre,
- U^ anz dirre selbe büman
- alsus fragen began.
- Er sprach , lieber herre min,
- 370 möht ez mit iuwern hulden sin,
- ich frägete vil gerne :
- so vil ze Salerne
- von arzenien meister ist,
- wie kumt, daz ir deheines list
- 375 ze iuwerme ungesunde
- niht geraten künde?
- herre, des wundert mich.*
- dö holte der arme Heinrich
- tiefen sfift von herzen
- 380 mit bitterlichem smerzen;
- mit solher riuwe er d6 sprach,
- daz ime der süft daz wort zerbrach.
- 367. Strassb, Bitze daz, Heidelh. Köl, Daz 379. Besserung
- Haupts: Heidelh, Kol, Einen t. sanfz (snftzj, Strassb, Tieffen siufzen
- 382. Besserung Haupts: Strassb. siußse; Heidelb, u. Kol. ändern sonst.
- 366. so lange. Sonst wie verre
- allein, auch also verre, s.v. a. sehr:
- 928. 974. 1073 ; also verre 1000.1 112.
- 370. hulde zu holt, Geneigtheit,
- Erlanbniss, Ergebenheit: mit iur
- wem hulden mit eurer Erlanbniss :
- an iuwern hulden 684. bt iuwern
- hulden 1138. Dnrch die Form des
- Plnrals tritt eine Belebung d^s Abs-
- tractums ein. Meleranz 1932 fg.
- möht daz in iuwern hulden sin,
- ich wolt iuch gerne fragen etc.
- 372. Da, da doch. Iw. 2346.
- Walther 138, 6 [62, 9]. Beaflor
- 229, 25 so sere si wären verstricket
- in irjären mit liebe und mit muote,
- alhie diu süeze guote M ir lieben
- Wirte saz, daz si im niht sagete daz.
- 373. meister Genitiv , Subject
- ist vil wie aus dem ist hervorgeht.
- 375. gesunt (adj. sc. lip) 1153.
- 1495.
- 377. Eine Nachahmung der
- Sprechweise niederer Leute? Bone-
- rius 82, 40 wenn ir singent so gar
- herlich, so ist iuwer stimme gelich
- der stimme die min esel hat: so
- manent ir mich üf der stat an
- minen esel. herre min , mich
- wundert, wie daz müge sin,
- daz iuwer stimme so gelich mis
- esels ist; daz wundert mich.
- 379. siufte, siufze; süft 382.
- 474. u. a.
- 381. riuwe Betrübniss nicht
- bloss über selbstgethanes, sondern
- — 77 —
- k
- W'N.
- ,Ich hän disen schemeliclien spot
- vil wol gedienet umbe got.
- 385 wan du saehe wol hie vor,
- daz höh offen stuont min tor
- nach werltlicher wünne,
- und daz niemen in sime künne
- sinen willen baz hele dan ich;
- 390 und was daz doch unmügelich :
- wan ich enhete niht gar. iw o A
- d6 nam ich sin vil kleine war,
- der mir daz selbe wunschleben
- von sinen gnaden hete gegeben.
- 391. Strassb. niut vil gar, Heidelb, Kol, Minen willen hat ich
- mit vrowen gar
- sc->'\v\- --^-^i '■ t '
- v\.
- ..-^' k
- f\\ *.'!•»*■
- ^-\v*.- V
- Wt--w.- I ^
- überhaupt geschehenes. Noch öfter.
- [477. 501. 1002.]
- 383. schemelich schämenswerth,
- schmsehlich , schändlich : scheme-
- Ikhe not 456. spot Schmach :
- „Schande und Spott**, [vgl. Iw.
- 4501 fg. hob ich den lästerlichen
- spot verdienet iender umbe got,]
- 384. dienen, gedienen transitiv
- verdienen : 286. — umbe vor der
- betheiligten und zurückwirkenden
- Substanz, bei, gegenüber, von : wir
- sagen noch „verdienen um**.
- 386. höhe — Das Bild herge-
- nommen vom Fallthor einer Burg ?
- Oder nach Psalm 23, 9 Attollite
- portcis, principes, vestras, et ele-
- vamini portee (ßternäles, et in-
- troibit rex gloria ; Prov. 17,
- 19 qui exdltat ostium, quaerit
- ruinam,
- 387. in Erwartung: 1166 da
- von so sol ich disen tot hdn für
- eine siiezenndt nächsus gemssem
- Um,
- 391. (vgl. 399) Der Hardegger
- MS. 2, 135» „Biz guot ist min
- und teil ez ouch eigenllche hän"
- daz ist ein wort gemeine und
- triuget doch vil inanigen man
- etc. Dietmar der Setzer ebd.
- 174* lÄp unde guot daz ist von
- got ein lehen. Herzog Ernst 2
- süt dirre werlde freude ist — ein
- lehen unde unstteter kouf. Frei-
- dank 74, 19 Ezn hat nietnan eigen-
- Schaft, niuwan got mit ^ner kraft :
- lip, sele, ere unde guot, deist dllez
- lehnen, sme man tuot. Martina
- 123, 41 fgg. lehenmMn: Nikolaus
- von Basel S. 16; vgl. Erec 10085
- fP. — gar ist nachgestellt wie 320 si
- was sin kurzemle gar,
- 392. kleine adj. zum subst. war
- Acht, Aufmerksamkeit; war nemen
- nicht: wahrnehmen, sondern Acht
- haben, kleine s. v. a. keine: adv.
- kleine s. v. a. nicht: 697 daz ich
- üfdiz brcede leben ahte harte Meine,
- Ebenso lützel und selten.
- U ti
- 78 —
- 395 daz herze mir d5 also stuont,
- als alle werlttOren tuont,
- den daz saget ir muot,
- daz si gre unde guot
- äne got mügen hän.
- 400 sus troug euch mich min tumber wän,
- wan ich in Ifitzel ane sach,
- von des genäden mir geschach
- vil eren unde guotes.
- d5 d6 des höhen muotes
- 405 den höhen portenaer verdröz,
- die sselden porte er mir beslOz,
- da knm ich leider niemer in:
- daz verworhte mir min tumber sin.
- got hat durch räche an mich geleit
- 410 ein sus gewante siech eit,
- die niemen mag erloesen.
- 396. alle von der Welt be-
- thoerten. Correcter: als ez allen
- werlttören tuot 136 daz er der
- werlte mderstitont, als alle dne
- glichen tuont; Verrückung des
- Snbjects in der Vergleichnng : Ruol.
- 183, 4 daz her allenthalben vor im
- swant, sam der sunne tuot den sni,
- 397. 764 anders hat mir min
- muot verjehen.
- 398 fg. Walther 8, 17 [8, 14]
- fgg. diu zwei sint ere und varnde
- guot, daz dicke einander schaden
- tuot; daz drite istgotes hui de,
- der zweier iibergulde, diewolteich
- gerne in einen schrtn. ja leider
- des enmac niht dn, daz gu>ot und
- werltlich ire und gotes hulde mere
- zesamen in ein herze kommen,
- 405. Die Strassbnrger Hs. hat
- hedroz : hedriezen anch (rreg. 2000;
- hedröz: beslöz ein Reim der Art,
- wie die von W. Grimm zur öe-
- schicbte des Reimes 83 fg. be-
- sprochenen; vgl. 1115.
- 405 fg. "Geber Der Salden tor
- s. [Wackernagel] Z. f. d. A. II,
- 535 ff.; zu den dort angefahrten
- Stellen noch MSP. 58, 37 stron«
- im diu porte ist vor verspart,
- 408. 639 ja toütü aXlez din
- heil an uns vertoürken wider got,
- 409. rechen strafen ; räche Strafe
- öfters so von Gott gebraucht, an
- mich geleit: ligen an einem eigen
- sein und sich an ihm zeigen : legen
- an einem zu eigen geben und an
- ihm erweisen.
- 411. erlcesen von der niemand
- frei machen kann (Elranke erloesen :
- Greg. 3606). Helj. 2110 (64,14) «Äan
- is san thiu lefhed losot. Heilen
- Kranke und Krankheit vgl. So-
- phokles, Oedipus Tyrannus 813 fg.
- — 79 —
- I VA<.% ^« V «>
- nü versmsehent mich die boesen;
- die biderben ruochent min niht.
- swie boese er ist, der mich gesiht,
- 415 des b muoz ich dannoch sin:
- sin unwert tuet er mir schin;
- er wirfet diu ougen abe mir.
- nü schinet grste an dir
- diu triuwe, die du hast,
- 420 daz du mich siechen bt dir last
- und von mir niht enfliuhest.
- swie du mich niht enschiuhest, ^ci.
- swie ich niemen liep si danne dir,
- swie vil dtns heiles st@ an mir,
- 425 du vertrüegest doch wol minen tot.
- nü wes unwert und wes n6t
- wart ie zer werlte merre?
- 412. Strassb. versmahent, Heidelb, Kol. nu versmahe ich den b.
- 423. Besserung Leichmanns: Strassb. Vnd swie, Heidelb. Kol. Wie
- gerne daz ich si bi dir
- » 1-1
- 412 ig. Hiob|19, 13 fL
- 412. Anch Hartmann braucht
- versmahen nur intransitiv; Erec
- 9005 d(M dühte in tosrlich getan
- und wölde im versmahen (: gähen).
- Bücmein 1, 420, (enphMen:) lä dir
- nM versmahen nun dienst und mine
- friuntsohaft; 114f daz im rät ver-
- smahetOgähet) ;Mw. 4651 iusolte
- versmähen daz gemeine nächgähen.
- 413. Ahd. bidarbi ; biderbe^
- bieder; bedSrben gebrauchen. Zn
- darben {ri^neip) brauchen : brauch-
- bar, nütze; von Personen tüchtig,
- brav: vgl. frum.
- 414 fg. boese 412 schlecht, ge-
- ring [vgl. Benecke z. Iw. 38]. Er
- findet und nennt mich noch boeser.
- Freidank 89, 5 Stoie bceslkh ieman
- hat getan, er wil doch sinen
- boesern hän. MSF. 22, 35 Der
- muoz ouch mir der boeser sin.
- 416. unwert Verachtung pass.
- 426. schtn 112.
- 418. scMnen, schtn werden, nü
- erste nun erst recht, nun, so wie
- noch nie, wie sonst nicht mceglich :
- 1296 nü bin ich älrest tot.
- 419. Häufung wie 20 siner
- arbeit, die er daran hat geleit.
- 424. auf mich begründet sei,
- auf mir beruhe.
- 426. nü vor Fragen : 1027 Nü
- wer m>ohte volgesagen die herzeriuwe
- und daz klagen?
- 427. eigentlich merre (inerere)
- und h^rre. Aber Hartmann ge-
- braucht herre: verre 365 u. a.
- — 80
- hie vor was ich dtn herre
- und bin dln dfirftige ntl, ötiv^^v vtM^
- 430 min lieber friunt, nä koufest du
- und mtn gemahele und diu wtp
- an mir den Swigen Hp,
- daz du mich säechea bt dir last.
- des du mich gefräget hast,
- 435 daz sage ich dir vil gerne.
- ich kan ze Salerne
- keinen meister vinden,
- der sich min underwinden
- ii tX- cCUc-aj' getörste oder wolte.
- " 440 mit der genist ich solle
- 43G. 437. Straggb. Ich kam zao s. Do knnde ich kein m., Heidelb.
- Kol. ichiL kottde zu %. Einen m. nirgen v. 440. Heidüb. Kol.
- g, der ich, Strassb. wan do mit iah
- -v^tXv.—
- [ ; werre, gewerre;
- Erec. 5Ö75. 8762. 8832.
- verre kommt im Er. 36 mal, im
- Iw, 31 mal vor.] Ebenso ist anch
- merTe gekürzt Merre gtaamr:
- 1406 fts enwart nie fröude merre ;
- meiste grcesste: 709. 1164.
- 429. dürßige Bettler^ dürfti-
- gimie. Ebenso arme, blinde, heir
- lige, sieche, üumbe, tumbe, vAse
- Q. a. [ygl. Benecke z. Iv. 6403.]
- 430. koufen erwerben, verdienen
- wn .' 662 daz kaufest an wns beiden.
- 436. hon ist gefordert dnrch
- den pnesentischen Gang, den die
- Eede bis 444 nimmt. (Nibelnngen
- 14, 3). Ze Salerne wie 372. 852.
- nnd 1018. Lachmann, Iwein S.
- 514 ['505, zu 3873*)] verlangt Z.
- 436 und 1018 zw» : ieh künde zm
- Sälerfie und und bereit si(3\ zuo
- Säieme. Freilich ist ze nicht zn
- betonen (Warnm aber nicht? Wei-
- ther 77, 6 armmati ei der werlti
- (Lachmann [13, 10] gegen die Hss.
- zuo)\ 27, 13 werben zi der mül
- (Lachmann [65, 13] gegen die Hes.
- zuo); Greg. 3619), vielmehr mit
- Salerne zu verschmelzen: ehsnsc
- samne oft genng nnd hm Hartmann
- selbst: Erec 812. 816. 9084. Bnchl,
- 1, 908; im Zäricher RichtbHef n.
- a. Zürich, d. h. ze Zürich; Zo-
- vingen Weiathümer 1, 181.
- 438. underwinden reflexiv mit
- demOen.der Sache oderFenion : übet
- sich nehmen wofür zu sorgen mit
- Thua oder Leiden, sich annehmen.
- 439. tar, getar, turren (impf.]
- den Mnth haben, sich anterstehen;
- dürfen, rr ist ans rs entstanden:
- tarste, turst Kühnheit: gr. Sä^aos.
- 440. Das Substantiv ist in den
- Adjectivsatz gezogen wie 183; Iir.
- — 81
- miner sühte genesen,
- daz müeste ein solch sache wesen,
- die in der werlte nieman
- mit nihte gewinnen kan.
- 445 mir wart niht anders da gesaget,
- wan ich müeste haben eine maget,
- diu vollen hibsere
- und euch des willen wsere,
- daz si den tot durch mich lite
- 450 und man si zuo dem herzen snite,
- und mir wsere niht anders guot
- wan von ir herzen daz bluot.
- nü ist genuoc unmügelich,
- daz ir deheiniu durch mich
- 455 gerne lide den tot.
- des muozjch schemeliche not
- tragen unz an min ende.
- daz mirz got schiere sende!*
- 446. Besserung Haupts: Strassb, Wan daz ich m. han, Heidelh,
- KoL ich Bolde haben 447. Strassb, die volle manbere; Heidelb,
- KoL Die in dem willen were daz si niht verbere: vgl. 225,
- 6347 wir niüezen rnorne an tu
- gesehn, der [gesehn den bei Lach-
- mann; vgl. die Anm.] jämer unz
- an dise vrist , an nianegem
- hie geschehen ist; Veldeke MS.
- 1, 37^ [MSF. 62, 29] so haben ir
- willen die vögele da singen [«tio
- xoiyov s. Haupt z. Er. 5414];
- Hahns Stricker 13, 32 dem glichet
- der ungehiure , der tiufel in
- dem fiure und in der helle hat ^n
- wesen; Gr. Rudolf 27, 6 in der
- nacht sie dö wolden sich heben
- — von der kemmenatin, daz golt
- sie ZV samene trvgen; Nibelungen
- 359, 5 für alle di si körnen, di
- muosen in des jehn. [Man wird
- mit Haupt nach A lesen müssen
- wan da mite ich solte ; 183 ist
- auch einfacher: Er fand da den
- besten Meister. Dieser . . .]
- 441. ebenso nhd. eines Kindes
- genesen.
- 450. in sie schnitte, um an das
- Herz zu gelangen: 1092 ich snide
- dich zem herzen und brich ez le-
- bende uz dir,
- 453. gemässigter Ausdruck einer
- stärker gemeinten Steigerung: 1147
- genuoc tiure; 1172 gnuog unwan-
- delbare; auch Nachstellung des
- genuoc findet sich wie nhd.
- 458. vgl. Freidank 156, 3 got
- schiere uns daz sende.
- 6
- — 82 —
- ''i ^ - ^ U'i*^ Kiwi ^
- C\ lAMiVt - av
- t^TT
- Cm-iv uUV-
- Daz er dem vater hete gesaget,
- 460 daz erhörte euch diu reine maget :
- wan ez hete diu vil süeze
- ir lieben herren füeze
- stände in ir schözen.
- man möhte wol genözen
- 465 ir kintlich gemüete
- hin ze der engel güete.
- siner rede nam si war
- unde marhte si euch gar;
- si enquam von ir herzen nie,
- 470 unz man des nahtes släfen gie.
- dö si zir vater füezen lac
- und euch ir muoter, so si pflac,
- und si beide entsliefen,
- manegen süft tiefen
- 475 holte 81 von herzen.
- umbe ir herren smerzen
- iic^ \iciL. wart ir riuwe also gröz,
- daz ir ougen regen begöz
- der släfenden füeze.
- 480 sus erwahte si diu süeze.
- ^U^tJu^VlTL
- 474. Besserung Haupts: Kol. softz, Heidelh, sun£s, Strassb, siufzea
- 480. So Lachmann; Br, Grimm sus erwache te sie: Strassb, fehlt si,
- Heidelb. Kol» do erwachten die snzen
- 460. vgl. nhd. unerhcert.
- 464. genoz gleich irgend worin;
- genözen gleich stellen, verglei-
- chen.
- 468. merkte sie sich.
- 472. ländlich einfach, am
- Fnssende des elterlichen Bettes:
- 479.
- 478. 1415 daz im daz lachen
- begöz der regen von den ougen
- und oft. [Er. 8320 der ougen regen;
- 8659 der regen ir von den ougen
- flöz ; Greg. 42 der ougen regen
- vloz nider üf die bettewät ; 3311
- der ougen flöz regens tm ir wät
- begöz ; 3501 siner ougen ünde da-
- zu dann auch A. H. 518. Vgl.
- Schmuhl a. a. 0. 7].
- 480. erwecken erwahte wie
- decken dahte, merken marhte;
- — erwachen erwachete erwachte
- 482.
- 83
- A / ,
- D6 sl der trehene enpfunden,
- si erwachten und begunden
- si fragen, waz ir waere
- und welher hande swsere i- \ c : r
- 485 Sl als5 stille möhte klagen.
- nu enwolte si es in niht sagen.
- und dö ir vater aber tete
- vil manege drd unde bete,
- daz si ez ime wolte sagen,
- 490 Sl sprach „ir möhtent mit mir klagen.
- waz möht uns me gewerren
- danne umb unsern herren,
- daz wir den suln Verliesen
- und mit ime verkiesen cuv- r : u,.
- 495 beide guot und §re?
- wir gewinnen niemer mere
- deheinen herren als6 guot,
- der uns tuo, daz er uns tuot.*'
- Si sprächen „tohter, du hast war.
- 500 nü frumt uns leider niht ein här
- unser riuwe und din klage.
- liebez kint, da von gedage. S c^n
- 1 /- " •:
- . t
- /(.:
- 481. trähen, trehene, — enp finden
- (entvinden) nicht mit dem Acc,
- sondern gleich andern Zeitwörtern,
- die solch eine geistige oder seeli-
- sche Thsetigkeit bezeichnen, mit
- Gen. cans.
- 483. euphemistische Kürze: was
- ihr übles geschehen wsere; nhd.
- was ist dir?
- 491. werten (zu wirs 9) tr. ver-
- wirren, intr. mit dem Dat. stoeren,
- hindern, schaden^ verdriessen.
- 492. unibe gegenseitige Be-
- ziehung: in unserm Yerhäitniss
- zum Herrn; 897 ez möhte in
- { V
- umbe ir herren vil harte wol ge^
- werren.
- 494. kiesen waehlen, sehen : ver-
- kiesen wegsehen und nicht er-
- wählen ; verachten, verzichten, ver-
- zeihen.
- 499. war Substantiv : für war,
- ze wäre, war haben die Wahrheit
- gesagt haben, Recht haben; —
- wahrhaft. ^•
- 500. Versinnliohung der Ver-
- neinung; vgl. 1101 geriuwet ez
- dich häres breit; 1196 si schämte
- sich niht häres groz, [Anm. zu
- 1082.]
- — 84
- VtA
- \ V >*
- ez ist uns. also leit so dir.
- leider, nü enmuge wir
- 505 ime ze keinen staten komen.
- got der hat in uns benomen:
- het ez i^men anders getan,
- der müeste unsern fluoch hän.*
- Alsus gesweigten si sl dö. Su
- 510 die naht bleip si unfr^
- und morne allen den tac.
- swes iemen anders pflac,
- diz enquam von ir herzen nie,
- unz man des andern nabtes gie
- 515 slä^fen nach gewonheit.
- d^ si sich hefe geleit
- an ir alte bettestat,
- si bereite aber ein bat
- mit weinenden ougen:
- 520 wan si truoc tougen
- nähe in ir gemüete
- die aller meisten güete.
- .-'» V'k » «■* * «v
- I
- 6^ C - Ol % ^iV.
- 505. State passlicher Ort oder
- Zeitpunkt, gnte Gelegenheit (stunde
- und State machet diebe) ; Hilfe:
- ze staten kotnen, auch mit per-
- soenlichem Snbject.
- 509. swige sweic : geswetgen
- Ö55. 591.
- 511. nwrgene, morne, morgen,
- morn morgen (heute), und naechst-
- folgender Tag : morne den tac wie
- 526.
- al nicht die Gesammtheit vieler
- gleichartigen Substantive, sondern
- eine einzige in der Gesammtheit
- ihrer Theile: ganz.
- 515. diu gewonheit, dass sie zu
- ihrer Eltern Füssen lag: 471 fg.;
- 517.
- 517. Stelle im Bett.
- 518. netzte mit Thrsßnenstroemen
- die Füsse der Eltern: 478 fg. von
- sinen trehenen wart ein bat MSF.
- 131, 7. Winsbecke 64, 1 uz ougen
- muoste er wangen baden Wins-
- beckin 17, 10 du muost diu wange
- üz ougen baden. Winsbecke 73, 4
- man sach si dine füeze beuten mit
- zähem für der Sünden scheiden.
- 521. eng eingeschlossen , fest
- und tief: Walther 107, 17 [114, 19]
- 8Ö hän ich ouch im vil nähen
- in mim herzen eine stcU gegeben.
- MSF. 154, 11 und ich die lieben
- äne mäze minne, näher dan in
- dem herzen mm. Ulrich von Lich-
- lenstein, 45, 16 wie nähen ich
- — 85 —
- a * s>u
- die ich von kinde ie vernam.
- welch kint getete euch ie alsam?
- 525 des einen si sich gar verwac, ^
- geleo^tes morn^ den tac,
- daz si benagen ir leben
- umbe ir herren wolte geben.
- Von dem gedanke wart si d6
- 530 vil ringes muotes unde frd
- und hete deheine sorge me.
- wan ein vorhte tete ir we,
- s6 siz ir herren sagte,
- daz er dar an verzagte, ?
- 535 und swenne siz in allen drin
- getaete kunt, daz st an in
- der gehenge niht enfunde,
- daz mans ir iht gunde. ^^'^
- Des wart s6 gröz ir ungehabe,
- 540 daz ir vater dar abe
- O-t ^4.v*-
- \.-.
- A
- / I c--^ —
- ^•^^ C-^ V, f i
- .1
- v-t-\
- 532. Besserung Haupts: Strassh. eine vorhte die tet, Heidelb,
- Kol, eine klage die tet
- si hcm getragen nu lange in
- mtnem muote,
- 523. 584 dun quceme nie in
- leider loch; 920 ichn gesüme iuch
- niemer tac,
- 525. verwegen reflexiv mit Ge-
- nitiv: sich anf die Glückswage
- legen, sich wozn entschliessen :
- nhd. Participinm Perfecti verwegen.
- [1. betoac nach Hanpt z. Er.
- 2965.]
- 526. geleben erlehen.
- 527. benamen mit Namen, um
- es ausdrücklich and nachdrück-
- lich zu sagen, namentlich, vor-
- . züglich, fürwahr, gewiss : 1248.
- ^[„Es ist ein Liehlingswort
- Hartmanns** s. Benecke z. Iw.
- 154.]
- 530. ringe leicht.
- [534 dar an verzagen s. Benecke
- z. Iw. 1400.]
- 537. hengen die Zügel hangen
- lassen, freien Lanf gehen; zu-
- geben, geschehen lassen: gehenge;
- verhengen (die. Zügel verhän-
- gen): Verhängniss göttlicher Zu-
- 538. gan gestatte: 628 u. ö.
- 539. gehaben reflexiv sich be-
- finden und benehmen (gehab dich
- wohl: vale); gehabe Haltung, Be-
- nehmen, Aussehn; ungehabe übles
- GebsBrden, Klage, Leidwesen.
- — 86 —
- unde ir muoter wart erwaht
- als ouch an der vordem naht.
- st rihten sich üf zuo ir
- und sprächen »sich, waz wirret dir?
- 545 du bist vil alwaere,
- C/ift,^ dAK cic^ ^fv^it^ ^gy^ ^g ^jßlj g5 manege swsere
- a.^;:- u. w \^ Ivtx ^u^ von solher klage hast an genomen,
- K ,. ^ der niemen mac zeim ende komen.
- r war umbe lästü uns niht släfen?*
- ■i
- 550 sus begunden si st strafen;
- waz ir diu klage töhte,
- die niemen doch enmöhte
- verenden noch gebüezen?
- sus wänden st die süezen
- 555 gesweigen an der selben stunt:
- d6 was ir wille in vil unkunt.
- i^M:^
- 546. dich] Heidelb. Kol, dir, fehlt Strassb.
- zem, Heidelb. Köl, zu
- 548. Strassb.
- 544. sich lebhafte Anrede und
- Gegenrede.
- .545. cUwcere ganz wahrhaft;
- einfältig, albern: 1169.
- 546. -^ Hartmann gebraucht im-
- mer nnd die Anderen gewoehnlich
- an nemen mit doppeltem Accnsativ,
- Person von an, Sache von nemen
- regiert: z. B. Gregorins 901 daz
- sich der artner man name daz
- hint an; Iw. 6146 daz sich Me
- vor wtp noch man neme deheinen
- gast an; der Genitiv unten 873
- durch Attraction. Ebenso wird an-
- bieten gebraucht: Iw. 5943 und
- bot si die herber ge an; 6800 do
- bot in der wirt an stne toMer
- und sin lant; Nibelungen 523, 1
- ir muoter bot ir dienest in vil
- güetlkhen an, anlegen: Lanzelet |
- 3755 do leiten si »n an gar sinen
- harnasch. an-ziehen: Iw. 2873
- manec ziuhet sich daz an; 7574
- swaz iren ich mich ane züge. Beim
- Passivum persoenlicher Accusativ:
- G. Frau 432 wer hat dich ane
- bräht disen wüln und distn muot ? :
- Büchl. 1, .541 ais mkh von dir
- wirt ane bräht; Wig. 179, 18 daz-
- selbe viur warf si in an: 13
- swaz ez wart geworfen an; Iw.
- 6307 ist iuch diu armuot an ge-
- bor n,
- 548. ende und ein ende: hon,
- geben, nemen, komen ze ; hier
- s. V. a. verenden 558, beendigen
- d. h. ihrem Anlass ein Ende
- machen.
- 553. baz, bezzer, buoze, büeten,
- 556. do Gegensatz: 146.
- — 87 —
- V-Cv^cXi^t
- Sus antwurte in diu maget:
- «als uns min herre hat gesaget,
- s6 mac man in vil wol ernern.
- 560 zwäre, ir weit mirz danne wern,
- so bin ich ze der arzenie guot.
- ich bin ein maget und hän den muot:
- e ich in sehe verderben,
- ich wil e für in sterben.*
- 565 Von dirre rede wurdens dö
- trürec unde unfrö
- 561. Strassb. zuo sinre, Heidelb, Kol, Zn siner arzedie bin ich
- gut 563. Strassb, sihe; Heidelb, Kol, liezze, 564 wolde
- 565. Heidelb, Kol, Von dem gedanken wurden do; Strassb, wurden
- sin do 566. Strassb, Trurig beide vnd, Heidelb, Kol, beide truric
- 558. mm herre, monsieur : 618.
- 749. 758. Ebenso min frouwe,
- tnadaine : von abwesenden und auch
- in Beziehung auf mehrere Besitzende
- [wo wir unser erwarten würden].
- 560. zwäre Inteijection wie z.
- B. auch 777 ; Adv. 649. Erec 7447
- zwäre sage ich tu daz u. ö.
- 561. arzenie s. 198.
- 563. Denselben Fehler haben
- die Hss. Erec 3175 für in wil ich
- sterben, e ich in sihe verderben,
- und Büchl. 1, 1837 ich wcene e
- wazzer unde walt und diu erde
- verbrinne — e ich von dir die
- sinne benim, Jß) verlangt aber
- den Conjunotiv, des Prsesens wie
- in der Erzählung des PrsBteritums,
- z. B. Erec 3991 c im iht gewerre,
- so wü ich kiesen den tot; Iw.
- 2230 I des niht ensüle geschehn,
- ich läze mir e nemen den lip;
- 4476 zwäre, e verlius ich daz guot
- und wäge den Itp, e st immer
- werde Siw wip, Erec 2926 ritter-
- liche stuont sin muot, e er wip
- genceme und hin heim hsme; Greg.
- 1037 «Imw Mnt er werte dem hit-
- term hunger aMe tage niewan mit
- sinem bejage, e er daz kint funde
- Beaflor 33, 13 fg. dem lieben gote
- ich vergihe, daz ich ml vür dich
- sterben, e ich dich läze verderben,
- [Vgl. Bock, Über einige Fälle
- des Conjunctivs im Mhd. QF,
- XXVII, 25 fg. die von e ab-
- hängigen Adverbialsätze der Zeit.]
- 565. wurdens do.
- 566. Die Lesart der Strassburger
- Handschrift ist vielleicht doch bei-
- zubehalten: Erec 3135 frouwe
- EnUe wart do beide truric unde
- unfrö; Einschaltung wie Engel-
- hard 5574 biz im die friunde beide
- ab giengen und die dienestman;
- Häufung wie Iw. 5098 do antwurt
- er und sin wip beidiu guot unde
- lip beide in sine gewalt [s. Lach-
- manns Anm. : auch er hält die Les-
- art der Strassburger Hs. für richtig.]
- 88 —
- Zat^^
- YV». %.Mr^ l^iOL
- V,
- beide muoter unde vater.
- sine tohter die bat er,
- daz si die rede lieze
- 570 und ir herren gehieze,
- . daz si geleisten möhte,
- w wan ir diz niht entöhte.
- ,, Tohter, du bist ein kint,
- und dine triuwe die sint
- 575 ze gröz an disen dingen.
- du enmaht es niht für bringen,
- als du uns hie hast verjehen.
- du hast des tödes niht gesehen.
- swenn ez dir kumt uf die frist, J.c^-w.^
- 580 daz des dehein rät ist, . t^'-
- du enmüezest sterben,
- und möhtst du danne erwerben,
- du lebetest gemer dannoch:
- wan dun quseme nie in leider loch.
- 567. Heidelh, KoL Ir muter vnd ir v. 573. HSS, Er sprach t.
- 584. Strassb. in oie, Heidelh. KoL Du queme nie in leit 1.
- 568. bat er : vater 641 : An-
- lehnung mit Apocope und Ver-
- schleifung 592 tohter: moht er,
- vgl. Beaflor 198, 35 fg. (vater:
- bat er,)
- 570. geheizen verheissen 644.
- 572. touc geht wohl von Statten,
- gelingt: weil sie das doch nicht
- würde vollbringen können, ihr doch
- nicht moeglich sein würde.
- 580. rät Abhilfe , Befreiung,
- Hilfe dagegen: 915 nune mag ez
- ander rät ^n,
- 582. düj nicht duzi also er-
- werben intransitiv, umkehren.
- 584. loch Grube, Grab. P. Ger-
- hard 47, 5 in des Grabes Loch
- versenken und verscharren ; 94, 3
- er hat mich aus dem Loch und
- sichren Todesjoch mit seiner Hand
- genommen, Alamannisch verlochen
- begraben. Helleloch Martina 216, 84.
- Henneloch (?) Hölle: Schmeller
- 1, 338 [*1304] Ich sehe euch schon
- im Henneloch beim Kasperl von
- Kreilhofen (Teufel); vgl. Narren-
- schiff 3, 4 Der ist ein narr, der
- samJet guot und hat dar by keyn
- fryd noch mtwt und weyss nit,
- wem er solches spart, so er zuom
- finstren keller fart. Das Bei-
- wort leit gebraucht sehnlich der
- Marner v. d. Hagen MS. 2, 253^ :
- swer dar in (in Schande und Laster)
- kumt, der ist in leidez hol ge-
- schoben.
- — 89 —
- 585 da von tuo zuo dinen munt;
- und wirstö für dise stunt
- der rede iemer mere lüt,
- ez gät dir üf dine hüt.*'
- Alsus so wände er si dö
- 590 beidiu mit bete und mit drö
- gesweigen: d$ enmohter.
- sus aiitwurt iiöe sin tdhter.
- , Vater min, swie tump ich si,
- mir wont iedoch diu witze bi,
- 595 daz ich von sage wol die not
- erkenne, daz des libes tot
- ist starc unde strenge,
- swer ouch dann die lenge
- mit arbeiten leben sol,
- 600 dem ist iedoch niht ze wol.
- wan swenne er hie geringet i^vv^
- und üf sin alter bringet
- den lip mit michelre not,
- so muoz er liden doch den tot.
- 605 ist ime diu sele danne verlorn,
- s6 wsere er bezzer ungeborn.
- ez ist mir komen üf daz zil
- (des ich got iemer loben wil),
- daz ich den jungen lip mac geben
- 610 umbe daz §wige lebc|n.
- 590. Heidelb, Kol, beide, Strassb, Bede
- [yy.
- oi
- 59L 1264 gesprechent mich,
- „ierre ja enmach ich^,
- 593 ff. Lamprecht , Tochter
- Syon 2827. Sme tumb ich doch
- anders si, mir ist iedoch diu wis-
- heit M, daz ich u. s. w. Vgl.
- Winsbecke 58, 1 fg.
- 597. unlieblich nnd unfreundlich.
- 598. otich aber auch: 820.
- 600. durchaus nicht wohl.
- 601. 793 solhen hü fliehen ... mit
- dem m^an ringet unde ie ranc,
- 605. dann verlorn oder danne
- vlorn,
- 606. guot; bezzer 1005. liep;
- lieber 755.
- 607. zil Endpunkt in Raum und
- Zeit : es ist für mich dahin gekommen.
- ^^^tf^.t-'V*'».
- Cdy^X-
- V7W
- Is fgi lX c*^
- \
- \
- "Via
- tX y^i
- — 90 —
- nü sult ir mirz niht Jeiden. \t^[ c/i Aä-^
- ich wil mir unde iu beiden
- " vil harte wol mite varn. ^^ ; tL^
- ich mag iuch eine wol bewäm
- 615 vor schaden und vor leide,
- als ich iu nü bescheide.
- ir hänt gre unde guot:
- daz m^et mines herren mu^t, ^^a^^^^o
- wan er iu leit nie gesprach ^ AoSeu.
- «V
- IX
- .4T
- Vrvvi.
- 620 und ouch daz guot nie abe gebrach, y^^ ^cdw
- ape georacn. y^,
- 1: 'vtik^;,;[7.
- die wtle daz er leben sj
- s6 st§t iuwer sache wol
- und läze wir den sterben,
- s6 müezen wir verderben.
- 625 den wil ich uns fristen
- mit also schoenen listen,
- da mite wir alle sin genesen. ^aacXU^ t^^-X
- nü gunnent mirs: wan ez muoz wesen.^
- Diu muoter weinende sprach,
- 630 dö si der tohter ernst ersach,
- «gedenke, tohter, liebez kint,
- wie gröz die arbeite sint,
- die ich durch dich erliten hän,
- und lä mich bezzern Ion enpfän,
- 635 dan ich dich hoare sprechen.
- du wilt min herze brechen.
- senfte mir der rede ein teil.
- 613. verfahren mit, handeln an.
- [616. 8. Benecke z. Iw. 1107.]
- 618. daz Accnsativ: meinen
- die Ursache woran sein (eigent-
- lich im Sinne haben, bezwecken).
- 625. noch anf längere frist er-
- halten.
- 626. list Ennst wunderbarer
- Art, schcene euphemistisch begü-
- tigend: Nibelungen 437, 3 (Sieg-
- frieds Zauberkraft) von dnen
- schcenen listen het er kraft genuoc,
- dag er mit dem Sprunge den künic
- Gunthere truoc.
- 627. von Leid und Noth er-
- rettet sind.
- 637. leicht machen, angenehm
- machen, mildern : 738 ein teil (adv.
- aber mit Gen.) etwas; eigentlich
- msessigend , verkleinernd : 832 ;
- — 91 —
- ja wiitu ^llez din heil
- an uns verwürken wider got.
- 640 wan gedenkest dti an sin gebot?
- ja gebot er unde bat er,
- daz man muoter unde vater
- minne und ere biete,
- und geheizet daz ze miete,
- 645 daz der sele rät werde
- und lanclip üf der erde.
- du gihest, du wellest dm leben
- umb unser beider fröude geben:
- du wilt zwäre uns beiden
- 650 daz leben vaste leiden:
- wan daz din vater unde ouch ich
- gerne leben, daz ist' durch dich.
- ja soltü, liebiu tohter min,
- unser beider fröude sin,
- 638. Strassb, Joch; Heidelh. Kol. du wilt 646. Strassb,
- laoge leben, Heidelb. Köl, vnd ein lanch leben, FL lanc lip 647,
- Fl, iehest; Heidelb. Kol, gibst; Strassb, sprichest 648. i^. durch
- — frowede 649. Fl, iedoch statt zwäre 651. wan und ouch
- fehlen Fl,, Heidelb, u, Kol, 653. Strassb, Joch; Heidelb, Kol,
- Du solt
- kHa^^-^^-
- ironisch übergleitend in die Ver-
- stärkung wie etwas: 1114; vor
- Comparativ960; vor 2fe 827. 1124.
- 639. Gott gegenüber.
- 640. Aus wände, wände ne,
- wanne, wan ? Die Frage =: Im-
- perativ und Optativ. Auch mit
- Imp. und Gondic. Vgl. lat. quin
- aus quidni, [Beuecke z. Iw. 2214.
- Mhd. Wb. III, 499]
- 641. biten und gebieten Gegen-
- satz 1460 vgL 1464; es wird sprüch-
- wörtlich so verbunden und die Ab-
- dchwächung geht bis zur Tauto-
- logie: biten = gebieten.
- 645. rät Hilfe : 917 iuwer wirt
- vil guot rät,
- 646. lancleben 712 ; lanclip 1514.
- Durch die Florianer Bruchstücke
- ist lanclip hier bezeugt wie 1514»
- die Strassburger Es. hat lange
- leben; die Heidelberger und Ko-
- loczaer ein lanch leben wie lanc-
- leben 712; ebenso die Hs. Büchl.
- 2, 116 (Haupt lanclip),
- 6.52. Fl. hat noch: waz schölte
- vns lip vn gvt, roas schölte vns
- werltUch mvt, swenne wir din en-
- b, dvne
- — 92 —
- 655 gar unsers libes wünne,
- ein bluome in dime künne,
- unsers alters ein stap.
- und lästü uns über din grap
- ^juX^ ggßten von dinen schulden,
- 660 du muost von gotes hulden
- iemer sin gescheiden.
- daz koufest an uns beiden *
- ^Muoter, ich getrüwe dir
- und minem vater her ze mir
- 665 aller der geuäden wol,
- der vater unde muoter sol
- leisten ir kinde,
- als ich ez wol bevinde
- an iu ällertegelich.
- 670 vonjuwern gnaden hau ich
- die sele und einen scfioenen lip.
- mich lobet man unde wip,
- ^Ule
- r-
- I \— - . ..
- <
- 663. HSS, Siu sprach m.
- (auch FL 9)
- 671. Heidelb. Köl. fehlt die
- 657. Dieser Tropus kommt öfter
- vor; vgl. Ruoi. 258, 4. Er stammt
- aus Tob. 5, 23 Baculum senectutis
- nostrcB.
- 658. über: gesten Bewegung;
- 847, 849 oh.
- 659. 813 von minen schulden
- durch meine Verschuldung, 1505
- von ir schulden durch ihr Ver-
- dienst: es bezeichnet nur ein be-
- wirkendes Zuthun.
- 662. 430 nü koufest du — an mir
- den ewigen lip, — Die Heidel-
- berger und Koloczaer Hss. haben
- noch: Wiltu uns tochter wesen
- gut, so soltu die rede und ouch
- den mut Durch unsers herren
- -t, i~
- 1
- £w
- \A
- hulde lan, die ich von dir ver-
- numen han. Die Fiorianer Bruch-
- stücke: wesen gvt, so scholt dv
- rede vn den mvt»
- 666. Attraction.
- 668. bevinde kennen lerne, er-
- fahre.
- 669. cUlero tagö gilich; meist
- unflectirt und mit dem Genitiv ge-
- braucht bezeichnet es die Gesammt-
- heit und jedes Einzelne. Substan-
- tiv : manno gilih, menneglich (nhd.
- männiglich) allerö manno gtlth,
- aller menneglich, Mhd. sind diese
- Bildungen meist veraltet; am häu-
- figsten begegnet noch tegeltch,
- aller tegeltch, adv. (acc.)
- \ cl .. \-r».vv<..1Uil MiiX I f cLu
- . V l^^^
- A / A
- •H
- .^.^
- ^' r
- ^ V\ ^'^W ft \,A
- ^n^ u^
- — fs/
- i.
- ^
- — 93 —
- und alle, die mich sehende sint,
- sprechent, ich si daz schoenste kint,
- 675 daz si zer werlte haben gesehen.
- wem solt ich der ^enaden Jehen /vt/w^ ^ Kt tcjL Jiai
- me dan iu zwein nach gote ? ' ^4cu.\i ajy^d^
- des s61 ich nach iuwerm geböte
- iemer me vil gerne stan.
- 680 wie michel reht ich dar zuo hän! ^^^ ^cic^ . nn^
- muoter, sseligez wip, (y^.^^ avt^^<.
- Sit ich nü s§le unde lip ^^^ uc^/cf
- von iuwern genäden hän,
- sO läntz an iuwern hulden stän,
- 685 daz ich euch die beide
- von dem tiuvel scheide
- und mich gote müe^e ge^en. jC^^c^c^*-^ ryyiA'f
- ja ist dirre werlte leben ^ ^
- niuwan der sele verlust.
- 690 ouch hat mich werltlich gelust
- unz her noch niht berüeret,
- der hin zer helle füeret.
- nü wil ich gote genäde sagen, da^^ k ^ a ^^ ^^
- daz er in minen jungen tagen
- 695 mir die sinne hat gegeben, i-c^Ü a.^. ö^
- daz ich üf diz broede leben vr ^ ;• ff
- ahte harte kleine. , j
- ich wil mich alsus reine
- antwürten in gotes gewalt. Wü-t^x e.<.'C^-Uyr%(£,^^
- 673. Fl, fehlt und 674. Fl. fehlt sprechent, so auch Heidelb,
- Kol, (daz ich) 675. Fl, zir lebene; Heidelb, Kol. ie; Strassb, zer
- weite 676. Fl. schölte — gnaden 677. FL niewan iv; Heidelb,
- Kol, Wan euch 678. Fl, schol ich ze 679. Fl, fehlt me
- 680. Fl, ich des hau 688. Strassb, Joch; Heidelb, Kol. dirre
- kranken werlde leben Daz ist der
- 677. vgl. Büchl. 1, 1448.
- 681. Sinn einer Beschwoerung.
- Ebenso 736.
- 684. 370 tnöht ez mit iuwern
- hulden sin,
- 693. genäde sagen auch 1014.
- — 94 —
- Ci^P^
- it
- t f C <^£« C
- 700 ich färbte, solt ich werden alt,
- daz mich der werlte süeze
- zuhte under^üeze, 'yt^ Ir^rri^.
- als si vil manegen hat gezogen,
- den ouch ir süeze hat betrogen:
- 705 s6 würde ich übte gote entsaget.
- gote müeze ez sin geklaget,
- ^ daz ich unz morne leben sol,
- mir behaget diu werlt niht s6 wol.
- ir meiste liep ist herzeleit:
- 710 daz sl iu für war geseit;
- ir süezer Idn ein bitter not,
- ir lancleben ein gaeher tot.
- wir hän niht gewisses me
- wan hiute wol und morne we,
- 715 und i6 ze jungest der t^t.
- daz ist ein jsemerlicbiu not.
- ez enschirmet geburt noch guot,
- schoene, sterke, höher muot;
- ez enfrumt tugent noch ere
- 702. Besserung Haupts: HSS. vnder die f. 712. Besserung
- der Br. G^rimm : Heidelh. Köl, ist der gehe tot; Strassb. ein bitter tot
- 718. Besserung Haupts: Strassb, sterke noch hoher; Heidelb, Kol.
- Sterke wiser 719. Strassb. weder t.; Heidelb. Köl, t. vnd e.
- 702. under füeze wie 88.
- 705. entsagen los sagen , los
- machen von, entziehen: gewöhn-
- lich reflexiv sich entsagen.
- 709. meiste groesste, wie 1164.
- Freude, Leid, herzeliep 1413.
- 713. Ein häufiger in mannig-
- fachen, aber stsBts sehnlichen For-
- men wechselnder Gedanke. Iw.
- 3407 ich weis das als minen tot;
- Lanzelet 5881 daz ist gewis sam
- der tot; Freidank 177, 13 (aus d.
- A. Heinr.?) uoir enhahen niht ge-
- wisses me wan den tot: daz tuot
- mir we.
- 714. wol und we alliterirend
- wie liep und leit : hiute liep, mor-
- gen leit häufig.
- 715. Constructionswechsel, wie
- namentlich auf wan gern ein No-
- minativ folgt.
- 717. geburt Adel: 39.
- 719. tugent muss hier, wenn
- der Gedanke nicht schief heraus-
- kommen soll, in der abgeschwäch-
- ten Bedeutung gemeint sein, die
- 95 —
- .•• C'4.'L^C^.-/'\ /^ ^■^■'^
- u-<-^
- 5 { c/Ä.' cu^y^
- 720 für deD tot niht mere
- dan ungeburt und untugent.
- unser leben und unser jugent
- ist ein nebel unde ein stoup;
- unser stsgte bibent als ein loup.
- 725 er ist ein vil verschaffen gouch,
- der gerne in sich vazzt den rouch,
- ez si wip oder man,
- der diz niht wol bedenken kan
- und euch der werlt n&ch volgende ist. \ i c^tL l Aa.'^
- Ciu,^ ^^^ ^^ ^^8 ist über den fülen mist ^
- der pfeller hie gespreitet:
- swen nfi der Wie verleitet,
- der ist zuo der helle geborn
- unde enhät niht me verlorn
- ihm der Weltsinn des 13. Jahr-
- hnnderts gegeben hatte: feine Sitte.
- Berthold 1, 96, 24 (Gottysei und
- habe alle Tugend und verlange sie
- deshalb auch von den Menschen).
- Er meinet aber niht die tugent,
- daz eteliche Uute tugent heizent.
- So einer eine hotschaft hovelichen
- gewerhen kan oder eine schüzzet
- tragen kan oder einer einen hecher
- hovelichen gehieten kan unde die
- hende gezogenliche gehaben kan
- oder für sich gelegen kan, so
- sprechend eteliche Mute: „wech!
- toekh ein wolgezogen kneht daz ist
- (oder man oder frouwej! daz ist
- gar ein tugentltcher mensche: we,
- wie tugentliche er kan gehären !^
- Sich, diu ti^gent ist vor gote ein
- gespötte und engevellet gote ze
- nihte. Sich, der tugende ähtet got
- niht: wan also leret man einen
- hunt wol, daz er die füeze für sich
- habet und daz er schone gebäret.
- 720. /wr Zweckbestimmung, wie
- 232 guot für: gegen.
- 724. In den Vergleiche!^ steht
- ein vor den Stoffnamen, oder ist
- loup Blatt? (Nib. 388, 3 grüene
- alsam ein gras „Wir sagen jetzt:
- grün, wie Gras, aber der unbe-
- stimmte Artikel macht den Ver-
- gleich anschaulicher, weil er uns
- zwingt an einen einzelnen, bestimm-
- ten Grasfleck zu denken. So heisst es
- auch swarz, alsam ein kol wie Kohle;
- lüter, sam ein is wie Eis, wtzer,
- danne ein sne u. s. w." Zupitza,
- Einf. i. d. Stud. d. mhd. S. 69.]
- 725. verschaffen übel und zum
- Verderben geschaffen ; Walther
- 123, 12 [L. 41, 4 verdorben],
- gouch Kuckuck, Narr,
- 731. paXliolum, pallium: pfel-
- 161, pfellel, pfeller, pfelle,
- 732. blic Glanz.
- 734. 735. Ironische Umschrei-
- bung: 230.
- /3t vJU^ U r. t^
- ro
- ^. '■ ^^ ' <•■ iCl
- -^ »l-L-t^x.
- <^rt..v vv^
- 96
- DO.
- 735 wan beide sSle unde lip.
- nü gedenkent, sseligez wip,
- miieterlicher triüwe
- Ci.-,xcU^ und senftent iuwer riuwe,
- die ir da habent umbe mich:
- 740 s6 bedenket ouch der vater sich,
- .^-^h weiz wol, der mir heiles^^gan/" da-o
- er ist ein alsd biderber man,
- daz er erkennet wol, daz ir
- unlange doch mit mir Oy\^
- 745 iuwer fröude mügent hän,
- ob ich joi^h lebende bestän.
- belibe ich äne man bi iu
- zwei jär oder driu,
- sd ist min herre lihte tot,
- 750 und koment in so gröze nOt
- 741. Strcissb. daz er; 741—745. Heidelb. Köl. Der ist ein also
- wiser man daz er seiden vil wol gan Nu wizzet ir wol daz ir ewer
- vreude mit mir Niht lenger muget gehan
- /^
- QLA^tA^^
- 1a U.^ L^^olx^
- 741. Wie daz ich zusammenge-
- zogen wird in deich; daz ist in
- deist: dest (deiswär, deswar); daz
- ez in deiz, dez, ebenso, obschon
- von den Hss. seltener bezeichnet,
- daz er (ahd. auch noch ir) in deir :
- eine Hs. des Iw. 5955 [Lachmann
- z. Nib. 1070, 4]; oder der: Iw.
- 2088 wan ez entohte deheime za-
- gen, der minen herren hat erslagen.
- Anderswo unsicher z. B. a. Heinr. 202
- wo Haupt der schreibt: aber vgl.
- 13. 411. 443, 498; Erec 7444 so
- trat ez also lise, daz niemen wcer
- so wtse, der ze deheiner stunde
- den trit gehceren künde; Iw. 7899
- welch guot toip wcsre von den
- siten , die ir ze vlize begundet
- hiten, diu iht versagen künde eim
- also süezen munde ? 4090 ich weiz
- ir zwene, und ouch niht im, an
- den so volleclichen ste diu tugent
- und diu manheit, die sich so starke
- arbeit durch mich armen ncem/en an;
- 4107 nennet mir danne ms die zwene
- umbe diez so ste, der ietweder so
- vrum st, daz er eine vcehte wider
- dr% ; Erec 7949 locer si danne so ge-
- tan, dar umbe ich solde erwinden;
- Büchl. 2, 256 diu freude ist ubele
- veile, die ich imer gekoufe also,
- da von min frowe werde unfro*
- 746. ja auh: goth. jah, ahd.
- jouh, joh, ja. Und, auch, in con-
- cessiven Sätzen; Bekräftigung jö.
- bestän stehn bleiben, bleiben,,
- wie stän s. v. a. sein.
- 748. oder hcechstens drei.
- V^Vrt>ww
- n OVKTtA^^i^
- L4--
- \r^y\/\yyrv/^CA^^
- Vv
- 97 —
- cC^
- U^tt/^
- 1'.
- ^--v^ ov-
- vil lihte von armuot, (
- daz ir mir alsolhez ^uot %^<^L
- zeinem manne niht mpgent geben,
- $^ ^^^>/£(ich enmüeze alse swa<|he leben, i^ vz^^ahICTcI
- 755 daz ich iu lieber wserfe tot.
- nü swig wir aber den u6t,
- ( //«, j
- ■ "l « ^' / l-v »■■
- ) l
- k:Aa
- Ov^
- daz uns niht enwerre!
- und uns min lieber herre
- wer und also lange lebe,
- 760 unz daz man mich zeim manne gebe,
- der riebe si unde wert:
- s6 ist geschehen, des ir da gert,
- und wgenent, mir si wol geschehen.
- anders hat mir min muot verjehen.
- 765 wirt er mir liep, daz ist ein not;
- wirt er mir leit, daz ist der tot.
- äa^'.K %v^ wan s5 hän ich iemer leit
- 756. Strassb. verswigen; Heidelh, Kol. swige wir dirre grozen n.
- i
- 754. swctche schlecht, gering:
- 143.
- 755. wenn ich gestorben wcere :
- 606.
- 756. simgen toir, simge wir, —
- verswigen hat den Acc. und dop-
- pelten Acc. : Büchlein 1,99 unz ich
- sA mtnen muot versweic; Iw. 540
- daz versunc mich niht; Greg. 2170
- dazn hat er nüch niht versteigen;
- Passiv mit dem Acc. der Person:
- Erec 4928 daz sol iuch unver-
- swigen sin; Iw. 4447 ez ist iuch
- nützer verswigen; Lanzelet 337
- daz dich dtn name vnrt verswigen
- ^9398 des sint si lobes unversmgen).
- Dagegen stvtgen wird mit dem Ge-
- nitiv construirt: Erec 7024 dö
- man der rede gar gesweic; 8390
- der künec ein ujüe des gesweic.
- 757. Und nehmen wir den Fall
- an, dass: daz conditional.
- 759. wem w»hren, auch mit
- persoenlichem Snbject: lebend blei-
- ben ndgl.; transitiv (758 uns Acc):
- gleichsam nus mit ebenso fort-
- währendem Leben aushalten, [s.
- Benecke zu Iw. 5343.]
- 76 1 . ivert absolut : von hohem Wer-
- the,herrlich,ausgezeichnet, vornehm.
- 763. mir geschihet wol, übele
- unpersoenlich.
- 764. 397 den daz saget ir muot,
- 766. Des er gert, daz ist der
- tot und verderbet manegen Up,
- MSF. 178, 29.
- , 767. wan nicht Begründung
- (denn) , sondern Bekräftigung:
- wahrlich; fast nur den LFebergang
- bezeichnend. Enim, nam, yccg,
- 7
- — 98 —
- 772.
- und bin mit ganzer arbeit
- gescheiden von gemache
- 770 mit maneger hande sache,
- diu den wiben wirret /^
- und si an fröuden irret,
- nü setzt mich in den vollen rät,
- der da niemer zergdt.
- 775 min gert ein frier büman,
- dem ich wol mines libes gan.
- zwäre, dem sult ir mich geben:
- s6 ist geschaffet wol min leben.
- Strassb, zuo; Heidelh, AbZ. an
- 6^ '^
- •^ C4^
- ^
- :u
- . c
- 768. ganziu fröude 788. 837:
- nichts als, voll.
- 772. irren stören, hindern, Die
- Strassburger Hs. hat zuo, die Hei-
- delberger nnd Koloczaer an. Letz-
- teres ist vorzuziehen. Irren mit
- dem Genitiv der Sache: z. ß.
- Warnung 662 waz in ze helle
- imrretj daz si aller freuden irret;
- wenn eine Prseposition steht, so
- steht immer an z. B. Hartmann
- selbst, Greg. 1027 er hete noch
- gelernet rm, wan daz er wart girret
- dran; [Leutold v. Seven 269, 30
- rir Lachm. Walth. 52, 7] daz mich,
- frouwe, an fröiden irret, daz ist
- iuwer lip.
- 773. 780 rät in seiner sinnlichen
- Bedeutung (Hausrath , Vorrath,
- Geraeth) : Zurüstung, Gersethschaft,
- Vorrath, Lebensunterhalt und Habe.
- 774. zergän vergehen 809. 1149.
- 775. Christus als Bräutigam
- seiner Gemeinde: biblisch; Hohes
- Lied. Bräutigam der einzelnen
- Seele wird Christus zuerst wohl
- nur genannt nach der Anschauungs-
- und Ausdrucks weise der Nonnen-
- kloester, deren Bewohnerinnen an-
- statt eines irdischen Geliebten dem
- himmlischen sich widmeten. Der
- Eintritt in's Kloster galt als Ver-
- loebniss, der Tod als Vermaehlung.
- Vgl. z. B. Caesar Heisterbacensis,
- Dialogus miraculorum IV, 39
- In provincia nostra qucedam ex.
- stitit pu£Ua nubiJis ac formosa
- divitunique fiUa, Quam cum pa-
- rentes tradere vellent tnarito, renuit
- illa dicens: Non nubam alteri viro
- nisi sponso coelesti domino meo
- Jesu, Hier ist diese Ausdrncks-
- weise übertragen auf den Tod einer
- zwar nicht geistlichen Jungfrau,
- die aber auch gleich einer geist-
- lichen auf einen irdLschen Ehe-
- bund verzichtet. Es ist das zu-
- rückzuführen auf den geistlichen
- Verfasser von Hartmanns lateini-
- scher Urschrift.
- 776. mich gönne.
- 778. schaffen, schwach flectirt,
- ahd. scaffon von scaf GeschafFen-
- heit, Beschaffenheit , gesetzliche
- — 99 —
- f^
- '' r
- im get sin pfiuoc harte wol ;
- 780 sin hof ist alles rätes vol;
- da enstirbet ros noch daz rint;
- da enmüent diu weinenden kint;
- da enist ze heiz noch ze kalt;
- da wirt von jären niemen alt:
- 785 der alte wirt junger;
- da enist durst noch hunger;
- da enist deheiner slahte leit:
- da ist ganziu fröude an arbeit.
- 781. Strassb, weder ros noch rint; KoL Donen muet ros noch
- die r. ; Heidelh, Da en mevt ros noch r.
- Strassh, mügent; Heidelh. KoL Noch die
- Heidelh. Din ist; Strassh. weder ze heis
- weder durst n. h.; Strassh. frost
- 782. Lachmann müejent;
- 783. Kol. Den ist;
- 786. Heidelh. KoL
- Ordnung: schaffen also festsetzen,
- hestellen, einrichten.
- 779. pfluoc das hezeichnende
- Hauptmerkmal des ganzen Acker-
- baulebens: der pfliwc get kommt
- öfters vor : er wird gleichsam per-
- soenlich lebend gedacht.
- 780. hof ein umschlossener Kaum,
- zunsechst der beim Hause ; der In-
- begriff des Besitzes an Grund-
- stücken und Gebäuden; halb tau-
- tologisch ist dann die Verbindung
- Haus und Hof; endlich bedeutet
- es Herrensitz (mit Ausschluss der
- Pächter und der Hoerigen); Aufent-
- haltsort eines Fürsten.
- 781. Bei unde und noch tritt
- der Artikel nur zum zweiten Worte:
- Iw. 3215 heide vreude unde den
- sin; 6192 cleider unt ter lip; 2555
- in enirte ros noch der muot ; 5407
- ottch ensparten s* lip noch den
- muot u. a. [vgl. Haupt z. Er. 8239].
- 782. Hartmann gebraucht zu-
- weilen ne ohne niht : 1096. Hier
- wegen des Ebenmasses der Kede:
- vorher und nachher en — noch. Vgl.
- Walther 124, 7 [55, 5].
- müejen beschweren , Verdruss
- machen.
- [783. Greg. P. 84 der enhät
- ze heiz noch ze kalt; Er. 1926
- da wart nie halt noch heiz.]
- 786. durst (nicht firost) mit der
- Koloczaer und Heidelberger Hs.:
- vgl. 783.
- 788. B. Mose 36, 3 [Diemer
- 45, 8] : so lool den gehornen, der
- den chan garnen, daz er wart ir
- genoz , die da sizzent in siner
- schoz (Abrahams), die nemuot
- hungir noch durst, hizze
- noch uro st; die ne horent ge-
- hage, die sehent niwan genade;
- da ist urides unde wnne, swaz
- wir erdenchen chunnen. Vom
- verlornen Sohne (Karajans Sprach-
- denkmseler S. 52 fg.): So heizzet
- i* - * -• ■• - . i'
- 100 —
- h ^ •" '■•■
- V. -•- ■•^ Vv.
- - •,
- c
- ze dem wil ich mich ziehen
- 790 und solhen bü fliehen,
- den daz fiur und der hagel sieht
- und der wäcabe tweht, ]yA.ü<^^
- mit dem man ringet unde ie ranc.
- swaz man daz jär alse lanc
- 795 dar üf gearbeiten mac,
- daz verliuset schiere ein halber tac.
- den bü den wil ich läzen;
- er si von mir verwäzen.
- ir minnent mich: deist billich.
- 800 nü sihe ich gerne, daz mich
- iwer minne iht unminne. "»vv^^^ / c.^
- vv-t.^ — . ob ir iuch rehter sinne
- vccÖ/a-.^ an mir verstau kunnent,
- und ob ir mir gunnent
- 805 guotes unde eren,
- sö läzent mich keren
- 799. Besserung Lachmanns: Straub, das ist; Heidelh, u, KoL
- kürzen 799 — 806^ 805. Besserung Haupts: Strassb, Beide g.
- 'H
- ./
- V
- l *-
- ■7 «y
- er si wisen in daz schone para-
- dise. da ist liep unde lieht, da ist
- dehein ungenade niht; da ist minne
- ane nit, urovde ane strit, da ist
- lip ane tot, genade ane not, dan
- ist urost noch hungir, dane
- brennet si div sunne, dane
- altet nieman: wan si schulen
- immir iugent han. da ist dehein
- angist. der engele sanges urovwent
- sich die menege. da ist aller
- genaden stcete,
- 789. wie 283 zuo de^ne zöch
- sich sin herre, der arme Heinrich.
- 790. büman 269. bu Bestellung
- des Feldes ; Land, das man bant
- und bewohnt ; Wobnnng ; Bau einer
- solchen; Gebäude. Hier Land, eben-
- so 797.
- 791. Zeugma.
- 794. so lang als es ist, das
- ganze lange Jahr hindurch.
- 796. Verliesen zu Grunde rich-
- ten, verderben.
- schiere in kurzer Zeit, gleich,
- bald.
- büMe schnell.
- 798. verwäzen 160.
- 799. billich aus bildeHich: bilde
- Vorbild: geziemend; recht, insofern
- man nicht sowohl auf Gesetz und
- Vertrag als auf Sitte und Umstände
- Rücksicht nimmt : reht und billich
- wie lat. iwstum et (squum.
- 101 —
- ze unserm herren Jesu Krist,
- des gnade also stsete ist,
- daz si niemer zergät,
- 810 unde ouch zuo mir armen hat
- also gröze minne
- als zeiner küneginne.
- ich sol von minen schulden
- üz iuwern hulden
- 815 niemer Komen, wil ez got.
- ez ist gewisse sin gebot,
- daz ich iu si undertän,
- wan ich den lip von iu hän:
- daz leist ich äne riuwe.
- 820 ouch sol ich mine triuwe
- an mir selber niht brechen,
- ich hörte ie daz sprechen:
- swer den andern fröuwet s6,
- daz er selbe wirt unfrö,
- 825 und swer den andern kroenet-
- und sich selben hoenet, k^
- der triuwen ist ein teil ze vil.
- gerne ich iu des volgen wil,
- daz ich iu triuwe leiste,
- 830 und mir selber doch die meiste,
- weit ir mir wenden min heil,
- s6 läz ich iuch vil lihte ein teil
- dJU^.*-^ c^ f >'-^^ 5ä>
-
- '^ C-t*-
- U
- CL.'K. C ü"
- ^ c^u a-»* cLl.
- 827. FL wen si ouch zevil; Heidelb, Köl, Der trewe der si
- gar ze vil 828. Fl, wie gerne; Heidelh. KoL dnrch recht
- 830. FL fehlt und 832. Fl. fehlt vil lihte; Heidelb. KoL zwar
- ich laz euch ein teil
- 813—830 fehlen in der Heidel-
- berger und Eoloczaer Handschrift,
- sie finden sich aber dort hinter 677.
- 820. ouch, aber auch: 598.
- 825. kröne 63: krcenen über
- alle andern auszeichnen.
- 826. Der Ehre beraubt. Vgl.
- Walther 122, 17—18 [40, 24 fg.]
- 828. volgen bloss mit dem Ge-
- nitiv der Sache 1017.
- 830. und doch: aber: 854.
- l^v*
- F
- >i
- '\ Cii\. ^t•^-*
- — 102 —
- e nach mir geweinen,
- ich enwelle mir erscheinen,- AjL
- 835 wes ich mir selber schiüdec bin.
- ich wil iemer da hin,
- da ich ganze fröude vinde.
- ir hänt doch me kinde:
- diu länt iuwer fröude sin,
- 840 und getroestent ir iuch min.
- wan mir mac daz nieman erwern,
- .1 ,
- I < <
- V^,>; ^V.
- Ixr ^Lv^
- zwäre, ich enwelle ernern
- minen herren unde mich.
- muoter, ja hörte ich dich
- 845 klagen unde sprechen e,
- vv. \A^vu tsete dime herzen we,
- ^ soltest du ob mime grabe stän.
- des wirst du harte wol erlän:
- du stäst ob mime grabe niht.
- 850 wan da mir der tot geschiht,
- daz enlät dich niemen sehen:
- ez sol ze Salerne geschehen.
- 835. Fl. fehlt selber; Fl, schuldic 837. FL volle fröwede;
- volle auch Heidelb, Kol, 838. FL habet ouch; Heidelh, Kol.
- habet noch 844. Strctssb. loch; Heidelb. Kol. ich horte
- 851. Fl. niman 852. Fl. schol
- 834. erschine , erschein werde
- sichtbar: erscheinen, zeigen, er-
- weisen.
- 836. für immer.
- 840. getrcesten (aus Zuversicht
- auf Ersatz) worauf verzichten, ver-
- schmerzen.
- 851. Verräckung der demon-
- strativen Beziehung : da lässt dichs
- niemand sehen.
- 852. zSalerne: 1018; s. zu 436.
- Nach 852 hat Fl. noch da schol:
- die Strassburger Hs. JDo sol uns
- viere der tot Icesen Von der hellen
- und von den geisten bcesen; Pfeif-
- fer vermuthet (Germania 3, 350)
- von den hellegeisten bcesen und ver-
- gleicht Erec 1822 daz er dnen
- s weher alten zweier hiuser lieze
- walten. Besser da sol nü schiere
- der tot mich loesen von der hellenot,
- [Bech nimmt die Lesart der Strass-
- burger Hs. auf (861 fg,); Paul
- liest: da sol uns viere der tot
- loesen von aller slahte not: das
- schliesst sich enger an die Hss.
- — 103
- 852» [da sol nu schiere der tot
- ^ mich loesen von der hellenöt.]
- des tödes des genese wir,
- und ich doch verre baz dan ir."
- 855 Dö si daz kint dö sähen
- ze. dem töde s6 gähen
- und^z s6 wislichen sprach
- unde menschlich reht zerbrach,
- si begunden ahten under in,
- ^ 860 daz die wisheit und den sin
- niemgr erzeigen künde
- kein zunge in kindes munde:
- si jähen, daz der heileg geist
- der rede wsere^ir volleist, ^., a c v. ..
- 856. Besserung Haupts; Lachmann sus, Stra^ssh, sa, Heidelb,
- KoL also 862. FL dechein; Heidelh, dehein; Kol, deheine
- 863. Fl, Heidelh, sie iahen; Kol. sie sahen; Strassb. sii sprachen. —
- HSS, heilige
- an als W.'s Vorschlag (der zweite
- Vers nach ^ 840 ff. : Morgen hilf et
- uns min got tiz von aller slachte not)
- und auch der Gedanke des fg. Vers-
- paares scheint dies vorauszusetzen.]
- 858. reht wieder passiv: die
- Schranken hrach, die der Mensch-
- heit durch Gottes Ordnung gesetzt
- sind, reht brecJien Pflicht ver-
- letzen 209.
- 859. ähten erwaegen.
- 863. Wernher Marienlehen 163,
- 19 und 181, 29 der heilig geist
- [Fei&lik 1157 den der heilige geist
- heslöz 2881 daz was der heilige
- geisty^ Keinmar von Zweter MS.
- II, 177b t 218b ]. Zu Anfange von
- Turheims Willehalm in derWol-
- fenhüttler Hs. heiligeist; im 14.
- Jahrhundert war zu Frankfurt ein
- Bürgergeschlecht Heilgeist : s.
- Fichard 1, 236. 264 fgg. Walther
- 80, 15 [78, 3 heilegestez ; vgl. die
- Anmerkung] Hss. den heilegestes,
- den heiligeist: I. des heiligeistes.
- Ebenso almdhtigot : Blaubeurer
- Predigthandschrift 2 a. 15 b. 43 h.
- 55 a. 58 b. 73 a. alniehtigot Gries-
- habers Vaterländisches aus dem
- Geb. der Lit. etc. 267. 275. 278 al-
- maÄ%o*is: BlaubeurerPredigthand-
- schrift 16 a.; Dat. aJmahtigote
- Massmanns Abschwoerungsformeln
- 126 [MSD. XCIV, 27]. Auch der
- heilic Krist Greg. 1152. MS. II
- 216 b. Ob auch unten 1365 ?
- [heilegeist: volleist Ar ist, heim. 37
- 8. Lexer I, 1212.]
- 864. volleist stf. m. Vervoll-
- ständigung; Hilfe; Bestsetigung.
- 104
- 865 der ouch Sönte Niclauses pflac,
- d6 er in der wagen lac, -n ;■ ■ <•
- und in die w!sheit IMe,
- daz er ze gote kerte
- sin kintlieh gemnete ;
- 870 sich bedähte ir güete
- daz st niht enwolten
- si wenden noch ensolten,
- jv.' ':^ des si sich bete an genomen:
- der wille si ir von gote komen.
- Ms von jämer erkalte in der Itp,
- dö der meier und sin wip
- vw an dem bette säz^
- und vil gar vergäz'en
- durch des kindes mintje
- 880 der Zungen und der sinne
- sä ze der selben stunde.
- b65. Besserung Lachmanns: Kol. seale Niolaoa; Stratsb. sancte
- Nielaweses; Hädelb. eente Nycolaus; Fl. »ante 8G9. Slroiä). Sin
- kiatlicbe güete 870. Strassb. nnil dahten in ir gemnete', • Heidell
- Kol. si )]edaht«D siuli in irre gote; FI. sich bedahte 881. Bessentn
- Haupts: Strassb. So; Heidelh. Kol. An den selben stnoden also da
- sie en künden
- 865. sancti, iante, sente. — Jacor
- bne a Voragine Leg. anr. cp. 3 Hie
- prima die, cum halnearetur, erectus
- sletit m pdvi. Ittsiiper qaarta et
- sexta feria (Uittwocb nnd Freitag,
- Fasttage der alten Kircbe) tantum
- settielmgebatubera. Vgl. Passional
- K. 6 ff. von »ante Nicola» einem
- bischove. Er gilt alsKinderfreund:
- Botea.MitbelfBrd.Cbristgescheuke.
- 869. kintUeh gemute Beidelb.
- Kol. richtig.
- 870. Lies sich bedähle ir ffüele.
- 872. B. Mose 31, 14 [Diemer
- 36, 5] luv urowe nine teolde noch
- uerdiilten aeolde. MSF. 70, 1
- doch wäre ich gern hin an da
- eil da si da sol und Idnen wii
- Walth. 143, 15 [64, 2ü] L)h ma
- der guoten niht vwgeeeen noc
- ensol. Beaflor 78, 27 den ich s
- wolde nemen oder mlde; 1S6, 3
- tg. (ios er niht lenger solde bt
- liben noch enwolde. HSF. 176, 1
- ich getar dich niht gebiten noc
- enkan. Znm zweiten Hilfsnort ii
- der Infinitiv zn ergänzen.
- 873. des Attraction (fies, daz]
- annemen mit doppelten Äcc. £.54<
- lf*81. sä s. Banpt z. Er. 8076
- — 105 —
- ir enwederz enkunde
- ei nee wort gesprechen.
- daz gegihte begunde brechen
- 885 die muoter von leide.
- sus gesäzen si beide
- riuwec unde unfrö,
- unz si sich bedähten do,
- waz in ir trüreu töhte:
- ^flu 890 86 man ir doch niht enmöhte
- benemen ir willen unde ir muot,
- so enwsere in niht also guot,
- s6 ^az sl irs wol gunden,
- wan Sl doch niht enkunden
- 895 ir niemer werden äne baz.
- 883. Strassh. Ein einig; Heidelh, Kol, Ein wort niht
- 885. Fl, Heidelh. Kol, vor 886. Fl, sie 888. Fl, vnz dz sie
- 882. enwederz Nentrum zi: Mann
- und Weib: weder z — daz ander
- Walther 111, 22 [46, 25].
- 883. Ahd. nur einlc s. GrafFs
- Sprachschatz 1, 327 fg. Mhd.
- einec und ein einec: Benecke z.
- Iw. 3286. Einec z. B. Berthold
- daz got in einre naht einen engel
- Mez hundert tusent und ahtzic
- tüsent menschen zuo töde slahen
- durch einigen menschen, der got
- schalt; 61, 1. 192,31. 235, 4 ü. ö.
- Noch Luther Jer. 44, 26 durch
- einiges Menschen Mund; Arnos
- 9, 1 dass keiner entfliehen, noch
- eimger davon entgehen soll; Offenh.
- 7, 1 noch über einigen Baum
- [vgl. Bech 2. Iw. 3287]. Ein einec
- z, B. Lanzelet 5140 ein einte man
- wart niht gewar wan eines andern;
- Berthold 270, 31 mähtü danne
- einen einigen tac der edeln sele in
- der Wochen niht gearbeiten? 82,
- 33 ein einigez naschen'^ Her-
- man von Fritslar 202, 14 daz her
- von eime einigen worte volgete
- gote. Bei Hartmann Iw. 3287
- dane vand er nie me Hute niuwan
- einigen man, und wan einen eini-
- gen man. — Hier deutet die
- Ueberarbeitung auf das blosse
- einec; das ein einig der Strasshur-
- ger Hs. dürfte sich kaum zu der
- Verneinung , womit der Satz be-
- ginnt, fügen, und. diese eher ein
- dehein oder kein anstatt des ein
- fordern.
- 884. gtgen eigentlich in zit-
- ternde Bewegung setzen: giht
- Zuckungen, Krämpfe, Gicht: ge-
- gihte Krampf, Gicht. Beaflor 69, 2
- vor zorne si daz giht brach,
- 895. äne wesen , werden mit
- Gen.; so auch, gleichsam adj., ohne
- 106 —
- enpfiengen si der rede haz,
- ez möhte in umbe ir herren
- vil harte wol gewerren,
- und verviengen anders niht da mite.
- 900 mit vil willeclichem site
- jähen si beide d6,
- daz si der rede wseren frö.
- lÄcW^ Des frönte sich diu reine maget.
- dö ez vil küme was getaget,
- 905 dö gie si, da ir herre slief.
- sin trütgemahele ime rief;
- si sprach «herre, släfent ir?"
- «nein ich, gemahele. sage mir,
- wie bistü hiute also frao?**
- 910 «herre, da twinget mich derzao
- der jämer inwerr siecheit."
- «gemahele, daz ist dir leit:
- daz erzeigest du an mir wpl,
- als ez dir got vergelten sol.
- 912. Strassh. Er sprach gemahel; Heidelb. Köl. daz weiz ich wol
- 904. tagen auch mit Jiaben, er-
- tagen mit wesen verbunden, wo-
- durch es deutlicher als Inchoativum
- hervortritt.
- 906. trütgemahele auch 1490:
- vgl. trütfriunt, trütgeselle, trüt-
- gespil, trütsun udgl.
- 908. nein ich, nein ez udgL
- ebenso ja. Vgl. prov. non il afr.
- nenil; hoc prov. oc, afr. o-oil, oui,
- 909. fruo adv., und frü^e adj.
- mit wesen d. i. früh auf sein;
- wenn das Adv. steht, so hat wesen
- den volleren Sinn einer Bewegung.
- 910. da im Beginne von Aus-
- kunft gebenden Antworten: Hin-
- weisung auf den mangelnden Be-
- griff.
- wesen und werden; Genetiv voran:
- ougen äne,
- 896. Vgl. Widerwillen udgl.
- fassen.
- 897. Wechselbeziehung: im Ver-
- hältniss zu ihrem Herren.
- 899. vervähen fassen und vor-
- wärts schaffen; zu Wege bringen,
- ausrichten: Eraclius 2533 wände
- er vervie da lützel mite; gewoehn-
- lich ist das Subject eine Sache
- (Object Person). In der Bedeutung
- nützen: 947.
- 900. Geneigten Willens, freund-
- lich: 1421.
- Site: 1412 mit vil seltsanen
- siten: mit site oder siten adv.
- der Art und Weise.
- 107 —
- v^ V*'Wv/-^^
- 915 nune mag es ander rät sin.*
- ^entriuwen, lieber herre min,
- iuwer wirt vil guot rät.
- Sit ez alsiis umbe iuch stät,
- daz man in gehelfen mac,
- 920 ichn gesüme iuch niemer tac.
- herre, ir hänt uns doch gesaget,
- ob ir hetent eine maget,
- diu gerne den tot durch iuch lite,
- da soltent ir genesen mite.
- 925 diu wil ich, weiz got, selbe sin:
- iwer leben ist nützer dan daz min.**
- DO gnadete ir der herre
- des willen harte verre,
- und ervoUeten im diu ougen ,
- 930 von jämer aM tougen. accAA-^ «-^^
- er sprach „gemahele, ja ist ^er tot
- iedoch niht ein senftiu not,
- 915. Strassb. Nu mag es dekeln ander; Heidelb. Köl. iz rat niht
- gesin 931, Heidelb. Kol. ia en ist; Strassb. ioch ist
- 6515 nüne mohte der grdve me
- im selben meister gesin; Iw. 7684
- wirne kunnen leider baz; 3020
- done torst ich vrägen vürbaz. Vgl.
- iX4.lC
- t>v>v
- 915. 939. ne steht ohne zweite
- Verneinung beim Comparativ (an-
- der) und folgendem loan oder niu-
- wan: Lieder 16, 20 [214, 29] sin
- git dem l%be lönes me wan trüren ;
- Büchl. 1, 169 dar an getoinne [1.
- engmnne) ich danne me, wan daz
- mir wirt wirs dan e; Iw. 8013
- sine weiz von iu — zer werlde
- mere, wan daz irz der ritter mit-
- tem lewen sit ; Iw. 7542 nune mac
- ich anders wan alsä. Greg. 2933
- ern het andern gemach, niwan der
- himel was sm dach. Der Satz mit
- wan ist weggelassen: Erec 6282
- nu enmohte im diu guote vor grö-
- zem unmuote und vor herzensere
- geantwurten mere: st sprach — ;
- Fundgruben 1, 275—277.
- 916. in triuwen, triuwen, trü-
- wen, nhd. traun.
- 920. gesümen hinhalten , auf-
- halten.
- [926 =: Iw. 4323, vgl. Iw.
- 7316.]
- 927. gendden s. v. a. genäde
- sagen 693 und 1014; auch mit dem
- Dat. und Gen.
- 928. verre sehr: 974. 1073.
- 929. ervoUeten im oder d'ougen
- [fast gleich Greg. 2669 ; vgl. Lach-
- mann z. Iw. 6514].
- - 108 —
- V ^n
- als du dir lihte hast gedäht.
- du hast mich des wol innen bräht:
- 935 möhtestü, du hülfest mir.
- des gnüeget mich wol von dir.
- ich erkenne dinen süezen muot;
- din Wille ist reine unde guot:
- ich ensol oüch mg von dir gern.
- 940 du mäht mich des niht wol gewern,
- daz du da gesprochen hast.
- die triuwe, die du an mir begast,
- die sol dir vergelten got.
- diz wser der lantljute spot, ^ u-. .x^ <> / l. JLl^
- 945 swaz ich für dise stunde i (^c
- Ä arzenlen underwunde, ^ "^
- und mich doch niht vervienge,
- wan als ez doch ergienge.
- gemahele, du tuost als diu kint,
- 950 diu da gsehes muotes sint:
- swaz den kumt in den muot,
- ez si übel oder guot,
- 939. Strassb. ouch niut me; Heidelb. Kol. lehn sol an dich niht gern
- 934. innen bringen Bewirknngs-
- wort zn innen werden,
- 936. genüegen genug sein oder
- dünken, mit dem Dat. oder (Hart-
- mann) mit dem Acc. und Gen.,
- meist nnpersoenlich.
- 938. vollkommen, gut, schoen:
- rein unde guot begegnet öfter.
- 940. Luther, Ps. 20, 6 der Herr
- gewißhre dich aller deiner Bitte»
- von wer Mann: zum Herren
- machen?
- 944. lantvolc, — Hut, — r Hute,
- — man. 'Einwohnerschaft eines
- Landes , Einwohner ; Einwohner
- des üeimathlandes , Landsmann,
- Landsleute. ^n< Heimath: ze lande
- 1347 ; sin lantliut 1427.
- 945. für: 239.
- 946. underwinden üher sich
- nehmen zu thun oder zu leiden.
- 947. und da doch; wahrend:
- 1252; vgl. 1088 unde temporal
- und conditional: wenn. Nebensatz
- ist an I^ebensatz beigeordnet, statt
- untergeordnet.
- 948. ausser wie es dennoch er-
- gienge: dennoch d. h. auch wenn
- ich kein Heilmittel mehr ver-
- suchte.
- 109 —
- dar zuo ist in alles gäch,
- und geriwet si sere dar nach.
- 955 gemahele, also tuost ouch du.
- der rede ist dir ze muote nü:
- der die von dir nemen wolte,
- so manz danne enden solte,
- ■
- s6 geriuwez dich vil lihte doch/
- 960 und daz si sich ein teil noch
- baz bedsehte, des bat er.
- er sprach ^din muoter und din vater,
- die enmugen din niht wol enbern.
- ichn sol ouch niht ir leides gern, cU^ii^^ ^u- <
- 965 die mir ie gnäde täten, a*. -^ r - vyC^U^
- swaz si dir beide raten, '
- liebiu gemahele, daz tuo.^
- hie mite lachete er dar zuo,
- wan er lutzel sich versach,
- 970 daz doch sider d6 geschach.
- Sus sprach er zuo der guoter.
- der vater und diu muoter
- 953. Besserung Lachmanns: Stra^sb, allen; Heidelb, Kol, wirt
- in vil g. 964. Heidelb, KoL ichn wil; Strassb, Ich sol
- 967. Strassb, Liebe; Heidelb, Kol. Liebes kint des volge dn
- :A
- 953. alles gänzlich, gar.
- 956. mir ist ein dinc ze muote
- liegt mir im Sinn, wird von mir
- gewünscht, gewollt; nnperscenlich
- mir ist ze muote ich bin so nnd
- so gesinnt oder gestimmt ; mit dem
- Gen. cans. mir ist eines dinges ze
- muote ich bin gesinnt, beabsichtige,
- ich wünsche etwas. So anch bei
- Hartmann ; 978 statt des Gen. ein
- Nachsatz mit dae; Beinmar von
- Zweter MS. 11. 209» dö im der
- reis ze muote wart; Nibelungen
- 59, 1 des enist mir niht ze muote.
- rede Gegenstand der Rede, Sache,
- Ding: 1458, 1465.
- 957. der = swer, si quis, wie
- lat. qui.
- 959. flittge, flouc, flugen, flüge, I
- geflogen; riuwe, rou, ruwen, rtuwe,
- gerouwen.
- 971. Syntactische Assimilation,
- die darin besteht, dass das Adjec*
- tivnm dieselbe Endung erhält wie
- der Artikel. Anlass ist hier der
- Reim. Dasselbe begegnet aber
- auch innerhalb des Verses, z. B.
- Greg. 1035 dem bitterem hunger.
- — 110 —
- sprächen ^lieber herre,
- ir hänt uns vil verre
- 975 geliebet unde geeret:
- daz enwser niht wol bekeret, cxm, c^ tw-em^^^
- v^^rUi^ wir engeltenz iu mit guote. , ^
- unser tohter ist ze muote, W'"*'
- daz si den tot durch iuch dol: ol^dic^^
- 980 des gunne wir ir harte wol.
- ez ist hiute der dritte tac,
- ^vw^^w^cv 4vd tv^vL^r^ daz si uns allez ane lac,
- i daz wir ir sin gunden:
- nü hat siz an uns funden.
- 985 nü läz iuch got mit ir genesen:
- 5>t. vu*^ii.v>tf. ovv. wir wellen ir durch iuch entwesen/
- ^ vtAaUUc.^. k^o im sin gemahele d6 bot
- "^ für sinen siechtuom ir tot
- unde man ir ernst ersach,
- 990 d6 wart dö michel ungemach
- und jsemerlich gebserde.
- mislichiu beswserde
- huop sich dö under in,
- zwischen dem herren unde in drin.
- 995 ir vater unde ir muoter die
- 991. 992. Heidelb. Koh Rvweclich gebere vnd misliche swere;
- Strassb, Manige misliche beswerde
- 975. lieben s. 328.
- 976. beJceren: 250.
- 977. guot Gutes 1015. 1447,
- 979. doln ertragen, leiden, dul-
- den {duU Geduld, zu dol): lat.
- tuli, gr. raXciü),
- 982. ällez (s. alles 953) immer-
- fort, immer: mundartlich auch als,
- ane ligen angelegentlich bitten
- (in den Ohren liegen , auf dem
- Halse liegen). Anliegen.
- 985. mit instrum.
- 986. ent' zur Bezeichnung der
- Trennung.
- 992. mislich vei'schiedenartig,
- mannigfach: 7.
- beswcerde Betrübniss.
- 994. zwischen obschon sich eins
- und drei gegenüberstehen.
- 995. die. Sonst werden zwei
- Substantive verschiedenen Ge-
- schlechts, auch Personen, neutral
- zusammengefasst : wir zwei , st
- beidiu udgl. ; singularisch theilen-
- 111 —
- '^IjÜ
- CAav
- erhuoben michel weinen hie:
- des Weinens tet in michel not
- umb ir vil lieben kindes tot.
- nü begunde ouch der herre
- 1000 gedenken also verre
- an des kindes triuwe,
- -*^ und begreif in ouch ein riuwe, l\
- daz er sere w^in4 began.
- und zwtvelte vaste dran,
- 1005 weder ez bezzer getan
- möhte sin oder verlän.
- von vorhten weinde ouch diu maget:
- si wände, er wäre dran verzaget.
- sus wären si alle unfrö.
- 1010 si gerten keines dankes d6.
- Aai t V
- der Ausdruck auch 882 enwederz
- (dgl. noch). Demnach müsste ei-
- gentlich stehen diu. Aber ebenso:
- 685 die beide : scheide ; 886 leide :
- si beide und 1409 weide : beide.
- Oh es auch anderswo im Reim
- vorkommt ? Ausserhalb des Reimes
- begegnet es öfter: die 963. 1438;
- beide 567. Es hängt das zusam-
- men mit der auch sonst schon im
- Mhd. eintretenden Schwächung des
- tu in ie und e,
- 997. ein dinc tuot mir not
- (Noethigung) : 359 diu klage tet in
- michel not (sie mussten wohl kla-
- gen); unpersoenlich mir tuot not
- ^nes dinges wie mir ist not eines
- dinges. Vgl. mir ist ze muote 956.
- 1006. weder uter; weder — oder
- utrum — an. Aber es kommt auch
- in directer Frage vor: 1064.
- 1010. Heidelberger und Kolo-
- czaer Hss. lassen 1007—1010 weg.
- Aber 1007. 1008 sind nothwendig
- wegen 994 in drin : 995 vater und
- muoter, 999 der Tierre, nun 1007
- ouch diu maget. 1009. 1010 stehen
- als Zusammenfassung und Ab-
- schluss. Die Strassburger Hs. liest
- 1010 dankes : alle — si — dankes ?
- Vielleicht keines tanzes ? Tanz
- ist die oft vorangestellte Aeusse-
- rung des Frohsinns : man saxih da
- selten freuden schal, ez wäre bu-
- hurt oder tanz Parz. 242, 5; was
- ir freude am tanze groz, Gdwän
- noch minre hie verdroz 640, 11 ;
- tanzen unde singen zergät mit
- sargen gar Walther 75, 13 [124,
- 22] (vgl. 21, 19 [19, 37]. 17, 23
- [25, 10]. 167,12 [114, 36]. MS. II,
- 139^. Hartmann selbst gebraucht
- unten 1142 = Greg. 3228 diese
- launige Wendung, wie er derglei-
- chen liebt. Vgl. auch Luc. 7, 32.
- Matth. 11, 17 und über Tänze der
- Seligen: Basel XIV. Jh. S. 384.
- Die französische Sprache bezeichnet
- — 112 —
- Ze jungest dö bedähte sich
- ir herre, der arme Heinrich,
- und begunde sagen in
- gröze gnäde allen drin
- 1015 der triuwen und des guotes:
- diu maget wart riches muotes,
- daz ers gevolgete gerne;
- und bereite sich ze Salerne,
- so er schiereste mohte.
- 1020 swaz ouch der megde tohte,
- daz wart vil schiere bereit,
- schoeniu pfert und richiu kleit,
- diu si getruoc nie vor der zit:
- hermin unde samit,
- eine tiefere Missstimmnng durch
- Verdruss oder Trauer sprichwört-
- lich mit dem AuHdrncke „Je n'ai
- pas le coeur ä la danse et au
- plaisir,^ [Bech meint, der Vers
- bedeute vielleicht „sie hatten genug
- des Leides ** (?) oder es sei tanzes
- oder sanges zu lesen. Das Mhd.
- Wh. I, 354» erklärt keines als ab-
- häng. Gen. von dankes, „keines
- wollte dem andern nachgeben, im
- ze danke wesen". — Keine dieser
- Erklärungen und Emendationen
- befriedigt. Der Abschnitt ist wohl bei
- 1009 anzusetzen: vgl. 971. 1049.
- 1305 u. a. V. 1010 ist zum folgen-
- den Satze zu ziehen (nach dö ist:
- zu setzen), das si bezieht sich dann
- wie ir 1012, in 1013 im Gegensatz
- zum Herrn auf die Drei (1014);
- denn dem dat^es gern entspricht
- doch wohl gnäde sagen 1014.]
- 1016. rtche freudenreich , be-
- glückt: von Personen und mit
- muot verbunden.
- 1018. ze zugleich Zweck und
- Raum : für, auf Salerno. Vgl. ich
- snide dich zem herzen 1092. 450.
- 1020. tohte brauchbar und schick-
- lich war, diente und ziemte. 1020
- und gar 1026 doch wohl hesser
- [als niaget] megede oder megde, wie
- die Strassburger Hs. hat ; Heidelb.
- Kol. 7}ieide : Erec 1321 einer mägdS
- gelkh ; Greg. 2302 nach der magde
- (so Lachmann mit der Vatic. Hs.;
- die Wiener maget) rate,
- 1022. pfert: für die Reise, be-
- stimmt zum Reiten für die Jung-
- frau; ros bedeutet Streitross und
- Wagenpferd, pfert ist entstanden
- aus paraveredys, parafredus, pare-
- fridus, pharefritj pherfrit, pferft,
- pferit, pfert.
- 1023. diu dergleichen wie : 106 1 .
- 1024. hermin von härm, härme;
- Stoffadjective auch substantivisch
- st. n.
- samit mlat. samitum^TLgvJ^afiirog
- sechsfsedig.
- — 113 —
- 1025 den besten zobel, den man vant,
- daz was der megde gewant.
- Nu wer möhte volgesagen
- die herzeriuwe und daz klagen
- unde ir muoter grimmez leit
- 1030 und ouch des vater arbeit?
- ez wser wol under in beiden
- ein jsemerlichez scheiden,
- dO si ir liebez kint von in
- gefrumten s6 gesundez hin
- 1035 nimer m§ ze sehenne in den tot,
- wan daz in senftet ir not
- diu reine gotes gäete,
- von der doch daz gemüete
- ouch dem 'jungen kinde quam,
- 1040 daz ez den tot gerne nam.
- ez was äne ir rät komen:
- da von wart von ir herzen gnomen
- alliu klage und swsere,
- wan ez anders wunder wsere,
- 1045 daz in ir herze niht zerbrach.
- ^xt^vJu^ze liebe wart ir ungemach,
- daz si dar nach deheine nOt
- liten umbe.ir kindes tot.
- Sus fuor gegen Salerne
- 1050 froelich unde gerne
- diu maget mit ir herren.
- 1031. Strassb. Es enwere; in Heidelb, u. Kol, fehlen 1031. 1032.
- 1046. Besserung Haupts: Strassb. die liebe; Heidelb. Kol. was in
- 1025. Attraction des Haupt-
- satzes an den Nebensatz.
- 1027. volle — vol — klagen,
- loben, tuen etc. vollebringen 1066 ;
- vollekotnen.
- 1031. Conj. Impf, statt des
- Plnsquampf. : 1044. 1052.
- beide: vgl. zwischen 994.
- 1034, frümen, frumen tr. be-
- fördern, schicken, machen, thnn:
- goth. fruma, lat. primus; frumen
- intr. mit dem Dat. frommen : frum
- tüchtig, gut.
- [1046 = Er. 6685.]
- 8
- — 114 —
- 1>V
- d.>
- waz möht ir nü geworren, ^^^^
- wiu wan daz der wec s6 verre was,
- daz si s6 lange genas? c^^- vc^t^ t' v
- 1055 und do er si vollebrähte
- hin, als er gedähte,
- Vrr d^ er sinen meister vant,
- dö wart ime zehant
- vil froelichen gesaget,
- 1060 er hete bräht eine maget,
- die er in gewinnen hiez;
- dar zuo er in st sehen liez.
- Daz dühte in ungelouplich.
- er sprach ,kint, weder hästü dich
- ' -^noßö diss willen selbe bedäht?
- od bistü üf die rede bräht
- von bete od dines herren drö?*
- diu maget antwurt im also,
- 1065. Strasab. Dis 1066. 1067. Strassb. oder 1065—1067;
- Heidelb, Kol. Dise rede selber an gennmen oder bistu hie zu bekumen
- Von dines herren dro
- i\.*
- 1057. sinen meister d. h. den
- Arzt, von dem in Beziehung auf
- ihn der Leser schon früher ver-
- nommen hat; ebenso 1343 sine
- maget.
- 1060. Besser jene: der Neben-
- satz (falls nicht die s. v. a. qiuüis
- wie 1023) fordert ein Fronomen
- demonstrativum. Jener die Hin-
- weisung auf Bewusstes, Bekanntes,
- Benanntes: Iw. 2034 mtn herre
- was biderbe gnuoc: aber jener, der
- in da sluoc, der muose tiurre sin
- daner; &ISO jener, derddnider
- lac, dern möht im niht ee stauen
- komen; 2558 dö er jenen holden
- sach, der aUez guot verkerte (Keii) ;
- Büchl. 2, 535 so ich ir phlegen
- [H. ich vUgen] wolte und triuten,
- als ich solte, so kom diu ander
- guote nie uz minem muote, und
- nante (ich sprach den Namen) ie
- jene, der ich da bin, — Unzweifel-
- hafter ist ein^ in jen>er zu ändern
- 1187, denn die kemerMte ist doch
- wohl eins mit dem heimlichen ge-
- mach 1181; die Ueberarbeitung
- hat hier auch der, [Wackernagel
- selbst hat spsßter ein Fragezeichen
- dazu gesetzt.]
- 1061. gewinnen herbeischaffen,
- anschaffen: Heilmittel 202 ; kaufen
- 835.
- 1065. diss auch 1253. 1256.
- Strassb. Hs. dis; die Schreibung
- diss Nib. 297, 2 B. C. und bei
- 115 —
- fr-t/5 C^Ci'^
- daz si die selben rsete uJ^t-vou
- 1070 von ir selber herzen tsete.
- Des nam in michel wunder,
- und fuorte si besunder
- und beswuorji yjLierre,
- ob ir iht ir herre
- 1075 die rede bete üz erdröt.
- er sprach „kint, dir ist n6t,
- daz du dich beratest baz,
- und sage dir rehte, umbe waz.
- ob du den tot liden muost
- 1080 und daz niht vil gerne tuest,
- s8 ist din junger lip tot,
- und &umt uns leider niht ein bröt.
- nu enhil mich dines willen niht.
- ich sage dir, wie dir geschiht.
- VArf^
- •-\ y\
- i I •■
- 1
- C M, C- C
- Herrn, von Fritslar S. 580. Eine
- Erweiterung oder Umstellung (vgl.
- dirre für diser Nom. Sing, und dize
- fär diz) disse Wigal. 52, 37. Klage
- 651 G. Eine Kürzung aus dides
- (vgl. diz aus didaz) ditz in Hss. :
- des Erec 3786 Greg. Marienleg.
- 197, 69; ditze Greg. Wig. 144, 38.
- Biss auch in Haupts Erec 3786.
- 5599. 9621.
- 1070. rät tiMfi sonst s. v. a.
- rät geben (ttum oft in der Bedeu-
- tung geben) : hier rät tuon ein
- Ausdruck wie not tuon; tot tuon
- 1216, flehe und bete tuon 1334: Um-
- schreibung eines einfachen den Be-
- griff des Substantivs enthaltenden
- Zeitworts: tot tuon s. v. a. tceten
- u. s. w. Bat Entschluss: ze rate
- werden heschliessen.
- 1072. besimder in's Abgeson-
- derte hin: abseits.
- 1077. berqfien refl. (mit Gen.)
- mit sich zu Käthe gehen^ sich be-
- denken, sich besinnen.
- 1078. und sage Ellipse des ich :
- öfter so vor nachfolgendem ellipti-
- schem Fragesatz: vgl. neizwä, wten,
- nhd. geschweige.
- 1080. Der Arzt hatte gesagt
- (226 fgg.) diu — des vjtllen wäre,
- daz si den tot erlite, und dass
- sie es gerne thun müsse; vgl.
- 236.
- 1082. niht ein brot; sehnlich
- wie 500 niht ein här u. a. nur
- mehr der Herrensprache angehoerig,'
- [vgl. Gr. in, 728 ff. und J. Zingerle,
- Ueber die bildliche Verstärkung
- der Negation bei mhd. Dichtern,
- Sitzungsberichte der k. Acad. der
- Wissenschaften in Wien, phil. bist.
- XXXIX, 414—477.]
- 1083. dines willen hängt ab von
- niht; heln wird mit doppeltem
- Accusativ verbunden.
- 116 —
- 1085 ich ziuhe dich uz rehte bl6z,
- und Wirt diu schäme harte gröz,
- die du von schulden danne hast
- unde nacket vor mir stäst.
- ich binde dir bein und arme:
- 1090 ob dich din lip erbarme,
- so bedenke disen smerzen.
- ich snide dich zem herzen
- und brich ez lebende üz dir:
- fröuweltn, nü sage mir,
- 1095 wie din muot dar umbe ste.
- L^ezn geschach kinde als6 we,
- ^ als dir muoz von mir geschehen,
- daz ich ez tuon sol unde sehen,
- da hän ich michel angest zuo:
- 1100 nü gedenke selbe ouch dar zuo.
- geriuwet ez dich häres breit,
- sO hän ich min arbeit
- unde du den lip verlorn."
- vil tiure wart si aber besworn,
- 1093. Strassb. vzer; Heidelh, Kol. von
- 1092. zerschneide dich nm an
- das Herz zu gelangen, s. 450.
- 1094. Die ehrende Anrede ver-
- ehlichter wie lediger Weiber war
- frouwe, geringeren Standes fröu-
- weltn (vgl . nhd. Fränlein !):Walthers
- Lied an eine nicht vornehme Ge-
- liebte beginnt Herzeliehez frouwe-
- lin 100, 19 [49, 25] ; derselbe Be-
- ginn eines namenlosen Liedes von
- gleicher Art ebd. 200,21 [Xin, 11].
- Im verächtlichen Tone wird fröu-
- weltn auch gegen Vornehmere ge-
- braucht: V\rigalois 61, 19 wider
- die juncfroun er dö sprach „ir
- sult loizzen, fröuweltn, dirre kleine
- hunt ist nun." — Hier bedeutet
- es ein Bauer nmsedchen.
- 1096. Freiheit der einfachen
- Verneinung wie 782.
- 1101. här 500; Genitiv wie
- 1196 niht häres gröz,
- 1103. verlorn hat bei arbeit
- einen anderen Sinn als bei lip : un-
- nütz thun: bete 1307. arbeit Ver-
- liesen und verlorn arbeit begegnet
- überaus oft: verlorene, vergebliche
- Mühe.
- 1104. tiure Uten, klagen, ma-
- nen, beswern grossen Werth worauf
- legend, mit Dringlichkeit bitten u.
- s. w., hoch und theuer schwopren.
- I
- — 117 —
- 1105 si erkante sich vil stsete,
- daz 81 sichs abe taete.
- Diu maget lachende sprach,
- wan si sich des wol versach,
- ir hülfe des tages der töt
- 1110 üz werltlicher not,
- »got 16ne iu, lieber herre,
- daz ir mir also verre
- hänt die wärheit gesagei--^'C , ,
- entriwen, ich bin 6In teil verzaget: '*
- 1115 mir ist ein zwivel beschehen.
- ich wil iu rehte bejehen,
- wie der zwivel ist getan,
- K^den ich nü gewunnen hän.
- /^ch förhte, daz unser arbeit
- 1120 gar von iuwerr zageheit
- under wegen belibe^
- iwer r^de gezsSme eim wfbe. llu^vtL^
- ir sint eines hasen genöz.
- iwer angest ist ein teil ze groz
- 1110. Strassb, vzer; in Heidelh, u, Köl, 1107 — 1118 gekürzt,
- 1115. Strassb, beschehen
- V ^ '-
- 1105. sie kannte, wnsste sich:
- mit Genitiv, prsßdic. 1380 die er
- erkande der scelden und der
- giiete; 1135 daz ich mich weste
- des muotes also veste,
- 1115. geschehen mit dem Dativ
- zu Theil werden: ein Zweifel ge-
- kommen. Besser [als ist zwivel
- geschehen, wie in der 1 . Auflage
- stand] wäre ein zmfel beschehen,
- wie Erec 9174 ob im kein zmvel
- geschach; die Heidelb. Kol. Hss.
- haben Einen zwifel ich gewunnen
- han; beschehen liest die Strassb.
- Hs. Der Reim ist wie 763.
- 1116. bßjehen bekennen, beich-
- ten (bigihtj: spöttischer Rede-
- ton.
- 1121, under wegen mitten auf
- dem Wege, unterwegs: under we-
- gen bellen nicht zum Ziele ge-
- langen.
- [1122. Vgl. Büchl. 2, 484 so
- zcem mm herze den wtben,]
- 1123. genözen 464. getwerges,
- risen genöz klein wie ein Zwerg,
- gross wie ein Riese; eines tören
- genöz d. i. ein Thor; eines hasen
- genöz ein Hase.
- — 118 —
- 1125 dar umbe, daz ich sterben sol.
- deswär, ir bandeint ez niht wol
- mit iuwer grözen meisterschaft.
- ich bin ein wip und hän die kraft:
- geturrent ir mich sniden,
- 1130 ich getar ez wol erliden.
- die engesltche arbeit,
- die ir mir vor hänt geseit,
- die hän ich wol an iuch vernomen.
- '"X^^.^yr%A^ ^ zwar, ich enwsere her niht komen,
- 1135 wan daz ich mich weste
- des muotes als6 veste,
- daz ich ez wol mac dulden.
- mir ist, bi iuwern hulden,
- diu broede varwe gar benomen
- IHO und ein muot also vester komen,
- daz ich als engesltche stän,
- als ich ze tanze süle gän;
- wan dehein not sd gröz ist,
- diu sich in eines tages frist
- 1H5 an mime libe geenden mac,
- mich endunke, daz der eine tac
- genuoc tiure si gegeben
- umbe daz ewige leben,
- daz da niemer zergät.
- 1150 iu enmac, als min muot stät,
- an mir niht gewerren.
- getrüwent ir mim herren
- 1143. Besserung Haupts: Strassb. Wände kein; Heidelb. Kol,
- Wie groz daz min angest ist der tot sich in einer vrist — mich
- dnnket
- 1126. ez handeln es treiben,
- handeln.
- 1131. engesÜHch, engeslich Angst
- erregend; 1141 engesltche Angst
- empfindend.
- 1138. mit iuwern htUden mit
- eurer Erlaubniss 370.
- 1147. thener genug, nm einen
- hinreichend d. h. sehr hohen Preis
- dahingegeben.
- — 119 —
- sinen gesunt wider geben
- und mir daz ewige leben,
- 1155 durch got, daz tuont enzit:
- länt sehen, welch meister ir sit.
- mich reizet vaste dar zuo.
- ich weiz wol, durch wen ich ez tuo:
- in des namen ez geschehen sol,
- 1160 der erkennet dienst harte wol
- und läts euch ungelönet niht.
- ich weiz wol, daz er selbe gibt,
- swer grözen dienst leiste,
- des lön si ouch der meiste.
- 1165 da von so sol ich disen t6t
- hän für eine süezen not
- nach sus gewissem Idne.
- liez ich die himelkröne,
- 1153. Besserung Lachmanns: Strassb, Sine gesunde; in Heidelh.
- u, Kol, fehlen 1149 — 1154, 1161. Besserung Lachmanns: Strassb.
- Vnd lat sin onch; Heidelb. Kol. Er let sin 1166. Strassb. a&ze;
- in Heidelb. u. Kol. fehlen 1165 — 1170.
- 1 155. durch got elliptischer Zn-
- mf nnd Aasrnf (ich bitte nm Gottes
- Willen) : vor Imperativen 1482
- nu rät mir alle durch got; vor
- Fragen; vor Antworten (Er. 7930
- durch got, nü saget waz? 7939
- mugt ir mirz durch got nü sagen?
- 7513 we, nein ez, durch got.]
- 1157. rize, reiz : reizen reizen,
- locken ; nnpersoenl. verlangen.
- 1160. erkennen mit Lob oder
- Dank anerkennen : erkenntlich s.
- v. a. dankbar.
- 1161. läts: es ist von Ionen
- abhängig, anch mit dem Dat. und
- Gen. wird es verbunden: Walther
- 119, 18 [121, 14] des tvirt M sel-
- chen eren ungelönet niht; MSF.
- 45, 26 daz si dem ungelönet lat;
- Greg. 1222 der deheiner guottät
- niemer ungelönet lat ; MSF. (Hart-
- mann) 205, 8 ich wü ir anders
- ungefluochet län; ebd. 208, 11 8l
- — ungevdschet län ; ebd. 208, 3 sl wil
- mir ungelönet län; Erec 4845 daz
- man sin tmgespottet lie; Beaflor
- 80, 17 ^^ ungespottet min; Gott-
- fried von Neifen 49, 21. [Vgl.
- Haupt z. Er. 979.]
- 1162. Wahrscheinlich ein Bezug
- auf Luc. VI, 35 benefacite et
- mutuum date, nihil inde sperantes,
- et erit merces vestra multa.
- 1168. 1293 muoz ich alsus ver-
- lorn hän die rtchen himdkröne?
- „Die Krone der Gerechten", „die
- — 120 —
- I
- f
- I
- I
- [i:
- -
- »ih-
- I
- s6 het ich alwseren sin,
- 1170 wan ich doch lihtes künnes bin/
- Nu vernam er, daz si wsere
- gnuog unwandelbsere,
- und fuorte si wider dan
- hin zuo dem siechen man
- 1175 und sprach zuo ir herren
- ,uns kan daz niht gewerren,
- iwer maget ensi vollen guot.
- nü hänt froelichen muot:
- ich mache iuch schiere gesunt.''
- 1180 hin fuort er si zestunt
- in sin heimlich gemach,
- da es ir herre niht ensach,
- und beslöz im vor die tür
- und warf einen rigel für:
- 1185 er enwolte in niht sehen län,
- wie ir ende solte ergän.
- 1183. Besserung Lachmanns: Strassb. in vor der; Heidelb, Ko
- Einen rigel warf er für die tnr der arme h einrieb beleip da für
- Krone des ewigen Lebens** ndgl.
- [z. B. 2. Tim. 4, 8 Corona justi-
- UcB, quam reddet mihi Dominum
- z= o r^g &i>xaioffvvijg (Triq)avog, öV
- anoöü)ff€i> fjLOi 6 xv^to^]. axiq)avog
- Kranz als Preis des Siegers im
- Wettlauf ndgl. Das lat. Corona
- verstand aber das Mittelalter als
- den koeniglichen Schmuck, deutsch
- hröne. Ausdrücklich ist die Bede
- von koeniglichen Kronen, von gol-
- denen Kronen u. s. w. Damit
- stimmen aucb die Darstellungen
- der bildenden Kunst. [S. DW. V,
- 2361. 2366 fg.]
- 1170. lihte auch wertblos, ge-
- ring: llhtez künne geringe Her-
- kunft, niederes Greschlecht: ,Ich
- wsere eine Thoerin, wenn ich, da
- Bauemkind, mir die Gelegenhe
- entgehen liesse, eine Koenigin 2
- werden.*
- 1171. vernetnen verstehen, w;
- noch überoft in Luthers Bibel.
- 1181. Äciw Gegensatz zu Fremd«
- heimlich was Andern unzugänglic
- ist ; in den privatesten Theil sein<
- Wohnung.
- 1183. vor besliezen: ebenso vc
- verbergen, vor ver stein mit dei
- Dativ.
- 1184. n^e? Balken: Nibelung€
- 612, 4 der edel hünec dö seil
- vil wol beslöz die türe: starh.
- rigele zwene warf er balde det
- füre.
- — 121 —
- In siner kemenäten,
- die er vil wol beraten
- mit schoener arzenie vant,
- 1190 er hiez die maget alzehant
- abe ziehen diu kleit.
- des was si frö und gemeit:
- 81 zarte diu kleider in der nät.
- schiere stuont si äne wät
- 1195 und wart nacket unde blöz:
- si schämte sich niht häres gröz.
- Do si der meister ane sach,
- in sime herzen er des jach,
- daz schoener cr§atiure
- 1187. Strassb, In einer; Heidelb. Kdl, In der 1189.
- muthung Haupts: Strassb, Mit sinre; Heidelb, Kol, Von guter
- 1187. lies jener? s. zu 1060. 1 weise auch von Seide oder
- Ver-
- von
- [Das Fragezeichen hat Wackernagel
- spater zu jener gesetzt, mit Blei-
- stift ist dann siner darüber ge-
- schrieben.]
- kemenäte caminata , heizbares
- Haus (Eemnat) oder Zimmer, s.v.a.
- Stube (Bad), Wohngemach, nament-
- lich der Frauen (Frauenzimmer) ;
- Schlafgemach (für Kranke, Alte);
- Kindbette: ze kemenäte gän ; sonst-
- wie vorbehaltener bequemer Raum:
- hier Studierstube.
- 1188. beraten mit rät versehen,
- ausrüsten.
- 1192. goth. gamaids gebrech-
- lich, ahd. gimeit vergeblich, thoe-
- richt, übermüthig; mhd. freudig,
- keck; dessen man sich freut: lieb-
- lich u. s. w. [bei Hartmann nur
- noch im Er. und 1. Büchl.: s.
- flaupt z. Er. 12].
- 1193. Statt der Knöpfe hatte
- man Schnüre und Fseden, die theil-
- Gold waren. Das Ein- und Aus-
- schnüren (najen) wird oft erwähnt.
- Man that es sich selbst, das Weib
- dem Manne, besonders galt es auch
- als Ehren- und Liebesdienst, den
- eine Frau der andern oder einem
- Herren erweist. [Vgl. Mhd. Wb.
- n, 1, 304a und A. Schulz, das
- hoefische Leben z. Zeit der Minne-
- singer I, 189.]
- 1197. Meleranz 1973 fg. der
- Jäger dicke an in sach: in sinem
- herzen er des jach; 5958. Do er
- Meleranzen sach, in sinem herzen
- er des jach.
- 1199. creaUure: sonst findet
- sich im A. H. kein franzoesisch
- und es ist deshalb doppelt auf-
- fällig, dass nicht das lat. creatüre
- steht. — Es gibt das ein rechtes
- Beispiel wie Wirnt nachahmt,
- Wig. 130, Sß dö er den wurm
- rehte ersach, in sinem herzen er
- — 122 —
- 1200 al der werlte waere tiure.
- gar sere erbarmete si in,
- daz im daz herze und der sin
- vil nach was dar an verzaget.
- nu ersach diu guote maget
- 1205 einen höhen tisch da stän:
- da hiez si der meister üf gän.
- dar üf er st vil vaste bant
- und begunde nemen in die haut
- ein. scharpfez mezzer, daz da lac,
- 1210 des er ze solhen dingen pflac.
- ez was lang unde breit,
- wan daz ez so wol niht ensneit,
- als im wsere liep gewesen.
- dö si niht solte genesen,
- 1215 do erbarmete in ir nOt,
- und wolte ir sanfte tuen den tot.
- Nu lac da bi in ein
- harte guot wetzestein:
- da begunde erz ane strichen
- 1220 harte müezecltchen,
- da bt wetzen, daz erhörte,
- 1221. Besserung Lachnianns: Strassb. Do bi onch w.; Heiddb.
- KoL Do er daz strichen h. sine vreude gar verstörte
- des jach, daz so ungehiure de-
- Keine kreatiure ie gestehe dehein
- num,
- 1200. selten, d. h. gar nicht
- vorhanden.
- 1203. nach, vil nächj immer
- mit dem Indicativ Plosqnamper-
- fecti oder Imperfecti.
- 1207. vaste fest: 52.
- 1216. sanfte leicht: 11. Nibe-
- lungen 882, 2 dö sltwc in (eher)
- mit dem swerte Kriemhüde man:
- ez het ein ander jegere so sanfte
- niht getan : leicht hier für Sieg-
- fried, dort für das Msedchen.
- 1217. Iw. 581 ob dem brunne
- stet ein harte zierlicher stein, under^
- sazt mit vieren marmelinen Heren:
- anch bier ist der zweite Yers ganz
- gefüllt mit den übrigen Worten.
- Anders Wirnts Art proclitisch die
- Worte in den Reim zn setzen, z.
- B. 137, 16 fgg. guoter bOrge het
- er dru disiu lac so nahen M \ dem
- sewe, daz er rehte für \ der frou-
- wen kemenäten tür sluoc, als ee
- — 123 —
- der ir fröude störte,
- der arme Heinrich, hin für,
- da er stuont vor der tür,
- 1225 und erbarmete in vil söre,
- daz er si niemer mere
- lebende solte gesehen.
- nü begunde er suochen unde spehen,
- unze daz er durch die want
- 1230 ein loch gände vant,
- und ersach st durch die schrunden
- nacket und gebunden.
- Ir 11p der was vil minneclich.
- nü sach er si an unde sich
- 1235 und gewan einen niuwen muot.
- in dühte dö daz niht guot,
- des er § gedäht häte,
- und verkerte vil dräte
- sin altez gemfiete
- 1240 in eine niuwe güete.
- Nü er st alse schoene sach,
- wider sich selben er d6 sprach
- 1237. 1238. Strassh, Des er do e gedahte — vil getrabte; in
- Heidelb, u. Köl, feUen 1233—1240,
- udnt was, der mdne lüterlichen
- schein, nü sahen si, wä vor in
- ein I schiffeltn flöz üf dem se,
- 1222. Satsverschrankang wie
- 1340. Parz. 230, 21 in den
- pcUas kom gegangen, der da wart
- wol enpfangen, Purziväl der lieht-
- gevar, von im, der in sanie
- dar,
- 1231. schrinden st. v. bersten,
- sieb spalten.
- 1238. Dräte für Hartmann, der
- auch das seltnere adj. drate noch
- gebrancbt (BücbL 1, 1858 der selbe
- ist zollen lügenden laz, ze den Un-
- tugenden dreete), ein Lieblingswort ;
- 173. 1346. Strassb. Hs. bat ge-
- trate [daraus ergibt sieb gedräte
- s. Hanpt z. Er. 5500]; besonders
- gern wird es wie 173 verbunden
- mit steigerndem also oder a^s:
- Greg. 511. 2286. 2301. 3136. Iw.
- nur 3432; vgl. also holde, als
- balde (nbd. alsbald) Iw. 3457. Greg.
- 2345.
- 1242. sprechen wider Wechsel-
- seitigkeit, nicht zn, sondern mit,
- Gesprsecb mit sich selbst.
- — 124 —
- ,dü hast ein tumben gedanc,
- daz du sunder sinen danc
- 1245 gerst ze lebenne einen tac,
- wider den niemen niht enmac.
- du enweist ouch rehte, waz du tuost,
- Sit du benamen sterben muost,
- daz du diz lesterliche leben,
- 1250 daz dir got hat gegeben,
- niht vil willeclichen treist,
- unde ouch dar zuo enweist,
- ob dich diss kindes tot ernert.
- swaz dir got hat beschert,
- 1255 daz lä dir allez geschehen.
- ich enwil diss kindes t5t niht sehen/
- Des bewag er sich zehant
- und begunde bdzen an die want:
- er hiez sich läzen dar in.
- 1260 der meister sprach „ich enbin
- nü niht müezec dar zuo,
- daz ich iu iht üf tuo.*
- „nein, meister, gesprechent mich.*
- 1253. Strassb. dis; Heidelb. Köl. des 1256. Strassb. dis;
- Heidelb, Köl. dunen macht ires todes niht gesehen 1263. Besse-
- rung Lachmanns: Strassb, Nein herre meister; in Heidelb. u, Köl,
- fehlen 1263, 1264,
- 1244. danc Geneigtheit, Wille :
- mit danke, dankes freiwillig, gern ;
- äne, sunder, über, under, wider —
- danc wider Willen, Undankes.
- 1248. benamen für wahr: 527.
- 1249. lasier Schmach, Schimpf:
- laster unde spot 1351. lasterlich
- schmaehlich [: 383. 456].
- 1252. und da doch^ wsehrend:
- 947.
- dar zuo zu dem, nicht einmal.
- 1254.. beschern zatheilen, ver-
- hängen: Snhj. immer Gott.
- 1257. bewegen reflexiv mit dem
- Genitiv sich seitwärts bewegen:
- verzichten ; sich auf die Glückswage
- legen, entschliessen : verwegen 525.
- 1259. sich , weil lazen pass.
- verstanden ist, das Snbject also
- dasselbe bleibt.
- 1263. 1266. sprechen transitiv,
- sprechen mit.
- — 125
- „herre, ja enmach ich.
- 1265 beitent, unz daz diz erge.**
- „nein, gesprechent mich e.*
- „nü sagent mirz her durch die want.^
- Ja ist ez niht also gewant/
- Zehant dö liez er in dar in.
- 1270 dö gie der arme Heinrich hin,
- da er die maget gebunden sach.
- zuo dem meister er dö sprach
- 9 diz kint ist also wünneclich:
- zwäre, ja enmach ich
- 1275 sinen tdt niht gesehen.
- gotes Wille müeze an mir geschehen:
- 1264. Strassb, Herre sprach er ioch enmag ich 1266. Strassb,
- Nein herre meister gesprechent; Heidelb. KoL Neina meister sprechet
- (KoL besprechet) 1268. Strassb. loch; in Heidelb. u. KoL fehlen
- 1267. 1268. 1274. Strassb. Zwar ioch; Heidelb. Köl. weizgot nu;
- alle drei enmag ich
- 1264. ]L, weil gesprechen
- fortgefallen, vgl. 591.
- 1264. 1274. mach nicht fnac
- oder mag (Hss.) wie Iw. 4098
- (wo Lachmanns Anmerkung S.
- 467 fgg. zu vergleichen ist, die
- nnr zn verschiedenartiges mit ein-
- ander bespricht) der dewedern
- tmch ich und Erec 3921 wände
- so enmakh (Hs. mag) er : wenn in
- stnmpfreimenden Versen die beiden
- letzten Hebungen unmittelbar neben
- einander stehn (mdc, ich), die letzte
- HebuDg ein einsylbiges, vocalisch
- anlautendes Wort (ich) undder Vocal
- der vorletzten kurz ist (fndc), so darf
- diese auf keinen einfachen Conso-
- nanten ausgehn (mäCy mag), weil
- man sonst verleitet würde, einen
- zweisylbigen stumpfen Reim an-
- zunehmen, wie vater : bat er 568
- (derselbe Grund, aus welchen 190
- genise ich mit Hiatus zu sprechen,
- nicht zu elidieren ist: vgl. Lach-
- mann z. Iw. 818. 2943); wohl aber
- auf eine Consonantenverbindung,
- so denn auch mit ch: mach. Ch
- ist in solchen Fällen der ahd. alt-
- alamann. Laut, der auch mhd. noch
- keineswegs ungeläufig war, wie wir
- aus den Hss. sehen. £r findet sich
- selbst hin und wieder noch bei
- Dichtern im Reim: Lanzelet 5523
- burch : durch. Hartmann selbst
- Iw. 3474 bestreich : sweich und
- 4431 p flach : ersach: Lachmann,
- der doch Iw. 4098 mach schreibt,
- will hier überall ändern.
- 1268. gewant beschaffen: 12.
- 410.
- — 126
- wir suln si wider üf län.
- als ich mit iu gedinget hän,
- daz Silber, daz wil ich iu geben.
- 1280 ir sult die maget läzen leben. ^
- Dd diu maget rehte ersach,
- daz ir ze sterben niht geschach,
- da was ir muot beswseret mite,
- si brach ir zuht unde ir site:
- 1285 st gram unde roufte sich.
- ir gebserde wart s6 jsemerlich,
- daz si niemen hete gesehen,
- im wsere ze weinenne geschehen.
- 1285. Strassh. Zuo grime zart siu sich vnd roufte; Hddelh. KoL
- Sie roufte vnd kratzte
- 1278. 134Ö. dingen verabreden,
- sich verbindlich machen.
- 1282. dass es ihr nicht zu Theil
- ward zu sterben ; 1288 er hätte
- weinen müssen: 141.
- 1285. Die Strassbnrger Hs. allein
- könnte auf die Besserung führen.
- Ze grimme roufte si sich: grimme
- Lanzelet 5261 z= Erec 5346 diu
- bitter leides grimme; ze grimme
- Adv. wie ze mäze, ze rehte, ze
- vUze udgl. Die Heidelberger und
- Eol. Hs. allein wird bestsetigt darch
- Ortnit V, 43 [bei Amelnng 389, 3]
- sich krazte unde roufte diu frouwe
- minnecltch; Erec 5323 zekratzet
- und zeroufet heb sich daz liehelöse
- [Htplöse] wip. Beide Hss. zusam-
- men führen auf die gegebene Bes-
- serung. Grimmen oder krimmen
- kratzen findet sich Eabenschlacht
- 894 hende unde fUeze grimmen er
- hegan; Schretel u. Wasserb. 232
- hizen krimm^en unde kratzen'^ 241
- €z beiz, ez krazte in unde kram;
- 258 nü kratzä kraz! nu krimmä
- kr im! 260 sie krazten unde krum-
- men einander also grimmiclich;
- Wigamur 1478 Er kraczt vnd gran;
- Bühelers sieben weisen Meister 4731
- 8y zerzerret vnd zerkrame sich ; 7146
- zuo stunt si sich zerzert und kram
- ir antiit und ir cleider rieh;
- Narrenschiff 52, 34 (zwei zänkische
- Eheleute) criminor te , kratznor a
- te [criminor te , cracinor a te
- Scheidts Grobianus 3996]; andere
- Stellen Lachmann z. d. Nib. S.
- 10. — Des Inhaltes wegen ist zu
- vergleichen Erec 5757 (Enite, als
- Erec scheinbar todt) diu guote, nü
- viel st iüber in unde kusten. dar
- nach sluoc st sich zen brüsten und
- kustin aber unde schre; ir ander
- wort was we owe, daz har si
- vaste uz brach, an ir ltb& si sich
- räch nach toiplichem site: wan hie
- rechent si sich mite, swaz in ze
- leide geschiht, da toider tuont die
- guoten niht, wan daz siz pJüegent
- — 127 —
- Vil bitterlichen si scbrS
- 1290 „we mir vil armen unde ow§!
- wie sol ez mir nu ergän?
- muoz ich alsus verlorn hän
- die riehen himelkröneP
- diu wsere mir ze 16ne
- 1295 gegeben umbe dise ndt.
- nü bin ich alr§st tot.
- owg, gewaltiger Krist!
- waz gren uns benomen ist,
- minem herren unde mir!
- 1300 nu enbirt er und ich enbir
- der eren, der uns was gedäht.
- ob diz wsere voUebräht,
- s5 wsere ime der lip genesen
- und müeste ich iemer sselec wesen/
- 1305 Sus bat si gnuoc umbe den tÖt.
- dö wart ir nie dernäch sö not,
- sl verlüre gar ir bete.
- dO niemen durch st dd niht tete,
- dö huop Sl an ein schelten.
- 1310 Sl sprach «ich muoz engelten
- 1291. Besserung Lachmanns: Strassh. nu gar ergan; Heidelb,
- KoL Daz ich ie wart gebom nn han ich alrerst verlorn
- enblanden ougen unde handen mit
- träJienen und mit hantsiegen, wan
- «I anders niht enmegen.
- 1295. kein worden: 1302.
- 1296. aller erest: erst recht,
- nun eigentlich; nü erste 418.
- 1301. Entweder die uns zuge-
- dacht waren : ich gedenke dir eines
- dinges; oder auf die wir gedacht,
- die wir bezweckt und erwartet
- hatten : unpersoenlich mk ist gedäht
- wird mit dem Genitiv verbunden.
- 1306. mir ist, mir wirdet not
- mit dem Genitiv oder nach oder
- ZUG: dringendes Verlangen; not
- ist adj. verstanden: so; comp.
- nceter,
- 1307. Verliesen vergeblich thun :
- 1103; verlorene Mühe.
- 1308. tuon durch um jemandes
- willen thun, bei seinem Thun auf
- jemand achten.
- 1309. Auch bei Infinitiven, die
- ungewQßhnlicher Weise und nur
- gelegentlich als Substantive stehn,
- steht ein.
- — 128 —
- mines herren zageheit.
- mir hänt die liute misseseit:
- daz hän ich selbe wol ersehen.
- ich hörte ie die liute jehen,
- 1315 ir wserent biderbe unde guot
- und hetent vesten mannes muot:
- s6 helf mir got, si hänt gelogen.
- diu werlt was ie an iu betrogen:
- ir wärent ie alle iuwer tage
- 1320 und sint ouch noch ein werltzage.
- des nim ich wol da bi war:
- daz ich doch Itden getar,
- des enturrent ir niht dulden.
- herre, von weihen schulden
- 1325 erschräken t ir, dö man mich baut?
- ez was doch ein dickiu want
- enzwischen iu unde mir.
- herre min, geturrent ir
- einen frömden tot niht vertragen?
- 1330 ich wil iu geheizen unde sagen,
- daz iu niemen niht entuot,
- und ist iu nütze unde guot.**
- 1323. Strassb, Daz engetürrent; Heidelh, Kol, Des entravt er
- niht verdulden
- 1311. zageheit Genitiv.
- 1318. werlt s. v. a. die liute
- 1314; ebenso 125.
- 1 320. zage eigentlich Hase (goth.
- tagl Haar hd. zagel Schwanz, gr.
- daffvnovg Rauchfuss); es wird nur
- noch bildlich = Feigling gebraucht,
- wie auch hase selbst die Bedeutung
- mitunter hat : 1123 eines hosen ge-
- nöz. Zage ist ein häufiges und
- besonders ehrenrühriges Scheltwort:
- Lex Salica 30, 5 si quis alterum
- lepore clamaverit, CXX dinarios,
- qui faciunt solidos iii^ culpaMlis
- judicetur. — JRehter zage, haser
- zage, arger zage, zage nuere (Ni-
- belungen 2080, 1) werltzage, äiet-
- zage wie dietschalc , volcdegen,
- Landlügner, Gaudieb udgL [werlt-
- zage auch Er. 4657].
- 1327. enzmschen in ambobus.
- 1329. vertragen ein sittliches
- Ertragen, geschehen und sich ge-
- fallen lassen.
- — 129 —
- Swie vil si flehe unde bete
- unde ouch scheltens getete,
- 1335 daz enmohte ir niht frum wesen:
- si muoste iedoch genesen.
- swa? dö scheltennes ergie,
- der arme Heinrich ez enpfie,
- als ein frumer ritter sol,
- 1840 tugentlichen unde wol,
- dem schoener zühte niht gebrast.
- und dö der gnädelöse gast
- sine maget wider kleite
- 1333. Strdssb. fluche unde bete; in Heidelb, u. Kol, fehlen
- 13SS—1336,
- 1333. Strassb. Hs. hat fl^he.
- Flüeche sind weder in den voran-
- gegangenen Worten der Jnng&an
- noch überhaupt in ihrer Art be-
- gründet: lies flehe (schelten unde
- fluchen) LB. 1, 406, 18 (Fund-
- gruben 2, 164, 32 fluchen vnd
- böse antwrte muste ir sin vner-
- cJmnt), Krone 9075 swaz man an
- in bewande beide vlehe unde bet,
- dar umbe er emoederz tet; 11288
- er kerte vlehe unde bete an sie;
- Tristan 123,22 mine vlehe und mine
- bete; Eraclius 80 si fleheten unde
- bäten; Freidank 2, 20 man. muoz
- im flehen unde Uten; H. Ernst
- 4731 ; Meleranz 7302 beide si flehet
- unde bat; Gute Frau 743 der
- gräve vlehete unde bat; Wigalois
- 85, 39 (oben 1307) sine mohte in
- niht so vil geladen, sine verlüre
- ir flehen unde ir bet; Flore 5777
- daz flehen unde diu bete, daz ir
- Claris getete, daz gienc in einen
- stein und in ir herze dl ein ; Me-
- leranz 8920 ez half ir fleheri noch
- ir bete gen im niht,
- 1335. fru7n st. m. Nutzen,
- Vortheil : frum wesen, werden
- nützlich sein, werden.
- 1338. nahm es so auf.
- 1339. /Vwmadj. tüchtig, wacker,
- gut.
- 1341. schoener zühte Meleranz
- 5282 mit schoenen zühten niht ze
- balt was diu tnaget wol getan,
- niht gebrast : Meleranz 79»^8 zuo^
- ir saz der werde gast, dem ganzer
- tugent nie gebrast. Aus der all-
- gemeinen Betrachtung ist wieder
- in die Erzsehlung eingelenkt. Erec
- 837 s% vähten, als den Hüten touc,.
- die es diu grimme not bat; noch
- naeher Greg. 1785 nü behaget im
- diu vrowe wol, als einem manne
- ein wip sol, an der nihtes gebrast,.
- 1342. gendde Gottes Hilfe und
- Erbarmen, Glück; wn^ewa^ Strafe
- Gottes, Unglück.
- gast Fremdling.
- 9
- — 130 —
- und den arzät bereite,
- 1345 als er gedinget häte,
- dö fuor er gar dräte
- wider heim ze lande.
- swie wol er dö erkande,
- daz er da heime funde
- 1350 mit gemeinem munde
- niuwan laster unde spot,
- daz liez er liuterlich an got.
- Nu bete sich diu guote maget
- s6 verweinet und verklaget,
- 1355 vil nähe bin unz an den tot.
- do erkande ir triuwe unde ir not
- cordis speculator,
- vor dem debeines herzen tor
- fürnames niht beslozzen ist.
- 1360 stt er durch sinen süezen list
- an in beiden des geruochte,'
- daz er si versuochte
- rebt also volleclicben
- sam JOben den rtcbeh,
- 1344. reiten z»hlen, berechnen,
- bezahlen; bereiten bezahlen, Per-
- sonen und Geld.
- [1346 1. er gedräte — s. Hanpt
- z. Er. 5500.]
- 1347. heim ze lande: 1379^
- Tautologie.
- 1350. ein gemeiner munt 1466,
- der Mund Aller; Beaflor 100, 32.
- 119, 36. 180, 8. Meleranz 6136.
- 1352. Idzen an überlassen, an-
- heimstellen.
- [1353 ff. nachgeahmt in Wig. 59,
- 15 ff. ^t^ het sich diu reine maget
- beidiu verweinet und verklaget, daz
- si vil küme mohte leben»]
- 1357. Weisheit Salomons 1, 6
- cordis scrutatoTy Herzenskündiger.
- Das Versehen ist nicht der Hss.,
- sondern Hartmanns selbst. Den
- entsprechenden deutschen Ausdruck
- gebraucht er Büchl. 1 , 553 : durch
- daz han ich »i genannt, des herzen
- spehare.
- 1359. ahd. furi nem>an hervor-
- heben, auszeichnen: furonomenes
- furenomes vorzugsweise, eigentlich
- gänzlich; mhd. vürnamens, —
- names u. s. f. ganz und gar, ge-
- woßhnliche Bekräftigung einer Ver-
- neinung.
- 131 —
- 1365 do erzeigte der heilige Krist,
- wie liep ime triuwe ist,
- und schiet si d6 beide
- von allem ir leide
- und machete in da zestunt
- 1370 reine unde wol gesunt.
- Alsus bezzerte sich
- der guote herre Heinrich,
- daz .er üf sinem wege
- von unsers herren gotes pflege
- 1375 harte schoene worden was,
- daz er vil gar genas,
- als von zweinzec jären.
- d6 si sus erfröuwet wären,
- 1366. Strassb, Wie 1. ime trüwe un erbermde ist; Heidelh, KoL
- wie 1. im trewe ist 1377. HSS. und was als vor
- 1366. So die Heidelb. und Kol.
- Hs., unterstützt durch Wigalois
- 134, 15 zuo zir gesellen was ir
- gächy daz si den tot mit im da
- kür: da Met si niht die werlt für
- genomen gar für eigen, si mohte
- Ithte erzeigen got ir herze unde ir
- muot, wand er übel un^ guot er-
- kennet, e dan ez geschiht ; vor den
- werken er wol siht, swazdaz mensche
- tuon wü, Sinem gewalte ist niht
- ze vil, er reiner got bekande wol,
- daz ir herze was triuwen vol.
- wände im triuwe liep ist, do
- lie er si in kurzer frist vinden ir
- vil lieben man. Triuwe A.H. 1001.
- 1015.% Engelhard Eingang 153.
- 5445. 6465 fgg.; Unten (Amicus)
- 93. 101; Kistener 3. 1059. 1142
- fgg. Die Strassb. Hs. hat triuwe
- und erbermdevind allerdings kommt
- hier ausser der Treue der Jung-
- frau auch das Erbarmen Heinrichs
- (milte Silvester 1050 fgg. 1158) in
- Betracht; nur ist erbermde dann
- in bermde zu bessern : bärmde Er.
- 5807. — Haupt liest nur erbermde^
- die doch auf keinen Fall allein zu
- nennen ist.
- 1369. Man würde hier vielleicht
- das zeitliche do erwarten, die
- Strassburger Hs. und Haupt lesen
- wirklich so; die Heidelberger und
- Kol. Hs. ändern 1369—1386. Es
- heisst aber immer sonst, auch bei
- Hartmann immer, da ze stunde:
- Erec 4943. 6073. 8157. 9624.
- 9666. Greg. 1038. 2706; da ze-
- stunt Erec 3349. 3424. Iw. 3429.
- Greg. 278. 378. 3613 der wart da
- zestunt von sinem kuniber gesunt.
- Da hat hier lediglich demonstra-
- tiven Sinn, den eines demonstra-
- tiven Fürworts: zu der Stunde.
- 1377. Die Hss. lesen vor (Vgl.
- Konr. Troj. 10787 er was an kref-
- — 132 —
- do enböt erz beim ze lande
- 1380 den, die er erkande
- ' der sselden und der güete,
- daz si in ir gemüete
- sines gelückes wseren frö.
- von schulden muosten si dö
- 1385 von den genäden fröude hän,
- die got bäte an ime getan.
- Sine friunde die besten,
- die sine kunft westen,
- die riten unde giengen.
- ten und an tugent als er vor
- drizic jären was) : aber 34 und 60
- ist von seiner Jugent die Rede und
- jetzt ist er nur 3 — 4 Jahre älter.
- Er müsste also in die Kindheit
- zurückversetzt sein, was hier nicht
- am Orte ist, wenn schon das an-
- derswo vorkommt. Inglinga Saga
- Cp. 29 erzsehlt von einem nordi-
- schen Koenig Ann (Ön), der seine
- 9 Söhne nach einander dem Odhin
- opfert und mit jeder Opferung um
- 10 Jahre jünger, mit der letzten wie-
- der ein Jüngling wird. Nur als bild-
- liche Bezeichnung der neuen Rein-
- heit (2 Koen. 5, 14 von Naeman
- „und sein Fleisch ward wieder er-
- stattet wie ein Fleisch eines jungen
- Knaben und ward rein"; Kaiser-
- chronik 7966 von Constantin bei der
- Taufe ja wart im der Itp sin alse
- ein niwe gehornez chindelin) ist es
- auch nicht zu verstehn, denn da
- würden nicht so die Jahre gezählt
- sein. Dagegen kommt auch sonst
- „wie von zwanzig Jahren" zur
- Bezeichnang von Jugendschoenheit
- und Kraft vor: Ganz allgemein:
- «Zwanzig Jahr ein Jüngeling".
- Froschm. I, 2, 15 Aurum potabile
- — ein alten verlebten Mann
- — Machts wider jung, gesund
- und atark — Als wenn er wer
- von zwenzig Jahren, Märchen
- 147. — Von wie oben 303 ein.
- hint von ahte jdren; Erec 9477
- wan wir dö beidiu wären junc
- von glichen jären ; Büchlein 1, 1483
- si sint von minen jären niht, den
- man der grözen sinne giht; Wal-
- ther 48, 16 [27, 3] und ist doch
- von den jären, daz er niht en-
- wahset mere; Meyer und Mooyer,
- Altd. Dichtungen, 78» c er (Wein>
- eins halben järs wirt alt, so wirt
- er also gestalt, also wcer er von
- drizic jären. Der Vers aber wird
- gefüger und nicht ungefüge der
- Satzbau (vgl. 1221 fgg. 133T
- fgg.) wenn man liest genas, als
- (zurück auf schcene 1375) von
- zweinzec jären,
- 1379. heim ze lande [: 1347]
- Beaflor 126, 17 und vuoren heim
- ze lande,
- 1381. goth. sels X9*l^^^S' salic
- gut, wohlgeartet, s(slde Güte, Wohl-
- geartetheit.
- — 133 —
- 1390 durch daz si in enpfiengen,
- gegen im wol dri tage.
- si engeloubten niemens sage '
- danne ir selber ougen.
- si kurn diu gotes tougen
- 1395 an sime schcenen übe. '^
- dem meier und sinem wibe,
- den mac man wol gelouben,
- man welle si rehtes roliben,
- daz st da heime niht beliben.
- 1400 si ist iemer ungeschriben,
- diu fröude, die st bäten,
- wan st got bete beraten
- mit lieber ougen weide:
- die gäben in dö beide
- 1405 ir tohter unde ir berre.
- ez enwart nie fröude merre,
- danne in beiden was geschehen,
- dö st bäten gesehen,
- daz st gesunt wären.
- 1410 si enwesten wie gebären.
- ir gruoz wart spähe undersniten
- 1410. Besserung Lachmanns: Strassb, wie siu g.; Heidelh, Koh
- kürzen 1406 — 1410, 1411. Strassb, spehe; Heidelb. Köl, Der gruz
- was vnder sn.
- 1391. Es war üblich, dem Schei-
- denden drei Tagereisen weit das Ge-
- leite zu geben, dem Heimkehrenden
- ebenso weit entgegen zn kommen,
- daher anch der bestimmte Artikel
- Oreg. 3595 «i fuoren engegen im
- sä — die drte tageweide, d. h. die
- in solchen Fällen üblichen. [Er. 2896
- nnd reit gegen im dri tage; 10011
- so Uten sin enphahen engegen im
- wol drie tage], — wol eine tage-
- weide Beaflor 109, 39.
- 1394. tougen wird besonders
- gern gebraucht von den geheim-
- nissvollen Wnnderkräften und
- Wunderthaten Gottes.
- 1400. ungeschriben wie unge-
- nesen 187.
- 1403. Weide der Aagen. Wünne
- eigentlich Wiesenland.
- 1410. Meleranz 2943 er enweste
- wie gebären vor fröuden,
- 1411. Die richtige Adverbial-
- form zn dem Adj. spcehe ist nur
- — 134 —
- mit vil seltssenen siten:
- ir herzeliep wart also gröz,
- daz in daz lachen begöz
- 1415 der regen von den ougen.
- diu rede ist äne lougen:
- 91 kusten ir tohter munt
- etewaz me dan dristunt.
- Do enpfiengen st die Swäbe
- 1420 mit lobelicher gäbe:
- daz was ir willeclicher gruoz.
- got weiz wol, den Swäben muoz
- ieglich biderber man jehen,
- der si da heime hat gesehen,
- 1413. Besserwng Haupts: Strassb. herze liebe; Heidelb, Kol. Mit
- drivalder vrende groz
- spähe, bestätigt durch Servatius
- 568 nähe : daz racional was spähe
- gezieret unde gefuoge. Doch ist
- nicht zu verschweigen, dass auch
- spcehe als Adv. mehrfach beglaubigt
- ist: Nibelungen 1119,4 si fuorten
- guotiu kleider vil harte spcehe ge-
- sniten; Tristan 122, 5 tvie spcehe
- se organieret! und im Reime Lau-
- gensteins Martina LB. 1, 999, 33
- und pfliget so spehe menger hande
- wehe; und dass Hartmann selbst
- neben swäre die umlautende Form
- swcere adverbial gebraucht s. Lach-
- mann z. Iw. 7300. Ebenso heisst
- es immer stcete.
- undersniten. Die Freude der
- Edeln an sohoenen Kleidern war
- überaus gross. Wir sehen das aus
- den vielen Beschreibungen in den
- Gedichten und in allerhand Bild-
- lichkeiten der Sprache [s. Wacker-
- nagel: kl. Seh. I, 192 ff.]. So ist
- auch das undersnit^ hergenommen
- von der Sitte verschiedene Stoffe
- und Farben halb und halb oder
- neben oder streifenweis durch ein-
- ander gehn zu lassen, was man
- teilen , undersniden , parrieren
- nannte.
- 1412. auf seltsame Weise: m»t
- vil willecUchefin site 900.
- 1416. lougen st. n. und f. Laug-
- nung: äne lougen unläugbar, wahr.
- 1418. dristunt dreimal. Yeldeke
- Aeneis 340, 27 her huste sie wol
- dristunt an ir minnecMtchen munt
- von liebe und dorch minne, £rac-
- lius 3544 er druhte ez (das vinger-
- lin von der Greliebten) an sinen
- munt kurzer frist wol dristunt.
- 1419 fgg. vgl Hiob Cp. 42.
- Swäp wie Suebus, Sahse wie
- Saxo.
- 1421. wilUclich geneigten Wil-
- lens, freundlich: 900; 1425.
- — 135 —
- 1425 daz bezzers willen niene wart.
- als in an siner heimvart
- sin lantliut «enphienge,
- wie ez dar nach ergienge,
- waz mag ich da von sprechen m§P
- 1430 wan er. wart rtcher vil dan e
- des guotes und der eren.
- daz begunde er allez keren
- stseteclichen hin ze gote
- unde warte sime geböte
- 1435 baz, danne er e taete.
- des isl sin Sre staete.
- Der meier und diu meierin,
- die heten euch vil wol umb in
- verdienet ere unde guot.
- 1440 ouch het er niht s6 valschen muot,
- si hetenz harte wol bewant.
- er gap in ze eigen daz lant,
- daz breite geriute,
- die erde und die liute,
- 1425. Besserung Haupts: Strassb, wille nie enwart; Heidelb.
- KoL Daz grozer vreude nie wart 1426. Strassb, ime
- 1428. Strassb. Vnd wie; Heidelb. KoL 1426—1428 Swie es an iren
- (KoL irem) heimvart Vurbaz ergienge oder wie sie in enpfiengen {KoL
- enpfinge)
- 1425. niene aus niht ne, deshalb
- Gen. — Gndr. 393,2 da^ er so guoten
- willen (Geneigtheit, Freandlichkeit)
- da ze hove gewan.
- 1434. warten Acht haben, na-
- mentlich als Diener: aufwarten.
- Mit dem Genitiv und mit dem
- Dativ verbunden.
- 1441. bewant angewendet, bei
- ihm angebracht : vgl. bekeren 250.
- 1443. Nicht bloss Gegensatz zn
- der früheren Beengung durch den
- Wald. Die breite Ebnung des
- Bodens ist Erforderniss und Er-
- gebniss des Ackerbaues: svQvg von
- aQovga {ccgovga evfßsVa II. IS, 541) ;
- kipreittd, gebreite Sprachschatz III,
- 298. Mhd.Wb.I,237a; Ruol.63, 3
- manige breite huöbe; Winsbecke
- 45, 4 si machent breite huoben
- smal (80, 4 min htu)begelt smal
- unde breit) 'y Freidank 120, 5
- breitiu eigen = Winsbecke 45, 4
- WeinholdSpicilegium formularum 8.
- — 136
- 1445 da er da siecher üfe lac.
- siaer gemahelen er do pflac
- mit guote und mit gemache
- und mit aller slahte sache
- als siner frouwen oder baz:
- 1450 daz reht gebot ime däz.
- Nu begunden im die wisen
- raten unde prisen
- umb elichen hirät.
- ungesamnet was der rät.
- 1455 er seite in dö sinen muot:
- er wolte, diuht ez si guot,
- nach sinen friunden senden
- und. die rede mit in enden,
- swaz si es ime rieten.
- 1460 biten und gebieten
- hiez er allenthalben dar,
- die sines wertes nsemen war.
- do er si alle dar gewan,
- beide mäge unde man,
- 1465 dö tet er in die rede kunt.
- 1453. Köl. Heidelh, Vmbe eliche (elich) vriat
- ^wa; in Heidelb, u, Kol. fehlen 1469 — 1462,
- 1459. Strassh.
- 1453. hien sich verehlichen :
- hirät stm. f. Vermaehlung, eigent-
- lich Znrüstang zur Yerehlichnng.
- ewe, € Recht, Gesetz: Eheband;
- elich gesetzmsessig : ehelich.
- 1454x ungesamnet nneinig: sa-
- menen vereinigen.
- 1458. 1465. rede Sache als Ge-
- genstand des Sprechens: 956.
- 1459—1462 fehlen Heidelb. und
- Kol. Hss. ; Strassb. Swa siu es
- eime: Lachmann und Haapt swar
- si ime, wohin, zu welchem Weibe
- sie ihm rathen möchten. Indess
- ist dieses nicht die erste und haupt-
- sächliche Frage, sondern, wie Z.
- 1467 zeigt, ob er heirathen solle.
- Darum ist die Aenderung vorzu-
- ziehen, die nseher bei den Buch-
- staben der Hs. bleibt : Swaz si es ime;
- es Gen. caus., in der Sache, dazu.
- 1460. biten die möge, gebieten
- den man Z. 1464. S. zu Z. 641.
- 1463. zusammengebracht hatte.
- 1465. Der Versammlung obliegt
- Berathung, Beistimmung, Bekräf-
- tigung, Zeugniss. Tac. Germ. 18
- Intersunt parentes et propin-^
- 137 —
- DU sprach ein gemeiner munt,
- ez waere reht unde zit.
- hie huop sich ein michel strit
- an dem rate under in:
- 1470 dirre riet her, der ander hin,
- als ie die liute täten,
- da si da solten raten.
- D6 ir rät was s6 mislich,
- dö sprach der arme Heinrich
- 1475 ^iu ist allen wol kunt,
- daz ich vor kurzer stunt
- was vil ungenseme,
- den liuten widerzaeme.
- nu enschiuht mich weder man noch wip:
- 1480 mir hat gegeben gesunden lip
- unsers herren gebot.
- nü rät mir alle durch got,
- von dem ich die genäde hän,
- die mir got hat getan,
- 1485 daz ich gesunt worden bin,
- wie ich^ verschulde wider in."
- Si sprächen ^nement einön muot,
- daz im lip unde guot
- iemer undertsenec si.*'
- 1490 sin trütgemahele stuont da bi;
- 1476. Besserung Haupts: Strassb, Vch herren ist; Heidelh. KoL
- Nu ist euch; ebenso 1493,
- qui. Beaflor 73, 15 fgg. Der
- Name jeder rechtlichen, auch einer
- solchen Versammlung und Bespre-
- chung ist mahel : mahelen sprechen
- und verloben, gemahele Verlobte.
- 1467. dt allein würde es for-
- dern.
- 1470. vgl. Cynewulf Elene 547
- 1475. 1493. Das von der Strass-
- burger Hs. dargebotene iu herren
- (zu lesen Herrn ist) dürfte doch
- der Sprechweise der Zeit ange-
- messener sein als das nackte iu,
- 1483. Voranstellung des Adjec-
- tivsatzes wie 1221. von durch : 1494.
- 1486. verschulden eine Schuld
- abtragen, vergelten.
- — 138 —
- die er vil gfietltch ane sach.
- er umbevienc st unde sprach
- ,iu ist allen wol gesaget,
- daz ich von dirre guoten maget
- 1495 minen gesunt wider hän,
- die ir hie sehent bi mir stän.
- nü ist si fri, als ich da bin:
- nü raet mir aller mtn sin,
- daz ich si ze wtbe neme.
- 1500 got gebe, daz es iuch wol gezeme:
- 1500. Strassb. es mir; Heidelb, iz euh wol; KoL ich uch wol
- 1493 fgg. Erec 6187 ,än dinc
- ist wol schtn, daz muget ir wol
- schouwen an dirre frouwen. swä
- si der ritter habe genomen oder
- sme si her si komen, si ist bena-
- men ein edel wip: daz zeigt ir
- wünneclicher lip, nü sprechet, waz
- ist iuwer rät? ir wizzet wol wie
- ez mir stdt, daz ich ane wip bin,
- nü ratet vaste mir min sin, daz
- ich si ze wtbe neme, mich dunJcet,
- daz st wol gezeme ze frouwen üher
- min lant, ich habe kurze an ir
- erkantj d ist mir gnuoc wol ge-
- born, ouch hat si mir erkorn ml-
- nes herzen rät ze vnbe, nü Ute ich
- daz ez belibe in iuwerm rate äne
- haz (vil gerne wil ich immer daz
- umb iuch verschulden unz ich
- lebe), dazz iu äne widerstrebe ge-
- liche wol gevälleJ nü rieten s/i imz
- alle,
- 1497. Dass das Msedchen zwar
- von bäuerischer aber freier Her-
- kunft war, ist schon früher aus-
- und nachdrücklieh gesagt: ein
- frier büman 269; das Msedchen
- selbst ist sich dessen bewusst und
- legt Werth darauf: 775 min gert
- ein frier büman, Heinrich aber
- war hoßheren Standes, vom Adel.
- Nach dem vorherrschenden Rechts-
- brauch war es allerdings eine
- Missheirath. Die Kinder folgten
- der ärgeren Hand, sie waren weder
- Standesgenossen noch Erben des
- Vaters. Abweichungen in's Mildere,
- auch nach rechtlichen Festsetzun-
- gen: Krauts Privatrecht § 57. Hier
- ist das Ganze zwar sagenhaft, aber
- auch so ist es ein Beleg der An-
- sicht , dass auch Abweichungen
- moeglich waren.
- 1500. zemen mit dem Acc. und
- Genitiv angemessen dünken, ge-
- feUen: Erec 3581 ein ros — des
- in aller beste gezam; püchl. 1, 268
- daz in des välsches wol gezimet,
- daz er sich dünget riche, so er ein
- mp beswiche; 1137 so daz — in des
- wol gezimet, daz er nütze rcete an
- sich nimet; Iw. 64 mänlich im die
- vreude nam, der in do aller beste
- gezam; 3079 in gezimt der arbeit
- deste baz; 3757 si wünschten vlv-
- zeclichen, daz si des beidiu zaeme,
- — 139 —
- s6 wil ich si ze wibe hän.
- zwäre, mac daz niht ergän,
- s6 wil ich sterben äne wip,
- wan ich ere unde lip
- 1505 hän von ir schulden,
- bl unsers herren hulden
- wil ich iuch biten alle,
- daz ez iu wol gevalle.'*
- Nu sprächen si alle geliche,
- 1510 bede arm und riche,
- ez W2ßre ein michel fuoge.
- da wären pfaffen gnuoge:
- daz in ir vrouwe msme; Greg.
- 1116 daz der knabe Gregorius mit
- sinen spilgenözen quam , da st
- spilnes gezam; Gute Frau 726 vnl
- iuch des du/rch mich gezemen ; 1421
- weit ir (möge unde W/an) mir einen
- man geben, den kieset, als es
- iuch gezeme, daz ich in durch
- iuwern mllen neme. VgL ebd.
- 2205 von Bleis diu grcevinne, diu
- ist rieh unde wert, oh ir min
- Hut ze vrouwen gert , gev eilet
- si den allen, si muoz ou^h mir
- gevallen. Also auch Büchl. 2, 411
- Sit mir nü dehein list nütze da
- für ist, ichn müeze mir nemen
- daz ein under übelen dingen zwein,
- swie mir dewederez gezeme, so ist
- reht daz ich daz bezzer neme un-
- richtig: 1. mich dewederes, Nibe-
- lungen 1101, 2. 1182, 4. (1185, 2?)
- 1637, 2. EracHus 85. 1289. 1297.
- 4451. 4679. 4952.
- 1509. geliche Adv. verstärkt
- die Zusammenfassung: alle insge-
- sammt; auch beide geltche beide-
- sammt; 1515 sz geliche sie zu-
- sammen.
- 1511. fuoge Schicklichkeit.
- 1512. Pfaffe: ein böser Sinn
- ist diesem Worte erst durch die
- Beformation zugekommen, wo die-
- ser altübliche Titel der Geistlichen
- der alten Kirche in Gegensatz trat
- zu den Prädicanten der neuen. Im
- Mittelalter bedeutet es Geistlicher,
- Weltgeistlicher, Priester, im Ge-
- gensatz zu Mönch; lat. jpajpa Vater,
- Bischof: so auch in goth. Urkun-
- den; ahd. phaffe Weltgeistlicher.
- Beaflor 87, 4 der bischof si zesa-
- men gap. da was manic krumber
- stap, dö diu hirät geschach. Der
- geistliche Verfasser von Hartmanns
- Quelle wird schon ebenso die kirch-
- liche Trauung als das einzige er-
- wsehnt haben. Für die Anschau-
- ung und im Gebrauch der Laien
- war sie das nicht. Die Vermaeh-
- lung war eine rein bürgerliche
- Rechtshandlung, bei den christ-
- lichen wie einst bei den heidni-
- schen Germanen und die kirchliche
- Einsegnung, der man sich allge-
- mach bequemte, war so sehr etwas
- nur nachtrsegliches, dass sie häafig
- 140
- die gäben si ime ze wibe.
- nach süezem lanclibe,
- 1515 d6 besäzen st geliche
- daz ewige riebe,
- als müeze ez uns allen
- ze jungest gevallen.
- 1513. Schluss nach Heidelb, u. Kol.
- Die gaben sie im zu einer [elichen] kone.
- nach werltUcher wone
- Wolden sie beide niht.
- zweier engel zuversihl
- Schein an in beiden,
- do sie sich mnsten scheiden.
- £r hette sie wol beslafen
- nach werltlichem schafen:
- Vor gote sichs {HSS, er sichez) getroster {Heidelb.
- getroste).
- er tet sie (HSS, sich) in ein kloster
- Und bevalch sich der vrien
- gotes mnter sente marien
- Da bi in einen tum.
- wie mocht er immer baz getun?
- Da verdienten sie beide geliche
- daz vrone himelriche.
- Daz Ion muez (uns) allen
- ze jungest gevallen,
- Daz sie da genamen.
- des helfe uns got. amen.
- [Durch siner martir ere.
- nu en ist der rede niht mere.]
- erst am Morgen nach dem Beilager
- geschah. Aber der civilrechtliche
- Vorgang war schon an und für
- sich so feierlich, dass auch ihm die
- T\'eihe und die Kraft nicht abgieng.
- Wie das zu Heinrichs Zeit in
- Schwaben geschah, darüber haben
- wir eine gleichzeitige Aufzeichnung.
- LB. 1, 365.
- 1515. besitzen zum Wohnsitz
- erhalten.
- (1513 Heidelb. Kol. hone, goth.
- qvinö^ ahd. quenä^ mhd. kone:
- yvytj, 1514. wone: ahd. giwona
- Gewohnheit.)
- 1518. gevallen zufallen , zu
- Theil werden; seltener Valien:
- 256.
- — 141 —
- der lön, den si da nämen,
- 1520 des helfe uns got. amen.
- 1519. Absoluter Nominativ, wie
- ganz häufig bei solchem Bau des
- Satzes. Vgl. den Schluss des Erec
- 10124 ff.: wan er nach eren lebte
- und so, daz im got gehte mit
- väterlichem Idne, nach der werlt
- kröne, im und sinem wtbe, mit dem
- ewegen Übe. durch got des bitet
- alle, daz uns des Ion gevalle, der
- uns hat ze holden (daz ist golt
- übergolden) nach disem eilende,
- hie hat diz getihte ein ende; des
- Gregorius 3828 ff.: des sendet
- alle geliche disen guoten sün-
- dcere ze boten umb unser sware,
- daz wir in disem, eilende ein
- sceligez ende nemen, als 8l da
- nänien, des gestiure uns got,
- amen,
- (Heidelb. Kol. getroesten refl. mit
- Gen. verzichten und Verlust, Ent-
- behrung verschmerzen: 840.
- tuom domus, Dom, Domberren-
- stift in Naßhe und Verbindung mit
- einem Frauenkloster. Zwiege-
- schlechtige KloBster vgl. Caesar
- Heisterb. Dial. Mirac IV, 93
- Miles quidam dives et honestus
- more ecclesiastico ab u^ore sua
- separatus, ad quandam domum
- ordinis nostri gratia conversionis
- venit, Cui omnia sua contulit,
- tali pacto, ut domus eadem uocori,
- quoad viveret, certam assignaret
- pensionem, qtuß in loco religioso
- vitam promiserat ducere religiosam.
- Die Gattin, des Geschehenen reuig,
- macht wiederholt vergebliche Ver-
- suche den Gatten in Welt und
- Ehe zurückzuführen.)
- •♦—
- Einleitung zu den zwei Beigaben.
- Abgesehen von Stoffen, welche mit dem von Hartmanns
- Dichtung im innigsten Zusammenhange stehn, betreten wir
- mit den beiden Erzsehlungen S. Silvester und Amicus und
- Amelius ein ganz anderes Gebiet der Litteratur des deutschen
- Mittelalters.
- Der Verfasser des ersten ist Hermann von Fritzlar, ein
- Hesse, der wohl ein Laie, aber doch sehr belesen war.
- 1343 — 49 verfasste er sein Buch von der Heiligen Leben.
- Es sind Legenden, geordnet nach der im Kalender gegebenen
- Reihenfolge der Heiligentage. Er richtet sich dabei auch
- nicht nach dem bürgerlichen, sondern dem Kirchenjahr, so
- dass S. Andreas den Anfang macht. Er gibt aber nicht bloss
- die Legenden, sondern er verwebt allerlei erbauliche Zuthaten
- darein, nicht gerade immer in Bezug auf den Heiligen, dessen
- Leben eben behandelt wird, sondern auch sonstwie auf die
- Zeit, in welche dessen Tag ßlllt. Ein Beispiel ist S. Sil-
- vester, wo noch Weihnachtsbetrachtungen angeknüpft sind.
- Sie sind geschöpft aus den Predigten und Schriften der My-
- stiker seiner Zeit. Bestimmt sind sie zum Lesen oder zum
- Vorlesen, zur Erbauung Einzelner und kloesterlicher Convente,
- namentlich für Frauenkloester. Hauptgelegenheit dazu gab
- die Zeit über Tisch, wo von jeher in allen Kloestem Lesungen
- vorgeschrieben waren. Als eine solche Tischrede sollte am
- S. Silvester Tage diese Erzsehlung gelten und zwar am Schluss
- der CoUazje ( : CoUatio = Malzeit und Vorlesung dabei).
- — 144 —
- »Der Seele Trost" ist im 14./15. Jahrhundert entstan-
- den. Der Verfasser ist unbekannt. Wenn die Handschrift,
- woraus ich die eine Erzaehlung herausgegeben habe, bei der
- ursprünglichen Sprachforra bleibt, so stammte der Verfasser
- vom Niederrhein. Das ganze Werk ist eine Tugendlehre nach
- den 10 Geboten. Es erstrebt Veranschaulichung ihrer Glau-
- bens- und Sittenregeln durch mancherlei Erzsehlungen von
- mehr oder minder legendenhafter Art. Amicus und Amelius
- dient als Beispiel der Treue.
- Die Sprache der beiden Erzaehlungen ist nicht hoch-
- deutsch, sondern mitteldeutsch. Diese Bezeichnung begreift
- die Mannigfaltigkeit der Mundarten des mittleren Deutsch-
- lands, räumlich und ihrem Wesen nach in der Mitte zwischen
- Hochdeutsch und Niederdeutsch und bald zu diesem bald zu
- jenem mehr hinneigend. Es ist von geschichtlicher Bedeutung
- für die Entwickelung der jetzigen Schriftsprache. Auch das
- Obersächsische, woraus zunaechst und hauptsächlich das Nhd.
- hervorgegangen ist, ist eine md. Mundart, und so finden wir
- vieles von dem, was bezeichnende Eigenheit des Nhd. ist,
- schon in diesem älteren Md. vorgebildet und vorbereitet.
- In folgenden Punkten (ich kann hier nur Hauptpunkte
- und durchgehende Dinge erwsehnen) weicht die Sprache bei-
- der Denkmaeler vom Mhd. ab.
- An Stelle der Diphthonge stehen einfache Längen, ifür
- ie wie Jcrw, ü für uo wie tun. Der Umlaut von ä ist nicht
- ce sondern e : were; die andern Vocale und Diphthonge sind
- nicht umgelautet: töten, sunde^ Jcrü^e, froude, betrüben. Be-
- züglich der Consonanten tritt namentlich an Stelle von ht
- cht z. B. hnecht.
- Darin sind beide übereinstimmend. „Der Seele Trost*
- hat noch seine mundartlichen Besonderheiten, und zwar ent-
- hält er mehr Einmischung des Nd. e tritt an die Stelle von
- i : vertreben, o steht für u : dorch, koste ; ebenso o für ü : konig^
- dore ; ö für uo, üe : beroren. Hinter langen Vocalen steht
- als Beilaut i : rait, broit, huis, guit. Und hiebei ist noch
- — 145 —
- eine vorzüglich merkenswerthe Eigenheit hervorzuheben: es
- findet sich auch drait, hoif, doir = mhd. trat, hof^ tür, es
- ist also bereits Verlängerung betonter Kürzen eingetreten.
- Ferner findet sich oft müssige Anhängung eines stummen
- e : falsche, jare^ betröge. Von Consonanten findet sich s statt
- js : das udgl.; p statt pf: neppe, Jcempen^ pert; d statt t :
- daufen, steden. Aber das alles ist nicht mit Gleichmaessig-
- keit durchgeführt, es ist eine schwebende Mischmundart. So
- findet sich für bluot bloit und bluit; das i steht keineswegs
- überall; auch hier wie bei dem Hessen findet sich viel statt
- vil, aber auch liep^ ja siech statt sich, neben betröge auch
- mocht; neben neppe auch napf, neben hempe auch Jcemphen
- u. s. f.
- Mit den bisherigen Bemerkungen haben wir nur Dinge
- der Lautlehre ins Auge gefasst. Aber auch in den Worten,
- die gebraucht werden, zeigen sich mannigfache Abweichungen
- dieser md. Mundarten vom Hd. jener Zeit, und auch darin
- Voranfänge des Nhd. Davon werden wir besser in Anmer-
- kungen zu den einzelnen Stellen handeln.
- 10
- 8ANCT SILVESTER.
- TISCHREDE
- AUS DEM BUCH VON DER HEILIGEN LEBEN
- VON HERMANN VON FRITZLAR,
- r*^
- Pfeiffers Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts
- Ij 41—44.
- SANCTE SILVESTERS TAG.
- Ir sult wizzen, daz dirre babist was arm, und me
- 4anne zwenzig bebiste vor ime, di warn alle arm. Aber
- wie her riebe wart, daz bort. (S. 42.) Ein keiser was
- ÄU Rome, der hiz Constantinus. Der was ein vient krist-
- ens glouben, und wo her kristine lute begreif, da liz her 5
- si toten. Des nachtes, do her lag uf sinem bette, do
- quam ein engel und brachte ein vaz mit wazzere und
- schut iz uf in, und her wart zu male uzsetzie. Do sante
- he noch allen den erzeten, di her gelangen mochte in aller
- -der werlde, und nimant künde ime gehelfen. Do quamen 10
- wise meistere von Erichen lande und sprachen, bete her
- junger kinde blutes also vil, daz her dinne stunde wan an
- sinen hals, so solde her gesunt werden. Do liz her vahen
- alle di kindere, di under muter suge warn, als verre, als
- her si gereichen mochte mit romescher gewalt, und fürte 15
- Sancte wie sancti ; im Text steht
- ^ente,
- 1. papa (phaffe) ; aitrom. Nom.
- 8, auch die Wandlung des p ivl h
- rom.: pdbes, bäbes; päbest wie
- probest. An Stelle des stummen
- e ist noch ein i getreten.
- 3. her für er ist md. und nd.;
- 9 he,
- 4. kristen adj. christianus,
- Krist davon Kristen ; Christenheit,
- Christentuom,
- 5. wo nicht Fragewort, sondern
- conditional relativ, idncunque : swä
- aus so wä. Ebenso wird wer u.
- 8. w. gebraucht, wie im Nhd. — 6
- aus ä: noch 9; wonde 151, 6;
- do 152, 16.
- 7. vaz Gre&ess; vgl. Kauchfass,
- Tintenfass.
- 8. ze male auf einmal, zusam-
- men, gänzlich, gar sehr (158, 12).
- 12. da inne zusammengezogen
- in dinne, wan nur für bis.
- 14. suc, sügen : Säugung, Säuge-
- zeit.
- — 150 —
- si zu Rome unde wolde si verterben. Di vetere und di
- mutere der kindere volgeten nach mit grozeme geschreie.
- Sie rizzen ire kleidere und rouften uz ir har und kratzeten
- ire wangen, als in den landen site ist. Diz jamer schal
- 5 über alle di stat zu Rome. Do iz vor den keiser quam,
- do vregete her, waz deme volke were, daz si also jemer-
- lichen teten. Do Seiten si ime, daz iz di vetere und di
- mutere weren der kinder, di man solde toten. Do
- sprach her „di keisere han ein gesetze getan, wer un-
- 10 schuldig blut guzet oder kinder tötet, er si di swert ge-
- zihen mugen, der sul sterben des todes. Diz gesetzede
- wolle wir halden. Des enwollen di gote nit, daz durch
- min lebin also vil lute betrubit werden und sterben* und
- gebot, daz man in di kinder wider gebe und Silbers und
- 15 goldes dar zu alse vile, daz si mit frouden quemen in ir
- hus. Dise barmherzikeit behagete gote. Do der keiser
- lag in sinem bette und ime di uzsetzikeit sere we tet, daz
- her weder slafen noch ligen noch sitzen mochte, do irschein
- ime sente Peter und sente Paulus und sprachen „gegruzet
- 20 sistu, Constantinus! * Do sprach her ^wer ist daz?** Do
- Seiten si ime „wir sin di forsten von Rome und wollen
- dich leren, daz du gesunt wirdest. Du salt senden nach
- deme babiste hi zu Rome: der heizet Silvester; der sal
- dich gesunt machen.* Do verswunden si, und der keiser
- 25 wart sere vro unde was doch betrübet, wan her nicht
- wiste, wo her was, und sante uz in alle laut und gebot,
- wer in ime brechte, deme wolde her geben gut und ere.
- 7. Bei Pfeiffer Da
- 1. Bei dem md. Schwanken
- zwischen hd. t und nd. d steht
- öftier auch t wo hd. d,
- 1—3. mutere, kindere, grozeme,
- kleidere u.s.f. kein massiges e^sondern
- es ist nnr nicht apocopiert wie mhd.
- 4. Groessere Lebhaftigkeit des
- Gebserdens bei den Südländern.
- 6. vregen: ahd. freginan; goth.
- fraihnan. '
- 10. er — 6.
- di = die, diu,
- 12. wollen Angleichnng des
- Vocals.
- 22. sal, Salt: Angleich ung sol,
- solt.
- — 151 —
- Do was seate Silvester wol zwenzig mile von Rome in
- eime grozen gebirge und erbeitete da mit sinen pfafifen
- daz ertriche, daz si sich generten. Do quamen des keisers
- knechte und vregeten in, wi her hize. Do sprach her
- ^ich heize Silvester.** Do wurden si sere vro und namen 5»
- in und brachten in deme keisere. Do wende sente Sil-
- vester, daz her in marteren wolde, und was vro. Der
- keiser sprach ,mir irschinen hint zwene gote: di Seiten
- mir, du soldes mich gesunt (S. 43.) machen.* Do hate
- her eine gemalte tafelen: da stunt sente Peter und sente 10»
- Paulus ane; und sprach „di zwene, di dir erschin, waren
- dise also gestalt?* Do sprach her ,ja.* Do sprach Sil-
- vester ^iz waren nit gote: si sin gotis knechte ; der heizet
- einer Petrus und der ander Paulus. * Do sprach Silvester
- zu Constantino ^wiltu gesunt werden, so mus du dri ding 15-
- tun. Daz erste: du salt an Kristum glouben. Daz
- andere: du salt dich lazen toufen. Daz dritte: du salt
- alle di apgote lazen zubrechen, di in Rome sint und in
- Romer lande." Do sprach Constantinus „an Kristum zu
- gloubene und mich lazen toufen, daz ist mir licht zu tunne : 20^
- aber di edelen apgote, daz ich di laze zubrechen, di unser
- eidern ane gebetet han, daz ist mir swer zu tune. Doch
- ist iz mir bezzer, daz ich iz tun, wan daz ich also ge-
- quellt wurde und stürbe** und gebot bi übe und bi gute,
- daz man di apgote alle brechen solde, und wer des nit 25
- entete bi drin tagen, über den solde gen daz romische ur-
- teil. Also wart Constantinus getouft von sente Silvestro
- und vil Romere und herren mit ime. Do diz sin muter
- gehorte sente Helena, do wart si sere betrübet und sante
- 10. 11. Petrus und Paulus
- die Schutzheiligen Roms: Cassio-
- dor Var. Epist. XI, 13. Wir ha-
- ben ein lateinisches Lied des 5.
- Jahrhunderts, das in der ersten
- Strophe an Rom, in der zweiten
- an Petrus, in der dritten an Pau-
- lus gerichtet ist: Niebuhr, Rheini-
- sches Museum III, 8.
- 18. abgot eigentlich n. , hier
- (flex.) m. Der von dem rechten
- (ihott getrennte, verschiedene Grötze.
- 20. licht — lihte, wie 22 swer
- — sware.
- — 152 —
- ime einen brif und vil smelicher wort dar inne, also daz
- her begoukelt were und zoubernisse volgete. Do machte
- sich Constantinus uf mit sancto Silvestro, und namen mit
- in heilige lute, di gestetiget und gevestent waren in dem
- 5 glouben, und füren zu Jerusalem zu sente Helenen. Do
- nam si di wisesten Juden zu samene, di si vinden mochte,
- und hilt eine groze disputazien wider sente Silvestern,
- also daz di Juden namen einen grozen ossen und sprachen
- ime sulche wort in sin ore, daz her starb. Aber si in-
- 10 mochten in nit wider lebende gemachen. Do sprach sente
- Silvester „vile lute kunnen wol toten: aber Kristus kan
- alleine lebende gemachen** unde sprach „ich gebite dir in
- dem namen unses herren Jesu Kristi, daz du lebist.*'
- Und der osse wart gesunt und starg alse vore. Do be-
- 15 karte sich sente Helena und der Juden vile mit ir, und
- funden da daz heilige kruze, do lang vone were zu sagende,
- und sniten iz an dru stucke. Ein teil bleip zu Jerusalem;
- daz ander teil fürten di meistere gen Constantinopels : wan
- si waren ouch gewest bi der disputazien; daz dritte teil
- 20 fürte Constantinus zu Eome mit grozen eren und sente
- Silvester mit ime. Do gap der keiser uf sine keiserliche
- gewalt sente Silvestro und vil vor sine fuze und nam di
- krönen des riches von sinen fuzen und enduchte sich nit
- wirdig sin si zu nemene von den henden und erloubite
- 25 den bebisten und den bischoven und den pristeren gut zu
- 1. smceJielich — smelich.
- 4. vesten und vestenen; festene
- 153, 4. vestenunge,
- 7. disputäzje wie 154, 23 col-
- lazje, Purgaz u. s. w.
- 8. .SS für hs: osse»
- 9. solich sulch; e aus iu,
- 12. gebite d. i. gebiete, gebiute,
- 13. unser, er als Nominativ-
- endung; unser getreue Bundesgott.
- 14. It, nt — Id, nd : wolde, konde ;
- rt — rd: horde; ebenso rk — rg:
- starg; nk — ng: kräng 160, 10;
- drang 160, 14.
- bekeren bekärde. c zz c und a ;
- von (B Bücklant ä: leeren lärte;
- Anwendung auch auf e: karte,
- 16. Aus sagenne wird sagende
- wie aus minner minder; 161, 10
- vollkoniend^,
- 19. schw. Part. Perfecti gewest,
- 22. vor = vür.
- — 153 —
- liabene. Do wart ein stimme gehört über allez ßome : di
- sprach ,hute ist di galle und di vergift gegozzen in di
- heiligen (S.44.) kristenheit*. Und wizzet, daz diz ist noch
- ein wurzele und ein gruntfestene alles kriges zwischen den
- bebisten und den keisern. Wie Constantinus lebite und stürbe 5
- und sante Silvester, da enwil ich nit me vone sprechen.
- Von deme nuwen gebornen kinde. Man vreget, war
- umme got nit e mensche wurde, dan er tet. Daz sint
- vir Sache. Di erste ist umme sunde, di da was in der
- werlde. Di ander sache was di menie der bosheit der 10
- werlde. Di dritte sache was: di heilige drivaldikeit di
- hate dise zit vor gesatzit. Die virde sache: wer got zu
- haut mensche worden, do Adam di sunde getan hate, so
- were von der lenge der zit der werke und der bilde unses
- herren vergezzen, und weren kalt worden unde uninnig 15
- in der lute herzen * daz got di begerunge der propheten
- gereizete, und di noch geboren suUen werden, erweckete
- und geinnigete. Do sprichit Paulus „do di fuUede der zit
- quam, do sante got sinen sun."
- Ein ander vrage ist, ab die ewige geburt des ewigen 20
- wortis in der sele keine kreature zu gründe versten muge.
- Alse verre, alse dise geburt got an gehört, also ist si un-
- verstentlich allen kreaturen : aber alse verre, also si frucht-
- ber ist und nutzber und di sele heliget und einiget mit
- gote, alse verre ist si verstentlich. 25
- 9. ist stumme
- 1. Die Ortsnamen sind Gen.
- neutrius.
- 4. kric , kriec eigentlich ein
- Streit nicht mit Waffen.
- 7. nüwen Adj. statt des Adv. :
- sjntactische Angleichnng.
- 9. aus umhe wird umme.
- 9. 10. Sünde und Sünden-
- lust.
- 15. uninnig nicht im Innersten
- wohnend.
- 16.* Und so ward die Geburt
- verzogen damit . .
- 18. innigen andächtig machen.
- 20. ah öbe, ob.
- 23. 24. fruhtbeere, nutzbare.
- 24. ei wird zusammengezogen
- in e: aus heiligen heiigen. Helge,
- — 154 —
- Ein ander vrage ist, ab der vater von himelriche sin
- ewigez wort muge gesprochen in der sele, daz is di sele
- nit enpfinde oder wizze. Diz merket. Dise lute sint
- zweierleie. Di einen sint gemeine lute und grobe lute
- 5 und sint wartende dirre geburte : wan si sint zu uzer und
- zustrowet und sint doch in der gnade gotis. In disen wirt
- dicke geborn daz ewige wort, daz si is nicht enwizzen*
- Iz sind ander lute: di sint vernunftige lute unde sint stet-
- liche wonde in der inrekeit irre sele und sint beitende und
- 10 wartende des ewigen wortis. In disen wil der vater sin wort
- nummer gesprochen sunder ir gefulen und ir bekennen.
- Nu ist aber ein vrage, ab ein mensche immer in diseme
- lebene also vollekomen möge werden, daz her ane under-
- laz gefule der ewigen geburt und si verste. Wizzit, daz
- 15 vil voUekomenheit ist, di got der sele wol gebin mochte
- und gerne gebe: aber di sele enheldet sich dar zu nicht
- und ubit sich dar zu nicht. Dar umme enlidet mensliche
- krancheit nit, daz der mensche stetecliche gefule unde be-
- kenne dise geburt. Got mochte ez aber wol der sele geben
- 20 zu einer sunderlichen gäbe, als man hoffen mag von unser
- vrowen und von den aposteln, daz si einen steten vorworf
- heten in irre Vernunft.
- Nu ende wir dise collazien in der warheit, di wir vor
- gesprochen han, und bitet got vur mich. AmeN.
- 2. Ewigen wort
- 4. gemeine zur grossen tief
- stehenden Menge gehoerig.
- gerop, grop dick; ungeschickt,
- nngebildet.
- 9. wonde wie sende.
- ir flectiert.
- 11. unifner, nummer.
- fülen, füelen so viel als enpfinden
- 3. Mit Genitiv 14, wie enpfinden.
- 17. sl wechselt mit seht (släfen
- udgl.): menschlich,
- 20. hoffen s. v. a. wcenen, ge-
- dingen, versehen; hoffenunge,
- 21 . vürwurf — ■ vorworf Object.
- Dass sie Ein — , nur diess eine.
- 23 fg. Er meint die Wahr-
- haftigkeit alles Vorgetragenen.
- AMICU8 UND AMELIÜ8.
- AUS DER SEELE TROST.
- Durch Carove in dem Taschenbuch fiir Freunde altdeutscher
- Zeit und Kunst auf das Jahr 1816, S. 343—348.
- AMICÜS UND AMELIÜS.
- Liebes kint, du salt nit ungetruwe sin noch falsche.
- Wem das du gelobest truwe, dem saltu truwe halden und
- leisten. Nim ein exempel an zwein gesellen: do von wil
- ich dir sagen.
- Zwei kinder worden geboren in eim lande: die hatte 5
- got glich gemacht, das niemants eins vor dem andern
- mocht erkennen. Der ein was eins grefen sone, und der
- ander was eins ritters sone. Die kinder dauft der babst
- zu Bome und nante des grefen son Amelius und des rit-
- ters son Amicus, und der babst gap in zwen neppe, glich 10
- gemacht von edelem holze. Und disse zwei kinder gelob-
- ten getrue geselschaft zu sin; diwil das sie lebten, so sei-
- den sie sich nit scheiden.
- Amicus fatter starb, und die ungetruwen heren ent-
- fremten im alles sins vatter erbe und guit: do enwuste 15
- er kein wegk und wanderte zu sins gesellen Amelius. Den
- 8. Bei Carovi ein
- 2. Ell. Wem es ist, dass —
- 6. 160, 6. nieman — niemant
- (149, 10) niemants mundartlich
- niemez. Ausgefallene Yerneinnng
- mit niM, Nichts aas nihtes niht.
- In der Unterscheidung liegt
- eine gewisse Bevorzugung dessen,
- was man herauserkennt, vor dem,
- wovon man es unterscheidet : er-
- kennen vor,
- 7. Statt gräve grefe d. i. greefe.
- Mlat. (gr.) graphio , der zuerst
- fränkische Name des Gerichtsvor-
- sitzers, wie graphia eine ßechts-
- schrift und grapMarius (greffier)
- Gerichtsschreiber. Ahd. gräpjo
- und grävo, mhd. gräve, md. grefe,
- grebe,
- 12. getrue Ausfall des w: vgl.
- 158, 6 gescheen, 17 geseen u. a.
- 16. Ellipse von ämä; vgl. unser:
- zu Meiers udgl.
- — 158 —
- enfant er nit da heim: wan Amelius was gewandert zu
- Amicus hus und wolde in drosten. Des enwußte Amicus
- nit. Also sucht ir einer den andern von steden zu steden
- wol ein ganz jare. (8. 344,) ünder des qwam er in eins
- 5 ritters hus: der gab im sin dochter. Dar nach, da die
- brutschaft gescheen was, do ließ Amicus nit abe, er suchte
- sin gesellen Amelius. Do begegnet im ein bilgerin: dem
- gab Amicus sin rock uff das, das er got bede, das er sin
- gesellen finden mochte, und Amicus bat den bilgerin, ab
- 10 er Amelius irgent sehe, das er im nach folgen wolde gein
- Paris. Des selben tages beqwam dem pilgerin Amelius
- zu mal in bösen snoden kleidern und was an dem antlitz
- gestalt als Amicus. Do wonte der bilgerin, daß eß Ami-
- cus were. Do wunderte er sich sere, war sin pert und
- 15 sin cleider komen were. Da sprach Amelius zu dem bil-
- gerin „Du umb wanderst vil landes umb: hastu min ge-
- sellen Amicus irgent geseen?* Da sprach der pilgerin
- „war umb fragestu mich umb Amicus? du bist doch Ami-
- cus und gebe mir hude dissen rock und fraget mich umb
- 20 dinen gesellen Amelius. Da hette du pert und knecht:
- war sint die nu komen?* Do sprach er „ich bin nit Ami-
- cus : ich bin im glich an dem antlitz, und ich heiß Ame-
- lius." Do sprach der pilgerin ,du findest Amicus zu Paris."
- Und da fant er in, und in wart beiden wal zu müde; sie
- 25 helsten und kosten sich einander und zogen beid in konig
- 11. qwam der
- 6. brütschaft Vermsehlung.
- 10. tihd. wergin irgendwo: iergen,
- irgen, irgent, niergen, nirgen,
- nirgent md. : hd. iender, niender.
- dus nämlicli demselben zn sa-
- gen, dass.
- 12. ze male auf einmal, zu-
- sammen, gänzlich (149, 8), gar,
- sehr.
- 19. frü0? fragen schw. wie
- wägen : aber es heisst anch fragen^
- anch diess wird schw. gebraucht,
- könnte aber auch wie tragen st.
- flectiert werden, Impf, früg^ wie es
- jetzt heisst. Md. wie Goth. 2. p.
- Impf, mit t [S. Weinhold, mhd.
- Gr. 357.] Die Aenderung fra-
- getest wsere grammatisch einfacher,
- Isege aber den Buchstaben ferner.
- 24. ahd. wala — wola, wol.
- — 159 —
- Karulus hoif. (S. 345.) Der konig entphing sie zu sim
- hpifgesinde, und sie dienten im also woU, das sie men-
- liehen liep hatte.
- Dar nach zu einer zit zoch Amicus heim zu siner
- husfrauwen und ließ Amelius bliben in des koninges hoif. 5
- Do hatte der konig ein dochter: die hatte Amelius liep.
- Zu einer zit betröge Amelius die bekarunge, das er die
- Jungfrau wen allein hatte, und det ir gewalt: des was sie
- sere betrübet. Da was in dem hoife ein grefe: dem was
- Amelius sunderlichen fruntliche; dem saget Amelius sin 10
- heimlichkeit und fraget in raits. Zu eim tage bewiste
- der grefe untruwe und melte in vor dem konig. Der
- konig wart zornig und fraget die dochter umb die sach.
- Sie sprach, der grefe solt das bezugen, und künde das nit
- gethun. Do sprach der konig „üwer einer sal den an- 15
- dern besten zo kemphen.** Disse mere vernam Amicus
- und zoich hin vor des koniges hoif und fragete Amelius
- umb die sach, und Amelius bekant iß vor im, das er der
- Jungfrau wen gewalt hatte getan. Do sprach er „so hastu
- böse fechten, wan du schuldig bist. Auch wil ich dir ein 20
- truwe bewisen: nim min phert, min kleider und min
- knecht und far hinne zu miner huisfrauwen: sie enkennet
- dich nit. Ich wil hie vor dich kempen. Ist, das ich
- sterben, so behalt dir das wip; ist, das mir got hilft, so
- kome Widder zu mir.^ Das geschach, das Amelius reit 25
- zu Amicus hus und zu siner huisfrauwen. und sie ent-
- phieng in vor iren man, wan er (S, 346.) also geschaffen
- was als Amicus. ünder des gewan Amicus den kamp.
- Des abendes, wan sie slafen gingen, so nam Amelius sin
- swert und leit iß zwischen sie beide, und er sprach zu ir 30
- 2. im] yn 8. Jungfrau we 9. graffe 17. zoith
- 22. hiene huisfrane
- 3. erstarrter Accusativ.
- 7. bekarunge — hekorunge.
- kiesen, körn.
- 20. Aiich doch (auch gleichwohl).
- 30. Es war Sitte, wenn ein
- Mann bei einem Weibe schlief, das
- — 160 —
- »berorestu mich, e ich wisse, wie iß minem gesellen gee^.
- iß kost dich din leben. ^ Dar nach qwam im ein bode^
- das er komen solde zu sim gesellen. Und er det sin clei-
- der wider an, und der konig gab im sin dochter. Disse
- 5 dinge verholten Amicus und Amelius under ine, daß iß-
- niemants wüste.
- Dar nach über ein lang zit, da plaget got Amicus,.
- das er maletsch wart. Da ging sin huisfrauwe mit alle
- iren frunden und dreibe in uß alle sim gude, und er was
- 10 kräng und übel gestalt, und kein mensche wolt mit im
- zu schicken han. Do must er werden ein betteler und
- ging von huse zu huse umb sin broit, und er enhatte-
- nit mere von sim gude dan den napf, den im der babst
- hatt gegeben : dar uß drang und aße er. Do wanderte er
- 15 zu sins gesellen hus und wolde sehen, ob er in nit kennen
- wolde. Do qwam er vor sin doir und rief , Gebet dem
- armen maletschen icht dorch gott. ^ Da hatt Amelius den
- napph, den im der babst hatte gegeben, vor im uff dem
- disse stan. Do sprach er zu sim knecht „nim den napph
- 20 und gip dem armen menschen, was da inne ist, in sinen
- napph, das er drink, und gib im auch dar zu, das er
- esse. " Der knecht det also. Do der knecht wider qwam,
- do sprach er also zu sim heren „Here, der man hatte ein
- napph: der ist (S. 347.) gestalt glich uwerm napf.* Do
- 25 der here das* horte, do stund er uff von dem dische und
- 11. hen 15. zu fehlt ,
- er nicht berühren wollte oder
- sollte, dass er ein blosses Sehwert
- zwischen beide legte, so Sigurd,
- da er für Gnnnar Brynhild gewon-
- nen hatte, und sonst oft in nordi-
- scher, deutscher, englischer, fran-
- zoßsischer, italienischer Sagen- und
- Mserchendichtung. Aber es war
- auch in der Wirklichkeit in Ge-
- brauch, wennschon es als gesetz-
- liche Vorschrift nirgend vorkommt.
- 1477 Vermaehlung des Kaisers Max
- mit Maria von Burgund durch
- Procuration ; Ludwig, P£alzgraf Ton
- Yeldenz, beschritt mit Stiefeln und
- Sporen das Brautbett und legte ein
- nacktes Schwert zwischen sich und
- die Braut.
- 19. disse wie 162, 8 kufiheit.
- — 161 —
- drait vor die dore zu dem man und nam in in sine arme
- und koste in vor sinen munt und sprach ^Amicus, min
- lieber frunt, bis got und mir wilkome ! Alles, das ich han,
- das ist din.* Da fraget er, wie er so arm were worden.
- Do sprach er „nu mich got geplaget hait mit diser sucht, 5
- derumb versmahet mich min huisfrauwe und alle mine
- fnmde und haut mich vertreben." Da sprach Amelius
- „du Salt bi mir bliben, die wile du lebest.*' Also det
- Amicus und diente got mit grosser innigkeit. Do wolt
- unser here volkomende truwe ane in profen, und er sant 10
- sinen heiigen engel zu Amicus, und der sprach zu im
- „Wiltu gesunt werden, so gang zu dim gesellen Amelius
- und sage im, das er sin zwei kinder dode und besprenge
- dich mit dem bloide: so wirdestu gesunt.* Da Amicus
- Amelius das sagete, do wart er beide betrübet und er- 15
- fraüet: er was betrübt, wan im swer was sin eigen kinder
- zu doden, und er was erfraüet, das sin geselle gesunt
- mocht werden. Eines tages, do sin huisfrauwe in der
- kirchen was, do ging er in sin kamer, do sin kinder in
- lagen uff dem bette. Da lachten sie in an. Da sprach 20
- er zu in betrubiglichen »Ach, lieben kinder, ir lachent
- mich an:^ ir wüßt nit, das ich uch doden sah* Und er
- zoich sin swert uß und doit sin kinder und sprach „0
- here Jesu Christ, siech diese martel an und verwisse iß
- mir nit, wan ich iß thun dorch recht truwe. ** Und er 25
- nam das bluit und besprewet Amicus da mide, und Ami-
- cus wart gesunt, und die frauwe enwist iß nit, das ir
- kinder doit waren. (S. 348.) Da was Amelius frolich,
- 10. ym
- 3. wesefiy icis — bin, bis.
- wüleTcome wülekomen : ahd.
- wülikomo.
- 6. verstmeTien — versmähen.
- 13. d. h. dich hesprenge, nicht
- Imperativ, s. 26.
- 22. wüßt Angleichung aus
- icizzet. Nhd. wüsste, wi$8Ste.
- 24. Mhd. vertotz : strafe mich
- nicht dafür.
- 26. sprcejen , sprcewen , md.
- sprewen spritzen, stieben, intr. und
- transitiv.
- 11
- ~ 162 —
- das sin gesell gesunt was worden, und doch ging er be-
- trublich in die kamern, da die kinder inne lagen. Da er
- sie an sach, da lachten die kinder beide und spielten,
- und iglichs bete sinen vatter an, und iglichs hatte einen
- 5 roden strymeln umb den hals als ein syden faden : die be-
- hielden sie, diwil sie lebten. Da danket Amelius unserm
- lieben heren und saget disse ding siner huisfrauwen. Do
- gelobte sie kußheit unserm lieben heren: die wolde sie
- halden biß in iren doit.
- Do- die zwen frunde doit waren, do grub man jigli-
- chem ein grap. Do vil das ein grap ine. Do wolden die
- lüde wissen, was das bedudet, und gruben das grap ufF
- und funden da nicht in. Da grub man das ander grab uff:
- do waren sie beide inne komen zu samen. Und Amicus wip,
- 15 die in vertreibe, der brach der tufel den hals enzwei.
- Liebe kint, dis sal dir ein lere sin, und bis getruwe.
- 10. zwev 11.
- 10
- zwey
- ynne
- 4. d. h. hob die Hände zn ihm
- empor.
- 4 fgg. Mserchen der Brüder
- Grimm 126, von der Prinzessin, die
- Köpfe abnehmen und wieder auf-
- setzen kann, wobei nichts bemerkt
- wird, als wie ein rother Faden um
- den Hals. GoBthe hat das auch im
- Faust benützt (XU, 219). Sage
- von Pabst Leo III. beim Monachus
- S. Galli I, 26 Divino vero nutu
- conterriti sunt et retracti, ne ocu-
- los eins eruerent, set rasoriis per
- medios inciderent. — Innocentiam
- vero beati Leonis paptB ita dona-
- tor et restitutor sanitatis appro-
- havit, ut post illam pcenalem et
- crudeUssimam incisionem clariores,
- quam antea fuerint, ei condonaverit
- oculoSy excepto quod in Signum vir-
- tutis illius puleherrima cicatrix
- in niodum fUi tenuissimi turturinas
- acies niveo candore decorabat,
- 5. strime Streif, Striemen.
- 14. vgl. Greg. Tur. de Glor.
- Confess. Cp. 32 und Hist. Franc.
- 1, 42 von einem Ehepaar zu Ar-
- vemi d. h. Clermont, das in Liebe
- und zugleich in keuscher Enthalt-
- samkeit lebt ; da sie, das eine bald
- nach dem andern sterben, und je-
- des in sein Grab gelegt wird, das
- eine an der Süd-, das andere an
- der Nordwand des Kirchhofs, finden
- sich des Morgens nach dem zweiten
- Begräbniss die beiden Grseber dicht
- zusammen : ideirco nunc incol(B
- duos amantes vocitant et summo
- vener antur honore. (Gemeint sind
- die hl. Injuriosus und Scholastica.)
- Abhandlung.
- Hartmann sagt Z. 17 ciw rede die er geschriben vant;
- Z. 29 er las di^ selbe mcere: sein Gedicht beruht also auf
- üeberlieferung, Sage. Und so war es die Weise der echten
- Epik und aller guten Epiker, und nur die geringeren in den
- Zeiten des Verfalls der Poesie gaben ihre eigene Erfindung
- (Nachahmer Hartmanns). Sache und Verdienst jener war
- bloss die Erfassung der Thatsachen und des idealischen Ge-
- haltes und die auf diesem zwiefachen Grund beruhende Dar-
- stellung.
- Wir müssen also Hartmanns Gedicht im Verhältniss zu
- der üeberlieferung betrachten und da haben wir
- 1. Die allgemeine geschichtliche Grundlage: Aussatz
- und dessen Heilung wie in der Geschichte;
- 2. Die sagenhafte Ausbildung und Anwendung dieses
- geschichtlichen Stoffes: Andere Sagen vom Aussatz und von
- dessen Heilung;
- 3. Die Sage vom Armen Heinrich und Hartmanns Dar-
- stellung derselben.
- I. Aussatz und dessen Heilung innerhalb der Geschichte.
- Wir haben da theils thatsächliche Wirklichkeiten zu be-
- rücksichtigen, theils solche bloss der Meinung, denn auch die
- letzteren gehoeren zu der geschichtlichen Grundlage. Es ist
- gerade kein reizender Gegenstand, aber es ist nicht wohl er-
- — 164 —
- lässlich und lässt uns auch Blicke thun auf manche anzie-
- hende Eigenthümlichkeit des Mittelalters.
- Bekanntlich haben auch die Krankheiten ihre Geschichte
- und ihre Geographie. Wie bei dem einzelnen Menschen ge-
- wisse Krankheiten den ganzen Leib ergreifen, zu jeder Lebens-
- zeit vorkommen, wohl auch das ganze Leben von Anfang bis
- zu Ende begleiten, andere dagegen auf einzelne Lei bestheile
- beschränkt sind oder auf einzelne Altersstufen, ebenso ist es
- bei dem Gesammtleibe der ganzen Menschheit: es gibt Krank-
- heiten, die überall und zu allen Zeiten vorkommen, Krank-
- heiten, die örtlich eingegrenzt eine bestimmte Heimath, einen
- gewissen Sitz haben, Krankheiten, die je nach der wechseln-
- den Verstimmung dieses Gesammtleibes bloss zeitweise er-
- scheinen und so lange dauern, bis sie gänzlich verschwinden
- oder in eine neue Verstimmung, eine neue Krankheit übergehen.
- Solch ein räumlich und zeitlich begrenztes üebel der
- Menschheit ist der Aussatz: er hatte seinen bestimmten Aus-
- gangspunkt im Eaume, erhielt weitere Verpflanzung im Eaum
- und durch die Zeiten, wurde wieder auf gewisse Länder ein-
- gegrenzt und hat in anderen sein Ende gefunden.
- Mit der Veränderung des Raumes und dem Wechsel der
- Zeit nahm er auch verschiedene Gestaltung an.
- Es ist eine Hautkrankheit, fürchterlich in ihren Erschei-
- nungen und ihren Wirkungen, doppelt fürchterlich, weil sie
- ansteckend ist und sich vererbt.
- Die Heimath des Aussatzes ist Aegypten, das auch das
- Mutterland der Pest ist. Äegypti peculiare hoc mdlum Pli-
- nius H. N. 26, 5. Est elephas morbus, qui propter flumina
- Niti gignittir Aegypto in media nee prceterea usquam. Lucret.
- 6, 1112. Dort pflegt sie in ihrer entsetzlichsten Gestalt zu
- erscheinen und diese heisst Lepra cegyptiaca; elephantiasis
- (Grroseonim)^ der knollige Aussatz. ^) Ein gelehrter Arzt gibt
- ^) Hirsch, Handbuch der hist.-geogr. Pathologie, 2 Bde., Erlangen
- 1860—64, 1, 301 ff. [Nach K. Virchow, die krankhaften Geschwülste,
- Berlin 1863, 1, 296 ff. ist Elephantiaäs (Arabum) ganz verschieden vom
- — 165 —
- davon folgende Beschreibung (Die Sitten, Gebräuche und
- Krankheiten der alten Hebraeer von Trusen, Breslau 1853,
- S. 166 fg.): „Nach längere Zeit bestehenden Vorboten, als
- braunen, dunkeln, unempfindlichen Hautflecken, Anschwellun-
- gen der Achsel- und Leistendrüsen, Alopecie (Ausfallen der
- Haare) etc. tritt gewoehnlich ein viertägiges Fieber hinzu, ehe
- die Elephantiasis erscheint. Mit dem Ausbruche der Krank-
- heit wird das Ansehen des Kranken durch eine erdfahle,
- dunkle Gesichtsfarbe fürchterlich entstellt, die Augenlider
- schwellen oedematoes an (Oedem, Wassergeschwulst, örtliche
- Haut Wassersucht), werden runzlich und knollig, die wirkliche
- Form des Auges wird rund, der Blick stier, wild, matt, das
- Gesicht aufgeschwollen, die Haut an der Stirn gespannt, glän-
- zend, knollig, die Kopf- und Barthaare sowie die Augenbrau-
- nen färben (entfilrben?) sich, werden weiss, wollig, fallen aus,
- und die Sehkraft vermindert sich. Nach mehrjaehrigem Be-
- stehen der Krankheit bilden sich nun die Knollen in der
- Haut, daher der Name Elephantiasis. Es erscheinen naemlich
- an den Ohren, an den Wangen, an den Lippen, an der Stirn
- und spseter in allen Theilen des Körpers anfänglich kleine,
- spseter grcessere, unempfindliche, rcethliche, schmutziggelbe
- Knollen von der Grcesse einer Erbse bis zu der eines Hühner-
- eies, zwischen denen die Haut rissig wird und Spalten be-
- kommt. Besonders entstellt wird durch diese Auswüchse der
- Unterfuss, der mit Einschluss der Zehen so ungeheuer gross
- wird, dass er einem Elephantenfusse sehr sehnlich sieht. Spseter
- arten diese Knollen in boesartige, krebshafte Geschwüre aus,
- die den sj^philitischen sehnein, durch ihr Nichtschmerzen sich
- aber von diesen unterscheiden. Sie bluten leicht, enthalten
- schwammige Auswüchse und eine hoechst stinkende Jauche,
- sie fressen in die Tiefe, ergreifen die Knochen und richten
- Aussatz, welcher nur durch eine Verwechslung ebenfalls Elephantiasis,
- spaßt er zum Unterschied E. Graecorum genannt worden ist. Auf die
- Lepra kommt Virchow 2, 494—531 ausführlich zu sprechen, mehrfach
- von dem obigen Texte abweichend.]
- — 166 —
- oft noch vor dem Tode, der durch Gangrsen (Brand) der Glie-
- der und allgemeine Cachexie (Beeinträchtigung der Emsehrung)
- erfolgt, grosse Zerstoerung an.*
- Von Aegypten kam dieser Aussatz mit den auswandern-
- den Israeliten zunaechst in den südwestlichen Theil Asiens.
- Eine altsegyptische üeberlieferung stellt diesen Auszug selbst
- so dar, als seien die Israeliten, eben weil sie alle aussätzig
- waren und weil der Koenig das Land von ihnen reinigen wollte,
- ausgetrieben worden. ^)
- Die trockene Hitze Vorderasiens war günstiger für die
- Hautthsetigkeit als die Luft in den feuchten Niederungen
- Aegyptens. Der Aussatz nahm darum hier auch eine andere,
- etwas mildere Gestalt an. (3 M. 13 und 14): Lepra mosaica
- oder Hebrceorum oder Morphcea cdba^ der weisse Aussatz. ^)
- Eine Beschreibung gibt Trusen a. a. 0. S. 165 fg.: „Oft Jahre
- lang vor dem wirklichen Ausbruche der Krankheit zeigen sich
- weisse, gelbliche, unempfindliche, in der Tiefe der Haut lie-
- gende Flecken, besonders an den Genitalien oder im Gesicht,
- an der Stirn, an den Gliedern, wobei die Haupthaare zugleich
- die Farbe der Flecken annehmen. Spseter dringen diese Flecken
- durchs Zellgewebe bis zu den Muskeln und Knochen, die
- Haare werden weiss, wollig, gehen aus, es bilden sich harte,
- gallertartige Geschwülste im Zellgewebe, die Haut wird hart,
- rauh und rissig, es quillt Lymphe hervor, die grosse Borken
- bildet, welche sich von Zeit zu Zeit lostrennen und unter
- welchen oft übelriechende, schwammige Geschwüre sitzen.
- Spa3terhin schwellen die Nägel auf, krümmen sich, fallen ab,
- *) Manetho bei Joseph Apion. 1, 26 (Selig Cassel im Weimarer
- Jahrbuch 1, 425. [Der Aufsatz ist erweitert unter dem Titel erschienen:
- Die Symbolik des Blutes und der arme Heinrich von Hartmann von
- Aue. Von D. Paulus Cassei, Berlin 1882. Da findet sich die Stelle
- S. 159.] Vgl. Müller Hyksos S. 6 fg. [Moderne Geschichtsforschung
- stellt den Aufenthalt der Juden in Aegypten in Zweifel : s. B. Stade, üesch.
- des Volkes Israel S. 128. Dagegen H.Brugsch, Deutsche Revue VIII, 48 tf.J
- 2) Das Talmudische Buch von dem Aussatz: Wagenseils Belehrung
- der Jüdisch-Teutschen Rede und Schreibart S. 1 ffg.
- — 167 —
- es bildet sich Entropium, blutendes Zahnfleisch, verstopfte
- Nase und starker Speichelfluss. Der Urin ist weiss, dick,
- fettig, molkig. Stumpfheit der Sinne, grosse Schwäche und
- Magerkeit, coUikartige Diarrhoeen, Oedem, allgemeine Wasser-
- sucht und Zehrfieber beschliessen die Leiden der Unglück-
- lichen.* Ausser den Vorschriften, wie zu verfahren gegen
- Aussätzige (Levit. 13. 14.) finden sich dafür zahlreiche ge-
- schichtlich belegende Stellen des alten wie des neuen Testa-
- mentes: Hiob, der arme Lazarus (Ev. Lucas 16) sind die be-
- kanntesten. Dieser Aussatz scheint den Juden auch noch
- lange nach ihrer letzten Zerstreuung besonders eigen geblie-
- ben zu sein. Dafür spricht die regelmasssig wiederkehrende
- Verwünschung in den mannigfaltig ihnen vorgeschriebenen
- Eidesformeln des Mittelalters. Um 1200 LB. 1, 495 Unde
- ob du unrechte sveris, dais dich di muselsuhi histe, di Naa-
- mannen lis und Jezi bestunt. Schw. Sp. LR. 215.
- Von Aegypten kam der Aussatz auch nordwärts nach
- Griechenland, und er wurde auch hier gemaessigt, aber bei
- der climatischen Verschiedenheit auf andre Weise, als in Sy-
- rien und Arabien. Wir haben davon Beschreibungen der alt-
- franzoesischen Aerzte. Die jetzt sogenannte Lepra Grcecorum^
- den schuppichten Aussatz beschreibt Trusen 166: „Oft acht
- Wochen vor dem Ausbruche desselben geht neben der Tinea ma-
- ligna^ dem Herpes exedens und der Alopecie ein Tertiairfieber
- vorher, hierauf breiten sich die fressenden Flechten immer
- mehr aus, die zwischenliegende Haut wird roth, entzündet,
- brennend, es bilden sich dicke, trockene, harte Borken, die
- abfallen um sich wieder aufs Neue zu bilden. Die Nsegel
- werden dick, spalten sich, der Appetit ist lange Zeit noch
- gut, aber der Durst heftig, und unter Marasmus und Nerven-
- zulällen erfolgt der Tod.* Wegen der schuppichten Art des
- Ausschlags heisst der Aussatz überhaupt dann Xhtpa : Xiizoc,
- Schuppe. Nach Tansanias 5, 5, 5 hätte die Stadt Lepreiis
- oder Lepreum in Elis den Namen davon, dass die ersten An-
- wohner des Landes von der Lepra befallen worden sind.
- — 168 —
- In Persieii war sowohl der weisse als der schuppichte
- Aussatz: Herodot 1, 138 og äv di rcov daTcov Xhzprjv tj
- Weitere Ausbreitung fand der Aussatz mit den Fort-
- schritten der Roemischen Weltherrschaft. Unter Pompeius
- kam er nach Italien. Plinius H. N. 26, 5 nennt bloss die
- Elephantiasis als aus Aegypten eingeschleppt und Et hie
- quidem morbus celeriter in Itdlia restmcttis est. Er hat wahr-
- scheinlich die glücklichen Behandlungen im Sinn, um derent-
- willen der eben damals in Rom lebende Asclepiades gerühmt
- wird: Plutarch, Symposiaca problemata 2, 22. Es scheint
- jedoch die Krankheit nicht gerade so bald wieder erloschen
- zu sein und auch nicht bloss Elephantiasis gewesen zu sein.
- Denn von da ab berühren diese Krankheit alle ärztlichen
- Schriftsteller fort und fort, und die Beschreibungen und die
- Mittel ergeben, dass alle drei Hauptarten neben einander und
- in einander verfliessend vorkamen, wie es natürlich war bei
- der hin und her gehenden Menschenbewegung des Roemer-
- reiches.
- Im Mittelalter sodann fand der Aussatz Ausdehnung über
- ganz Europa bis zu dem äussersten Norden hin. ^) Es war
- da die Meinung, dass die Pilgerfahrten nach dem Morgen-
- lande, dass die Kreuzzüge ihn gebracht hätten. Aber in der
- Weise ist das nicht richtig. Wir haben mehr als ein Zeug-
- niss schon aus der Zeit und dem Reiche der Karolinger und
- schon der Merowinger bis zurück schon in das 6. Jahrhundert;
- schon das Edictum Rotharis (643) weiss, dass der Aussatz
- unter den Longobarden vorkam. Er war ein Erbe von den
- Roemern her in den roemischen Provinzen und da ist die Völ-
- kerwanderung zu berücksichtigen, die die germanischen Stämme
- auch den tiefsten Süden Europas und den Saum Asiens be-
- rühren Hess; und ebenso die Juden. Die spseteren Pilger-
- *) Hensler, Vom abendländischen Aussatze im Mittelalter, Ham-
- burg 1790.
- — 169 —
- fahrten nach Jerusalem und S. Jakob und die Kreuzzüge
- waren gleichsam nur eine Auffrischung, immer neue Einschlep-
- pung und gesteigerte Verbreitung. (Widuk. 3, 61.) Wir
- werden die Bezüge auf das Pilgerwesen kennen lernen. Dass
- aber unter den germanischen und romanischen Völkern der
- Aussatz nicht daheim war, und unter jenen noch spseter als
- unter diesen, ist mehrfach ersichtlich.
- Es war ein Gemisch der anderswo verschiedenen Krank-
- heitsformen. ^) Konrad von Würzburg im Engelhard 5150
- fgg. beschreibt ihn folgender Massen: „im wurden Mr und
- ouch der hart dünne und seltscene. sin otigen, als ich wcene,
- begunden sich ze gilwen, als oh si cezen milwen^ so vielen
- HZ die huwen drohe, sin varwe^ diu da vor ze lohe was
- liutscelic unde guot, diu wart noch roeter danne ein hluot und
- gap vil egebceren scMn. diu lüter süeze stimme sin wart un-
- mäzen heiser. — an füezen unde an henden wären im die
- ballen so gänzlich in gevallen^ daz mich sin immer umndert."
- Unter den deutschen Benennungen herrscht grosse Man-
- nigfaltigkeit. Zu verschiedenen Zeiten, in verschiedenen Ge-
- genden, je wie die Krankheit neu kam, wurden neue Aus-
- drücke dafür gesucht und darunter waren mehrere, ja über-
- wiegend, von fremdem Ursprung, wsehrend sich, wenn die
- Krankheit alteinheimisch gewesen wsere, ein einziger allge-
- mein gangbar würde festgesetzt haben. Diess letztere ist
- wirklich auch beinahe geschehen, nachdem die Krankheit schon
- eine Reihe von Jahrhunderten bestanden und sich heimisch
- gemacht hatte. Vielerlei Worte gab es dafür neben einander
- in den Anfangszeiten. Gothisch heisst thrutsfill als Subst.
- Aussatz, Adj. aussätzig, thriutan wehthun (verdriessen) ; alts.
- häf = goth. hamf, verstümmelt (vom Abfaulen der äusseren
- Glieder); ags. hreof; ahd. hrüf, w/*lepra, Hob leprosus (Graffs
- Sprachschatz 4,1155; 6,305), riöbsuhtig (6,142), rwößHepra
- *) Sprengeis Versuch einer pragmatischen (Teschichte der Arznei-
- kunde 2, 486.
- — 170 —
- (4, 1155 und Schlettstädter Glossen 26, 50, in Haupts Z. f.
- d. A. 5, 354): Elefantinus morbus i, lepra . que inmodum
- cutis elefantum . in cute hominum coaceruatur. diutisce riuhet
- (:riubehb?). Anderswo hriubl Scabies, hruf pustula papula
- (Blatter), hriuva pestis (Gr. 4, 1155): Ausschlag, Beulen,
- Ansteckung. ^) Mundartlich ist Rufe oder Riefe = schorfarti-
- ger Ausschlag und Schorf auf heilenden Wunden (Stalder
- 2, 289; vgl. Schmeller 3, 62 [^II, 67] Abr. a. S. C. 5, 104).
- Bei Otfried und Tatian heisst ein Aussätziger homgibruader
- (Gr. 3, 301): wohl wegen der hornartigen Hautverhärtung. ^
- Stadtrecht von Meran vom J. 1317 (Haupts Z. f. d. A. 6, 416)
- homvdl die dem Absonderungshaus der Aussätzigen zugewie-
- senen Einkünfte, die Gefälle desselben. Ein weiterer Name
- hat seinen Anlass in einer Namensverwechslung, die schon
- früher im Lateinischen stattfand. Die Gelbsucht nämlich
- heisst regius morbus (oder aurugo) und bei Hieronymus und
- in einem Briefe des heiligen Bonifacius wird dieser Ausdruck
- für Aussatz gebraucht: Rettbergs Kirchengeschichte Deutsch-
- lands 1, 417. So wurde nun auch der deutsche Name Kelo-
- suht gebraucht: Gr. 6, 141. Regius morbus kelasuht; kele-
- suht Schlettstädter Glossen 15, 21; gelsuht Sumerlaten 15, 1 ;
- Regiits i. gelesuht Z. f. d. A. 3, 378. Äurugo^ gelesuht ebd.
- 369; el&phantum gelesuht Diut. 3, 183; auf den Aussatz über-
- tragen: morbus elephantinus Gr. 6, 142; elefantia helahesuM
- Sumerlaten 7, 12. (Regim morbus lancsuht Z. f. d. A. 3,
- 476; vgl. Gr. 6, 141). Endlich noch ein Fremdwort. Im
- Latein des Mittelalters kommt der Ausdruck misellus (miser)
- nicht als medicinische, sondern als gemüthliche Bezeichnung
- *) In der mittelalterlichen Sammlung zu Basel befindet sich ein
- doppelseitiger Siegelstempel von Serpentinstein (zweier Pilger) ; auf der
- einen Seite Albertus de Luckendorp p. s. s. um einen Schild mit einem
- Herzen; auf der andern ein Schild mit einer alten 4 (-2-), dahinter ein
- Krückstab (wie im Siegel von S. Jakob an d. Birs), von dem zwei
- Glocken herunter hangen, Umschrift Jacobus de Lynde, Grub,
- 2) Reinmar von Zweter bei v. d. Hagen MS. 2, 218^ hornbruoder
- als Name eines MönchordensV
- - 171 —
- vor (s. du Cmige; vgl. ebd. misellinus und Selig Cassel, a. a.
- 0.472 [Symb. 222]; Notker um 1000 übersetzt leprosus mit
- misel und rmselohf (Gr. 2, 875) und schon im 9. Jahrhundert
- begegnet für elephanticus morbus misalsuht Gr. 6, 141. Dieses
- im Althochdeutschen noch seltenste Wort ist im Mittelhoch-
- deutschen das geläufigste. Dazu trugen bei die Kreuzzüge,
- der gesteigerte Einfluss von Seite Frankreichs, Pilgerfahrten
- durch Frankreich und die Provence nach S. Jacob in Spanien :
- Lepra misel Voc. opt. 36, 88; Morphea miselglich ebd. 36,
- 14; miselsiech Ulr. Tristan 553, 30; MisdsuM (z. B. a. Heinr.)
- miselsühfic; Leprosm misilsuhtiger Gl. Trev. 7, 9. Summ.
- Heinr. 253. Beziehung auf mischelm, mislm? LB. 1, 500,
- 34. 40. bemüsden beflecken, beschmieren Gesammt-Abenteuer
- 1, 215. Grimm Wb. 1, 1463. (= bunt? alts. misllc). Die
- Aneignung des fremden Ausdrucks wurde vollkommen durch
- ablautende Aenderung, die in Bezug steht mit masar, knorri-
- ger Auswuchs im Holz (Gr. 2, 875) und mäsa Narbe, Fleck
- (Gr. 2, 861): masilsuktig Wernher vom Niederrhein 3, 25.
- 39, 31. 34; muselsuht LB. 1, 495, 7 (Judeneid); (müselsuht
- morphea Voc. v. 1429 Schmeller 2, 633 pi, 1671]).
- Kaiserchronik 5672 muselsuhtic [bei Diemer miselsulitic].
- Es ist dies die herrschende Benennung: die Krankheit war
- jetzt schon ein altgewohntes üebel, so herrscht Ein Name
- durchaus vor. Nsechstdem erscheint erst mhd. ein entschie-
- den romanischer Ausdruck. Aus Male aptus (vgl. unpässlich)
- entstand fr. malade, altfr. nom. m^lats das prsegnant für aus-
- sätzig gebraucht wird: rnalä^ G. Frau 2631 {PI m^üceze)^
- maloz Kistener 721, malätes ülr. von Türheim Tristan 551,
- 21, malätsch Schwaben-Spiegel 215, 22, mdletsch Amicus und
- Amelius; ohne s: malait Hagens Reimchronik 434 fgg., malat
- (maylich) Kellers Erzählungen 155, 24. Gengenbach S. 634.
- malat Elisab. 7382 u. ö. (s. d. Glossar von Rieger). Voc. v.
- 1618 (Schm. 2, 564 [^I, 1584]). maljsey elephantia, lepra;
- Phil, von Sittewald 1, 468 (6. Ges., Höllen-Kinder) der
- Aussatz und Maltzey. Gleichzeitig ward im Niederländischen,
- — 172 —
- auch dort vielleicht unter Mitwirkung des Franzoesischen, ein
- anderes Fremdwort üblich. Lamms als Aussätziger ward
- mlat. auch appellativ gebraucht (du Gange), wie noch span.
- Id^aro, italiänisch lazzarone Bettler; altfr. prov. laeer, ladres
- Aussätziger (Diez Wb. 201). Mndl. lazers, lasers: Kauslers
- Denkmailer altndl. Sprache und Litteratur 1, 483; lazerie
- Aussatz: Horae belg. 2, 96 fg. (Nr. 31) [„die gewoehnliche
- Benennung der Aussätzigen im Mnl. war: lazerich, lasforus
- und malcetsch" Hoffmann a. a. 0. 98]. Von noch anderen
- und zwar wieder deutschen Namen gleich nachher.
- Schon diese Worte können die Ausbreitung der Krank-
- heit durch das Europa des Mittelalters und den Gang, wel-
- chen die Ausbreitung genommen hat, veranschaulichen. Mit
- dem Ende des Mittelalters beerte auch sie zu wüthen auf, sie
- wurde abgelcest durch eine andere ansteckende Krankheit, in
- die sie bei mancher Verwandschaft, die zwischen beiden be-
- steht, leichtlich übergehen konnte, die Lustseuche. ^) Seitdem
- besteht sie wohl in ihren früheren und ürsitzen, dem Mor-
- genland und Aegypten noch fort ; in Europa ist sie, im allge-
- meinen betrachtet, eine sporadische Seltenheit. Nur an den
- äussersten Säumen ist sie noch in üeberresten epidemisch
- haften geblieben: die s. g. Krimische Krankheit, Lepra tau-
- rica, und die Lepra horealis oder die Radesyge (bcese Seuche)
- in Schweden und Norwegen, den Faroeer Inseln und Island
- werden von den Aerzten als Aussatzformen betrachtet. Mit
- der Beschreibung auch dieser Scheusslichkeiten wollen wu:
- die Leser verschonen.
- Lebensweise der Aussätzigen.
- Das Leben, zu dem die Aussätzigen genoethigt waren,
- das Verfahren, das gegen sie beobachtet wurde, war ein Ergeb-
- niss nicht bloss des natürlichen Abscheus und nicht bloss der
- ») S. Sprengel a. a. 0. 492. 647.
- — 173 —
- Furcht, ^) durch Umgang und Berührung angesteckt zu wer-
- den, sondern auch der ebenso natürlichen und der durch die
- biblische Ueberlieferung geheiligten Ansicht, dass diese Krank-
- heit die Strafe sei für eine Gott besonders missfällige Sünde.
- Mirjam wurde mit dem Aussatze geschlagen wegen auflehnen-
- der Worte gegen Mose (4 M. 12, 10), Gehasi, der Diener des
- Elias wegen Geldgier und Betrugs (2 Kcen. 5, 27), Koenig
- Usia von Juda wegen Ungebserdigkeit gegen die Priester
- (2 Chr. 26, 19; vgl. 2 Kcen. 15, 5, — s. Cassel a. a. 0. 430
- [Symb. 165]). Auch die Perser hegten denselben Glauben:
- Herodot 1, 138 „und nach ihrer Behauptung hat er das we-
- gen eines Vergehens gegen die Sonne.* Dieser zusammenwir-
- kenden Gründe wegen waren die Aussätzigen bei den Persern
- wie bei den Israeliten gemieden und abgesondert und ausge-
- stossen. Herodot: „Wo ein Bürger die Lepra oder den weissen
- Aussatz hat, kommt dieser nicht in die Stadt, noch gesellt
- er sich zu den andern Personen. — Auch treiben sie jeden
- Fremden, der davon ergriffen wird, eiligst aus ihrem Lande."
- Israeliten: Mose 3, 13. 4, 12.
- Ganz so verfuhr man nun auch und mit der äussersten
- Strenge im christlichen Mittelalter, und hier um so mehr, als
- das mosaische Vorbild und die levitischen Vorschriften immer
- noch für voll verbindlich erachtet wurden.
- Wo die Aussätzigen den Gesunden zu nahe kamen, wur-
- den sie mit Härte zurückgetrieben. Karls des Grossen drittes
- Capitulare von 789, cp. 20 handelt De leprosis^ ut se nmi
- intermisceant dlio populo, Tristan kommt verkleidet zu Is6t:
- diu künegm mit jsome sprach „Farams, dm miselsiechen slach:
- er tvonet mir gar ze nahen M" dar gierigen starker knappen
- drt und hieeen in balde üz schaben; sie sluogen üf in mit
- ir stoben: Ulrich von Türheim Tristan 553, 30. Vgl. Sieben
- ^) Nach dem Renner 238» konnte einer aussätzig werden durch
- Furcht vor dem Aussatz: Nv schreibt vns meister auicenne Daz einer
- die vzsatz vorhte so hart, Daz einer vor vorhten vzsetzik wart»
- — 174 —
- w. Meister 8565 flf. Kistener 790. ^) Zu Augsburg war im
- Stadtrecht (1276) S. 47 unter den Obliegenheiten des Hen-
- kers, er solle alle ftssetzet üe der stat triben, dag si ander
- den bürgern iht gangen. Zu Calais gieng die bürgerliche
- Ausschliessung so weit, dass wo einer aussätzig war, fortan
- die ganze Familie das Bürgerrecht einbüsste (die Krankheit
- war ansteckend, erblich): Mem. de la Soc. d'hist. de Geneve
- 1, 102. Sie waren ausgeschlossen vom Gottesdienst der Ge-
- meinde, und durften nicht mit dieser zusammen das Abend-
- mal nehmen. Pabst Gregorius IL antwortete auf eine An-
- frage des heiligen Bonifacius (epist. 24): Leprosis autem, si
- fideles Ghristiani fuerint^ dominici corporis et sanguinis par-
- tidpatio tribuatur^ cum sanis autem convivia celebrare prohi-
- beantur; genauere Bestimmung gab Pabst Zacharias (epist.
- 76): De his^ qui regio morbo vexantur^ inquisisti, sive homines
- sive equi sint, quid fadendum sit de iUis — in milder Un-
- terscheidung zwischen angeborenem und erst spaeter ausgebro-
- chenem üebel : Si homines ex nativitate auf genere istitis morbi
- sunt, hi extra civitatem conversari debebunt, eleemosinam vero
- acdpiendam a populo non vetari. Si autem contigerü mag-
- num vel parvum non nativitate^ sed superveniente cegritudine
- vexari, non est projiciendus, sed si possibile est^ curandm,
- attamen in ecclesia, dum ad communionem venerü, post om-
- nium suppletionem erit ingressurus ad partidpandum munus,
- Pferde seien zu verschütten (vgl. die aussätzigen Kleider
- und Häuser des levitischen Gesetzes). Die Aussätzigen hatten
- auch einen besonderen Begrsebnissort : Ottocar Cp. 26. Die
- Vorbilder der letzt angeführten Züge gab das alte Testament.
- König üsia „ward Verstössen vom Hause des Herrn;* „und
- sie begruben ihn bei seine Vseter im Acker bei dem
- Begrsebniss der Koenige: denn sie sprachen: „Er ist aussätzig*."
- 2 Chr. 26, 21. 23. Ausserdem wird noch berichtet, dass statt
- ^) Austreibung aus der Stadt s. Ochs 2, 253. Aerztliohe Unter-
- suchung der als veitsiech verzeichneten: ebd. 453 fg.
- — 175 —
- seiner selbst sein Sohn Jotham regiert habe, Usia also auch
- das Kcenigthum verloren habe: 2 Koen. 15, 5. 2 Chr. 26, 21.
- Dem sehnlich verfuhr das Mittelalter. Sachsenspiegel LB. 3, 54
- „Lamen man noch meselseJcen man noch den, die in des paves
- ban mit rehte komen is, den ne mut man nicht to honinge
- kiesen. = Schwaben-Spiegel LR. 102. Geschichtliche Belege
- vom Verlust einer schon innegehabten Herrschaft sind mir
- nicht bekannt; vielmehr Beispiele von aussätzigen Fürsten, die
- nun um so milder gegen andere Aussätzige waren; M6moires
- et documents publiös par la Society d'histoire et d'archöologie
- de Geneve 1, 105. Grimm A. H. 165. Chron. Novalic. II, 5.
- Einem aussätzigen Bischof wird ein Nachfolger bestellt : Adam
- von Bremen II, 62. üeber Kcenig Balduin von Jerusalem
- werden wir spseter sprechen. Auch die Sage berichtet solche
- Fälle. Amicus 160, 8 da ging sin huisfrauwe mit alle iren
- frunden und dreibe in uß alle sim gude; Dieterich von Bra-
- bant in Konrads Engelhard 5216 im wart enmlchet mi ge-
- waU an litUen unde an lande. Beidemal aber ist das nur die be-
- gleitende Folge einer anderen Härte, die den Aussätzigen zu
- treffen pflegte, und die noch empfindlicher war als alle die
- bisher besprochenen Zurückweisungen und Ausschliessungen:
- die abscheu volle Entfremdung, in die selbst die nsechsten
- Freunde, selbst die naechsten Verwandten, selbst Weib und
- Kind sich zurückzuziehen pflegten. (A. Heinr., Engelhard.)
- Selbst die Familie mochte ihn nicht mehr als ihr angehcerig
- betrachten und erkennen, und es blieb da nicht bei solch
- einem bloss gemüthlichen Missverhalten, sondern das hatte
- auch rechtliche Gestalt und Geltung. Bei den Longobarden
- verlor, wer aussätzig ward, sofort das Recht der eigenen freien
- Verfügung über seine Habe: Ed. Roth. 176 Si quis leprosus
- fiierit effectus^ et cognitum fueritjudidvelpopulo, quia certa
- sit rei veritas, et expuhm sit a civitoite vel a casa sua, ita
- ut Salus inhabitety nati sit Uli licentia res suas alienare aut
- thingare (letztwillig vermachen) cuilibet personce. Bei ihm
- galt auch kein Erbrecht noch Recht ein Lehen anzutreten:
- — 176 —
- SSp. LR. 1, 4 D« meselseke man ne iintveit weder Un noch
- erve. Hevet Jiet aver tmtvangen er der suke, he behalt it unde
- erft it als ein ander man; der Schwabenspiegel kennt das
- nicht, im Süden galt ein menschlicheres Verfehren. Auch in
- Zürich wollte man den Aussätzigen das Erbrecht entziehen:
- aber nach Befragung von Geistlichen und Laien wurde festge-
- setzt, die Aussätzigen sollten nicht das ihnen von Gott aufer-
- legte üebel in anderer Beziehung entgelten, sondern erbfsehig
- sein: Urkunde von 1251 für das Siechenhaus von S. Jakob
- an der Sihl nach Eaumers Geschichte der Hohenstaufen 6,
- 534. Noch mehr, selbst das Band der Ehe, das sonst mit
- seltenen und natürlich wohl begründeten Ausnahmen für un-
- auflceslich galt, wurde durch den Aussatz des einen Gatten
- geloest: Pippins Capit. V, 157, cp. 16 Si vir leprosm mulierem
- habeat sanam, si vult ei donare commeatum, ut accipiat virum^
- ipsa femina, si vult, accipiat. Similiter et vir. Nach einer
- Verordnung des Pabstes Alexander III. von 1180 war die Ehe
- nicht aufzuloesen, wohl aber das Eheverloebniss, worüber eine
- Verordnung Pabst ürban III. von 1186 (s. C. J. Can, de Con-
- jugio leprosorum). 1548 erfolgte eine Erkenntniss des Käthes
- zu Basel, dass von wegen der malet^ey Ehegatten allein zu
- Bett und Tisch dürfen gescheiden werden: Rechtsquellen von
- Basel 1, 391.
- Also der Aussätzige erbt nicht, kann kein Erbe verma-
- chen und sein Weib darf schon bei seinen Lebzeiten einen
- andern ehlichen. Dem war allerdings nicht überall so: der
- A. Heinrich z. B. verfügt unbeschränkt über Hab und Gut.
- Wo es aber so ist, erscheint somit der Aussätzige als bürger-
- lich todt (4 Mose 12, 12). In der That heisst es im Edict.
- Rotharis a. a. 0. (176) quia in eodem die, qua/ndo a domo
- expulsus est, tamquam mortutts habetur. lamen dum vixerit,
- de rebus, quas dereliquerit (sein Eigenthum als Verlassenschaft),
- pro mercedis intuitu nutriatur. ^) Dem wurde von der Kirche
- ^) Erbe des aussätzig Gewordenen ist sofort und für spseter Er-
- worbenes nach seinem Tode die Herrschaft. Weisth. 2, 41.
- — 177 —
- die entsprechende Form gegeben: sie führte den vom Aussatz
- befallenen in die Kirche, las über ihn eine Todtenmesse, be-
- sprengte ihn mit Weihwasser, kurz verrichtete alle Gebräuche,
- die bei einem Leichenbegängniss üblich waren: Sprengel 2,
- 492. Grimm A. H. 162 fg. Dieser Tod bei lebendigem
- Leibe erinnert an ein Wort des älteren Plinius, H. N. 26, 1
- sine dolore quidem iUos (morbos) et sine pemide vitce, sed
- tanta foeditate, ut qucecunque mors prceferenda esset: die Aus-
- sätzigen des Mittelalters waren todt, noch ehe sie gestorben
- waren, und wurden um so weniger durch den Tod erloest.
- Die bisher geschilderten Lebensverhältnisse sind kurz
- zusammengefasst in einigen Wendungen, die hie und da in
- Urkunden sich finden, welche die Aussätzigen betreffen:
- Leprosorum eoctra communionem äliorum hominum degeneium
- (Mones Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 2, 263) ;
- leprosi a deo percmsi, qui extra communionem a fade po-
- puli sunt projeeti (Moehsens Geschichte der Wissenschaften
- in der Mark Brandenburg 282). Wir lassen zunsechst wei-
- tere Benennungen zu den früher schon angeführten und er-
- klserten folgen. An die Spitze können wir hier denjenigen
- stellen, auf welchen der jetzt bei uns allein gangbare Aus-
- druck beruht. In dem Briefe des Pabstes Zacharias kommt
- prcjiciendus vor: so viel wie prqjectus ist: ü^ssetze^ der hinaus-
- gesetzte, ausgestossene, und zuweilen begegnet das schon im
- Ahd. (Graffs Sprachsatz 6, 305 [Voc. S. Galli, bei Henning
- 276 lebrosus uzseajsieoj): üzsazeo^ häufiger und geläufiger im
- Mhd.: msetze Ulrich von Lichtenstein. Schm. 3, 297 üb-
- setzet Elisabeth 8052 Büheler 7 w. Meister 8511 fgg. Augs-
- burger St. ß. 47. Weitere Ableitungen dann: üzsetzic S.
- Silv. 149, 8 (Engelh. 5149), Kellers Altd. Ged. 224 fg.
- üzsetziheit. Aussatz als Name der Krankheit scheint im
- Mittelalter noch nicht vorzukommen {üzsatz fem. Renner
- 204a Renner 238» ? Aussetzei Schm. 3, 297) ; sonst heisst es
- alterthümlich und mundartlich s. v. a. Tadel. Vielleicht dass
- das naheliegende Wort Ausschlag mit bei der neuen Wort-
- 12
- - 178 —
- umschoepfung gewirkt hat. Gleichartig gebildet, aber seltener
- im Gebrauch ist ausmerTdg z. B. in Ulm ( JsBger 483). ^) Häu-
- figer sind Verbindungen und Zusammensetzungen mit siech:
- Die Aussiechen Regensburg (Schm. 3, 190 [^11, 214]; Acker-
- siechen (Grimm A. H. 162); Landsiechen (Schm. 3, 190);
- besonders die siechen an dem velde: (Lachmann Walther
- 149, 48) Schreiber ürkundeobuch 1, 69. 87; leprosi in campo:
- ßottweiler ürk. von 1285, Mones Zschr. 2, 263; wssetzigheit
- uff dem velde Weisthümer 2, 41 ; vdtsieche : noch jetzt ein
- verwünschendes Schimpfwort; und sundersiech: Keller Er-
- zsehlungen 154, 27; sundersieche (Jaeger 483; Messmer das
- Siechenhaus von Bern 4 fg.). Oder bedeutet das Wort sun-
- dersiech nicht Absonderung, sondern Auszeichnung, Steigerung
- (besonders)? wie sunder zitter grosses Zittern, sunderfriunt
- vorzüglicher Freund. Ein anderes mit siech gebildetes Wort
- scheint in anderer Weise den Begriff zu steigern: Wigalois
- 59, 8 der was ungenrnne, den Muten widerzosme als der
- tötsieche man, der von der werlt vnrt getan: einer der un-
- heilbar ist, der nur den Tod erwarten darf; oder es ist eine
- Beziehung auf jenen bürgerlichen Tod. Noch aber wird auch,
- damit wir gleich alle Benennungen nun in Einem Zuge ab-
- thun, das einfache Wort siech in dem prsegnanten Sinne von
- sundersiech^ von aussätzig gebraucht, gerade wie das Lateini-
- sche infvrmus (Beitra3ge der historischen Gesellschaft zu
- Basel 4, 385. 387) und das Franzoesische malaz eigentlich
- auch nur s. v. a. krank heisst. Li dieser Bedeutung ge-
- braucht siech z. B. Ulrich von Türheim Trist. 553, 18 und
- das Siechenhaus war von Alters her Leprosenhaus und be-
- stimmt von einem Spital oder Krankenhaus verschieden
- (Schm. 3, 190); Siechthum wurde ebenso verstanden: Abra-
- ham a S. Clara, Judas 7, 234 Pfui pfui was für ein tvilder
- und grauslicher Zustand ist der Aussatz, welchen wir in
- nnserm Teutschland das Siechthum nennen! Es ist das eine
- ^) Vgl. eusser ntter, ausser purger: Kellers Erzsehl. 157, 13.
- — 179 —
- prsQgnante Bedeutung, denn es ist die Ejankheit aller Krank-
- heiten: Z. f. d. A. 4, 498 (LB. 1, 1109, 38) wceri ein
- mensche vns als Sdlomon und stark als Sampson^ schom als
- Äbsalon, und der mensche aüe die sterki^ alle die unsheit und
- alle die sehceni verzarti, als ee muglich wcer, in aller der
- siecheit, die elliu menschen hänt siechen und malMzen:
- dennoch warn dem himelschen vatter löblicher . das der mensche
- belibi an sünde, denne das er das alles lüti für sm sünd.
- Vielleicht ist aber auch diese Benennung eine theils aus Er-
- barmen, theils aus Scheu entsprungene Milderung, wie viele
- andere deutsche und volksmaessige Krankheitsnamen nur Eu-
- phemismen sind, mit denen man der eigentlichen Benennung
- in eine Allgemeinheit hinein ausweicht. Und so haben wir
- noch ein paar Namen, die letzten anzuführen, und die sind
- entschieden von solcher erbarmungsvoller und wohlredender
- Art. Wir kennen deren schon einen, miseüus, mesel, misel-
- suht: sehnlich die armen siechen (Jsegers Ulm 483); die ar-
- men veitsiechen (Zeuss Speier 18); noch öfter die guten
- Leute, gu^te Hute Nibelungen 1001, 2; Mone 264; die arm>en
- guoten Hute: Zeuss Speier 17 fg.; die armen Zw^ Weisthümer
- 4, 288; guotliuthfis Mone 264; Gutleutman Philander von
- Sittewald 1, 415 (6. Gesicht). — Wie gesagt, sind diese
- Namen nicht bloss aus Erbarmen, -^sondern eben so wohl aus
- Scheu in Anwendung gekommen. Auch die Kobolde udgl.
- Wesen pflegt das Volk aus Furcht und zur Beschwichtigung
- gute Leute, gute Gesellen, gute Nachbarn zu nennen: J.
- Grimms Mythologie 425. 468. 492 fg. — Ich wiederhole
- am Schluss dieser neuen Namenreihe die schon früher ge-
- machte Bemerkung, dass nur deshalb deren so viele sind,
- weil die Krankheit keine im deutschen Volk alteinheimische
- ist, weil sie eingeschleppt und immer von frischem einge-
- schleppt und erst nach und nach von Ort zu Ort des weiteren
- ausgebreitet wurde.
- Die Aussätzigen sind also projecti, mit Scheu und Ab-
- scheu ausgesetzte, zu einem Leben ausserhalb des Lebens der
- — 180 —
- übrigen Welt verurtheilt. Die Art haben wir noch mit
- einigen Zögen naeher zu schildern.
- Das Einfachste war, dass der Einzelne eine einzelne
- Wohnung fernab von den Menschen bezog. 3. M. 13, 46:
- „Und so lange das Mal an ihm ist, soll er unrein sein, allein
- wohnen und seine Wohnung soll ausser dem Lager sein*;
- vgl. 4, 12, 14 fg. Usia wohnte in einem besonderem Hause:
- 2. Kcen. 15, 5. 2. Chron. 26, 21. Das Edictum Rotharis^
- 176: expulsas sit a civitate vel a casa sua, ita ut sohis in-
- habitet, Dietrich bewohnt ein Haus auf einer Insel in dem
- Wasser, das unter seiner Burg vorüberfloss: Engelh. 5220 fg»
- Ein Altndl. Volkslied in Hoffmanns Hör. Belg. 2, 96: Mm
- ghinc haer daer een huisken maJcen besiden des weechs dl van
- der Straten. — Da^r in so lach si seven jaer, dat si noch
- sornie noch mane en sach. Limb. Ch. 1374 (S. 83 fg.):
- „Zu dieser Zeit, 5 oder 6 Jahre davor, war auf dem Main
- (Insel?) ein Münch Barfusserordens ; der ward von den
- Leuten aussätzig und war nicht rein. Der machte die besten
- Lieder und Reihen in der Welt von Gedicht und Melodeien,
- dass ihm niemand auf dem Rheinstrom oder in diesen Landen
- wohl gleichen mochte. Und was er sung, das sungen die
- Leute alle gern und alle Meister pfiffen und andere Spiel-
- leute führten den Gesang ^und das Gedicht. Er sung diss
- Lied: „Ich bin ausgesetzet; Man weiset mich armen vor die
- Thür. Untreu ich spür Nun zu allen Zeiten.* Item sung
- er »Mai, Mai, Mai, die wunnigliche Zeit Männiglichen Freude
- geit Ohn mir. Wer meinte das?* Item sung er „Der Un-
- treu ist mit mir gespielt.** Deren Lieder und Widergesang
- machte er gar viel, und war das alles lustiglich zu beeren.*'
- So war auch das Häuslein des kranken Tristan am See-
- gestade: Grimm A. H. 166. Wo aber in einem Lande, an
- einem Orte eine grcessere Anzahl von Aussätzigen war, wohn-
- ten sie nach dem Triebe der Geselligkeit und bürgerlichen
- Anordnung beisammen: viere vor dem Thore Jerusalems
- 2. Koen. 7, 3. Vor dem Zionsthore von Jerusalem ist noch
- — 181 —
- jetzt eine ganze Pflanzstätte, ein Dorf von etwa 100 Hütten;
- sie verheirathen und vermehren sich: Strauss, Sinai und Gol-
- gatha, Berlin 1848, 234. Ebenso war es im europäischen
- Mittelalter, dass die Aussätzigen öfters dorfweise zusammen
- wohnten: Sprengel 491.
- So abgesondert, rechtlos, besitzlos, hätten sie in ihrem
- Elend zu Grunde gehen müssen, wenn nicht dem Abscheu
- der Andern doch wieder das christliche Erbarmen sich beige-
- sellt hätte. Sie bekamen Almosen. Pabst Zacharias schrieb
- an Bonifacius ep. 76: extra civitatem conversari debebunt,
- eleemosinam vero accipiendam a populo non vetan. Sie durften
- auch auf Almosen gehn. (Amicus 160, 11.) Sie hatten jedoch
- eine eigenthümliche Art der Kleidung oder Ausrüstung, wo-
- ran sie zu erkennen waren, womit sie sich meldeten und
- warnten, dass niemand unvorsichtiger ihnen zu nahe komme
- und sie berühre. (Schlechte Kleidung: ülr. Tristan 553, 11
- er slouf in bcese huderwät ; Kistener 735 dö shuf er in ein
- gröwes Jcleit.) Sie hatten einen eigenthümlichen Hut und
- eine Klapper : Kistener 729 eine Meffelöte und ein htiot,
- die zwei hoßrent mich an; ülr. Tristan 553, 18 er nam eins
- siechen Maffen (Tristan 3, 80); Mepfer Bühelers 7 w. Mei-
- ster S. 191; chopffeUn Kellers Altd. Ged. 224, 25; hlepper-
- Im Gengenbach 364. 634; oder eine Schelle: Horse Belg. 2,
- Nr. 31, 10 men htterde haer enen gheselle, die haer al door
- die minne van god soude clinken die lazarische belle^); einen
- hölzernen Napf zum Essen und Trinken und um das Almosen
- an Speise darin zu empfangen: Amicus 160, 23fgg. ülr. v.
- *) Schelle eines durch die Fürbitte des hl. Petrus geheilten Aus-
- sätzigen auf dem Altar des Petersberges geopfert : Chron. Mont. Ser.
- 17, 10. [Hoffmann, Hör» Belg. 11, S. 97 fg.: „Die lazerische Belle
- war ein gewoehnliches ehernes Glöcklein. Wie die Klapper
- beschaffen war, erfahren wir aus einem alten Vocabularius (Hör. belg.
- 7, 18) Interfusum, cUpspandere, äidtur instrumentum leprosorum cum
- duabus vel tribus tabulis, cuitis sonitu excitantur homines ad benefi-
- m.**]
- — 182 —
- Liecht. Frauendienst 329, 19 Die naht was ich in einer staty
- dar inne ich mir bereiten bat umsetzen nepfe und swachiu
- kleit ; 334, 18 den napf mm satzt ich verr hin dan und
- sprach^ vrotae, da legt ez in (Speise), warn, ich leider vil siech
- bin. Zu dem gleichen Zwecke hatten sie künstliche Hände
- aus weisser Wolle: Sprengel 491: Abbildung ans den 7
- weisen Meistern in Buschings Wöchentlichen Nachrichten
- 1, 177.
- Vor Häusern, wo sie besonderer Milde gewärtig waren,
- fanden sie sich ein schaarenweis sich sammelnd und wohl zu
- längerem Aufenthalte sich lagernd. Ulr. v. Licht. Frauen-
- dienst 330, 9 berichtet von einemi fürstlichen Schlosse in
- Oesterreich: wol drtzic üzsetzn oder me da säzen; 32 diu
- hüsfrotve iezuo siech hie Ut, da von man uns vil oft hie git
- Pfenninge unde spise genuoc. Daneben noch Umschweif auf
- weiteren Bettel: 337, 26 da wir siechen gäzen hie, vü palde
- ich ah dem berge gie in daz geu an siechen stat, da ich des
- dimuosens pat. Bühelers 7 weise Meister 8549 Und do er
- kam für das burgtor, do saszen ouch ander uzsetzd vor^ die
- des almuosen nam^ent war; er satzt sich zuo der selben schar.
- Speisung der Sundersiechen bei dem Seelgeraßth auf der
- Wurmlinger Capelle: Zeitschrift für Culturgeschichte 1856,
- 479.
- Die Milde, die oft zugleich ein Abkaufen der Annaehe-
- rung und des scheusslichen Anblickes war, gab reichliche
- Spenden. Es geschah, dass sie sich durch den blossen Bettel
- Reichthümer erwarben, die ihnen doch unnütz waren. So er-
- klaert es sich, dass Philipp V. von Frankreich 1321 die Aus-
- sätzigen seines Reiches beschuldigte, eine Verschwoerung mit
- den Juden, ja mit den Türken eingegangen zu sein und die
- Brunnen vergiftet zu haben und alle wollte verbrennen lassen,
- eine Anzahl auch wirklich verbrennen Hess und ihr Vermögen
- einzog (Sprengel 491. Möm. de la Soc. de Genöve 1, 106.
- Muratori Antiq. Ital. 3, 2, 486. 500). Es war dem Koenige
- schwerlich Ernst mit der aberwitzigen Anklage, er wollte nur
- — 183 —
- ihr vieles Qeld^). Noch ein anderer Zug lässt auf die Fülle
- der Almosen schliessen. Der Aussatz wurde erlogen, es wurde
- der Anschein durch Kunst hervorgebracht, das nun unver-
- meidliche Zusammentreffen und Zusammenleben mit wirklich
- Aussätzigen nicht gescheut, nur um des Gewinnes willen.
- So wird aus Nürnberg berichtet, dass durch gewisse Kräuter
- ein Ausschlag dem Aussatze aehnlich hervorgebracht werde:
- Siebenkees Materialien zur Nürnberger Geschichte 2, 66?
- (Hüllmanns Städte wesen des Mittelalters 4, 54) ; Abraham a.
- S. Clara Judas 5, 106 Da ich nun in Mitte dieser Oedmiken
- gestanden, redet mich ein bekannter Barbierer an, ich soll
- mich doch von diesem gemssenlosen Lumpengesind nit be-
- thceren lassen, als welches durch lauter Betrug und Falsch-
- heit das Almosen von den Leuten erpresse ; er unsse nur gar
- zu wohl, dass dieser lose Gesell der gesundeste Mensch, seine
- Gestalt zwar dem Aussatz gleich sehe, aber in der Wahr^
- heit seie nichts als die Falschheit: er nehme, wie ihm gar
- zu wohl bekannt, Bohnenmehl, gedörrte Wurzel von Sauer-
- ampf, die Suppen von gesottenen Ochsenfüssen, mach hieraus
- eine Masse oder Teig, streich damit die Haut an, welches
- nachmals der Tausende vor einen natürlichen Aussatz thue
- halten,^) Anderswo kam dieser angestrichene oder sonst er-
- trogene Aussatz nicht aus Geldgier, sondern um eines min-
- niglichen Abenteuers willen in Anwendung. So Tristan um
- seine Isot zu sehen und zu sprechen: ülr. v. Türheim 553,
- 15 einen list den kunder: ein salbe er under ougen streich,
- daz im sin liehtiu varwe entweich: er wart vil ungeschaffen,
- er nam eins siechen klaffen u. s. w. Ulrich von Liechten-
- stein, der es liebte, die Ritterromane in seinem Leben nach-
- zuspielen und wirklich zu machen, erzaehlt in seinem Frauen-
- dienste 336, 29 (LB. 1, 847, 30 ff.): Mir ist noch Mut diu
- ^) Vgl. wie Ezzelin den Reichthum anderer Bettler erlistet : Cento
- Nov. ant. 84.
- 2) Auch solcher Betrüger wegen die wiederkehrenden serztlichen
- Untersuchungen, Hüllm. 4, 55 fg.?
- — 184 —
- würze kunt, swelch man gencems reht in den munt, das er
- da von geswülle gar, und das er wurde als misseva/r, daz er
- wasr immer unbekant — Die selben würze het ich da. ich
- het min har gevärbet grä u. s. w. Und so verkehrte er da
- einige Tage lang mitten unter jenen mehr als 30 Aussätzigen
- und ass z. B. mit von der in den Kreis gesetzten Speise;
- 336, 5 (LB. 847, 6 ff.). Mir wart da gröz unvlät bekant.
- die vinger manegem üz der hant warn also gefület abe, als
- einem der tot in dem grabe gelegen ist wol hundert tage.
- b% mtner wärheit ichz iu sage: ir ätem als ein hunt da
- stanc, als si ir miselsuht betwanc. Ein Niederländisches Lied
- berichtet von einem Maedchen, das sich 7 Jahre lang aus-
- sätzig stellt, um so endlich in den Besitz ihres geliebten
- Ritters zu gelangen: Hör. Belg. 2, 95 fgg. Eine Erzsehlung
- von einer Jungfrau, die sich um ihre drei Liebhaber zu
- prüfen, aussätzig stellt: Kellers Erzaehlungen 154 fgg.
- Die Mildthsetigkeit begnügte sich aber nicht mit dem
- blossen Almosengeben, womit wirklich auch solchen Armen
- nur zum kleinsten Theile geholfen war. Der Drang nach
- den selig machenden guten Werken der Barmherzigkeit und
- zumal nach solchen, wo das eigene Wohlbefinden und Wohl-
- behagen zum Opfer zu bringen war, übte oft auch an den
- Aussätzigen eine Mildthsetigkeit im engeren und zugleich
- volleren Sinne des Wortes, milde Thsetigkeit, unmittelbare
- Handreichung, erleichternde und so viel moeglich heilende
- Leibespflege. Dabei wurde freilich auch ein Verdienst ge-
- sucht und Wollust empfunden in einer ekelhaften Naehe der
- Berührung, die ebenso wohl ein Frevel genannt werden kann.
- Viele Züge der Art werden von Personen hohen Standes be-
- richtet, die sich auch hiedurch den Ruf und den Namen der
- Heiligkeit erworben haben. Z. B. Richild, Graefin von Henne-
- gau, Witwe Graf Balduins VI. von Flandern (f 1070) —
- ende diendc daghelike den aermen ende namelike den laser*
- schefi lieden, dien soe selue plach te dienne spade ende vroe,
- soe dat soe van haerre armoede, van hären rappen (Räude,
- — 185 —
- Biefen), van hären bloede bedroopt was mmich waerf ghenotich,
- met dat soese baedde ende dwouch, ende soe menich waerf na
- dat selue ghinc baden in haer bat: ßeimchronik von Flandern
- 1755 fgg. in Kauslers Denkmaelern 1, 59 fg. „Sibylle, die
- Tochter Koenig Fulcos von Jerusalem (1131 — 42), reinigte
- nicht bloss Aussätzige und mit Geschwüren Behaftete, son-
- dern nahm auch (wenn es ihr zuwider ward), um sich an-
- zufeuern, Wasser aus deren Badewannen in den Mund.*'
- Raumer, Hohenstaufen 6, 535. Ohne Beleg Kausler 484:
- „Ganz dasselbe (als von ßichild von Hennegau) wird von der
- spseter erwsehnten Graefin Sibylla, der Gemahlin des Grafen
- Dieterich (bei Iperius 643) erzsehlt*'. Die hl. Elisabeth,
- Koenigstochter von Ungarn, Landgrsefin von Thüringen, geb.
- 1207, gest. 1231, wusch am hohen Donnerstag den zu ihr
- geladenen maladen Hände und Füsse, küsste sie an eissamer
- stede, kniete vor ihnen nieder, setzte sich zu ihnen, troestete
- und beschenkte sie: Graffs Diutiska 1,383; einmal nahm sie
- auch eine Jungfrau zu sich, die miselsuchtic war, pflegte und
- trug und wusch sie: ebd. 453. Eben dergleichen Dienst-
- leistungen voll krankhafter Aufopferung that Ludwig IX.,
- der Heilige, von Frankreich (1226—70); küsste ihnen die
- geschwürbedeckten Hände und Füsse u. s. f. Sein Günstling,
- Jean de Joinville, der Geschichtsschreiber, erzajhlt, wie er
- das nicht habe nachthun können, habe der Eoenig gescholten
- und al» er erwiederte, er wolle lieber 30 Todsünden be-
- gangen haben als aussätzig sein, habe Ludwig gesagt, kein
- Aussatz sei so schlimm als gesündigt zu haben: Sprengel 489,
- wo auch Robert I. von Frankreich, Pabst Leo IX, Heinrich
- IIL von England angeführt sind ; über den Bischof Arnulf von
- Metz s. Paul. Diac. VI, 16; S. Otmar, MG. II, 42; über
- S. Odilia, Grimm A. H. 177; vgl. Mömoires de Gene ve 105.
- Diese geschichtlich belegte Handlungsweise wurde von
- der Legende mannigfach in das Gebiet des Wunderbaren
- hinübergeleitet. Der heil. Julianus legt einen erfrorenen
- Aussätzigen, da er ihn am Feuer nicht erwärmen kann, in
- — 186 —
- sein eigenes Bett : dieser aber offenbart sich als ein von Gott
- gesandter Engel, erhebt sich gen Himmel und verkündigt
- dem Julianus Vergebung seiner Sünden: Leg. aurea 30, Pas-
- sional S. 155. G. Rom. 18. Anderswo ist der Aussätzige
- deutlich als Christus selbst bezeichnet. Caes. Heisterb., Dia-
- logus miraculorum: 8, 31 de Theobaldo Comite (Campanice)
- qtii in figura leprosi^ Christi pedes lavit; cap. 32 De epis-
- copo, qui leprosi nares lingens, gemmam deddenteni suscepit;
- cap. 33 Item de Episcopo Sahehurgensi qui leprosum com-
- municans, vomitum eius sumpsit, cum sacramentum eiecisset
- (Christus war in dieser Gestalt gekommen, um seinen Glauben
- zu prüfen; ebenso in dem cap. 32 erzsehlten Falle ^). Abra-
- ham a S. Clara 5, 105 fg. 19, 307 fg. Solche Erzsehlungen
- kamen auf, weil Christus als sich selbst geschehen betrachtet,
- was seinen Armen geschieht. Die Legende versinnlicht und
- vergrcebert das.
- Das wichtigste aber und das hauptsächlichste Werk, das
- die Milde der Andern an den Aussätzigen that, war die
- Stiftung eigener Anstalten ^), in denen sie unter einer bestimm-
- ten Ordnung mit einander lebten und ihren Unterhalt fanden.
- Solche Anstalten wurden gegründet von Einzelnen, von Kloe-
- stern, Stadtgemeinden oder auch durch fortgesetzte Vergabungen.
- Man findet dafür den Namen Si^cMits (Walth.6, 31 [= L.6,6]),
- Siechenhaus (Schmeller 3, 190); miselhüs (Mono a. a. 0. 264);
- *) Der Teufel in eines Aussätzigen Gestalt von einem frommen
- Bischof gebadet und geschoren : Mon. S. Gall. 1, 22.
- ^) Krankenhaus des h. Basilins zu Csesarea 370. Greg. Tar. glor.
- confess. 86. S. Otmar MG. II, 42. Bnlle Pabst Urbans V. v. 1365:
- Archiv d. Histor. Vereins f. Unterfranken 12 (1852) 93 ff. Besprechung
- von Siechenhauspflegern zu Wtirzburg 1477: ebd. 98 ff. [Virchow, Die
- krankhaften Geschwülste (Berlin 1863) 2, 506 Anm.: „Nach meinen
- Nachforschungen über deutsche Aussatzhäuser finden sich solche schon
- 636 in Verdau, Metz und Maestricht" (Arch. XX, 169); das zu S. Gallen
- wurde vom heiligen Othmar (720—759) gegründet (ebenda XVIII, 142);
- das zu S. ßartholomae unter dem Johannisberg 1109 (eb. 148. 286).
- Auch in Bremen und Constanz gab es wahrscheinlich schon im 9. und
- 10. Jahrhundert Sondersiech enhäuser (eb. XVIII, 144. XX, 188).]
- — 187 —
- maläjshüs (ebd.); guotlüthüs (ebd.); lateinisch leprosaria und
- misellaria (du Gange) und infirmaria (Basler Beitrsege
- 4, 387); franzoBsisch lep^'oserie, maldderie, fnaladiere (Möm.
- de Geneve 106); provenzalisch mdlauteria (Sprengel 520
- mälanterie).
- Zunsechst gebeerte eine solche Anstalt natürlich für die
- Einheimischen des Ortes, zu dem das Siechenhaus gebeerte
- und von dessen Bürgerschaft oder Geistlichkeit die Stiftung
- ausgegangen war: aber auch Fremde wurden dann aufge-
- nommen, mussten sich jedoch eine Pfründe kaufen (Jsegers
- Ulm 483. 485) oder sie wurden doch, wenn sie zuwanderten
- z. B. als Pilger, für einige Tage aufgenommen und verpflegt
- (Z. f. d. A. 4, 256).
- Das Siechenhaus lag am Bande der Stadt oder gar noch
- weiter ihres Weichbilds. Indem nun alle Einheimischen und
- alle durchwandernden Fremden, die den Aussatz hatten, ge-
- halten waren dort zu wohnen, so war dadurch deren Abson-
- derung noch befestigt, und das Werk der Mildthsetigkeit in
- zweckmsessiger Verbindung zugleich eine wohlbedachte Po-
- lizeimassregel. Darum war es aber nicht minder für die
- Kranken selbst eine grosse Wohlthat. Denn sie hatten durch
- die zugewiesenen Einkünfte einen besser gesicherten Lebens-
- unterhalt, und wenn sie dennoch zuweilen auf den Bettel
- ausgiengen, so brachte das auch eine Abwechselung in ihr ein-
- foermiges Leben ^). Der Zug des Mittelalters nach corpora-
- tiver Gliederung und nach Autonomie war nun auch bei
- ihnen geltend gemacht. Es kam vor, dass die Bewohner der
- Siechenhäuser sich selbst ihre Meister waehlen durften (Möm.
- de Geneve 112 fg.) oder dass der Meister doch aus ihrer
- Mitte gewsehlt ward (Messmer 5) und namentlich eins ward
- ihnen zu Theil, was den vereinzelt wohnenden Aussätzigen
- abgieng: waehrend diese auch aus der kirchlichen Gemein-
- schaft, wenigstens von dem Besuch des Gottesdienstes ausge-
- ») Basel 14. Jh., S. 73 fg.
- — 188 —
- schlössen waren, waren bei den Siechenhäusern der Regel
- nach eigene Kirchen, die lediglich der Andacht ihrer Be-
- wohner gewidmet waren (M6m. de Geneve 103. Das Siechen-
- haus von Bern von Messmer 5. Mone 263. Jseger 483).
- Dergleichen Siechenhäuser waren überall, wo man nur
- hinblickt (Hüllmann 55), an manchen Orten auch mehr als
- eines, hie und dort in einem ganzen Land deren tausende.
- Zu Basel waren im 13. Jahrhundert zwei, eines das zum
- Kloster S. Alban gebeerte: Schoen Eck; die aus der Stadt
- in das Klostergebiet dahin führende Gasse hiess Maläzgasse,
- daraus Maletzgasse, Malzgasse (Beitrsege der Basler Hist. Ge-
- sellschaft 384 fg.; Basel, 14. Jh. S. 103. 72 fg.); das zweite
- noch unterhalb der Leonhardskirche. Genf hatte zwei oder
- drei: M6m. 107 fg. London sechs: ebd. 104. Als Ludwig
- VIII. von Frankreich starb (1226), verfügte er letzt willig:
- Item donamus et legamus dttobus milUbus domorum lepro-
- sorum decem millia librarum, videlicet cuilibet earum centum
- solidos: ebd.
- Die regelrechte Verbindung mit einer Kirche, die hin und
- wieder geltende Besorgung durch einen geistlichen Orden und
- der ganze Sinn, in welchem diese wie alle sehnliche Stiftun-
- gen für die Kranken und die Armen geschahen, gaben diesen
- Anstalten einen halb geistlichen, fast kloesterlichen Charakter.
- Es findet sich darum auch selbst der Name „Gotteshaus**:
- Basler Beitrsege 4, 387. Sie waren auch gewoehnlich ein-
- zelnen Heiligen gewidipet und nach ihnen benannt. In der
- Schweiz hatten öfter mit Rücksicht auf die Pilger, die nach
- Gompostella pilgerten (Kisteners Jakobsbrüder), die Siechen-
- häuser S. Jakob zum Schutzpatron, der selbst als Pilger dar-
- gestellt wurde: Basler Beitrsege 388; bei Zürich S. Jakob
- an der Sihl. In der Mark Brandenburg waren sie S. Georg
- geweiht: Moehsen 281 fg.; die Legende hat nichts dahin
- bezügliches. Zu W"ien war das Siechenhaus S. Hieb geweiht :
- Haupts Z. f. d. A. 4, 255. Und auch der andere berühmte
- Aussätzige der heiligen Schrift, der neutestamentliche Laza-
- — 189 —
- rus, war vielfach Schutzpatron, und dieser in noch viel
- weiter ausgedehntem Maasse, nicht bloss so örtlich beschränkt
- wie Hieb dort auf Wien. Koenig Balduin IV. von Jerusalem
- (1173 — 1183) von seiner ersten Jugend an aussätzig, gründete
- den Ritterorden des heiligen Lazarus, der die Pflege der
- Aussätzigen sich zur Aufgabe machte , dessen Ordens-
- meister immer ein Aussätziger war. Nach Frankreich wurde
- er verpflanzt durch Ludwig den Heiligen, der 12 Lazariten
- mit sich heimbrachte, damit sie hier ebenso wie im
- Morgenlande sich der Leproserien annehmen möchten. In
- der Schweiz sind schon seit Beginn des 13. Jahrhunderts an
- verschiedenen Orten Lazaritenhäuser, domus fratrum S. Lazari,
- domus S. Lazari gestiftet worden, zu Seedorf im Land Uri,
- zu Gfenn und Schlatt im Zürichbiet (Mittheilungen der An-
- tiquarischen Gesellschaft 1855): ein Anlass mehr, dass die
- Aussätzigen selbst sich Lazarus nannten, und Aussatz laserye.
- Der Orden besteht noch im Koenigreich Sardinien, ohne
- die ursprüngliche Verpflichtung. Wir haben noch den Namen
- Lazareth. Die Siechenhäuser selbst wurden, als der Aussatz
- zu erlöschen begann, zu Aufenthaltsörtern anderer mit ekel-
- haften, unheilbaren ansteckenden Krankheiten behafteten.
- (Moehsen 283).
- Die Aussätzigen waren aber nicht darum in diese von
- den Spitselern verschiedenen und gesonderten Siechenhäuser
- eingeschlossen worden, weil man sie wie die Kranken in den
- Spitselem heilen wollte, sondern weil man sie als unheilbar
- betrachtete. An dieser Krankheit war von jeher und im Al-
- terthum schon die Kunst der Aerzte zu Schanden geworden.
- Bei den griechischen wie bei den roemischen Aerzten findet
- man eine Reihe sich gegenseitig aufhebender Widersprüche
- über die physiologischen und pathologischen Gründe, in der
- Diagnose selbst und so auch in der Behandlung. Manche
- haben sich durch glückliche Kuren einen Namen gemacht,
- wie z.B. Aretaeus (Trusen 175); Asclepiades s. o. S. 168. Aber
- sei es, dass dennoch auch sie das Rechte nicht getroffen hatten,
- — 190 —
- sei es, dass ihre Nachfolger es doch noch besser zu trefifen
- meinten, nach ihnen wurden wieder andere Versuche gemacht
- das Uebel zu fassen. Nicht besser war es im Mittelalter, bei
- den arabischen Aerzten wie bei denen des Abendlandes. Hier
- werden als die ersten, welche den Aussatz nur richtig be-
- schrieben haben, Gilbert von England und Theodorich von
- Cervia (in Italien), beide erst im 13. Jahrhundert lebend, ge-
- rühmt: Sprengel 2, 527. 552; nach ihnen wieder im 14./15.
- Jh. Valescus von Taranta, ein Portugiese, zu Montpellier; er
- hat zuerst wahrgenommen, dass die Krankheit sich nur von
- der Mutter, nicht vom Vater auf die Kinder forterbe. ^)
- Kurz nie und nirgend war der Krankheit beizukommen.
- Wenn Pabst Zacharias an Bonifacius schreibt (ep. 76),
- *) Ein Heilmittel angegeben im Knnstbnch: Strassburger Hs. A.
- VI, 19 (15. Jh.) Bl. 167 Wiltu machen zwei wasser die luter sint ah
- ein brun und wenne man si vnder einander tut so werdent si als ge-
- lepti milch Die sint die tugende der wasser die erste für die vssezikeit
- ob mans dar an strichet, die andri für die rüden ob tnan si dar an
- strichet, die dritte für die masen. die merdi wen die sune hat ver-
- brant, die fünfte zu den wunden ob ma/ns dar in leit, Es timchet
- ouch die frouwen schSn die sich damit bestrichent vnder den äugen
- oder an den Hb es ist ouch zu aller vnrenikeit gut» Nim zu dem ersten
- Silber gletti und stos si in einem mürsel und nim ein schon plmnnen
- die nüt smaltzig si vnd tu starken gfden essich dar in vnd die süber
- gletti dar in vnd las es wol erwallen und feim es schSn vnd tu es in
- ein gleselin das vssant vnd innan glasurt si und tek si wol zu vnd las
- fii denne stan ij oder iij tag so es ie Unger stat so es ie besser ist vnd
- wirt vnd schon vnd sich es denne dur ein tuchlin in glas so wirt es
- gar schSn vnd wenne es dene gesitzet in dem glas iij tag oder iiij wiltu
- es den gar schon han ie diker du es ab gussest in ein ander glas ie
- schöner es wirt, Dis ist das ander wasser nim in ein schSn phannen
- die nüt sm^tzig sig luter brun wasser vnd tu ein hant vol saltz dar
- in vnd las es bas sieden den das erst das litigricum wasser vnd schum
- es lool vnd (b) tu es ovch in ein uberlazurt krusen vnd las es stcm vnd
- gesitzen als da^ vorder vnd sig es ovch durch ein tüch in ein glas vnd
- wenne du es vnder enander miscJiest so wirt es als milch vnd nim
- alweges des littigricum (i. e. lithargyricum) wassers zwurent als vil als
- des saltz wassers.
- — 191 —
- falls jemand vom Aussatz befallen werde, non est p-oji-
- , sed si possibile est, curandus, so ist damit eigent-
- lich schon die Unmoeglichkeit angedeutet die Krankheit zu
- heilen und ebenso werden diejenigen, die sie ererbt haben, als
- unheilbar angesehen, denn diese werden als von vornherein
- projidendi bezeichnet. Der A. Heinrich fand weder zu Mont-
- pellier noch zu Salemo ärztliche Hilfe, selbst an diesen zwei
- Hauptstatten der Arzneikunst nicht. Deshalb, wie die levi-
- tische Gesetzgebung 3 Mose 13. 14. den Kranken sich über-
- lässt, ob er von selbst gesund werde und so lange das nicht,
- ihn absondert; wandte ebenso das Mittelalter, was man einzig
- mit Gewissheit von der Zweckmässigkeit des Verfahrens that,
- die Absonderung an, damit wenigstens Andere nicht angesteckt
- werden.
- Doch galt der Aussatz nicht für gänzlich unheilbar, nur
- unheilbar durch Menschenkunst und Mittel der Art, wie sie
- sonst bei Krankheiten angewendet wurden. Er galt für heil-
- bar durch ein unmittelbares Eingreifen des Hoechsten. Er war
- unmittelbar von Gott verhängt als Strafe für schwere Sünde:
- «r denn kann auch die Strafe wieder von den Menschen neh-
- men als Richter, als hcechster Arzt (2. M. 15, 26). So
- wurde Mirjam geheilt, da Mose für sie betete: 4. M. 12, 13.
- „Mose aber schrie zu dem Herrn und sprach: Ach Gott, heile
- sie!*' Ebenso wurde Naeman geheilt, da er vertrauend auf
- die von Elisa verheissene Hilfe Gottes, sich siebenmal in dem
- Wasser des heiligen Flusses, des Jordan, tauft: 2. Koen. 5, 14.
- Und so berichten noch zahlreiche Legenden des Mittelalters
- von Heilungen des Aussatzes als Wundern, die Gott durch
- seine Glaubenshelden thut: s. Selig Cassel 437 [Symb. 172 fg.]
- Godehard Bischof von Hildesheim 1022 — 1039. Werinus,
- Sohn einer armen Wittwe zu Meginbrun „partim paralisi,
- partim lepra vexabatur distortisque membrorum nervis a tota
- corporea formationis utilitate dissolvehatur : manus enim cum
- brachiis et genua cum pedihus et tibiis putrido tumore et pro-
- fltienti sanio manabant, adeo ut nee gresmim quoquo modo
- — 192 —
- movere vel saltim reptando passet tisquam prodire" Vom'
- Bischof mitgenommen genest er durch dessen Fürbitte nacb
- und nach und kann noch Jahrzehnde lang in capeüa episco-
- pali incolumis dienen, nisi qmd quasi in testimonium virttdis
- dei in semet ipso certe in cruribtts et in maniJms ipsas mem-
- brorum torturas et ut ita dicam gibbos qiiosdam cunctis se
- vidmtibus ostendit: Wolfherii vita G. episcopi: Pertz MG.
- 13, 209. 210. Oder wenn der Aussatz als Strafe einer Sünde
- verhängt war, so weicht er bei reumüthigem Bekenntniss:
- Crescencia: Kaiserchronik 11909. 12377. 12660. 12740. Man
- wendet sich zu Gott und hofft Hilfe zu erlangen durch Beten,.
- Fasten, Almosengeben: Büheler 7 w. Meister S. 196. Vgl.
- Kellers Aid. Ged. 227; Legende v. d. hl. Enimia, Bartsch
- Denkm. d. Prov. Litt. S. 215—270. Einzelnausgabe v. Sachs,
- Berlin 1857.
- Neben dem Glauben steht aber alle Zeit der Aberglaube
- und verkehrt das Gebet in eine Beschwoerung, die Gott Ge-
- walt antbun soll, und braucht Zaubermittel um durch sie eine
- ausserordentliche, aussernatürliche Wirkung, wie sie den Men-
- schen versagt und Gott vorbehalten ist, zu erzwingen. Auch
- Zaubermittel gegen den Aussatz wurden geglaubt und ver-
- sucht. Die Schlange, die überall im Zauber vorkommt, spielt
- auch hier die Hauptrolle. Eine Heilmittellehre des 14. Jahr-
- hunderts von Franz von Piemont, der vermuthlich Professor
- in Neapel war, empfiehlt gegen die lepra tyria^ den weissen
- Aussatz, den Genuss gewisser Schlangen wie in beschwerlichen
- Geburten Stellen aus Davids Psalmen: Sprengel 2, 382. Die
- Gesta ßomanorum (13. Jh.) 151 berichten von einem Kaiser-
- sohn, der aus Versehen Wein trinkt, in den eine Schlange ge-
- schlüpft war. Sie bleibt 3 Tage sein Inneres schmerzlich
- nagend in ihm : quarto die vomitum fecit et cum vomitu et
- veneno interiori serpentem projedt und dadurch wird er ge-
- heilt [Cassel, Symb. 177]. Ein anderes, ganz nach Art der
- immer noch im Schwange gehenden sympathischen Mittel
- theilt aus einer Heilmittellehre, ich weiss nicht welches Jahr-
- — 193 —
- hunderts, Mone mit im Anzeiger 7, 424 Nota^ si transit le-
- prosus aliquant viam vel in camera vel per aliquam partem,
- et sequitur eum nudipes homo et calcat super vestigia ipsius
- leprosi, qui ibi ivit nudis pedibu^, ipse sanus erit etiam le-
- prosus in suis pedihus. Ob bloss an den Füssen? Die Füsse
- sind der Hauptsitz der Krankheit, mit dessen Keinigung die
- ganze Krankheit beseitigt erscheint : sie heisst ja elephantiasis
- wegen der Verunstaltung des Fusses, s. o. S. 165 [die Stelle ist
- wohl aufzufassen: so wird auch der Gesunde aussätzig an den
- Füssen]. Auch die Zauberkraft des Blickes glaubte man hier
- wirksam: Renner 204 a ir (der Augen) vroelich scMn den
- slangen toetet, wolve schrecket, strümeier brüetety üjssaz erwecket
- (= Tod) und ander krefte hat gar vil, Volksmärchen der
- Serben (16) wissen, wie der Aussatz durch Baden im Wasser
- eines Zauberbrunnens geheilt wurde. ^)
- Alle diese Mittel kommen aber nur vereinzelt vor. Eine
- Art zauberhafter Heilung aber war gleichmsessig durch alle
- Zeitalter und alle Völker hin verbreitet, ein Mittel, das um
- so wirksamer scheinen musste, je grauenhafter und grausamer
- es war.
- Der Aussatz ist eine Krankheit, die dem Tode gleich
- ist: 4. Mose 12, 12 Aarou von Mirjam „dass diese nicht sei
- wie ein Todtes, das von seiner Mutter Leibe kommt; es hat
- schon die Hälfte ihres Fleisches gefressen*'; es ist der Aus-
- satz die hoechste Unreinheit des Leibes, verschuldet durch
- Seelenunreinheit. Als die hoechste Reinheit aber erscheint die
- Natur des in jeder Art noch unbefleckten Kindes: 2. Kcen.
- 5, 14 von Naeman: „und sein Fleisch ward wieder erstattet,
- wie ein Fleisch eines jungen Knaben und ward rein" (Kai-
- serchr. 7966. Gesta Rom. 151). Der Quell alles Lebens im
- Leibe ist das Blut und so ist dem Aberglauben das einzige
- Heilmittel des Aussatzes das Blut eines unschuldigen Kindes.
- (Vgl. Cassel a. a. 0., 408 ff.), [Symb. 158 ff.].
- *) Aussatz durch Beischlaf entäussert: Gesta Romanorum 151.
- 13
- — 194 —
- Blut und zwar Menschenblut (ohne Angabe, dass Kinder-
- blut) gegen den Aussatz ist ein Mittel so alt als die Krank-
- heit selbst und aus der gleichen Heimath. Plinius H. N. 26, 5
- sagt von der Elephantiasis: Äegypti pecuUare hoc malum et
- cum in reges *incidisset, populis fmiehre : quippe in balineis
- solia temperabantur humano sanguine ad medidnam eam.
- Vgl. Pentamerone 3, 9; Grimm A. Heinr. 173. Auch für
- andere hartnäckige oder sonst unheilbare üebel ist Blut (Kin-
- derblut) gebraucht und an dessen Heilkraft geglaubt worden.
- Mathaeus, Kanzler von Sizilien, gebrauchte es zu Ende des
- 12. Jahrhunderts gegen die Fussgicht: Petri d'Ebulo Carmen
- de motibus Siculis 1, 994 Smpe Idboranti cum nil succurrere
- posset, Humano tepuit sanguine gutta pedum. ^) Gegen das
- fallende Weh sollte ebenso Blut helfen: die Koemer tranken
- das noch warme Blut getoedteter Gladiatoren: Celsus de Medi-
- cina 3, 23. Tertullian Apologet, adv. gentes cp. 9. Noch
- bis auf neuere Zeiten, bis auf uns, auch hier zu Lande würde
- Blut als Heilmittel gebraucht: J. Grimms Mythologie 1835,
- Anhang S. GL VII. [Cassel, Symb. 178 flf. Noch 1749 gieng*
- in Paris „die Kode, der Koenig nehme Bäder in Kinder-
- blut, um seine durch Ausschweifungen zerrüttete Gesundheit
- wieder herzustellen**: Oncken, Zeitalter Friedrichs d. Grossen 1,
- 446]. Ohne Nennung einer bestimmten Krankheit wird Hei-
- lung durch Kinderblut berichtet in der Sage von der Blut-
- kutsche in Antwerpen. Das ist ein schcener Wagen, darin
- sitzt eine Frau, welche die noch spset auf der Strasse spielen-
- den Kinder zu sich lockt und mit Gewalt weit weg in ein
- grosses Schloss nimmt. „Da schneidet man ihnen an beiden
- Füssen die grosse Zehe ab und lässt sie todt bluten. Das
- Blut aber dient einem Koenige, der an einer schlimmen Krank-
- heit leidet, zum Bade.** Die Kinder, deren Blut ihn heilen
- ^) Auch eins der Bilder stellt ihn das Mittel brauchend dar ; üeber-
- schrift: Quotiescunque Bigamus — sein Name im Gedicht — dolorem
- podagricum patiehatur, interfeciis piieris pedes suos in sanguinem eorum
- mittebat: Sinner Catal. 2, 173. Vgl. auch das Wort „Blutbad.**
- — 195 —
- kann, müssen unter 7 Jahren alt sein (bis 7 Jahre die eigent-
- liche Kindheit). Niederländische Sagen von Joh. Wilh. Wolf,
- S. 523. Stricker, Pfaff Amis 857: Zum Herzog von Loth-
- ringen, der viel kranke mäge unde man hat, kommt Amis als
- Arzt; der versammelt die Kranken: Nuo get äne mich hin dan,
- unt besprechet iuch da hl, welcher der siechist si under in;
- den tuot mir kunt: so sU ir iesä gesunt den selben ivil ich
- toeten unt hilßu von iuwem noeten mit sinem bluote hie zehant
- u. s. f. Von den Ungarn berichtet die Chronik Abt ßeginos
- von Prüm (f 915) B. 2 z. Jahre 889 (Pertz l) Sanguinem bi-
- bunt, corda hominum, quos capiunt, particulatim dividentes,
- veluti pro rcmedio devorant. Der Sage von Siegfrieds Ermor-
- dung auf Anstiften Brünhilds giebt das altdaenische Volkslied
- solche Wendung. W. Grimms Altdaen. Heldenlieder S. 33.
- Brynhild ist krank: ,Ich weiss auf der Welt für die Krank-
- heit mein nimmermehr einen ßath. Ausser ich habe Sivard
- des. hurtgen Gesellen sein fothes Herzens Blut." Namentlich
- ist Blut oft gegen die Blindheit angewendet worden. Legende
- und Sage weiss davon. Longinus Leg. aur. 47: cumexinfir-
- mitate vel senectute oculi eius caligassent, de sanguine Christi
- per lanceam decurrente fortuito oculos suos tetigit et protinus
- clare indit; Walther Lachmann 37, 14. [Wack. u. R. 197,
- 27] Simrock 1, 220. Christophorus Leg. aur. 100. Josephus,
- der Hüter des hl. Grals, war verwundet von einer Lanze, die
- ein Engel ihm in den Schenkel geschleudert hatte; er zeigt
- «ines Tages dem K. Enclach und dessen Gemahlin und deren
- Bruder Seraflas den Kasten, worin der Gral war. Seraflas
- lüftet den Schleier dös hei). Gefässes und da wurde er blind.
- „Plötzlich erschien ein Engel, welcher die Lanze aus dem
- Schenkel des Joseph zog, das ausstroemende Blut in einer
- Kapsel auffieng, damit die Wunde salbte und auch die Augen
- des Seraflas bestrich. Alsbald wurden beide geheilt." Litis-
- ^) Die naechstfolgende 523 fg. von einem Kinde, das bei Brüssel
- «in Mann ins Korn lockt; der will ihm eben die grossen Zehen abschnei-
- den, als der Vater dazu kommt.
- — 196 —
- toire du sainct greaal^ Büschings Erzsehlungen des Mittelalters
- 1, 398 fg. Schach Nameh des Firdusi: Durch den Zauber
- des Diw Sefid ist Schach Cawus sammt seinem ganzen Heer
- erblindet und kann nur genesen, wenn er mit drei Tropfen
- Blutes von demselben Diw die Augen netzt. Rustem schafft
- ihm dessen Herz und Cawus genest: Görres, Heldenbuch von
- Iran 1, 180—183 (Schack Heldensagen von Firdusi S. 243.
- 248.) ^)
- So kommt das Blut in mannigfaltiger Heilkraft in Sage
- und Legende vor. Daneben auch Dinge, die als das Reinste
- erscheinen, rein durch die Unschuld und die Heiligkeit dessen,
- von dem sie kommen. Herod, 2, 111: Phero, Sohn und Nach-
- folger des Sesostris ward zur Strafe für eine Frevelthat blind
- und blieb es 10 Jahre; im 11. erhält er eine Weissagung, er
- werde wieder sehend werden, wenn er sich die Augen mit
- dem Harn einer Frau wüsche, die ihrem Gatten getreu und
- von anderen Männern unberührt wsere. Weder von der eige-
- nen noch von allen anderen, wo er es versucht, nützt das
- Mittel, bis endlich auf eine. Er verbrennt alle die andern
- und nimmt diese eine zur Gattin. Aehnlich ist die Heilung
- eines kranken Koenigs durch die Milch einer mühsam gefun-
- denen treuen Frau: Grimm, A.Heinrich 218. [Wolfr. Wilh.
- 154, 20 flf. man inöht nf eine wunden ir Jciusche han gebun-
- deti]. Ein Wanderer, dem beide Augen ausgestochen waren,
- wird wieder sehend, weil ihm Nachts der Thau vom Himmel
- darauf gefallen: Maerchen der Brüder Grimm 107. Vgl. Nor-
- wegische Volksmserchen 2, 168 fgg. Heilung eines Aussätzi-
- gen durch Bestreichung mit der Hand eines todtgeborenen^
- also gewiss ganz sündenfreien Kindes: Carpentier v. miselli
- (Herschel). In dem apocryph. Evang. infantiae salvatoris
- ^) Jernslan Lazarewitsch heilt mit der Galle des Freizaren Feuer-
- Schild Flammenlanze die geblendeten Augen des Zaren Kartaus, seines
- Vaters des Fürsten Lasar Lasarewitsch und zwölf Ritter : Dietrichs
- Russische Volksmserchen S. 233. 242. vgl. S. 241 "Wiederbelebung eines
- Todten durch die Galle.
- — 197 —
- cp. 17 und cp. 31 (Cod. apocryph. ed. Thilo pg. 83. 103) wird
- der Aussatz geheilt durch Waschung mit dem Wasser, in
- welchem das Christuskind gebadet wurde. [Vgl. Kindheit
- Jesu QP. XLIII, V. 2170 ff. und Kochendörfers Einl. S. 39 fg.].
- Andere auch an Christus angeknüpfte Legenden: Kaiser Ti-
- berius, K. Titus, K. Vespasian, die aussätzig oder sonst krank
- waren, wurden geheilt durch den Anblick des Bildes, welches
- Christus von sich in das Schweisstuch der heil. Veronica ab-
- gedrückt hatte: W. Grimm, die Sage vom Ursprung der
- Christusbilder S. 6 fg. 9. 11 fgg. Ebenso wurde Koenig Ab-
- garus von Edessa, der den Aussatz oder sonst eine unheilbare
- Krankheit hatte, durch das Bild des Heilandes gesund: ebd.
- 26 fgg.
- Die heilende Wirkung, die in dem Lebensquell, dem
- Blut, und die in dem völlig Reinen und Schuldlosen liegt;
- beide sind vereinigt indem als Heilmittel gegen den Aussatz
- das Blut von Kindern oder keuschen Jungfrauen gebraucht
- wird. Wir haben vorher eine Stelle erwsehnt aus Plin. H.
- N. , wo Menschenblut als Heilmittel angegeben wird: eine
- spsetere jüdische Ueberlieferung erwsehnt mit genauerer Be-
- stimmung Kinderblut. Wo es nsemlich in der hl. Schrift
- heisst (2. Mose 2, 23): ,, Lange Zeit aber darnach starb der
- Koenig in Egypten. Und die Kinder Israel seufzten** u. s. f.,
- wird diess in einer Auslegung des 7. Jahrhunderts, dem Midrasch,
- so gedeutet, ,der Koenig sei nicht gestorben, sondern hätte den
- Aussatz bekommen: ein Aussätziger sei s. v. a. ein Todter;
- da hätten die Priester ihm Heilung versprochen, wenn er sich
- Morgens und Abends im Blute von 150 Kindern badete. Zu
- diesem Zwecke entriss er den geknechteten Israeliten ihre
- Kinder und darum hätten sie geächzt, bis Gott ihn aus Er-
- barmen mit ihnen geheilt habe": Selig Cassel S. 432 [Synib.
- 167]. In einem altfr. ßitterroman (Eist de Giglan de Galles
- et Geoffroy de Maience, cp. 19) kommt ein aussätziger Riese
- vor, der, um sich in Kinderblut zu baden, schon das Blut
- von 8 in eine Schüssel gesammelt hat: Grimm A. H. 181.
- — 198 —
- Histoire du S. Greaal: eine edle Frau, die aussätzig ist, hat
- zur Heilung noethig einen Napf mit dem Blut einer Jung-
- frau, qtd fast vierge en voulente et en cßuvre; die Schwester
- Percevals lässt sich aus Erbarmen eine Ader öffnen und füllt
- so den Napf, stirbt aber von der Entkräftung: Grimm
- A. H. 180.
- Schon diese romanhaften, sagenhaften Beispiele beweisen*
- dass die Ansicht herrschte, dass man wirklich den Glauben
- hegte, solche unheilbare Krankheiten könnten durch Blut ge-
- heilt werden, und das war nicht bloss eine Ansicht, die
- etwa nur im Roman sich äusserte, im Leben aber unwirksam
- blieb. Wir finden diese Ansicht auch inmitten der Aerzte
- und sonst der Naturgelehrten, und sie ist somit gewiss auch
- mehr als einmal zur That gemacht worden. Noch Paracel-
- sus in seinen Paragraphen 1, 6 cp. 4 führt als Recept gegen
- die lepra auf dosis sanguinis hutnani, semel in mense, und
- noch nach ihm Bacon von Verulam als alte Vorschrift, die
- er nicht eigentlich verwirft, Historia vitse et mortis cp. 9:
- Ab antiqiio receptum est bdlneum ex sanguine infantium
- sanare lepram et cames jam corruptas restituere^ adeo ut hoc
- ipsum fuerit regihus quibusdam invidice apud plebem. (Selig
- Cassel 442 [Symb. 180].) Im Mittelalter waren sehr häufig
- die Aerzte Juden ; von solchen Aerzten ist zu verstehen, wenn
- erzsehlt wird, dass dem aussätzigen Pabst Innocens VIIL
- Juden ein Blutdestillat als Heilmittel empfohlen haben (Cas-
- sel 443 [vgl. Symb. 157]); so wird auch im Volksmserchen
- von Hirlanda Cp. 2 berichtet: Koenig Richard von England
- war aussätzig, jüdische Aerzte baden ihn im Blut eines neu-
- gebornen Kindes. In einer Darstellung der Legende von
- Constantinus und Silvester (Grimm A. H. 219) sind es
- jüdische Aerzte, die den Rath geben. Rechnet man hiezu
- noch, dass unter den Juden, wie es scheint, der Aussatz noch
- lange als häufiges Erbübel fortgedauert hat, so fällt ein neues
- Licht auf die fort und fort und überall wiederkehrenden Er-
- zsehlungen, wie von den Juden Christenkinder aufgefangen
- — 199 —
- und ihnen das Blut sei abgezapft worden^). Wie darin ein
- Anlass zu immer sich erneuernden Judenverfolgungen war,
- so hat denn wohl auch den christlichen Aussätzigen gegen-
- über die Furcht, sie möchten zum Behuf ihrer Heilung Kinder
- entführen und morden, dazu mitgewirkt, dass man sie in so
- unerbittlich strenger Weise abgesondert leben Hess und sich
- in jeglicher Art ferne hielt.
- II. Sagenhafte Ausbildung und Anwendung des
- geschichtlichen Stoffes,
- der mit dem Aussatz und dessen üblicher und vermeintlicher
- Heilung durch unschuldiges Blut gegeben war.
- Allerdings sind auch schon Sagen und Legenden genug
- angeführt, um aus ihnen die in Betreff des Aussatzes walten-
- den Meinungen zu belegen: jetzt haben wir solche Sagen zu
- betrachten, in deren Organismus jene Heilungsart des Aus-
- satzes ein wesentliches Glied, ja den Kern ausmacht, nicht
- bloss nebenzu vorkommt, sondern nothwendig dazu gehoert,
- um der religiös sittlichen Idee des Ganzen dichterische Ge-
- stalt zu geben. Ausser dem armen Heinrich selbst kommen
- da nur noch zwei in Betracht, die von Amicus und Amelius
- und die von Constantinus und Silvester.
- Die Legende von Kaiser Constantin und dem Pabst Sil-
- vester (1, 314 — 335) veranschaulicht die Erhebung des Chri-
- stenthums zum herrschenden Glauben des Roemischen Reiches.
- Der hiebei zunaechst liegende Gegensatz zwischen Heidenthum
- und Christenthum tritt uns in dem entgegen, was Constantin
- selber erlebt und thut ; daneben der Gegensatz gegen den
- anderen älteren Glauben, das Judenthum, in der Disputation
- 1) Grimm A. H. 173. Cassel 443 [Symb. 133 fP.]. Christenblut,
- Heilmittel der Juden : Räumers Est. 5, 107 fg, Bern 1286. Gemeiner
- Reg. Chr. 3, 573 (1475). Basel 14. Jh. S. 170. Grimm Sag. 1, 455.
- 456.
- — 200 —
- zwischen Silvester und den jüdischen Meistern, auf deren
- Seite die eigene Mutter des Kaisers, Helena steht. (Disp.
- Silv. mit den Juden 315.) Legendenhaft verbunden mit dem
- Siege des Christenthums ist die Erhebung des Pabstthums zu
- weltlicher Macht und zu einem Ansehen noch hoeher als die
- Würde des Kaisers: die bekannte Donatio Constantini, deren
- Vorspiegelung von psebstlicher Seite- so viel Unheil über das
- Kcemische Reich des Mittelalters gebracht hat. Die ent-
- scheidende Wende aber des Ganzen und die Hauptsache ist
- Constantins Krankheit und Heilung : dieser eine Zug ist auch
- der älteste, der sich bis in's 9., ja bis in's 6. Jahrhundert
- zurückverfolgen lässt^), wsehrend das üebrige sich erst nach
- und nach bis zur vollständigen Ausbildung und kaum früher
- als im 12. Jahrhundert so zusammengefunden hat. Deutsche
- Darstellungen (vgl. W. Grimm, Sylvester XII) aus lateinischen
- Quellen finden sich in der Kaiserchronik (1147), in der
- Weltchronik von Jansen dem Enenkel, gegen 1300 (v.d. Hagen
- Gesammtabenteuer 2, 583 fgg.), gleichzeitig in dem Passional
- und in einem eigenen Gedichte Konrads von Würzburg Sil-
- vester u. a. (ßeali di Francia; Schiltberger : Grimm A. H.
- 179 fg.). Besonders zu bemerken ist die Kölnische Keim-
- chronik von Gottfried Hagen 1270, die von dem beabsichtig-
- ten Blutbade nichts erzsehlt, sondern wo der Aussatz gerades
- Wegs durch die Taufe geheilt wird (S. 19), und die Darstel-
- lung in dem prosaischen Heiligenleben Hermanns von Fritzlar
- 1343 — 49, die den Misston, welchen die Gibellinische Partei
- in der Schenkung Constantins empfand, bis in die Legende
- hinein klingen lässt. Den wehrufenden Engel kennt schon
- ein Spruch Walthers von der Vogelweide S. 16 fg. [25, 11]
- (vgl. Haupts Anmerkung S. 148 und Massmann Kaiserchronik
- 3, 866). Künc Constanün der gap so vil — ^ehant der
- enget lüte schre „owe, owe, 0em dritten we! e stuont diu
- ^) Massmann Kaiserchronik 3, 855. Eine Beziehung darf aber
- schon bei (jregor von Tours Hist. fr. 2, 31 angenommen werden.
- — 201 —
- kristenheit mit mhten schöne : der ist nü ein giß gevallen,
- ir honec ist worden ^seiner gdllen: das wirt der tverlt her
- fläch vil leit,"
- Amicus und Amelius ist eine weit verzweigte, vielfach sich
- umgestaltende Sage von zwei Freunden^), deren Treue sich
- in wechselseitigen Aufopferungen erprobt; die Hauptprobe
- aber, mit deren Lcesung sich alles loest und nach all den
- Missgeschicken das Leben beider den glücklichen Ausgang
- findet, ist die Heilung des Aussätzigen durch das Blut der
- eigenen Kinder des Freundes. Die ältesten Darstellungen
- der Sage von Amicus und Amelius sind aus dem 12./13.
- Jahrhundert und auch hier lateinisch: Haupt Engelhard VIII
- fg. An sie schliesst sich an ein altfranzoesisches Epos Amis
- et Amiles (herausgegeben von Hofmann) und der Seele Trost,
- eine Legenden- und Novellensammlung des 14. oder 15. Jahr-
- hunderts, eine Tugendlehre nach den 10 Geboten. Andere
- Darstellungen tauschen neben sonstigen groesseren und ge-
- ringeren, nie aber wesentlichen Abweichungen auch die Na-
- men (Athis und Prophilias: W. Grimm S. 47): Konrad von
- Würzburg, Engelhard und Dietrich; 7 weise Meister (um 1400)
- Alexander und Ludwig; zur selben Zeit Kunz Kistener Jakob,
- ein edler Bair und ein Schwabe aus Heierloch ohne Namen,
- befreundet auf einer Pilgerfahrt nach S. Jacob von Compostella
- (Bezüge des Pilgerwesens und des hl. Jacobus auf den Aus-
- satz sind schon früher erwsehnt); Pamphilus Gengenbach um-
- gearbeitet und gedruckt 1520 von zweien Jakobsbrüdern. Auch
- in der Chronik des Lübecker Dominikaners Hermann Korner
- (1431) findet sich die Erzsehlung von Amelius und Amicus:
- Pfeiffer Germ. IX, 261 fgg. [Vgl. E. Köjbing, zur Ueberlieferung
- der Sage von Amicus und Amelius, Paul u. Braune, Beitr. IV,
- 271 ff.] Ueber die weitere Verbreitung der Legende von den
- beiden treuen Jakobsbrüdern s. R. Kcehler, Germ. X. 447
- ff. Vergleiche auch das Msehrchen vom getreuen Johannes,
- ') W. Grimm Athis und Proph. S. 46 fgg.
- — 202 —
- Brüder Grimm 6 (Herr und Diener, Versteinerung, Kinder-
- blut und Wiederbelebung der Kinder); Msehrchen von den
- zwei Brüdern 60 (Versteinerung, Schlaf bei der Gemahlin
- des Bruders, Toedtung durch denselben und V^iederbelebung).
- Betrachten wir nach diesen kurzen litterarischen Angaben
- Gehalt und Sinn der beiden Legenden nseher.
- In beiden ist nach alter biblisch begründeter Anschauung
- der Aussatz ein Strafgericht Gottes. Constantin wird aus-
- sätzig; weil er das Christenthum und die Christenheit ver-
- folgt; Amicus weil er in betrüglicher Weise das Gottesurtheil
- des Kampfes für seinen Freund bestanden hat: die Legende
- spricht das zwar nicht aus, aber es ist so zu verstehen, weil
- sonst die Ereignisse ohne den rechten fortlaufenden Zusammen-
- hang aus einander fallen würden. (7 weise Meister: als Ver-
- mittelung der Strafe Gift, das ihm die erzürnte Gemahlin
- giebt.) Und wiederum nach alter, auch biblischer, aber eben-
- so wohl auch heidnischer Anschauung soll in beiden Erzseh-
- lungen das Strafgericht aufgehoben und der Zorn der be-
- leidigten Gottheit versoehnt werden durch ein Opfer: denn
- nicht bloss die abergläubisch arzneilichen, auch und viel-
- mehr diese hcehere religicese Bedeutung hat hier und hat be-
- sonders deutlich in Amicus und Amelius die Toedtung der
- Kinder.
- Passen wir zunsechst Amicus und Amelius in's Auge.
- Es ist ein oft wiederkehrender Zug, dass die Gottheit einem
- Menschen die Opferung seiner selbst oder statt seiner selbst
- des Liebsten, das er hat, auferlegt, dass sie aber, sobald der
- Mensch mit einer zugleich gehorsamen und freien Ergebung
- seines Willens zum Werke schreitet, ihm das Werk, erlässt,
- die Gesinnung für die That annimmt (vgl. Erec 3Ö3), das
- ungeschehene Opfer als geschehen gelten und es .so auch
- wirken lässt, so dass das frühere Geheiss nur als c|iine Prü-
- fung erscheint. Das älteste und ein biblisches Beispliel haben
- wir in der unvollzogenen Opferung Isaacs ; dann j aus der
- griechischen Sagenwelt in dem Opfer zu Aulis, wo
- iLgamem-
- (
- — 203 —
- non der Artemis die eigene Tochter darbringen will (Euripi-
- des stellt die Iphigenie gern und freiwillig sterbend hin),
- die aber selbst das Opfer entrückt und an die Stelle der
- Jungfrau eine Hinde setzt; und eben daher die Sage von
- Alcestis: Admetos, Koenig zu Pherae in Thessalien, soll nach
- Apollos Verwendung bei den Schicksalsgöttinnen dem -ihm
- bestimmten Tod entgehen, wenn ein anderer Mensch für ihn
- sterben wolle; da niemand sonst bereit ist, so erbietet sich
- seine Gattin dazu und schon hat Thanatos sie entführt: da
- aber sendet Köre sie zurück (Apollodor 1, 9, 15) oder (nach
- Euripides) es entreisst sie Hercules im Kampf den Händen
- des Thanatos, und Kcenig und Kceniginn, beide dürfen sich des
- wiedergeschenkten Lebens freuen. In all dem und mit einem
- Zuge insbesondere zu der letzten Sage stimmend Amicus und
- Amelius. Die Opferung geschieht auf göttliches Geheiss:
- zwar ist es bei Kunz Kistener ein Waldbruder, aber in den
- 7 weisen Meistern eine Stimme von Gott, welche das Blut
- der Kinder des Freundes als Heilmittel bezeichnet ; bei der
- Prosalegende und Konrad von Würzburg ist es ein von Gott
- gesendeter Engel ; in der lateinischen Erzählung Raphael, der
- Erzengel, welcher nach altjüdischer Ansicht über die Heilun-
- gen gesetzt ist (Cassel 444 [Symb. 183]) und deshalb auch
- im Buch Tobias eine so wirksame Thsetigkeit übt.
- Es ist das recht ein Beleg, wie arglos der Aberglaube
- an die Heilkraft des Blutes hingenommen wurde, dass Gott
- und seine Engel selbst solche Dinge befehlen müssen. Aber
- wie dort Alcestis der Gewalt des Todes, der sie bereits ver-
- fallen war, nach dem Tode selbst das Opfer entrissen oder
- von ihm zurückgegeben wird und Admetos gleichwohl leben
- bleibt, so werden hier die Kinder, nachdem ihr Lebensblut
- schon geflossen ist und den Freund des Vaters geheilt hat,
- wieder belebt. Es wird aber so das Opfer zurückgegeben,
- weil Gott auch nur wie dort den Glauben und Gehorsam
- Abrahams (1. Mose 22, 12), so hier die Treue hat prüfen
- wollen, ob sie vollkommen sei, und weil sie die Probe be-
- — 204 —
- standen hat : Do wdlt unser here volkomende trmve ane in
- profen [161, 10]. So ist natürlich besonders dieser Gipfel-
- punkt der Legende die Ursache, dass die verschiedenen Be-
- arbeitungen derselben sich als eine Erzsehlung von der Treue
- bezeichnen: die Prosa im Eingang und am Ende; Konrad
- V071 höhen triuwen; Kistener Von grosser truwen.
- Einen ganz andern Sinn hat das Opfer und die Nicht-
- vollziehung desselben und die gleichwohl erfolgende Heilung
- in der Legende von Constantin und Silvester. In Amicus
- und Amelius, wo der Aussatz die Strafe für eine üebelthat
- der Treue, für eine Ausschreitung der Tugend ist, kann auch
- ein Engel selbst au^ das Blut der Kinder als die Heilung
- hinweisen: Constantin wird um eines groesseren Vergehens,
- um der Verfolgung des Christenthums willen mit dem Aus-
- satze gestraft, der Engel Gottes schüttet denselben als eine
- Schale des Zornes über ihn aus, und die ihm zu dem Bad
- im Kinderblut rathen, sind heidnische Meister oder die Prie-
- ster des Heidenthums (jüdische Aerzte: Grimm A. Heinrich
- 219). Da ist denn auch von Ergebung und Freiwilligkeit
- auf Seiten derer, die das Opfer trifft, keine Rede : die Kinder
- werden geraubt und deren Eltern wehklagen. Also kann auch
- nicht von Erlassung des Opfers, weil statt des Werkes der
- Wille dazu genügt, die Rede sein. Was hier als die Wen-
- dung eingreift, das heidnisch gewaltsame Opfer beseitigt und
- ohne dasselbe die Heilung herbeiführt, ist das Erbarmen des
- Kaisers, die milte^ wie es Konrad von Würzburg nennt (1050
- fgg. 1158), das Erbarmen, das ihn lieber auf die Heilung
- Verzicht leisten als das Opfer vollziehen lässt. Wälscher
- Gast 6223 fgg. Eine dem ganz sehnliche Erzsehlung kennt
- das Morgenland, Persien: Saadis Rosenthal 1, 26 (Olearius
- S. 26 fg.). Aber für Constantin wird die Heilung als Lohn
- des Entsagens damit nur herbeigeführt, nur eingeleitet: voll-
- endet, wirklich wird sie erst durch die Bekehrung zum
- Christenglauben und die Waschung in dem reinen Bad der
- Taufe: Hagen berichtet sogar nur hiervon, nichts von dem
- — 205 —
- yersuchten und wieder aufgegebenen Blutbade. Heilung schon
- durch den Glauben findet man auch in anderen Legenden,
- so nach der einfachsten Darstellung der Legende von Ab-
- garus von Edessa, die Eusebius gibt, wird dieser dadurch
- vom Aussatze geheilt, dass er sich zum Glauben an Christus
- wendet: W. Grimm S. 26. Als der Aussatz im spanischen
- Suevenreiche im 6. Jahrhundert herrschend wurde und der
- Sohn des Koenigs selbst erkrankt: genist er und der Aussatz
- erlischt, da sich das koenigliche Haus von der Arianischen
- Ketzerei zur ßechtgläubigkeit bekehrt: Gregor von Tours de
- Miraculis S. Martini 1, 11. Zeichen der Bekehrung aber
- ist die Taufe: die Heilung- aussätziger Heiden hierdurch kam
- auch sonst vor: Cassel S. 437 [Symb. 173]. Damit ver-
- gleichen die alten Erzsehlungen schon selbst (Cassel a. a. 0.)
- die Reinigung Naemans durch die heiligen Fluthen des
- Jordans (Konrad 1791).
- Dass Constantin genest, sowie er sich bekehrt und ge-
- tauft wird, erweckt eine Vermuthung über den Ursprung der
- ganzen Legende. Dem Mittelalter war es geläufig , die
- Sünde oder den Unglauben als einen Aussatz zu betrachten
- (synnum seöce Cyneo Juliana 65 syrme gesohte 624) , das
- groesste Seelenübel durch das groesste Uebel des Leibes, das
- man kannte, zu versinnlichen. Laster und Sünden: diu laster
- sul wir vertreiben: si henement uns gäisflich zuht; si sint
- der s&le miselsuht: Heinrich von dem Gem. Leben 312 vgl.
- Cajsar Heisterb. III, 43 Anmerkung; Joh. Nider, Tractatus
- de morali lepra; Walther 6, 6 [6, 31]. Berthold von der
- üzset/sdJceit bei Pfeiffer S. 110 fgg. meint Sünde und Ketzerei;
- eine Predigt um 1200 LB. 1, 499 fgg. stellt Reinigung von
- den Sünden, Bekehrung von dem Unglauben als eine Heilung
- des Aussatzes dar. Das Heilmittel ist hier auch Blut, nsem-
- lich das Blut Christi: Predigt in der Strassburger Hs. D, 3
- (fehlt in Grieshabers Ausgabe derselben Sammlung) 101a
- Werlich der hilnig wer ein getrmver friunt der einen vs-
- setdgen Jcneht hette Vnd daz der niemer mohte gesunt wer-
- — 206 —
- den ef* badete danne in dez hüniges bluot Und daz der
- Icünig danne sm blaof vergüsse daz der hneht dar inne badete
- Sich selig mensch wer ist der getruweste friunt (b) den du
- yergent hast oder yemer gewinnest Daz ist got von hümel
- Wanne der hat dich geiveschen mit sime heiligerb bittot von
- diner vssetzikeit die an diner sei ist daz ist von dinen dot-
- Sünden, Sonst gilt als Heilmittel das heilige und reine Wasser
- der Thraenen, welche die Reue vergiesst: allegorische Erzseh-
- lung der Gesta Romanorum 94. Endlich aber wieder das
- Taufbad. Gregor Turon. H. Fr. 2, 31 sagt von der Bekeh-
- rung Chlodwigs Rex ergo poposdt se baptizari; procedit noviis
- Constantinus ad lavacrnm, deleturus leproe veteris morbum sor-
- dentesque maculas gestas antiquitus recenti latice (Nass) dele-
- turus. Gregor ist gestorben 594: schon im 6. Jahrhundert war
- es also in Frankreich moeglich, den Aussatz so als Gleichniss
- zu gebrauchen: neben jener Erzsehlung von den Sueven ist
- das das früheste Zeugniss für das germanisch-romanische
- Mittelalter. Nach all dem ist es sehr wohl mceglich, ja
- wahrscheinlich, dass auch Constantins wie hier Chlodwigs
- Bekehrung zuerst nur bildlicher Weise als eine Heilung des
- Aussatzes sei dargestellt worden und erst durch Missverständ-
- niss oder durch Vergroeberung der Allegorie daraus eine Er-
- zsehlung von wirklichem Aussatze u. s. f. hervorgegangen sei.
- III. Die Sage vom armen Heinrich und Hartmanns Darstellung.
- Der Aussatz ist beim armen Heinrich Strafe wie bei
- Amicus und wie bei Constantin, Strafe für seinen bloss welt-
- lichen, durch die Welt von Gott abgezogenen Sinn: die
- swceren gotes zuht 120; freilich ist die Strafe wie überall
- ein Prüfungs- und Erziehungsmittel: zuht kommt von ziehen.
- Aber wsehrend im Amicus und Amelius die Genesung nur das
- Werk und der Lohn der Treue ist und in Constantin und
- Silvester nur der Lohn der erbarmenden Entsagung und der
- — 207 —
- Bekehrung zu Gott, waltet in der Sage vom A. H. dieses
- beides zugleich, Treue und Lohn auf der Seite des Maed-
- chens, das freien Willens sich als Opfer darstellt, das aber
- am Leben bleibt und dennoch seinem Herrn die Gesundheit
- verschafft, Erbarmen und Lohn auf der Seite des Herrn, der
- noch im letzt entscheidenden Augenblicke auf die Genesung
- verzichtet, aber eben deswegen genest. Diess Zusammenwirken
- der Treue und des Erbarmens hebt der Schreiber der Strass-
- burger Hs. hervor 1366 Do emöigete der heilige crist Wie
- liep ime triuwe vnd erbermde ist, wsehrend die Heidelberger
- und Koloczaer Hss. mit Hervorhebung bloss der Treue wie
- dort in den Gedichten aus der Amicussage, mit Benennung
- bloss der Treue, die allerdings hier das Erbarmen mit in sich
- schliesst (das ist die von mir vorgezogene Leeart), wie liep
- ime triuwe ist. Im Wigalois (der voll von Reminiscenzen
- aus Hartmann ist) 134, 15 heisst es von einer Frau, die
- durch ein Abenteuer von ihrem Herren getrennt ist: jsuo zir
- gesellen was ir gäch, das si den tot mit im da kür: da Met
- sie niht die werlt für genomefi ga/r für eigen, si mohte lihte
- erzeigen got ir herze unde ir muot, wand er übel unde guot er-
- kennet e dan ez geschiht: vor den werken er wol siht, swaz daz
- mensche tuon wiL sinem gewalte ist niht ze vil. er reiner got
- bekande wol, daz ir herze was triuwen vol. wände im triuwe
- liep ist^ dö lie er si in kurzer frist vinden ir vil lieben man.
- Will man der Strassburger Hs., die sonst immer die bessere
- ist, auch hier ihr Vorrecht angedeihen lassen, so muss man
- doch etwas ändern: une liep im triuwe und bermde ist: die
- kürzere Form bärmde Erec 5807. Haupt liest me liep im
- erbermde ist: das Erbarmen allein ist doch auf keinen Fall
- zu nennen, denn das schliesst die Treue nicht in sich.
- Gleichviel aber, wie an dieser Stelle zu lesen sei, die
- Heilung ist zwiefach begründet: die Sage ist bedeutsamer
- und das ist ein dichterischer Vortheil. Die nun eingreifende
- Gottheit ist nicht so ein blosser deus ex machina; das
- Wunder ist eine Art von natürlicher Nothwendigkeit: dem
- — 208 —
- Msedchen, das sterben will, damit der Herr in Gesundheit lebe,
- und dem, da es schon an der Schwelle des Todes steht, mit
- Gewalt das Leben wieder aufgedrungen wird, dem Herrn, der
- schon die Genesung fast in der Hand hat, ,und dennoch lieber
- in Siechthum weiter leben will, nur damit die Jungfrau nicht
- sterbe; es muss ihnen beiden für eine so grosse und eine
- so zusammenwirkende Selbstaufopferung die Entschsedigung
- werden, dass auch ohne den Tod des Kindes der Herr genest.
- Der Herr Heinrich von Aue nun, von dem die Sage diess
- erzsehlt, ist, da er zu den Vorfahren von Hartmanns Dienst-
- herren gebeert hat, ebensowohl eine geschichtliche Person als
- Constantin der Grosse. Das geschichtlich wahrhafte Samen-
- korn der über letztern erzsehlten Legende ist die Art von
- Bekehrung zum Christenthum, durch welche Constantin dem
- neuen Glauben die Herrschaft verliehen hat: was von der
- Sage vom armen Heinrich wahrhaft sei, ob eine wunderbar
- leichte und plötzliche Heilung vom Aussatz, ob vielleicht nur
- die Vermsehlung des hochedlen Herrn mit einem Bauern-
- mffidchen, die man sich nur durch so wunderbare Vorgänge
- erklaeren konnte, das vermoegen wir jetzt nicht mehr zu er-
- mitteln, und ist zuletzt auch gleichgültig. Wie schon in der
- Einleitung mitgetheilt, in Urkunden von und um 1111 ist
- bezeugt, dass ein Heinricus de Owa oder de Owen .Verga-
- bungen an das Kloster S. Peter auf dem Schwarzwalde macht:
- den Herrensitz selbst, von welchem er den Namen hatte,
- curtein stiam cum domo et omnibtis, quce ibi possidebat:
- Gedicht 246 — 256 nü fuor er heim und begunde gebebt
- sin erbe und ouch sin vamde guot; armen Verwandten
- und fremden Armen: gotes hiu^ern viel das ander teil.
- Jener Heinricus kann ganz wohl der arme Heinrich sein und
- man darf keine Einwendung daher machen, dass von 1111
- bis um 1200, wo Hartmann lebte, ein zu kurzer Zeitraum
- sei, als dass sich eine Sage hätte bilden können. In Zeiten,
- wo die Dichtung noch aus der Sage schöpft, geht die Sagen-
- bildung, gleich als wollte sie den Bedürfnissen der Dichtung
- — 209 —
- entgegen kommen , schnelleren Ganges vorwärts. Herzog
- Ernst II. von Schwaben war gestorben 1030: schon um 1150
- war er der Held einer Sage und einer Dichtung, die ihn in
- ganz ungeschichtliche Verhältnisse gerückt, aus einem Her-
- zoge von Schwaben zum Herzoge von Baiern, aus dem Stief-
- sohne Koenig Konrad IL zum Stiefsohne Kaiser Otto I. ge-
- macht hatte u. s. f. Dass aber die Sage vom armen Hein-
- rich ihre Ausbildung erst im Verlaufe des 12. Jahrhunderts
- gefunden hat, in der Gestalt, die wir kennen, nicht älter
- sei, beweist die Hereinziehung von Montpellier und Salerno:
- der Ruhm der Aerzte von Salerno geht freilich bis in das
- 10.- Jahrhundert zurück, aber die förmlicheren Festsetzungen
- der Schule daselbst, die den Euhm erst recht begründeten, ge-
- schahen nicht früher als um 1100 und 1150; der medicini-
- schen Schule von Montpellier aber geschieht gar erst im
- Jahre 1153 die früheste Erwsehnung.
- Ob man eine weitere Verbreitung und Fortdauer der
- Sage annehmen darf? Des Gedichtes wohl, aber die Sage
- war doch zu örtlich, zu sehr blosse Geschlechtssage. Indess
- ist es auffallend, wie der Name Armer Heinrich gleichsam
- sprichwörtlich geworden ist. Zwar der arme Heinrich (Grimm
- A. Heinr. S. 211) in Wolframs hl. Wilhelm 241, 18, das
- Pathen- und Wunschkind des alten Heimerich von Narbonne
- kann hier nicht in Betracht kommen: das stammt schon aus
- der franzoesischen Dichtung, wo es pautore oder chetif heisst
- (Wolfram 241, 16 ffg. 263, 18. 328, 24); und er heisst eben
- Heimerich, nicht Heinrich, wie prov. altfr. Aimeric, nicht
- Enric : Aimeric ist aber Amahich. Eher kommt in Betracht,
- wenn man den auch litterarischen Verkehr erwsegt, der zur
- Hohenstaufenzeit zwischen Deutschland und Italien bestand,
- dass ein aus Florenz gebürtiger, zu Bologna gebildeter Mönch,
- Henricus Septimellensis (Settimello), der am Ende des 12.
- Jahrhunderts lebte und Verfasser ist einer grossen lateinischen
- Elegie de diversüate fortunce^ und der zwar ohne alle Be-
- ziehung auf unsere deutsche Sage sich miser Henricus, Hen-
- — 210 —
- ricus miserrimus nennt, und dass die Strassburger Hs. dieses
- Gedicht überschreibt Pauper Henricus (Grimm A. Heinr. 212.
- Massmann Denkmaeler 6. In der Strassburger Hs. A. VI.
- 19. 14./15. Jahrhundert ist diese üeberschrift erst von einer
- Hand des 16./17. Jahrhunderts beigesetzt). Vgl. Caes. Heisterb.
- IV, 79: Qtiid illa hora dictunis es, pauper Henrice? In
- fränkischen Urkunden von 1334 findet sich Ueinncus dictus
- der arnie Heinrich, vicarius in Hange; 1335 und 1340 der
- arm Hein/rieh genant Keiner von Pibra: Archiv des Histo-
- rischen Vereins von ünterfranken 12, 110. Noch entschie-
- dener, Heinrich LaufFenberg, Priester zu Freiburg im Breis-
- gau, seit 1445 zu Strassburg, Verfasser zahlreicher geistlicher
- Lieder und anderer Dichtungen geistlichen Inhalts, nennt sich
- in Handschriften zu Strassburg, die er selbst geschrieben hat,
- bald Heinricus miser, bald auf deutsch Ich armer Heinrich
- (Massmann S. 5). Und so mag es auch seinen sagenhaften
- Bezug und Anlass haben, dass eine Pflanze, die ehemals in
- Salbenform gegen den Aussatz gebraucht wurde, den alt-
- volksmsessigen Namen Guter Heinrich, Jieria honi Henrici
- führt: Grimm A. Heinr. 214 (Myth. 1163 fg.).
- Betrachten wir schliesslich noch die Dichtung, die Hart-
- mann von Aue aus dem ihm überlieferten Stoffe geschaffen hat.
- Goethe in seinen Tag- und Jahresheften 1811 (Werke
- 32, 73) sagt: »Ebenso brachte mir Buschings armer Hein-
- rich, ein an und für sich betrachtet hcechst schätzenswerthes
- Gedicht, physisch-aisthetischen Schmerz. Den Ekel gegen
- einen aussätzigen Herrn, für den sich das wackerste Msedchen
- aufopfert, wird man schwerlich los ; wie denn durchaus ein
- Jahrhundert, wo die widerwärtigste Krankheit in einem fort
- Motive zu leidenschaftlichen Liebes- und Kitterthaten reichen
- muss, uns mit Abscheu erfüllt. Die dort einem Heroismus
- zu Grunde liegende schreckliche Krankheit wirkt wenigstens
- auf mich so gewaltsam, dass ich mich vom blossen Berühren
- eines solchen Buchs schon angesteckt glaube.** Wir wollen
- nicht wegen der grundlosen Behauptung rechten, dass der
- — 211 —
- Aussatz damals in einem fort Motive zu leidenschaftlichen
- Liebes- und Eitterthaten hätte reichen müssen, die Haupt-
- sache ist ja doch der physisch-ajsthetische Widerwille gegen
- dieses eine Gedicht, auch dieser ist grundlos und unbillig.
- Er würde begründet sein, wenn Hartmann irgendwie mit
- einer Beschreibung des üebels beschwerlich fiele. Konrad
- von Würzburg Engelhard 5150 flf. gibt eine solche, und man
- mag sogar diesen Dichter deshalb entschuldigen, weil der
- Anblick des Uebels ein alltseglich gewohnter war und es all-
- gemeine Neigung der Epiker ist, die Erzsehlung durch Schil-
- derung zu unterbrechen. Auch ist Hartmann von dieser
- Neigung nicht überall frei (Erec): dennoch enthält er sich
- hier aller und jeder Schilderung der Krankheit selbst,
- nur Z. 119 in ergreif diu miselsuht; dann im ganzen wei-
- teren Verlauf nur die Wirkungen auf Heinrichs Gemüth und
- das Verhalten der Welt zu ihm. Er beobachtet gerade die
- zarteste Schonung, eine viel zartere als selbst Sophokles im
- Philoctet, der selbst den Zuschauern von der Bühne nicht die
- Aufzahlung und den Anblick all der Leiden und ihrer ekel-
- haften Zubehoer und das Anhoeren der Schmerzenslaute des
- Kranken geschenkt hat. Und so Mit gerade nach der Seite
- hin, von welcher Goethe den Tadel entnimmt, ein Lob, das
- den Dichter vor Zeitgenossen und vor früheren Dichtem be-
- vorzugt.
- Ueberhaupt , wenn Hartmann irgendwo wegen seiner
- Zartheit, seiner Feinheit, wegen des Gedankengehaltes und
- der maassvollen Behandlung zu rühmen ist, die dem Ge-
- dankengehalt Durchsichtigkeit giebt, dann ist es im armen
- Heinrich. Er hat den idealischen Sinn der Ueberlieferung
- nicht verkannt, wie Gottfried und so manch anderer Dichter,
- nicht verdunkelt, wie Wolfram: mit Klarheit hat er ihn er-
- kannt und lässt er ihn erkennen, und was dann ganz sein
- Werk und sein Verdienst ist, er handhabt ihn auf eine Weise,
- die schwerlich so schon in der Ueberlieferung auch nur an-
- gedeutet lag. Wir haben hier eine bezeichnende Eigenthüm-
- — 212 —
- lichkeit Hartmanns zu berühren, die in all seinen epischen
- Dichtungen und zumal im A. H. sich kund giebt, und die
- seine Wahl gerade auf diese seine Stoffe geleitet hat, weil
- sie an diesen allein sich kund geben konnte.
- Hartmann liebt es naemlich und übt das überall, zuerst
- einen Streit und dann die Yerscehnung sittlicher Oegensätze
- vorzuführen. Eine kurze Inhaltsangabe seiner Werke soll das
- zeigen. Erec, ein Ritter der Tafelrunde, gewinnt auf aben-
- teuerliche Weise die schoene Enite zur Gemahlinn; da über
- den Freuden der Liebe vergisst er alsbald seiner früheren
- Heldenhaftigkeity so dass endlich Enite selbst mit schwerem
- Herzen ihn aus der träumerischen Verweichlichung auf-
- schrecken muss. Es beginnt nun eine Reihe von Abenteuern,
- welche Erec, da er um jener Anmahnung willen Misstrauen
- in seine Gemahlinn gesetzt hat, zu ebenso vielen Proben ihrer
- Liebe und ihres Gehorsams macht. Beide aber bewsehren
- sich, er in harten Kämpfen, sie in weicher Geduld, und beide
- feiern zum Schluss eine neue, nur um so festere und reinere
- Vereinigung. Umgekehrt und mehr gewoehnlicher Art ist
- das Verhältniss von Mann und Weib im Iwein. Auch dieser
- erringt durch Abenteuer ein schoenes, an Land und Leuten
- mächtiges Weib, Laudine; einmal, zurückgekehrt an Artus
- Hof, versäumt er in der Lust der Ritterlichkeit die von der
- Gemahlin ihm gesetzte Frist: sie, erzürnt, sagt ihm den
- Liebesbund wieder auf: der Schmerz darüber stürzt ihn in
- Wahnsinn. Nachdem er geheilt worden, muss er doch
- erst lange Irrfahrt und manche schwere Prüfung dulden, bis
- Laudine wieder ausgescehnt und so auch hier die Liebe wieder
- eins ist mit dem Heldenthume. Ernster, tiefer greifend
- ist das entsprechende Verhältniss im heil. Gregorius; hier
- drückt schon der Titel, den Hartmann selbst der Dichtung
- eigentlich gegeben hat, der gtiofe sündcere, die gleiche Be-
- trachtungsweise aus. Gregorius, den Bruder und Schwester
- sündlich mit einander erzeugt haben, entzieht sich dem geist-
- lichen Leben, für welches er bestimmt ist, um der Ritter-
- — 213 —
- Schaft willen, trotz den Warnungen seines frommen Pflegers.
- Durch Ritterschaft wird er, unerkannt und nicht erkennend,
- der Gemahl seiner Mutter, die damit auch ihr Gelübde, ehe-
- los zu bleiben, bricht. Sie freuen sich der Freuden des Lei-
- bes, die doch ein Verderben ihrer Seele sind: da plötzlich
- offenbart sich das Geheimniss, und das hoechste Leid des
- Leibes wie der Seele kommt über sie. Nun wenden sich,
- dem Leib keine Wollust, aber der Seele ein Heil, beide Gat-
- ten zur ßeue und Busse, er zu dem härtesten Büsserleben,
- das nur ein geistlicher Mensch führen mochte, auf einsamem
- Fels im wilden Meere. So Gott gegeben, werden Seele und
- Leib gerettet, und nachdem er durch wunderbare Weisung
- zum Haupte aller Geistlichkeit erkoren worden, kann er sich
- noch auf Erden in heiliger Lauterkeit mit der Gattinn und
- Mutter wiederum vereinen. Hier liegt also der Streit und
- die Versoehnung darin, dass das weltliche Kitterthum gegen
- die Gläubigkeit, die Wollust des Leibes gegen das Heil der
- Seele ankämpft und erliegt. Endlich am schcensten, am
- reichsten, weil der Zwiespalt ein verschiedenartiger und dop-
- pelter und so auch dessen Aufhebung in sich symmetrisch
- doppelt ist, im armen Heinrich. Heinrich reich an den
- Gutern und an jeglicher Tugend dieser Welt, aber arm an
- geistlichem Gute, arm durch die Schuld der Nichtachtung
- Gottes wird dafür heimgesucht mit der Strafe und der Prü-
- fung des Aussatzes. Er traegt das aber nicht mit Geduld;
- auch die Entäusserung all seiner Habe ist mehr ein Werk
- der Verzweifelung als der Ergebung. Ihm steht gegenüber
- die Tochter des Meiers, bei dem er Zuflucht gesucht: sie ist
- irdisch arm aber geistlich desto reicher; aus der Fülle dieses
- Eeichthums kommt auch der Entschluss, sich für ihren Herrn
- zu opfern. Eben jedoch, da es geschehen soll, tritt in Hein-
- richs Gemuthe der Umschlag ein: er entschliesst sich dem
- Willen Gottes ohne solch einen grausamen Eingriff sich zu
- fügen, das Msßdchen also am Leben zu lassen. Gottes Gnade
- belohnt ihn: er gelangt wunderbar auch so zur Genesung
- — 214 —
- und mit der Geuesung wieder zu deu alteu Gätem und Ehren,
- ja wie Hiob zu noch groesserem Reichthum; bleibt aber nun
- unwandelbar Gott zugeweodet : nun ist er an Leib und Seele
- reich. Und auch der Jungfrau wird ihr Lohn : ihr Wille ist
- für die Tbat genommen worden, und indem Heinrich dankbar
- sie zur Gemahlinu waehlt, wird ihr zu dem inneren Beichthum,
- den sie von je besessen, nun auch der äussere noch gegeben,
- Gut und Ehren.
- So hat der Arme Heinrich bei aller Einfachheit und
- Kürze des Verlaufes doch unter sämmtlichen epischen Ge-
- dichten Hartmanns die großsste Fülle und Mannigfaltigkeit
- der Composition. Dazu kommt noch ein anderer Vorzug,
- üeberall zeigt sich psychologische Feinheit und Beweglich-
- keit und Kunst der Charakteristik, die gelegentlich auch naiv
- schalkhaften Zügen nicht sproede aus dem Wege geht, sobald
- damit Personen und Umstände treffend können bezeichnet
- werden. Es zeigt sich das bei Hartmann überall, besonders
- aber wiederum im armen Heinrich: hier ist die eigenthüm-
- liche Kunst Hartmanns mit vorzüglicher Liebe und Hinge-
- bung entfaltet. Als Mittel der Charakteristik dienen nicht
- Ereignisse, deren sind zu wenige und zu wenig wechselnde;
- sondern Bede, Selbstgespraech und Zwiegespraech. Diese sind
- ausführlich ohne breit zu sein. Folgt man aber dem In-
- halte und den Wendungen derselben mit Aufmerksamkeit,
- so gewahrt man eine Auffassung der Sage, die sicherlich nicht
- so überliefert war. Die üeberlieferung brauchte die Treue
- und das Erbarmen zuverlässig nur als Werke einer über-
- menschlichen Frömmigkeit. Hartmann aber lässt mit Fein-
- heit noch ein andres, halb jedoch verdecktes Licht darauf
- fallen. Je leidenschaftlicher das Maedchen sein Verlangen
- von dieser Erde fort nach dem Himmel ausspricht, desto
- deutlicher schimmert hindurch, dass dieses Verlangen doch
- nicht der erste und eigentliche Anstoss eines Entschlusses
- gewesen sei, dass sie den ersten Beweggrund nur vor sich
- selbst verbergen, dass sie nicht bloss die Eltern, sondern ge-
- — 215 —
- wissermaassen sich selbst mit überreden will: der erste und
- natürliche Anstoss zu ihrer That ist ihre Liebe zu dem, der
- sie ja seine gemahele, seine Braut nennt. Dieser Mischung
- der Beweggründe willen ist das Msedchen auch auf eine
- Mittelstufe des Alters gesetzt, sie ist sowohl Jcint als maget:
- als Teint verlangt sie schwärmerisch nach dem Himmel, als
- maget nach irdischer Liebe. Dem entsprechend hat auch das
- Erbarmen des a. Heinrich ausser dem hoeheren rein religiösen
- Grunde auch einen irdischen: der Entschluss kommt ihm
- erst, da er und weil er seine kindliche Braut in ihrer ganzen
- Schoenheit sieht, und, eine Feinheit mehr, wieder eine Selbst-
- überredung, er bestärkt sich in dem Entschlüsse noch durch
- den Zweifel, ob denn wirklich der Tod des Kindes ihn
- auch retten würde: ein Zweifel, der bei der allgemeinen
- üeberzeugung von der Wirksamkeit dieses Mittels keine Be-
- rechtigung hatte. Durch diese Einmischung rein mensch-
- licher Züge hat Hartmann offenbar die ganze Geschichte auch
- uns menschlich nseher gerückt, unserm Verständniss, unserer
- Empfindung zugänglicher gemacht. Hätte er ganz und gar
- die Sache nur als Legende dargestellt, so dass das Doppel-
- opfer nur um des Himmels willen geschsehe: wir würden die
- Erzsehlung mit Verwunderung und halb mit Grauen, aber
- ohne tiefere Theilnahme, ohne Erwärmung des Herzens hin-
- nehmen.
- Sowohl dieser menschlichen Motivirung willen als in
- Rücksicht auf die vorher besprochene Versoehnung der Ge-
- gensätze ist die Art, wie die spsetere Ueberarbeitung den
- Schluss des Gedichtes geändert hat, als eine durchaus unge-
- hcerige und hoechst unglückliche zu bezeichnen. Hier werden
- die beiden wohl vermsehlt, aber nicht um als Vermsehlte mit
- einander zu leben, sondern sie geht in ein Kloster, er in ein
- Domherrenstift. In der Amicus und Amelius Sage mag wohl
- solch ein mönchischer Ausgang am Platze sein: da gelobt
- Amelius Weib, nachdem ihre Kinder so wunderbar wieder
- belebt worden waren, ewige Keuschheit und bei K. Kistener
- — 216 —
- bauen die zwei Jakobsbruder ein Kloster Gnadau, halb Mönchs-
- halb Nonnenkloster, und beziehen es mit den Ihrigen und
- werdent heilig in der M, Hier ist nichts vorausgegangen,
- das dem widersprseche, ja sie dürfen wohl in dem erschüttern-
- den Wunder, das vorausgegangen ist, ein Geheiss erblickwi,
- sich von der AUtaeglichkeit dieser Welt abzulcesen. Im a.
- Heinrich aber, wo niemand bereits gestorben und dann wie-
- der belebt ist, wo was geschehen ist, auch aus irdischer
- Liebe geschehen ist, wo die Symmetrie der Composition eine
- irdische Beglückung auch der Jungfrau fordert ; hier ist kein
- anderer Ausgang als dieser hellere an seinem Platz: ein süsses
- langes Leben der beiden hie auf Erden, und dann als ge-
- meinsamer Lohn das ewige Leben im Himmelreich.
- -<>aS)S<0*«-
- Eegister.
- (Die fettgedruckten Zahlen bezeichnen die Seitenzahl, die übrigen die Anmerkungen
- zum A. H.)
- abe tuon refl. m. Gen.
- 257.
- ahte 170. 296.
- al 511.
- dir est 134.
- älware 545.
- allertegelich 669.
- Amicus und Amelius
- 157 ff. die Sage 201 fg.
- äne iverden Sdb,
- an- nevien, -bieten mit
- 2 Acc. 546.
- arbeit 19. 20.
- Artikel bei unde, noch
- nur beim zweiten
- Wort 781.
- arzenie 198.
- Aussatz, Arten und
- Verbreitung 163 ff.
- Namen dafür in
- Deutschland 169 ff.
- 177 ff. Leben der
- Aussätzigen 172 ff.
- Mildthaetigkeit Aus-
- sätzigen gegenüber
- 181 ff. Heilungsver-
- suche 189 ff. Sünde
- als Aussatz der Seele
- 205 fg.
- bedriezen 405.
- begunde umschreibend
- 8.
- behalten 52.
- beidiu, beide 211.
- benamen 527.
- bereiten 1344.
- bern 104.
- Berns Gründung 5.
- bescheiden 251.
- beschern 1254.
- bestän 746.
- bewegen 1257.
- biderbe 413. '
- Mlich 799.
- Mten über- vür- umbe-
- 28. biten und ge-
- bieten 641. 1460.
- flehen und biten
- 1333.
- biuwen 268.
- blic 156.
- bluome der jugent 60.
- Blut als Heilmittel
- 193 ff. 203.
- bcese 414.
- breit 40. 1443.
- brücke des rdtes 70.
- bü 790.
- Büchlein 11.
- büezen 553.
- büman 269.
- bür 272.
- Christns als Bräuti-
- gam der Seele 775.
- Constantin und Silve-
- ster 199 ff. 204 ff.
- constructio x«r« avvs-
- aiv 274. 330.
- Contraction u. Attrac-
- tion von Haupt- und
- Adjectivsatz 183.
- creatiure 18.
- da ze stunde 1369.
- danCj äne d, 1244.
- daz iht = ne 21.
- dehein mit Pron. dem.
- 33.
- der 741.
- Diamant, Bild der Be-
- ständigkeit; macht
- getreu 62.
- die 155.
- dichotomische Respon-
- sion 149.
- dienen 286. 384.
- Dietrichs Flucht 74.
- diss, ditz 1065.
- diuten 16.
- dö 146.
- doln 979.
- dräte 173. 1238.
- dristunt küssen 1418.
- durch 227. durch got
- 1155.
- dürftige 429.
- 15
- 218 —
- € mit CoDJ. 563.
- miec, ein einec 883.
- Enjambement 1217.
- enmitten 104.
- enpfinden m. Gen. 481.
- entsagen 705.
- erbe 247.
- erbeiten 297.
- ere unde guot 77. 398.
- erkant 264.
- erkennelich 47.
- erlcesen (Kranke) 411.
- erwern 214.
- ^an;? 41.
- gebresten 67.
- 272.
- gedinge 170, gedingen
- gehoben 539. [194.
- geherren 273.
- gehien 225.
- Geleite von drei Tag-
- reisen 1391.
- geleret 1.
- ^eZwjÄ 43. 136.
- gemach 294.
- gemahele 341. 1465.
- gemeit 1192.
- gendden 927.
- gencenie 124.
- genisUch 168.
- genist 181.
- 464. 1123.
- genüegen 936.
- genuoc (dient zur Stei-
- gerung) 953.
- geriute 259.
- geschehen 141.
- geschiht 261.
- getrcesien 840.
- gewern 940.
- ^tVif, gegihte 884.
- //ot6S /tili; 256.
- Gottfried von Strass-
- burg 24 fg. 26.
- <7rdt7e 157 a.
- güetUch 305.
- ^wo* /wr- 232.
- Gute Frau 27.
- hdrbant 336.
- Hartmann von Aue:
- Heimath 1 ff.; Stand
- 2; Leben 7 ff.; Wap-
- pen 5; Reihenfolge
- seiner Werke 18 ff.;
- als Epiker 12; als
- Lyriker 10; 21; seine
- Bildung 13 ff. ; seine
- litterarhistorische
- Stellung 20 ; 22 ;
- Kunst der Charak-
- teristik 214 ; seine
- iiiäze 22; 25; meidet
- fremde Worte 23 ;
- 1199; genaue Reime
- 33 ; Reimbrechung
- 38; liebt Wiederho-
- lungen 28 ; 19 ; 22.
- Armer Heinrich:
- Hss. 28; Umarbei-
- tung 29; Ausgaben
- 29; Uebersetzungen
- 30 ; beliebt im Mit-
- telalter 28 ; derName
- weit verbreitet 209;
- die Sage 206; Hart-
- manns Behandlung
- 211 ; 213; Goethes Ur-
- theil 210.
- Gregorius : Quelle 17.
- Inhalt 212.
- Erec Inhalt 212.
- Iwein Inhalt 212.
- heil 132.
- heiligeist 863.
- heimlich 340. 1181.
- Heinrich von Ane 4.
- 208.
- Heinrich von Ejrole-
- witz 28.
- Heinrich von Veldeke
- 20. 33. 34.
- heiraths^hig sind
- Msßdchen mit 12,
- Knaben mit 14 Jah-
- ren 225.
- helfen 333.
- heln mit 2 Acc. 1083.
- hengen 537.
- Herman von Fritzlar,
- von der Helligen
- Leben 143.
- herre 427.
- hibcere 225.
- hirät 1453.
- hochmuot 82.
- hof 780.
- hövisch unde wis 74.
- hoefischeDichtkunst 20.
- honec und gcUle 152.
- Hugo von Trimberg 28.
- hulde, mit iuwern h,
- 370.
- irren an- 772.
- jänier 352.
- jener 1060.
- jö, joch 746.
- Job 128.
- kemendte 1187,
- Konrad von Würzburg
- 27. Metrik 38; En-
- gelhard 28.
- kraft 207.
- — 219 —
- krimmen 1285.
- kröne der zuht 63 ; der
- Gerechtigkeit 1168;
- bildlich auch 86.
- ImicUp 646.
- lantinan 944.
- last 68.
- Lazariten 189.
- legen an- 409.
- Leich 10.
- lesen an- 2.
- letzen 361.
- lieben 15. 328. 347.
- ligen an 162.
- Up 22. 352.
- 7ts^ 182. 626.
- loch 584.
- Zw^^-e; 288.
- inagenkraft 99.
- malielen 341.
- wi^re, unnusre 126.
- Mannbarkeit, Beginn
- derselben 225.
- meier 295.
- nieinen 618.
- Meisterschaft 100.
- >/i€rre 427.
- Metrische Form der
- hoefischen Epen 31 ff.
- vüete 346.
- mislich 7.
- niissewende 54.
- Missheirathen, dabei
- folgen die Kinder der
- ärgeren Hand 1497.
- mitteldeutsche Sprache
- 144.
- mitter tag 154.
- Montpellier 175.
- muot 46.
- nach 44. 387.
- ncBJen 1193.
- nc ohne zweite Ver-
- neinung 915.
- ne-pas 307.
- nern 213.
- St Nicolaus 865.
- nieten 76.
- niender 147.
- m/it ctw 6r6*, em Aar
- 1082.
- niht wan 230.
- wö^ werden, wesen
- 1306; «won 359. 997.
- Notker Balbulus 90.
- nü vor Fragen 426;
- nü erste 418.
- Pacht, Pächter 269.
- 275. 295.
- Particip mit Hilfszeit-
- wort 24.
- pfa/fe 1512.
- Pfeiler 731.
- pfert und ros 1022.
- Pleonasmus 20. 419.
- prisen vür-, über- 80.
- Pron. pers. für rel. nach
- und 274.
- queln 352.
- Babenschlacht 74.
- räche 409.
- rät 580. 645. 773. r.
- tuon 1070.
- rede 17. 31.
- regen der ougen 478.
- reÄ* brechen 209. 858.
- Beimprosa 31.
- reine 59.
- ncÄc 313.
- nY^er 1.
- riuwe 381.
- Budolf V. Ems 21.
- rwocÄew 255.
- Büti, Bütli 259.
- Sache 105.
- Sagenbildung 208.
- SaJerno 180.
- Sauden tor 405.
- samit 1024.
- schaffen 778.
- schemelich 383.
- Schenkungen an Got-
- teshäuser 256.
- scÄi7i 9?ia//6 65.
- schinwerden, tuon 112.
- schouwe 6.
- hl. Schrift irrthümlich
- citiert 90. schlecht
- citiert 1357.
- Schrift, geschrift 90.
- der Seele Trost 144.
- selten 343. s. ie 270.
- seltscene 185.
- scwew 157.
- sew/*te 11.
- siecheit 166.
- Siechenhäuser 186.
- St. Silvester 149 ff. 199.
- 202 ff.
- sin selbes 26.
- sinne 201.
- Sittlichkeit des Adels
- im MA. 52.
- spcehe 1411.
- sparn 285.
- Spiegelglas der werlte
- fröude 60.
- spot 383.
- sprechen wol, baz 36.
- Spruch 11.
- — 220 —
- stat 91.
- State 505.
- State 53.
- stiure und bete 275.
- Strophenbau in epi-
- schen Gedichten 31.
- Substantiv in den Adj.-
- Satz gezogen 440.
- unflectiert bei heizen,
- nennen, scJielten 341.
- süeze 326.
- sunne der vröuden 155.
- swach, swachen 143.
- tar 439.
- ein teil (etwas) 637.
- tiure fnten 1104.
- der Tod das gewisseste
- 713.
- törper, törperheit 51.
- touc 13.
- tragen über rücke 69.
- tröst 237.
- Trost in Verzweiflung
- 14. 33.
- trürec imde unfrö 148.
- trüt- 906.
- truwen 193.
- tugent 719.
- tuon Vertreter des vor-
- ausgehenden Ver-
- bums 136.
- tweln 351.
- über werden 67.
- übertragen 278.
- üf die vart 339.
- Ulrich V. Tärheim 28.
- Ulrich V. Zazikoven
- 8. 12.
- wnbe 384.
- underwinden 438.
- midersniten 1411.
- unmügelich 189.
- t^nnoc?^ 44.
- üppic 86.
- uwrewer* 214.
- univandelbcere 42.
- vollen, gevallen 256.
- valsch 51.
- Vöwfe, "^jes^c 52.
- t^erfeern 274.
- Vergleiche mitetw 724.
- cerkeren 82.
- verkiesen 494.
- Verliesen 796.
- Vermaehlung bürger-
- liche Rechtshand-
- lung 1512.
- verschaffen 725.
- verschulden 1486.
- versinälien 412.
- versiYKßlien, rersmcehe-
- lieh 118.
- versprechen 210.
- Versschluss (nidch ich)
- 1264.
- verswigen 756.
- verswingen 149.
- vervalien 899.
- yerti;4?cw 160.
- verwegen 525.
- t'oZZc 225.
- volleist 864.
- //wÄ< der 'ndtlmften 64.
- fragen, fragen 158a.
- FmnZ;ew 2.
- «?na* 225.
- vriebasre 225.
- frouwe, fröuwelin
- 1094.
- /rttwien 1034.
- /rwo wescn 909.
- wnder yüc^^c 88.
- i'tirnam68 1359.
- wd^c der mt7te 66.
- tüan (wahrlich) 767.
- tüopen tragen 5.
- ti?ar 392.
- toarten 1434.
- weetUcJie 314.
- tcßrftcn 298.
- werdekeit 89.
- werlttöre 396.
- werltza^e 1320.
- lüern 759.
- werren 491.
- w?er< 113.
- « 24.
- mderzceme 123.
- Wimt von Grafenberg
- 8. 26. (Vgl. 9. 43.
- 47. 83 u. ö).
- Wolfram von Eschen-
- bach 23 fg. 25.
- «üonew />t, mtfe 326.
- tounsch 56.
- wwndtfrn 377.
- -?a^e 1320.
- £rß auch betont 436.
- verschmolzen mit
- dem fg. Wort 436.
- zemen 1500.
- £?*?, komen üfdaz - 607.
- zwanzig Jahre - Jüng-
- lingsalter 1377.
- UNIV. OF MICHIOAM,
- r^ 23 1912